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diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..d7b82bc --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,4 @@ +*.txt text eol=lf +*.htm text eol=lf +*.html text eol=lf +*.md text eol=lf diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. 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If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Kulturgeschichte der Nutztiere - -Author: Ludwig Reinhardt - -Release Date: November 2, 2020 [EBook #63602] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KULTURGESCHICHTE DER NUTZTIERE *** - - - - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net - - - - - - - - - - Kulturgeschichte der Nutztiere - - - - - Die Erde und die Kultur - - Die Eroberung und Nutzbarmachung - der Erde durch den Menschen - - In Verbindung mit Fachgelehrten - gemeinverständlich dargestellt von - - _Dr._ Ludwig Reinhardt - - Bd. III - - Kulturgeschichte der Nutztiere - - München - - ~Verlag von Ernst Reinhardt~ - - - - - Kulturgeschichte der Nutztiere - - von - - _Dr._ Ludwig Reinhardt - - Mit 67 Bildern im Text und 70 Kunstdrucktafeln - - [Illustration] - - München 1912 - - ~Verlag von Ernst Reinhardt~ - - - - - Alle Rechte vorbehalten - - - Roßberg’sche Buchdruckerei, Leipzig. - - - - -Vorwort. - - -Im Jahre 1862, also vor genau 50 Jahren, wurde die auf -wissenschaftlicher, nämlich vergleichend-anatomischer Grundlage -beruhende Haustierkunde von meinem ehemaligen Lehrer, Professor Ludwig -~Rütimeyer~ in Basel, durch die Publikation seiner berühmten „Fauna der -Schweizer Pfahlbauten“ begründet. Zehn Jahre vorher, bei Gelegenheit -eines ungewöhnlich niedrigen Wasserstandes des Zürichsees, waren -bei Meilen die ersten Reste von Pfahlbauten entdeckt worden, denen -sich in rascher Folge andere Fundstellen an den übrigen Voralpenseen -anschlossen. An Hand des umfangreichen, ihm zur Bestimmung überwiesenen -Knochenmaterials konnte Rütimeyer die Zahl der von den Neolithikern -der Schweiz gehaltenen Haustiere bestimmen und in unzweifelhafter -Weise an ihrem Knochenbau die Merkmale der Haustierschaft gegenüber -dem Wildstande feststellen. Woher sie aber kamen und welchen Ursprungs -sie waren, auch welche Beziehungen sie zu den Haustieren der -geschichtlichen Europäer hatten, das vermochte er allerdings nicht -herauszubringen, weil das damals hierfür nötige wissenschaftliche -Material fehlte. Doch haben sich in der Folge verschiedene seiner -Vermutungen bestätigt. Was er kühn begonnen, führten bedeutende Männer -wie Theodor Studer, Konrad Keller, Hermann von Nathusius, Alfred -Nehring, Jeitteles, Woldrich u. a. weiter. Und wenn wir auch noch -weit davon entfernt sind, die Geschichte der Herkunft, der Abstammung -und Wanderung der Haustiere durch die Jahrhunderte genau zu kennen, -so haben wir doch so viel erreicht, daß wir wenigstens die Grundzüge -derselben ziemlich klar zu überblicken vermögen. Den Stand unseres -heutigen Wissens darüber im Zusammenhange zu geben und das Interesse -weiterer Kreise, die sich bis jetzt diesem wichtigen Tatsachenmaterial -gegenüber gleichgültig verhielten, zu wecken, soll der Hauptzweck -dieses Buches sein, das dem Titel gemäß außer den eigentlichen -Haustieren auch alle Nutztiere des Menschen in den Kreis seiner -Betrachtung einbezieht. Wie bei der zuvor publizierten Kulturgeschichte -der Nutzpflanzen wurden besonders die literarischen Zeugnisse des -Altertums als für uns wichtig gewürdigt. Dabei wurde wiederum mit -derselben Sorgfalt für die Beschaffung von gutem, noch nirgends -publiziertem Illustrationsmaterial als einem wesentlichen Bestandteil -des hier in Betracht kommenden Urkundenmaterials gesorgt. Möge das Buch -dieselbe freundliche Aufnahme wie seine Vorgänger finden. - -~Basel~, im November 1911. - - =_Dr._ Ludwig Reinhardt.= - - - - -Inhalt. - - - Seite - - Einleitung 1 - - 1. Der Hund 3 - - 2. Rind und Büffel 47 - - 3. Die Ziege 94 - - 4. Das Schaf 116 - - 5. Das Schwein 145 - - 6. Der Esel 161 - - 7. Das Pferd 180 - - 8. Das Kamel 212 - - 9. Das Lama 222 - - 10. Das Renntier 228 - - 11. Der Elefant 238 - - 12. Kaninchen und Meerschweinchen 270 - - 13. Die Katze 280 - - 14. Das Huhn 300 - - 15. Perlhuhn, Pfau, Fasan und Truthuhn 322 - - 16. Gans, Ente und Schwan 338 - - 17. Die Taube 361 - - 18. Die Sing- und Ziervögel 384 - - 19. Kormoran und Strauß 400 - - 20. Die Nutzfische 412 - - 21. Die Nutztiere unter den Wirbellosen 449 - - 22. Die Honigbiene 488 - - 23. Der Seidenspinner 521 - - 24. Die Geschichte der Jagd 531 - - 25. Die wichtigsten Jagdtiere 596 - - 26. Nützliche wilde Vögel 638 - - 27. Pelz-, Schmuckfedern- und Schildpattlieferanten 671 - - 28. Die Transpender 702 - - 29. Tiere als Spielzeug 728 - - - - -Tafelverzeichnis. - - - Tafel Seite - - 1. Wolf; Pariahund 16 - - 2. Eskimohunde; Schäferhund 16 - - 3. Molosser; pompejanischer Hund 32 - - 4. Assyrische Doggen 32 - - 5. Altägyptischer Hund 32 - - 6. Ägyptischer Windhund; römischer Hund 32 - - 7. Banteng; Zebubulle 56 - - 8. Zebuherde 56 - - 9. Luxusgespann von Zebu 56 - - 10. Hissarzebu; griechischer Stier 56 - - 11. Assyrische Urjagd 64 - - 12. Zuchtstier Walo 64 - - 13. Schwyzerkuh 64 - - 14. Wisent; Bison 64 - - 15. Büffel im Reisfeld 80 - - 16. Milchbüffel; Yack 80 - - 17. Toskanisches Hausrind; kirgisisches Rind 96 - - 18. Ägyptisches Relief mit Ziegen 96 - - 19. Assyrische Herden von Tiglatpilesar III. 96 - - 20. Markhor; Angoraziege 96 - - 21. Mähnenschaf; Muflon 120 - - 22. Schieferplatte der Negadazeit 120 - - 23. Ägyptische Stiere und Widder 120 - - 24. Steppenschaf; Mykenische Schafe 120 - - 25. Assyrische Fettschwanzschafe 128 - - 26. Kirgisische Fettschwanzschafe; Karakulschaf 128 - - 27. Widderkampf; Fettschwanzschaf in Chiwa 128 - - 28. Widder des Fettschwanzschafes 128 - - 29. Orientalischer Esel; Ägyptischer Esel 128 - - 30. Abessinischer Esel; Sartische Eselin 128 - - 31. Eselhengst; Maultier 176 - - 32. Zebroid; Grevy-Zebra 176 - - 33. Zebra und Fohlen; Zebragespann 176 - - 34. Weidende Zebraherde 176 - - 35. Assyrische Wildpferdjagd; Przewalskis Pferd 184 - - 36. Assyrischer Streitwagen 184 - - 37. Rennwagen 208 - - 38. Reiter vom Parthenon 208 - - 39. Shetlandpony 208 - - 40. Mongolenpferd; Araberpferd 208 - - 41. Hochzeitszug mit Pferden und Kamelen 216 - - 42. Trampeltier 216 - - 43. Pflügende Kamele 216 - - 44. Kamelkarawane in Biskra; Kirgisen auf dem Marsch 216 - - 45. Lama 224 - - 46. Renntiere 224 - - 47. Kleiner afrikanischer Elefant; 2 erlegte afrikanische - Elefanten 240 - - 48. Ceylonelefant 240 - - 49. Ägyptische Hauskatze 288 - - 50. Jagdleopard; Frettchen 289 - - 51. Schwan; Ägyptische Wildgänse 353 - - 52. Stockente; Truthuhn 353 - - 53. Kormorane 400 - - 54. Strauß 400 - - 55. Lachs 432 - - 56. Hecht; Barsch 432 - - 57. Aal; Schmetterlingsfische 432 - - 58. Spiegelkarpfen; Karpfenteich in Böhmen 432 - - 59. Seidenraupen 1. und 2. 528 - - 60. Seidenraupen 3. und 4. 528 - - 61. Assyrerkönig Assurbanipal zu Pferd 544 - - 62. Windhunde des Khans von Chiwa 544 - - 63. Wildfanggruben; Wasserjagd 576 - - 64. Hirschjagd mit Leithunden; Vogeljagd 576 - - 65. Schottisches Moorhuhn 640 - - 66. Waldschnepfe 640 - - 67. Junge Robben in Kalifornien 688 - - 68. Biber; Biberbau 688 - - 69. Römisches Mosaik 736 - - 70. Ochsenhatz in Nürnberg; Derbyrennen 736 - - - - -Einleitung. - - -Unter den Nutztieren des Menschen sind weitaus die wichtigsten seine -~Haustiere~, an die zunächst jeder denkt, wenn von solchen die -Rede ist. Ohne diese Nutztiere wäre es ihm vollkommen unmöglich -gewesen, die Kulturhöhe zu erreichen, auf der wir ihn heute angelangt -sehen. Welche bedeutende Rolle sie im Haushalte des Menschen spielen, -ist genugsam bekannt, so daß wir hier nicht näher darauf einzugehen -brauchen. Es genüge ein kurzer Überblick über die Verbreitung der -Haustiere auf der Erde. So hat das Ackerbauministerium der Vereinigten -Staaten kürzlich eine Statistik aufgestellt, wonach man die -Haussäugetiere der gesamten Erde auf anderthalb Milliarden schätzt; -davon sind 580 Millionen Schafe, 95 Millionen Pferde, 9 Millionen Esel, -2 Millionen Kamele, 21 Millionen Büffel, 100 Millionen Ziegen, 150 -Millionen Schweine und 900000 Renntiere. Dabei besitzen die Vereinigten -Staaten von Nordamerika die größte Anzahl von Schweinen, nämlich 50 -Millionen, und Pferden (25 Millionen). In bezug auf die Zahl der Pferde -werden sie beinahe von Rußland eingeholt. Für die Schafzucht kommt an -erster Stelle Australien mit 88 Millionen, dann Argentinien und an -dritter Stelle die Vereinigten Staaten mit 57 Millionen. Die Hälfte -aller Maulesel der Erde gehört den Vereinigten Staaten und ein Drittel -aller Ziegen wird in Indien angetroffen. Diesem Lande gehört auch die -erste Stelle in bezug auf den Besitz von Großvieh mit 70 Millionen -Zebus oder Buckelochsen. Die Zahl der kleineren Nutztiere, vor allem -der Hühner, Enten, Gänse, Tauben festzustellen, ist vollkommen -unmöglich, geht aber jedenfalls in die vielen Milliarden. - -Im folgenden wollen wir nun in der chronologischen Reihenfolge, wie -sie unter die Botmäßigkeit des Menschen gelangten, die Zähmung der -verschiedenen Haustiere und die Geschichte ihrer Verbreitung über die -Erde vor unserem geistigen Auge entrollen. Den Anfang dabei macht der -Hund, der weitaus der älteste Genosse des Menschen aus dem Tierreich -ist, und infolge dieser überaus langen Domestikation auch am meisten -intellektuell vom Umgange mit seinem ihm geistig so sehr überlegenen -Herrn profitiert hat. - -Die ältesten Nutztiere des Menschen waren alle diejenigen, die ihm -in ihrem Fleisch zur Speise und in ihrem Felle als Wärmeschutz gegen -die Unbill der Witterung, besonders die Winterkälte, dienten. So -lange der Mensch als Jäger genug Beutetiere zur Verfügung hatte, kam -es ihm durchaus nicht in den Sinn, sich etwa gefangene Beute als -lebenden Proviant zu reservieren und in eingehegten Bezirken zu seiner -Disposition zu halten. Und wenn er auch einmal ein junges Tier, das in -seine Gewalt geriet, lebend nach Hause brachte und es angebunden oder -in irgend welchem Verschlag gefangen hielt, so tat er dies nicht aus -Nützlichkeitsgründen, sondern zu seinem und seiner Kinder Vergnügen. -So halten die südamerikanischen Indianer und andere Jägerstämme auf -niederer Kulturstufe nicht selten die verschiedensten Tiere um ihre -Wohnstätten herum in Gefangenschaft, aus dem einfachen Grunde, weil sie -ihnen Unterhaltung bieten. Sie wollen durchaus keinen Nutzen von ihnen -ziehen und halten sie als große Kinder bloß zu ihrem Vergnügen. - -In der Regel pflanzen sich solche gefangene Tiere überhaupt nicht -fort, so daß schon dadurch keine Kontinuität in der Gefangenhaltung, -die zur Haustierschaft hätte führen können, möglich ist. Und pflanzen -sie sich auch ausnahmsweise fort, so fehlt dem Menschen dennoch -zunächst die Erkenntnis, daß in der Zähmung dieser oder jener Tierart -ein wirtschaftlicher Fortschritt liegen könne. Er erstrebt von diesen -Genossen überhaupt keinen Nutzen, sondern nur Unterhaltung; und als -er weiterhin dazu kam, auch einen Nutzen aus ihnen ziehen zu wollen, -war es meist nicht der für uns Menschen einzig in Betracht kommende -materielle Nutzen, der sie ihm angenehm machte, sondern ein ideeller -Nutzen als nützliche Vermittler zwischen ihm und der von ihm so -gefürchteten, ihn überall umgebend gedachten Geisterwelt. So sind, wie -wir bald sehen werden, verschiedene, und zwar die ältesten Haustiere, -zunächst aus solchen Gründen der Geisterfurcht, also des Aberglaubens, -wie wir es auffassen, in ein innigeres Verhältnis zum Menschen -getreten. - - - - -I. Der Hund. - - -Der unstet als Jäger lebende paläolithische Mensch hat noch keinerlei -Haustiere sein eigen genannt; erst zu Beginn der jüngeren Steinzeit -gelangte der Mensch in den Besitz von solchen. Unter diesen ist weitaus -das älteste der ~Hund~, der uns in Europa zum erstenmal zu Beginn der -neolithischen Zeit, vor etwa 12000 Jahren in sehr loser Verbindung -mit dem Menschen, der an den Küsten der Ostsee in den Muschelhaufen -die Abfälle seiner Nahrung anhäufte, entgegentritt. Dieser Hund der -frühneolithischen Muschelesser an den Küsten des nordischen Meeres, -speziell Dänemarks, war zum größten Teil noch ein Wildhund, und zwar -ein zutraulicher Schakal, der sich freiwillig dem Menschen anschloß, -um an der von ihm übriggelassenen Beute den knurrenden Magen zu füllen -und sich in der warmen Asche der von ihm verlassenen Lagerfeuer zu -wärmen. Junge dieses wenig scheuen und überaus gesellig veranlagten -Wildhundes wurden gelegentlich gefangen und an den Lagerplatz der Horde -gebracht, um hier als Spielzeug und Gefährten der heranwachsenden -Jugend freiwillig Futter und ein warmes Plätzchen am Feuer zu -erhalten. Von den Erwachsenen werden besonders die mitleidvollen -Weiber diese drolligen Wesen gehätschelt und, wie dies heute noch sehr -häufig bei kulturell niedrig stehenden Menschen vorkommt, die der -Mutterbrust entbehrenden allzu jungen, hilflosen Gäste an ihrer Brust -gesäugt haben. Durch solchen überaus engen Verkehr mit dem Menschen -faßte der Wildling bald Zutrauen zu ihm und trat in ein besonderes -Freundschaftsverhältnis zu den Kindern und Weibern, die sich seiner -freundlich annahmen, während die Männer diese neuen Familienglieder -häufig genug mit Fußtritten und Prügeln regaliert haben werden. -Letztere sorgten auch sonst dafür, daß es ihm nicht zu wohl wurde in -ihrer Mitte, und schlugen ihn häufig genug tot, besonders in Zeiten, da -die Muschellese, der Fischfang oder die Jagd aus irgend welchen Gründen -unergiebig war und der grimmige Hunger sich bei ihnen geltend machte. -An verschiedenen auf uns gekommenen Bruchstücken von Hundeschädeln -aus den dänischen Kjökkenmöddings oder Muschelabfallhaufen können -wir erkennen, daß sie mit Holzknütteln eingeschlagen und dann weiter -aufgebrochen wurden, um außer dem Fleisch, das als Speise diente, auch -das warme Gehirn als besondere Delikatesse dieser Menschen zu verzehren. - -Daß es diesem die größte Ähnlichkeit mit dem Schakal aufweisenden -Wildhunde bei diesen unkultivierten Muschelessern im Ostseegebiet in -jeder Beziehung schlecht genug ging, das beweist schon sein stark -verkümmertes Knochengerüst. Es muß schon eine rührende Anhänglichkeit -gewesen sein, daß dieses durch Hunger und Entbehrungen der schlimmsten -Art herabgekommene Geschöpf bei solch schlechter Behandlung es in -der wenig verlockenden Gesellschaft dieser rohen Menschen aushielt -und es nicht vorzog, das ungebundene Leben der viel besser genährten -freien Verwandten zu führen. Es liegt eben im gesellig lebenden -Hundegeschlechte eine überaus treue Anhänglichkeit an die Umgebung, der -die Einzelindividuen durch Aufnahme und Gewöhnung in jugendlichem Alter -angepaßt wurden. Das können wir heute noch in den zoologischen Gärten -beobachten, wo wir häufig genug sehen, wie sich jung eingefangene -und unter einigermaßen guter Behandlung frei aufgezogene Schakale -oder Wölfe mit Freudensprüngen, schweifwedelnd, den Körper zur Seite -gekrümmt, sich an den Pfleger herandrängen und dessen Hand liebkosen. -Mit vollem Recht schreibt der erfahrene Tierzüchter, _Dr._ Heck, der -Direktor des Berliner Zoologischen Gartens über den Hund: „Wer wissen -will, woher unser liebenswertestes Haustier, das nicht bloß seines -körperlichen Nutzens halber vom Menschen unterjocht worden ist, sondern -sich ihm freiwillig, von ganzem Herzen und mit ganzer Seele zu eigen -gegeben hat: der Hund, stammt, der komme mit mir bei meinem mächtigen -rumänischen Wolfsrüden vorbei und beobachte ihn, wenn ich nur mit den -Fingern schnalze oder gar ein paar freundliche Worte mit ihm spreche! -Die Liebe zum Menschen steht diesen Tieren auf dem Gesicht geschrieben, -sie ist ihnen angeboren.“ - -Daß diese halbzahmen Hunde der Muschelesser Dänemarks dem Menschen -außer als Fleisch- und Pelzlieferanten irgend welchen Nutzen gewährten, -oder von ihm gar zum Aufspüren der Beute auf der Jagd verwendet wurden, -ist zweifellos ganz ausgeschlossen. Jedenfalls blieben sie vorzugsweise -in Gesellschaft der Frauen und Kinder an den Lagerplätzen und erhielten -dort von jenen, die ihnen in erster Linie freundlich gesinnt waren, -allerlei unvollständig abgenagte Knochen und sonstige Speiseabfälle -zu essen. Diese Aufmerksamkeiten belohnten sie durch ihre Wachsamkeit. -Mit einem außerordentlich feinen Geruchssinn und scharfem Gehör -ausgestattet, meldeten sie alle sich dem Lagerplatze nähernden Menschen -und Tiere lange bevor die dort weilenden Menschen ihrer gewahr wurden. -Diese ihre Dienste waren besonders in der dunkeln, unheimlichen Nacht, -in der ein Überfall durch bösgesinnte Menschen und wilde Tiere doppelt -zu befürchten war, von größtem Vorteile für ihre menschlichen Genossen, -da sie im Gegensatz zu diesen, in einen sehr tiefen Schlaf verfallenden -Wesen nur einen äußerst leichten Schlaf besitzen, durch das geringste -Geräusch erwachen und dann ihre Umgebung durch Lautgeben auf allfällige -Ruhestörer aufmerksam machen. - -Wie die Wildhunde werden auch sie noch geheult haben statt zu bellen, -wie dies übrigens viele, nur sehr unvollständig domestizierte Hunde -von Naturvölkern und auch die herrenlosen, mit dem Islam, der den Hund -als unreines Tier verachtet, bis nach Europa gebrachten Pariahunde -des Orients, wie überhaupt alle verwilderten und aus der Botmäßigkeit -des Menschen entlaufenen Hunde heute noch tun. Erst später haben sie -das sie als Haustiere kennzeichnende Bellen gelernt, „was“ -- wie -der vorgenannte _Dr._ Heck sich ausdrückt -- „so im Hundeblut drin -liegen muß, daß selbst manche zahme Vollblutwölfe und Schakale es sich -angewöhnen!“ Jedenfalls besaßen sie auch noch wie ihre wilden Vorfahren -Stehohren und einen hochgetragenen, noch nicht geringelten Schwanz -und haben wie sie und ihre Verwandten, Wolf und Fuchs, beim Traben -„geschnürt“, d. h. die vier Füße bei gerade in der Bewegungsrichtung -gehaltenem Körper in eine gerade Linie hintereinander gesetzt, und zwar -immer einen Hinterfuß in die Spur eines Vorderfußes derselben Seite. -Später dagegen gewöhnte sich der Hund als Genosse des Menschen an zu -„schränken“, d. h. beim Trabe den Körper schief zur Bewegungsrichtung -zu stellen und Vorder- und Hinterfuß derselben Seite schief -nebeneinander zu setzen. Auch in seinem anatomischen Bau nahm der Hund -als Haustier gewisse Eigentümlichkeiten und Merkmale an, die ihn von -seinen wilden Verwandten unterscheiden, von denen wir hier nur den -verhältnismäßig starken Stirnabsatz erwähnen wollen. - -So weit wir dies nachweisen können, ist der afrikanisch-südasiatische -graue ~Schakal~, der nachts, zu Meuten vereinigt, die Ansiedelungen -des Menschen nach Aas und eßbaren Abfällen aller Art absucht und den -Schafen und Lämmern sehr gefährlich wird, der älteste vom Menschen zu -seinem Gesellschafter erhobene Wildhund. Als Verzehrer von Leichen nahm -er, nach dem auf niedriger Kulturstufe allgemein verbreiteten Glauben, -mit dem Fleisch und den Eingeweiden auch die Seele des betreffenden -Wesens in sich auf. Durch dieses Beherbergen eines Geistes wurde er von -selbst zu einem Geistwesen, einem Fetischtier erhoben, das dem Menschen -von größtem Nutzen sein konnte, wenn er es gut behandelte. So galt noch -den alten Ägyptern der Schakal als Wüstengott Anubis, der über die in -der westlich vom Niltal gelegenen Wüste beerdigten Toten Wache hielt, -für heilig und nahm man eingefangene Exemplare dieser Wildhundgattung -in Pflege und Wartung. Dies geschah auch anderwärts, und so mußte sich -unwillkürlich aus diesem in Größe und Aussehen, besonders aber in der -Kopfbildung mitten zwischen Fuchs und Wolf stehenden Wildhunde mit der -Zeit ein Haustier entwickeln. - -Das Gekläff dieser futterneidischen Tiere, welche schon in frühester -Vorzeit wie heute noch die Niederlassungen des Menschen nächtlicher -Weile umschwärmten, um dort etwas aufzustöbern, mit dem sie ihren -allzeit regen Hunger stillen konnten, warnte den Menschen vor einem -Überfall durch übelgesinnte Menschen oder Raubtiere irgend welcher Art. -Ja, scheinbar ganz unmotiviert ausgestoßen, sollte es nach dem Glauben -aller auf niedriger Kulturstufe lebender Stämme, ihm den Besuch der -die Lebenden allseitig umgebend gedachten Geister der Abgeschiedenen -anzeigen. Wenn sie auch der Mensch selbst nicht sah, so glaubte er -nichtsdestoweniger felsenfest an deren Vorhandensein und wunderte sich -durchaus nicht darüber, daß diese Wildhunde als Leichenesser und damit -als mit Geistwesen beseelt erachteten Tiere solche sahen, er dagegen -nicht. - -Diese überaus unheimliche, aber höchst wichtige Eigenschaft, besonders -die nächtlichen Unholde aller Art erspähen zu können und von ihrem, -dem Menschen unsichtbaren Vorhandensein durch Heulen und später Bellen -Kunde geben zu können, war wohl die älteste Nutzungseigenschaft, die -der Hund dem Menschen bot. So wurde er für ihn mit der Zeit nicht nur -ein wohlgelittener Begleiter, sondern geradezu ein sich immer mehr -unentbehrlich machender Genosse, der ihm die trefflichsten Dienste -leisten konnte wie kein anderes Wesen. - -Diese höchste Wertschätzung des Hundes spricht schon zu Ende des 2. -vorchristlichen Jahrtausends das altpersische Gesetzbuch aus, das -von diesem Tiere geradezu behauptet, durch seinen Verstand bestehe -die Welt. Wer eine solche uns ganz paradox erscheinende Behauptung -aufstellt, muß schon gute Gründe dazu haben; nur ein Volk, dem der -Hund ein unentbehrlicher Begleiter und Freund geworden war, konnte -einen solchen Ausspruch tun. Diesem damals noch vorzugsweise Viehzucht -treibenden arischen Volksstamme, dessen Vorfahren einst an der Ostsee -gehaust hatten, waren außer dem gleicherweise wie der Hund die -Unholdgeister der Nacht vertreibenden Feuer später auch der aus Indien -bezogene Hahn schützende Fetische, deren Stimme, nächtlicherweile als -Zeugnis der Wachsamkeit und des Kampfesmutes erhoben, die Erlösung von -den dunkeln Sorgen der Nacht ankündigte. Das altpersische Gesetzbuch -Bun-Dehesch sagt auch vom Hahn, wie vom Hunde, seine Stimme zerstöre -das Böse; dadurch sei er den Dämonen und Zauberern feind, ein -Gehilfe des Hundes. Er solle Wache halten über die Welt, als ob kein -Herden- und kein Haushund (also schon damals wurden in Persien zwei -verschiedene Arten von Haushunden unterschieden!) erschaffen worden. -Das Gesetz sage: wenn Hund und Hahn gegen die Unholde streiten, so -entkräften sie dieselben, die sonst Menschen und Vieh plagen. Und -deshalb sage man: durch den Hund und den Hahn würden alle Feinde des -Guten überwunden. - -Noch der altgriechische Dichter Homer gibt zu Beginn des letzten -vorchristlichen Jahrtausends für den damals allgemein verbreiteten -Glauben Zeugnis, daß der Hund als Wächter am Herdfeuer die bösen -Unholdgeister, die, Übles sinnend, lautlos durch das Dunkel der Nacht -schleichen, durch sein Gebell verscheuche. Und als später aus diesen -Ahnengeistern vergöttlichte Wesen wurden, so verblieb dem Hund auch -dann noch die Fähigkeit sie zu sehen und als solche zu erkennen, wo der -Mensch mit seinen stumpfen Augen nichts sah. So wird beispielsweise -in der Odyssee erzählt, wie Pallas Athene den Menschen unsichtbar in -Ithaka erschien. Weder Odysseus, noch sein Sohn Telemachos bemerkten -irgend etwas von ihrem Erscheinen: - - „Denn nicht allen sichtbar erscheinen die seligen Götter; - ~Nur die Hunde sahen sie~ und bellten nicht, sondern entflohen - Winselnd und zitternd vor ihr nach der andern Seite des Hofes.“ - -Diese uralte Vorstellung lebt im Volksglauben heute noch fort. So -bedeutet beim Landvolke das nächtliche Heulen des Hundes einen -Todesfall in der betreffenden Richtung, d. h. der Hund sieht -vermeintlich die Annäherung des Geistes, der als Todesursache -betrachtet wird, und zeigt dies dem Menschen, der solches nicht zu -sehen vermag, auf seine Weise an. - -Als eigentliches Haustier tritt uns der Hund in Europa zuerst bei den -neolithischen Pfahlbauern entgegen, und zwar zunächst nur in einer -einzigen, aber weit verbreiteten Form. Es ist dies der ~Torfhund~ -(_Canis familiaris palustris_), so bezeichnet, weil man seine Knochen -mit der übrigen Hinterlassenschaft dieser neolithischen Volksstämme von -den Humussäuren der Moorerde durchtränkt und so aufs beste konserviert -in den heute meist vertorften ehemaligen Seegründen findet. Dieses -Tier, das uns bereits, wenn auch mehr als gelittener Kommensale -oder Tischgenosse, denn als eigentlicher Freund und Begleiter der -ältesten Neolithiker der Kjökkenmöddingszeit in den Ufergebieten -an der Ost- und Nordsee entgegentritt, war ziemlich klein, bot das -Aussehen eines Spitzes mit kurzen, aber kräftigen Beinen und langem, -jedenfalls buschig behaartem Schweif. Der zwischen 13 und 15 _cm_ Länge -schwankende Schädel zeigt eine gefällige Rundung der Gehirnkapsel, -deren Kämme nur schwach entwickelt sind, außerdem eine relativ starke -Bezahnung und ein auffallend enges Nasenrohr, wie solches dem Schakal -eigentümlich ist. Diese Tatsache in Verbindung mit der andern, daß -die Pfahlbauspitze in den Niederlassungen der älteren Steinzeit durch -ganz Europa hindurch eine auffallende Einförmigkeit aufweisen, deutet -mit Sicherheit darauf hin, daß der in Westasien heimische ~kaukasische -Schakal~ die Ursprungsform dieses ältesten Haushundes war. - -[Illustration: Bild 1. Als Amulett getragener, und deshalb zum -Aufhängenkönnen an der Wurzel durchbohrter Eckzahn eines Hundes aus dem -Pfahlbau von Wangen am Bodensee (⅔ nat. Größe).] - -Diesem altertümlichen Torfhund der ältesten Neolithiker Europas am -nächsten steht von noch heute gehaltenen Hunden der im Mittel 40 -_cm_ große, gelbweiß, gelbrot bis graubraun gefärbte, kurzhaarige, -nur bellende und nicht beißende ~Battahund~, der uns durch die -Schilderungen des Baslers Max Siber zuerst eingehender bekannt -wurde. Die Battas sind durch die Malaien von den Küsten verdrängte, -ab und zu noch Menschenfraß ausübende, auch am Lande in richtigen -Pfahlhäusern wohnende Stämme, die außer gute Jäger und namentlich -Fallen- und Schlingensteller auch bereits erfahrene Viehzüchter und -leidliche Hackbauern sind, ganz so wie die Pfahlbauern Mitteleuropas in -neolithischer Zeit. Mitten zwischen den schwarzen Schweinen, Ziegen, -Büffeln, Hühnern und Menschen lebt in deren mit Palisaden umgebenen -Ansiedlungen, Kampongs genannt, der kleine Battahund, der durch und -durch Haushund ist und das Vorrecht genießt, als einziges Tier mit dem -Menschen zusammen in den Hütten selbst zu übernachten. Der vorgenannte -Basler schreibt über den kleinen Spitzhund der Battas, er genieße zwar -von seiten seines Herrn wenig Freundlichkeit, habe jedoch von allen -in Kampong friedlich nebeneinander hausenden Tieren das Vorrecht, in -den Räumen der hohen Pfahlbauhäuser neben seinem Herrn zu wohnen. -„Er gehört wie die Hühner, Ziegen und Schweine zum Departement der -Frau, der er auch anhänglicher ist als dem Manne und an die man sich -auch wenden muß, wenn man einen der Hunde erwerben oder zu Eßzwecken -präparieren lassen will. Die Dienste des Hundes sind mannigfach, -sein vornehmster ist der als Wachhund. In dieser Hinsicht ist der -immer wache, scharf hörende Spitz den Battas bei ihren unaufhörlichen -Fehden und den dabei häufigen nächtlichen Überfällen der Kampongs von -unerhörtem Wert. Manch Battamädchen, manche Battafrau wurde durch des -Hundes rechtzeitig erschallendes heftiges Gebell vor der Gefangenschaft -und dem damit verbundenen Verkauf in die Sklaverei gerettet, mancher -Krieger entrann dadurch dem Tod oder der Gefangennahme, die mit dem -eventuellen Schicksal verbunden ist, gemästet und aufgefressen zu -werden. Ferner leistet er leidliche Dienste als Jagdhund, indem er -teils in Meuten als Treibhund, teils als Leithund zur Bestätigung -des Hirsches und zum darauf folgenden Treiben desselben in angelegte -Schlingen und Netze benutzt wird. Ferner ist er von großem Wert für die -hühnerzüchtende Battafrau, da er Tag und Nacht um die Reisfeldhäuser, -bei denen die Mehrzahl der Hühner gehalten wird, herumlungernd einen -guten Schutz gegen den Hühnerräuber ‚Mussang‘ (eine Art Zibetkatze) -und die im Battaland allerdings seltenen Leguane bildet. Doch, _last -not least_, ist seiner auch als Nahrungsmittel zu gedenken, indem -er an gewissen Orten geradezu für Speisezwecke gezogen wird. Er -bildet nicht nur ein gesundes, wohlschmeckendes Nahrungsmittel, das -im fleischarmen Lande nicht zu unterschätzen ist, sondern auch eine -gewisse Erwerbsquelle für den Züchter, da junge Hunde im Preise ebenso -hoch stehen wie Hühner, bald erwachsen aber bedeutend teurer sind als -solche. Auf der Speisekarte der Battas figuriert nach den Angaben -eines Raiafürsten der Hund an dritter Stelle. Am wenigsten geschätzt -ist Huhn, mehr Hirsch, dann Hund, dann Babi oder Schweinebraten, als -allerbestes aber gilt Menschenfleisch, vertraute mir der alte Sünder -mit schmunzelndem Gesicht.“ - -Sieber ließ sich wiederholt Hundebraten in einheimischer Zubereitung -servieren und fand es in der Mitte stehend zwischen Hühner- und -Kalbfleisch; es sei weiß und saftig, ohne fett zu sein. Auch die -Battahunde fressen gerne davon, während europäische Hunde sich mit -allen Zeichen des Abscheus von solchem Fraße abwenden. Entsetzt -schrecken diese Spitzhunde vor dem Europäer zurück und weichen heulend -seiner Fährte aus. „Wo nicht eigentliche Fütterung mit Reis, Mais, -Gemüse, Früchten oder Fleischabfällen stattfindet, nährt sich der -Battahund von den Abfällen der kargen Mahlzeit der Frau, aber auch von -den Käfern, Schnecken, Mäusen und sonstigen kleinen Tieren, die er -unterwegs fängt, sowie von den Brocken und Knochen, die ihm bei der -Mahlzeit der Männer zugeworfen werden, ja selbst von Exkrementen. Wo -viele Hunde sind, da hat er schlechte Zeiten, denn seine Herren haben -gewöhnlich auch nicht viel; wo wenige gehalten werden, gedeiht er gut, -wird dick und groß, bekommt ein prächtig glänzendes Fell und einen -munteren Charakter.“ - -„Wie bereits gesagt, gehört der Hund zum Departement der Frau. Wenn er -nicht dazu bestimmt ist, in deren Abwesenheit das Haus zu hüten, so -ist er ihr ständiger Begleiter auf Schritt und Tritt. Morgens früh, -vor Tagesanbruch, sitzt er schon neben der armen Frau, die den Männern -den Reis stampfen muß, auf dem erhöhten Gestell, auf dem sie dieses -Geschäft ausführt, sorgsam jedes Körnchen aufschnappend, das nebenaus -fällt, und in der ausgeschütteten Spreu nach solchen Körnern suchend, -hier wie überall erbitterte Gefechte mit den frechen Hühnern führend, -die ihm den Reis unter der Nase wegzustehlen suchen. Er begleitet die -Frau zum Bade, getreulich am Ufer bei den Kleidern bleibend, während -die Frau (Herrin kann man nicht sagen, denn solch ein armes Battaweib -hat in keiner Beziehung etwas von einer Herrin) sich im Flusse kühlt. -Im Kampong des Battafürsten von Bander passierten, während wir eben im -sogenannten Rathaus, dessen Veranda nach dem Weiberbadeplatz schaut, -mit dem Häuptling unterhandelten, an 30 seiner Nebenweiber, meist -Kriegsgefangene oder durch Schulden in Sklaverei geratene Mädchen, -vorbei, um nach dem Ablegen aller Kleider im nahen Fluß zu baden. Jede -war begleitet von einem oder mehreren ihrer Hunde, die sich am Ufer in -langer Reihe neben die Kleider (Sarongs) der Weiber setzten, um diese -zu bewachen, bis jene das Bad wieder verließen. - -Ebenso begleitet der Hund die Frau zur Arbeit in den Ladang (das -Haus, in welchem die Bewohner der kleinen, mitten im Tschungel -geöffneten Kulturfläche bis zur Ernte hausen) und ins Reisfeld, durch -rechtzeitiges Bellen sie auf die Annäherung jedes Fremden aufmerksam -machend.“ - -Die Battawohnungen sind 2-5 _m_ über dem Boden errichtet; zu ihnen -führen sehr steil gestellte Leitern mit 40-60 _cm_ auseinander -stehenden Sprossen. Diese lernen die Hunde erklettern, um in die -Wohnungen zu gelangen, in denen sie sich mit Vorliebe aufhalten. Die -jungen Hunde legen sich mit Vorliebe in die heiße Asche und weisen -von dieser ihrer Gewohnheit sehr häufig versengte Haare und größere -Brandwunden auf. - -Kräftiger als dieser Spitz der Battas auf Sumatra, auf dessen -Lebensweise wir näher eingingen, weil er uns wichtige Fingerzeige für -diejenige des Spitzhundes der ältesten Pfahlbauern in Mitteleuropa -gibt, ist der ostasiatische ~Tschau~ -- besser ~Kau~ ausgesprochen ---, der Lieblingshund der Chinesen, der ebenfalls zu Nahrungszwecken -gehalten und gemästet wird. Dieses schwarz bis rotbraun gefärbte -Tier mit kurzer, dichter Behaarung hat einen langgestreckten Körper -auf ziemlich kurzen Beinen, eine plumpe, dicke Schnauze und aufrecht -stehende Ohren. Eine Abart desselben von geringer Größe und mit kurzen -Beinen ist der als Luxushund in China und Japan gehaltene zierliche -~Dschin~. Seine seidenartige lange Behaarung ist schwarz mit Weiß -untermischt. Er ist als eine hochgezüchtete Mopsform des Spitzes -aufzufassen, an dessen Schädel die Nasenwurzel eingeknickt und die -Kiefer so nach oben verschoben sind, daß die oberen Schneidezähne fast -horizontal stehen und die Nasenöffnung nach oben zu liegt. Dieser -in seiner Heimat hochgeschätzte Luxushund ist bei uns nicht leicht -fortzubringen, da es ihm in Mitteleuropa zu kalt ist. - -Dem alten Torfhund oder Pfahlbauspitz stehen auch die nordasiatischen -Spitzhunde sehr nahe, der graue mit Schwarz gemischte ~Tungusenspitz~, -der weißlichgraue ~Samojedenspitz~ und die als einziges, für sie -höchst wichtiges, ja geradezu unentbehrliches Haustier gehaltenen -spitzartigen Hunde der zirkumpolaren Völker, die man in ihrer -Gesamtheit als ~Eskimohunde~ bezeichnet. Es sind dies keine reinen -Schakalabkömmlinge mehr, sondern vielfach Kreuzungsprodukte derselben -mit dem arktischen Wolf. Peary bezeichnet sie als derbe, prächtige -Tiere, ohne deren Mithilfe er niemals den Nordpol erreicht hätte. „Es -mag größere Hunde geben als sie und hübschere. Andere Hunde mögen auch -ebensogut arbeiten oder ebenso schnell und weit laufen, wenn sie gut -gefüttert sind, aber es gibt keinen Hund in der Welt, der so lange in -niedrigsten Temperaturen ohne Nahrung arbeiten kann. Die männlichen -Hunde wiegen durchschnittlich 34 bis 45 _kg_, die weiblichen sind etwas -leichter. Ihre besonderen Merkmale sind: spitze Schnauze, große Breite -zwischen den Augen, scharf gespitzte Ohren, sehr dickes, pelziges -Fell, kräftige, stark muskulöse Beine und buschiger Schwanz, der Rute -des Fuchses sehr ähnlich. Es gibt nur eine Rasse von Eskimohunden, -aber sie sind verschieden gezeichnet, schwarz, weiß, grau, gelb, -braun und gesprenkelt. Trotzdem sie von den armen Eingeborenen sehr -vernachlässigt und außerordentlich schlecht gehalten werden, sind sie -ihren Herren gehorsam wie unsere Hunde zu Hause. Ihre Nahrung ist -Fleisch und nur Fleisch. Von anderer Nahrung können sie nicht leben. -Statt Wasser zu saufen, fressen sie Schnee. Sie bleiben im Freien, -gleichgültig welche Jahreszeit es ist. Sommer wie Winter werden sie -beim Zelt oder dem Iglu (der Schneehütte) irgendwo angebunden. Frei -herumstreifen dürfen sie nicht, damit sie nicht fortlaufen. Manchmal -wird ein besonderer Liebling oder eine Hündin, die Junge hat, zeitweise -in das Iglu genommen. Sind die Kleinen aber nur einen Monat alt, so -sind sie schon so hart, daß sie dem strengen Winterwetter standhalten -können.“ - -Diese Hunde, die eine Schulterhöhe von 50-60 _cm_ aufweisen, sind den -nordischen Völkern als Lasttiere und zum Schlittenziehen durchaus -unentbehrlich. Mit einer Last von 10-15 _kg_ beladen, begleiten sie -ihre Herren, wenn diese zu ihren langdauernden Jagdzügen aufbrechen. -Zu 6, 8 oder 10 Stück vermittelst eines an einen höchst einfachen Kumt -befestigten und zwischen den Hinterbeinen durchgezogenen Riemens werden -sie an leichte, niedere Schlitten gespannt, welche 300-400 _kg_ zu -tragen vermögen, und durchlaufen mit ihnen unter günstigen Umständen -bis 50, und bei leichter Last bis 80 _km_ im Tag. Spüren sie unterwegs -ein Wild auf, so rennen sie ihm, ausgehungert wie sie sind, rasend -nach, verwirren dabei oder bei gelegentlichen Beißereien ihre Riemen, -so daß auch die mit Macht geschwungene Peitsche des Schlittenführers -keine Ordnung mehr in den Haufen zu bringen vermag. Es bleibt nichts -anderes übrig, als das zu einem undurchdringlichen Knäuel gewordene -Gespann, in welchem alles knurrt, bellt, beißt und durcheinander -wütet, nach Möglichkeit zum Halten zu bringen, die Tiere aus der -Verschlingung zu lösen und von neuem einzuspannen. Natürlich kann bei -solch ungestümer Fahrt von einer Lenkung des Schlittens nach unseren -Begriffen von seiten des Menschen keine Rede sein. So gut es eben -geht, weist man den Leithunden durch Peitschenhiebe den Weg, den sie -nicht gehen sollen. - -Diese genügsamen, abgehärteten Schlittenhunde sind nicht nur den -grönländischen Eskimos und den kanadischen Pelzjägern, sondern auch -allen nordasiatischen Volksstämmen als Zugtiere völlig unentbehrlich. -Tungusen, Samojeden, Tschuktschen, Kamdschadalen und wie sie sonst -heißen mögen, fallen geradezu in Hungersnot, wenn ihnen ihre Hunde -durch eine Seuche hinweggerafft werden, weil sie ohne diese sich -weder das nötige Brennholz verschaffen, noch dem sie ausschließlich -ernährenden Fischfang und der Jagd, auch der für sie höchst wichtigen -Pelzjagd, genügend obliegen können. Über die Hunde, die einzigen -Haustiere der Kamtschadalen, schreibt der alte Steller: „Ohne diese -Hunde kann jemand hier so wenig leben wie an andern Orten ohne Pferd -und Rindvieh. Die kamtschatkischen Hunde sind verschiedenfarbig, -hauptsächlich aber dreierlei: weiß, schwarz und wolfsgrau, dabei -sehr dicht- und langhaarig. Sie ernähren sich von alten Fischen. -Vom Frühjahr bis in den späten Herbst bekümmert man sich nicht im -geringsten um sie, sondern sie gehen allenthalben frei herum, lauern -den ganzen Tag an den Flüssen auf Fische, welche sie sehr behende und -artig zu fangen wissen. Wenn sie Fische genug haben, so fressen sie, -wie die Bären, nur allein den Kopf davon; das andere lassen sie liegen. -Im Oktober sammelt jeder seine Hunde und bindet sie an den Pfeilern -der Wohnung an. Dann läßt man sie weidlich hungern, damit sie sich des -Fettes entledigen, zum Laufen geschickt und nicht engbrüstig werden -mögen, und alsdann geht mit dem ersten Schnee ihre Not an, so daß -man sie Tag und Nacht mit gräßlichem Geheul und Wehklagen ihr Elend -bejammern hört. Ihre Kost im Winter ist zweifach. Zur Ergötzung und -Stärkung dienen stinkende Fische, welche man in Gruben verwahrt und -versäuern läßt. Das andere Futter besteht in trockenen Speisen von -verschimmelten und an der Luft getrockneten Fischen. Damit füttert man -sie des Morgens, um ihnen unterwegs Mut zu machen. - -Man kann sich nicht genug über die Stärke der Hunde verwundern. -Gewöhnlich spannt man nur vier an einen Schlitten; diese ziehen drei -erwachsene Menschen mit 1½ Pud (24,5 _kg_) Ladung behende fort. Auf -vier Hunde ist die gewöhnliche Ladung 5-6 Pud (82-98 _kg_). Ungeachtet -nun die Reise mit Hunden sehr beschwerlich und gefährlich ist, und man -fast mehr entkräftet wird, als wenn man zu Fuß ginge, und man bei dem -Hundeführen und Fahren so müd wie ein Hund selber wird, so hat man -doch dabei diesen Vorteil, daß man über die unwegsamsten Stellen damit -von einem Ort zum andern kommen kann, wohin man weder mit Pferden, -noch, wegen des tiefen Schnees, sonst zu Fuß kommen könnte. - -Der andere Hauptnutzen der Hunde, weshalb sie auch häufig gehalten -werden, ist, daß man sowohl den abgelebten Schlittenhunden als den -zur Fahrt untauglichen die Häute abnimmt und zweierlei Kleider daraus -macht, welche in dem ganzen Lande von großem Nutzen und von großem -Werte sind.“ - -Eine ähnliche Lebensweise wie diese kamtschadalischen und überhaupt -nordasiatischen Hunde führen diejenigen Islands, die dort in -übergroßer Zahl (auf fünf Menschen drei Hunde!) untätig herumlungern, -zu gewissen Jahreszeiten aber beim Trieb der Schaf- und Pferdeherden -doch wesentliche Dienste leisten. Verwandt damit ist auch der Spitz -der skandinavischen Lappen und westrussischen Finnen, der sogenannte -~Elchhund~, und der russisch-sibirische ~Laika~, d. h. Beller, die -beide, ähnlich wie unsere Bracken, zum Aufstöbern und Treiben des -Wildes dienen. - -Ein etwas veränderter, vor allem durch bessere Ernährung kräftiger -gewordener Abkömmling des alten Torfhundes der neolithischen -Mitteleuropäer, der noch zur Römerzeit am Rhein und in Helvetien (so -in Vindonissa) lebte, ist unser einheimischer ~Spitz~, dessen etwas -grobes Fell weiß, grau, schakalfarbig, gelb oder ganz schwarz ist. -Dank seiner außerordentlichen Wachsamkeit, die kein Geräusch und keine -fremde Erscheinung unbeachtet läßt, ist er der Haus- und Wachthund -in des Wortes eigentlichster Bedeutung. Tag und Nacht hütet er mit -derselben Aufmerksamkeit den Hof oder das Fuhrwerk seines Herrn, das -er nie verläßt, um sich wie andere Hunde gerne herumzutreiben. Mit -wütendem Gekläff und seine scharfen Zähne weisend empfängt er jeden -Fremdling, der ihm verdächtig erscheint. Als die beste Rasse gilt der -Pommer, weil er bei unwandelbarer Treue und Anhänglichkeit besonders -aufmerksam und lebhaft ist, dabei weder Regen, noch Kälte scheut, ja -gewöhnlich im Hause oder Hofe dort am liebsten zu liegen pflegt, wo der -Wind am stärksten pfeift. Nur als Kettenhunde taugen die Spitze infolge -ihres großen Dranges zur Freiheit nicht. Unter ihnen gibt es auch -Zwergformen, die besonders in England als Schoßhündchen der Modedamen -sehr beliebt sind und bei einem Gewicht von nur 1,26 _kg_ bis 1800 Mark -kosten. - -Ein noch weitergehend veränderter Abkömmling des Torfhundes ist der -dem Spitz an Wachsamkeit und Mut kaum nachgebende ~Pinscher~, ein -höchst munteres, kluges und jagdfreudiges Tier, dessen besondere -Liebhaberei es ist, Mäusen, Ratten und Erde aufwühlenden Maulwürfen -nachzuspüren und sie zu verfolgen. Die Mäuse und Ratten frißt er bis -zu seiner Sättigung, die übrigen wirft er weg; die Maulwürfe dagegen -frißt er nicht, sondern begräbt sie. Wie der Spitz zum ländlichen -Gehöft gehört, pflegt der Pinscher im bürgerlichen Wohnhaus gehalten -zu werden, obschon er wegen seiner steten Unruhe dem Herrn oft mehr -Verdruß als Freude macht. Aus diesem Grunde eignet er sich mehr für -Leute, welche reiten oder mit schnellen Pferden fahren; denn am -allerliebsten begleitet der Pinscher seinen Herrn, wenn er tüchtig -rennen und laufen muß. Doch selbst bei den schnellsten Ritten hat er -immer noch Zeit, bald hier, bald dort ein Mauseloch zu untersuchen oder -einen Maulwurf beim Auswerfen seiner Haufen zu stören. Die Nase hoch -gegen den Wind getragen, späht er nach allen Seiten hin, und wo etwas -raschelt, naht er sich vorsichtig und leise, um Beute zu machen. In -England wird er mit Vorliebe zur Abhaltung von Rattenjagden benutzt, -wobei es allerdings ohne oft recht hohe Wetten der Teilnehmer nicht -abgeht. Auch von ihm gibt es Zwergformen, häßliche, aber muntere und -unterhaltende Tiere, die höchst zutraulich und anhänglich an ihre Herrn -sind und gleichfalls zur Rattenjagd, außerdem auch zur Kaninchen- oder -Wachteljagd verwendet werden. - -Der heute beliebteste Abkömmling des Pinscherstammes ist der durch die -Engländer überall eingeführte und populär gewordene ~Foxterrier~, der -jetzt auch in Deutschland überall angetroffen wird. Übersprudelnd von -Temperament, ist er von einer Beiß- und Rauflust ohnegleichen, die sich -in Ermangelung von Besserem an Teppichen, Gardinen, Tischdecken und -Möbelüberzügen Luft macht. Wie von der deutschen Jägerei der Dachshund, -wurde er von der englischen zum Aufsuchen von Fuchs und Dachs in ihren -Erdbauen verwendet. Terrier, altenglisch _terrar_, heißt so viel wie -Erdhund. Für die Arbeit in der Erde wurde auch diese kurzhaarige -Pinscherart gezüchtet und besaß schon vor einigen Jahrhunderten einen -gewissen Ruf. Als dann die Fuchsjagd zum reinen Sport der Vornehmen -wurde, sanken diese in der Erde wühlenden Hunde zu nebensächlichen -Handlangern für diese herab, die den unterirdisch verschlieften Fuchs -wieder hervorzutreiben hatten. Von diesen Terriers wurde zuerst der -Name Foxterrier gebraucht und dann in der Folge auf die ganze Sippe -übertragen. - -Seine Hauptbedeutung hat aber der Foxterrier längst als Luxushund -erlangt, ebenso die übrigen Terrierformen Englands, die man bei uns -kaum kennt. Einige davon, wie der kleine, langleibige, kurzbeinige -~Yorkshireterrier~ mit prächtigem Seidenhaar, sind besonders bei den -Damen als Schoßhunde beliebt. - -Andere Schakalabkömmlinge, die der hier besprochenen Spitzhundgruppe -nahestehen, sind die West- und Südasien, den indomalaiischen Archipel -bis zu den Philippinen, dann Neuguinea, Australien und Neuseeland, aber -auch Nord- und Mittelafrika und Madagaskar bewohnenden ~Pariahunde~. -Sie wurden von den Engländern so genannt, weil sie kaum oder nur -schlecht domestizierte Hunde von häßlichem Aussehen sind, die als -herrenlose Geschöpfe in der Nähe der menschlichen Wohnungen leben, um -sich vom Wegwurfe des Menschen kümmerlich genug zu ernähren. Tagsüber -liegen sie faul oder schlafend in der Sonne, um wie ihre Ahnen, -die Schakale, gegen Abend lebhaft zu werden und auf Eßbares irgend -welcher Art zu fahnden. Wie die Schakale machen sie sich des Nachts -in orientalischen Städten durch ihr Geheul sehr unangenehm bemerkbar, -indem sie bei den nicht daran Gewöhnten keinen rechten Schlaf aufkommen -lassen. Sie haben einen schlanken Leib, ziemlich hohe Beine, einen -schmalen Kopf mit zugespitzter Schnauze und aufrecht stehenden Ohren. -Das Gesicht verrät nur geringe Intelligenz. Der lange, nicht gedrehte -Schwanz wird bald hängend getragen, bald ist er gekrümmt. Die Behaarung -ist meist kurz und von rostroter oder fahler Färbung, ähnlich dem -Schakal. Auch der Schädelbau zeigt Ähnlichkeit mit diesem, und zwar am -meisten mit dem indischen Schakal. - -[Illustration: - - Tafel 1. - -Wolf im Tierpark Hellabrunn zu München. - -(Nach einer Photographie von M. Obergaßner.)] - -[Illustration: Pariahund vom weißen Nil. - -(Nach Keller, Die Abstammung der ältesten Haustiere.)] - -[Illustration: - - Tafel 2. - -Eskimohunde in Nordgrönland. - -(Nach einer Photographie von _Dr._ Arnold Heim.)] - -[Illustration: Schottischer Schäferhund in Deutschsüdwestafrika. - -(Nach einer Photographie im Besitz der deutschen Kolonialschule in -Witzenhausen.)] - -Wie heute noch allgemein im Orient besorgte dieser Pariahund hier -schon in der Urzeit neben den Hausschweinen die Straßenreinigung. -In altbabylonischen Texten wird er als _kalbu siguu_, d. h. -umherschweifender Hund bezeichnet, der manchenorts den Schafherden -lästig wurde, weil er sich zur Stillung seines übermächtigen Hungers -an die jungen Schafe heranmachte. Da er sich für gewöhnlich von Aas -ernährte, mied man ihn so viel als möglich als unheimliches Geistwesen -und schützte sich vor seinem, wie man glaubte, krankmachendem -Einflusse durch das Tragen von Amuletten, die, wie die Labartu, -selbst hundeköpfig, sonst menschenähnlich, an der einen Brust ein -Schwein, an der andern einen Hund, oder wie die Daua an beiden -Brüsten Hunde säugend dargestellt wurden. Vielfach hing man sich auch -Hundenachahmungen um. Alle Krankheitsdämonen wurden hundegestaltig -dargestellt. So begreifen wir, wie bei den Semiten und durch sie bei -allen Völkern des Morgenlandes der Hund eine verachtete Stellung -einnahm, auch dann, als höher gezüchtete Formen desselben eingeführt -wurden. - -Wie die west- und südasiatischen Pariahunde, deren südlichster -Zweig als ~Dingo~ schon in frühvorgeschichtlicher Zeit mit den dem -altdravidischen Volkselemente Südasiens nahe verwandten Australiern -in Australien einwanderte und hier in der Folge wiederum gänzlich -verwilderte, vom ebenfalls in rostroter Färbung vorkommenden -indischen Schakal abstammen, ist dies auch bei den meisten nord- und -mittelafrikanischen Pariahunden der Fall. Dagegen leben im Nilgebiet -und weiter westlich in Nordafrika Formen, die im Schädelbau stark -von jenen abweichen und offenbar vom nubischen ~Schakalwolf~ (_Canis -anthus_) abstammen. Der breite Kopf mit großen, aufrechtstehenden -Ohren, der selbst im weiblichen Geschlecht stark entwickelte -Scheitelkamm, die aufgetriebene, breite Stirn und der derbe, -kräftige Schnauzenteil stimmen vollkommen mit diesem überein. Auch -physiologische Gründe sprechen für diese Ableitung, so vor allem die -Gewohnheit beider, im Boden Löcher zu graben und Aas hervorzuscharren. -Bei den südafrikanischen Pariahunden dagegen scheint der dort -einheimische ~Schabrackenschakal~ (_Canis mesomelas_) der eigentliche -Stammvater zu sein. - -~Wie die kleineren, spitzartigen Haushunde vom Schakal, so stammen -alle größeren vom Wolf in seinen verschiedenen Abarten ab.~ Der -älteste dieser Wolfsabkömmlinge ist der in spätneolithischer Zeit in -Mitteleuropa auftretende _Canis familiaris inostranzewi_, von Anutschin -nach Inostranzew so genannt, der die Überreste desselben zusammen mit -denjenigen des Torfhunds in Kulturschichten der jüngeren Steinzeit -Rußlands am Ladogasee zuerst entdeckte. Später wurde er dann auch in -Pfahlbauten des Neuenburger- (Font) und Bielersees (an der Schüß) mit -einigen Kupfergegenständen gefunden. Dieser an Größe einem mittleren -Fleischerhunde entsprechende Hund besaß einen durchaus wolfähnlichen -Schädel von 17,7 _cm_ Länge und näherte sich sehr dem in Nordrußland -und Sibirien verbreiteten, bereits besprochenen Eskimohund, von dem -wir konstatierten, daß er eine starke Blutmischung mit dem nordischen -Wolfe aufweise. Gegenüber dem Schädel des Torfhundes erscheint der -seinige langgestreckt, niedrig, mit stark entwickelter Scheitelleiste -und überhaupt ausgeprägten Muskelansätzen. Von der breiten Stirne setzt -sich der lang ausgezogene, vorn sich verjüngende Gesichtsteil deutlich -ab. - -Durch die Kreuzung dieses wolfähnlichen Hundes mit dem Pfahlbauspitz -von Schakalabstammung entstand der ~Aschenhund~, so genannt, weil -seine Überreste vom Archäologen Grafen von Wurmbrand zuerst in -Aschenschichten bei Weikersdorf in Niederösterreich gefunden wurden. -Woldrich beschrieb sie im Jahre 1877 und nannte das Tier _Canis -familiaris intermedius_. Weitere Überreste desselben fanden sich in -Pulka und Ploscha in Böhmen. Mit einer Basilarlänge von 16,4 _cm_ steht -sein Schädel in der Mitte zwischen dem größeren wolfartigen Hund der -Bronzezeit und dem kleineren Torfhund und war durch die bedeutende -Stirnbreite und die Kürze der Schnauze ausgezeichnet. - -Von diesem eigentlichen Jagdhund der Bronzezeit, der uns in einer -bereits hängeohrigen, also hochgezüchteten Form auf einer Platte mit -Tierdarstellungen von Hierokanopolis in Ägypten aus vorpharaonischer -Zeit Antilopen und Steinböcke jagend entgegentritt, stammen die -Laufhunde sowie die Vorstehhunde mit ihren verschiedenen Unterrassen -ab. Und zwar schließt sich nach den eingehenden Untersuchungen -von Prof. Theodor Studer in Bern der Schädel des schweizerischen -~Laufhundes~ in seiner Gestalt direkt an denjenigen des Aschenhundes -an, dessen wesentliche Merkmale er bis in alle Details wiederholt, -nur ist die Schädelhöhle bei ihm bedeutend geräumiger geworden, -als Zeichen, daß er inzwischen bedeutend an Intelligenz zugenommen -hat. Die Schädellängen schwanken zwischen 16,2 und 18,4 _cm_. Die -größte Ähnlichkeit mit demjenigen des _Canis intermedius_ zeigt der -Schädel eines Laufhundes aus der helvetischen Station La Tène am -Neuenburger See aus vorrömischer Zeit. Er stammt aus Kulturschichten, -die neben zahlreichen eisernen Waffen und Geräten nebst bronzenen -Schmuckgegenständen und Utensilien zahlreiche Knochen von Haustieren, -wie Pferden, Rindern und Schweinen, lieferten. Schon bei ihm ist die -Schädelkapsel etwas geräumiger, die Schläfenenge weniger eingeschnürt -und die Stirne breiter und seitlich mehr gewölbt als beim Aschenhund, -ein Prozeß, der sich im Laufe der Zeit noch steigerte bis zu den -heutigen Laufhunden. - -Schon in der Ilias ist vom Laufhund die Rede, der den Hirsch oder die -Hirschkuh und deren Junges durch Täler und Schluchten verfolgt. Ein -solcher Laufhund war der treue Argos, der einst zur Jagd auf wilde -Ziegen, Rehe und Hasen gedient und das Aufspüren des Wildes trefflich -verstanden hatte; kein Wild sei ihm je entkommen, wird in der Ilias -von ihm gesagt. In der Folge hielten ihn die Griechen und Römer, aber -auch die Völker nördlich der Alpen. So waren zur Zeit des Julius Cäsar -die Gallier durch ihre Laufhunde berühmt, die sich vortrefflich zum -Aufspüren und Verfolgen der Beute bei der Jagd bewährten. Bei ihnen -waren besonders die nach dem gallischen Stamme der Segusier zwischen -Saône, Rhone und Allier von den Römern als _segusii_ bezeichneten -Hunde hoch geschätzt. Nach den Schilderungen der alten Schriftsteller -Ovid, Plinius und Gratius waren es rauhhaarige Tiere, die nicht nur -bei den Römern, sondern nach dem Berichte von Flavius Arrianus im -Jahre 130 n. Chr. auch in Griechenland Aufnahme fanden. Noch bis -in das 6. und 7. Jahrhundert werden sie als _segusii_ angeführt, -später aber erhielten sie nach ihrer hauptsächlichen Züchtung in der -französischen Landschaft Bresse die Bezeichnung _chiens de Bresse_. -Doch waren neben ihnen schon in römischer Zeit glatthaarige Laufhunde -sehr verbreitet, wie uns verschiedene antike Darstellungen zeigen. Daß -bei den Galliern verschiedene Rassen von Laufhunden vorkamen, beweist -ein im Jahre 1735 in den Ruinen des alten Aventicum (Avenches), der -Hauptstadt des römischen Helvetien, aufgefundenes Mosaik, das leider in -den Stürmen der Revolutionszeit 1798 zugrunde ging; doch besitzt das -historische Museum in Bern die 1794 in Farben ausgeführte Originalkopie -von Ingenieur Ritter, der im Auftrage der Berner Regierung damals die -in Avenches zutage geförderten Altertümer untersuchte und kopierte. -Wir sehen darauf, wie der wahrscheinlich helvetische Besitzer seine -geliebten Jagdhunde und sein bevorzugtes Wild neben einer durchaus -nicht dazu passenden Darstellung des auf dem Pegasus reitenden Perseus, -Tubabläsern, Bären und Delphinen wiedergeben ließ. Zu oberst springt -ein glatthaariger, langgestreckter Hund von graugelblicher Färbung, -in dem wir unschwer einen Hirschhund erkennen, einer Hirschkuh nach. -Darunter verfolgt ein großer Laufhund, weiß mit braunen Platten -mit hoher, stumpfer Schnauze -- M. Siber vergleicht ihn mit dem -dreifarbigen Berner Laufhund --, ein nicht mehr erhaltenes Wild. Im -dritten Feld verfolgt ein schwerer, breitköpfiger und untersetzter -Jagdhund einen Eber, im vierten läuft ein kleiner, gefleckter Jagdhund, -in welchem M. Siber den Hasenhund _par excellence_, den gewöhnlichen -weiß und gelben Schweizer Laufhund sieht, einem Hasen nach. Also muß -schon im 1. Jahrhundert n. Chr. der von uns als Laufhund bezeichnete -eigentliche Jagdhund bei den Helvetiern in einer ganzen Anzahl dem -verschiedenen Wilde, das er verfolgen sollte, angepaßte Rassen -zerfallen gewesen sein. - -Auch bei den Germanen scheinen Laufhunde unter dem Namen _segusu_, -_seusii_, _seuces_ -- wohl von Gallien importiert --, ferner Bracken -(_braccones_) in kleineren und größeren Formen vorgekommen zu sein. Sie -alle werden in den alamannischen und bajuvarischen Volksgesetzen, die -etwa um 700 n. Chr. verfaßt wurden, erwähnt. Eine besonders wichtige -Rolle spielte bei den alten Deutschen der ~Leitihund~ (Leithund), -dessen Verletzung mit den schwersten Strafen bedroht wurde. Nach der -Abbildung Ridingers war dies ein stämmiger, mittelgroßer Hund mit -untersetztem Körperbau, breiter Brust, starkem, breitstirnigem Kopf -und hoher Schnauze, mit langem, breitem Behang, glatthaarig, vom -Aussehen eines plumpen Laufhundes. Derselbe wurde bei der Jagd an -der Leine geführt und erhielt seinen Namen davon, daß er den Jäger, -den Spuren des Wildes folgend, zum Jagdobjekt leitete. Diese Rasse, -die anscheinend zu Anfang des 19. Jahrhunderts ausstarb, war schon -zu Anfang des Mittelalters bei den germanischen Völkern aus den -gewöhnlichen, laut jagenden Treibhunden als bestimmte, selbständige -Rasse hervorgegangen. Später diente er dazu, einen ganz bestimmten -jagdbaren Hirsch auf der Vorsuche vor der eigentlichen Jagd auszumachen -und auf einem bestimmten Standorte zu bestätigen. - -Wie die Laufhunde auf primitiver Stufe verbliebene Jagdhunde sind, -die dem aufgespürten Wilde laut bellend nachsetzen, so sind die -~Vorstehhunde~ eine weit höher gezüchtete Form des alten Jagdhundes. -Dieser darf nicht mehr seine alte Raubtiernatur zum Vorschein kommen -lassen, sondern muß allen seinen angeborenen Instinkten entgegen -das von ihm durch sein feines Geruchsorgan aufgestöberte Wild durch -unbewegliches Stillsitzen vor ihm, den Kopf nach ihm hingewendet, -das Hinterteil etwas gesenkt und einen Vorderlauf erhoben, dem Jäger -anzeigen. Dieses „Vorstehen“ ist tatsächlich auch die einzige Arbeit -des modernen Setters und Pointers, die, wie der Name schon andeutet, in -England aus dem altspanischen Vorstehhund in teils kurzhaarigen, teils -langhaarigen Formen hochgezüchtet wurden. - -Das deutsche Gegenstück zu diesen glänzenden englischen Virtuosen, -dem besten Gehilfen des sportmäßigen _shooting_, ist der kurzhaarige -~deutsche Vorstehhund~, der beste Freund und Genosse des deutschen -Weidmannes. Schon im 15. und 16. Jahrhundert besaß man in Deutschland -kurzhaarige Vorstehhunde zur Habicht- und Falkenbeize auf Feldhühner -und Hasen. Die ältesten Feuergewehrjäger des 17. Jahrhunderts, die -mit ihren schwerfälligen „Schroth-Büxen“ nur auf ruhende oder -langsam sich bewegende Ziele zu schießen vermochten, verwendeten -diese Jagdhunde wesentlich nur zum Apportieren. Erst nachdem durch -die französische Erfindung des Feuersteinschlosses und selbsttätigen -Pulverpfannendeckels das Gewehr genügend verbessert war und damit -die Periode der Schießjagd ihren Anfang nahm, kam im 18. Jahrhundert -der Vorstehhund bei den fürstlichen Jägern wieder zu Ehren und -verdrängte bei diesen den bis dahin üblichen „englischen“ Hatzhund. -Bei den regen Verbindungen des Fürstenhauses von Hannover mit England -kann es nicht verwundern, daß dann der deutsche Vorstehhund mit dem -hochgezüchteten englischen Typus verbessert wurde, bis schließlich -unsere unübertrefflichen vielseitigen ~Gebrauchshunde~ hervorgingen, -die zu den verschiedensten jagdlichen Verrichtungen verwendet werden -können. - -Einem glatthaarigen Vorstehhund ähnelt an Größe und Gestalt der -~Schweißhund~ der deutschen Weidmänner. Die kräftig gebauten, lohbraun -bis fahlgelb gefärbten Tiere mit schwärzlichem Anflug an Schnauze -und Ohren besitzen einen breiten, wenig gewölbten Kopf. Die Lippen -der stumpfen Schnauze fallen breit über und bilden im Mundwinkel -eine starke Falte; die breitlappigen Ohren sind mittellang und unten -abgerundet. Er ist ein kaum zu entbehrender Gehilfe bei Ausübung -der Jagd auf Hochwild, indem er die Fährte angeschossener Tiere zu -verfolgen hat. An der Leine gehalten, führt er bei der Nachsuche den -Jäger still durch Busch und Wald zu der Stelle, wo das weidwunde Tier -sich niedergelegt hat. Ist er freigelassen und hat er das Wild verendet -gefunden, so „verbellt er es tot“, ist dieses aber noch flüchtig -geworden, so hetzt er es laut und stellt es, bis der Herr herankommt -und die Jagd mit einem Fangschuß beendet. - -Nicht zu verwechseln mit diesem wichtigen Jagdgehilfen ist der -~Hirschhund~, der sich durch sein scharfes Spürvermögen und seine -außerordentliche Schnelligkeit auszeichnet. Gegenwärtig befinden sich -nur noch wenige im Besitz des englischen Königs. Früher war dieses Tier -ein wichtiges Inventarstück am britischen Hofe, das bei den großen -Hirschhetzen, an denen besonders Georg III. als leidenschaftlicher -Liebhaber dieses Sportes oft persönlich teilnahm, eine sehr wichtige -Rolle als Parforcehund spielte. Nicht selten hetzte man mit solchem -Eifer, daß von den 100 berittenen Jägern, die anfangs hinter dem -Hirsche dreinritten, zuletzt nur noch 10 oder 20 übrig waren, wenn -das flüchtige Wild von der Meute der Hirschhunde gepackt wurde. Man -durchritt dabei in Windeseile unglaubliche Entfernungen und setzte die -Jagd oft so lange fort, bis ein großer Teil der Pferde und selbst viele -Hunde dabei zugrunde gingen. - -Diese Hirschhunde waren namentlich bei den alten keltischen -Völkerschaften als Jagdhunde sehr verbreitet und wurden noch im -Mittelalter auf dem mitteleuropäischen Festlande viel gehalten. Nach -dem bereits erwähnten Berner Professor Th. Studer sind sie die wenig -veränderten Nachkommen des als _Canis familiaris leineri_ bezeichneten -Wolfabkömmlings, dessen Überreste bisher in einem einzigen Exemplar im -neolithischen Pfahlbau von Bodmann am Überlinger See gefunden und nach -dem nunmehr verstorbenen Direktor des Rosgartenmuseums in Konstanz, -_Dr._ Leiner, von Studer so genannt wurden. Die Eigentümlichkeit dieser -Rasse besteht in einer langgestreckten, gewölbten Hirnkapsel mit mäßig -entwickelter, gerader Scheitelleiste an dem an der Basis gemessen -20 _cm_ langen Schädel. Die stumpf abgerundete Schnauze ist vor den -Eckzähnen noch 3,5 _cm_ breit. In seiner schlanken Form erinnert der -Schädel an den des Windhundes und in seiner geraden Profillinie an -den gleich zu besprechenden Bronzehund. Das unvermittelte Auftreten -dieses Tieres weist auf den zunehmenden Handelsverkehr jener Gegenden -mit dem Süden, von wo es zweifelsohne eingeführt wurde. Sein Entdecker -wies nämlich nach, daß es jedenfalls auf den ~indischen Wolf~ (_Canis -pallipes_) zurückgeht, der viel kleiner ist als der europäische Wolf, -nämlich bei einer Schulterhöhe von 65 _cm_ nur eine Gesamtlänge von -130 _cm_ erreicht, wovon übrigens 40 _cm_ auf den Schwanz entfallen. -Von Indien aus erstreckt sich sein Verbreitungsgebiet bis nach -Ostpersien. Sein gewöhnlicher Aufenthaltsort scheint das offene Gelände -zu sein, während er das Waldgebiet möglichst meidet. Nach den Angaben -der Eingeborenen haben die indischen Wölfe die Gewohnheit, weidende -Antilopen oder Schafe nach einer günstigen Fangstelle zu treiben, -was einen Fingerzeig dafür gibt, wie bei seinen gezähmten Nachkommen -dieser Instinkt zum Bewachen und Zusammentreiben von Herdetieren durch -zielbewußte Erziehung weiter ausgebildet wurde. Jeitteles nimmt Persien -als den Ort der ersten Domestikation des indischen Wolfes an. Von dort -kam dann dieses Tier nach seiner Zähmung als Haustier über Kleinasien -und der Donau entlang ins Herz von Europa, um hier bald neben dem -Torfhund recht beliebt zu werden. - -Von dieser südlichen Haushundrasse leitet sich zweifellos der -~Bronzehund~ ab, den Jeitteles 1872 in einer vorgeschichtlichen -Ablagerung der Stadt Olmütz entdeckte und unter dem Namen _Canis -familiaris matris optimae_ -- seiner Mutter zu Ehren so genannt -- -beschrieb. In der Folge entdeckte man diesen an neun verschiedenen -Orten Mitteleuropas in Kulturresten der Bronzezeit, so daß man -annehmen darf, daß er zur Bronzezeit neben dem kleineren Torfspitz -von Schakalabstammung ziemlich verbreitet war. Sein Schädel von -durchschnittlich 18 _cm_ Basislänge hat eine weniger gewölbte -Hirnkapsel und eine längere und spitzere Schnauze als derjenige des -Torfhundes. Diesen _Canis familiaris matris optimae_ möchte neuerdings -M. Hilzheimer in Stuttgart von einem kleinen Wolf ableiten, der -nach seinen Untersuchungen Südschweden und die gegenüberliegenden -Küstenländer Rußlands bewohnte. Damit stimmt überein, daß Th. -Studer in Bern diesen von einem Hund ableiten will, der in einer -jungsteinzeitlichen Ablagerung Nordwestrußlands gefunden und von ihm -_Canis putiatini_ genannt wurde. Was nun die Funktion der beiden -Haushunde Mitteleuropas zur Bronzezeit betrifft, so nimmt Naumann an, -daß der Torfspitz damals wie früher mehr zum Bewachen des Hauses, der -Bronzehund dagegen mehr zum Bewachen und Hüten der Herden, besonders -von Schafen, benutzt wurde. Letzteres ist sehr wohl möglich, um so -mehr die Großviehhaltung zur Zeit der Bronzekultur gegenüber der -Kleinviehzucht entschieden zurücktrat und besonders die Aufzucht des -Schafes zur Gewinnung der damals zuerst in größerer Menge beliebt -werdenden Wollkleidung einen großen Umfang annahm. - -Jedenfalls sind unsere ~Schäferhunde~ die direkten Abkömmlinge des -Bronzehundes. In allen Formen des Schädelbaues stimmen sie mit -denjenigen des Bronzehundes vollkommen überein. Allerdings ist der -Schäferhund, wie wir ihn heute kennen, kaum 200 Jahre alt. Seine -Ausbildung begann erst mit der Ausrottung des Wolfes. Bis dahin war -seine Stelle vom hatzhundähnlichen, mit Stachelhalsband bewehrten -„Schafrüden“ eingenommen worden, der nur das Raubzeug, also vor -allem den Wolf, abzuhalten hatte, gewöhnlich aber vom Hirten am -Stricke geführt wurde, während dieser seine Herde selbst hütete -und, die Schalmei oder den Dudelsack blasend, vor ihr herging. Als -dann in England zuerst der Wolf ausgerottet wurde, entwickelte sich -dort aus den klugen und wetterharten wolfähnlichen Landhundschlägen -ein Schäferhund in unserem Sinne, dessen sich dann die Liebhaber -bemächtigten, um aus ihm schließlich den hochedlen Rassenhund zu -züchten, der uns heute im ~Collie~ oder ~schottischen Schäferhund~ -entgegentritt. Wie der englische ist dann später auch der ~deutsche -Schäferhund~ aus wolfähnlichen Landhunden herausgezüchtet worden; nur -wurde er nicht so verfeinert, um nicht zu sagen überfeinert, sondern -blieb ein derber, wetterharter und genügsamer Gesell. - -Aus kleinen Schäferhundformen ging schließlich im Mittelalter der -~Pudel~ hervor, der Artist unter den Hunden. Er erscheint nach Studer -zuerst in den Abbildungen der geduldigen Griselda von Pinturicchio -als solcher. Seine Ursprungsform ist der Hirtenhund früherer Zeiten, -der alte „Schafbudel“, der früher auch als Jagdhund verwendet wurde. -Vermutlich hat er im Laufe der Zeit eine ziemliche Beimischung -von Blut des vom _Canis familiaris intermedius_ der Bronzezeit -abstammenden Jagdhundes erhalten, da er früher viel für die Jagd, -besonders die Wasserjagd, verwendet wurde. Später wurde er dann dank -seiner Intelligenz und Gelehrigkeit zum persönlichen Gesellschafter, -Begleit- und Stubenhund erhoben und durch zielbewußte Zucht zu einer -Kulturrasse von besonderer Ausprägung erhoben. Wo dies zuerst geschah, -wird schwer zu entscheiden sein. Die ersten Darstellungen desselben -beziehen sich auf Burgund. In jener Zeit des Mittelalters war der -Jagdsport so allgemein und der Austausch der tierischen Jagdgehilfen so -international -- man denke nur an den massenhaften Bezug von nordischen -Jagdfalken aus Island und Grönland, die für ganz Europa den Bedarf -deckten --, daß es fast unmöglich sein wird, festzustellen, wo eine -bestimmte Rasse zuerst erzeugt wurde. In Deutschland sollen größere -Pudelformen erst im 16. Jahrhundert aufgetreten sein. - -Sowohl mit Rücksicht auf ihren Körperbau als ihre geistige Eigenart -bilden unter allen Hunden die ~Windhunde~ die am schärfsten -umschriebene Rassengruppe. Der schlanke, zierliche Körper mit schmalen, -hoch hinaufgezogenen Lenden und geräumiger Brust ruht auf hohen, -sehnigen Gliedmaßen und trägt einen fein gebauten Kopf mit lang -vorgezogener Schnauze, indem der Gesichtsschädel stark verlängert, -dabei schmal und hoch ist, so daß die Lückenzähne auseinandergerückt -sind. Die aufrecht gestellten Ohren sind an der Spitze gewöhnlich -umgebogen. Der lange, dünne Schwanz wird hängend getragen und ist -bisweilen am Ende nach oben gekrümmt. Die Behaarung ist in der Regel -sehr kurz und dicht anliegend. Nur in den mehr nach dem kalten Norden -gelegenen Wohngebieten entwickelt sich als Wärmeschutz ein längeres -Grannenhaar. - -Diese kurze Behaarung, die in unserem kühlen Klima leicht Veranlassung -zum Frieren gibt, deutet auf die Herkunft der Windhunde aus dem Süden, -und zwar weist das unruhige, ungemein bewegliche Wesen und das leichte -Orientierungsvermögen, das ihnen eigentümlich ist, wie auch der -schlanke Bau mit der stark entwickelten Brust mit geräumigen Lungen auf -die tropische Steppe als ursprünglichem Wohngebiet dieser Tiere. Dort -sind ja auch die ähnlich gebauten Antilopen zu Hause. - -[Illustration: Bild 2. Darstellungen verschiedener Hunderassen auf -altägyptischen Denkmälern. - -(Nach den Wandmalereien zusammengestellt von Wilkinson.) - -2 u. 6 Jagdhunde mit Hängeohren als Beweis einer weitgehenden -Einwirkung der Domestikation, 3 Weibchen einer dachshundartigen Rasse, -1, 4, 5 u. 7 Windhunde.] - -In Europa erscheinen die dieser Rasse angehörenden zahmen Hunde spät. -Noch zur Bronzezeit fehlten sie hier gänzlich. Auch in Asien vermissen -wir sie in den ältesten für uns nachweisbaren Kulturperioden, so auch -in der altbabylonischen Zeit. Im alten Ägypten dagegen finden wir schon -zur Zeit der 4. Dynastie (2930-2750 v. Chr.) neben dem auch hier die -ursprünglich verbreitete Hunderasse darstellenden Torfhund, dem Spitz -von Schakalabstammung, einen hochbeinigen, glatthaarigen, stehohrigen -Windhund auf den alten Grabdenkmälern abgebildet. Die aufrechtstehenden -Ohren weisen darauf hin, daß die Domestikation noch nicht allzusehr -auf ihn eingewirkt hatte. Zuerst vermutete der Pariser Zoologe -Geoffroy St. Hilaire und nach ihm der Züricher Konrad Keller, daß der -langbeinige, spitzschnauzige ~abessinische Wolf~ (_Canis simensis_) -der Stammvater des altägyptischen Windhundes sei. Er sei schon zu Ende -des 4. vorchristlichen Jahrtausends irgendwo in Nubien gezähmt und -zum Haustier erhoben worden. Dem entgegen machen die meisten Autoren -geltend, daß die Windhunde, die uns allerdings in Ägypten zuerst -entgegentreten, nicht einheitlichen Stammes sein können, daß die -größeren und kleineren Formen verschiedenen Ursprungs seien. Letztere -stammen zweifellos aus dem Niltal; doch meint neuerdings M. Hilzheimer, -daß nicht der abessinische Wolf, sondern eine auffallend schlanke -Schakalart, _Canis lupaster_, der Ausgangspunkt dieser Rasse sei. -Dieser Schakal sei dem schakalköpfig dargestellten altägyptischen Gotte -Anubis, dem Geleiter und Schützer der Toten, heilig gewesen, und man -habe in Assiut Schädel bei Hundemumien gefunden, die denjenigen dieses -schlanken Schakals außerordentlich ähneln. Diese aus Nubien stammenden -kleineren Windhunde der Ägypter werden auf den Grabdenkmälern mit -dünnem, teilweise geringeltem Schwanze abgebildet. Sie wurden dann -durch die Phönikier nach Syrien gebracht und gelangten von da wohl -über Kleinasien zu den Griechen, dann auch nach Mittelitalien zu den -Etruskern und später durch die Römer in die Länder nördlich der Alpen. - -Die größeren Windhunde dagegen führt M. Hilzheimer auf einen im -Nordwesten des Schwarzen Meeres heimischen hochgestellten ~Steppenwolf~ -zurück, der vom Menschen gezähmt und zu seinem Jagdgehilfen erhoben -wurde. Noch heute ist er als solcher für die Jagd in der Steppe -unentbehrlich. Auf diesen Wolf sei der als ~Barsoi~ bezeichnete -langhaarige russische Windhund, wie auch die gleichfalls für die Jagd -benutzten großen Windhunde, der persische ~Tasi~ und der durch ganz -Nordafrika verbreitete ~Slughi~, zurückzuführen. Der westlichste -Vertreter derselben ist der englische ~Greyhound~, der in ganz -ähnlicher Gestalt schon auf etruskischen Grabdenkmälern erscheint. Also -muß diese Windhundart schon frühe aus Westasien nach Südeuropa gelangt -sein. - -Der älteste stehohrige Windhund Altägyptens ist aus ganz Nordafrika -verschwunden. Nach Keller hat er sich nur noch auf den Balearen östlich -von Spanien im ~Ibizahund~ erhalten, so genannt, weil er nach den -Kennern von der Insel Ibiza stammt, wohin er wohl von Nordafrika her -durch die Karthager gebracht wurde. Auf die Frage, weshalb sich der -Pharaonenwindhund ganz abseits vom Niltal auf den spanischen Inseln -des Mittelmeeres bis heute erhalten konnte, während er sonst überall -verschwand, antwortet Keller: „Es ist das Kaninchen, das uns diesen -alten Windhund gerettet hat. Die Balearen waren schon im Altertum ihres -Kaninchenreichtums wegen berühmt. Die dort angesiedelten römischen -Kolonisten wandten sich, wie Plinius berichtet, an ihr Mutterland, -damit dieses Soldaten schicke, um die Kaninchenplage zu beseitigen. -Aber viel wirksamer erwiesen sich die von den Pityusen eingeführten -Ibizahunde, die dem schädlichen Nager mit großem Geschick zu Leibe -gehen. Dieser ausgesprochene Jagdinstinkt hat sich vererbt, und wir -erfahren ja durch das bekannte Gemälde, das Prisse d’Avennes unter -dem Titel ‚Rückkehr von der Jagd‘ aus der Nekropole von Theben -veröffentlicht hat, daß die altägyptischen Windhunde zur Jagd auf Hasen -verwendet wurden.“ - -Derselbe Autor hat, wie 1906 den Ibizahund auf den Balearen, so später -auf der Insel Mallorka auch einen stehohrigen dachsartigen Hund, wie er -im alten Ägypten gezüchtet wurde, gefunden. Diesen führt er, wie alle -~Dachshunde~ überhaupt, auf den altägyptischen Windhund zurück, der -durch vererbte Rachitis die ihm eigentümlichen kurzen, gekrümmten Beine -erhielt. Nun sind allerdings schon im 3. vorchristlichen Jahrtausend -niedrige, langgestreckte, stehohrige Hunde unter dem Namen _trqu_, was -etwa Feuriger, Heißer bedeutet, zur Jagd gebraucht worden. Doch ist es -durchaus nicht sicher, wie Keller annimmt, daß unser deutscher ~Teckel~ -auf diesen zurückgeführt werden darf. Leider ist die Geschichte dieses -letzteren durchaus noch im dunkeln. Heute haben die Dachshunde, die den -feinen Spürsinn der Jagdhunde besitzen, daneben sehr intelligent und -bei der Jagd äußerst ausdauernd sind, als Zeichen einer uralten Kultur -typische Hängeohren. - -Weit besser geklärt als die Geschichte der Wind- und Dachshunde ist -diejenige der ~Doggen~. Kann man erstere ihrem geistigen Wesen nach -als Sanguiniker bezeichnen, so sind letztere mehr die Choleriker unter -den Hunden. Ihr vehementer Angriff ist zu fürchten und zeugt von -bissigem Wesen, das dem Feinde gefährlich wird; aber dem eigenen Herrn -gegenüber sind sie fügsam und treu. Auch im Körperbau sind sie in ihrer -massigen Erscheinung das reine Gegenstück zu den zierlichen, schlanken -Windhunden. Ihre gedrungene Gestalt mit ungemein kräftiger Muskulatur -trägt einen schwergebauten Schädel mit relativ langem Gehirn- und -kurzem, breitem Schnauzenteil. Am Kopf erscheinen die Ohren hoch -angesetzt und am verkürzten Gesichtsteil legt sich die Haut gern in -Falten, welche in den Lippen schlaff herabhängen. Auch die Augenlider -sind vielfach schlaff und kehren unten die rote, nackte Bindehaut -heraus, was dem Gesicht einen eigentümlichen Ausdruck verleiht. An den -kurzen Hals schließt sich eine breite Brust an, die Weichen sind wenig -hoch aufgezogen, die Beine mittelhoch und mit kräftiger Muskulatur -versehen. Ursprünglich war die Körperbehaarung lang, fast zottig, als -Beweis, daß diese Hunderasse von einer in einem kalten Klima lebenden -Wolfsart abstammt. Auch der Schwanz war buschig. Doch sind später aus -diesen langhaarigen auch kurzhaarige Doggen entstanden, deren Schwanz -auch nur kurz behaart ist. - -Im vorgeschichtlichen Europa und im alten Ägypten fehlen diese -gewaltigen Hunde vollständig, dagegen treffen wir sie schon in -kurzhaarigen Formen in Vorderasien bei den alten Assyriern in der -ersten Hälfte des letzten Jahrtausends v. Chr. an. Und zwar scheinen -die Assyrier diese Hunde aus Indien erhalten zu haben, das sie -seinerseits aus dem Hochlande von Tibet bezog. Nach Prof. Konrad Keller -ist zweiffellos der auffallend große, schwarze ~Tibetwolf~ (_Canis -niger_) der Stammvater dieser mächtigen, ebenfalls zottig schwarz -behaarten Hunde, die im warmen Indien und Vorderasien ihre lange -Behaarung bald verloren und kurzhaarig wurden. Der große, schwarze -Wolf -- den Sclater 1874 zuerst als reichlich 1 _m_ langen Wildhund -beschrieb --, der im durchschnittlich Mont Blanc-Höhe aufweisenden -Hochlande von Tibet neben dem gemeinen grauen Wolfe vorkommt, ist in -den kräftig bemuskelten Beinen auffallend tief gestellt, hat an Hals -und Brust eine auffallend lange Behaarung von schwarzer Farbe, alles -Merkmale die auch die Tibetdoggen aufweisen, nur daß diese neben dem -schwarzen Haarkleid häufig einen weißen Bruststern und weiße Pfoten -aufweisen. Von den Abkömmlingen dieser Hunderassen waren nach den -vorliegenden literarischen Quellen auch die altassyrischen Doggen und -die von diesen abzuleitenden Molosserhunde der Griechen und später -der Römer vorwiegend schwarz, teils einfarbig, teils auch mit weißen -Flecken. Die späteren davon abweichenden Färbungen sind offenbar erst -sekundär erworben worden. - -Die großen Tibetdoggen sind heute noch in Europa wenig bekannt. -Die ältesten Angaben über dieselben findet man in der chinesischen -Literatur, nämlich im Schu-king, demzufolge 1121 v. Chr. ein -Tibethund, der auf die Menschenjagd dressiert war, als Geschenk an den -Kaiser von China gelangte. Heute bringen tibetische Händler solche -häufig nach dem chinesischen Reich. Nach Europa gelangte die erste -Kunde von diesen gewaltigen Tibethunden zu Ende des 13. Jahrhunderts -durch den Venezianer Marco Polo, der erzählte, daß er die Größe -eines Esels erreiche und zur Jagd auf wilde Ochsen (Yaks) verwendet -werde. Fünf Jahrhunderte hindurch hörte man nichts mehr von ihm, bis -der Engländer Samuel Turner um 1800 auf einer Gesandschaftsreise im -Auftrage der Ostindischen Kompanie nach Tibet diese starken Hunde -von 70-80 _cm_ Schulterhöhe antraf, die er als bösartig bezeichnet. -Nach ihm gab Bryan Hodgson eine genauere Beschreibung von ihnen. Er -bezeichnet die Hunde von Tibets Hauptstadt Lhassa als die schönsten; -sie seien von schwarzer Farbe mit braunen Beinen. Nach Hooker wird -diese Dogge bei den Karawanen der Tibeter vielfach zum Lasttragen -benützt. Diese Rasse, die nur vereinzelt über Tibet hinausgeht und -z. B. in den Vorbergen des Himalajas vereinzelt angetroffen wird, steht -schon durch die ziemlich wenig verkürzte Schnauze der Stammform am -nächsten. - -Die Geschichte der Doggen ist kurz folgende: Der Bildungsherd, in -welchem durch Zähmung des großen, schwarzen Tibetwolfes die ältesten -Doggen hervorgingen, ist Tibet. Von hier drangen diese durch ihre -Stärke geschätzten Nutztiere nach Nepal und Indien, vereinzelt auch -nach China vor. Von Indien aus gelangten sie frühe nach Persien und -von da bereits in einer kurzhaarigen Form in der ersten Hälfte des -letzten vorchristlichen Jahrtausends nach Assyrien und Babylonien, -wo wir sie mehrfach als Jagdhunde, teils an einem Riemen geführt, -teils frei dahinstürmend, abgebildet finden. So finden wir eine -höchst charakteristische Darstellung der assyrischen Dogge auf einer -Topfscherbe aus Birs Nimrud. Noch viel wahrheitsgetreuer sind die auch -künstlerisch viel höher stehenden Basreliefs von dem aus dem Jahre -668 v. Chr. stammenden Palast Asurbanipals in Kujundschik, die nun -ebenfalls im Britischen Museum sind. Auf der einen Darstellung sehen -wir den Auszug zur Jagd. Einige Jäger schreiten mit den Fangnetzen -voran; ihnen folgen andere, eine kampfbegierig vorwärtsstürmende -Dogge an der Leine führend. Auf der andern erblicken wir, wie vier -bissige Doggen mit kräftigen Halsbändern ein Wildpferd anfallen und es -niederzureißen versuchen. - -Später erwähnt Herodot um die Mitte des 5. vorchristlichen -Jahrhunderts, ein Satrap von Babylon habe die Einkünfte von vier -Städten auf den Unterhalt solcher Hunde verwendet, was auf eine größere -Zahl derselben schließen läßt. Zu seiner Zeit gab es ähnlich große -Hunde auch in Epirus, wohin sie nach Keller aus den Euphratländern -durch den Zug des Xerxes gekommen sein sollen. Nachschübe dieser -Doggen erfolgten durch den Eroberungszug Alexanders des Großen nach -Indien, indem dieser makedonische König ihm vom Könige Porus und -andern indischen Fürsten geschenkte gewaltige Hunde nach seiner Heimat -Makedonien sandte. Über die Leistungsfähigkeit dieser indischen -Hunde, die nur Tibeter gewesen sein können, erzählt der römische -Geschichtschreiber Curtius Rufus auf griechische Quellen gestützt -folgendes: Nach Überschreitung des Hydaspes und nach Besiegung -des Porus kam Alexander ins Gebiet des Königs Sopites. „In diesem -Lande gibt es sehr vortreffliche Jagdhunde, die, wie man sagt, beim -Anblick eines Wildes sogleich zu bellen aufhören und besonders für -die Löwenhatz sehr gut sind. Um Alexander davon zum Augenzeugen zu -machen, ließ Sopites einen außerordentlich großen Löwen bringen und -ihn bloß von vier Hunden hetzen, die sogleich den Löwen anpackten. Ein -Hatzknecht nahm hierauf einen dieser Hunde, die am Löwen hingen, bei -einem Bein und suchte ihn loszureißen. Als er nicht loslassen wollte, -hieb er ihm dieses ab. Da er aber auch dies nicht beachtete, hieb er -ihm ein zweites Bein ab, und, weil er noch immer den Löwen festhielt, -schnitt er ihm ein Glied nach dem andern vom Rumpfe, und trotzdem hielt -der Hund, obschon inzwischen tot, noch den Löwen mit den Zähnen fest. -So hitzig sind diese Tiere von Natur auf die Jagd!“ - -Etwas abweichend von diesem Berichte erzählt der griechische -Geschichtschreiber Diodorus Siculus zur Zeit Cäsars und Augustus: „Der -indische König Sopites kam aus seiner Residenz dem Alexander entgegen, -bewirtete dessen Soldaten einige Tage hindurch aufs glänzendste und -schenkte ihm außer vielen andern wertvollen Dingen 150 Hunde von -außerordentlicher Größe und Stärke. Um nun eine Probe von ihren -Heldentaten zu geben, ließ er vor Alexander einen großen Löwen in -ein Gehege bringen, und ließ dann auch zwei der schwächlichsten der -geschenkten Hunde hinein. Diesen war der Löwe überlegen. Jetzt wurden -noch zwei andere Hunde hineingelassen, und bald hatten die vier Hunde -den Löwen so gepackt, daß sie ihn überwältigten. Darauf schickte -Sopites einen Mann ins Gehege, der ein großes Messer trug, um einem der -Hunde das rechte Bein abzuschneiden. Als Alexander das sah, schrie er -voll Entsetzen auf, und Leute seiner Leibwache eilten hin, dem Inder -Einhalt zu gebieten. Sopites aber versprach dem Alexander, er wolle ihm -drei andere Hunde für den einen geben; und so schnitt denn der Inder -dem Hunde ganz langsam das Bein ab, ohne daß dieser sich muckste. Er -hielt im Gegenteil den Löwen mit seinen Zähnen so lange fest, bis er -sich verblutet hatte und starb.“ Nebenbei bemerkt kommt es auch heute -nicht selten bei Sauhatzen vor, daß sich Hunde so fest in das Beutetier -verbeißen, daß sie von selbst nicht wieder loskommen können. Für diesen -Fall muß der Hatzmeister dem Hunde einen stets bei sich geführten -fußlangen Holzknebel von der Seite in den Mund schieben, indem er -diesen behutsam öffnet. - -Einen weiteren Bericht über die außerordentliche Leistungsfähigkeit -dieser indischen Doggen hat uns der ältere Plinius in seiner -Naturgeschichte überliefert. Er schreibt nämlich: „Als Alexander (der -Große) nach Indien zog, hatte ihm der König von Albanien einen Hund -von ungeheurer Größe geschenkt. Das gewaltige Tier gefiel ihm, und er -ließ erst Bären, dann Eber und endlich Antilopen zu ihm; aber der Hund -blieb ruhig liegen und blickte sie mit Verachtung an. Erbittert über -dessen Faulheit ließ ihn der Eroberer töten. Dies erfuhr der König von -Albanien und sandte ihm einen anderen, mit der Aufforderung, ihn nicht -an schwachen Tieren, sondern an Löwen und Elefanten zu versuchen; er -habe nur zwei solcher Hunde gehabt und dieses sei der letzte. Ohne -sich lange zu besinnen, ließ Alexander einen Löwen los; diesen machte -der Hund augenblicklich nieder. Darauf befahl er, einen Elefanten -vorzuführen, und nie sah er ein Schauspiel mit größerem Vergnügen -an als das, das sich ihm jetzt darbot: Der Hund sträubte alle seine -Haare, bellte furchtbar donnernd, erhob sich, sprang bald links, bald -rechts gegen den Feind, bedrängte ihn und wich wieder zurück, benutzte -jede Blöße, die er sich gab, sicherte sich selbst vor dessen Stößen -und brachte es so weit, daß der Elefant vom immerwährenden Umdrehen -schwindelig niederstürzte, so daß bei seinem Falle die Erde erdröhnte.“ -Jedenfalls waren diese indischen Hunde von einer den Griechen bis dahin -für unmöglich gehaltenen Tapferkeit und Stärke. - -In Griechenland erfreuten sich die großen epirotischen Hunde neben -den lakonischen von ägyptischer Windhundabstammung, die zur Jagd -dienten, und den vom westasiatischen Schakal stammenden Spitzhunden, -die als getreue Wächter des Hauses gehalten wurden, in der klassischen -Zeit der größten Wertschätzung. Der 389 v. Chr. verstorbene attische -Dichter Aristophanes berichtet, daß die starken epirotischen Hunde von -fürsorglichen Ehemännern zur Hut der Frauengemächer benutzt wurden. Wie -grimmig diese dreingeschaut haben müssen, beweist die Tatsache, daß der -finsterblickende Höllenhund Kerberos von den Dichtern zum Stammvater -der epirotischen Zuchten erklärt wurde. - -Von den Griechen erhielten dann die Römer die hochgeschätzte -epirotische Dogge, die sie ~Molosser~ (_canis molossus_) nannten. -Eine eingehende Beschreibung des Tieres gibt der römische -Ackerbauschriftsteller Columella um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. -Chr., und hebt den mächtigen Kopf des Tieres hervor. Diesen gewaltigen -Hund, den sie mit Vorliebe bei den blutigen Tierhetzen im Amphitheater -verwendeten und mit dem sie gewiß bei den Helvetiern und Germanen -Aufsehen erregten, brachten die Römer zu Beginn der christlichen -Zeitrechnung auch in ihre Kolonien nördlich der Alpen. So fand man vor -einem Jahrzehnt im römischen Standlager von Vindonissa (dem heutigen -Windisch am Zusammenfluß von Aare und Reuß) auf mehreren offenbar an -Ort und Stelle hergestellten Tonlämpchen ein vollständiges Hundebild, -das gut auf den antiken Molosser paßt. Es stellt einen sehr kräftig -gebauten, hängeohrigen Hund dar, dessen Kopf eine dicke Schnauze -aufweist. Der Körper erscheint langhaarig und der starkbehaarte Schwanz -erinnert lebhaft an denjenigen unserer Bernhardinerhunde. Bemerkenswert -und ebenfalls für den Doggencharakter sprechend ist der Umstand, daß an -der Hinterpfote eine deutliche Wolfsklaue gezeichnet ist. Später kam -eben dort auch ein wohlerhaltener Molosserschädel zum Vorschein, der -nun in der Landwirtschaftlichen Sammlung in Zürich aufbewahrt wird. - -[Illustration: - - Tafel 3. - -„Vor dem Hunde wird gewarnt.“ - -Mosaik aus einem Hausflur in Pompeji.] - -[Illustration: Tonlampe mit Molosserhund aus Vindonissa. - -(Nach Keller, Die Abstammung der ältesten Haustiere.)] - -[Illustration: - - Tafel 4. - -Jäger des Assyrerkönigs Assurbanipal (668-626 v. Chr.) mit Jagdhunden -und Fangnetzen. - -(Nach einer Photographie von Mansell & Cie. in London.)] - -[Illustration: - - Tafel 5. - -Darstellung eines altägyptischen Hundes der Windhundrasse. - -Im Museum des Louvre.] - -[Illustration: - - Tafel 6. - -Altägyptische Windhunde. - -Aus dem Ti-Grab in Sakkarah. 5. Dynastie, 2750-2625 v. Chr. - -(Nach Konrad Keller.)] - -[Illustration: Die Hündin von Gabii. Römische Marmorfigur im Louvre zu -Paris.] - -Daß nun bei dem wiederholten Import einzelne Exemplare des Molossers -in verschiedene entlegene Alpentäler Helvetiens gelangten und hier vor -Kreuzung mit anderen Rassen und damit vor Vernichtung bewahrt blieben, -ist weiter nicht wunderbar. Ebenso begreiflich ist es, daß sie hier -vortrefflich gediehen. Boten doch die Alpenländer Verhältnisse, die -klimatisch denen ihrer Urheimat in Tibet sehr ähnlich sind. So wurde in -den abgeschiedenen Hochtälern der Alpen die alte Rasse weitergezüchtet -und lieferte die in den Alpen und Voralpen gehaltenen ~Sennenhunde~ -von ziemlich primitivem Charakter. Durch sorgfältige Reinzucht aber -ging aus diesem Material der nach dem Hospiz des großen St. Bernhard -benannte edle ~Bernhardinerhund~ hervor, der seiner vortrefflichen -Eigenschaften wegen unter allen Doggen am höchsten geschätzt wird. -Dort, auf dem Simplon- und Gotthardhospiz, auf der Grimsel usw., wurde -der durch guten Spürsinn ausgezeichnete Hund, dessen Gutmütigkeit -und Treue fast sprichwörtlich geworden ist, zum Aufsuchen verirrter -Wanderer benutzt. Der berühmteste aller Hospizhunde war Barry vom -Hospiz auf dem Großen St. Bernhard, der im ganzen 44 Personen das Leben -gerettet hat und nunmehr ausgestopft im Naturhistorischen Museum zu -Bern zu sehen ist. - -Gegenüber dem von den Römern in das Alpenland importierten Molosser -ist der Schädel wie der ganze Körper des Bernhardinerhundes größer, -was wohl als Folge der besseren Haltung und Pflege durch den Menschen, -unterstützt von dem ihm sehr zusagenden Hochgebirgsklima, erklärt -werden kann. Von diesem prächtigen Hunde sind aus den früheren -Jahrhunderten in der Schweiz keine schriftlichen Mitteilungen auf uns -gekommen, weil er offenbar dort so bekannt war, daß man ihn nicht zu -erwähnen brauchte; nur als Helmzier und als Wappen schweizerischer -Edelleute tritt uns sein prächtiger Kopf entgegen. Im schweizerischen -Landesmuseum in Zürich befindet sich eine Wappenrolle aus dem 14. -Jahrhundert mit zahlreichen Bernhardinern, die uns den Beweis liefern, -daß die schönen Hunde besonders beim Adel gehalten wurden. Noch -heute lassen sich manche seiner Zuchten von den Hunden der Grafen de -Rougemont, de Pourtalès, von Graffenried, von Judd usw. ableiten. -Später kamen sie dann im schweizerischen Tiefland in Vergessenheit, -wurden aber nicht nur auf dem Hospiz des Großen St. Bernhard in von den -Mönchen für ihre menschenfreundlichen Zwecke geschenkten und rasserein -gehaltenen Exemplaren, sondern auch auf anderen Alpenpässen und in -vielen Alpentälern gezüchtet. - -Die ersten, die in der Neuzeit die Bedeutung dieses Hundes erkannten, -waren die Engländer. Sie lernten ihn, wie wir zuerst aus dem Jahre -1778 erfahren, auf dem Hospiz des St. Bernhard kennen und exportierten -ihn schon in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts nach England. -Hier tauften sie ihn _holy breed_, d. h. heilige Zucht. Da ihn -ein allerdings verdienter Nimbus umgab, wurde aus verständlichen -Gründen der von einem Heiligenschein umschwebte Name Bernhardiner -der am schärfsten ausgeprägten und berühmtesten Familie der gesamten -Rasse beigelegt. Im Jahre 1863 wurde zum erstenmal in England ein -Bernhardiner prämiiert. Offenbar wurde er zunächst in der Absicht, die -einheimischen Mastiffs zu verbessern, nach England eingeführt. Später -wurde er auch direkt gezüchtet, so daß er dort heute einen besonderen, -von dem schweizerischen abweichenden Rassentypus darstellt. - -Durch die Erfolge der Engländer, dann auch Franzosen und Deutschen -aufmerksam geworden, begannen einige Schweizer Züchter, an ihrer -Spitze Schuhmacher in Holligen bei Bern, in letzter Stunde bestes -Zuchtmaterial vor der Auswanderung nach dem Auslande zu retten und -treffliche einheimische Rassen hochzuzüchten, die die früheren weit -übertreffen. Und zwar wird eine kurz- und langhaarige Bernhardinerrasse -gezüchtet, deren getrennter Bestand sich bis zum Anfang des vorigen -Jahrhunderts zurückverfolgen läßt. In der Ebene wird dem langhaarigen -Typus der Vorzug gegeben, während die Hospizmönche den kurzhaarigen -ziehen, dessen Behaarung sehr dicht ist. Der letztere besitzt bei einer -Schulterhöhe von 70 _cm_ beim Rüden und von 65 _cm_ bei der Hündin -einen in richtigem Verhältnis zum kräftigen Körper stehenden Kopf mit -verhältnismäßig schwachem Gebiß. Der Hals wird steil getragen, ist im -übrigen kurz und breit, der Rücken gerade, der Bauch weit aufgezogen. -Die weiblichen Tiere sind feiner als die männlichen gebaut. Bei den -langhaarigen Bernhardinern ist der Körper gestreckter, die Brust etwas -tiefer, der Schwanz lang und etwas buschig behaart. Die Behaarung -ist schlicht oder leicht gewellt und stimmt in der Färbung (weiß -mit rotgelb) mit dem vorigen Typus überein. Gekräuseltes oder stark -gelocktes Haar gilt als fehlerhaft. Erst in neuerer Zeit sind die -großen Formen des Bernhardiners gezüchtet worden. - -In bezug auf äußere Erscheinung schließen sich auch die ~Neufundländer~ -eng an die Tibethunde an. Sie erreichen eine Schulterhöhe von 63-69 -_cm_, sind kräftig gebaut, mit breitem, langem Kopfe, etwas verdickter -Schnauze, ziemlich hohen, starken Beinen und sehr dichter Behaarung von -äußerst feinen, weichen, tiefschwarz bis rotbraun gefärbten Haaren. -Die Behaarung des Kopfes ist kurz, am übrigen Körper, auch am Schwanz -buschig. Die Zehen der breiten Pfoten sind durch Bindehäute verbunden, -so daß das Tier gewandt und ausdauernd zu schwimmen vermag. Es schwimmt -leidenschaftlich gern und mit der größten Leichtigkeit, taucht wie ein -Wassertier und kann stundenlang im Wasser aushalten. Schon oft wurden -durch den Neufundländer Menschen vor dem Tode durch Ertrinken gerettet. -Mit größter Treue und Anhänglichkeit verbindet er bedeutenden Verstand -und außerordentliche Gelehrigkeit, ist sehr gutmütig, sanft und dankbar -für empfangene Wohltaten. Die Stammrasse ist in England gezüchtet -worden und scheint mit der Insel Neufundland, die ihr den Namen gab, -gar nichts zu tun zu haben. So wenig wie im Jahre 1622, als die -Engländer nach jener Insel gelangten, ist später dieser Hundetypus dort -einheimisch gewesen. Wie er aber in England gezüchtet wurde, das konnte -bis jetzt nicht in Erfahrung gebracht werden. - -Schlanker gebaut, mit höheren Beinen und weniger plumpem Kopf als -die echten Doggen sind die ~deutschen~ und ~dänischen Doggen~, -die vermutlich Kreuzungsprodukte von großen Windhunden mit echten -Doggen darstellen; denn in Gestalt und Eigenschaften halten sie die -Mitte zwischen beiden inne. Namentlich die deutschen Doggen bieten -in edlen Vertretern eine wahrhaft wunderbare Vereinigung an sich -widerstreitender Eigenschaften dar, nämlich Größe und Flüchtigkeit mit -Kraft und Eleganz. Wie schon der selbstverständlich vom englischen -_dog_ sich ableitende deutsche Name Dogge beweist, so führt auch die -Geschichte der deutschen Dogge wie diejenige der edlen Jagdhunde auf -die „englischen Hunde“ zurück, die seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts -von den jagdliebenden deutschen Fürsten und Adligen besonders für -die Sauhatz von England importiert wurden. Im 17. Jahrhundert wurden -sie auch in Deutschland gezüchtet, hießen aber noch zu Beginn des -vorigen Jahrhunderts bei uns „englische Hunde“ zum Unterschied von den -leichteren, spitzschnauzigen „Rüden“ einheimischen Schlages, die, unter -die Bevölkerung verteilt, von dieser auf höheren Befehl unterhalten und -während der Jagdzeit den Herren zur Verfügung gestellt werden mußten. -Zu großen Meuten vereinigt, hatten diese ungefügigen, bissigen Köter -die Wildschweine rege zu machen und zu treiben, während die größeren -und schwereren englischen Hunde, die Doggen, durch gepolsterte, mit -Fischbein gesteifte „Jacken“ geschützt, bei den Herrenjägern blieben -und, auf ein bestimmtes Stück losgelassen, dieses an den Ohren fingen -und festhielten, bis es mit der „Saufeder“ gestochen und so getötet -war. Dafür waren sie auch die Lieblinge ihrer hohen Herren, mit denen -besonders auserwählte Exemplare der Gattung als „Leib- und Kammerhunde“ -immer zusammen sein und sogar das Schlafgemach teilen durften. Als -sie dann später durch Umgestaltung der Jagd bei dieser überflüssig -wurden, wandte sich die Liebhaberei ihnen zu und züchtete aus ihnen -herrliche Tiere, die mit Recht den Stolz ihres Besitzers darstellen. -Die lichtgelbe Färbung mancher deutscher Doggen ist jedenfalls auf den -Einfluß des Windhundblutes zurückzuführen. - -Den Übergang zu ausgesprochen schweren und breitköpfigen Doggenformen -bildet die echte ~dänische Dogge~, so genannt, weil sie seit etwa 50 -Jahren mit einer gewissen Vorliebe in Dänemark gezüchtet wird, zumal -in Gestalt des gelben, schwarz maskierten Broholmers. Auch dieser ist -von englischer Abstammung und wurde in seiner ursprünglichen Heimat im -englischen ~Mastiff~ zu einem wahren Klotz von Hund gezüchtet, der dank -seiner Größe und Stärke einen geradezu unüberwindlichen Schutzbegleiter -darstellt. Solche Schutz- und Kampfhunde hat es ja bereits im Altertum, -wenn auch nicht in solchen gewaltigen Ausmaßen, gegeben. Man denke -nur an die Hunde der Zimbern und Teutonen, die mit den Weibern die -Wagenburg der Auswanderer aufs getreuste bewachten und mit denen die -Römer nach Besiegung der Männer in offener Schlacht noch einen harten -Strauß zu bestehen hatten. - -Ebenfalls Produkte englischer Zucht sind die dem Mastiff nahe stehenden -~Bullenbeißer~, deren ausgezeichnetste Rassen heute noch in Irland -hervorgebracht werden. Zu ihrer Stärke und Entschlossenheit besitzen -sie einen geradezu unglaublichen Mut, so daß sie sich zu schwerer und -gefährlicher Jagd, wie auch zu Kämpfen mit wilden Tieren besonders -eignen. Ihre geistigen Fähigkeiten sind nicht so ausgezeichnet wie die -der übrigen gescheiten Hunde, keineswegs aber so tiefstehend, als man -gemeinhin glaubt; denn jeder Bullenbeißer gewöhnt sich leicht an den -Menschen und opfert ohne Bedenken sein Leben für ihn. Er eignet sich -vortrefflich zum Bewachen des Hauses und verteidigt das ihm Anvertraute -mit wirklich beispiellosem Mute. Als Reisebegleiter in gefährlichen, -einsamen Gegenden ist er gar nicht zu ersetzen. Man erzählt, daß -er seinen Herrn gegen fünf bis sechs Räuber mit dem besten Erfolge -verteidigte, und kennt Geschichten, in denen er als Sieger aus solchen -ungleichen Kämpfen hervorging, trotz unzähliger Wunden, welche er -dabei erhielt. Auch als Wächter bei Rinderherden wird er verwendet und -versteht es, selbst den wildesten Stier zu bändigen, indem er sich -alsbald in die Oberlippe seines großen Gegners einbeißt und so lange -dort fest hängt, bis der Riese sich der Übermacht des Hundes gefügt -hat. Auch zum Kampfe gegen große Raubtiere, wie Bären, Wölfe usw., läßt -er sich abrichten. Früher waren Tierhetzen sehr beliebt, indem solche -Hunde gegen gefangene Bären oder wilde Stiere in Bären- oder Hetzgärten -genannten geschlossenen Räumen gehetzt wurden und das Volk sich an -dem beispiellosen Mute dieser verhältnismäßig kleinen Hunde ergötzte. -In England spitzten sich diese öffentlichen, gegen Eintrittsgeld -zugänglichen Schaustellungen später so zu, daß gegen einen angeseilten -Stier nur ein einziger, kleiner Hund losgelassen wurde, der ihn an der -Nase zu fassen hatte. - -Auf dem plumpen, kräftigen Körper des Bullenbeißers sitzt auf kurzem, -dickem Hals der dicke, runde, hinten sehr breite, zwischen den Augen -eingesenkte Kopf mit stumpfer, aufgeworfener Schnauze. Infolge der -starken Verkürzung des mittleren Teiles der Oberlippe und Nase -hat sich die Gesichtshaut in Falten gelegt und sind die vorderen -Zähne unbedeckt, während die Lippen seitlich davon überhängen und -von Geifer triefen. In den extremsten Fällen ist der Hund zu einer -wahren Karikatur gezüchtet worden, die in ihrer Vierschrötigkeit und -grinsenden Mine mehr Mitleid als Freude erweckt. - -Eine große Bullenbeißerrasse richtete man früher dazu ab, Menschen -einzufangen, niederzuwerfen und sogar umzubringen. Schon bei der -Eroberung Mexikos wandten die Spanier derartige Hunde als Mitkämpfer -und Aufspürer gegen die Indianer an. Unter ihnen war besonders -Beçerillo berühmt, dessen Kühnheit und Klugheit außerordentlich waren. -Er wurde unter allen seinen Genossen ausgezeichnet und erhielt doppelt -so viel Futter als die übrigen. Beim Angriff pflegte er sich in die -dichtesten Haufen der Indianer zu stürzen, diese beim Arme zu fassen -und sie so gefangen wegzuführen. Gehorchten sie, so tat ihnen der -Hund weiter nichts, weigerten sie sich aber, mit ihm zu gehen, so riß -er sie augenblicklich zu Boden und würgte sie. Indianer, welche sich -unterworfen hatten, wußte er genau von Feinden zu unterscheiden und -berührte sie nie. Noch im Jahre 1798 benutzte man solche „Bluthunde“ -zum Fangen von Menschen, und zwar waren es nicht Spanier, sondern -Engländer, welche mit ihnen die Menschenjagd betrieben. - -Die deutsche Bulldogge ist der ~Boxer~, der noch nicht zu solchem -Zerrbild wie _the old english bulldog_ überzüchtet wurde. Auch er hat -eine breite Brust und einen muskulösen Körper, aber sein Kopf ist nicht -so extrem verkürzt, so daß er seine Kiefer vortrefflich zum Beißen -verwenden kann. Ungemein bissig und herrschsüchtig, ordnet er sich -seinem Herrn gegenüber unter und zeigt ihm Treue und Anhänglichkeit; -doch muß er diesen vollkommen kennen gelernt und erfahren haben, daß -dessen geistige Energie seine leibliche Kraft unter allen Umständen -unterjochen kann und sich unbedingten Gehorsam zu erzwingen versteht. -Was der Boxer einmal gefaßt hat, läßt er so leicht nicht wieder los. -Hat man ihn in einen Stock oder in ein Tuch beißen lassen, so kann man -ihn an diesem Gegenstande in die Höhe heben, auf den Rücken werfen -oder andere Dinge mit ihm vornehmen, ohne daß er sein Gebiß öffnet. Es -gibt von ihm auch Zwergformen, die uns zum ~Mopse~ hinleiten. Dieser -ist ein Bullenbeißer im kleinen, mit ganz eigentümlich abgestumpfter -Schnauze und schraubenförmig gerolltem Schwanz. Auch zeigt er das -mißtrauische, mürrische Wesen der Bulldoggen, wurde aber dennoch früher -gerne von alten Jungfern mit großer Zärtlichkeit gehätschelt und als -Schoßhund gehalten, wobei er eine oft sprichwörtliche Fettleibigkeit -entwickelte. Diese einst sehr verbreitete Form ist jetzt fast -ausgestorben; dagegen sind neuerdings edlere Rassen dieses Luxushundes -aufgekommen, die sich wiederum großer Beliebtheit erfreuen, obschon -auch sie launenhaft und im ganzen wenig angenehme Gesellschafter des -Menschen sind. - -Wie in den Alpen kommen auch in den Abruzzen, bei den Basken in den -Pyrenäen und bei den Albanesen in Nordgriechenland große Hunde vor, -die zweifellos in verwandtschaftlicher Beziehung zum alten Molosser -stehen, aber Kreuzungsprodukte mit anderen Hunden sind. Überhaupt sind -im Laufe der Jahrhunderte so viele Kreuzungen bei den Gebrauchshunden -vorgekommen, daß sich ihre Abstammung im einzelnen nie mehr feststellen -läßt. - -Neuerdings will Hilzheimer die Doggen von einem im mittleren Schweden -heimischen mächtigen, dickköpfigen und kurzköpfigen Wolf mit starkem -Stirnabsatz ableiten. Diese Annahme ist jedoch nicht genügend -begründet, um die ältere, viel wahrscheinlichere zu verdrängen. -Immerhin darf zugegeben werden, daß ein solcher starker nordischer -Wolf den Ausgangspunkt der von den eigentlichen Doggen zu trennenden -~Hirtenhunde~ bildet, denen im Gegensatz zu den Schäferhunden, die -die Herde hüten, nur die Bewachung der Herde gegen den Angriff -starker Raubtiere oder böswilliger Menschen obliegt. Sie zeichnen -sich gegenüber den Doggen durch kaum verkürzte Schnauze und geringen -Stirnabsatz aus. Sie sind langhaarig, weiß, grau oder braun gefärbt, -vielfach auch gescheckt, und kommen in verschiedenen Ländern Europas in -typischen Vertretern vor. Früher aber waren sie, solange es reißende -Tiere von den Herden abzuhalten gab, weit verbreiteter als heute, da -sie sich nur noch in zerstreuten Inseln vorfinden. Nach Hilzheimer -soll Blut von diesem nordischen Wolfe auch in den Pudel übergegangen -sein, dem früher besprochenen Abkömmlinge des Schäferhundes, der -wahrscheinlich auch Blut vom Laufhunde in sich aufgenommen hat. - -Wie in der Alten Welt so sind auch in der Neuen durch Zähmung -verschiedener Wildhunde Haushunde von den Indianern gewonnen worden, -soweit sie sich über die primitive Stufe der Sammler und Jäger -erhoben hatten und zu einiger Ansässigkeit als Hackbauern gelangt -waren. So fanden die Europäer bei ihrer Ankunft bei verschiedenen -Volksstämmen zahme Hunde. Alle Indianersprachen an der Westküste von -Südamerika hatten eigene Bezeichnungen für den Hund, und der spanische -Geschichtschreiber Garcilasso de la Vega berichtet, daß in der ältesten -Zeit das Volk der Huanca, bevor es noch von den Inkas unterjocht wurde, -ein Hundebild anbetete und leidenschaftlich gerne Hundefleisch aß. Der -St. Galler J. J. von Tschudi fand als Beweis der Urexistenz des Hundes -in Peru in alten, vorkolumbischen Gräbern Skelette und Mumien von -Hunden, welche meist quer vor den Füßen der mitbestatteten sitzenden -Menschenkadaver lagen. Identisch mit diesen Mumienhunden ist der heute -noch in den Ansiedelungen des Gebirges der Anden bei den Hirten und -in den Indianerhütten verbreitete ~Inkahund~, der als ein bissiges, -einen besonderen Widerwillen gegen die Europäer zeigendes Tier von -ziemlich kleiner Gestalt mit rauhem Pelz von dunkelockergelber Farbe, -am Bauch und auf der Innenseite der Beine heller, geschildert wird. Der -zierliche Kopf ist scharf zugespitzt, die Ohren sind aufrecht, spitz -und klein, der Schwanz ist stark behaart und gerollt. Auf Grund der -Gräberfunde besonders von Ancon vermochte Alfred Nehring nachzuweisen, -daß schon bei den alten Inkas drei verschiedene Rassen des Inkahundes -gezüchtet wurden, die als Wacht-, Hirten- und Jagdhunde Verwendung -fanden, und daß der Stammvater dieser südamerikanischen Hundeart der -~nordamerikanische Wolf~ (_Canis occidentalis_) war. Es ist also -dieser Hund mit dem Volk von Norden her nach Süden eingewandert und -kam auch in den Tropen in den kühlen Höhenlagen recht gut fort. -Interessant ist, daß das recht hoch kultivierte Volk der alten Peruaner -bereits Rassenzucht trieb und aus dem ursprünglichen Wolfshunde, den -verschiedenen Zwecken, zu denen er verwendet wurde, entsprechend, eine -schäferhundartige, eine dachshundartig durch erblich gewordene Rachitis -verkümmerte und eine bulldoggähnliche mit verkürztem Oberkiefer -züchtete. - -Von demselben nordamerikanischen Wolfe stammt der ihm sehr ähnelnde -Hund der Indianer Nordamerikas ab. Diese verbessern ihre Zuchten von -Zeit zu Zeit durch Kreuzung mit Wölfen, wobei die Halbzuchtwölfe im -allgemeinen leicht zähmbar sind. Der eigentümliche Hasenindianerhund -mit kurzem Gesicht und kurzen Läufen ist dem ~Präriewolf~ (_Canis -latrans_) nahe verwandt und wurde zweifellos durch Zähmung aus diesem -gewonnen. - -In Südamerika gibt es Hunde, die dem ~Maikong~ (_Canis cancrivorus_) -gleichen und jedenfalls auch von ihm abstammen. Die Kreuzung derselben -mit der wilden Stammart kommt häufig vor. - -Auf den westindischen Inseln, in Mexiko und an den Küsten des -nördlichen Südamerika lebt ein kleiner, fuchsartiger Hund, dessen -schwärzlicher bis dunkelgrauer Körper fast haarlos ist. Es ist dies der -~Karaibenhund~, den schon Kolumbus bei seiner Ankunft antraf und der -von den Altmexikanern Xoloitzcuintli genannt wurde. Sein Stammvater -ist eine kleine Schakalart der Antillen, die durch spezielle Zucht ihr -Haarkleid im warmen Klima mehr und mehr reduzierte. Wichtig sind den -Feuerländern ihre Hunde, da sie ihnen beim Fang der Seeotter helfen. -Darwin sagt daher von ihnen, „sie wollten in der Not lieber ihre alten -Weiber als ihre Hunde töten und essen“. Übrigens wußten auch diese -niedrig stehenden Wilden die Vorzüge der europäischen Hunde zu schätzen -und trachteten danach, sie mit den größten Opfern anzuschaffen. - -Mit dem Vordringen der Europäer nach der Neuen Welt gelangten -selbstverständlich auch die verschiedensten altweltlichen Hunde dahin -und fühlten sich dort sehr bald heimisch. Dabei mischten sie sich -vielfach mit den vorgefundenen zahmen Hunden und gaben zu den buntesten -Mischrassen Veranlassung. Solche unentwirrbare Kreuzungsprodukte -gibt es ja auch in der Alten Welt genug. Sie gehen immer wieder, -meist ungewollt, hervor und machen sich überall, oft unliebsam genug, -bemerkbar; doch wird von den Kennern stets das reine Blut diesen -Mischlingen vorgezogen werden. - -Schon bei den Schriftstellern des Altertums finden wir gelegentlich -Geschichten, die uns die hohe Wertschätzung des Hundes als Haustier und -Gefährten des Menschen beweisen, die auch zeigen, wie sich dieses Tier -oft für seinen Herrn opferte und ihm Treue über den Tod hinaus hielt. -So berichtet u. a. der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte: „Man -erzählt von einem Hunde, der für seinen Herrn gegen Räuber kämpfte -und, obgleich selbst schwer verwundet, dessen Leichnam doch nicht -verließ, sondern gegen Vögel und Raubtiere verteidigte. Einen König -der Garamanten holten 200 Hunde aus der Verbannung zurück und schlugen -dessen Widersacher in die Flucht. Die Kolophonier und Kastabalenser -hielten ganze Meuten von Hunden, die im Kriege die erste Schlachtreihe -bildeten und sich nie feig erwiesen; sie waren die treusten -Hilfstruppen und dienten ohne Sold. Als die Zimbern erschlagen waren, -verteidigten noch Hunde ihre auf Wagen stehenden Zelte. Als der Lycier -Jason getötet war, wollte sein Hund nicht mehr fressen und hungerte -sich zu Tode. Ein Hund, den Duris (ein griechischer Schriftsteller -aus Samos zur Zeit des Ptolemäos II. Philadelphos, 285-247 vor Chr.) -Hyrkanus nennt, stürzte sich in die Flammen, als König Lysimachus -verbrannt wurde. Dasselbe tat der Hund des Königs Hiero. Bei uns wurde -Volcatius, ein Edelmann, der zu Pferd von seinem Landhaus zurückkehrte, -als er abends von einem Räuber angefallen wurde, durch seinen Hund -verteidigt; ebenso der Senator Coelius, als er zu Placentia (dem -heutigen Piacenza) krank lag und von Bewaffneten überfallen wurde. Erst -als der Hund erschlagen war, erhielt er eine Wunde. Über alles erhaben -ist aber folgender Zug, der zu unserer Zeit in den Jahrbüchern des -römischen Volkes, als Appius Junius und Publius Silius Konsuln waren, -aufgezeichnet wurde: Als Titius Sabinus samt seinen Sklaven wegen des -an Nero, dem Sohn des Germanicus, begangenen Mordes zum Tode verurteilt -war, konnte der Hund eines dieser Unglücklichen nicht vom Gefängnis -weggetrieben werden, verließ auch dessen Leiche nicht, als sie auf die -Straße geworfen wurde, heulte kläglich und trug, als einer aus der -versammelten Volksmenge ihm ein Stück Fleisch hinwarf, dieses zum Munde -seines toten Herrn. Als dann die Leiche in den Tiber geworfen wurde, -schwamm er mit ihr und suchte sie über Wasser zu erhalten, während das -Volk am Ufer seine Treue bewunderte. - -Der Hund ist das einzige Tier, das seinen Herrn kennt, Bekannte von -Unbekannten unterscheidet, auf seinen Namen hört und seine Hausgenossen -schon an der Stimme kennt. Die längsten Wege finden sie wieder, wenn -sie sie einmal gemacht haben, und überhaupt ist ihr Gedächtnis nach dem -des Menschen das beste. Wenn sie auch noch so wütend sind, kann man -ihnen doch Einhalt tun, wenn man sich auf die Erde niedersetzt (was -nach Schatter tatsächlich von Erfolg begleitet ist). Der Mensch hat an -ihnen schon viele nützliche Eigenschaften aufgefunden; am nützlichsten -werden sie aber durch ihren Eifer und ihren Spürsinn auf der Jagd. Sie -suchen und verfolgen die Fährte des Wildes, ziehen den Jäger an der -Leine hinter sich her, zeigen das Wild heimlich und schweigend, indem -sie zuerst mit dem Schwanze, dann mit der Schnauze ein Zeichen geben. -Selbst alt, blind und schwach leisten sie noch Dienste, indem man sie -auf dem Arm trägt und durch den Geruch das Lager des Wildes aufsuchen -läßt. - -Die Hündin bekommt zweimal jährlich Junge. Dieselben werden blind -geboren und werden um so später sehend, je reichlicher sie gesäugt -werden, doch nie vor dem 7. oder 21. Tage. Die Weibchen von der -ersten Hecke sollen die Eigenschaft haben, Faune (Waldgeister) sehen -zu können. Unter den Jungen ist dasjenige das beste, das zuletzt zu -sehen beginnt oder das die Mutter zuerst ins Lager trägt. (Noch heute -gilt dieser Glaube bei manchen Hundeliebhabern. Diese nehmen der -Hündin die Jungen, legen sie in einiger Entfernung nieder und halten -das für das beste, das von ihr zuerst ins Lager zurückgetragen wird.) -Die Alten hielten saugende junge Hunde für eine so reine Speise, daß -sie dieselben sogar den Göttern als Sühnopfer darbrachten. Noch jetzt -opfert man der Göttin Genita Mana ein Hündchen und trägt, wenn die -Götter bewirtet werden sollen, Hundefleisch auf. Man glaubt auch, daß -Hundeblut das beste Mittel gegen Pfeilgift ist.“ - -Der um die Mitte des ersten christlichen Jahrhunderts von Spanien nach -Rom gekommene Ackerbauschriftsteller Columella schreibt in seinem -Buch über den Landbau: „Der Hund liebt seinen Herrn mehr als irgend -ein anderer Diener, ist ein treuer Begleiter, unbestechlicher und -unermüdlicher Wächter und beharrlicher Rächer. - -Der Wachthund für ein Landhaus muß sehr groß sein, gewaltig und laut -bellen, so daß er nicht bloß durch seinen Anblick, sondern auch durch -seine Donnerstimme den Dieb erschreckt. Man wähle dafür einen solchen -mit einfacher Farbe, am besten schwarzer. Bei Tage fürchtet sich der -Dieb mehr vor dem schwarzen Hund, bei Nacht sieht er ihn nicht und wird -leichter von ihm gepackt. Der Hund des Hirten soll dagegen weiß sein, -damit er bei Tag und Nacht leicht vom wilden Tiere unterschieden werden -könne, also beim Kampf von seinem Herrn nicht so leicht verwundet -werde. Der Wachthund des Landhauses soll ferner weder zu sanft sein, -denn sonst schmeichelt er selbst den Spitzbuben, noch allzuscharf, -sonst ist er selbst den Hausbewohnern gefährlich. Die Hauptsache bleibt -immer, daß er wachsam ist, sich nicht herumtreibt, keinen falschen -Lärm macht, sondern nur dann anschlägt, wenn er sicher etwas Fremdes -merkt. Der Hirtenhund soll so stark sein, daß er den angreifenden Wolf -bekämpfen, und so schnell sein, daß er den fliehenden einholen und -ihm die Beute abjagen kann. -- Die Hauptnahrung der Hunde ist Brot, -am besten aus Gerste gebackenes. Den Wacht- und Hirtenhunden gebe man -zweisilbige Namen. Für Männchen paßt z. B. Skylax, Ferox, Laco, Celer, -für Weibchen Spude, Alke, Rome, Lupa, Cerva, Tigris.“ - -Der Grieche Arrian im 2. Jahrhundert n. Chr. rühmt in einem längeren -Passus seine kluge, anhängliche und schnelle Hündin Horme, die er -geradezu als göttlich bezeichnet; sie nehme es bisweilen mit vier Hasen -auf. Sie sei immer guter Laune, verlasse ihn und seinen Jagdgefährten -Megillos nie und gebe ihnen alle ihre Wünsche zu verstehen. Seitdem sie -einmal die Peitsche zu kosten bekommen habe, ducke sie sich gleich, -wenn man die Peitsche nur nenne, komme schmeichelnd herbei, springe an -einem in die Höhe und höre nicht eher mit ihren Liebkosungen auf, als -bis man wieder freundlich mit ihr tue. - -Schon im Altertum wurden die Hunde auf verschiedene Weise dressiert -und zu Kunststücken abgerichtet. So erzählt der griechische -Geschichtschreiber Plutarch: „Folgendes habe ich mit eigenen Augen -gesehen. In Rom war ein Tausendkünstler, der im Theater des Marcellus -einen merkwürdig dressierten Hund zeigte. Dieser führte erst allerlei -Kunststückchen aus und sollte zuletzt zum Schein Gift bekommen, davon -betäubt werden und sterben. Er nahm also das Brot, worin das Gift -verborgen sein sollte, an, fraß es auf, begann dann zu zittern, zu -wanken, senkte den Kopf, als ob er ihm zu schwer würde, legte sich -endlich, streckte sich, schien tot zu sein, ließ sich hin und her -schleppen und tragen, ohne sich zu regen. Endlich rührte er sich wieder -ein wenig, dann allmählich mehr, tat wie wenn er aus tiefem Schlafe -erwache, hob den Kopf, sah er sich um und ging endlich freundlich -wedelnd zu dem, der ihn rief. Alle Zuschauer waren gerührt; unter ihnen -befand sich auch der alte Kaiser Vespasian.“ - -Älius Spartianus schreibt, daß der römische Kaiser Hadrian Pferde -und Hunde so lieb hatte, daß er ihnen Grabdenkmäler setzen ließ, was -ja auch heute von den Reichen vielfach geübt wird, so daß um die -Städte London und Paris geradezu Hundefriedhöfe entstanden sind. Der -Geschichtschreiber Lampridius berichtet, daß der römische Kaiser -Heliogabal seine Hunde mit Gänselebern fütterte, auch vier große Hunde -vor seinen Wagen spannte und mit ihnen in seiner königlichen Wohnung -und auf seinen Landgütern herumkutschierte. Wie im Leben, so spielte -der Hund auch in den Sprichwörtern der Alten eine wichtige Rolle; doch -würde es uns zu weit führen, darauf einzutreten. Die schon damals bei -diesem Tiere auftretende Tollwut wurde nach dem Arzte Celsus am besten -so behandelt, daß man das Gift mit Schröpfköpfen herauszog, die Wunde -dann brannte oder, wenn die Stelle dazu nicht passend schien, mit -Ätzmitteln behandelte. Nachher ließ man die Gebissenen schwitzen und -gab ihm drei Tage hindurch tüchtig starken Wein zu trinken. Lauter -törichte Sympathiemittel gibt dagegen Plinius an. - -Heute ist die Tollwut dank der scharfen staatlichen Kontrolle auf -ein Minimum eingeschränkt und kann zudem nach Übertragung durch Biß -eines tollen Hundes auf den Menschen dank der wertvollen Entdeckung -von Louis Pasteur in fast allen Fällen leicht geheilt werden, ohne -daß sie zum Ausbruch gelangt. Jedenfalls ist sie für den Menschen -weit weniger gefährlich und verhängnisvoll als der winzige, nur 4 -_mm_ lang werdende Hundebandwurm (_Taenia echinococcus_), dessen -Finne eine ganz bedeutende Größe aufweisen kann. Aus seinen Eiern -entwickelt sich nämlich der von stecknadelkopf- bis kindskopfgroße -Hülsenwurm (_Echinococcus_), der sich in den verschiedensten Organen -des Menschen, am häufigsten aber in der Leber festsetzen und die -schwersten Erkrankungen, ja selbst den Tod herbeiführen kann. Überhaupt -gilt für alle Hundefreunde wegen ihres großen Parasitenreichtums, der -unter Umständen für den Menschen sehr verhängnisvoll sein kann, der -alte vielfach in Mosaik an der Türschwelle angebrachte römische Zuruf: -_cave canem_, d. h. hüte dich vor dem Hund! allerdings in anderem Sinne -als einst. Man sei freundlich, aber nicht zu intim mit ihm, da man -solches vielleicht mit langem Siechtum und Tod zu büßen hat. Lieber als -einen rasselosen Köter mit allen möglichen Untugenden halte man sich -einen gut gezogenen wertvollen Rassehund, der geistige und körperliche -Vorzüge besitzt, die dem Bastard versagt sind. Es gibt ja deren, die -allen möglichen Ansprüchen, sei es solchen der Jagd, des Schutzes, sei -es denen des Land- oder beengteren Stadtlebens sehr gut angepaßt sind -und sich darin seit vielen Generationen bewährt haben. - -Andere Wildhunde als die hier aufgezählten sind nicht dauernde -Gesellschafter des Menschen geworden. Es hätte dies aber sehr wohl der -Fall sein können, da auch solche, jung eingefangen und vom Menschen gut -behandelt und gezähmt, sich an den Umgang mit diesem leicht gewöhnen. -Wie heute noch in Syrien, Ägypten und Nordafrika wurden schon bei den -alten Ägyptern jung eingefangene wilde ~Schakale~ wie Haushunde erzogen -und so direkt in die Haustierschaft übergeführt. In den Grabgemälden -des alten Reiches in der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. ist -mehrfach dargestellt, wie gezähmte Schakale die Stelle von Haushunden -bei dem noch als lebend dargestellten Grabinhaber einnehmen oder sich -als gute Freunde unter dessen Hunde mischen. In einer Darstellung eines -Grabes zu Beni Hassan aus der 12. Dynastie (2000-1788 v. Chr.) sieht -man einen solchen gezähmten Schakal sogar an der Jagd teilnehmen. -Solche direkte Überführungen aus dem wilden in den gezähmten Zustand -sind aber schon damals eben solche Ausnahmen gewesen, wie in unserer -Zeit die Zähmung eines jung eingefangenen Wolfes zum Freunde und -Begleiter seines Herrn. - -Selbst der ~Hyänenhund~ (_Canis pictus_), jener heute noch vom -südlichen Nubien an in großen Teilen Afrikas vorkommende Wildhund mit -buschigem Schwanz und weißen bis ockerfarbigen, stets schwarz umsäumten -Flecken auf kurz- und glatthaarigem Fell, wurde von den alten Ägyptern -in den Haustierstand übergeführt, ohne sich allerdings längere Zeit -darin zu erhalten. Dieser in hohem Grade anziehende Steppenhund, der -in Meuten bis zu 60 Stück mit ungeheurer Ausdauer allerlei Wild, -besonders Antilopen jagt, so daß selbst die größten Tiere ermatten -und von ihm überwältigt werden, wird von Brehm als für die Zähmung -vielversprechendes Raubtier bezeichnet, das einen vortrefflichen -Spürhund abgeben würde. Georg Schweinfurth sah in einer Seriba im -Bongolande ein in hohem Grade gezähmtes Stück, das seinem Herrn -gegenüber die Folgsamkeit eines Hundes an den Tag legte. Brehm, der -einige derselben gefangen hielt, bezeichnet sie als ungestüm mutwillig -mit einem unbezähmbaren Drang zum Beißen. Er ist ungemein regsam -und lebhaft und frißt vom erwürgten Wild fast nur die Eingeweide. -Seine Vorzüge für die Antilopen- und Gazellenjagd veranlaßte schon -die Ägypter des alten Reiches (2980 bis 2475 v. Chr.) ihn vielfach -unter ihrer Meute von Jagdhunden zu halten. An den Wänden zahlreicher -Gräber finden wir ihn als gezähmtes Tier nebst andern Jagdhunden -abgebildet, so in denjenigen des Nub hotep und des Ran ken der 4. -Dynastie (2930-2750 v. Chr.), dann des Aseskef ank und des Pta hotep -der 5. Dynastie (2750 bis 2625 v. Chr.). In des letzteren Grabe in -Sakkara sehen wir die Jagddiener des Verstorbenen mit der gemachten -Beute von der Jagd zurückkehren. An ihrer Seite sehen wir als Chef -derselben einen als Num hotep bezeichneten Mann mit zwei Windhunden und -zwei Hyänenhunden an der Leine schreiten, bereit, sie auf allfällig -angetroffenes Wild loszulassen. In demselben Grab des Pta hotep, das -uns den Hyänenhund gezähmt und im Dienste des Menschen zeigt, sehen -wir an der gegenüberliegenden Wand den wilden Hyänenhund mitten unter -Antilopen in der Steppe lebend und von Windhunden angegriffen. Man -sieht, daß der Künstler die Szene nach eigener Anschauung wiedergegeben -hat. Später wurde weder im mittleren noch im neuen Reiche je wieder der -Hyänenhund, sei es wild oder gezähmt, abgebildet, so daß wir annehmen -dürfen, daß er damals weder als Haustier gehalten wurde, noch auch in -den Gegenden, in denen die Großen des Reichs zu jagen pflegten, wild -vorkam. Er muß sich damals schon mit der Abnahme der Antilopenherden -weiter südlich gehalten haben; denn auch der Römer Pomponius Mela, der -dieses Tier unter der Bezeichnung _lycaon_ genau beschreibt, kennt ihn -nur aus Äthiopien. Heute trifft man ihn erst in den obersten Nilländern -und von da an südwärts bis zum Kap der Guten Hoffnung. - - - - -II. Rind und Büffel. - - -Wie der Hund, so ist auch das Rind zunächst nicht aus Nutzungsgründen, -sondern infolge abergläubiger Vorstellungen vom Menschen unterjocht -und in seinen Dienst genommen worden, um dann, als man später seinen -Nutzwert erkannte und auszubeuten begann, vorbildlich für die Zähmung -der übrigen Haustiere zu werden. Die Gewinnung eines so großen, starken -Tieres, wie es das Rind ist, war durchaus nichts Einfaches und sich -von selbst Verstehendes. Alte, entwickelte Individuen dieser Tierart -gefangen zu halten und gar zur Fortpflanzung zu bringen, ist schon -für uns unmöglich, wie viel mehr für den in seinen Vorstellungen, -Erfahrungen und Hilfsmitteln so sehr beschränkten vorgeschichtlichen -Menschen der jüngeren Steinzeit! - -Ohne Zweifel haben sich die meisten alt, etwa in Fanggruben gefangenen -Tiere, wenn sie ausnahmsweise nicht sofort als willkommene Beute zur -Fleischgewinnung getötet und verspeist wurden, einfach totgerast. An -eine Fortzucht wäre bei Tieren solcher Art, die am Leben blieben, in -keiner Weise zu denken gewesen. Junge Tiere dagegen, die am leichtesten -lebend zu bekommen und zu zähmen gewesen wären, konnte man ohne fremde -Milch nicht am Leben erhalten. Da es nun an dieser völlig gebrach -und die weiblichen Tiere, abgesehen von ihrer selbstverständlichen -Unfruchtbarkeit in der Gefangenschaft und der dadurch bedingten -Milchlosigkeit, auch nicht zum Melken oder zum Zulassen fremder Kälber -an ihr Euter zu bringen waren, so konnte auch nicht durch solche in -jugendlichem Alter gefangene Kälber an eine Zähmung dieses starken -Wiederkäuers gedacht werden. - -Für die erste Gefangenhaltung, Eingewöhnung und Züchtung des Rindes -waren andere Gründe maßgebend als diejenigen der Nutzung für sich -selbst. Solche der allertriftigsten Art waren aber religiöse, auf -die der verstorbene Alfred Nehring in Berlin vom Katheder aus und -Eduard Hahn in seinem Haustierbuche vollständig überzeugend hinwiesen, -so daß wir jedenfalls hierin das tatsächliche Motiv der Gewinnung -des Rindes als Haustier zu erblicken haben. Ihr Gedankengang ist -folgender: Eine uralte, hier nicht näher zu verknüpfende Anschauung, -die ich bei Besprechung des Mondkultus in meinem Werke: Der Mensch -zur Eiszeit in Europa und seine Kulturentwicklung bis zum Ende der -Steinzeit eingehend gewürdigt habe, schreibt bei allen Völkern auf -niedriger Kulturstufe, so auch bei denjenigen des südasiatischen und -westasiatisch-europäischen Kulturkreises, dem die hier in Betracht -kommenden Stämme angehörten, dem Mond einen weitgehenden Einfluß auf -Wachstum und Gedeihen aller Lebewesen aus Pflanzen- und Tierwelt mit -Einschluß des Menschen zu. Von jeher hat er durch seinen schwankenden -Lauf in Verbindung mit seinem den Primitiven unerklärlichen -Gestaltwechsel von der feinsten Sichel bis zum glänzenden Vollmond -die Aufmerksamkeit des Menschen viel eher auf sich gezogen und sie zu -Grübeleien aller Art veranlaßt, als die täglich in derselben Gestalt -ihre Bahn am Himmel zurücklegende Sonne. War diese ihm in ihrer -machtvollen, Hitze bis zur Dürre erzeugenden Erscheinung das männliche -Prinzip, so war ihm der in sanftem Lichte strahlende Mond, der mit dem -Tau und dem Regen der Erde und allem auf ihr Lebenden Fruchtbarkeit -spendete und ein für den Ackerbauer wichtiger Zeitmesser war, das -weibliche Prinzip -- auch bei den alten Germanen trotz des später -vertauschten Geschlechts. Schon auf niedriger Kulturstufe mußte es -dem Menschen auffallen, daß die Menstruation des Weibes, die wir im -Deutschen als monatliche Reinigung bezeichnen, wie die Schwangerschaft -und Fruchtbarkeit überhaupt völlig in Verbindung mit dem Mondlaufe -stand, von jenem geheimnisvollen Gestirn geregelt und also auch -- nach -primitiver Anschauung -- bedingt wurde. - -[Illustration: Bild 3. Idol in Mondgestalt mit einfachen geradlinigen -Ornamenten, sogenanntes „Mondhorn“, vom Ebersberg, aus einer Station -der Bronzezeit am Irchel im Kanton Zürich.] - -Was nun die Darstellung dieses vergöttlichten Wesens der Fruchtbarkeit -anbetrifft, so hat man von jeher den Mond als Sichel im Gegensatz zur -als Scheibe und später als scheibenförmiges Rad dargestellten Sonne -abgebildet. Diese Sichelgestalt des Mondes wiesen in auffallender Form -die gerade abstehenden Hörner des Wildrindes auf. Aus diesem Grunde -war es naheliegend, ja nach der Denkweise aller Menschen auf niedriger -Kulturstufe geradezu selbstverständlich, daß eine engere Beziehung -zwischen dem Wildrinde und der Mondgöttin bestand und ersteres zum -heiligen Tiere der letzteren erklärt wurde. Heischte nun die Göttin -Opfer, damit sie dem Hackbauern und seiner Frau Fruchtbarkeit spende -und seine Feldfrüchte gedeihen lasse, so war offenbar dasjenige des -ihr durch die Sichelgestalt der Hörner engverbundenen und ihr heiligen -Tieres ihr weitaus das liebste. Deshalb brachte man es dar, um sich -ihr Wohlgefallen und ihren Schutz zu erringen. Am allernotwendigsten -waren diese Opfer zur Zeit der schreckhaften Mondfinsternisse, wenn -die so überaus wichtige, ja unersetzliche Göttin der Fruchtbarkeit von -irgend welchen bösen Dämonen verschlungen zu werden drohte. Wie nun -heute noch die Chinesen bei solchen Fällen mit allen ihnen überhaupt -zur Verfügung stehenden Instrumenten einen gewaltigen Lärm verursachen, -um diese vermeintlichen bösen Dämonen zu vertreiben, so glaubten die -Stämme des südasiatischen Kulturkreises dieses Ziel der Befreiung der -Fruchtbarkeitsgöttin aus der Gewalt böser Mächte, die sich durch die -sonst ganz unerklärliche Verfinsterung dokumentierte, noch besser durch -schleuniges Opfer eines Exemplars der ihr heiligen Tiere zu erreichen. -Da aber lag die Schwierigkeit! Man wußte nicht von vornherein, -wann solche Zustände des Überfalls, der Schwäche und Krankheit der -Mondgöttin eintraten. Es war dies nur in ganz ungleichen, unbestimmten -Zwischenräumen der Fall, und dann, wenn es am nötigsten war, hatte man -just kein frischerbeutetes Wildrind zum Opfer bereit, konnte somit der -bedrängten Göttin nicht beistehen, ihr nicht helfen und verscherzte -damit ihr Wohlwollen. In der Urzeit war überhaupt kein Gebot für den -bequemen und arbeitsscheuen Menschen so dringend als eine Kultpflicht, -der er sich durchaus nicht entziehen konnte, wenn ihm überhaupt an -seiner und der Seinigen Existenz gelegen war. Es galt also, da die -Mondfinsternisse ganz plötzlich eintraten, sich nicht auf den Ertrag -der Jagd zu verlassen, sondern die Opfertiere für alle Fälle vorrätig -zu halten, um im Falle der Not sie zum unerläßlichen Opfer bei der Hand -zu haben. Das erreichte man am einfachsten dadurch, daß man kleine -Herden des Wildrindes in durch in den Boden geschlagene Holzpfähle -eingezäunte Reviere trieb und sie dort in halber Gefangenschaft hielt, -in der sie sich innerhalb des gewohnten Familienverbandes ruhig -fortpflanzten. - -Auf diese Weise war der schwierige Übergang des Wildlings vom -Freileben zur Knechtschaft des Menschen ein unmerklicher geworden und -konnte allmählich zur Gewinnung des Rindes als Haustier führen. Von -frühester Jugend an häufiger mit dem Menschen in Berührung kommend, -gewöhnte es sich nach und nach an diesen und seinen Geruch, der ihm -im wilden Zustande Schrecken einflößte. Als der Gottheit geweihtem, -heiligem Tiere ließ man ihm innerhalb der Umhegung volle Freiheit -und suchte es nicht nur vor allfälligen Feinden, sondern auch, wenn -nötig, vor Futtermangel zu schützen. Solcher Dienst von seiten des ihm -wohlwollenden Menschen wurde von ihm bald dankbar empfunden. An den -Verkehr mit dem Menschen immer mehr gewöhnt, ließ es sich schließlich -mit zunehmendem Zahmwerden berühren, ja schließlich sogar melken; doch -wurde die Milch als Produkt des ihr heiligen Tieres der Mondgöttin -geopfert und erst sehr viel später riskierte der Mensch das zunächst -wohl als strafbaren Frevel empfundene Wagnis, dieses geheiligte Produkt -selbst zu genießen. Er trotzte kühn dem Zorne der Gottheit, um sich -vielleicht mit dem Genusse dieses heiligen Kultobjektes direkt, ohne -Vermittlung jener, einen Vorteil irgend welcher Art, besonders aber die -Fruchtbarkeit betreffend, zu erringen. So wurde die Milch, indem der -Mensch die Scheu vor diesem heiligen Produkt immer mehr ablegte, von -einem Opfertranke schließlich ein geschätzter Haustrank, den man sich -auch zu nichtrituellen Zwecken zu verschaffen versuchte. - -Durch gegenseitige Gewöhnung aneinander zog sich das Band der -Freundschaft zwischen Rind und Mensch immer enger, bis schließlich -das von der Mutter entwöhnte Kalb, durch Anbieten von Salz zum -Lecken angezogen, in engere Verbindung mit seinem Herrn trat und -langsam der eigentlichen Zähmung unterworfen wurde. Solch heiliges -Tier wurde selbstverständlich nur als Opfer an die bedrängte oder um -Hilfe angerufene Mondgottheit geschlachtet und dessen Fleisch nur als -Opferspeise auch vom Menschen gegessen. Je mehr aber die Domestikation -dieses Tieres fortschritt und sich sein Nützlichkeitsverhältnis dem -Menschen gegenüber offenbarte, um so schwerer entschloß sich letzterer, -solch nützliches Tier der Gottheit zu opfern. Es konnte ihr anderweitig -im Leben noch mehr als mit seinem Tode dienen, indem es beispielsweise -das heilige Kultgerät der Fruchtbarkeit spendenden Göttin, ihr Idol in -Kuhhorngestalt, auf dem mit massiven Rädern versehenen Wagen bei dem zu -ihren Ehren abgehaltenen festlichen Umzuge zog. Dazu wurden zunächst -die größeren Kälber und später von den geschlechtsreifen Tieren nur -die fügsameren Kühe verwendet. Der unbotmäßige starke Stier konnte -dazu nicht in Betracht kommen, schon weil man zu schwach war, ihn bei -solcher Dienstleistung zu bändigen und in seiner Gewalt zu behalten. -Zudem konnte er nach weitverbreitetem Glauben primitiver Völker nur -als Kastrat Diener einer weiblichen Gottheit werden. So wurde das -Tier, um zum Gottesdiener gemacht und als solcher bei den Umzügen bei -Gelegenheit der Feste der Mondgöttin zum Ziehen von deren heiligem -Wagen mit dem Kultbild verwendet werden zu können, durch Abschneiden -der Hoden -- was sich ja sehr leicht bewerkstelligen ließ -- entmannt. -Die Folgen dieses Eingriffs machten sich bald bemerkbar durch -Verleihung einer sanfteren Gemütsart und Neigung zu Fettwerden, was -die Mastfähigkeit erleichterte, alles Eigenschaften, deren Auftreten -der Mensch als Nachwirkungen jener Operation nicht voraussehen und so -zielbewußt herbeiführen konnte. - -Als Kastrat, d. h. geschlechtslos gemachtes Wesen, war nun der ~Ochse~ -der vorzugsweise, ja später ausschließlich der Göttin geweihte Diener, -während ihm gegenüber auch die Kuh als Geschlechtstier zurücktrat. -Ein grausam-wollüstiger Zug haftet nun einmal dem Dienste der -Fruchtbarkeitsgöttin an und verlangte wie vom menschlichen Diener, der -sich ihr völlig geweiht hatte, auch von dem von jenem ihr geweihten -Tiere die freiwillige beziehungsweise erzwungene Geschlechtslosigkeit, -von ihren Dienerinnen aber, die nicht kastriert zu werden vermochten, -wenigstens das Zölibat, wenn nicht die Prostitution, d. h. das sich -anderen Preisgeben im Dienste der Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit, -wie dies in den semitischen Kulten Vorderasiens allgemein üblich -war und in Südasien, speziell Indien, heute noch üblich ist. Bis in -die Gegenwart haftet den Kastraten ein Beigeschmack von Heiligkeit -an. So sind es Eunuchen, die seit der ältesten Zeit den zum Fetisch -erhobenen Meteorstein der Kaaba in Mekka und das Grab des Propheten -Mohammed in Medina hüten. Eunuchen sind es, die nicht nur den Harems -der mohammedanischen Großen vorstehen, sondern auch den Dienst in -den Gemächern des „Sohnes des Himmels“ in Peking besorgen und in der -Privatkapelle des „Heiligen Vaters“ in Rom singen. - -Eine noch viel größere Bedeutung als der Wagen mit dem heiligen -Kultbild der Göttin der Fruchtbarkeit erlangte als heiliges Gerät im -Dienste der Mondgottheit der Pflug. Viel ausgiebiger als mit der von -beiden Händen geführten Hacke ließ sich mit dem hakenförmig gekrümmten -Holze mit später erz- beziehungsweise eisenbewehrter Spitze der Boden -zur Aufnahme der Ackerfrucht aufreißen. Dieser Pflug wurde zunächst von -kriegsgefangenen Knechten, dann aber noch erfolgreicher durch den zum -Diener der Fruchtbarkeitsgöttin gemachten Ochsen gezogen. Er war ein -heiliges Werkzeug, mit dem man den Schoß der Allmutter Erde aufriß, -um sie zur Fruchtbarkeit zu zwingen, wie das Pflügen eine heilige -Handlung, die wie vor vielen Jahrtausenden, so heute noch vom Kaiser -von China, vom feierlichsten Zeremoniell umgeben, zur Eröffnung des -Ackerbaues seiner Untertanen vor allem Volke vollzogen wird. Wie die -Heiligkeit des Gerätes, so zieht sich die Heiligkeit des Gottesdieners -durch die ganze menschliche Kulturgeschichte. Bei vielen Völkern, so -in den meisten Gebieten Asiens, ist heute noch der den Pflug ziehende -Ochse ein Tier, dessen Fleisch nicht gegessen wird. Wie die Chinesen, -Inder und Westasiaten, hatte noch der gebildete Römer Cicero die -Anschauung, das Rind sei zum Pflügen und nicht zum Gegessenwerden da; -und Die Chrysostomus berichtet, daß in Cypern derjenige, der einen -Pflugochsen getötet hatte, als Mörder mit dem Tode bestraft wurde. Wie -bei den Juden, so wurde auch bei den alten Griechen ursprünglich die -Tötung eines Ochsen bestraft. Gleicherweise war sie bei den nüchternen -Römern verpönt, weil der Ochse ein Genosse des Mannes und ein Diener -der Ceres sei. Der Grieche Plutarch bekennt, daß er es nicht über sich -bringe, einen im Dienst alt gewordenen Ochsen auch nur zu verkaufen. -Erst nach und nach schwand wenigstens bei einem Teil der Menschen das -Vorurteil der Heiligkeit und Unantastbarkeit des Gottesdieners und -wurde der Ochse als Mastvieh ebensogut in Benutzung von Seite des -Menschen gezogen wie die milchende Kuh, deren Milch nicht mehr Opfer, -sondern profanes Genußmittel war. - -In der hier angegebenen Weise muß das Rind schon vor etwa 10000 Jahren -als Genosse des Menschen gewonnen worden sein, und zwar zuerst in -Südasien, das überhaupt die meisten Wildrinder beherbergt, die für die -Domestikation von Seite des Menschen in Frage kommen. Zuerst hat der -Baseler Zoologe Ludwig Rütimeyer, auf genaue vergleichend anatomische -Untersuchungen des ihm zur Verfügung gestellten Materials gestützt, -nachgewiesen, daß das älteste Hausrind der Neolithiker Mitteleuropas, -die ~Torfkuh~ der Pfahlbauern -- wie der bereits besprochene Torfhund -so genannt, weil ihre Überreste in den inzwischen meist vertorften -Kulturschichten jener vorgeschichtlichen Periode der Pfahlbaubewohner -gefunden werden --, nicht von einem einheimischen Wildrinde gezähmt -wurde, sondern als fremder Import von Süden her zu den Stämmen -Mitteleuropas in der jüngeren Steinzeit gelangte. Afrika kommt wegen -Mangel an entsprechenden Wildrindern nicht in Betracht, sondern nur -Südasien. Von den hier lebenden Wildrindern fällt der ~Yak~ (_Bos -gruniens_) als Stammvater des ältesten Hausrindes wegen allzustarken -Abweichungen im anatomischen Bau, wie auch wegen der 14 Rippenpaare, -die er im Gegensatz zu den 13 des Hausrindes besitzt, außer Betracht. -Zudem ist dieses Tier ein ausgesprochener Bewohner des Hochgebirges, -dessen kaltem Klima und eisigen Stürmen entsprechend, er das zottige -Pelzkleid trägt. Als solches vermag es sich dem heißen Tieflande -durchaus nicht anzupassen. Gegen einen Zusammenhang mit dem indischen -~Gayal~ oder ~Stirnrind~ (_Bos frontalis_) spricht außer den ebenfalls -14 Rippenpaaren die gewaltige Ausdehnung der Stirnfläche des letzteren -und die abweichende Gestalt und Richtung des Gehörns. Auch dieses ist -übrigens ein Bergtier, das im Gebirge östlich vom Brahmaputra bis nach -Birma hinein in Herden lebt, fast so geschickt wie der Yak klettert, -gern das Wasser aufsucht und sich vor der drückenden Mittagshitze in -die dichtesten Wälder zurückzieht, wo es wiederkäuend im Schatten ruht. - -[Illustration: Bild 4. Ein aus der Elle einer Torfkuh gespitzter, sehr -gut in die Hand passender Dolch aus einem neolithischen Pfahlbau der -Schweiz. (⅓ nat. Größe.)] - -Auch der ~Gaur~ oder das ~Dschungelrind~ (_Bos gaurus_), das den -undurchdringlichen Buschwald ganz Südasiens vom Himalaja bis in die -indonesische Inselwelt bewohnt, kommt, obschon es 13 Rippenpaare -besitzt, aus anatomischen Gründen als Stammvater des Hausrindes nicht -in Betracht. Sein Schädel verbreitert sich nach oben zu, statt sich wie -bei diesem in dieser Richtung zu verschmälern; auch ist er im Stirnteil -auffallend konkav. Hinter dieser Konkavität erhebt sich ein mächtiger -Stirnwulst, der beim Stier einer schiefen Wand vergleichbar ist, beim -weiblichen Tier allerdings etwas niedriger, aber immer noch recht hoch -ist. - -Der ~Banteng~ der Malaien oder das ~Sundarind~ (_Bos sondaicus_) -dagegen erfüllt nach den eingehenden Untersuchungen von Prof. Konrad -Keller in Zürich und anderen Zoologen alle Bedingungen dazu, so daß wir -ihn mit Sicherheit als Stammvater des ältesten Hausrindes ansprechen -können. Der ganze Schädelbau, die eigentümliche Beschaffenheit der -Hornzapfen, die bei beiden wie wurmstichiges Holz aussehen, die -Gestaltung und Richtung des Gehörnes, die 13 Rippen usw. deuten mit -aller Bestimmtheit darauf, daß irgendwo im südlichsten Asien der -Banteng gezähmt und aus ihm die ältesten Hausrinder gewonnen wurden, -bei denen sich der Gesichtsteil mit der Zeit etwas verkürzte. - -Dem scheuen, am liebsten in wasserreichen bis moorigen Waldesteilen -seinen Stand nehmenden und deshalb vorzugsweise flache Bergtäler -mit langsam strömenden Flüssen bewohnenden Banteng steht in allen -körperlichen Merkmalen von allen Hausrindern das indische ~Zeburind~ -am nächsten. Dieses ist offenkundig ein domestizierter Banteng. Die -anatomische Übereinstimmung beider ist auffallend. Beim Zeburind wie -bei der Bantengkuh ist der Schädel lang und schmal, das Gehörn nach -hinten ausgelegt, die Stirn seitlich abfallend, die Schläfengrube breit -und flach, sind die Augenhöhlen fast gar nicht hervortretend, ist der -Nasenast des Zwischenkiefers kurz und sind die Backenzähne schief -gestellt. Brehm sagt in seinem Tierleben, „daß erwachsene Bantengs -sich nicht zähmen lassen, Kälber desselben hingegen sich in der -Gefangenschaft leicht an den Menschen gewöhnen und völlig zu Haustieren -werden, da das Wesen des Tieres sanfter und milder zu sein scheint als -das aller übrigen bekannten Wildrinder.“ - -Der wilde Banteng ist ein verhältnismäßig leicht gebautes Rind von -braunroter bis kastanienbrauner Farbe bei den Kühen und jungen -Stieren, dagegen schwarz bei alten Stieren. Weiß dagegen sind bei -beiden Geschlechtern die untern Enden der Beine bis oberhalb der Knie- -und Hackengelenke, ein großer ovaler Bezirk auf der Hinterseite der -Schenkel, ein Streifen an der Innenseite der Beine, die Lippen und die -Innenseite der Ohren. Bei den Kälbern, deren Beine in ihrer ganzen -Ausdehnung außen kastanienbraun gefärbt sind, trägt der Rücken einen -dunkeln Längsstreifen. Die Schulterhöhe eines ausgewachsenen Stieres -beträgt 1,6-1,7 _m_, die Körperlänge etwa 2,6 _m_ und die Schwanzlänge -0,9 _m_. Die bei jungen Tieren walzigen, bei ausgewachsenen an der -Wurzel abgeflachten Hörner richten sich zuerst nach außen und oben, -aber gegen die Spitze zu etwas nach rückwärts und innen. Seine Nahrung -besteht hauptsächlich aus Gras. Gewöhnlich frißt es von vormittags 9 -bis nachmittags 4 Uhr und geht dann trinken. Nachts legt es sich zum -Ruhen nieder. Es meidet angebaute Gegenden so viel als möglich, stellt -sich aber gelegentlich auf Äckern mit junger Saat zum Weiden ein. Es -lebt meist in kleinen Herden von 5 oder 6 bis 20 Stück, die von einem -großen Bullen geführt werden. Alte Stiere sollen sich gerne von der -Herde trennen und einsiedlerisch leben. Werden diese verwundet, so -greifen sie den Menschen, den sie sonst fliehen, ohne Zaudern an. - -In diesem Banteng oder Sundarind hat nun der Südasiate nicht bloß das -gefügigste, sondern auch das schönste Wildrind zum bildsamen Haustier -herangezogen und damit alle weitere Haustiergewinnung vorbereitet. -Dieser südasiatische Stamm der Hausrinder hat sich dann, weil sein -großer Nutzen einleuchtete, sehr bald über weite Gebiete ausgedehnt. -In der ostasiatischen Inselwelt reicht es bis Bali und Lombok, weiter -nördlich bis China und Japan; hier überall macht ihm heute der später -domestizierte Hausbüffel starke Konkurrenz. Nach Westen zu treffen -wir ihn zuerst in Persien und Mesopotamien, dann auch sehr früh schon -im Niltal an, wo uns auf einer der noch der neolithischen Negadazeit -angehörenden skulptierten Schieferplatte von Giseh (s. Tafel), -und noch deutlicher auf einer gleichzeitigen Platte im Louvre das -charakteristische bantengähnliche Hausrind der ältesten nachweisbaren -Zeit Ägyptens entgegentritt. Als Büffelfigur, sagt Keller, könne dieses -Bild schon der Kopfbildung wegen nicht aufgefaßt werden. „Der Stier auf -der Platte des Louvre zeigt vielmehr im Verlauf des Gehörns, in der -auffallenden Stirnbreite und in der Kürze der Schnauze die typischen -Kennzeichen eines alten Bantengstiers. Wir sind daher zu der Annahme -gezwungen, daß das Hausrind der frühägyptischen, vorpharaonischen Zeit -der Bantengstammform noch sehr nahe stand.“ - -Vom Niltal aus hat sich dieses Hausrind südasiatischer Herkunft -weiter südlich zu den Hamiten verbreitet, die lange Zeit allein von -den außerägyptischen Afrikanern in seinem Besitze waren. Erst später -haben es dann die intelligenteren Stämme der Negerbevölkerung in Süd- -und Westafrika übernommen. Madagaskar mit seiner starken Rinderzucht -hat das Tier von Ostafrika her erhalten. Von Äthiopien gelangte -schon vor der Zeit des alten Reiches im 4. Jahrtausend v. Chr. ein -großgehörnter Rinderschlag von Bantengabstammung, der heute nur noch -in Zentralafrika gefunden wird, nach Ägypten, wo er bald mit Vorliebe -gezüchtet wurde. Dieser buckellose Schlag, aus dem meist der heilige -Apis (altägyptisch _hapi_) genommen wurde, besaß ein ungewöhnlich -langes, leier- oder halbmondförmiges oder auch gerade nach oben außen -gerichtetes Gehörn und war von weißer, schwarz- oder rotbunter Färbung. -Der nach Älian dem Mondgotte heilige Apis war nach Herodot schwarz, -trug auf der Stirne ein weißes Viereck, auf dem Rücken das Bild eines -Adlers, am Schwanz zweierlei Haare und auf der Zunge einen Käfer. Diese -Färbung wird noch häufig beim Duxerschlag, namentlich aber bei den -Eringerschlägen des südlichen Wallis angetroffen. - -[Illustration: Bild 5. Einfangen eines wild gewordenen Rindes mit einem -bolaartigen Wurfseil im alten Ägypten. (Nach Wilkinson.)] - -[Illustration: - - Tafel 7. - -Banteng (_Bos sondaicus_). - -(Nach Keller, Die Abstammung der ältesten Haustiere.)] - -[Illustration: Guzerat-Zebubulle, von Karl Hagenbeck in Stellingen -importiert.] - -[Illustration: - - Tafel 8. - -Herde von Guzerat-Zeburindern aus dem Besitz eines indischen Fürsten. -(Nach einer Photographie von Karl Hagenbeck.)] - -[Illustration: - - Tafel 9. - -Luxusgespann von Guzerat-Zebuochsen eines indischen Fürsten mit reicher -Ausstattung. - -(Nach einer Photographie von Karl Hagenbeck.)] - -[Illustration: - - Tafel 10. - -Hissar-Zebubulle, von Karl Hagenbecks Tierpark importiert.] - -[Illustration: Stier. Griechische Marmorfigur im britischen Museum zu -London.] - -Neben Langhornrindern wurde schon im alten Reiche (2980 bis 2475 v. -Chr) eine hornlose Rasse gehalten. Daß diese nicht gerade selten war, -geht nach Erman aus der Angabe hervor, daß auf dem Gute des Chefre -noch neben 835 Langhornrindern 220 hornlose Rinder vorhanden waren. -Gleicherweise sind uns Darstellungen von Höckerrindern, wie sie uns -in typischer Gestalt im indischen Zebu entgegentreten, schon in -Abbildungen des alten Reiches erhalten geblieben. Diese Zeburasse, -die sich am deutlichsten in Südasien ausprägte, hat einen Fettbuckel -entwickelt und eine lang herabhängende dünne Wamme am Hals. Das meist -kurze, höchstens mittellange Gehörn verläuft in der Flucht der Stirn -nach hinten. Das Ohr hängt meist stark herab. Die Farbe ist weiß, -grau, gelb, rotbraun oder gescheckt. Neben gewaltigen Schlägen kommen -auch zwergartige vor. Diesem indischen Zebu steht das ostafrikanische -Buckelrind am nächsten, das am reinsten im Sangarind Abessiniens -vertreten ist. Es hat sich heute vom abessinischen Hochland aus bis -zum oberen Nil und zum Tschadsee ausgebreitet. Das Gehörn ist bei -ihm größer als beim nahe verwandten indischen Zebu, im allgemeinen -leierförmig und nicht mehr so stark nach hinten ausgelegt, sondern -aufgerichtet. Der schlanke, hochgestellte Körper weist dieselben -Farben wie das indische Zebu auf. Es spielt als Zug- und Fleischtier -eine große Rolle, doch ist sein Milchertrag ein geringer. Aus ihm ist -offenbar als besondere Zuchtrasse das Langhornrind hervorgegangen, -das schon im alten Ägypten eine wichtige Rolle spielte, aber, -weil wirtschaftlich nicht hervorragend, im Laufe der Zeit stark -zurückging, in Ägypten ganz ausstarb und heute nach dem Innern Afrikas -zurückgedrängt wurde. Es findet sich heute im Seengebiet bei den -ackerbauenden Kolonien abessinischer Abstammung als Watussirind; doch -gibt es Bestände von ihm auch in Südabessinien. Es ist mittelgroß, -einfarbig kastanienbraun oder dunkelbraunfleckig und hat ein über -meterlang werdendes Gehörn von der Gestalt desjenigen des Sanga. Im -neuen Reich Ägyptens (1580-1205 v. Chr.) tritt dieses Langhornrind -zurück und dafür tritt ein kurzhörniges, meist buckelloses Rind -offenkundig südasiatischer Bantengabstammung in den Vordergrund. Auf -einem in Wasserfarben ausgeführten Wandgemälde in Theben aus der Zeit -der 18. Dynastie (1580-1350 v. Chr.) bemerkt man einzelne gefleckte -Exemplare mit Kennzeichen, die nur dem Zebu eigentümlich sind. - -[Illustration: Bild 6. Äthiopische Prinzessin in einem von Ochsen einer -hornlosen Rasse gezogenen Wagen. (Nach Wilkinson.)] - -Auch in Mesopotamien ist das älteste Hausrind ein unverkennbarer -Bantengabkömmling. Das auf einem sehr alten chaldäischen Siegelzylinder -bereits vor den Pflug gespannt dargestellte Rind gleicht vollkommen -einem kleinen indischen Hausrind. Aus der assyrischen Zeit treffen -wir häufigere und bessere Darstellungen des Hausrindes. Auf einem -Quarzzylinder, dessen Reproduktion Layard gibt, ist ein typisches, -langhörniges Zeburind mit umfangreichem Fettbuckel und starker Wamme -säugend dargestellt. Das auf den Skulpturen der Königspaläste häufig -abgebildete Beutevieh wird stets mit gewölbtem Rücken oder mit -eigentlichem Fettbuckel wiedergegeben, so daß auch dessen Abstammung -von indischem Blute außer Zweifel steht. Nirgends begegnet uns eine -Rinderart, die auf Abstammung des jedenfalls auch in Vorderasien einst -lebenden ~Urs~ (_Bos primigenius_) hindeutet. - -[Illustration: Bild 7. Altägyptische Darstellung zweier miteinander -kämpfender Stiere, die von Hirten getrennt werden. (Nach Wilkinson.)] - -An der Peripherie des Areals, das die ältesten Hausrinder von -Bantengabstammung bewohnen, d. h. im äußersten Osten Asiens, wie auf -Bali und Lombok, dann in Westasien, Nordafrika und vor allem in Europa, -begegnen wir einem kleinen, zierlich gebauten Rinderschlage von meist -dunkler Färbung, mit kleinem, nach außen und aufwärts gebogenem Gehörn, -zwischen den vortretenden Augenhöhlen eingesenkter Stirn und feiner -Schnauze. Das Hinterhaupt erhebt sich bei ihm in einen deutlichen, -steil abfallenden Höcker und seine Ecken sind nur ganz ausnahmsweise -wie beim Zebu -- so beim sardinischen Hausrind -- zu Hornstielen -ausgezogen. Das ist der Schlag, den wir überall in den Kulturschichten -der neolithischen und späteren Bewohner Europas, so auch in den -Pfahlbauten in den Seen und Torfmooren um die Alpen herum begegnen, -wie er sich auch in der Urzeit in Mesopotamien und Ägypten nachweisen -läßt. Es ist dies das bereits erwähnte ~Torfrind~ der Pfahlbauern, -das in der Vorzeit überall in Europa als Haustier gehalten wurde und -wahrscheinlich teils schon der Milchgewinnung diente, teils auch den -Pflug zog, wie uns verschiedene Felsenzeichnungen von Nordafrika bis -Skandinavien aus der Metallzeit zeigen. Rütimeyer nannte diese Rasse, -die er aus den Überresten der Pfahlbauten der Schweiz kennen lernte, -~Kurzhornrind~ (_Bos brachyceros_), während der englische vergleichende -Anatom Richard Owen sie als ~Langstirnrind~ (_Bos longifrons_) -bezeichnete. - -Dieses zierliche Hausrind mit zarten Gliedern und langem, schmalem -Schädel mit breiter Stirne, die über die Hälfte der Schädellänge mißt, -tritt uns von Anfang an in Europa in ihren charakteristischen, alle -Zebumerkmale außer dem Fetthöcker aufweisenden anatomischen Merkmalen -und Eigenschaften entgegen, so daß wir mit Bestimmtheit von ihm sagen -können, daß es vollkommen domestiziert hier eingeführt wurde, und -zwar nach Konrad Keller vorzugsweise aus Nordafrika. Er stützt sich -dabei nicht bloß auf die Tatsache, daß sich eine dem alten Torfrind -ganz nahe stehende Rasse hier bis nach Marokko hinein auffallend rein -erhielt, sondern besonders darauf, daß die Annäherung des afrikanischen -Zeburindes an unsere europäischen Braunviehschläge um so größer ist, -je mehr man in Afrika nach Norden hin vorschreitet. Schon Nubien -besitzt eine feinköpfige und kurzhornige Rasse, die dem algerischen und -marokkanischen Rind auffallend nahe steht. Außerdem haben die kleinen -beweglichen Zeburinder noch eine zweite direktere Wanderstraße aus -ihrer Heimat Südasien nach Europa eingeschlagen, die über Mesopotamien, -Kleinasien und durch die Donauländer ins Herz unseres Kontinentes -führte. Keller hielt diesen direkten Import aus Asien für sekundär -und nicht sehr ausgiebig, was wir nicht ganz unterschreiben möchten, -da alle übrigen Kulturerrungenschaften der europäischen Neolithiker -viel mehr nach Westasien als nach Nordafrika hinweisen. Jedenfalls -hat der rege Handelsverkehr der Mittelmeerländer schon frühe wichtige -Erzeugnisse Nordafrikas, zumal Ägyptens, nach Norden gebracht. Der -bevorzugte Weg wird dabei aus dem Niltal über die ägäische Inselwelt -nach dem Schwarzen Meer und von da donauaufwärts gegangen sein. - -Überreste dieses Torfrindes von Bantengabstammung haben sich in den -Braunviehschlägen der Zentralalpen ziemlich rein, am reinsten um -das Gotthardmassiv herum beim sogenannten Schwyzervieh, erhalten. -Die Haarfärbung wechselt vom dunkeln Braun bis zum hellen Mäusegrau. -Als Rassekennzeichen gilt das dunkle Flotz- oder Rehmaul mit heller -Umrahmung und ein heller, als Aalstrich bezeichneter Rückenstreifen. -Diese Merkmale finden sich auch bei ostasiatischen und indischen -Rindern. Auch ist der als Spiegel bezeichnete umfangreiche weiße Fleck -am Hinterteil des Banteng als ein Rückschlag in Gestalt einer heller -gefärbten Stelle am Hinterbacken nicht selten bei den einfarbigen -braunen Kühen um das Gotthardmassiv herum zu sehen. In Südeuropa gehört -dazu das dunkle sardinische, illyrische und albanesische Rind, im Osten -das weitverbreitete polnische Rotvieh, das sich auch über das nördliche -Rußland ausdehnt und im Nordwesten das hochgezüchtete und seiner -Milchergiebigkeit wegen berühmte Jersey- oder Kanalrind. - -[Illustration: Bild 8. Rinder im alten Ägypten werden mit einem -eingebrannten Eigentumsstempel versehen. - -1. Das Eisen wird glühend gemacht, 2. u. 4. die gefesselten Rinder -werden gebrannt. (Nach Wilkinson.)] - -Diese kleinen Rinder haben, wie auch das Zebu, von dem sie sich -ableiten -- man denke nur an das hornlose altägyptische, das heutige -Somalirind, die Rinder von Unjoro und Berta -- schon sehr frühe auch -hornlose Formen hervorgebracht, die sich bereits in der neolithischen -Pfahlbauzeit nachweisen lassen. Hornlose Rinder sollen auch die Skythen -besessen haben. Jetzt sind sie außer in Zentralafrika, wo die meisten -Rinder hornlos und ohne Fettbuckel sind, hauptsächlich über Nordeuropa -verbreitet, so in Nordrußland, Skandinavien, Island, Schottland, -England, Wales und sporadisch in Oldenburg. Auch in Irland scheint -diese Rasse früher sehr verbreitet gewesen zu sein, da man in alten -Ansiedelungen viele ungehörnte Schädel derselben fand. Die Haarfarbe -dieses hornlosen Viehs ist vorzugsweise weiß, doch kommen auch -gelbrote, braunrote und schwarze Nuancen vor. - -Mit der Kurzhornrasse von Zebuabstammung, dem Torfrind, eng verwandt -und durch künstliche Züchtung offenbar auf europäischem Boden -entstanden, ist das durch auffallende Kürze des Kopfes ausgezeichnete -~Kurzkopfrind~ (_Bos brachycephalus_). Bei ihm ist die Stirne zwischen -den Augen sehr breit und unten stark eingezogen, das drehrunde Gehörn -ist stark, oft sehr groß und leierförmig, meist weiß mit schwarzer -Spitze. Die Haarfarbe ist braun bis gelb, selbst weiß und rot bis -schwarz, häufig mit weißem Abzeichen. Wie beim Braunvieh läßt sich bei -dunkeln Varietäten häufig eine weiße Einfassung des Flotzmaules, eine -weiße Innenseite des Ohres und ein ebenso gefärbter Aalstrich auf dem -Rücken erkennen. - -[Illustration: Bild 9. Pflügen mit einem Ochsengespann im alten -Ägypten. (Nach Wilkinson.)] - -Nach Keller tauchen die Kurzkopfrinder zuerst auf dem Boden Italiens -auf und wurden dann vermutlich durch römische Kolonisten nach Norden -gebracht. Er glaubt, sie ließen sich ihrer Abstammung nach auf das -altägyptische Langhornrind zurückführen und seien wahrscheinlich schon -in vorgeschichtlicher Zeit nach Europa gelangt und hier umgezüchtet -worden. Diese Ansicht kann nach den bisher bekannt gewordenen -Tatsachen nicht aufrecht erhalten werden. Das Kurzkopfrind war schon -in vorgeschichtlicher Zeit, nämlich zu Ende des 3. Jahrtausends v. -Chr., nördlich der Alpen an den Schweizerseen zu finden. Dürst glaubt -es bereits auf babylonischen Siegelzylindern aus dem Beginne des 3. -vorchristlichen Jahrtausends nachweisen zu können. Auch im alten -Ägypten wurde es bereits gehalten, ebenso in Arabien und Nordafrika, -wo man teilweise Knochenüberreste von ihm fand. In Südeuropa muß es -im letzten Jahrtausend v. Chr. allgemein verbreitet gewesen sein. Die -Reste desselben aus der helvetisch-römischen Zeit in Vindonissa und -Aquae weisen auf ein sehr stattliches Tier hin, wie es sich heute noch -im Südwesten von Europa auf der iberischen Halbinsel in stärkster -Entwicklung vorfindet. In Deutschland gehört dazu das ebenfalls -stattliche Rind des bayerischen Allgäu. Kleiner ist das gleicherweise -hierher gehörende Eringerrind aus dem südlichen Wallis, das meist -einfarbig, schwarz oder dunkelbraun mit rötlichem Anflug gezüchtet -wird. Verwandt damit ist der Zillertaler, der Pustertaler und der Duxer -Schlag, dann der Voigtländer und der Egerländer Schlag, das Devonrind -in den englischen Grafschaften Devonshire, Sussex und Hereford, wie -auch das Rind der Kanalinseln (Jersey u. a.). Noch näher scheint der -Urrasse das Albanesenrind zu stehen. Jedenfalls hat sich diese uralte -Rinderrasse am besten in den entlegenen Gebirgstälern erhalten und -stellt so gewissermaßen die Gebirgsform des Rindes dar. - -Zu diesen Rindern von südasiatischer Abstammung kommen meist -großgehörnte Formen von schwerem Körperbau, die anatomisch durchaus -nicht auf den Banteng, sondern auf den ~Ur~ (_Bos primigenius_) -zurückzuführen sind. Dieses neben dem ~Wisent~ (_Bison europaeus_) -seit der diluvialen Zeit bei uns lebende Wildrind war teilweise -größer als unsere Hausrinder und besaß einen Schädel von auffallend -geradlinigem Umriß, mit schief nach vorn gerichteten Augenhöhlen und -schief aufsteigendem Unterkieferast. Der Gesichtsschädel zeigt eine -verhältnismäßig starke Entwicklung; die Stirnbeine sind flach und -stoßen in rechtem Winkel mit der Hinterhauptsfläche zusammen. Das -mächtige Gehörn besaß im ganzen Leierform, wandte sich zuerst nach -außen, dann nach innen oben mit aufwärts gerichteten Spitzen. Während -sich also bei ihm das ziemlich lange Gehörn gegeneinander krümmte, -war es beim Wisent nicht nur kürzer, sondern auch nach einwärts und -rückwärts gekrümmt. Dabei besaß letzteres einen dreieckigen Kopf, -starke Mähne und abfallenden Rücken, während der Ur, dem Hausrinde -ähnlich, einen länglichen Kopf, keine Mähne und einen geraden Rücken -besaß. Außerdem war es schwarz und nicht dunkelbraun wie jenes gefärbt. - -Das Verbreitungsgebiet des Ur erstreckte sich außer durch ganz Europa, -wo er sich am längsten im nördlichen Rußland erhielt, auch über -ganz Nordasien bis zum Altaigebirge und reichte nach Süden bis zum -Bergland von Armenien und Nordbabylonien. Die Assyrier kannten ihn -sehr wohl unter dem Namen _rimu_, was identisch mit dem biblischen -_reem_ ist. Nach einem Relief des um 884 v. Chr. durch Asurnasirpal -erbauten Nordwestpalastes in Nimrud, auf welchem dieser König einem -Ur das Messer ins Genick stößt, bildete dieses gewaltige Tier damals -noch ein geschätztes Jagdobjekt für die Fürsten von Assur. Auf dieser -Darstellung hat der Künstler, der dieses Tier genau gekannt haben muß, -nicht nur das starke Gehörn, sondern auch den schief aufsteigenden -Unterkieferast in sehr naturgetreuer Weise dargestellt, so daß wir -unverkennbar einen Ur -- früher auch Auerochse genannt -- vor uns -haben. Daß diese Tiere damals noch in größerer Menge in Nordbabylonien -vorkamen, beweist die Tatsache, daß dieser König nach einer Inschrift -auf einer Jagd deren nicht weniger als fünfzig erlegte und acht -gefangen nahm. Diese letzteren werden im Wildparke des Königs Aufnahme -gefunden haben. Auch anderweitig berichten uns assyrische Texte, daß -junge Ure gefangengenommen und in der Gefangenschaft weitergezüchtet -wurden. So scheint in Nordbabylonien der Ur zuerst gezähmt und für den -Haustierstand in der Obhut des Menschen vorbereitet worden zu sein. -Dies geschah zweifellos schon weit früher als zu Beginn des letzten -Jahrtausends v. Chr., da wir urähnlichen Rindern schon auf den ältesten -babylonischen Siegelzylindern und in Form prächtig modellierter Köpfe -aus Bronze, die noch in die sumerische Zeit ins dritte Jahrtausend v. -Chr. zurückreichen, begegnen. Dabei scheinen die Assyrier offenkundig -diese gezähmten Rinder von Urabstammung zu opfern bevorzugt zu haben. -Wenigstens werden sie in ihrer charakteristischen Erscheinung bei -assyrischen Opferszenen, z. B. am Palast von Balawat, dargestellt, -während wir unter den ebendort abgebildeten Rindern als Tribut fremder -Völker ganz anders gekrümmte Hörner finden, die stark an ägyptische -Darstellungen erinnern. Letztere waren zweifellos Hausrinder von -Bantengabstammung. - -Aus geschichtlicher Zeit haben wir mehrfache Zeugnisse über das -Vorhandensein dieses mächtigen Wildrindes in Europa, so von Julius -Cäsar, der in seinem Buche über den gallischen Krieg schreibt, daß im -hercynischen Wald -- worunter jener römische Autor das Waldgebirge -Mitteldeutschlands vom Rhein bis zu den Karpaten verstand -- ein _urus_ -genanntes Wildrind lebe, das äußerlich einem Stier gleiche, aber -an Größe nur wenig hinter dem Elefanten zurückstehe. Mit letzterer -Angabe hatten ihm seine germanischen Gewährsmänner einen „Bären -aufgebunden“, wie sie ihm auch sagten, die Beine des Elches (_alces_) -seien stocksteif und hätten keine Gelenke. „Deshalb legen sich die -Tiere, wenn sie ruhen wollen, nicht nieder, können auch nicht wieder -aufstehen, wenn sie zufällig hinfallen. Um zu schlafen, lehnen sie sich -also an Bäume. Solche Plätze merken sich die Jäger, machen heimlich -einen Einschnitt in jeden Baum, so daß er an sich stehen bleibt, aber -umfällt, wenn sich das Tier daranlehnt.“ Noch manch anderes solch -altdeutsches Jägerlatein hat der große römische Stratege und kluge -Staatsmann als baare Münze entgegengenommen. - -Nach Cäsar spricht dessen Zeitgenosse Vergil im zweiten Gesang seiner -Verherrlichung des Landbaues vom Ur, indem er sagt, man solle die -Weinberge einzäunen, damit das Vieh (_pecus_) ihnen nicht schädlich -werde. Darunter zählt er außer den Schafen und dem Jungvieh die Rehe -und die wilden Ure aus den Wäldern (_silvestres uri_). Das Landgut, -das dieser Darstellung zugrunde liegt, war höchst wahrscheinlich -des Dichters eigenes, das väterliche Gut in Andes bei Mantua, in -welchem er am 15. Oktober 70 v. Chr. geboren wurde. Also müssen -noch im letzten vorchristlichen Jahrhundert die Ure von den dichten -Wäldern an den Vorbergen der Alpen weit in die lombardische Ebene -hinein gewechselt sein. Im dritten Gesang wird von Vergil eine -schwere Seuche, anscheinend Milzbrand, geschildert, die den ganzen -Viehstand der Krainer Alpen vernichtet hatte. Als danach das Fest -der Göttermutter herankam, hatte man keine Ochsen (_boves_), um mit -ihnen den Prozessionswagen der Göttin zu bespannen, und mußte statt -ihrer (kastrierte) Ure nehmen (Vers 531). Also muß es damals neben -den wilden auch zahme Ure gegeben haben, die man als eine besondere -Tiergattung vom Rindvieh unterschied. Allem nach scheinen auch diese -zahmen Ure seuchenfester als die echten Rinder gewesen zu sein. Das -mag mit ein Grund gewesen sein, daß in der Folge in manchen Gegenden -Südosteuropas das Vieh vom Primigeniusstamme, also vom Ur abgeleitet, -die Oberhand über die älteren, gegen Seuchen empfindlicheren Rassen von -Bantengabstammung gewann. - -[Illustration: - - Tafel 11. - -Der Assyrerkönig Assurnasirpal auf der Urjagd. - -Ein Ur ist mit Pfeilen erlegt, ein anderer, wohl in Netzen gefangen, -wird vom König lebend eingebracht. - -(Nach einer Photographie von Mansell & Cie. in London.)] - -[Illustration: - - Tafel 12. - -Zuchtstier „Walo“, der Schwyzerrasse angehörig, auf der Gutswirtschaft -der Maggi-Gesellschaft in Kempttal.] - -[Illustration: - - Tafel 13. - -Mehrfach prämiierte Kuh der Schwyzerrasse auf der Gutswirtschaft der -Maggi-Gesellschaft in Kempttal.] - -[Illustration: - - Tafel 14. - -Wisent aus dem Kaukasus im Zoologischen Garten von Berlin.] - -[Illustration: Amerikanischer Bison im Zoologischen Garten von Berlin. - -(Beide nach einer Photographie der Neuen photogr. Gesellschaft in -Steglitz.)] - -Im 1. Jahrhundert n. Chr. schreibt dann der ältere Plinius in seiner -Naturgeschichte: „Germanien ist durch das Vorhandensein von zwei -Arten wilder Rinder merkwürdig, nämlich durch den mit einer Mähne -geschmückten Bison (Wisent) und den Ur, der sich durch Kraft und -Schnelligkeit auszeichnet.“ Tacitus weiß in seinen Annalen von einem -römischen Steuerbeamten zu berichten, der die Friesen dadurch zum -Aufstand trieb, daß er ihnen für die Entrichtung ihres in Ochsenfellen -bestehenden Tributs Urfelle als Muster vorschrieb. Solche in größerer -Menge zu beschaffen mochte ihnen schwer fallen. Wie Plinius -spricht auch das Nibelungenlied von zwei in Germanien hausenden -Wildrindern, dem Wisent und dem Ur. Letzterer wurde noch im 10. -Jahrhundert in der Umgebung des Klosters St. Gallen gejagt und sein -Fleisch an der Klostertafel nebst dem des Bibers und anderer dort heute -längst ausgerotteter Tiere verspeist, wie wir den Benediktionen oder -Tischgebeten des dort lebenden und 973 verstorbenen Mönches Ekkehard -I. entnehmen können. Nach Alfred Nehring wurde in Bromberg ein aus -dem 12. oder 13. Jahrhundert stammender Urstierschädel aufgefunden, -der auf der Stirne noch Spuren von drei Lanzenstichen aufweist, als -Beweis dafür, daß er um jene Zeit dort noch gejagt wurde. Noch ums Jahr -1550 erhielt der österreichische Gesandte und Freiherr von Heberstain -auf einer diplomatischen Reise nach dem Königreiche Polen in Masovien -vom König Sigismund August von Polen einen dort getöteten Ur als -Geschenk. Das Tier war damals freilich nicht mehr zahlreich, sondern -auf einen kleinen Bestand in Masovien zusammengeschmolzen. Später -erhielt der Züricher Zoologe Konrad Geßner von einem seiner Schüler, -Schneeberger, und von Johann Bonar zuverlässige Nachrichten über den -in Polen lebenden und dort Thur genannten Ur und berichtete darüber -1560. Zuletzt hat August Wrzesniowski in einer 1878 in der Zeitschrift -für wissenschaftliche Zoologie veröffentlichten Arbeit an Hand der -polnischen Quellen nachgewiesen, daß schon im 13. Jahrhundert die Jagd -auf den „Thur“ ein ausschließliches Vorrecht der Herzoge von Masovien -war, er bereits im 16. Jahrhundert selten zu werden begann und nur noch -in den Forsten von Jaktorowka (etwa 55 _km_ westlich von Warschau) -vorkam. Hier wurde er zuletzt, wie heute der Wisent im urwaldähnlichen -Riesenforste von Bjelowjesha im russisch-litauischen Bezirke Grodno, -förmlich gehegt und über die noch vorhandenen Exemplare Buch geführt. -1564 zählte man nur noch 30 und 1599 24 Stück. 1602 ging der Bestand -auf 4 Thure zurück und 1627 starb die letzte Urkuh. - -[Illustration: Bild 10. Zeichnung eines Urstiers aus der Höhle von -Combarelles. - -Breite der Originalzeichnung 90 _cm_. - -(Nach Capitan und Breuil.)] - -Außer verschiedenem Skelettmaterial aus Torfmooren -- so einem nahezu -vollständigen Skelett, das 1887 am Schwielochsee im Kreise Lübben in -der Niederlausitz aufgefunden wurde und sich jetzt im Museum der -Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin befindet -- besitzen wir -auch noch leidliche Bilder von diesem gewaltigen Wildrinde Europas. -Heberstain, der letzte Zeuge, der den Ur noch sah, ließ eine Abbildung -herstellen, die durch Konrad Geßner in weiteren Kreisen bekannt wurde. -Daneben existiert noch ein vom Engländer Hamilton Smith bei einem -Augsburger Kunst- und Antiquitätenhändler entdecktes Urstierbild, das -im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts in Öl auf Holz gemalt wurde, -1827 in Griffiths „Animal Kingdom“ zur Veröffentlichung gelangte und -seither im Original verschollen ist. Eine weit bessere Darstellung gibt -das bereits erwähnte alte Jagdbild vom Palaste des assyrischen Königs -Asurnasirpal aus dem Beginn des 9. Jahrhunderts v. Chr., besonders -aber die aus bester mykenischer Zeit Griechenlands, aus der Mitte -des zweiten Jahrtausends vor Chr. stammenden Rinderfiguren auf den -Goldbechern von Vaphio, dem alten Amyklai. Es sind dies die weitaus -besten Urbilder, die wir besitzen. Diese in einem prähistorischen -Kuppelgrab 1888 gefundenen beiden Goldbecher, die offenbar aus der -gleichen Werkstätte hervorgingen, zeigen in einem Basrelief den Fang -und die Zähmung des wilden Urs. Der eine Becher (I) stellt dar, wie -ein Ur sich in einem von starken Stricken verfertigten Netze fängt -und dabei überkugelt, während zwei andere in gestrecktem Galopp -aus dem Bereiche des Netzes flüchten, wobei der eine zwei sich ihm -entgegenstellende, mit Wams und Hosen bekleidete Männer über den Haufen -rennt, den einen derselben auf die Hörner nimmt und davonschleudert. -Der andere (auf Tafel II) stellt vier gezähmte Ure, drei Männchen und -ein Weibchen dar, welch letzteres sein Haupt in Profilstellung dem ihm -zunächst stehenden Stier zuwendet. Davor steht ein mit Wams und Hosen -bekleideter Mann, der einen laut aufbrüllenden Urstier mit einem dicken -Strick am linken Hinterbein gefesselt hält. - -[Illustration: I.] - -[Illustration: II. - -Bild 11 u. 12. Darstellungen in getriebener Arbeit auf den beiden -massiv goldenen Bechern aus dem Kuppelgrabe von Vaphio, dem alten -Amyklai, aus bester mykenischer Zeit (Mitte des 2. vorchristlichen -Jahrtausends) aufgerollt, um das Einfangen und die Zähmung des -Wildrindes der Primigeniusrasse zu zeigen.] - -Diese unschätzbar wichtigen Darstellungen von überaus hohem -künstlerischem Wert zeigen uns, wie in vorgeschichtlicher Zeit -neben dem von Südasien gezähmt eingeführten Torfrind das stärkere -einheimische Wildrind gefangen und unter des Menschen Botmäßigkeit -gebracht wurde, um aus ihm ein nützliches Haustier zu machen. Wie -dies noch nach der Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends -in Griechenland geschah, was uns der Becher von Vaphio beweist, -dessen Darstellung nur von einem Manne geschaffen worden sein kann, -der persönlich beim Fange dieses Wildrindes mit Hilfe von starken -Jagdnetzen zugegen war und den Vorgang aus eigener Anschauung, nicht -nur vom Hörensagen schildert, so ist dies wahrscheinlich schon mehr -als tausend Jahre früher in Nordeuropa, außerdem auch in Westasien, -speziell Nordbabylonien, und vielleicht an anderen Orten gemacht -worden und hat zur Gewinnung eines sehr kräftigen Rinderschlages -geführt, das uns, dem Wildrinde noch recht nahestehend, bereits in den -jüngeren Pfahlbauten entgegentritt. Diesem gezähmten Primigeniusrind -des vorgeschichtlichen Europa, das uns weder in Asien östlich von -Mesopotamien, noch in Afrika entgegentritt, steht von heute lebenden -das großhörnige schottische Hochlandrind von schwärzlicher bis -grauer Haarfärbung am nächsten. Ferner das ebenfalls großhörnige -weiße englische Parkrind, das schon bei den alten Kelten in hohem -Ansehen stand. Berichten doch die etwa aus dem 11. Jahrhundert -stammenden Gedichte des angeblichen gälischen Barden Ossian, des -Sohnes König Fingals, aus dem 3. Jahrhundert n. Chr., daß zwei -Häuptlinge wegen eines weißen Stieres in eine erbitterte Fehde -gerieten, die erst mit dem Tode des einen beigelegt wurde. Ebenfalls -ein Primigenius-Abkömmling ist das in gleicher Weise wie die vorigen -einfarbige, großhörnige, überaus wetterharte und genügsame, aber nur -geringe Milchergiebigkeit und Mastfähigkeit aufweisende Steppenrind -Podoliens und Südrußlands. Als „graues Steppenrind“ finden wir es in -Ungarn und in der römischen Campagna. Dieses silbergraue Vieh der -römischen Campagna wurde nicht erst, wie man noch vor kurzem annahm, -durch die Langobarden in Mittelitalien eingeführt, sondern ist hier -schon in vorgeschichtlicher Zeit nachweisbar. So finden wir es deutlich -auf der der La Tènezeit angehörenden Situla (Eimer) aus der Certosa -von Bologna noch mit vorwärts zeigendem Gehörn dargestellt, als -Beweis dafür, daß dieses Rind dem Ur sehr nahestand und nur geringe -Veränderungen infolge von Domestikation aufwies. Über die Niederungen -Rußlands finden wir das Steppenrind von Primigeniusabstammung durch -ganz Sibirien, aber nicht mehr überall in reiner Rasse. So weist -beispielsweise das Kirgisenrind eine beträchtliche Beimischung von -Zebublut zum Primigeniusblut auf. Solche Kreuzungen wurden jedenfalls -bereits in vorgeschichtlicher Zeit in ausgedehntem Maße vorgenommen, -wozu die einheimischen Hausrinder genugsam Gelegenheit gaben. Nicht -selten werden aber auch die zahmen Ure auf der Weide von wilden -Urstieren belegt worden sein, wie es heute noch in Hinterindien häufig -genug vorkommt, daß zahme Zebukühe von wilden Bantengstieren befruchtet -werden, was die Malaien als eine willkommene Blutauffrischung gerne -sehen. - -Von Mischungsprodukten zwischen Torfrind und Primigeniusabkömmlingen -sind wohl die meisten spurlos untergegangen und andere sind durch -künstliche Züchtigung stark umgebildet worden. Eine solche durch -Umzüchtung aus der älteren Primigeniusrasse ohne bedeutende -Torfrindblutbeimischung hervorgegangene Rinderart ist nach L. Rütimeyer -das von Nilsson als Frontosusrasse bezeichnete ~Großstirnrind~ (_Bos -frontosus_), das zur Bronzezeit neben dem kleinen, zierlichen Torfrind -zuerst in Nordeuropa, und zwar in Südschweden auftritt. Von da drang -es erst sehr spät weiter nach Süden vor, um allerdings nur eine sehr -lokale Verbreitung zu erlangen. Diese Rasse, die auch noch recht -schwer, wie das reine Primigeniusrind, werden kann, zeigt einen Schädel -mit unregelmäßigem Umrisse, zwischen den Augen verbreiteter Stirne, -dachiger Hinterstirn, gestielten Hornzapfen und gewölbten Augenhöhlen. -Die Färbung ist rot- oder schwarzscheckig mit scharf begrenzten -Flecken; der Nasenspiegel ist fleischfarben. Noch jetzt wird diese -Rasse im südlichen Schweden gehalten und hat die einst in England -weitverbreitete, jetzt aber dort verschwundene Langhornrasse aus sich -hervorgehen lassen, deren letzte Reste sich in Südschweden in dem Vieh -der Insel Gotland erhielten. - -Wichtiger als sie ist das durch kurze Hörner und schwarze oder -rotscheckige Farbe ausgezeichnete Marschrind der Nordseeküste, zu dem -auch das holländische Rind gehört. Es ist durch seine Milchergiebigkeit -berühmt und scheint hier bis ins Altertum zurückzugehen. Wir wissen -wenigstens, daß schon zur Zeit der Römer am Niederrhein ein ähnlich -großes Rind gezogen wurde. Die größte Bedeutung aber erlangte das -Großstirnrind in der Westschweiz im hochgezüchteten rotscheckigen -Simmentaler- und im schwarzscheckigen, neuerdings stark im Rückgang -begriffenen Freiburger Schlag. Dieses ebenfalls überaus milchergiebige -schweizerische Fleckvieh, das bis zum Bodensee verbreitet ist, scheint -erst zur Zeit der Völkerwanderung in Mitteleuropa eingewandert zu sein -und kam nach Keller vermutlich mit den vom Niederrhein gekommenen -Burgundern nach der Westschweiz. Nicht nur in den westschweizerischen -Pfahlbauten, sondern auch in den helvetisch-römischen Niederlassungen -der Schweiz, z. B. in Vindonissa, fehlen alle Spuren von ihm -vollständig. Keller meint, diese Tatsache sei sehr schwerwiegend; denn -die Römer, die beispielsweise in Vindonissa eine starke Besatzung -zu unterhalten hatten, würden ohne Zweifel vorgezogen haben, die -milchreichen Fleckviehrinder aus der Westschweiz zu holen, falls -solche damals vorhanden gewesen wären, statt die schweren, wenig -Milch liefernden Kurzkopfrinder aus dem Süden über die Alpenpässe in -Helvetien einzuführen, da das kleine einheimische Torfrind den Bedarf -nicht deckte. - -Derselbe Autor meint in seinem Werke über die Abstammung der ältesten -Haustiere: „Über das Verhältnis der Freiburger Schwarzflecken zum -rotbunten Simmentaler Schlag müssen noch eingehendere anatomische -Untersuchungen angestellt werden. Sie gehören zwar nach den -osteologischen Merkmalen zur Frontosusrasse, dagegen ist das -Gehörn steiler aufgerichtet und nach meiner Beobachtung häufig -primigeniusähnlich. Daher die Behauptung, daß das Freiburger Vieh -Einwirkungen von niederländischem Vieh erhalten habe. Andere -vermuten eine Vermischung mit Braunvieh. Leider war es mir bei dem -starken Rückgang dieses Schlages bisher nicht möglich, ausreichende -Schädelserien zu beschaffen, wie denn überhaupt die Erwerbung von -Haustiermaterial auf kaum glaubliche Schwierigkeiten stößt.“ - -Das ziemlich verwahrloste Rind Sibiriens repräsentiert nach den -Untersuchungen von Okulitsch einen unvermischten Primigeniustypus. Die -Färbung desselben ist vorwiegend rot; doch gibt es in der Umgebung -von Tomsk auch graue Rinder dieses Schlages. Die Milchergiebigkeit -der sibirischen Kühe ist gering; dennoch ermöglicht der bedeutende -Viehstand eine starke Ausfuhr von Produkten der Milchwirtschaft. So -wurden schon im Jahre 1901 27 Millionen _kg_ Tafelbutter von Sibirien -nach Europa exportiert und seither hat sich diese Ausfuhr durch bessere -Bahntransporte bedeutend erhöht. Der Regierungsbezirk Tomsk allein -weist einen Rinderbestand von gegen 2 Millionen Stück auf. - -Alle weiter südlich in Asien gehaltenen Rinder sind dagegen Abkömmlinge -des gezähmten Banteng, so auch diejenigen Chinas, die oft sehr -klein sind und manchmal einen Fetthöcker aufweisen. Sie werden dort -vorzugsweise zum Pflügen benutzt, ihre Milch überhaupt nicht und das -Fleisch wenig genossen. Ebenso gering ist die wirtschaftliche Rolle des -Rindes in Japan, wo es als Reit- und Lasttier dient und die wenigen -im Lande verkehrenden Wagen zieht. Einen schönen Rinderschlag besitzt -Korea, dessen Bewohner wohl dessen Fleisch, nicht aber die Milch -genießen. - -Wie die meisten Nutztiere hat Amerika auch das Rind durch die -Vermittlung der Europäer erhalten. Auf seiner zweiten Reise brachte es -Kolumbus 1493 nach San Domingo, von wo es sich rasch über die Antillen -verbreitete. Hier verwilderte es teilweise und lieferte in dem an -der Luft und über dem Feuer getrockneten Fleisch, der _carne secca_, -und in den Häuten bald das hauptsächlichste Ausfuhrprodukt dieser -Inseln. Von diesen verwilderten Rinderherden lebend bildete sich im -16. Jahrhundert aus Franzosen und Engländern an der Westküste von San -Domingo der Freibeuterstaat der Flibustier -- entweder aus dem Worte -_freebooters_, d. h. Freibeuter, oder aus _fly boaters_, d. h. auf -rasch fahrenden Schiffen Segelnde entstanden --, die den das Monopol -des amerikanischen Handels besitzenden spanischen Schiffen auflauerten -und sie ausplünderten. Als diese durch Zuzug von allerlei Abenteurern -und der Hefe aller Nationen zu Anfang des 17. Jahrhunderts zu einer -furchtbaren Macht in den westindischen Gewässern geworden waren, die, -bald von der einen, bald von der andern Regierung begünstigt oder -gar in Sold genommen, später nicht nur gegen die Spanier, sondern -gegen alle Besitzenden kämpften, sahen sich die europäischen Staaten -genötigt, gegen diese bedrohliche Macht einzuschreiten. Vor allem -gründete Frankreich, da sich ein großer Teil der Flibustier aus -Franzosen zusammensetzte, in diesem westlichen Teil von San Domingo -eine Kolonie, die bald durch ausgezeichnete Gouverneure zur Blüte -gelangte. Mit dieser Gründung verloren die wilden Rinder der Insel -bald ihre Bedeutung; doch exportiert der spanische Teil immer noch -stark Fleisch und Häute derselben nach der jetzt dort errichteten -Negerrepublik. - -Ums Jahr 1525 gelangte das Rind nach Mexiko, wo sich seine Zucht an den -grasreichen östlichen Abhängen der Anden stark ausbreitete. Neuerdings -haben sich dort auch edlere europäische Rassen, wie die Holländer und -das hellfarbige, meist rotfleckige, kurzhörnige Vieh der englischen -Grafschaft Durham, eingebürgert. - -Mittelamerika hatte im 17. Jahrhundert eine starke Viehzucht in -Honduras. Auch Kolumbien erhielt im 16. Jahrhundert sein Vieh von den -westindischen Inseln. In die Grassteppen von Venezuela brachte es -Christobal Rodriguez 1548. Hier gedieh es vortrefflich und verwilderte -bald. So begegnete schon der sogenannte Tyrann Aguirre 1560 in der -Nähe von Valencia wilden Rinderherden. Um 1800 führte Venezuela ohne -die zahlreichen geschmuggelten etwa 170000 Rinderhäute jährlich aus. -Von der Kapverdeninsel San Vincente aus brachten die Portugiesen das -Rind 1581 nach Brasilien, wo es sich der brasilianischen Indolenz -entsprechend recht langsam von der Küste nach dem Innern ausbreitete. -Nach den Angaben von Southeys Geschichte von Brasilien kam es erst -1720 nach Goyaz, 1739 nach Matto Grosso und 1788 in das Gebiet des -oberen Amazonenstroms. Gegenwärtig besitzen die Provinzen Minas -Geraes, Matto Grosso, San Paulo und Rio Grande do Sul eine ausgedehnte -Viehwirtschaft. Wiederholt sind Zebus aus Indien als Zuchtmaterial -in Matto Grosso eingeführt worden, und Bastarde derselben mit den -aus Europa eingeführten Rassen sind stark verbreitet. Durch großes -Gehörn ist die ursprünglich in San Paulo heimische Franqueirorasse -ausgezeichnet. Nur in Minas Geraes wird Milchwirtschaft getrieben -und ein grober, schlechter Käse gewonnen, der nur im Lande selbst -gebraucht werden kann. Der Brasilianer ißt diesen Käse gern mit -eingedicktem Zuckerrohrsaft zusammen, ähnlich wie die Helden Homers -eine Mischung von Honig, Käse und Wein tranken. Sonst wird überall -in Brasilien das Vieh bloß zur Gewinnung von Häuten und Hörnern für -den Export nach Europa und zur Herstellung von getrocknetem Fleisch -für den einheimischen Verbrauch gehalten. Dies war auch in den Pampas -Argentiniens der Fall, wo vom 17. Jahrhundert an große halbwilde -Viehherden vorhanden waren. Diese nahmen ihren Ursprung von 7 Kühen -und einem Stier, die Kapitän Juan de Salazar 1546 von Andalusien nach -Südbrasilien brachte, von wo aus sie ein gewisser Gaeta in seinem -Auftrage über Land nach Paraguay trieb. Er entledigte sich dieser -schwierigen Aufgabe vorzüglich und erhielt als Belohnung eine von den -Kühen geschenkt, was für ihn jedenfalls einen sehr wertvollen Besitz -darstellte. - -Von Paraguay drang das Rind bald südwärts in die Pampas von Argentinien -vor, von wo schon 1580 die erste Ladung Häute von dem damals eben -gegründeten Buenos Aires nach Spanien ausgeführt wurde. Hier vermochte -es in der Steppe überall leicht zu verwildern, während in den mehr -waldigen Gebieten Paraguays dies wegen des Vorkommens einer sehr -lästigen Aasfliege, die ihre Eier in jede Wunde legt, nicht möglich -war. Da für diese Fliegen der Nabelstrang des neugeborenen Kalbes eine -sehr willkommene Ablagestelle für die Eier bot, die eine Entzündung -und schließlich den Tod des Kalbes herbeiführten, so gingen jeweilen -alle Kälber zugrunde, bei denen nicht menschliche Hilfe fürsorgend -eintrat. So weit also der Bezirk dieser Fliege reichte, gab es keine -wilden Rinder. Im Süden aber, wo sie im offenen Graslande fehlte, -vermehrten sich die halbwilden Viehherden dermaßen, daß das einzelne -Stück fast wertlos und im 18. Jahrhundert nach Dobrizhoffer für -einen Real, d. h. etwa fünf Groschen zu haben war. So wurden sie -nur zur Gewinnung der Haut und etwa noch der Zunge als Delikatesse -getötet, und nur ausnahmsweise das saftigste Fleisch von den Lenden -zur Gewinnung von _carne secca_ verwendet. Um diesen Reichtum -wenigstens einigermaßen auszubeuten, wurde im vorigen Jahrhundert an -der Küste nördlich von Buenos Aires, in Fray Bentos, die Liebigsche -Fleischextraktfabrik eingerichtet, die heute noch das meiste Fleisch -auf dieses ihr Spezialprodukt hin verarbeitet, daneben aber auch -konserviertes Fleisch, Fett und Knochen gewinnt, die sie mit den Häuten -auf den europäischen Markt bringt. Neuerdings suchen die Kulturstaaten -Europas mit dem Fleischüberfluß Argentiniens die Fleischnot in -ihrem eigenen Lande zu bekämpfen, und dies mit bestem Erfolge. In -besonderen Schiffen mit Kühlräumen wird das Fleisch gefroren, wie -das schon seit längerer Zeit von Australien nach England gebrachte -Schaffleisch, aus Argentinien zu uns gebracht und findet überall willig -Absatz. Jedenfalls ist Argentinien mit seinen grasreichen Ebenen vor -andern Ländern dazu berufen, in der Viehhaltung eine führende Rolle -zu spielen. Auch in Chile hat es einst eine bedeutende Rinderzucht -gegeben. So fand v. Tschudi noch 1858 in Santiago das Straßenpflaster -aus den Hüftknochen von Rindern gebildet, die man mit den Gelenkköpfen -nach oben gesetzt hatte. Auch in Peru und Bolivien ist die wilde oder -halbwilde Zucht jedenfalls die wichtigste. Milch geben die Kühe nur -wenige Tassen voll, und auch das nur kurze Zeit. Bei den Indianern ist -keine Neigung zur Haltung des Rindes vorhanden. Letzteres tritt demnach -gegen Patagonien hin, wo die weiße Bevölkerung mehr oder weniger -aufhört, zurück. Auf den Falklandinseln ist es verwildert. - -In Nordamerika ist das erste Vieh zu Ende des 16. Jahrhunderts von -England an die Ostküste nach Virginien gekommen. 1624 brachten es -die Puritaner nach Plymouth in Massachusetts und ein Jahr später die -Holländer nach dem von ihnen auf der Manhattaninsel an der Mündung -des Hudson gegründeten Neu-Amsterdam, dem heutigen New York, mit. -Diese guten Rassen wurden später mit dem wegen der bequemen Verbindung -billigeren spanischen Vieh aus Westindien gekreuzt. Mit den Weißen -verbreitete es sich westwärts, während schon früh vor seiner Ankunft -mexikanisches Vieh nach Texas und Kalifornien gelangt war. Kanada besaß -ursprünglich das Bretagnerind, das die Franzosen 1608 einführten. - -Was die heutige Rinderhaltung in den Vereinigten Staaten anbetrifft, -so geht die Züchtungspraxis der Amerikaner darauf aus, einzelne -ausschließliche Leistungen der Tiere zu bevorzugen; daher werden -die hervorragendsten englischen Fleischrassen und die europäischen -Milchrassen stark bevorzugt. Von letzteren wurden außer südenglischen -Rindern besonders das friesische, dann das Schweizer Braunvieh -eingeführt. Dieses hat nun mehr und mehr das früher ausschließlich -gezogene Texasvieh spanischer Abstammung, das seinerseits wiederum sich -vom hochbeinigen, langhörnigen iberischen Rinde ableitet, auch in den -Südstaaten der Union verdrängt. - -Im Jahre 1788 wurde das Rind von den Engländern nach Australien -eingeführt, wo jetzt Queensland die stärksten Bestände aufweist. Auch -Neuseeland mit seinen weidereichen Alpen hat eine starke Rinderzucht. -Dort gibt es über 1½ Millionen Rinder; daher ist die Ausfuhr an Butter -und Käse bedeutend. Auch in Ozeanien ist das Rind auf den meisten -Inseln eingeführt, spielt aber meist eine sehr untergeordnete Rolle im -Haushalte des Menschen. Stellenweise, wie z. B. auf der Insel Tinian, -ist es verwildert. - -Außer in Syrien und Kleinasien wird das Rind in ausgedehnten -Gebieten Afrikas als Last- und Reittier verwendet. Schon Herodot -erwähnt Lastochsen aus Nordafrika und Älian hornlose Reitochsen aus -Mysien. Wie die Kirgisen, Kalmücken und viele Kurden, so reiten die -Gallastämme, die Einwohner von Wadai, von Angola und Südafrika auf -besonders dressierten ~Reitochsen~, die in allen Gangarten gehen und -in schwierigem Terrain durch kein anderes Tier zu ersetzen sind. -Ohne sie könnte man die ausgedehnten Handels- und Jagdzüge durch die -streckenweise oft gänzlich wasser- und futterlosen Einöden gar nicht -unternehmen. - -So sehr sein geistiges Wesen im allgemeinen durch die Knechtschaft -und Bevormundung durch den Menschen abgenommen hat, so ist das Rind, -besonders wenn es in Freiheit aufwächst, nicht so stumpfsinnig wie -unsere in Ställen aufgewachsenen Individuen. Sie lassen sich unschwer -zu allerlei Kunststücken abrichten. So berichtet schon der ältere -Plinius in seiner Naturgeschichte: „Ich habe Ochsen gesehen, welche auf -Befehl kämpften, auf die Hörner fielen und wieder aufstanden, sich auf -die Erde legten und wegtragen ließen, und sogar auf schnellrennenden -Wagen wie Kutscher standen. -- Zur Zeit unserer Vorfahren kam oft das -Wunderzeichen vor, daß Ochsen sprachen; wurde dies angezeigt, so mußte -die Senatsversammlung unter freiem Himmel gehalten werden.“ Wie einst -der Apis im alten Ägypten, ist heute noch das Rind im allgemeinen dem -Hindu ein heiliges Tier, so daß er lieber verhungern würde als auch -nur Rindfleisch anrühren. Die Europäer sind ihm geradezu verächtlich, -daß sie dieses für ihn unantastbare Tier schlachten und sein Fleisch -verzehren. Als nützliches Haustier stand es noch bei den Kulturvölkern -des Altertums in hohem Ansehen. So schreibt der gelehrte Römer Varro -im letzten Jahrhundert v. Chr.: „Das Rindvieh dient dem Menschen beim -Landbau, dient der Göttin Ceres, wurde daher seit Menschengedenken -unter den Schutz der Gesetze gestellt und in Attika, wie im Peloponnes, -wurde derjenige sogar mit dem Tode bestraft, der ein Stück Rindvieh -mutwilligerweise getötet hatte.“ Und Plinius sagt: „Der Ochse ist -unser Gefährte bei der Arbeit und beim Ackerbau und stand bei unsern -Vorfahren in solchen Ehren, daß man ein Beispiel hat, wo ein Mann aus -dem Volke zur Verbannung verurteilt wurde, weil er auf seinem Landgut -einen Zugochsen geschlachtet hatte, bloß weil einer seiner Vertrauten, -ein frecher Bursche, behauptet hatte, er habe noch keine Kaldaunen -gegessen.“ - -Das Rind ist schon im zweiten Jahre seines Lebens fortpflanzungsfähig. -Die Tragzeit währt in der Regel 285 Tage. Das Kalb erhebt sich bald -nach seiner Geburt und saugt schon am ersten Tage an seiner Mutter, -die es liebevoll beleckt und seine Entfernung durch Brüllen beklagt. -Die Lebensdauer scheint 25 Jahre nicht zu übersteigen. Außer grünen -Pflanzenteilen werden auch Früchte aller Art nebst Wurzelgemüsen und -Knollengewächsen, besonders Möhren und Kartoffeln, sehr gern von ihm -gefressen; dabei ist ihm das Lecken von Salz Bedürfnis. Alle seine -Teile werden vom Menschen verwendet, so daß es mit Recht als das -einträglichste aller Haustiere gilt. - -Bei der Besprechung der Rinder dürfte es am Platze sein, einige -Bemerkungen über die Viehzucht unserer Vorfahren in der ältesten, -geschichtlich nachweisbaren Zeit mitzuteilen. Neben dem Wald und -den Äckern gab es bei den Germanen nach der Völkerwanderungszeit -ausgedehnte Wiesen, die nach Urkunden des 8. Jahrhunderts bis zu 130 -und mehr Fuder Heu lieferten. Die Wiesen wurden im Frühjahr gehegt. -Wer zu dieser Zeit sein Vieh darauf trieb und dadurch den Graswuchs -verhinderte, der ward nach den Volksgesetzen der Westgoten nach seinem -Stande verschieden bestraft. Bei den Langobarden konnte der Eigentümer -einer Wiese, der auf derselben ein oder mehrere Schweine antraf, eines -ohne Ersatz totschlagen. Wer eines anderen Wiese mähte, verlor nach dem -Gesetz der salischen Franken seine Arbeit und bezahlte 15 Solidi Buße. -Das war eine sehr strenge Bestrafung, da man damals mit einem Solidus, -einem Goldschilling, eine Kuh zu kaufen vermochte. Ebensoviel Buße -bezahlte er, wenn er das gemähte Gras nach Hause trug; fuhr er es aber -heim, so mußte er 45 Solidi Strafe erlegen. - -Damals war die Viehzucht noch nicht so ausgedehnt, daß sie den -Wirtschaftsbedürfnissen angemessen gewesen wäre. Im Jahre 755 befanden -sich auf einem ziemlich ansehnlichen Hofe 4 Zugstuten, 30 Schafe und -20 Schweine. Doch war das Rindvieh das wichtigste Besitztum des freien -Mannes, der Stolz und Reichtum des Bauern, wie schon Tacitus in seiner -Germania sagt: es sei der einzige Reichtum des Germanen. Dies hat -sich auch in der Sprache ausgeprägt. Wie lateinisch _pecunia_ Geld zu -_pecus_ Vieh gehört, so bezeichnet Schatz im Gotischen das Vieh, _fê_ -(Vieh) im Altnordischen und Süddeutschen die Habe; aus _fê_ wurde -später Fening und schließlich Pfennig. „Habe“ oder „Ware“ bedeutete in -den deutschen Mundarten Vieh, wie manchenorts, z. B. im Berngebiet, -„Speise“ Käse. Alles Vieh wurde in alter Zeit weit mehr geweidet als -heute, da die Stallfütterung sich vollständig eingebürgert hat. Der -ältere Plinius lobt die germanischen Weiden, und noch im Mittelalter -bot die Allmende Raum genug zum Weidgange des Viehes der Dorfgenossen. -Der Gemeindehirt ist in den alten Dorfordnungen eine sehr wichtige -Person. Da aber die Menge und die Güte des Futters, sowie die Paarung -geeigneter Zuchttiere bei der freien Weide nicht in dem Maße wie heute, -vielfach überhaupt gar nicht garantiert werden konnte, so vermochte -man in jenen frühen Zeiten keine großen oder sonst wertvollen Schläge -zu erzielen. So sagt schon Cäsar von den Germanen: „Sie brauchen -keine eingeführten Zugtiere (Pferde), aber die bei ihnen geborenen, -die klein und häßlich sind, bringen sie durch tägliche Übungen zu den -größten Leistungen“, und Tacitus berichtet: „Auch das Rind hat (bei den -Germanen) nicht seinen Stirnschmuck (Hörner), man erfreut sich nur an -der Zahl desselben.“ Damals war das Vieh der Germanen durch schlechte -Pflege und starke Inzucht unansehnlich, wie noch heute in abgelegenen -Riedgegenden kleines Vieh, von kaum mehr als 1 _m_ Höhe gehalten wird. -Das Skelett einer zahmen Kuh, das in dem vorgeschichtlichen Torfmoor -von Schussenried in Schwaben gefunden wurde, ist nicht größer als ein -großer Hund und hat winzige Hörner. - -Eine Viehherde hieß bei den Franken _sonesti_; die einzelnen Individuen -derselben wurden nebst etwaigen Pferden, Schafen und Schweinen, jedes -mit einer Schelle behängt, unter Aufsicht eines Hirten zusammen -ausgetrieben. Durch das Klingeln der Glöckchen konnte man im -weitläufigen Bruch oder bei der beliebten Waldhütung das Entlaufen der -Tiere besser verhindern, entlaufene auch leichter wieder finden und zur -Herde zurücktreiben. Die deutschen Volksrechte bestraften das Entwenden -dieser Klingeln sehr hart. So bestimmte das Gesetz der salischen -Franken für die Entwendung einer Schelle (_skella_) von einem Pferde -wie von einer Sau 15 Solidi Strafe, 3 aber von anderem Vieh. Wer bei -den Burgundern von einem Pferd oder Ochsen die Glocke entwendete, der -mußte sie durch ein Pferd oder einen Ochsen ersetzen, die von derselben -Beschaffenheit waren als jene, an denen er sich verging. Dies war die -Strafe des Freien, der Leibeigene dagegen wurde gehörig durchgebläut, -so daß er solches sein Lebtag nie mehr tat. Bei den Langobarden wurden -6 Solidi für die entwendete Pferde- oder Rindschelle erlegt; die -Westgoten bestraften dasselbe Vergehen mit 1 Solidus. - -Zudem war das Vieh damals gezeichnet, damit es sein Eigentümer -jederzeit aus der Herde herausfinden und als sein Eigentum in Besitz -nehmen konnte. Beim Vieh wurden besondere Hirtenhunde zur Abwehr des -Wolfes und anderer Raubtiere gehalten; wer einen solchen tötete, gab -nach dem Volksrechte der Friesen 1, bei anderen Stämmen bis 4 Solidi -Buße. Die Hirten hatten großes Recht; wer einen solchen erschlug, mußte -bei den Alamannen 40 Solidi Strafe entrichten. Wer ihn mißhandelte, -indem er ihn schlug, während ihn zwei andere hielten, bezahlte 9 -Solidi. Die Hütung geschah entweder privat oder gemeinschaftlich. -Es gab Freie, die sich eigene Hirten hielten; sonst stellten die -Sippengenossen gewöhnlich einen Unfreien dazu an, ihr Vieh gemeinsam -auf der Weide zu hüten. Während der ganzen guten Jahreszeit war -das Vieh auf der Weide und wurde nur im Winter, wenn es wegen des -hohen Schnees kein Futter mehr fand, im Stalle von dem im Sommer -eingebrachten Heu gefüttert. - -Die Fürsorge der Karolinger, besonders Karls des Großen, für die Kultur -des Landes zeigt sich auch in den Vorschriften für den Viehstand ihrer -Güter. So befahl Karl der Große, auf allen seinen Gütern Milchkühe zu -halten und von der Milch auch Butter und Käse zu bereiten. So gab es -nach einem uns erhaltenen Verzeichnis auf seinem Gute Stefanswerd 20 -Kühe, 1 Stier, 61 Stück Jungvieh (_animalia minora_) und 5 Kälber. -Auf seinem Gute Asnapium hatte er 50 Kühe mit Kälbern, 20 Stück -Jungvieh (_juvencus_), 38 jährige Kälber und 3 Stiere, in Grisenwiler -dagegen 30 Kühe mit Kälbern, 3 Stiere und 10 Stück Jungvieh stehen; -auf einem anderen kleinen Gute hatte er 6 Kühe mit Kälbern und 8 -Stück Jungvieh. Aus diesem Verzeichnis und nach allem, was wir sonst -noch erfahren, dürfen wir schließen, daß die Kälber damals sehr -lange bei ihren Müttern verblieben, wahrscheinlich bis sie die Kuh -selbst absetzte. Die Kühe selbst wurden nicht nur zur Milchgewinnung, -sondern auch zum Ziehen gebraucht, und zwar nicht bloß von den -kleinen Leuten, sondern auch auf den großen Gütern. Daß Kaiser Karl -bei der Bereitung von Butter und Käse auf seinen Gütern Reinlichkeit -verlangte, beweist, daß man es damit nicht sehr genau nahm. Die Butter -hieß damals noch mit einem altdeutschen Worte Schmeer oder Anken. -Ein Stück Brot „beschmeeren“ -- woraus später allgemein beschmieren -wurde -- heißt also, es mit Butter bestreichen. Da man schon in -jener Zeit begann, den Untertanen, wenn nur irgend möglich, Dienste -und Abgaben aufzubürden, so nötigten die Grundherren sie später in -einigen Gegenden, herrschaftliche Kühe den Winter über zur Fütterung -zu übernehmen. So mußte beispielsweise das Stift Lorch solche Kühe -überwintern. Oft wurden die Zehnten in Käse bezahlt. So bekam der -Abt von Fulda von drei Alpen, die ihm gehörten und auf die das Vieh -zur Sömmerung getrieben wurde, als Entgelt je 3000 Käse, die für die -Klosterwirtschaft sehr erwünscht waren. Im Laufe der Jahrhunderte ging -dann die Viehwirtschaft hervor, wie wir sie heute noch kennen und auf -die einzutreten ganz überflüssig ist. - -Außer dem eigentlichen Rind sind aber noch andere Vertreter der -Rinderfamilie vom Menschen gezähmt und in Pflege genommen worden. Von -diesen soll nun noch die Rede sein. Ein naher Verwandter des Hausrindes -ist der schon zu Eingang erwähnte ~Gayal~ oder das ~Stirnrind~ (_Bos -frontalis_). Dieses Wildrind ist in beiden Geschlechtern bis zu den -Knien braun, im untern Teil der Beine weiß oder gelblich, hat kurze -Gliedmaßen, einen kurzen Kopf mit außerordentlich breiter Stirn und -fast gerade nach auswärts gerichtetem Gehörn. Die Eingeborenenstämme -südlich und nördlich vom Tal des Assam in Hinterindien fangen nicht -nur Kälber desselben, um sie einzugewöhnen, sondern halten es schon so -lange in gezähmtem Zustand als Haustier, daß es als Folge weitgehender -Beeinflussung durch Domestikation in ziemlich vielen Exemplaren ganz -weiß, andere wenigstens fleckig gefärbt sind. Die Herden zahmer -Gayals werden von den Indochinesen des Fleisches wegen gehalten; auch -soll teilweise ihre Milch genossen werden. Die Tiere, die weder zur -Bearbeitung des Bodens, noch zum Tragen von Lasten verwendet zu werden -scheinen, streifen, um zu fressen, während des Tages unbeaufsichtigt -im Walde umher und kehren abends ins Gehöft ihres Besitzers zurück. -Sie vermischen sich zuzeiten ungehindert mit dem neben ihm gehaltenen -indischen Buckelrind, dem Zebu. Merkwürdigerweise sind von den -aus dieser Kreuzung hervorgegangenen Bastarden nur die weiblichen -Exemplare fruchtbar, nicht aber die männlichen, während bei den anderen -Kreuzungsprodukten zwischen verschiedenen Rinderarten die männlichen -und weiblichen Bastarde gleicherweise in der Regel unbegrenzt fruchtbar -sind. - -Auch der ~Gaur~ oder das ~Dschungelrind~ (_Bos gaurus_), dessen -Verbreitungsgebiet von Vorderindien bis Siam und Cochinchina im -Osten und die Halbinsel von Malakka im Süden reicht, ist in etlichen -Berggegenden zwischen Assam und Birma gezähmt und wird als Haustier -gehalten, obschon alle in Indien zu Züchtungszwecken eingefangenen -Gaurkälber eingingen und keines das dritte Lebensjahr erreichte. Dieser -Gaur scheint das größte lebende Rind zu sein und erreicht in den -Stieren 1,8 _m_ Schulterhöhe bei einer Körperlänge von 2,9 _m_. Die -vordere Rückenhälfte trägt einen hohen Kamm, die Ohren sind klein, die -Hörner an der Wurzel ziemlich stark zusammengedrückt, auf ihrer ganzen -Länge gebogen und mit der Spitze nach innen und etwas nach rückwärts -gerichtet. Beim Stier sind sie 50-60 _cm_ lang. Das kurzbehaarte Fell -ist bei jungen Männchen und Weibchen braun, bei alten Männchen dagegen -schwarz. Die untern Teile sind ziemlich heller und die Beine vom Knie -und vom Hackengelenk an bis zu den verhältnismäßig kleinen Hufen weiß. -Die Kälber tragen einen schwarzen Längsstreifen auf dem Rücken. In -den Berggegenden, die es bewohnt, hält es sich an den Wald und die -hohen Grasbestände. Seine Lebensweise deckt sich fast ganz mit der -beim Banteng geschilderten. Es klettert ausgezeichnet und hat hierzu -trefflich geeignete kurze Beine. - -Viel wichtiger als diese beiden Wildrinder ist eine dritte Art für -den Menschen geworden. Es ist dies der in seinen ältesten Vertretern -erdgeschichtlich schon im Pliocän auftretende ~Büffel~ (_Bubalus_). Von -den beiden heute noch lebenden Arten ist nicht der wilde Schwarz- oder -Kaffernbüffel (_Bubalus caffer_) Afrikas, sondern der südasiatische -Büffel (_Bubalus arni_) vom Menschen in vorgeschichtlicher Zeit -gezähmt und zum nützlichen Haustier erhoben worden, das von den Indern -Arni, von den Malaien Hinterindiens dagegen Kerabau genannt wird. In -Insulindien besonders ist er nachträglich wieder verwildert, da er -sich dort der Aufsicht von seiten des Menschen zu entziehen wußte. -Die Domestikation dieses weitaus kühnsten und wildesten unter den -indischen Wildrindern erfolgte bedeutend später als diejenige des -weit gutmütigeren Banteng. Dieser Wildbüffel bewohnt heute noch die -sumpfigen Rohrwälder und die dicht mit hohem Gras bewachsenen Ebenen -des Brahmaputra und Ganges vom Ostende von Assam bis nach Tirhut im -Westen und diejenigen der östlichen Zentralprovinzen Indiens. Er ist -ein besonders im Alter dünnbehaartes, am ganzen Körper dunkelgraues, -fast schwarzes, an den Beinen jedoch meist heller gefärbtes massig -gebautes Rind mit kräftig behörntem Kopf auf gedrungenem Hals, etwas -gestrecktem Rumpf, dicken und kurzen Beinen und großen, für die -Fortbewegung auf sumpfigem Boden breit ausladenden Hufen. Der niedrig -getragene Kopf ist gestreckt und flachstirnig und trägt sehr große, -schwarze, im Querschnitt dreieckige, in einer Ebene zuerst auf- und -auswärts, dann nach innen und vorn, von der Gesichtsebene aus etwas -nach rückwärts gebogene Hörner, die der Krümmung entlang gemessen 2 _m_ -lang werden können. In Oberassam findet sich eine nicht bloß durch die -fahlere Färbung, sondern auch durch die Form des Schädels abweichende -Unterart. - -Dem Wildbüffel sagen heiße, sumpfige oder wasserreiche Gegenden am -besten zu, denn er ist ein großer Wasserfreund, der vortrefflich -schwimmt und sich so gebärdet, als ob das Wasser sein eigentliches -Lebenselement sei. Auf dem festen Lande erscheint er in allen seinen -Bewegungen schwerfälliger als im Wasser, in dem er sich tagsüber -während der größten Hitze mit Vorliebe aufhält und, darin liegend, -nur einen Teil des Kopfes herausstreckt. Nachts und am frühen Morgen -weidet er, bricht gern in Pflanzungen ein und richtet darin bedeutende -Verwüstungen an. Sein Wesen wird als mürrisch und unzuverlässig -geschildert; er ist voll Mut und Angriffslust und läßt dann seine -tiefdröhnende Stimme erschallen. Die Paarungszeit fällt in den Herbst; -dann lösen sich die sonst bis zu 50 Stück zählenden Herden in kleinere -Trupps auf, die je ein Stier um sich versammelt. Etwa 10 Monate nach -der Paarung, also im Sommer, wirft die Kuh 1-2 Kälber, die sie sorgsam -gegen alle Angriffe wilder Tiere behütet. Der Wildbüffel ist keineswegs -scheu, scheint auch die Nachbarschaft des Menschen nicht zu meiden. Oft -nimmt eine Herde oder ein einzelner Stier von einem Felde Besitz, von -dem dessen Eigentümer zurückgetrieben wird. Angegriffen und besonders -verwundet, stellen sie den Gegner und suchen ihn mit ihren gewaltigen -Hörnern niederzurennen. - -Wann und wie der indische Wildbüffel zuerst gezähmt wurde, ist völlig -unbekannt. Jedenfalls geschah dies irgendwo in Südasien, wo nach der -Domestikation des Banteng die seinige nahe lag. Dabei veränderte sich -sein Charakter in einer für den Menschen sehr günstigen Weise. Ist der -Wildbüffel sehr kampflustig, weil er sich selbst dem Tiger überlegen -fühlt, so ist er im zahmen Zustande seinen Bekannten gegenüber überaus -sanftmütig und anhänglich und läßt sich sogar von einem Kinde lenken. -Nur fremden Leuten und Tieren gegenüber zeigt er sich feindlich und -beweist dann einen großen Mut. Nach wie vor ist ihm das Wasser ein -überaus wichtiges Lebenselement, auf das er nur ungern verzichtet und -das er immer wieder zur Kühlung aufsucht. - -[Illustration: - - Tafel 15. - -Büffel von Singhalesen auf Ceylon zum Pflügen eines Reisfeldes benützt.] - -[Illustration: - - Tafel 16. - -Hagenbecks Reisender in Indien auf einem Milchbüffel reitend.] - -[Illustration: Yak oder Grunzochse im Zoologischen Garten von Berlin. - -(Nach einer Photographie der Neuen photogr. Gesellschaft in Steglitz.)] - -Die älteste unzweifelhafte Darstellung des Büffels hat sich uns -auf einigen altbabylonischen Siegelzylindern aus dem Anfang des 3. -vorchristlichen Jahrhunderts erhalten. Auf dem einen derselben sehen -wir einen langbärtigen Mann, offenbar eine Gottheit, der in einer -irdenen Schüssel einem Büffel Wasser zum Trinken darreicht. Daß es -sich wirklich um einen Büffel und nicht um ein schlecht gezeichnetes -Rind handelt, geht sicher aus dem Verlauf der nach hinten gelegten -quergerippten Hörner hervor. Dieselben typischen Büffelhörner -treffen wir auf einer anderen Darstellung eines altbabylonischen -Siegelzylinders, der etwa vom Jahre 2800 v. Chr. stammt. Wir sehen -darauf zwei langbärtige Männer, offenbar auch Gottheiten, von denen der -eine mit einem aufgerichteten Löwen, der andere mit einem gleichfalls -aufgerichteten Büffel mit typischem Gehörn ringt. Dabei wird der -Büffel mit der linken Hand am linken Horn und mit der rechten Hand am -rechten Vorderfuß gepackt und letzteres umgeknickt, um das Tier zu -Fall zu bringen. Daß der Büffel wie auf diesen, so auch auf andern -mythologischen Bildern im Kampfe mit Göttern dargestellt wird, beweist -zum mindesten, daß er im Kulte gewisser Gottheiten eine Rolle spielte -und als solcher vielleicht in halber Zähmung gelegentlich vom Menschen -in der Nähe von Tempeln gehalten wurde. Daß er völlig gezähmt war und -als Haustier diente, ist ausgeschlossen, denn wir fänden sonst mehr -Spuren von seiner Gegenwart. Ebenso wurde der Wildbüffel im ältesten -Ägypten nachgewiesen, sowohl in bildlichen Darstellungen, als auch in -Knochenresten, aber ein eigentliches Haustier war er hier ebenfalls -nicht. Jedenfalls reichte einst sein Verbreitungsgebiet von Südasien -über Westasien bis nach Europa hinein. So fand man Überreste eines -Wildbüffels (_Bubalus pallasi_) in Diluvialschichten bei Danzig. Aber -in ganz Westasien wie auch im Niltal wurde er vom Menschen ausgerottet, -bevor er domestiziert worden war. - -In Vorderasien treffen wir in der Folge keine Spur mehr von ihm, bis -Alexander und seine Begleiter ihn auf ihrem Siegeszuge als Haustier -zuerst in Persien, dann auch in Indien antrafen. Aber auch damals -blieb den Kulturvölkern am Mittelmeer die Erwerbung dieses Nutztieres -verschlossen. Erst die Muhamedaner brachten ihn nach Palästina und -Ägypten. Im Jahre 723 begegnete der heilige Willibald im Jordantal, -in dem sie heute noch wichtige Haustiere sind, die ersten Büffel, von -deren Vorhandensein man bis dahin im Abendland keine Ahnung gehabt -hatte. Dieser Priester, der durch Süditalien und Sizilien gereist war, -traf diese dort nirgends, weil man sie damals noch nicht eingeführt -hatte, und war nicht wenig erstaunt, sie in Palästina zu finden. In -Ägypten, das früher besonders reich an Rindern gewesen sein muß, die -später weitgehend durch die aus dem Süden dahin gebrachte Rinderpest -dezimiert wurden, vermehrte sich der Büffel stark und gelangte von -dort durch die Araber nach Sizilien und Süditalien, von wo aus er sich -langsam weiter nördlich in die sumpfige Campagna di Roma verbreitete. -Ums Jahr 1200 war er im Kaiserreich Bulgarien, etwa dem heutigen -Mazedonien entsprechend, häufig anzutreffen und kam von da nach dem -eigentlichen Bulgarien und den Tiefländern der Donau, um sich jenem -Strom entlang bis Ungarn und Siebenbürgen auszudehnen, wo sie wie -unsere Rinder in erster Linie als Milchvieh gehalten werden. Doch geben -sie durchschnittlich nur halb so viel Milch wie unser Alpenrindvieh. -Bringt es das Siebenbürger Rind auf 1600-1900 Liter und die sich dort -immer mehr einbürgernden Freiburger, Simmentaler und Pinzgauer Kühe auf -2000 Liter im Jahr, so liefert der beste Milchbüffel in dieser Zeit -nur 1000 Liter, die allerdings wegen des weit größeren Fettgehaltes -von 7-8, bei altmelkenden Tieren sogar 10-12 Prozent gegenüber von -3-5 Prozent der Kuhmilch doppelt so teuer als jene verkauft wird. -Auch in die Moldau-Walachei und die Krim gelangte der Hausbüffel und -fand dort in den wasserreichen, noch ziemlich warmen Niederungen ihm -zusagende Lebensbedingungen. Trotz des heißen Klimas fehlte ihm aber -in Nordafrika westlich vom Niltal das für ihn zum Baden nötige Wasser, -so daß er hier nicht heimisch werden konnte. Und weil er infolgedessen -nicht nach dem südlichen Spanien und nach Portugal gelangte, erreichte -er auch Amerika nicht, und die Vorschläge, ihn hier einzuführen, sind -bis jetzt unbeachtet geblieben. - -Noch größere Bedeutung als im Westen hat er im Osten Asiens erlangt, -wo er bis nach Japan und über die Philippinen hinaus gelangte und -sich über ganz Indonesien ausbreitete, und zwar in der von Malaien -bewohnten ost- und südasiatischen Inselwelt in einer schiefer- bis -hellbläulichgrauen, sehr spärlich behaarten Zuchtrasse mit sehr langen, -im Bogen nach hinten gerichteten, auf der Oberseite stark abgeflachten -Hörnern. Hier überall in den heißen, sumpfigen Niederungen hat er -weit größere Bedeutung als das Hausrind von Bantengabstammung erlangt -und ist der getreue Gehilfe des Menschen beim Ackerbau geworden. -Seine Neigung für das Sumpfleben machte ihn besonders beim Reisbau -verwendbar, der in diesen Gegenden eine überaus wichtige Rolle spielt. -Nur in den trockenen Gebieten, die seinem Gedeihen nicht besonders -zuträglich sind, und im Nordosten von Asien tritt das gegen Kälte -weniger empfindliche Rind wieder stärker auf. Im ganzen Gebiet des -Reisbaues ist er in seinem ureigenen Element und zieht den primitiven -Pflug durch den von dem darauf geleiteten Wasser aufgeweichten -schlammigen Boden der Reisfelder. Bei den Bisayern tritt er auch -den gesäten Reis in den nassen Schlamm. Seine Milch wird hier kaum -je gewonnen, obwohl sie eine vorzügliche Speise bildet, die, wie in -Südeuropa, auch in ganz Süd- und Westasien sehr geschätzt wird, obschon -sie einen moschusartigen Geruch besitzt. Die aus ihr bereitete Butter -ist weiß und schmeckt ganz rein, entbehrt aber des feinen Aromas, -das eine gute Kuhbutter auszeichnet. Das Fleisch alter Büffel ist im -gekochten Zustande heller als das Rindfleisch, dabei grobfaserig, hart -und weniger schmackhaft als jenes. Dagegen schmeckt das Fleisch der -Büffelkälber sehr gut und wird von manchen Leuten sogar dem Fleisch -der Rindkälber vorgezogen. Sehr geschätzt ist das Fell, das ein -vorzügliches Leder liefert. - -Wegen seiner ungeheuren Kraft, die bei einem Büffelochsen von 149 -_cm_ Höhe und 652 _kg_ Körpergewicht auf 875 _kg_ bestimmt wurde, -hat der Büffel überall in seinem Verbreitungsgebiet besonders als -Zugtier eine große Bedeutung erlangt. Er zieht tatsächlich auch auf -schlechten Wegen Lasten, die man ihm kaum zutrauen dürfte. Nur ein -Übelstand ist dabei in Kauf zu nehmen, nämlich seine vom Wildzustande -beibehaltene Störrigkeit. Noch mehr als dem ruhigeren Asiaten offenbart -er dem lebhaften Europäer gegenüber immer noch einen Rest seiner -ursprünglichen Wildheit. Fremde greift er direkt an oder weicht ihnen -in blinder Furcht aus und richtet dabei durch sein Ungestüm nicht -selten allerlei Unheil an. Man hat also ihm gegenüber stets etwas auf -der Hut zu sein. Eine ausgezeichnete Tugend des Büffels ist dagegen -seine wirklich beispielslose Genügsamkeit, indem er hartes Schilf -und andere Sumpfpflanzen, welche jedes andere Geschöpf verschmäht, -mit demselben Behagen frißt, als ob er die leckerste Speise genösse. -Unangenehm kann er durch seine Neigung werden, sich im Schlamm der -Pfützen zu wälzen und sich dabei mit einer ihm vor der Peinigung durch -die Stechfliegen schützenden Schlammschicht zu bedecken. - -Der Büffel ist ein schweigsames Geschöpf. Wenn er behaglich im -kühlenden Wasserbade ruht, läßt er nie seine Stimme hören. Auch während -er weidet oder arbeitet geht er still und ruhig seines Weges. Nur in -Wut versetzte Stiere und Kühe, welche säugende Kälber haben, geben -Laute von sich, die ein Mittelding zwischen dem Brüllen des Rindes und -dem Grunzen des Schweines sind. In den nördlicheren Gegenden paart -sich der Büffel, sich selbst überlassen, im April und Mai; 10 Monate -nach der Paarung wird das Junge geboren, das von der Mutter zärtlich -geliebt und mit Eifer beschützt wird. Im 4. oder 5. Jahr ist der -Büffel erwachsen und erreicht dann ein Gewicht von über 700 _kg_. Sein -Alter bringt er auf 18-20 Jahre. Außer zum Ziehen von Lastwagen und -zur Feldarbeit dient er vielfach auch, besonders bei den Malaien, zum -Reiten, in Birma auch zu Kampfspielen, da dort aus religiösen Gründen -die Hahnenkämpfe verboten sind. Jedenfalls gehört er zu den Haustieren, -die ihr Verbreitungsgebiet noch bedeutend auszudehnen vermögen. Vor -allem verdient er in den heißen, feuchten Niederungen Amerikas und -Afrikas eingeführt zu werden. So sollte Deutschland mit dem guten -Beispiel vorangehen und ihn in seinen afrikanischen Kolonien einführen, -wo er ganz gute Daseinsbedingungen fände. Schon Emin Pascha bemühte -sich als Gouverneur der Äquatorialprovinz, freilich vergeblich, Büffel -nach seiner Residenz Lado zu bekommen. Es wäre auch zu empfehlen, -Kreuzungen mit dem afrikanischen Wildbüffel vorzunehmen und Versuche -mit der Zähmung des letzteren zu machen, die sehr wohl auf Erfolg -rechnen dürften. - -Von weiteren Wildrindern, die einst zur Zähmung durch den Menschen -in Frage gekommen wären, sind noch der nordamerikanische Bison und -der europäische Wisent zu nennen. Diese sind aber heute bereits durch -menschliche Unvernunft bis auf unbedeutende, gehegte Reste ausgerottet. -Einst lebte der ~Bison~ (_Bison americanus_), der _buffalo_ der -Amerikaner, in ungeheurer Menge auf den Prärien Nordamerikas zwischen -dem Alleghany- und dem Felsengebirge. Die Gesamtheit einer Büffelherde -zerfiel in zahlreiche Trupps, die unter der Leitung eines eigenen -Stieres weideten und mit großer Regelmäßigkeit von den saftigen -Weideplätzen zu den Flüssen, an denen sie ihren Durst löschten -und badeten, hin und her wechselten, wobei sie ähnlich wie unsere -Hausrinder auf den Alpweiden geradlinige Pfade, die „Büffelpfade“, -austraten. Alljährlich unternahmen sie oft weite Wanderungen, indem -sie in kleineren Herden vom Juli an südwärts zogen, um den grimmigen -Schneestürmen des Nordens auszuweichen, mit Beginn des Frühjahrs -aber sich wieder nordwärts wandten. Ihr schlimmster Feind war der -Mensch. Solange sie es nur mit dem zwar berittenen, aber sonst für -sie nicht allzu gefährlichen Indianer zu tun hatten, der nur so viel -von ihnen erlegte, als er zu seinem und der Seinen Lebensunterhalte -bedurfte, nahm ihre Zahl nicht nennenswert ab. Erst als der Weiße -erschien, seine Eisenbahnen durch die Prärie fahren ließ und mit -seinem weitreichenden Präzisionsgewehr sinnlos Hunderttausende dieser -Wildrinder abschoß, um höchstens das zottige Fell zur Bereitung von -Leder oder die Zunge als Delikatesse zu verwenden, waren ihre Tage -gezählt. Reißend nahm ihre Zahl ab, und die amerikanische Regierung -ließ dies ruhig gewähren, mit der unbegreiflichen Begründung, sie -könnten den Betrieb der großen Pazifikbahn stören! Von den ungezählten -Millionen, die noch bei der Errichtung dieser Bahn lebten, gab es 1889 -nur noch etwas über 1000 amerikanische Büffel, welche inzwischen in -der Reservation des Yellowstone-Park bis auf wenige Hunderte, die die -starke Inzucht zudem bedeutend degenerieren ließ, zusammenschrumpften. -Auch diejenigen in den Reservationen von Wichita und Montana schmolzen -bis auf wenige Hunderte zusammen. Neuerdings hat sich indessen -wieder eine Vermehrung erzielen lassen, so daß rund 1000 in den -Vereinigten Staaten und 600 Stück in Kanada vom Menschen gehegt -leben. Sie vermehren sich nur langsam, doch ist das Aussterben dieser -interessanten Tierart noch nicht so bald zu erwarten. Immerhin sind -durch die Ausrottung des wilden Bisons die davon lebenden Indianer, -ihrer Nahrungsquelle beraubt, zu Kostgängern des Staates geworden, -statt sich wie früher selbst zu ernähren! - -Ein Glück ist es, daß viele zoologische Gärten Europas sich -amerikanische Büffel anschafften, so lange sie billig zu haben waren. -Sie pflanzen sich glücklicherweise auch in der Gefangenschaft leicht -fort, so daß noch auf längere Zeit Exemplare dieses gewaltigsten aller -Rinderarten als Schaustücke ersten Ranges in unseren Tiergärten zu -sehen sein werden. Bereits sind mehrfach Kreuzungen zwischen Bison und -Hausrind mit Erfolg vorgenommen worden, in Europa zu wissenschaftlichen -Zwecken, in Amerika dagegen anscheinend auch in der Absicht, ein -besonders wetterhartes und dabei milchergiebiges Weiderind zu erzielen. -Inwieweit diese Hoffnungen sich erfüllen werden, wird die Zukunft -lehren. - -Nicht so glücklich, in zahlreichen Tiergärten den auf den Aussterbeetat -gesetzten nordamerikanischen Bison zu beherbergen, sind wir mit dem -europäischen, dem ~Wisent~ (_Bison europaeus_), daran. Dieser ist -etwas kleiner wie jener und hat einen weniger gewaltigen Nackenbuckel, -ähnelt ihm aber sonst. Er besitzt nur 14, statt wie der amerikanische -Bison 15 Rippenpaare. Dazu sind seine Beine höher und schlanker und die -Hörner schöner als bei seinem amerikanischen Verwandten ausgebildet, -bei beiden Geschlechtern in ziemlich gleicher Entwicklung nach außen -oben und schließlich einwärts gekrümmt. Wenn er auch neuerdings immer -mehr durch Inzucht an Größe abgenommen hat, so stellt er ein recht -stattliches Tier dar, das bei 1,7 _m_ Schulterhöhe und 3 _m_ Länge bis -700 _kg_ schwer wird. Dagegen war ein im Jahre 1555 in Preußen erlegter -Wisentstier 7 Fuß hoch, 13 Fuß lang und dabei 19 Zentner 5 Pfund -schwer. Merklich kleiner und zierlicher gebaut, auch mit kleinerer -Mähne und schwächerem Gehörn als der Stier ist die Wisentkuh. - -[Illustration: Bild 13. Oberes Ende eines an der Durchlochungsstelle -abgebrochenen Zierstabes aus Renntierhorn aus dem Lagerplatz der -Renntier- und Mammutjäger der frühen Nacheiszeit von Laugerie basse -mit Köpfen eines männlichen und weiblichen Büffels (Wisent). ⅓ natürl. -Größe.] - -Im Sommer und Herbst lebt der Wisent in kleinen Trupps von 15-20 Stück -an feuchten Orten des Waldes, gewöhnlich im Dickicht versteckt, nur im -Winter zieht er höher gelegenes und trockenes Gehölz vor. Jede einzelne -Herde hat ihren festen Standort und kehrt immer wieder dahin zurück. -Nur alte Stiere leben, wie auch bei den übrigen Wildrindern, einsam für -sich. Am liebsten weiden die Tiere in den Morgen- und Abendstunden, -wobei sie verschiedene Gräser, Blätter, Knospen und Baumrinde -fressen. Sie schälen gern die Bäume ab, soweit sie reichen können. -Ihr Lieblingsbaum scheint die Esche zu sein, deren saftige Rinde sie -jeder anderen bevorzugen. Ihr Gang ist ein rascher Schritt, der Lauf -ein schwerer, aber schnell fördernder Galopp, wobei der Kopf zu Boden -gesenkt, der Schwanz emporgehoben und ausgestreckt wird. Durch Sumpf -und Wasser waten und schwimmen sie mit Leichtigkeit. Während jüngere -Tiere muntere, lebhafte und verhältnismäßig gutmütige Tiere sind, -erscheinen ältere Tiere, zumal Stiere, als ernste, leicht reizbare und -jähzornige Wesen, mit denen nicht gut Streit anzufangen ist. Die Brunst -fällt auf den August bis September. Während derselben kämpfen die -Stiere untereinander um den Besitz der Weibchen. Neun Monate nach der -Paarung, im Mai oder Anfang Juni, kalben die Kühe, nachdem sie sich von -der Herde abgesondert und in ungestörter Wildnis einen geeigneten Platz -aufgesucht haben, wo sie sich und ihr Kalb während der ersten Tage vor -den Genossen verbergen. Jetzt sind sie für jedes Wesen, das sich ihnen -nähert, gefährlich, indem sie zum Schutze des Jungen ohne Besinnen -jeden Gegner angehen. Die Kälber sind anmutige Tiere, die nur sehr -langsam wachsen, wahrscheinlich erst im 8. oder 9. Jahre ihre volle -Größe erlangt haben und 30-40 Jahre alt werden. - -Die ältesten Darstellungen des Wisent, die wir besitzen, rühren von -den dieses Wild mit besonderem Eifer jagenden Eiszeitjägern des -Solutréen und Magdalénien her. In großer Zahl finden sie sich nicht nur -in Umrissen, sondern teilweise auch in bunten, mit den drei Farben: -Rot, Braun und Schwarz gemalten Bildern in den nordspanischen und -südfranzösischen Höhlen abgebildet. In großer Menge muß dieses Wildrind -in der späteren Diluvialzeit neben dem Wildpferd in Europa gelebt haben -und war, nach der Menge der von ihm herrührenden Knochen, eines der -wichtigsten Beutetiere des Menschen. Auch die alten Germanen jagten es -noch häufig und bereiteten aus seinem Gehörn Trinkgefäße, wie dies bis -in unsere Tage im Kaukasus, wo sich dieses Wild in die Gegenwart in -einigen Herden erhielt, geschieht. So dienten bei einem Gastmahl, daß -ein kaukasischer Fürst dem russischen General Rosen zu Ehren gab, 50-70 -mit Silber ausgelegte Wisenthörner als Trinkbecher. - -[Illustration: Bild 14. Von Jägern der frühen Nacheiszeit in rotbrauner -Farbe gemalter Büffel (Wisent) aus der Höhle von Font-de-Gaume in -Südfrankreich. (1/12 natürl. Größe.)] - -Die Schriftsteller des Altertums erwähnen mehrfach den Bison. So -schreibt der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte, wie bereits -erwähnt: „Germanien ist durch das Vorhandensein von zwei Arten wilder -Rinder merkwürdig, nämlich durch den mit einer Mähne geschmückten -Bison (Wisent) und den Ur, der sich durch Kraft und Schnelligkeit -auszeichnet.“ Und der griechische Schriftsteller Oppianos spricht um -200 n. Chr. vom Wisent als einem entsetzlichen, in Thrakien lebenden, -einem Ochsen ähnlichen Tiere, das eine Mähne wie der Löwe, und -spitzige, krumme Hörner habe, mit denen es Menschen und wilde Tiere -hoch emporschleudere. Seine Zunge sei sehr rauh, wie eine Feile, -so daß sie die Haut durch Lecken aufreißen könne. Ferner sagt der -Grieche Pausanias ums Jahr 150 n. Chr., sie seien von allen Tieren -am schwersten zu fangen, denn kein Netz sei stark genug, sie zu -halten. „Die Jagd auf sie wird demnach auf folgende Weise angestellt: -Die Jäger bedecken eine Höhe, vor der sich ein Graben hinzieht, mit -frischabgezogenen oder alten, geölten und dadurch schlüpfrig gemachten -Häuten. Auf beiden Seiten davon wird ein starker Zaun errichtet. Dann -treiben sie zu Pferd die Bisons an diesen Ort, woselbst sie auf den -Häuten ausgleiten, sich überschlagen und in den Graben rollen. Dort -werden sie binnen vier oder fünf Tagen vor Hunger matt. Will man sie -dann etwa zahm machen, so bringt man ihnen Fichtenzapfen, weil sie -anfangs kein anderes Futter nehmen. Endlich können sie gebunden und -fortgeführt werden. -- Der päonische König Dropion hat einen ehernen -Bisonkopf nach Delphi geschickt.“ - -[Illustration: Bild 15. Jagdbild der frühen Nacheiszeit, worauf ein -Mann auf allen Vieren kriechend einen ruhig äsenden Büffelbullen -anschleicht und im Begriffe steht, einen Wurfspeer gegen ihn zu -schleudern. Der die Waffe werfende Arm ist sehr ungeschickt angebracht, -wie auch die menschliche Gestalt recht steif wiedergegeben ist, ein -Beweis dafür, daß der Zeichner viel größere Übung in der Darstellung -von Tieren als von Menschen besaß. Aus dem abri von Laugerie basse in -der Dordogne, Südwestfrankreich. (4/9 natürl. Größe.)] - -Im Nibelungenlied wird neben dem Ur der Wisent als Jagdbeute des Helden -Siegfried genannt, als er im Wasgenwalde, den Vogesen westlich von -Worms, jagte. Zu Karls des Großen Zeit fand er sich noch häufig im -Harze und im Sachsenlande. Nach den Benediktionen des Mönches Ekkehard -I. muß er im 10. Jahrhundert noch ziemlich häufig auf den Tisch des -Klosters St. Gallen gekommen sein. Noch verschiedene Ortsnamen in der -Schweiz zeugen von seiner einstigen Anwesenheit in diesem Lande, so -z. B. das Dorf Wiesendangen bei Winterthur, das in den ältesten -Berichten der Chroniken als Wisonteswangun, d. h. Wisentanger -angeführt wird. Gleicherweise haben wir in Süddeutschland Ortsnamen -wie Wiesensteig (in mittelalterlichen Urkunden als Wisontessteiga) und -Urach d. h. am Flüßchen des Ur. Ums Jahr 1373 lebte er noch ziemlich -häufig in Pommern, im 15. Jahrhundert in Preußen, im 16. in Litauen -und Polen, wo sich die Könige und Großen seine Erhaltung angelegen -sein ließen, indem sie ihn, dort Zubr genannt, in besondern Wildparks -hielten und nur selten einige Stücke einfingen, um sie als Geschenke an -fremde Höfe zu benutzen. Eine allgemeine Seuche vernichtete am Anfang -des 18. Jahrhunderts den größten Teil dieser Herden. In Ostpreußen -wurde das letzte Exemplar zwischen Tilsit und Labiau im Jahre 1755 -von einem Wilddieb erlegt. Die letzte Herde von einigen hundert Stück -lebt, vom russischen Kaiser sorgfältig gehegt, in dem 200 _qkm_ großen -unberührten Forste von Bjelowjesha im russisch-litauischen Bezirke -Grodno. Von dort wurden von den früheren Kaisern, zuletzt von Alexander -II., einige Paare an zoologische Gärten, meist nach Deutschland, -abgegeben, wo sie sich leicht fortpflanzen. So besitzt der Berliner -zoologische Garten einige Stück, und auch dem Fürsten Pleß gelang es, -in seinem oberschlesischen Reviere Meserzitz einen kleinen Bestand -heranzuhegen, so daß sogar auf den deutschen Geweihausstellungen noch -ausgestopfte Wisentköpfe und Schädel erscheinen. Außerdem schweifen -nach _Dr._ Heck im Kaukasus noch einige vereinzelte Wisenttrupps -umher; doch wandern sie so unstet, daß man sie in den letzten Jahren -nicht mehr sah. Das Schicksal dieses Tieres ist auch im Forste von -Bjelowjesha besiegelt; denn der Petersburger Säugetierforscher Büchner -ist auf Grund eingehender Studien zum fatalen Ergebnisse gekommen, -daß diese Tierart langsam, aber sicher, ihrem Erlöschen entgegengeht, -nachdem ihr Vorkommen einmal so zerstreut und vereinzelt geworden -ist, daß die Entartung infolge der Inzucht (Kleinheit der Tiere, -Unfruchtbarkeit des weiblichen Geschlechts und Schwächlichkeit der -Jungen) sich notwendigerweise immer stärker geltend machen muß. -Dann wird Europa sein stolzestes Wild verloren haben, ohne daß ihm -die Möglichkeit geboten war, der Domestikation durch den Menschen -unterworfen worden zu sein. - -Vom Menschen dagegen gezähmt und zu einem außerordentlich nützlichen -Haustiere erhoben wurde der ~Yak~ oder ~Grunzochse~ (_Bos grunniens_), -der seiner kalten Heimat gemäß durch eine lange Behaarung, besonders -am Bauche, die ihm beim Ruhen gleichsam als wärmendes Bett dient, -ausgezeichnet ist. Von allen Rindern unterscheidet er sich auch -dadurch, daß er einen vollständig gleichmäßig langbehaarten Schweif -wie ein Pferd hat. Er bewohnt die Hochländer Tibets zwischen 4000 und -6000 _m_ und vermag dank seines langen, dichten, schwarzen Haarkleides -die rasenden Schneestürme seiner unwirtlichen Heimat zu überstehen. -In alten Männchen wird er 4,25 _m_ lang bei einer Höhe von 1,9 _m_ -und einem Gewicht von 600 _kg_, während alte Kühe kaum über 2,8 _m_ -Länge bei 1,6 _m_ Höhe erreichen. Die Kühe bilden im Sommer, wenn sie -in die grasigen Niederungen steigen, Herden von 10 bis 100 Stück, die -von Männchen angeführt werden. Deren Mitglieder fressen zur Nachtzeit -und am frühen Morgen, ziehen sich aber am Tage meist auf eine steile, -öde Berglehne zurück, wo sie wiederkäuend viele Stunden ruhen. Alte -Stiere, die meist einzeln oder nur in kleinen Gesellschaften von 3 bis -4 Stück angetroffen werden, lieben Ruheplätze mit weiter Umschau, um -sich beizeiten vor Feinden zurückziehen zu können. Nur alle zwei Jahre -bekommt die Kuh, neun Monate nach der Paarung, ein Kalb, das sie über -ein Jahr lang säugt. Erst im 6. oder 8. Jahre ist es erwachsen und -erreicht ein Alter von 25 Jahren. - -Mit außerordentlicher Sicherheit bewegt sich der Yak auf dem -schwierigsten Terrain, strauchelt, obschon schwer gebaut, nie und -arbeitet sich mit großer Gewandtheit durch tiefe Schneemassen hindurch, -wobei er den Kopf gleichsam als Schneepflug benützt. Seine Intelligenz -ist nur schwach entwickelt. Verwundet nimmt er ungescheut den Jäger -an und wird ihm mit seinen 80-90 _cm_ langen Hörnern sehr gefährlich. -Deshalb fürchten ihn die Tibeter gleich einem Ungeheuer, gehen ihm -gern aus dem Wege und feuern, wenn sie sich wirklich zur Jagd auf -ihn entschließen, nur aus sicherem Verstecke und gemeinschaftlich, -ihrer 8-12. Sein Fleisch wird vom Engländer Kinloch als saftig und -ausgezeichnet gerühmt; Zunge und Markknochen desselben bezeichnet er -geradezu als Leckerbissen. Aber mehr noch als das Wildbret schätzt -man in seiner baumlosen Heimat den Mist des Yaks, der getrocknet den -einzigen in jenen kahlen Höhen zur Verfügung stehenden Brennstoff -darstellt. - -Die früheste Erwähnung des Yaks treffen wir bei dem zu Beginn des -3. Jahrhunderts n. Chr. in Rom lebenden Claudius Älianus an, der in -seinem Werk über die Tiere sagt, daß die Inder ihren Königen nebst -andern Tieren auch wilde Rinder darbringen, welche schwarz sind, -aber weiße Schwänze haben, die zu Fliegenwedeln dienen. Tatsächlich -bilden die Yakschwänze die von altersher vielberühmten Kriegszeichen -der „Roßschweife“, die die Türken bis vor Wien trugen, und heute -noch eine kostbare Trophäe sind, mit der sich besonders türkische -Würdenträger zieren. Man stellt daraus außer Standarten besonders auch -Pferdeschmuck her. Der römische Dichter Martial berichtet, daß die -vornehmen römischen Damen unter Kaiser Domitian, dem zweiten Sohne -Vespasians, der nach seines Bruders Titus’ Tode von 81 bis 96 n. Chr. -regierte, daraus hergestellte äußerst kostbare Fliegenwedel benutzten. -Damals wußte man noch, daß diese Haare vom Schwanze einer asiatischen -Rinderart stammen, eine Kunde, die sich später völlig verlor. - -Wann der Yak gezähmt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Es muß -dies aber schon vor längerer Zeit geschehen sein, da wie bei so vielen -andern Haustieren sich bei ihm infolge Einwirkung der Domestikation -bereits ein weitgehender Leucismus entwickelt hat, so daß rein -schwarze zahme Yaks sehr selten geworden sind. Gewöhnlich zeigen auch -diejenigen, welche den wilden am meisten ähneln, weiße Stellen. Meist -sind sie ganz weiß, vielfach auch hornlos; außerdem trifft man braune, -rote und gescheckte an. Der gezähmte Yak ist durchgehends kleiner als -der wilde. Man hat schon durch Kreuzung mit andern Rinderarten mehrere -Rassen von Bastarden gezüchtet. Hier und da sind die zahmen Yaks wieder -verwildert und haben dann ihre schwarze Urfärbung wieder angenommen. -Auch die zahmen Herden gedeihen nur in kalten, hochgelegenen -Gebirgsteilen und gehen bei großer Wärme zugrunde, ertragen dagegen -Kälte mit Gleichmut. - -In Tibet und der Mongolei weiden die Yakherden fast ohne jede -Aufsicht; den ganzen Tag tummeln sie sich auf den Weideplätzen umher -und werden nur über Nacht zu den Zelten ihrer Besitzer getrieben. -Selbst gezähmt behält der Yak stets einen gewissen Grad von Wildheit, -der sich vornehmlich durch Angriffslust gegen Fremde äußert. Gegen -seine Bekannten benimmt er sich ziemlich freundschaftlich, läßt sich -berühren, reinigen und vermittelst eines durch seine Nase gezogenen -Ringes an einem Stricke leiten. Er dient hauptsächlich als Lasttier, -daneben aber auch vielfach als Reittier. Über die unwegsamsten Pässe -der Hochgebirge trägt er Lasten von 120-150 _kg_ und vermittelt den -Verkehr zwischen Tibet und China, der Mongolei und Nordindien. Nur auf -sehr klippenreichen Pfaden ist er als Lasttier nicht zu gebrauchen, da -dann seine schwere Last ihn hindert, über höhere Felsen zu springen. -Im Westen reicht das Verbreitungsgebiet des gezähmten Yaks bis zur -Bucharei, im Nordosten bis in die Mongolei und zu den nordöstlichen -Nebenflüssen des Yang-tse-kiang. Auch in Südostsibirien werden -vereinzelte Yaks gehalten. Als Gebirgstier fühlt es sich in Höhen unter -2000 _m_ nur wenig behaglich; sonst gedeiht es auch ohne jegliche -Pflege und ist äußerst genügsam. Die außerordentlich fette Milch gilt -als sehr wohlschmeckend und ist überaus gesucht. Um den Milchertrag zu -vermehren, hat man ihn mit dem Hausrind von Zebuabstammung gekreuzt. -Solche Kreuzungsprodukte sollen am Südabhange des Himalaja zahlreich -vorkommen und fruchtbar sein; dagegen scheinen die aus denselben -wirtschaftlichen Gründen gezüchteten Bastarde mit dem Primigeniusrind -Sibiriens unfruchtbar zu sein. Außer Milch und Fleisch werden auch die -langen Haare verwertet, indem man sie zu groben Geweben verarbeitet. -Sehr geschätzt sind die Schwanzhaare wie bei den Türkvölkern, so auch -in China, wo sie zu mannigfachem Putz Verwendung finden. Der Yak ist -schon so lange domestiziert, daß es bei ihm außer gefleckten und -leucistischen sogar hornlose Rassen gibt. - -Erst spät ist dieses Haustier der innerasiatischen Hochländer in -Europa näher bekannt geworden. Die ersten Yaks, zwölf an der Zahl, -die nach Europa gelangten, erhielt im Frühjahr 1854 die _Ménagerie du -Musée d’histoire naturelle_ in Paris. Da sie sich gut akklimatisierten -und auch Nachkommen erzeugten, erhielten von Paris aus zahlreiche -Tiergärten dieses Schaustück, das sich in unserm Klima besser hielt, -als man hoffen durfte. Gleichwohl war die einst gehegte Hoffnung -aussichtlos, den Yak als wertvolles und leistungsfähiges Haustier in -unsern Gebirgsgegenden einzubürgern; denn hier liegen die Verhältnisse -anders als in seinem Stammlande. Unsere Alpen und höheren Gebirge -werden durch Rinder und Ziegen hinreichend ausgenutzt und der Verkehr -mit Saumtieren ist mit der Entwicklung besserer Verkehrsmittel -wesentlich eingeschränkt, so daß die Einführung des Yaks vom -Standpunkte des Nutzens aus ganz zwecklos ist. Anders verhält es sich, -wenn wir ihn als Luxustier in den von Fremden stark besuchten Gegenden -einführen wollten, zumal ja die Tierwelt des Gebirges zum Bedauern -jedes Freundes der Natur mehr und mehr verarmt. Da wären diese wie -Gemsen kletternden Tiere eine prächtige Staffage und könnten noch -als Last- und Reittiere Verwendung finden. Gar mancher Fremde fände -es wohl ganz nett, einmal einen Yak statt eines prosaischen Maultiers -zu besteigen, um sich in verkehrsarmen Gegenden in die hehre Bergwelt -hinauftransportieren zu lassen. Wer weiß, vielleicht ist die Zeit nicht -mehr fern, da ein unternehmender Hotelier auf den Gedanken verfällt -und damit ein neues Zugmittel für das nach allem Neuen begierigen -Publikum beschafft, das sich in der Folge weitgehender Beliebtheit -erfreuen dürfte. Schon im Jahre 1850 versuchte man ihn in der Auvergne -anzusiedeln; doch hielt er sich hier nicht auf die Dauer, weil der -betreffende Privatunternehmer bald das Interesse an dieser Zucht verlor. - - - - -III. Die Ziege. - - -Nachdem das Rind zum Haustier des Menschen erhoben worden war, kam -als weiteres Nutztier die ~Ziege~ hinzu, bei deren Domestikation sich -jedenfalls auch religiöse Motive geltend machten. Eduard Hahn macht -in seinem Buch über die Haustiere und ihre Beziehungen zur Wirtschaft -des Menschen die Bemerkung, durch die ganze Ethnologie gehe die -Anschauung, den Göttern sei das angenehmste Opfer dasjenige, das am -schwersten zu gewinnen sei und am schmerzlichsten entbehrt werde. Bei -den Assyriern und allen vorderasiatischen Völkern galt allgemein das -eben der Mutter entrissene junge Tier als das wertvollste Opfer. Das -Zicklein und die junge Antilope auf dem Arm des opfernden Königs kehren -bei jenen in der Darstellung immer wieder, so daß obige Anschauungen -als tief im Volksglauben eingewurzelt gelten können. Dieser grausame -Zug machte vor dem Menschen selbst nicht halt, insofern man in -schwierigen Lagen nicht zögerte, seine eigenen Kinder zu opfern. Man -denke nur an das Molochopfer der Phönikier, die Opferung Isaaks durch -Abraham, die allerdings durch göttliche Vermittlung abgewehrt und -durch das Opfer eines Ziegenbockes abgelöst wurde. Daß solche Opfer -insbesondere von erstgeborenen Söhnen als der Gottheit besonders -wohlgefällige Darbringungen galten, beweisen verschiedene Tatsachen aus -der morgenländischen Geschichte, von denen nur diejenige des um 850 -v. Chr. lebenden Königs Mesa von Moab genannt sei, der uns in seinem -einst in seiner Residenz Daibon aufgerichteten Altarstein, der 1868 -vom Franzosen Ganneau aufgefunden wurde und jetzt sich im Louvre in -Paris befindet, das älteste bis jetzt bekannt gewordene Schriftdenkmal -semitischer Buchstabenschrift hinterlassen hat. Er berichtet darin, daß -er den Israeliten die Stadt Nebo weggenommen habe und alle Bewohner, -insgesamt 7000 Personen, tötete. Als er später von den Israeliten in -seiner Hauptstadt belagert wurde und in arge Bedrängnis kam, opferte -er, um seinen drohenden Untergang abzuwenden, auf der Stadtmauer im -Angesicht der Feinde seinen ältesten Sohn. - -Ebenso verbreitet als das Kindesopfer war die später von milder -denkenden Generationen aufgebrachte Vorstellung, daß es die Gottheit -ebenso sehr freue, wenn man das ihr gefällige Opfer, statt es zu -schlachten, ihr weihe durch Freilassen in ihrem heiligen Tempelbezirke. -So erzählt Älian, die Koptiten in Ägypten hätten die weiblichen -Wildziegen, die sie gefangen, der Göttin geweiht, d. h. sie in deren -heiligem Bezirke ausgesetzt, die Männchen dagegen geschlachtet. War -einmal ein solch kleiner Bestand besonders weiblicher Tiere vorhanden, -von denen wohl eine größere Zahl trächtig war, so waren sie, wie auch -die von ihnen in der Gefangenschaft geborenen Jungen, als der Gottheit -geweihte Tiere deren Eigentum, das der Mensch unter allen Umständen -respektierte. So gewöhnten sie sich an den Menschen, der ihnen je und -je Futter darbot und dafür sorgte, daß sie sich in der für sie kaum -merkbaren Gefangenschaft ruhig vermehrten. Je nach Bedarf holte er sich -dann ein Zicklein als Opfer für die betreffende Gottheit, der die Herde -gehörte. Auch die Milch der Mutter wurde zu sakralen Zwecken verwendet -und sank erst auf einer späteren, praktischer denkenden Stufe zum -Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens herab. Ebenso wurde außer dem -Fleisch, das nach und nach auch zu profanen Zwecken verwendet wurde, -das lange Haar dieses Tieres zur Herstellung allerlei grober Gewebe, -besonders der Zeltdecken des Nomaden, wie auch von Kleidern verwendet, -da es viel wetterbeständiger ist und weniger Wasser aufsaugt als die -Schafwolle. - -Die Stammutter der ältest domestizierten Ziegen ist die im Hügel- und -Bergland von Südwestasien heimische ~Bezoarziege~ (_Capra aegagrus_), -an der H. Pohlig beobachten konnte, welch hohe Empfänglichkeit sie für -den Anschluß an den Menschen besitzt. In Djulfa sah er eine Wildziege -mit ihren beiden Jungen sich in einem Gehöft einnisten und sich so an -diese neue Umgebung gewöhnen, daß sie von ihren Ausflügen pünktlich zur -Fütterungszeit zurückkehrten. Das Verbreitungsgebiet dieser Wildziege -erstreckt sich von Afghanistan und Beludschistan über die Gebirge -Persiens, Syriens und Kleinasiens bis nach Griechenland, wo sie einst -so gemein war, daß sie den Ägäischen Inseln (vom griechischen _aix_, -Stamm _aig_, die Ziege) den Namen gab. Bevor sie der Mensch dort -ausrottete, müssen sie auf den Küstenbergen des griechischen Meeres -sehr gemein gewesen sein, wie etwa auf der Kyklopeninsel, von der es in -Homers Odyssee heißt: - - „Der Ziegen unendliche Menge durchstreift sie, - Wilden Geschlechts, weil nimmer ein Pfad der Menschen sie scheuchet.“ - -Daß sie damals vom Menschen eifrig gejagt wurden, ist begreiflich. So -wird in der Ilias geschildert, wie der Schütze ihr auf dem Anstand -auflauert, bis das Tier aus dem Felsenversteck hervortritt. Alsbald -trifft es der Pfeil von unten in die Brust, so daß es sich überschlägt -und die Felsen hinunterfällt. Sein Fleisch wird als willkommene Beute -gegessen und das mächtige Gehörn zu einem starken Bogen verarbeitet. - -Die Bezoarziege ist merklich größer als unsere von ihm abstammende -Hausziege, die ihr übrigens besonders in der der Wildform noch sehr -nahestehenden kräftig gebauten gemsfarbigen Varietät noch sehr ähnlich -sieht. In beiden Geschlechtern besitzt die zahme wie die wilde Form -einen starken Bart und ein unregelmäßig geknotetes, vorn scharf -gekantetes, hinten gerundetes, sichelförmig nach hinten gekrümmtes, -gegen die Spitze zu etwas zusammenstrebendes Gehörn, das beim Bock -viel stärker als beim Weibchen entwickelt ist. Bei ihm erreicht es -nämlich eine Länge von über 130 _cm_ bei einem Umfang von nur 17-18 -_cm_; bei der auch sonst kleineren Geis sind sie nicht nur viel -kleiner, sondern auch nur schwach nach rückwärts gekrümmt. Sie stehen -bei ihr am Grunde auch weiter auseinander als beim Bock. Im Winter ist -der Pelz der Bezoarziege, der in kalten Klimaten weiches Unterhaar -erhält, bräunlichgrau, im Sommer dagegen gelblich- oder rötlichbraun. -Die Unterseite des Rumpfes und die Innenseite der Schenkel ist -weißlich oder weiß. Alte Böcke sind blasser und am Hinterhals, auf -den Schultern, an der Kehle und auf der Vorderseite der Beine mit -Ausnahme der Kniee braun und weisen einen schwarzen Rückenstreifen auf, -der bis zum Schwanz verläuft und ziemlich scharf abgegrenzt ist. Es -sind dies alles Merkmale, die sich, wie auch die aufrecht gestellten -Ohren, bei der ebenfalls ausgezeichnet kletternden gezähmten Bergziege -in derselben Weise wiederfinden. Die Länge des ausgewachsenen Bockes -beträgt bei der Bezoarziege etwa 1,5 _m_ bei einer Schulterhöhe von 95 -_cm_. - -[Illustration: - - Tafel 17. - - (_Phot. von E. Reinhardt._) - -Toskanisches Hausrind vor einen Holzpflug mit Metallspitze gespannt.] - -[Illustration: Kirgisisches Rindergespann vor einem primitiven Pflug.] - -[Illustration: - - Tafel 18. - -Altägyptisches Relief des Alten Reiches aus Sakkarah (6. Dynastie, -2625-2475 v. Chr.) mit Darstellung einer Vogeljagd links und einer -Ziegenherde mit ihrem Hirten rechts.] - -[Illustration: - - Tafel 19. - -Von dem Assyrerkönig Tiglatpilesar III. auf einem syrischen Feldzug -erbeutete Herden (8. Jahrhundert v. Chr.) - -Oben links: Gefesselte Gefangene. Oben rechts: Eroberte Schafe und -Ziegen. Unten: Anblick einer befestigten Stadt mit Dattelpalme und -Sturmbock, im Hintergrund ein assyrischer Schreiber, der die erbeuteten -Schafe und Ziegen aufschreibt. Im Vordergrund Ochsenkarren mit -gefangenen Frauen und Kindern.] - -[Illustration: - - Tafel 20. - - (_Copyright by M. Koch, Berlin._) - -Schraubenziege oder Markhor.] - -[Illustration: - - (_Copyright by M. Koch, Berlin._) - -Angoraziegen.] - -Die Bezoarziege bewohnt mit Vorliebe wüste, felsige Berge, wo -sich ihre verschieden großen Herden gern an die Klippen und -Schluchten halten. Sie ist sehr lebendig, klettert und springt mit -bewundernswerter Sicherheit von einem Felsenkamm zum andern und scheint -steile Felsenabhänge kaum zu beachten. Rasch und sicher läuft sie auf -schwierigen Graten dahin und faßt sichern Stand auf dem kleinsten -Felsvorsprunge, der sich ihr darbietet. Während der Paarungszeit, im -November, kämpfen die Böcke hartnäckig und gewaltig um die Weibchen, -die dann nach der Belegung im April oder Mai die Jungen zur Welt -bringen, und zwar die jüngeren Ziegen eins oder zwei, die älteren stets -zwei, nicht allzuselten auch drei. Diese folgen der Mutter sofort -nach der Geburt, vom dritten Tage ihres Lebens an selbst auf den -schwierigsten Pfaden, wachsen rasch heran und sind jederzeit zu Scherz -und Spiel bereit. - -Den Wildziegen wird von seiten des Menschen eifrig nachgestellt, da -ihr Fleisch einen ausgezeichnet schmackhaften Braten liefert, der an -Rehbraten erinnert und ebenso zart und mürbe wie letzterer ist. Es wird -entweder frisch genossen oder, in lange, schmale Streifen geschnitten, -an der Luft getrocknet, um es später verwenden zu können. Das im Winter -erbeutete langhaarige Fell wird von den Orientalen mit Vorliebe als -Gebetteppich benutzt und, weil man seinen scharfen Geruch angenehm -findet, hoch geschätzt. Das kurzhaarige Sommerfell wird zu Schläuchen -verwendet, die im Morgenland allgemein als Behälter für Wein oder -Wasser an Stelle unserer dort unbekannten Holzfässer dienen, und das -Gehörn zu Pulverhörnern, Säbelgriffen usw. verarbeitet. - -Ihren Namen hat übrigens die Bezoarziege von dem früher auch bei -uns berühmten, heute noch überall in Westasien bis Persien als eine -Gegengabe gegen Gift geschätzten und als eine Arznei für viele -Krankheiten betrachteten, gelegentlich in ihren Eingeweiden gefundenen -Steine, dem Bezoarstein. Dieser stellt einen Gallenstein dar und -war den alten Schriftstellern unter dem Namen Pasen bekannt, welche -Bezeichnung offenbar aus Pasang hervorging, einer der männlichen -Bezoarziege in Persien beigelegten Bezeichnung. - -Der älteste und wichtigste Bildungsherd der zahmen Ziege aus -der Bezoarziege ist jedenfalls Westasien, das ja von sehr alten -Kulturvölkern bewohnt war, die am ehesten imstande waren, die -Domestikation vorzunehmen. Überall treffen wir sie bei diesen seit -der jüngeren Steinzeit als Haustier an. In Mesopotamien wurde sie -zur assyrischen Zeit vielfach abgebildet. Daß sie damals schon sehr -lange im Haustierstande verweilt haben muß, geht daraus hervor, daß -sie bereits hängeohrig war. Im alten Ägypten erscheint sie ebenfalls -häufig in bildlicher Darstellung. Wir sehen sie die zum Holzfällen -ausziehenden Arbeiter begleiten und die Blätter der gefällten Sykomoren -und anderer Bäume abfressen. Sie wird stets mit einem Bart und der Bock -mit einem stattlichen Gehörn abgebildet. Etwa einmal wird ein Zicklein -geschlachtet, an den Hinterbeinen am Geäst eines Baumes aufgehängt und -mit dem Messer zerlegt, um einen willkommenen Braten zu liefern. Die -Ziegenzucht muß im alten Ägypten einen großen Umfang besessen haben und -trat weit vor die Schafzucht, was wir sehr wohl begreifen, wenn wir -bedenken, daß die Bewohner des heißen Ägypten vom Beginn des dritten -vorchristlichen Jahrtausends an nicht mehr Wollkleider, sondern die -viel leichteren und angenehmeren weißen Linnenkleider trugen. Aus dem -mittleren Reiche besitzen wir ein Dokument, worin einem Gutsherrn von -seinem Oberschreiber 5023 Stück Vieh als Besitzstand angemeldet werden, -worunter sich nur 924 Schafe, dagegen 2234 Ziegen und der Rest Rinder -befinden. - -Sagenhafte Überlieferungen, die weit vor die homerische Zeit -zurückreichen, sprechen von einem Ziegenvolke, das von Kleinasien -hervordrang und überall, wo es erschien, Angst und Schrecken -verbreitete. Schälen wir den Grundgedanken der Sage aus der -mythologischen Umhüllung heraus, so wird das wohl heißen, daß -Griechenland die Hausziege in grauer Vorzeit von Westasien her -erhielt. Hier wie überall sonst in den Mittelmeerländern hat sie als -Begleiterscheinung einer primitiven Kultur willige Aufnahme und weite -Verbreitung gefunden und in der Folge durch ihre Genäschigkeit und -ausgesprochene Vorliebe für die Knospen und jungen Triebe von holzigen -Gewächsen in Verbindung mit der Sorglosigkeit des sie haltenden -Menschen als Verderberin des aufsproßenden jungen Waldes eine leider -sehr verhängnisvolle Rolle gespielt. - -In einer durch schlechte Haltung verkümmerten, kleinen Form treffen -wir die Hausziege auch bei den neolithischen Pfahlbauern Mitteleuropas -eingebürgert. Schon L. Rütimeyer wies darauf hin, daß in den Überresten -der ältesten Pfahlbauten Ziegenreste viel häufiger als Reste des -Schafes vorkommen, während dann mit dem Kulturaufschwung in der -Bronzezeit das Verhältnis ein umgekehrtes wurde, d. h. die Ziegenzucht -gegenüber der Schafzucht bedeutend zurücktrat, gleichzeitig aber auch -die damals gehaltenen Ziegenrassen durch bessere Lebenshaltung größer -und stattlicher erscheinen. Dieses Verhältnis in der Zucht beider -Haustiere änderte sich hier auch in der Folge nicht. Wenn es auch noch -zur Zeit Kaiser Karls des Großen viel Ziegen bei den Franken gab, so -waren sie doch ziemlich weniger zahlreich als die Schafe. Dies drückt -sich auch in dem uns erhaltenen Gesetzbuch der salischen Franken aus, -laut dem das Schaf an Zahl die Ziege bedeutend überwog. - -[Illustration: Bild 16. Ein zum Durchbohren der Felle gebrauchter -Pfriemen der neolithischen Pfahlbauern der Schweiz, der aus dem -Laufbein einer als Haustier gehaltenen Ziege verfertigt wurde. Auch -Dolche wurden aus solchen Knochen hergestellt. (4/9 natürl. Größe.)] - -Bei den alten Griechen und Römern war die Ziege als Nutztier fast so -beliebt als das Rind. Sie wurde besonders von der ärmeren Bevölkerung -als Milch- und Fleischlieferant gehalten, wie sie ja heute noch die -„Kuh des armen Mannes“ ist und als solche immer mehr zu Ehren gezogen -zu werden verdient. Besonders in der älteren griechischen Zeit war die -Ziegenzucht stark verbreitet. Zahlreiche uralte Namen, Abbildungen -auf Münzen und die häufige Erwähnung in Sagen und in den homerischen -Gesängen beweisen, daß ihr in älterer Zeit eine weit größere Bedeutung -zukam, als später in der klassischen Zeit, da sich die Schafzucht wegen -der Gewinnung der Wolle mehr in den Vordergrund drängte. Gleichwohl -wurde sie auch dann noch häufig besonders von den Ärmeren gehalten und -deren Milch nebst den Zicklein auf den Markt gebracht. Überall wurde -die Ziegenmilch auch von der städtischen Bevölkerung gern genossen und -aus dem Überschuß Käse bereitet. Der aus Spanien nach Rom gekommene -römische Ackerbauschriftsteller Columella schreibt um die Mitte des -ersten christlichen Jahrhunderts über das Halten von Ziegen: „Den -Ziegenbock (_caper_) und die Ziege (_capella_) hält man für vorzüglich -gut, wenn an ihrem Halse zwei sogenannte Glöckchen hängen und wenn der -Kopf klein ist. Man sieht es auch gern, wenn das Haar glänzend und lang -ist, so daß man es scheren und Mäntel für Soldaten und Matrosen daraus -anfertigen kann. Es ist besser, wenn das Ziegenvieh keine Hörner hat, -weil es mit ihnen nur Schaden anrichtet. Es bekommt oft Zwillinge, -auch Drillinge. Zur Zucht wählt man vorzugsweise das stärkste Zicklein -von Zwillingen, behandelt es im übrigen wie die Schaflämmer. Die -Mutterziegen schafft man im achten Jahre ab. -- Der Ziegenhirt muß -ein rüstiger, ausdauernder Mann sein, der mit Behendigkeit über -Felsen klettert, durch Wildnis und Dorngebüsch hindurchgeht, denn das -Ziegenvieh ist rasch und kühn. Kann man die Ziegenmilch nicht frisch -zur Stadt schaffen, so verwandelt man sie in Käse. Für den Handel -macht man diesen von ganz frischer Milch, die man durch Lab (aus -zerkleinerten Mägen) von Schaf- oder Ziegenlämmern zum Gerinnen bringt. -Man setzt sie in die Nähe des Feuers, so daß sie warm, aber nicht -heiß wird, gießt sie, sobald die Käseteile festgeworden sind und sich -ausgeschieden haben, in dicht geflochtene Körbe und läßt die Molken -ablaufen, was man noch durch aufgelegte Gewichte befördert. Dann nimmt -man die Käse aus den Körben, bestreut sie mit pulverisiertem Salz und -preßt sie nochmals. Dies geschieht 9 Tage hindurch, dann wäscht man sie -mit reinem Wasser, legt sie an einen schattigen Platz so auf Horden, -daß einer den andern nicht berührt, und bewahrt sie später, wenn sie -mäßig trocken sind, an einem vor Luftzug gesicherten Orte auf.“ - -Columellas Zeitgenosse Plinius sagt in seiner Naturgeschichte, daß die -Ziege in seltenen Fällen sogar 4 Zicklein bekomme und im Negerland 11, -anderwärts aber meist nur 8 Jahre alt werde. „Kranke Augen kurieren -sich die Ziegen selbst, indem sie eine Binsenspitze hineinstechen -und sich so zur Ader lassen; die Böcke dagegen stechen sich einen -Brombeerstachel hinein. -- Mutianus erzählt ein merkwürdiges, von ihm -selbst erlebtes Beispiel von der Klugheit dieser Tiere. Es begegneten -sich nämlich zwei auf einer sehr schmalen Brücke, und da sie weder -umeinander herum, noch zurück konnten, indem der Pfad zu eng und unter -ihm ein brausender Waldbach war, der sie zu verschlingen drohte, so -legte sich die eine nieder und die andere schritt über sie hinweg. --- Nicht alle Ziegen haben Hörner; allein wenn sie da sind, kann man -das Alter an der Zahl der Knoten erkennen. Die ungehörnten geben mehr -Milch. Man sagt, die Ziegen sehen nachts so gut wie am Tage, und Leute, -die am Abend schlecht sehen, müssen sich daher durch den Genuß von -Ziegenleber heilen. In Cilicien und um die Syrten werden die Ziegen -geschoren. Wenn die Sonne sich gesenkt hat, sollen sie sich auf der -Weide so lagern, daß sie einander nicht ansehen, zu andern Tageszeiten -aber so, daß sie sich ansehen, und zwar familienweise. Alle haben am -Kinn einen Bart, und wenn man eine am Barte faßt und fortzieht, so -sieht die ganze Herde staunend zu. Ihr Biß ist den Bäumen verderblich. -Den Olivenbaum machen sie schon durch bloßes Lecken unfruchtbar und -werden deshalb der Minerva nicht geopfert.“ - -In seinem Buche über die Landwirtschaft schreibt der gelehrte Marcus -Terentius Varro (116-27 v. Chr.), selbst Besitzer schöner Landgüter: -„In den Gesetzen über die Kolonien steht geschrieben: Niemand soll -Ziegen (_capra_) da weiden lassen, wo junge Bäume oder Sträucher -stehen. An Saaten aller Art, namentlich aber an jungen Weinstöcken und -Ölbäumen, können Ziegen gefährlichen Schaden anrichten. Um nun die -Beeinträchtigung des Rebbaues durch sie zu sühnen, werden dem Gotte -Bacchus, der den Weinbau erfunden, Ziegenböcke geopfert; der Minerva -aber opfert man kein Ziegenvieh, weil es ihr wegen des Schadens, den -es den Ölbäumen verursacht, verhaßt ist. Nur einmal im Jahre wird -auf der Burg in Athen der Minerva eine Ziege geopfert, außerdem darf -sich dort keine sehen lassen.“ Weiterhin bemerkt er, daß die Ziegen -wie die Schafe in Herden von 50 bis 100 Stück gehütet werden, „doch -haben sie die Eigenschaft, daß sie lieber in Wäldern und auf Bergen -weiden als auf Wiesen; denn sie knuspern gern an Holzgewächsen. In -einem großen Teile Phrygiens werden die Ziegen geschoren, weil sie -lange Haare haben, und man verfertigt dort aus ihnen die sogenannten -cilicischen Kleider. In Cilicien soll man zuerst die Ziegen geschoren -haben.“ Schon Aristoteles im 4. Jahrhundert v. Chr. sagt in seiner -Tiergeschichte, in Lycien schere man die Ziegen gerade wie anderwärts -die Schafe, und Älian schreibt ca. 200 n. Chr.: „Tut man Ziegen zu -einer Schafherde, so gehen sie voran und führen dieselbe. Orthagoras -sagt in seinen Indischen Erzählungen, im Dorfe Koytha würden die Ziegen -mit getrockneten Fischen gefüttert.“ Jedenfalls lassen sich diese -Tiere unschwer an Fleischnahrung gewöhnen. So werden sie wie auch die -Kühe auf Island vielfach mit getrockneten Fischen gefüttert. Daß die -Ziegenhaare als Gespinstmaterial lange nicht so geschätzt waren als -die Schafwolle, beweist die übrigens auch in den Episteln des Horaz -vorkommende Redensart: über Ziegenhaare zanken im Sinne von: über Dinge -zanken, die dessen nicht wert sind. - -[Illustration: Bild 17. Von einem Hirten mit zwei Hunden getriebene -Ziegenherde von einem altgriechischen (böotischen) Henkelbecher des -Theozotos. (Im Louvre.)] - -Das lange Verweilen im Haustierstande hatte schon damals zu -verschiedenen Rassen geführt und auch hornlose Arten hervorgehen -lassen. So tritt zur Römerzeit neben der altangesessenen kleinen -Hausziege noch eine zweite Form auf, die in den Kolonien der -Nordschweiz mehrfach Reste hinterließ und offenbar ziemlich -verbreitet war. Es ist dies eine zweifellos aus dem Mittelmeergebiet -stammende, durch bessere Lebenshaltung größere Ziege von gleichfalls -Bezoarziegenabstammung, mit bedeutend stärkeren Hörnern. Auch zeigen -die Hornzapfen im Verlauf und in der Oberflächenbeschaffenheit -deutliche Unterschiede, die sich auch späterhin genau verfolgen lassen. -Sie begegnet uns außer auf altgriechischen Münzen in bildlichen -Darstellungen, z. B. einer großen Silberpfanne aus Vindonissa -von zweifellos römischer Arbeit in Gestalt einer großhörnigen, -langbehaarten Ziege, die dann besonders zahlreich in Begleitung -römischer Kultur in das Gebiet nördlich der Alpen eindrang. Hier hat -sie sich wie der Molosserhund und das kurzköpfige Rind, die sich -zum Bernhardinerhund und zum Eringerrind umgestalteten, als ein -Relikt aus der Römerzeit ziemlich rein in den entlegenen Tälern des -Oberwallis in der ~schwarzhalsigen Walliserziege~ erhalten, die ein -ausgesprochenes Gebirgstier ist. Der kräftig gebaute Körper trägt in -beiden Geschlechtern im Vorderkörper eine tiefschwarze, im Hinterkörper -eine schneeweiße Behaarung, wobei die beiden Farben hinter der Schulter -in senkrechter, scharfer Begrenzung zusammenstoßen. Die Klauen der -Vorderfüße sind schwarz, diejenigen der Hinterfüße dagegen weiß. Der -Rücken ist vollkommen gerade, der Hals und der Kopf kurz, die Stirne -breit. Neuerdings wird diese Rasse vom Oberwallis aus stark nach -Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich verbreitet. - -Durch Zucht bedeutend weniger verändert und der Wildform noch recht -nahe stehend ist die ~gemsfarbige Ziege~ von mittlerer Größe, dabei -von kräftigem Bau. Ihr ganzer Körper ist mit kurzen, gemsfarbenen -Haaren bedeckt, die auf dem Rücken und an den Schenkeln mitunter länger -werden. Außer dem schwarzen Rückenstreifen sind Gesicht, Vorderbrust -und Schultern ebenfalls dunkler gefärbt als der übrige Körper. Sie ist -vorzugsweise eine äußerst geschickt kletternde Bergziege, die in den -Zentralalpen sehr verbreitet ist, aber auch in anderen Gebirgsgegenden -Europas, so in den Pyrenäen, in Süditalien, Griechenland, Bosnien und -den Balkanländern, gehalten wird. - -Während diese beiden Ziegenrassen der Wildform ähnliche Hörner tragen, -ist die ~hornlose Ziege~ als Kulturrasse offenbar aus der vorigen -hervorgegangen, und zwar schon im frühesten Altertum, da sie bereits -von den alten Griechen und Römern gehalten wurde und als besonders -milchergiebig galt. Diese zielbewußte Wegzüchtung des Gehörns ist hier -wie beim Rind sehr wohl begreiflich; denn dem Menschen mußten die -Hörner als Werkzeuge zu Zerstörung und Angriff bald unbequem sein, -und außerdem wollte er den Organismus des von ihm vor allen Gefahren -beschützten Haustiers vor aller Ausgabe von unnützem Bildungsstoff -bewahren. Der mittelgroße Körper dieser hornlosen Ziege weist -regelmäßige Formen auf mit verhältnismäßig langem Kopf, breiter Stirn -und aufrechten oder etwas hängenden Ohren. An ihrem Halse kommen häufig -glöckchenartige Anhängsel vor, die, wie wir hörten, bereits Columella -erwähnt. Die Behaarung ist fein, am Rücken und Schenkel verlängert; -die Färbung wechselt von Hellbraun bis zu Weiß. Stirn und Nasenrücken -sind meist hellbraun, auch kommt ein dunkler Rückenstreifen vor. Diese -Rasse ist in den schweizerischen Bergländern stark verbreitet. Am -geschätztesten ist die ~Toggenburger Ziege~ von brauner Färbung, die -aber als Rückschlagserscheinung bisweilen ein feines Gehörn besitzt. -Dieser Schlag gilt als sehr milchergiebig und wird aus dem St. Galler -Oberland stark nach Baden, Bayern, Sachsen und Holland exportiert. Die -ebenfalls hornlose ~Saanenziege~ ist rein weiß oder gelblichweiß mit -gleichfarbenem Flotzmaul und kommt in kurz- und langhaarigen Abarten -vor. Sie stammt vom Oberlauf des Flüßchens Saane im Obersimmental -(Berner Oberland) und hat sich über die ganze Schweiz verbreitet, -da sie durchschnittlich 4 Liter Milch täglich gibt. Auch sie wird -viel nach dem Auslande zur Aufbesserung der heruntergekommenen -Stallziege oder zur Reinzucht exportiert. So wird sie in Reinzucht vom -Ziegenzuchtverein in Pfungstadt gezogen und an Liebhaber in Deutschland -verkauft. - -Alle diese europäischen Rassen werden hauptsächlich der Milchnutzung -wegen gehalten und verdienen in der Tat als Milchlieferanten der -ärmeren Bevölkerung die weiteste Verbreitung. Da, wo sie das ganze Jahr -im Stall bleiben und ohne sachgemäße Pflege behandelt werden, sind sie, -besonders im Tiefland, weitgehend degeneriert. In den Mittelgebirgen -dagegen, z. B. im Harz, wo sie wenigstens im Sommer auf die Weide -getrieben werden, haben sich mit dem freieren, naturgemäßeren Leben -schon bessere Schläge erhalten. Da aber, wo sie, wie in der Schweiz, -den größten Teil des Jahres im Freien zubringen und im Gebirge, ihrem -Lebenselement, herumklettern können und man ihrer Zucht von jeher -größere Aufmerksamkeit schenkte, da treffen wir die weitaus edelsten, -milchergiebigsten Rassen, die zur Reinzucht oder zur Auffrischung der -verkommenen Schläge des Tieflandes die weiteste Verbreitung verdienen. -Das hat man auch überall in Deutschland erkannt und handelt danach. -Wenn es gelänge, durch Verbesserung des in Deutschland vorhandenen -Ziegenmaterials von etwa 3 Millionen Stück einen Mehrertrag von auch -nur einem halben Liter Milch pro Exemplar und Tag zu erzielen, so -würde damit das Nationalvermögen in Deutschland nach Ulrich um nicht -weniger als 30 Millionen Mark jährlich erhöht. Deshalb sollten nicht -nur Private, sondern vor allem auch die Kommunen und der Staat zur -Veredlung dieses so nützlichen Haustieres das ihrige beitragen. - -Mit vollem Recht schreibt der Direktor des Berliner Zoologischen -Gartens, _Dr._ Heck, im Tierreich: „In unserem Vaterland und den -anderen europäischen Ländern ist die Ziege zwar überall zahlreich -vorhanden, aber was sachgemäße Züchtung und Behandlung anlangt, -neben dem Geflügel entschieden das am meisten vernachlässigte -Haustier. In unserer zünftigen Landwirtschaft sieht man sie nicht -so recht für voll an; die ‚Kuh des armen Mannes‘ nennt man sie halb -scherzweise, halb verächtlich. Ich möchte aber diesen Spottnamen -vielmehr als einen Ehrennamen in Anspruch nehmen: Kann es denn etwas -Wichtigeres geben als ein milchergiebiges und billig zu haltendes -Haustier für den kleinen Mann, den kleinen Bauer, den Handwerker -und Tagelöhner auf dem Dorfe, den Fabrikarbeiter in der Vorstadt?! -Gerade heutzutage, wo durch den Zustrom nach den Städten immer größere -Massen des Volkes ins Proletariertum hinabsinken, das kein Heim -mehr hat und nichts mehr sein Eigen nennt! Wie wohl täte die fette -Ziegenmilch dem hohläugigen Armenkinde der Großstadt, das seinen -Hunger notdürftig mit minderwertiger Abfallsnahrung stillen muß! Das -ist freilich nicht zu verwundern, daß unter der ‚Pflege‘ der Armut -bei kargem Futter, in schlecht verwahrtem Stall aus der Hausziege die -fast sprichwörtliche ‚magere Zicke‘ wurde, deren Haltung kaum mehr -lohnt; um so verdienstlicher ist es aber, wenn seit einigen Jahren -landwirtschaftliche (Gräfin v. Mirbach-Sorquitten) und industrielle -Kreise (meine Landsleute Dettweiler und Ulrich) die Bedeutung der Ziege -für das Volkswohl erkannt und ihre Verbesserung energisch in die Hand -genommen haben.“ - -Verhältnismäßig selten wird in Deutschland die Ziegenmilch zu Butter -und Käse verarbeitet. Letzterer wird in Altenburg und anderswo, -besonders auch in der Schweiz, in bis tellergroßen Scheiben von -Fingerdicke auf den Markt gebracht und mit Kümmel und Salz gewürzt -gegessen. Die bei der Gerinnung des Käsestoffs ablaufende zucker- -und nährsalzreiche grünlichgelbe Flüssigkeit, die Molke, wird noch -vielfach als Heilmittel für Brustkranke verwendet. Erwachsen kommt -die Ziege als Schlachttier wenig in Betracht, obschon die Haut ein -vorzügliches Leder für Damenschuhe und feinere Sattlerarbeiten -liefert und die Därme für Saiten von Musikinstrumenten sehr gesucht -sind. Schon Karl der Große befahl den Verwaltern seiner Güter, nicht -bloß Herden von Milchziegen, sondern auch von Böcken zu halten, -deren Hörner und Felle ihm abgeliefert werden sollten. Damals wurde -auch das Fleisch der Böcke gern gegessen, teils frisch, teils aber -geräuchert. Besonders aber dienten und dienen heute noch die Zicklein, -soweit man sie nicht aufziehen will, als leckerer Braten. Außer dem -trefflichen Fleisch liefern sie das beste Material für die Herstellung -von Glacéhandschuhen, für die allein aus der Schweiz nach Frankreich, -wo in Grenoble -- dem alten Gratianopolis -- in der Dauphinée das -Hauptzentrum für diesen Fabrikationszweig besteht, jährlich etwa 300000 -Stück ausgeführt werden. Die Ziegenhaare werden nur noch ausnahmsweise -verarbeitet, dagegen dienen Ziegenfelle den Hirten auf Korsika und -Sardinien als Bekleidung. - -Überhaupt ist die Hausziege am stärksten im gebirgigen Südeuropa von -Spanien bis Griechenland und Zypern vertreten und ist ihre Zucht -hier in manchen Gegenden wichtiger als die Schafzucht. Auch in den -Gebirgstälern der östlichen Karpathen, in Siebenbürgen, in den -österreichischen, schweizerischen und französischen Alpen ist die Ziege -ein gemeines Haustier. Nach Fankhauser beträgt in der Schweiz die Zahl -der Stallziegen etwa 180000, der Herdgeißen, die täglich ausgetrieben -werden, 164000 Stück und der während des Sommers in den Alpen -gesömmerten Ziegen ungefähr 65000 Stück. In Süd- und Mitteldeutschland -hat die Ziegenzucht in neuerer Zeit eine Zunahme erfahren, während sie -in Nordeuropa in Abnahme begriffen ist. Ganz unbedeutend ist sie in -England, etwas mehr in Schottland, reich dagegen in Irland vertreten. -In Frankreich läßt sich ein Rückgang ihrer Zucht feststellen, mit -Ausnahme der südlichen Departemente. In ganz Europa werden reichlich 20 -Millionen Ziegen gehalten. - -Wie in Europa finden sich die Ziegen von Bezoarabstammung auch in -Nordafrika und Westasien. Im tropischen Afrika sind sie zu einer -Kümmerform degeneriert, die wir als ~Zwergziege~ vom äußersten Osten -bis zur Westküste in verschiedenen Schlägen antreffen. Einzelne -derselben, wie besonders diejenigen Westafrikas, erinnern in ihrer -Färbung ganz an unsere gemsfarbige Ziege. Ihre dem heißen Klima -entsprechende kurze Behaarung ist rotbraun mit schwarzem Rückenstreifen -und dunkler Schulterbinde; andere neigen stark zu Leucismus, wie die -blendend weiße ~Somaliziege~, die aber als Erbstück der Stammform -sehr häufig einen schwarzen Rückenstreifen sowie eine über die Stirn -und zwei über die Augen verlaufende dunkle Binden beibehalten hat. -Alle diese Zwergziegen sind kurzbeinig und gehörnt, doch bleibt -das Gehörn stets kurz. Ebenfalls ein kurzes, nach hinten und außen -in einem Halbbogen verlaufendes Gehörn mit meist scharfer vorderer -Kante hat die gleichfalls von der Bezoarziege stammende ~Mamberziege~ -Westasiens, deren Ausgangspunkt vermutlich Syrien ist, von wo aus -deren Zucht sich über den Orient verbreitete. Sie unterscheidet sich -von allen anderen Ziegenrassen durch die ungeheuer langen Hängeohren, -die die Kopflänge um das Doppelte übertreffen. Der gestreckte Kopf -ist in der Stirngegend sanft gewölbt, der Hals ziemlich lang, der -Leib von stattlicher Größe und hochgestellt. Die Behaarung erscheint -am Kopf kurz, am übrigen Körper sehr lang, zottig und seidenartig -glänzend. Die Färbung ist einförmig weiß, auch gelbbraun oder schwarz. -Das Verbreitungsgebiet dieser Ziegenrasse, die offenbar schon sehr -alt sein muß, da sie bereits Aristoteles bekannt war, erstreckt sich -vom Mittelmeer bis nach Persien und Mittelasien hinein. Hier grenzt -an sie eine andere, meist kleinere Ziegenrasse, die sich durch lange -Behaarung und schraubenartiges Gehörn auszeichnet und sich damit als -Abkömmling einer in den Bergen Afghanistans und Kaschmirs lebenden -Wildziege, der ~Schraubenziege~ oder des ~Markhor~ (_Capra falconeri_) -erweist. Es ist dies ein Gebirgstier von der Größe eines Steinbocks mit -gerade verlaufendem, korkzieherartig gedrehtem, zweikantigem Gehörn, -das eine Länge von 1,5 _m_ erreicht und bei gewissen Varietäten nach -hinten und außen gebogen ist. Das fahlbraune Haarkleid ist auf dem -Rücken und am Vorderkörper stark verlängert. Ungleich den Steinböcken, -die sich an die schwer zugänglichen Felsenlabyrinthe des Gebirges -halten, liebt der Markhor Wälder mit felsigem Boden, in denen er sich -so viel wie möglich versteckt; nur gelegentlich kommt er auf offenes -Gelände hinaus. Wie andere Ziegen, gleich denen er in Herden lebt, -hält er sich mit Vorliebe an steilen Felsklippen auf. In Afghanistan, -wo Wälder meistens fehlen, wird er in steinigen Schluchten und an -steilen Berglehnen gefunden, von wo ihn nur starker Schneefall den -Tälern zutreibt. Er klettert vortrefflich und sein Weibchen bringt -im Mai-Juni 1 oder 2 Junge zur Welt. Wiederholt hat sich der Markhor -erfolgreich mit Hausziegen gepaart. Sein Verbreitungsgebiet erstreckte -sich früher wahrscheinlich weiter nach Westen und reichte vielleicht -bis zu den Bergen im Osten von Persien. Am frühesten tritt uns ein -Abkömmling dieser innerasiatischen Wildziege in einem in Nordbabylonien -ausgegrabenen Bronzekopf aus dem Anfang des zweiten vorchristlichen -Jahrtausends entgegen. Auch aus späterer Zeit sind Darstellungen oft -langhaariger Ziegen mit langem, schraubenartig gewundenem, geradem -Gehörn und Bart auf uns gekommen, so auf Bildern aus der ersten Hälfte -des letzten vorchristlichen Jahrtausends, auf denen assyrische Krieger -sie als Beute vor sich hertreiben. Durch ihre Schlappohren und die -geringe Größe erweisen sie sich als weitgehend durch Domestikation -veränderte Haustiere. - -Diese Hausziege von Markhorabstammung drang dann mit der Zeit nach -Syrien und Ägypten vor, erhielt sich aber hier nicht rein, sondern -wurde weitgehend mit der Mamberziege gekreuzt. Diese Kreuzungsprodukte, -die sich teilweise durch Mopskopf und außerordentlich lange Ohren -auszeichnen, so daß letztere gelegentlich gestutzt werden müssen, damit -sie die Tiere nicht am Weiden hindern, sind heute von Ägypten über ganz -Vorder- und Mittelasien verbreitet. - -In reiner Form hat sich die Hausziege von Markhorabstammung nur in der -~Kaschmirziege~ erhalten, die die eigentliche Hausziege Innerasiens -ist. Auch sie ist gegenüber ihrem freilebenden Stammvater bedeutend -kleiner geworden. Sie ist ein gefällig gebautes Tier von beinahe 1,5 -_m_ Gesamtlänge und 60 _cm_ Schulterhöhe mit einer ihrer kalten Heimat -Tibet entsprechenden dichten Behaarung. Ein langes, feines Grannenhaar -überdeckt die kurze, flaumartig weiche Wolle. Die Färbung wechselt, ist -oft einfach weiß, gelb, braun oder schwarz; häufig sind die Kopfseiten, -der Hals und Kehlbart schwarz, die übrigen Teile des Körpers aber -silberweiß. Der gestreckte Leib ist dick; der kurze Kopf trägt nicht -sehr lange hängende Ohren und in beiden Geschlechtern Hörner, die beim -Männchen sehr lang und wie bei der Stammform schraubenförmig gedreht -sind, von der Wurzel an auseinanderweichen und in schiefer Richtung -auf- und rückwärts, beim Weibchen dagegen fast gerade verlaufen. Ihr -Stammland ist das Hochland von Tibet von Ladak bis Lhassa. Von da an -reicht ihr Verbreitungsgebiet über Buchara bis zum Lande der Kirgisen -einerseits und bis in die Mongolei andererseits. Neuerdings wurde -sie auch in das Gebiet der Südabhänge des Himalaja nach Bengalen -eingeführt. In Kaschmir selbst lebt sie nicht, sondern dort wird -nur ihre aus Tibet stammende Wolle zu den feinen Kaschmirschals -verarbeitet, die einst Weltruf besaßen und früher als ein äußerst -gesuchter Handelsartikel in Menge exportiert wurden. Unter der -Herrschaft des Großmoguls sollen 40000 Schalwebereien in Kaschmir -bestanden haben. Doch sank dieser wichtige Erwerbszweig im Laufe des -vergangenen Jahrhunderts so sehr herab, daß viele tausend Menschen, -denen die Weberei ihren Lebensunterhalt verschaffte, aus Mangel an -Arbeit aus dem Lande auswanderten. - -Höchst schädigend auf diese Industrie wirkte die Tatsache, daß -Frankreich vor etwa hundert Jahren die Fabrikation dieser feinen -Wollwaren bei sich einführte. Der französische Arzt Bernier, der im -Jahre 1664 im Geleite des Großmoguls Kaschmir bereiste, erfuhr als -erster Europäer, daß zwei Ziegenarten, eine wild lebende und eine -gezähmte, solche Wolle liefern. Ein einzelnes Tier liefert 0,3-0,4 _kg_ -brauchbaren Wollflaums. Am gesuchtesten ist das reine Weiß, das in der -Tat den Glanz und die Schönheit der Seide besitzt. - -Als Ternaux zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Schalweberei in -Frankreich einführte, kam er auf den Gedanken, statt der teuren -Kaschmirwolle die Kaschmirziegen selbst zu beschaffen. Zur Erreichung -dieses Zweckes bot sich ihm ein gewisser Jaubert an, der sich 1818 nach -Odessa einschiffte. Hier erfuhr er, daß die Nomadenstämme zwischen -Astrachan und Orenburg Kaschmirziegen hielten; er reiste zu ihnen, -überzeugte sich durch genaue Untersuchung des Flaums von der Echtheit -der Tiere und kaufte 1300 Stück an. Diese Herde brachte er nach Kaffa -in der Krim, schiffte sich mit ihr ein und landete im April 1819 in -Marseille. Aber nur 400 Stück der Herde hatten die lange, beschwerliche -Seereise ausgehalten, und diese waren so angegriffen, daß man wenig -Hoffnung hatte, Nachzucht von ihnen zu erhalten. Namentlich die Böcke -hatten sehr stark gelitten und gingen in der Folge auch tatsächlich -ein. Glücklicherweise sandten darauf fast zu gleicher Zeit die -französischen Naturforscher Diard und Duvaucel einen kräftigen Bock -der Kaschmirziege, den sie in Indien zum Geschenk erhalten hatten, an -den Tiergarten zu Paris. Er wurde der Stammvater all der zahlreichen -Kaschmirziegen, welche gegenwärtig in Frankreich leben und diesem Lande -jährlich 16 Millionen Mark einbringen. Von Frankreich aus kam dann die -Kaschmirziege auch nach Österreich und Württemberg; doch erhielt sich -leider hier die Nachzucht nicht. - -Eine hochgezüchtete Form der langhaarigen Mamberziege, die, wie wir -sahen, weitgehend Blut der Kaschmirziege in sich aufnahm, ist die -~Angoraziege~, ein schönes, großes Tier von gedrungenem Körperbau, -mit starken Beinen, kurzem Hals und Kopf, mit Hängeohren, aber nicht -korkzieherartig gewundenem Gehörn, wie sie es als teilweiser Abkömmling -der Kaschmirziege tragen könnte. Beide Geschlechter tragen Hörner. Die -des Bockes sind scharf gekantet und hinten stumpf zugespitzt, stehen -gewöhnlich wagrecht vom Kopfe ab und bilden eine weite, doppelte -Schraubenwindung, deren Spitze sich nach aufwärts richtet. Das Weibchen -trägt kleinere, schwächere, einfach gebogene, runde Hörner. Nur das -Gesicht, die Ohren und der unterste Teil der Beine sind mit kurzen, -glatt anliegenden Haaren bedeckt; der übrige Körper trägt eine überaus -reichliche, dichte, feine, weiche, seidenartig glänzende, lockig -gekräuselte Behaarung von meist gleichmäßiger weißer Farbe. Selten -zeigen sich auf dem weißen Grunde dunkle Flecken. Im Sommer fällt das -Vlies in großen Flocken aus, wächst aber sehr rasch nach. Französische -Züchter fanden, daß ein Vlies zwischen 1,25 und 2,5 _kg_ wiegt. - -Ihren Namen trägt diese Ziegenrasse nach der kleinen Stadt Angora im -türkischen Paschalik Anadoli in Kleinasien, der schon im Altertum -hochberühmten Stadt Ankyra. Ihre Heimatsgegend ist trocken und heiß -im Sommer, jedoch sehr kalt im Winter, obwohl dieser nur 3-4 Monate -dauert. Erst wenn es keine Nahrung mehr auf den Bergen gibt, bringt -man die Ziegen in schlechte Ställe; das ganze übrige Jahr müssen sie -auf der Weide verweilen. Sie sind höchst empfindlich, obwohl die -schlechte Behandlung nicht dazu beiträgt, sie zu verweichlichen. Reine, -trockene Luft ist zu ihrem Gedeihen eine unumgänglich notwendige -Bedingung. Während der heißen Jahreszeit wäscht und kämmt man das Vlies -allmonatlich mehrere Male, um seine Schönheit zu erhalten. Die Zahl -der in Anatolien gehaltenen Angoraziegen wird auf eine halbe Million -geschätzt. Auf einen Bock kommen etwa 100 Ziegen und darüber. Angora -allein liefert fast 1 Million _kg_ Wolle, die einem Wert von 3,8 -Millionen Mark entsprechen. Ein Teil davon wird im Lande selbst zur -Herstellung starker Stoffe für die Männer und feinerer für die Frauen, -sowie auch zu Strümpfen und Handschuhen verarbeitet, alles übrige geht -nach England. Man hat beobachtet, daß die Feinheit des Mohairs, wie man -diese Art Wolle bezeichnet, mit dem Alter seiner Erzeuger abnimmt. - -Die erste Notiz, die auf Angoraziegen deutet, findet sich bei dem -Venezianer Barbaro, der 1471 diese Ziegen bei Sert östlich von -Diarbekr in Kleinasien antraf. Dort benutzte man deren Haare zur -Verfertigung eines feinen Wolltuchs, des Camelots, dessen Name -andeutet, daß es ursprünglich aus Kamelwolle hergestellt wurde. Dann -hat Bellon um 1580 diese weiße Wollziege in der Nähe von Konia, -dem alten Iconium, gesehen und erzählt 1589 in seinem in Antwerpen -erschienenen lateinischen Werke, daß sie noch nicht geschoren, sondern -nach dem älteren Verfahren gerupft werde. 1598 sah sie der deutsche -Harant auf Zypern und sagt, daß es damals schon welche in Böhmen gab. -Es scheinen dies nach Ed. Hahn die 1575 nach Wien gekommenen „Schafe -von Anguri“ gewesen zu sein, deren Zucht dann in den Kriegswirren -des folgenden Jahrhunderts unterging. Im 18. Jahrhundert hat sie -dann ein Mitglied der fürstlichen Familie von Lichtenstein wieder -eingeführt. 1725 hatten die Holländer sie am Kap der Guten Hoffnung zu -akklimatisieren versucht; 1740 hatte man sie in Schweden, 1771 in der -Pfalz und 1788 in Holland, England, Venezien usw. Zu derselben Zeit -bemühte sich Buffon um ihre Einführung in Frankreich, und in Südrußland -waren sie damals nach Pallas sogar sehr häufig. Aber alle diese -Kulturen verschwanden später wieder spurlos, teils durch Entartung der -Zuchttiere, teils aber auch weil die technische Verwendbarkeit der -Haare nicht den hohen auf sie gestellten Erwartungen entsprach. - -Weniger edle Zuchten der Angoraziege als im trockenen Hochland findet -man an anderen Orten Kleinasiens bis in die Tartarei. Deren ebenfalls -feines, langes Haar wird regelmäßig geschoren und hauptsächlich nach -Konstantinopel ausgeführt und in europäischen Fabriken verwoben. Eine -Abart davon wird in Persien von den dort häufig gehaltenen großen, -schwarzen oder gefleckten Ziegen gewonnen, deren Wolle regelmäßig -geschoren und zu Teppichen verarbeitet wird. Die Bergvölker verwenden -zur Bereitung der von ihren Frauen gewebten Teppiche das Haar der -sogenannten ~Murgüsziege~. In ganz Innerasien wird, wie oben gesagt, -die Kaschmirziege gehalten, deren langes Haar dort einen wichtigen -Handelsartikel bildet. In Tibet und in der Mongolei dient das Tier -auch als Transportmittel, indem man die Herden, mit Salz oder einem -andern Handelsartikel beladen, langsam weitertreibt. Nach Norden hin -verschwindet es und bildet bei den russischen Bauern in Sibirien nur -eine untergeordnete Rolle, ist dagegen in den Kaukasusländern stark -verbreitet. Seit dem Ende der 1880er Jahre gelangen als „japanische -Ziegenfelle“ ziemlich große Felle der langhaarigen ~Mongolenziege~ über -China zu uns. - -Wie in Afrika ist die Ziege auch in Südasien ein wichtiges Haustier. In -manchen Gegenden Ostindiens, wie besonders an der Malabarküste und bei -den Malaien der Sundainseln, trifft man eine eigentümliche Ziegenrasse -mit schafartigem Kopf, die von allen übrigen Rassen abweicht. -Diese hat jedenfalls ziemlich viel Blut vom ~Tahr~ (_Hemitragus -jemlaicus_) in sich, einer stattlichen, im Äußeren der echten Ziege -sehr ähnlichen Halbziege, die im Himalaja in Höhen von 2000-2300 _m_ -lebt, aber in einer Abart auch auf den Blauen Bergen vorkommt. Dieses -die hochgelegenen Bergwälder seiner Heimat bewohnende Tier erreicht -eine Schulterhöhe von 0,9-1,0 _m_ und eine Körperlänge von 1,45 _m_. -Es hat einen langen Kopf mit schmalem, geradem Gesicht und schwach -quergerunzelte, stark zusammengedrückte 0,3-0,38 _m_ lange Hörner, die -sich von der Wurzel an auseinander und stark nach rückwärts krümmen, -an der Spitze jedoch einander etwas nähern. Es ist am Kopfe kürzer, am -Körper länger behaart und trägt als alter Bock eine zottige Halsmähne. -Die dunkelbraune Färbung geht im Gesicht und an der Vorderseite der -Gliedmaßen fast in Schwarz über, auch läuft ein dunkles Längsband über -den Rücken. Junge Tiere sind graubraun. Gleich den echten Ziegen bildet -auch der Tahr Herden, in denen sich die im Winter paarenden Tiere, -deren Weibchen im Juni oder Juli in der Regel je ein Junges werfen, -den größten Teil des Jahres über nach den Geschlechtern getrennt -halten. Da er sich leicht mit der Hausziege paart und, wie mehrfache -Versuche ergaben, unschwer zu zähmen ist, ist das Auftreten von -Bastarden, die zu neuer Rassenbildung führten, durchaus verständlich. -Ein solches Produkt ist die von Ostindien bis Celebes gehaltene -~Malaienziege~, ein hochbeiniges Tier mit entschieden schafartigem -Kopf, breiten, hängenden Ohren und einem mäßig langen, im Bogen sich -nach hinten wendenden, auffallend dicken Gehörn mit gerundeten Kanten. -Die Querwülste der Hornscheiden erscheinen regelmäßig, breit und -niedrig. Der wie derjenige des Tahr dunkelbraune, kurzbehaarte Kopf mit -schwarzer Stirnbinde und kastanienbraunen, schwarz eingefaßten Ohren -trägt lichtgelbbraune Augen, während der Leib schwarz oder schiefergrau -gefärbt und bald kurz, bald lang und zottig behaart ist. Derselben -Rasse gehört offenbar auch die ~kreuzhörnige Ziege~ von Tibet an, bei -welcher sich die Hornspitzen nach innen wenden. - -Amerika hat seine Ziegen durch die Europäer erhalten, und zwar waren -Spanier und Portugiesen, dann Engländer und Franzosen an deren Import -beteiligt. Erstere haben sie aus ihrer Heimat nach Südamerika, -letztere dagegen nach Nordamerika gebracht. Nach Garcilasso kamen -sie bereits 1544 nach Peru. Bedeutend früher waren sie in Mexiko -eingeführt, das heute besonders in den nördlichen Staaten Ziegen in -großer Zahl züchtet, um deren an der Luft getrocknetes Fleisch und -Felle in den Handel zu bringen. In den Vereinigten Staaten ist die -Ziegenzucht beschränkt, doch hat sich neuerdings in Kalifornien die -Angorazucht eingebürgert. Auf den Antillen wird neben der von den -Spaniern importierten gemeinen Hausziege auch die von den Negersklaven -aus Westafrika mitgebrachte Zwergziege, die dem Tropenklima gut -angepaßt ist, gehalten. Ebenso ist es in Brasilien, wo die Zwergziege, -wie ihre westafrikanische Stammutter, kurzgehörnt ist und glatt -anliegendes gelbrotes Haar besitzt mit einem über den Rücken -verlaufenden schwarzen Streifen. Peru hat auffallenderweise heute nur -wenig Ziegen, dagegen sind sie in den gebirgigen Teilen Chiles und -Argentiniens zahlreich und hat dort die Verwertung von deren Fleisch -und Fellen einen ziemlichen Umfang angenommen. - -Australien hat sein Ziegenmaterial erst zu Ende des 18. Jahrhunderts, -um 1788, zuerst aus Europa, dann aus Südasien erhalten; neuerdings -hat man dort auch Versuche mit der Einbürgerung der Kaschmir- und -Angoraziege gemacht, die im gebirgigen Südwesten von Erfolg begleitet -waren. Sehr gut eingelebt hat sich die Angoraziege in Neuseeland, deren -Bergweiden ihr vortrefflich zusagen. In den letzten Jahren hat sich der -Export ihrer Wolle aus jenem Lande bedeutend gehoben. - -Da sich die Ziege gegenüber dem Schaf durch größere Selbständigkeit -auszeichnet, ist es erklärlich, daß sie sich gern selbständig macht -und dann verwildert. Als geschickt kletterndes Gebirgstier weiß sie -sich dabei geschickt den Verfolgungen von seiten des Menschen zu -entziehen. So gab es schon im Altertum wie heute noch verschiedene -schwach oder gar nicht von Menschen bewohnte Inseln im Mittelmeer und -im Persischen Meerbusen, ebenso manche Gebirgsgegenden des Festlandes, -die von solchen verwilderten Ziegen bewohnt waren. So spricht Varro -von wilden Ziegen der Insel Samothrake, wie auch von den Gebirgen -von Fiscellum und Tetrica in Italien, die zweifellos nur verwilderte -Hausziegen und keine wildlebenden Bezoarziegen waren. Verschiedene der -ägäischen Inseln und der Italien umsäumenden Eilande bargen schon im -Altertum solche verwilderte Ziegen; von andern, die ihren Namen davon -erhielten, wie Capreae (das heutige Capri) und Capraria (das heutige -Capreja bei Sardinien), sind sie heute verschwunden. Auch die von -Garibaldi nach seiner Internierung 1867 zurückgelassenen Ziegen traf -Heinrich v. Maltzan schon nach kurzer Zeit verwildert. Die meisten -wilden Ziegen von allen Mittelmeerinseln hat die nicht beständig von -Menschen bewohnte kleine Insel Tavolara bei Sardinien, auf der nach -Cetti bei Jagden im 18. Jahrhundert bis 500 Stück erlegt wurden. Auch -in Irland und Wales verwilderten in manchen Gebirgsgegenden Ziegen, die -dann in wenigen Generationen viel größere Hörner als ihre zahmen Ahnen -erhielten. - -Von den afrikanischen Inseln sind eine ganze Reihe mit verwilderten -Ziegen besetzt. Die ältesten sind wohl diejenigen von Teneriffe, wo -sie die Flanken des Vulkanberges bewohnen und die dunkelbraune Farbe -des dortigen Gesteins angenommen haben. Von Fuerteventura, einer -andern der Kanaren, erwähnt sie J. v. Minutoli. Älteren Datums sind -auch die verwilderten Ziegen der Kapverden, die schon im Jahre 1576 -sehr zahlreich waren. Der Naturforscher der Challengerexpedition, -Moseley, traf sie auf St. Vincent; auch dort hatten sie die Farbe des -umgebenden Gesteins angenommen und waren rotbraun geworden. Bald nach -der Entdeckung setzten Portugiesen -- vielleicht 1509 Fernan Lopez -- -Ziegen auf St. Helena aus, wo sie sich sehr rasch vermehrten, so daß -ein Einsiedler im 16. Jahrhundert deren jährlich etwa 500 schoß, um -von ihrem Fleisch zu leben, während er die Felle an ankehrende Segler -verkaufte. Thomas Herbert erzählt 1627, daß sie durch die beständigen -Nachstellungen von seiten des Menschen ungemein scheu und vorsichtig -geworden waren und, wie ihre wilden Vorfahren, Wachen ausstellten. -Zweifellos haben sie neben den verwilderten Schweinen das meiste dazu -beigetragen, nachdem diese Insel des einst sie bedeckenden Waldes -vom Menschen beraubt war, durch beständiges Abnagen der Knospen und -jungen Triebe den jungen Nachwuchs zu zerstören, so daß kein Baumwuchs -mehr aufkam und das Eiland zu dem öden Felsen wurde, als der er uns -heute entgegentritt. Auch Tristan da Cunha, Inaccessible, Mauritius, -Réunion (schon 1691 bei der Anwesenheit Leguats), die kleine verlassene -Inselgruppe Amsterdam und St. Paul, wie auch Sokotra bergen in den -Gebirgen des Innern verwilderte Ziegen, die vollkommene Wildfärbung -mit Ausmerzung aller hellen Töne angenommen haben. Gleicherweise gibt -es in der Inselwelt der Südsee da und dort verwilderte Ziegen, so -u. a. am Mauna Loa auf Hawaii, noch von Vancouver herrührend. Besonders -bekannt sind die verwilderten Ziegen auf der Insel Juan Fernandez -durch Defoes Robinson geworden. Diese waren von Juan Fernandez selbst -bei der Entdeckung der Insel im Jahre 1563 ausgesetzt worden. Durch -diese Wildziegen bot die Insel in der Folge allen möglichen Piraten- -und Kaperschiffen eine bequeme Ruhe- und Verproviantierungsstation; -so haben sie auch dem Urrobinson Alexander Selkirk, dem Seefahrer -Dampier und andern Fleisch geliefert. Im 17. Jahrhundert sollen -französische Seeräuber dort sogar einen regelrechten Herdenbetrieb -eingerichtet haben. Um den Piraten diese angenehme Fleischversorgung -abzuschneiden, setzte die spanische Regierung 1675 Hunde auf der Insel -aus, die sich aber nicht bewährten; denn die Ziegen flüchteten sich -in die unzugänglichsten Teile der Insel, wohin ihnen die Hunde nicht -folgen konnten. Als dann die Hunde durch Nahrungsmangel umgekommen -waren, vermehrten sich die Ziegen wieder ungestört. Sie sollen -lange, weiche Haare besitzen. Auch auf der Schwesterinsel Masa fuera -gibt es verwilderte Ziegen. Auf den Galapagos sind sie, durch die -dort vorhandenen wilden Hunde beschränkt, nur gering an Zahl. Auf -den Falklandsinseln, wo es wilde Pferde und wilde Rinder gibt, die -aus einer von Argentinien ausgesandten verunglückten Kolonisation -hervorgingen, fehlen wilde Ziegen, da die Spanier bei der Besiedelung -der Insel offenbar keine solchen mitgebracht hatten. - -Da die Ziege durch ihre besondere Neigung zu Knospen und jungen Trieben -von Holzgewächsen überall dem Waldnachwuchse verhängnisvoll wird, sah -sich schon 1567 das Parlament von Grenoble gezwungen, in einem großen -Bezirk der Dauphinée das Halten der Ziegen ganz zu verbieten. Doch war -diese Maßregel undurchführbar, da die Leute dort eben einfach nicht -ohne die Ziege und deren Milch leben können. So ging die Waldzerstörung -ruhig weiter, bis die ganze Gegend zu jener kahlen, alles Kulturlandes -baren Felswildnis wurde, die zu verhängnisvollen Überschwemmungen und -Murbrüchen Veranlassung gab. Auch in Italien, Istrien, Griechenland, -Kreta, Zypern, Kleinasien und Syrien, die einst reichbewaldete -Gebiete waren, ist der Baumwuchs durch die Sorglosigkeit des Menschen -verschwunden. Und wenn auch da, wo infolgedessen der Humus nicht -weggeschwemmt wurde, neuer Wald wachsen könnte, kommt er überall dort -nicht auf, wo die Ziegen weiden und die jungen Baumpflanzen zugrunde -richten. - -Außer den drei genannten ist keine der andern, übrigens auf die -gebirgigen Gegenden der Alten Welt beschränkten Wildziegen gezähmt und -in den Dienst des Menschen gestellt worden. Einzig der ~Steinbock~ -(_Capra ibex_), der in unsern Alpen auszusterben droht, ist mit der -Hausziege gekreuzt worden, um sein Dahinschwinden aufzuhalten. Alle -Steinbockarten der europäischen wie der asiatischen Gebirge haben -als echte Hochgebirgstiere ihren Ausgang von Hochasien genommen, wo -der ~sibirische Steinbock~ (_Capra sibirica_) der Stammform wohl -am nächsten steht. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich über das -sämtliche Hochgebirge Zentralasiens von Sibirien bis zum Himalaja. Das -Steinwild bildet Rudel von verschiedener Stärke, zu denen sich die -alten Böcke nur während der Paarungszeit gesellen, während sie den -übrigen Teil des Jahres ein einsiedlerisches Leben führen. Die Ziegen -und Jungen leben zu allen Jahreszeiten in einem niedrigeren Gürtel -als die Böcke, bei denen der Trieb nach der Höhe so ausgeprägt ist, -daß sie nur Nahrungsmangel und grimmige Kälte zwingen kann, tiefer -herabzusteigen. Mit bewunderungswürdiger Leichtigkeit und geradezu -unverständlicher Sicherheit klettern sie über die steilen Felswände und -springen über tiefe Abgründe von einer Klippe zur andern. - -Früher, als es noch Steinböcke in unsern Alpen gab, paarten sie -sich nicht selten freiwillig mit den auf den Alpenweiden grasenden -Hausziegen. Die so erzielten Bastarde werden bald äußerst wilde, -zudringliche Tiere, die dem Menschen keine Ruhe lassen, bis er sich -ihrer auf irgend welche Weise entledigt. Aber selbst das Aussetzen -dieser starken Tiere hat seine großen Schwierigkeiten. Echte -Alpensteinböcke gibt es nur noch in einem vom Könige von Italien -gehegten savoyischen Revier zwischen Monte Rosa und Mont Blanc. Nach -den Kulturüberresten der Pfahlbauzeit lebte er damals noch in den -Voralpen. Zur Römerzeit konnten noch hundert und mehr auf einmal für -die Kampfspiele der Arena lebendig gefangen werden. So berichtet Julius -Capitolinus, daß Kaiser Gordian im Jahre 242 für die Jagdspiele 200 -Steinböcke (_ibex_) aus den Alpen nach Rom schaffte, und bei Flavius -Vopiscus lesen wir, daß Kaiser Probus (reg. 276-282) zu den Jagdspielen -zahlreiche Steinböcke nach Italiens Hauptstadt befördern ließ. Durch -die rücksichtslose Jagd seit Erfindung der weitreichenden Schießgewehre -ist dieses edle Wild heute fast überall ausgerottet worden. Seit -hundert Jahren ist es in der Schweiz erloschen; in Salzburg und Tirol -verschwand es noch ein Jahrhundert früher. - - - - -IV. Das Schaf. - - -Wohl bald nach der Ziege trat das ~Schaf~ in den Haustierstand des -Menschen ein, überflügelte dann aber im Laufe der Zeit jene an -wirtschaftlicher Bedeutung weit. Vielerorts ist es dem Gebirge, in dem -seine Ahnen einst heimisch waren, getreu geblieben und erscheint dort -meist in Gesellschaft der Ziege. Daneben hat es in der Gefolgschaft des -Menschen in ungeheuren Scharen die trockenen Steppengebiete vornehmlich -der Alten Welt bevölkert und ist hier zu einem eminenten Faktor im -Haushalte des Menschen geworden, von dem sein Dasein in vielen Fällen -geradezu abhängt. Daß der Erwerb dieses überaus genügsamen Haustieres -schon in recht früher Vorzeit stattgefunden haben muß, dafür sprechen -außer der weiten geographischen Verbreitung zu Beginn der historischen -Periode die Spaltung in zahlreiche, stark voneinander abweichende -Rassen und vor allem die völlige Umgestaltung des geistigen Charakters, -die durch Vererbung so sehr gefestigt ist, daß keinerlei Rückschlag -in die psychische Regsamkeit der wilden Ahnen möglich erscheint. So -sehr hat es infolge der vielhundertjährigen Bevormundung durch den -Menschen im Gegensatz zur Ziege alle eigene Initiative eingebüßt, daß -es sein willenloses Werkzeug geworden ist. Wir begreifen daher, wenn -Brehm seinen Charakter in folgender Weise schildert: „Das Hausschaf -ist ein ruhiges, geduldiges, sanftmütiges, einfältiges, knechtisches, -willenloses, furchtsames und feiges, kurzum ein langweiliges Geschöpf. -Besondere Eigenschaften vermag man ihm kaum zuzusprechen; einen -Charakter hat es nicht. Es begreift und lernt nichts, weiß sich -deshalb auch allein nicht zu helfen. Nähme es der eigennützige Mensch -nicht unter seinen ganz besonderen Schutz, es würde in kürzester Zeit -aufhören zu sein. Seine Furchtsamkeit ist lächerlich, seine Feigheit -erbärmlich. Jedes unbekannte Geräusch macht die ganze Herde stutzig, -Blitz und Donner, Sturm und Unwetter überhaupt bringen sie gänzlich -aus der Fassung und vereiteln nicht selten die größten Anstrengungen -des Menschen.“ - -In den Steppen von Rußland und Asien haben die Hirten oft viel zu -leiden. Bei Schneegestöber und Sturm zerstreuen sich die Herden, rennen -wie unsinnig in die Steppe hinaus, stürzen sich in Gewässer, selbst in -das Meer, bleiben dumm an einer und derselben Stelle stehen, lassen -sich widerstandslos einschneien und erfrieren, ohne daß sie daran -dächten, irgendwie vor dem Wetter sich zu sichern oder auch nur nach -Nahrung umherzuspähen. Zuweilen gehen Tausende an einem Tage zugrunde. -Auch in Rußland benutzt man die Ziege, um die Schafe zu führen; allein -selbst sie ist nicht immer imstande, dem dummen Tiere die nötige -Leitung angedeihen zu lassen. Beim Gewitter drängen sie sich dicht -zusammen und sind nicht von der Stelle zu bringen. „Schlägt der Blitz -in den Klumpen,“ sagt Lenz, „so werden gleich viele getötet; kommt -Feuer im Stalle aus, so laufen die Schafe nicht hinaus und rennen wohl -gar ins Feuer. Ich habe einmal einen großen, abgebrannten Stall voll -von gebratenen Schafen gesehen; man hatte trotz aller Mühe nur wenige -retten können.“ Das beste Mittel, Schafe aus ihrem brennenden Stalle -zu retten, bleibt immer, sie durch die ihnen bekannten Schäferhunde -herausjagen zu lassen. - -In gewissem Grade bekundet freilich auch das Schaf geistige Befähigung. -Es lernt seinen Pfleger kennen, folgt seinem Rufe und zeigt sich -einigermaßen gehorsam gegen ihn, scheint Sinn für Musik zu haben, hört -mindestens aufmerksam dem Gedudel des Hirten zu, empfindet und merkt -auch Veränderungen der Witterung vorher. Diese Unselbständigkeit des -Schafes hat auch zur Folge, daß es niemals, sich selbst überlassen, -wie die Ziege verwildert, sondern stets hilflos zugrunde geht. Seine -grenzenlose Dummheit trug auch schuld daran, daß früher, solange -es auch bei uns welche gab, Wölfe so schlimm unter diesen Tieren -hausten, wenn sie einmal eine Schafherde überfielen oder die Hürden -durchbrachen. Diesen Stumpfsinn muß es schon vor 2000 Jahren besessen -haben; denn Plinius sagt in seiner Naturgeschichte: „Das Schafvieh ist -ausgezeichnet dumm. Scheut sich die Herde irgendwohin zu gehen, so -braucht man nur eins am Horne hinzuziehen, so folgen die andern alsbald -nach.“ - -Das Schaf liebt trockene und hochgelegene Gegenden mehr als niedere und -feuchte. Am besten gedeiht es, wenn es verschiedenerlei getrocknete -Pflanzen haben kann. Getreidefütterung macht es zu fett und schadet -der Güte der Wolle. Salz liebt es sehr, und frisches Trinkwasser ist -ihm ein unentbehrliches Bedürfnis. Die alten Römer ließen ihre Schafe -zwischen Mai und Juni zur Paarung; in unsern nördlicheren Breiten -geschieht dies von September bis Oktober. Dann werden die Lämmer, weil -das Schaf 144-150 Tage trächtig geht, in der zweiten Hälfte des Februar -geworfen und bekommen bald gutes, frisches Futter. Gewöhnlich bringt -das Mutterschaf nur ein einziges Lamm zur Welt; zwei Junge sind schon -ziemlich, drei sehr selten. Anfangs müssen die kleinen Tiere sorgfältig -gegen Witterungseinflüsse geschützt werden, später dürfen sie mit auf -die Weide gehen. Im ersten Lebensmonat brechen die Milchzähne durch, -im sechsten Monat stellt sich der erste bleibende Backenzahn ein, im -zweiten Lebensjahre fallen die beiden Milchschneidezähne aus und werden -durch bleibende ersetzt; erst im fünften Jahre werden die vorderen -Milchbackenzähne gewechselt und ist damit das Zahnen beendet. Das -Schaf kann 14 Jahre alt werden, doch fallen ihm schon im 9. oder 10. -Jahre die meisten Zähne aus, wodurch es unbrauchbar wird, weshalb es -dann so rasch als möglich gemästet und geschlachtet werden muß. Alle -Schafrassen lassen sich leicht untereinander kreuzen und pflanzen -sich ohne Schwierigkeit fort; deshalb läßt sich das Schaf leicht -veredeln. Es ist Wollieferant, aber auch hervorragendes Fleischtier -geworden, selbst als Milchtier hat es an manchen Orten eine gewisse -Bedeutung erlangt; daneben wird es auch zum Tragen von Lasten benutzt. -In einzelnen Kulturkreisen, besonders da, wo eine Abneigung gegen das -Schwein vorhanden ist, wird es speziell auf Fett gezüchtet. In diese -letzte Kategorie gehören die bei allen Nomaden Asiens und Afrikas so -beliebten Fettschwanz- und Fettsteißschafe. - -Erst neuerdings ist einige Klarheit in die Herkunft der verschiedenen -Schafrassen gekommen, die aus vier Quellen, nämlich einer -nordostafrikanischen, einer westasiatischen, einer zentralasiatischen -und einer südeuropäischen hervorgingen. Der Bildungsherd der ganzen -Schafgruppe, die sich in geologisch gesprochen erst neuerer Zeit vom -Stamme der Antilopen abzweigte, liegt offenbar in Asien, von wo sich -die einzelnen Glieder über die gebirgigen Teile von Asien, Europa und -das westliche Nordamerika verbreiteten. Alle Wildschafe sind echte -Gebirgstiere, die sich nur in bedeutenden Höhen wohlzufühlen scheinen -und teilweise über die Schneegrenze emporsteigen. Als solche sind -sie geistig begabt, sie schätzen die Gefahr ab und verteidigen sich -mit Mut. Die meisten derselben lassen sich, jung eingefangen, ohne -Mühe zähmen und behalten ihre Munterkeit wenigstens durch einige -Geschlechter bei, pflanzen sich auch regelmäßig in der Gefangenschaft -fort. An Leute, die sich viel mit ihnen abgeben, schließen sie sich -innig an, folgen ihrem Rufe, nehmen gern Liebkosungen an und können -einen so hohen Grad von Zähmung erlangen, daß sie mit andern Haustieren -auf die Weide gesandt werden dürfen, ohne solch günstige Gelegenheit -zur Erlangung ihrer Freiheit zu benützen. Ihr Haarkleid ist ein nicht -sehr langes, etwas grobes Grannenhaar, unter welchem im Herbst zum -Schutze gegen die Kälte ein Wollkleid hervorsproßt, das im Frühjahr in -Fetzen und Flocken abgelöst und durch Schütteln des Tieres entfernt -wird. Unter dem Einfluß der künstlichen Züchtung hat sich bei den -Hausschafen ein dauerndes, vliesartiges Wollkleid entwickelt, das -den Wildschafen, aber auch gelegentlich zahmen Schafen fehlt. Ihr -Schädel erscheint an der Stirn abgeflacht und trägt ein im Querschnitt -dreikantiges Gehörn, das spiralig verläuft und bei den Böcken stark, -bei den Weibchen nur schwach oder gar nicht ausgebildet ist. Das Euter -der letzteren ist vierzitzig. - -In Mitteleuropa erscheint das Hausschaf bereits in neolithischer Zeit, -und zwar in einer merkwürdig kleinen Art, mit einer Schädelbildung und -Hörnern, die mehr ziegenartig sind und an unsere heutigen Halbschafe -erinnern. Es ist dies das ~Torfschaf~ (_Ovis aries palustris_), -nach dem Finden seiner Überreste in den meist in vertorftes Gelände -eingebetteten Pfahlbauüberresten so genannt. Schon L. Rütimeyer fiel -es auf, daß seine Reste in den ältesten Pfahlbauten noch spärlich sind -und erst später häufiger werden. Diese Tatsache konnte Th. Studer -bestätigen. Erst mit der Bronzeperiode macht sich ein entschiedener -Aufschwung der Schafzucht bemerkbar, indem damals zum erstenmal statt -der althergebrachten Fell- und Pelzkleidung leichtere und angenehmer zu -tragende Wollkleider bei den Bewohnern Mitteleuropas aufkamen, unter -denen man allerdings ein grobgewebtes leinenes Hemd zu tragen pflegte. - -Das Torfschaf der Neolithiker Mitteleuropas war ein kleines, fast -zwergartiges Schaf mit feinen, schlanken Extremitäten, langgestrecktem, -schmalem Schädel, wenig gewölbter Stirnfläche und zweikantigen -ziegenartigen Hörnchen. Die Augenhöhlen traten verhältnismäßig -wenig vor. Im Jahre 1862 machte dann L. Rütimeyer die überraschende -Tatsache bekannt, daß das Torfschaf der Pfahlbauern noch nicht ganz -erloschen sei, sondern in einem direkten und nur wenig abgeänderten, -aber jetzt im Aussterben begriffenen Abkömmling in dem ~Bündner~- -oder ~Nalpserschaf~ weiterlebe. In dem vom Weltverkehr abgelegenen -Bündner Oberlande hat sich dieses lebende Überbleibsel der schon -längst abgelaufenen Pfahlbauzeit, nebst den Nachkommen des sonst -überall verschwundenen Torfschweines der Neolithiker, bis auf unsere -Tage erhalten. Die osteologische Übereinstimmung der Schädel beider -Schafarten ist in der Tat eine höchst frappante. Die wichtigsten, -wohl durch Domestikationsveränderungen zu erklärenden Abweichungen -bestehen in einer ziemlich deutlichen Wölbung der Stirn und in einem -weniger steilen Abfall des Hinterhauptes. Die knöchernen Hornzapfen -sind bei beiden identisch, doch scheint das darauf gewachsene Gehörn -beim Nalpserschaf etwas kleiner geworden zu sein. Die Ohren sind bei -letzterem abstehend, verhältnismäßig klein, aber sehr beweglich. Das -Wollkleid ist dicht, aber wenig lang, so daß der Wollertrag ungünstig -ausfällt. Die vorherrschende Färbung desselben ist silbergrau, -eisengrau, dunkelbraun bis ganz schwarz. Dunkle Exemplare haben häufig -einen weißen Kopfstern und weiße Abzeichen an Schwanz und Füßen. - -Der durch fortgesetzte planmäßige Zuchtwahl bei den übrigen moderneren -Schafrassen erzielte Leucismus ist also bei diesem noch nicht erreicht -worden. Das durchschnittliche Lebendgewicht desselben beträgt 28 -_kg_. Der geistige Charakter der Tiere nähert sich als überaus -altertümliches Merkmal demjenigen der Ziege. An Lebhaftigkeit in den -Bewegungen, an Zutraulichkeit und natürlicher Intelligenz übertrifft -diese Rasse alle andern Schafrassen. Während Rütimeyer noch Herden -derselben aus den Nalpser Alpen erwähnt, hatte C. Keller 40 Jahre -später (im Sommer 1900) Mühe, in Disentis noch ein gutes Exemplar -reiner Rasse aufzutreiben. Am meisten soll diese Rasse zurzeit noch -in den Vriner Alpen angetroffen werden, geht aber auch dort ein, da -sie nach den Mitteilungen des bündnerischen Alpinspektors Solèr in -Vrin gegenwärtig stark mit Walliserschafen gekreuzt wird. Nur wenige -Ställe wiesen 1902 noch reines Blut auf. Keller hat damals noch eine -kleine Kolonie reinrassiger Tiere beziehen können, die gegenwärtig -im Tierpark des Sihlwaldes bei Zürich angesiedelt sind. Eine zweite -Kolonie dieser letzten Mohikaner hat man in Flims untergebracht, um -auch in Bünden noch eine Zuchtfamilie zu erhalten. Übrigens sollen auch -einzelne primitive Schafrassen Irlands Zusammenhänge mit dem alten -Torfschaf aufweisen. Auch wäre es möglich, in den abgelegenen Bergen -Albaniens noch Überreste dieser sonst überall als an Wolle quantitativ -und qualitativ minderwertigen und deshalb abgeschafften Schafrasse -zu finden, worauf hiermit etwaige Reisende aufmerksam gemacht werden -sollen. - -[Illustration: - - Tafel 21. - -Mähnenschaf im Tierpark Hellabrunn zu München. - -(Nach einer Photographie van M. Obergaßner.)] - -[Illustration: - - (_Copyright by M. Koch, Berlin._) - -Muflon.] - -[Illustration: - - Tafel 22. - -Schieferplatte der vorhistorischen Negadazeit Ägyptens im Museum von -Gizeh, oben mit Darstellungen eines bantengartigen Hausrindes, darunter -von Eseln mit dem Schulterkreuz und zu unterst von sehr altertümlichen -Hausschafen, die schon durch die noch vorhandene Halsmähne als -Abkömmlinge des Mähnenschafes gekennzeichnet sind.] - -[Illustration: - - Tafel 23. - -Altägyptische Darstellungen von Stieren und Widdern aus Sakkarah, 26. -Dynastie, 663-526 v. Chr.] - -[Illustration: - - Tafel 24. - -Steppenschaf (_Ovis arkal_). - -(Nach Keller, Die Abstammung der ältesten Haustiere.)] - -[Illustration: Mykenische Schafe auf einer Elfenbeinschnitzerei von -Menidi. - -(Nach Perrot und Chippiez.)] - -Schon Rütimeyer hatte die Abstammung des Torfschafes vom -nordafrikanischen ~Mähnenschaf~ (_Ovis tragelaphus_) vermutet, aber -sein Material war noch zu dürftig, um diesen Beweis zu erbringen. -Namentlich fehlten ihm die vermittelnden Glieder, die nun der Züricher -Zoologe Prof. Konrad Keller so glücklich war, aufzufinden. Wir wissen -nun, daß tatsächlich das Mähnenschaf der wichtigste Stammvater des -neolithischen Torfschafes ist. Es verdient daher hier an erster Stelle -besprochen zu werden. Es ist das äußerlich ziegenähnlichste Wildschaf, -das über das ganze nordafrikanische Gebirge verbreitet zu sein scheint. -Es ist ein stattliches Tier von oft über 90 _cm_ Schulterhöhe und mit -trefflicher Schutzfärbung den gelblichen Kalkfelsen seiner Heimatberge -angepaßt. Es hält sich hier immer an der der Wüste zugewandten Seite -auf. Mehrere Tage kommt es ohne Wasser aus. Da es aber schließlich -gezwungen ist, von Zeit zu Zeit zur Tränke zu gehen, alle Tränken -jedoch von den Beduinen mit ihren Ziegenherden in Anspruch genommen -werden, hat es, um zum Ziele zu kommen, die Kunst des Versteckens in -ungewöhnlichem Grade ausgebildet. Die arabischen Beduinen, die es oft -genug hören, ohne es zu sehen, nennen es Arni, wir dagegen gaben ihm -den Namen Mähnenschaf, weil das sonst kurze, graugelbe, bei alten -Böcken dunklere, schwärzlich gesprenkelte Fell vom Kinne ab sich zu -einer im männlichen Geschlecht schließlich bis zur Erde herabwallenden, -im weiblichen dagegen nur schwach ausgebildeten Vorderhalsmähne -entwickelt. Verlängerte Haarbüschel hängen auch an den Vorderläufen vom -Ellbogen herab. Daher der französische Name _mouflon à manchettes_. -Die meisten von uns kennen dieses Tier aus den zoologischen Gärten, in -denen es sich gut halten läßt und leicht fortpflanzt! Nicht nur das -geradlinige Profil, das dunkelgefärbte, verhältnismäßig hochstrebende -Gehörn und der gerade ausgestreckte, flache, unterseits nackte, oben -büschelförmig behaarte Schwanz geben ihm, besonders im weiblichen -Geschlecht, etwas Ziegenartiges, sondern es fehlen ihm auch wie -bei diesen im Gegensatz zu den übrigen Schafen Tränengruben und -Tränendrüsen. - -Bereits im Jahre 1561 beschrieb Cajus Britannicus das Mähnenschaf, -dessen Fell ihm aus Mauretanien gebracht worden war. Erst im 19. -Jahrhundert erwähnten es wieder Pennaut und später Geoffroy. Letzterer -fand es in der Nähe von Kairo im Gebirge auf; andere Forscher -beobachteten es am oberen Nil und in Abessinien. Am häufigsten scheint -es noch im Atlas aufzutreten. Der Franzose Buvey schreibt über -dieses Tier: „Das Mähnenschaf wird im südlichen Algerien von den -Einheimischen im allgemeinen Arni genannt. Unzweifelhaft wird es in den -höheren Teilen des Gebirges, im marokkanischen Atlas, noch häufiger -sein als in Algerien, da Abgeschiedenheit vom menschlichen Verkehr, -welche jenen Teil des Gebirges auszeichnet, einem Wiederkäuer nur -zusagen kann. - -Das Mähnenschaf liebt die höchsten Felsengrate der Gebirge, zu denen -man bloß durch ein Wirrsal zerklüfteter Stein- und Geröllmassen -gelangen kann; deshalb ist seine Jagd eine höchst mühselige, ja oft -gefährliche. Dazu kommt, daß sie nicht viel Gewinn verspricht; denn es -lebt meist einzeln, und nur zur Paarungszeit, welche in den November -fällt, sammeln sich mehrere Schafe und dann auch die Böcke, halten -einige Zeit zusammen und gehen hierauf wieder auseinander ihres Weges. -Die Araber sind große Liebhaber des Fleisches dieser Wildschafe. Das -Fleisch steht dem des Hirsches sehr nahe. Aus den Fellen bereiten die -Araber Fußdecken; die Haut wird hier und da gegerbt und zu Saffian -verwendet. - -Obwohl das Mähnenschaf zu den selteneren Tieren gezählt werden muß, -wird es doch manchmal jung von den Gebirgsbewohnern in Schlingen -gefangen und dann gewöhnlich gegen eine geringe Summe an die -Befehlshaber der zunächstliegenden Militärstationen abgegeben. Im -Garten des Gesellschaftshauses zu Biskra befand sich ein solches -junges Tier, das an einer 5 _m_ hohen Mauer, der Umzäunung seines -Aufenthaltsortes, mit wenigen, fast senkrechten Sätzen emporsprang, -als ob es auf ebener Erde dahinliefe, und sich dann auf dem kaum -handbreiten First so sicher hielt, daß man glauben mußte, es sei völlig -vertraut da oben.“ - -Irgendwo in Oberägypten muß in frühneolithischer Zeit dieses -Mähnenschaf gezähmt und in den Haustierstand erhoben worden sein. -Eine Schieferplatte des Museums von Gizeh aus der vorägyptischen -Negadazeit aus der Mitte des vierten vorchristlichen Jahrtausends -zeigt neben Rind und Esel starkgehörnte Hausschafe, die nach Keller -wegen der noch vorhandenen Halsmähne ihrer Herkunft nach direkt auf -das Mähnenschaf zurückweisen. Dieses Hausschaf der Negadazeit leitet -direkt zum ältesten Hausschaf der Ägypter des Alten Reiches (2980 bis -2475 v. Chr.) über, das auch in späterer Zeit, so in Gräbern von Beni -Hassan aus der 12. Dynastie (2000-1788 v. Chr.) mehrfach abgebildet -wird. Damals, zur Zeit des Mittleren Reiches (2160-1788 v. Chr.) kommen -bereits drei verschiedene Schläge dieser alten Rasse nebeneinander vor. -Erst im Neuen Reich (1580-1205 v. Chr.), da an die Stelle der früheren -Abgeschlossenheit infolge der wiederholten Feldzüge und ausgiebiger -Handelsverbindungen eine regere Fühlung mit den vorderasiatischen -Kulturreichen begann, wanderte eine neue asiatische Schafrasse in -Ägypten ein, die nach und nach, wohl infolge der Gewinnung von mehr und -besserer Wolle, die Oberhand gewann und die älteren Schafrassen von -Mähnenschafabstammung verdrängte. Die damals mit großer Kunstfertigkeit -in harten Stein gehauenen Widder, die in ganzen Reihen vor den -Tempeln (z. B. von Karnak bei Theben) aufgestellt wurden und von -beiden Seiten die Prozessionsstraße einfaßten, sind zweifellos diesen -höher gezüchteten und deshalb höher geschätzten neuen asiatischen -Abkömmlingen nachgebildet. - -[Illustration: Bild 18. Altägyptisches Hausschaf des alten Reichs. - -(Nach Darstellungen in Beni Hassan.)] - -Von Ägypten aus kam teils durch Überfälle und damit verbundenem -Raub, teils durch Tauschhandel das altägyptische Schaf von -Mähnenschafabstammung nach dem Innern Arabiens, wo es heute noch -bei den konservativen Beduinen wenig verändert als ~Nedjeschaf~ -gehalten wird, dann über Syrien und Kleinasien oder durch den -regen Schiffsverkehr direkt zu den Vorläufern der Träger der alten -Inselkultur des griechischen Archipels, den Mykenäern oder Minoern, -die im zweiten vorchristlichen Jahrtausend eine sehr hohe, weitgehend -von den Kulturen Vorderasiens und Ägyptens beeinflußte Kultur besaßen. -Wir wissen heute aus verschiedenen Funden von Schafdarstellungen aus -dieser mykenischen Zeit, daß die Träger der späteren Inselkultur -ein dem Torfschaf der Mitteleuropäer sehr ähnliches Hausschaf mit -ziegenartigem Gehörn besaßen und dieses dank ihren Handelsverbindungen -sehr frühe an die verschiedenen Stämme Europas weitergaben. So ist in -einer Zeit, die vielleicht vor diejenige des Alten Reiches in Ägypten -fällt, das ziegenähnliche Hausschaf des Niltals bis zu den noch länger -in der Steinzeit verharrenden Stämmen Mitteleuropas gelangt. - -Auf einer mykenischen Elfenbeinschnitzerei, die 1879 in einem aus -der Zeit jener alten Inselkultur stammenden Kuppelgrabe von Menidi -in Attika gefunden wurde, sind sehr langköpfige zahme Schafe mit -ziemlich langem Schwanz und ziegenartig zweikantigem, hinter dem -Hals gebogenem, starkem Gehörn abgebildet, die durchaus afrikanische -Mähnenschafabstammung verraten. Ganz dieselbe eigentümliche Bildung -zeigen vier Schafköpfe, die in einen in Vaphio ausgegrabenen Amethyst -aus mykenischer Zeit eingraviert sind. Es kann also durchaus kein -Zweifel obwalten, daß die Schafrasse der Mykenäer vom Niltale, mit dem -sie rege Handelsverbindungen unterhielten, stammte. Von dort gelangte -diese zu den weiter nördlich wohnenden Stämmen, nachdem sie irgendwo -mit Schafrassen asiatischer Abstammung gekreuzt war, was ja bei deren -höherer Leistungsfähigkeit sehr nahelag. - -[Illustration: Bild 19. Nach der Aussaat über den Acker getriebene -Schafe im alten Ägypten. Diese sollten mit ihren Füßen die Samenkörner -in den Boden treten. - -(Nach Wilkinson.)] - -Schon um die Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends wurde auch -dieses Haustier neben dem andern Vieh in größeren Herden im gebirgigen -Griechenland gehalten. In der Ilias spielen die Bergweiden mit den -Scharen braunroter Rinder, weißer oder schwarzer Schafe und den „sich -weit ausbreitenden Herden der meckernden Ziegen“ eine so wichtige -Rolle, daß die Herrensöhne selbst als Oberaufseher dahin gesandt -werden. Auf einer solchen Bergweide sprach Alexandros (Paris) den -drei aufeinander eifersüchtigen Göttinnen das berühmte Urteil, das -seinem Volke so verderblich werden sollte. In der Verkleidung eines -Herrensohnes, der die Herden des Vaters beaufsichtigt, tritt Athene -dem heimkehrenden Odysseus entgegen. Auf der Bergweide weidet nach dem -homerischen Epos das Vieh tagsüber von bewaffneten Hirten und starken -Hunden bewacht. Mit einem Stabe, den er wirft, verhindert der Hirt, daß -sich die Tiere zu sehr zerstreuen. Am Abend werden die Herden in feste -Pferche oder Ställe eingetrieben. Dort werden wie die Kühe und Ziegen, -auch die Schafe gemolken, und in der Höhle des Zyklopen ist nach der -Beschreibung des Odyssee eine regelrechte Käserei eingerichtet, in der -die Milch seiner Schafe verwertet wird. Außerdem ist an den Schafen -das Fleisch und vor allem die Wolle wertvoll. Damals war der Löwe -noch mehr als der Wolf der Feind der Viehzucht, mit dem manch harter -Kampf ausgefochten wurde. Auch der schleichende Panther wurde den -Herden gefährlich und mit Hilfe einer Hundemeute wurden auch auf ihn -Treibjagden abgehalten. - -Während das nordafrikanische Mähnenschaf, die Stammform der Rasse, ein -stattliches Tier von 1,55 _m_ Länge darstellt, ist das im Bündnerschaf -uns mehr oder weniger rein erhaltene Torfschaf der Neolithiker -durchschnittlich nur 0,84 _m_ lang. Diese Verkleinerung der Rasse ist -wohl Folge der schlechten Haltung und nicht in dem Sinne zu deuten, wie -es Keller tut, der sagt: „Wir dürfen aber annehmen, daß die Auslese die -kleinen Tiere begünstigte, weil sie für die Wanderung günstiger waren. -Andere Schafrassen zeigen ja auch starke Größenunterschiede, asiatische -und afrikanische Rinder weisen neben Riesenformen auch eigentliche -Zwergformen auf.“ - -Der wichtigste Unterschied im Schädelbau des Mähnenschafes und des -davon abzuleitenden Torf- beziehungsweise Bündnerschafes besteht darin, -daß letzteres eine, wenn auch seichte Tränengrube besitzt, die ersterem -völlig abgeht. Diese Eigentümlichkeit kann nur dadurch erklärt werden, -daß das Torf- und das davon abstammende Bündnerschaf auf ihrem Wege -vom Niltal nach Mitteleuropa etwas Blut der alsbald zu besprechenden -Hausschafe von asiatischer Abstammung erhielt, die alle dadurch -gekennzeichnet, daß sie wie ihr wilder Stammvater eine Tränengrube -besitzen. Sonst steht die allgemeine Bildung des Schädels beim Torf- -und Bündnerschaf wegen ihres ziegenartigen Charakters dem Mähnenschaf -viel näher als irgend einem echten Wildschaf, nur die Stirnbeine sind -beim Mähnenschaf flach, beim Torf- und Bündnerschaf dagegen gewölbt, -was entweder Folge der Domestikation oder der Kreuzung mit asiatischen -Schafrassen sein kann. Wie das Mähnenschaf das langgeschwänzteste -Wildschaf ist, ist auch das Torf- wie das Bündnerschaf langschwänzig. - -Von dem zum Teil hängeohrigen altägyptischen Hausschaf von -Mähnenschafabstammung sind nur wenig veränderte Nachkommen im von -den Nubierstämmen am oberen Nil, vorzugsweise den Dinkas, gehaltenen -~Dinkaschaf~ noch am Leben. Dieses trägt noch als Reminiszenz an -seinen Ahnen einen mähnenartig an Hals und Vorderbrust herabfallenden -Haarmantel; der übrige Körper ist kurz behaart, wie auch der lange, -dürre Schwanz. Sein Gehörn ist durchaus ziegenartig, indem die kurzen, -kräftigen Hörnchen sich dem Hals entlang scharf nach hinten wenden, um -eine halbmondförmige Krümmung zu beschreiben. Die Färbung ist meist -rein weiß, teilweise auch rotbraun oder weiß und schwarz gefleckt. -Georg Schweinfurth fand dieses Schaf außer bei den Dinkas auch bei den -Nuër und Schilluknegern. - -Ein anderer Abkömmling des altägyptischen Hausschafes ist das ebenfalls -stark bemähnte und vorwiegend weiß gefärbte ~Fezzan-~ oder ~libysche -Schaf~. Dessen dürrer Schwanz trägt am Ende wie sein Ahnherr, das -Mähnenschaf, eine an einen Kuhschwanz erinnernde große Quaste. - -Ganz den Charakter des altägyptischen Schafes, wie es uns an den -Wänden der Grabkammern und als hieroglyphisches Zeichen abgebildet -entgegentritt, weist das in den Gegenden am oberen Lauf des Niger -lebende ~Nigerschaf~. Dieses ist hochbeinig, besitzt einen Kopf -mit Hängeohren und kleinen Ziegenhörnern und trägt ebenfalls am -Vorderkörper an die Mähne des Mähnenschafs und der davon abstammenden -ältesten Hausschafe Ägyptens erinnernde verlängerte Haare. Abkömmlinge -von ihm verbreiteten sich bis nach Senegambien und dem Golf von Guinea. - -Zweifellos enthalten auch die ~Senegalschafe~, dann das hochbeinige, -hängeohrige ~Guineaschaf~, das ~Kongoschaf~ und das kropfige -~Angolaschaf~ oder ~Zunu~ vorzugsweise Mähnenschafblut, das aber -mehr oder weniger stark mit solchem vom Fettschwanzschaf asiatischer -Abstammung gemischt ist. - -Der Stammvater dieses Fettschwanzschafes, das jetzt durch ganz -Nordafrika, von Ägypten bis Marokko, verbreitet ist und vom Niltal aus -nach Abessinien und zu den Somalis gelangte, wie aller asiatischer -Hausschafe überhaupt, ist das transkaspische ~Steppenschaf~ oder der -~Arkal~ (_Ovis arkal_), der schon in sehr früher Zeit in Westasien -zum Haustier erhoben wurde. Er ist kleiner als das Mähnenschaf, aber -größer als das alsbald zu besprechende südeuropäische ~Muflon~ (_Ovis -musimon_), von dem sich die Heidschnucken und Marschschafe ableiten. -So sind denn die von jenem abstammenden langschwänzigen Hausschafe -durchschnittlich größer als die von letzterem hervorgegangenen -kurzschwänzigen. Am Schädel des Arkal ist wie an demjenigen der -Hausschafe asiatischer Abkunft die Stirne schmal, die Hornzapfen -liegen weiter auseinander wie beim Muflon, das dreikantige Gehörn ist -hellfarbig, regelmäßig gewulstet und zwischen den starken Wulsten tief -eingeschnitten, also mit dem Merinogehörn am meisten übereinstimmend. -Die Tränengruben erscheinen tiefer als bei irgend einer andern Art. Die -Augenhöhlen treten röhrenförmig hervor und sind mit ihrer Achse schief -nach vorn gerichtet, ein Merkmal, das besonders beim chinesischen Schaf -auffällt, das allerdings vorzugsweise ein Argaliabkömmling ist. - -Im Gegensatz zu den meisten anderen Wildschafen Asiens ist der Arkal -kein Hochgebirgstier; er bewohnt vielmehr die niederen Vorberge -und geht selbst bis zur Küste des Kaspischen Meeres herab, dessen -Wasserspiegel bekanntlich unter dem Niveau des Mittelmeeres liegt. -Mehr als alle anderen Wildschafe lebt er in größeren Herden von 60 bis -100, gelegentlich auch 200 Stück; vereinzelte Stücke werden nur selten -angetroffen. Es ist ein wenig scheues, gutmütiges Tier, das sich leicht -jagen und fangen läßt. Kein Wunder also, daß sich der Mensch schon früh -seiner bemächtigte. Von ihm hochgezüchtete ~Fettschwanzschafe~ treten -uns schon auf Reliefdarstellungen des 8. Jahrhunderts v. Chr. entgegen, -so auf einer Platte aus der Zeit Tiglatpilesars II. um 745 v. Chr., die -uns aus einer eroberten jüdischen Stadt durch Soldaten weggetriebene -Schafe mit ansehnlichem Fettschwanz und kleinen Arkalhörnern zeigt. -Solche Schafe, deren Hauptkennzeichen der mittellange, dicke und -sehr breite Fettschwanz bildet, kannte schon der griechische -Geschichtschreiber Herodot im 5. vorchristlichen Jahrhundert. Er -schreibt nämlich: „In Arabien gibt es ganz wunderliche Schafe. Die -eine Rasse hat Schwänze von drei Ellen Länge (= 1,5 _m_), so daß man -den Schwanz eines jeden Schafes auf ein Wägelchen binden muß, damit -er nicht auf der Erde hinschleife, sich da abreibe und verwunde. -Die andere Rasse hat Schwänze, welche eine Elle breit werden.“ Er -meint damit in starker Übertreibung die beiden heute noch in ganz -Westasien gehaltenen Fettschwanz- und Fettsteißschafe. Diesen beiden -Schafarten wurden starke Fettansammlungen im Unterhautzellgewebe des -Hinterteils angezüchtet, die bis 20 _kg_ Gewicht erlangen können. Die -asiatischen Nomaden, denen im Gegensatz zu den Ackerbauern die Haltung -des Schweines als Fettspender in der Steppe unmöglich war, verlegten -sich schon sehr früh darauf, bei Schafen von Arkalabstammung solche -Fettwucherungen zu unterstützen. So erlangten sie das Fettschwanzschaf, -das nach Osten bis Turkestan reicht. Dort greifen sie vielfach in das -Gebiet der alsbald zu besprechenden Fettsteißschafe über und liefern in -den jungen Tieren das als Astrachan, Krimmer oder Persianer geschätzte -Pelzwerk. Dieses wird besonders von den Lämmern der Karakulrasse -gewonnen, die in Chiwa, Buchara und westlich davon bis Astrachan -gehalten wird. - -Die Rassen des Fettschwanzschafes mit mittellangem Schwanz, bei denen -der Schwanz höchstens bis zu den Hacken reicht, finden wir auf den -vorhin erwähnten assyrischen Darstellungen des 8. vorchristlichen -Jahrhunderts nie mit einem konvexen, sondern mit einem geraden Profil, -ja auf dem im Berliner Museum befindlichen Feldlager unter Sanherib, -der 705 v. Chr. seinem Vater Sargon als König von Assyrien folgte und -bis 681 regierte, da er von seinen eigenen Söhnen ermordet wurde, -finden wir deren Profillinie sogar etwas konkav. Diese gerade bis -konkave Profillinie, die wir bei allen Wildschafen treffen, zeigt an, -daß das erst mit einem unbedeutenden Fettschwanz versehene Schaf dem -wilden Vorfahren noch recht nahestand. Erst als die Domestikation -stärker eingewirkt hatte, wurde das Gesichtsprofil, wohl als Folge -des Schwächerwerdens des Gehörns, konvex, Verhältnisse, die wir in -gleicher Weise auch bei den Ziegen beobachten. Auch die Hörner, die -vorwiegend beim Widder vorkommen und dem Weibchen gewöhnlich fehlen, -deuten mit Sicherheit auf die Abstammung dieser Tiere vom Arkal, das -als Steppenschaf der Domestikation weit leichter zugänglich war als -eines der Hochgebirgsschafe. Die Hörner des Fettschwanzschafes sind -kurz und halbmondförmig nach hinten und nach der Seite gekrümmt. -Von den hierher gehörenden Rassen unterscheidet man das meist hell -gefärbte, kurzwollige, bucharische Fettschwanzschaf, das von den -Kirgisen und Tataren gehalten wird. Es kommt auch noch in Syrien und -Palästina vor. Sein Fettschwanz erreicht hier teilweise einen solchen -Umfang, daß er, wie Russel aus Syrien berichtet, am untern Ende durch -dünne Brettchen, die gelegentlich mit Rädchen versehen sind, gegen -Verletzungen geschützt wird. So konnte die schon von Herodot gemeldete -Sage aufkommen, der Schwanz der morgenländischen Schafe sei so schwer, -daß er auf Wägelchen gebunden werden müsse, damit sich die Tiere nicht -beim Nachschleifen desselben verletzen. In Ägypten wird es durch das -bis Abessinien verbreitete ägyptische Fettschwanzschaf mit -ziemlich großem Kopf, langen und breiten Hängeohren und nur auf den -Widder beschränktem Gehörn abgelöst. Beim tunesischen und algerischen -Fettschwanzschaf ist der bis zum Fersengelenk reichende, tiefangesetzte -Schwanz nur in seinem oberen Teil mit Fett durchwachsen, gegen die -Spitze hin aber normal. Außer in ganz Nord- und Ostafrika hat sich -dieses Fettschwanzschaf auch in Südafrika eingebürgert. - -[Illustration: - - Tafel 25. - -Assyrische Fettschwanzschafe aus der Zeit Tiglatpilesars, um 745 v. Chr. - -(Nach Keller, die Abstammung der ältesten Haustiere.)] - -[Illustration: - - Tafel 26. - -Kirgisische Fettschwanzschafe mit ausfallender Winterwolle, von Karl -Hagenbeck in Stellingen importiert.] - -[Illustration: Karakulschafe, von Karl Hagenbeck aus Buchara -importiert.] - -[Illustration: - - Tafel 27. - -Kampf von Widdern des Fettschwanzschafes vor dem Khan von Chiwa.] - -[Illustration: Fettschwanzschaf in Chiwa.] - -[Illustration: - - Tafel 28. - -Widder des Fettschwanzschafes in Chiwa.] - -[Illustration: - - Tafel 29. - -In England gezogene weiße orientalische Eselhengste, von Karl Hagenbeck -importiert.] - -[Illustration: Ägyptischer Hausesel der Onagerrasse. - -(Nach Aufnahme von Professor Keller in Die Abstammung der ältesten -Haustiere.)] - -[Illustration: - - Tafel 30. - -Grauer abessinischer Esel mit deutlich sichtbarem Schulterkreuz und -zebraartiger Querstreifung an den Beinen. - -(Aus Karl Hagenbecks Tierpark in Stellingen.)] - -[Illustration: Sartenfamilie auf einer säugenden Eselin in Turkestan. - -(Nach einer Photographie von Arndt Thorer.)] - -Beim anatolischen und syrischen Fettschwanzschaf ist der Fettschwanz -sehr lang und in der Höhe des Sprunggelenkes nach oben gekrümmt. -Diese werden in Kleinasien und Syrien am häufigsten gehalten und -haben vereinzelte Ausläufer bis nach Südeuropa gesandt, so nach der -Balkanhalbinsel, Süditalien und neuerdings (von Algier aus) auch nach -einigen Landstrichen des südlichen Frankreich. Das höchstgezüchtete -Fettschwanzschaf ist das persische, das von ansehnlicher Größe, aber -nicht sehr hoch gebaut ist. Das Vlies ist ziemlich dicht, mit mäßig -langer, gewellter Wolle, die sich nicht zum Versponnenwerden eignet -und deshalb auch kaum je technisch verwendet wird. Die Färbung ist -schmutzigweiß, silbergrau, braunschwarz, oft auch scheckig. Das -bogenförmige Gehörn ist von lichter Farbe, nicht groß, aber in beiden -Geschlechtern vorhanden. Der Fettschwanz ist sehr umfangreich, erreicht -nicht selten den vierten Teil des Gesamtgewichts und wird dann zur -unbequemen Last für das Tier. - -Ebenfalls langschwänzig, wie ursprünglich alle Schafe von -Arkalabstammung, aber statt auf Fett- auf Wollnutzung gezüchtet, ist -das ~westasiatische Wollschaf~, der Wolleerzeuger _par excellence_, -dessen Produkt schon im Altertum berühmt war. Bereits zu Beginn des -letzten vorchristlichen Jahrtausends trieben die Phönikier einen -schwunghaften Handel mit feinen und dazu noch prächtig, meist mit -Purpur gefärbten Wollstoffen, für die die Küstenstämme Kleinasiens -und Griechenlands willige Abnehmer waren. Wie vordem in Syrien und -Mesopotamien wurde später dieses Wollschaf namentlich in Kleinasien -gezüchtet und dessen Wolle vorzugsweise über Milet nach Griechenland -ausgeführt. Die griechische Sage läßt ja im Argonautenzuge das goldene -Vlies, d. h. wohl den gelbwolligen Träger desselben, in Kolchis, am -östlichen Ufer des Schwarzen Meeres, holen. Dort muß es also schon -früh Schafrassen mit besonders feiner Wolle gegeben haben, nach deren -Besitz man in Griechenland lüstern war. Später fand über Samos ein -lebhafter Import von hochgezüchteten kleinasiatischen Wollschafen nach -Griechenland statt, wo in der Folge die Zuchtrassen von Epirus und -Attika einen bedeutenden Ruf erlangten. Über Großgriechenland (Sizilien -und Süditalien) gelangten diese edlen Wollschafe asiatischer Abstammung -zu den Römern, die sie weiter nach Westen und Norden brachten. In -der Folge überflügelte die iberische Halbinsel mit ihren trockenen, -der Schafzucht besonders günstigen Hochsteppen in der Schafzucht und -Wollverarbeitung alle übrigen Mittelmeerländer, und Corduba, das -heutige Cordova, wurde das Zentrum der Wollindustrie. Hier züchtete man -nach und nach aus dem asiatischen Blute das Edelschaf, das unter dem -Namen ~Merinoschaf~ weltberühmt wurde. - -Das gemeine Landschaf Spaniens ist das Churraschaf von Arkalabstammung, -neben dem schon im Altertum eine Abart mit besonders feiner Wolle --- wohl aus Kleinasien importiert -- gehalten wurde. Bereits der 66 -n. Chr. gestorbene Grieche Strabon berichtet in seinem Werke über -Geographie: „Spanien erzeugt für den Handel herrliche Wolle, feine -Gewänder, und die dortigen Schafböcke werden teuer bezahlt.“ Im -Mittelalter, unter der maurischen Herrschaft, die die Landwirtschaft -so überaus förderte, wurden die Herden dieser Wollschafe noch mehr -veredelt. Später nahmen sich die Großgrundbesitzer und klösterlichen -Verwaltungen der blühenden Schafzucht an. Sie erhielten unter Ferdinand -V., dem Katholischen (geb. 1469, regierte 1479-1516), weitgehende -Privilegien und taten sich zu Mesta genannten Verbänden zusammen, die -sich selbst dem Privatbesitz gegenüber allerlei Rechte anmaßten, so vor -allem dasjenige, ohne Entschädigung an die Eigentümer die Weidewege für -die Wanderschafe über fremden Grund und Boden zu bestimmen. Solches -nehmen sie laut altem Herkommen bis auf den heutigen Tag für sich in -Anspruch. Übrigens hören wir bereits von römischen Schriftstellern, daß -es wie in Spanien, so auch in Italien Wanderherden gab, die den Sommer -im Gebirge und den Winter in der Ebene zubrachten und dabei Rechte -freien Durchzugs besaßen. - -Den Winter verbringen die Wanderherden der Merinoschafe meist in -der Estremadura, daneben auch in Andalusien und Neukastilien. -Im Sommer ziehen sie nordwärts nach Altkastilien, Leon, Burgos -usw. Dieses Wanderleben, an dem nur die edlen Zuchten teilnehmen, -wirkt höchst vorteilhaft auf den Gesundheitszustand dieser Schafe -ein. Die minderwertigen Zuchten gleicher Abstammung, wie z. B. -das weitverbreitete, grobwollige Churraschaf, genießen keine -Weideberechtigung und sind daher Standschafe geworden. - -Das Wort Merino ist dem Spanischen entlehnt und bezeichnete -ursprünglich einen vom König eingesetzten Richter, der in seinem -Bezirk große Machtbefugnisse ausübte; insbesondere war er ein -Weiderichter, der allerlei Anstände zu schlichten hatte, wenn -die Hirten mit ihren Wanderschafen (_oviejos transhumantes_) von -einer Gegend zur andern zogen. Er war also eine Art Schirmherr der -Schafherden und sein Name wurde später kurzweg auf die Wanderschafe -selbst übertragen. Die Merinoschafe sind mittelgroße Tiere mit -starkem, im Schnauzenteil abgestumpftem Kopf. Das Gehörn ist kräftig -entwickelt, schraubenförmig gewunden, dem Kopfe anliegend und mit -starken Querwülsten versehen. Die Tränengruben sind tief, die Ohren -schmal und zugespitzt, der Hals an der Kehle kropfartig verdickt, der -Körper in den Beinen niedriggestellt. Das starke Wollvlies ist äußerst -dicht und besteht aus Büscheln fein gekräuselter Wolle, die durch eine -Ausschwitzung von Wollfett (Lanolin) verklebt sind. - -[Illustration: Bild 20. Der Tuchscherer. - -(Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann.)] - -Diese das ganze Jahr im Freien zubringenden Tiere werden während des -Weidebetriebs im Mai und Juni geschoren, nachher mit dem Stempel des -Eigentümers versehen und zum Schutze der Haut mit einer ockerhaltigen -Salbe bestrichen. Die Wolle wird sortiert, in besondern Waschanstalten -gewaschen und das Wollfett daraus ausgezogen. Seit dem Beginne des 18. -Jahrhunderts breiteten sich die spanischen Merinos nach verschiedenen -europäischen und später auch außereuropäischen Ländern aus, wobei -das Produkt Spaniens zum Teil überholt wurde und berühmte Zuchten -entstanden, wie die Rambouillets, Elektorals und Negrettis. Den -Anfang damit machte Frankreich, indem 1706 eine kleine Zuchtherde -durch Dauberton nach Montbard in Burgund gelangte. Weit wichtiger -war der 1753 vollzogene Import von 400 Merinos zur Errichtung der -Zuchtherde von Rambouillet. Der Transport der Tiere zu Fuß auf dem -Landwege von Altkastilien nach ihrem Bestimmungsorte dauerte volle -4½ Monate. Weiter wurde dann im Departement de l’Aisne der höchst -wertvolle Stamm der Mauchampschafe mit langer, seidenartiger Wolle -herangezüchtet. Im Jahre 1800 gab es in Frankreich bereits über -5000 dieser feinhaarigen Wollschafe. In Deutschland führte zuerst -Sachsen das spanische Edelschaf ein; der erste Transport, bestehend -aus 92 Böcken und 128 Mutterschafen, langte 1765 an. Dem Kurfürsten -Friedrich August zu Ehren erhielten die sächsischen Merinos den Namen -Elektoralschafe. In Preußen erfolgte die Einfuhr 1785. Österreich -gründete 1772 in der Nähe von Fiume eine Pflanzschule spanischer -Schafe; spätere Bezüge gelangten nach Mähren und Ungarn und waren -Veranlassung einer intensiven Zucht. Gleichzeitig führte sie Italien -und 1802 Rußland über Odessa nach dem Steppengebiet im Süden ein. Doch -hatte im letzteren Lande bereits Peter der Große um 1715 deutsche -Schafe zur Verbesserung der Wolle der russischen Schafe kommen lassen. -Schweden hatte die Merinos schon 1753 eingeführt; doch mißglückte der -Versuch völlig, sie in jenem Lande anzusiedeln. Noch großartiger als -hier entwickelte sich die Merinozucht in Steppenländern außerhalb -Europas, besonders in Australien, wo das Schaf, das heute dort das -wichtigste Haustier bildet, erst im Jahre 1788 eingeführt wurde. In -diesem Lande wurde in der Folge die Schafzucht die Grundbedingung des -ganzen ökonomischen Aufschwungs des Landes, trug aber zugleich zum -raschen Verschwinden der Ureinwohner viel bei. Letztere konnten nämlich -in ihren kommunistischen Anschauungen nicht begreifen, daß sie kein -Recht an den Schafen hätten, die doch die ihnen bis dahin zur Nahrung -dienenden Kängurus verdrängten. So begann, als diese sich zur Stillung -des Hungers an den Herden vergriffen, ein mit aller Scheußlichkeit -geführter Vernichtungskrieg gegen sie, die bald zur Ausrottung der -ganzen Rasse aus den Schafzucht treibenden Gegenden führte. Auf den -ausgedehnten grasreichen Weideflächen gediehen die eingeführten Schafe -so gut, daß der europäische Wollmarkt vom australischen Produkte -förmlich überschwemmt wurde. Auch auf Neuseeland nahm die Merinozucht -große Ausdehnung an. Ihr einziger Feind hier ist der mit dem Schwanz -50 _cm_ lange Nestorpapagei, der sich bald daran gewöhnte, den Schafen -große Wunden beizubringen, die vom Schmerz gepeinigten Tiere so lange -zu quälen, bis sie eingingen, und dann von ihrem Fleische zu fressen, -besonders aber deren Nierenfett herauszuholen. - -Im Kaplande bürgerte sich die Merinozucht schon 1782 durch Vermittlung -der Holländer ein. In England schlug die Einbürgerung dieser Schafrasse -trotz mehrfacher Versuche fehl. Es scheint, daß das dortige Klima für -sie zu feucht ist; denn die Merinoschafe verlangen trockene Luft und -gedeihen in Steppen am besten. Auf den Sandwichinseln kommen sie nur -mäßig fort, vorzüglich dagegen im Westen der Vereinigten Staaten, -in Argentinien und Uruguay, wo gewaltige Herden dieser geschätzten -Wollerzeuger weiden. - -Ein weniger hochgezüchtetes Edelschaf asiatischer Abstammung als -das Merino ist das der Stammform desselben noch recht nahestehende -~Sardenschaf~, das sich auf der Insel Sardinien in einer starken -Kolonie erhielt und augenscheinlich eine sehr alte Form des -Hausschafes darstellt. Ebenfalls weniger veredelte Abkömmlinge des -asiatischen Wollschafes von Arkalabstammung sind die langschwänzigen -~Zackelschafe~, die in beiden Geschlechtern bald merinoartig gewundene, -bald in langgezogener Spirale abstehende Hörner tragen. Von letzteren, -die man als Zackenhörner bezeichnet, haben sie den Namen Zackelschafe -erhalten. Dieser eigenartige Stamm mit grober Wolle nahm seinen -Ausgangspunkt von Südosteuropa. Die wichtigsten Wohngebiete desselben -sind Kreta, Mazedonien und die übrigen Balkanländer, das Donaugebiet -bis nach Ungarn und Siebenbürgen. Das kretische Zackelschaf ist -ziemlich groß mit kräftigen Beinen und vorwiegend schmutzigweißer -Haarfarbe. Die Spitzen des in Spiraltouren nach rückwärts aufstehenden -Gehörns stehen weit auseinander. Ähnlich gebaut, aber etwas kleiner und -mit beinahe wagrecht auseinander stehenden Schraubenhörnern versehen, -die beim Widder länger als beim Mutterschaf sind, ist das ungarische -Zackelschaf. Sein Fleisch gilt als sehr schmackhaft. Die grobe -Wolle wird zu Teppichen, Decken und groben Zeugen verarbeitet. Die -gegerbte Haut liefert ein weiches Leder. Nahe verwandt mit ihm ist das -mazedonische Zackelschaf. - -Abkömmlinge der osteuropäischen Zackelschafe drangen früher auch nach -Westeuropa vor. Sie spielten unter den früheren wirtschaftlichen -Verhältnissen eine gewisse Rolle, sind aber gegenwärtig meist stark -im Rückgang begriffen. Dahin gehören das jetzt selten gewordene -bayerische ~Zaupelschaf~, das pommersche und hannoversche ~Landschaf~ -und als westlichster Ausläufer das englische ~Norfolkschaf~, das -früher wegen seiner Genügsamkeit eine große Verbreitung besaß. Diesen -Zackelschafen nahe verwandt ist das in der Bergregion des Oberwallis -stark verbreitete, ganz schwarze oder schwarz und weiß gefleckte -~Walliserschaf~. Es erinnert an das Norfolkschaf. Sein ziemlich starkes -Gehörn ist spiralig ausgezogen und von dunkler Färbung; neben behörnten -kommen aber auch hornlose Individuen vor. Ein Abkömmling dieses -Walliserschafes ist das hornlose ~Frutigerschaf~ im Berner Oberland. - -Ein diesem Formenkreis zugehörender starker Seitenzweig von hornlosen -langschwänzigen Schafen umfaßt das stattliche, meist hängeohrige -~Bergamaskerschaf~, daß in den nach Süden mündenden Tälern des -mittleren Alpengebietes gehalten und auf den hohen Alpweiden -gesömmert wird, dann das diesem ähnliche paduanische und steirische -Schaf. Entferntere Ausläufer sind das südfranzösische und ~englische -Bergschaf~, dann das ~Rhön-~ und ~Thüringer Schaf~. - -Mit Schafen dieser asiatischen Arkalabstammung haben wir es stets zu -tun da, wo bei den alten Schriftstellern von Schafen überhaupt die Rede -ist. Von ihm schreibt der römische landwirtschaftliche Schriftsteller -Columella um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr.: „Das Schaf ist -ein äußerst nützliches Tier, es gibt uns Kleidung, Käse, Milch und -verschiedene Gerichte. Am besten ist die weiße Wolle, weil man sie -beliebig färben kann.“ Sein Zeitgenosse Plinius bemerkt: „Großen Wert -hat das Schaf als Opfertier und wegen des Gebrauchs, den wir von seiner -Wolle machen. Es gibt zwei Hauptrassen: die eine ist weichlicher und -wird mit einer Decke belegt, welche man in bester Sorte aus Arabien -bezieht, die andere Art ist die gemeine. In Syrien gibt es Schafe -mit ellenlangen Schwänzen.“ Damit meint er die schon damals dort -gehaltenen Fettschwanzschafe. Der drei Menschenalter vor diesen lebende -gelehrte Römer Varro sagt: „Die tarentinischen und attischen Schafe -haben eine wertvolle Wolle und werden mit Pelzen bedeckt, damit sie -nicht schmutzig werden. Nach der Schur wird das Schaf mit Wein und Öl -gesalbt, wozu einige auch weißes Wachs und Schweineschmalz nehmen. -Wunden, die das Tier bei der Schur bekommt, werden mit Teer bestrichen. -Es gibt auch Leute, welche die Schafe nicht scheren, sondern rupfen, -was früher allgemein üblich war.“ In der Tat ist das Ausrupfen der -Wolle die von Völkern auf primitiver Kulturstufe stets geübte Sitte, -die wir auch den Pfahlbauleuten der späteren Steinzeit zuschreiben -dürfen. Womit sonst als mit den Fingern hätten sich diese die Wolle -ihrer noch wenig hochgezüchteten Schafe holen können! Heute noch wird -allgemein von den Arabern die Kamelwolle mit den Händen ausgerupft und -nie mit der Schere entfernt. Der zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. -lebende griechische Schriftsteller Älian berichtet: „Die lydischen und -mazedonischen Schafe sollen mit Fischen gefüttert und von dieser Kost -fett werden.“ Wir haben früher gesehen, daß solches Futter heute noch -auf Island an die sonst ausschließlich Gras fressenden Haustiere des -Menschen verfüttert wird. - -Nachdem einmal die Schafzucht in den Mittelmeerländern volkstümlich -geworden und ihr Nutzen klar erkannt worden war, kann es uns -nicht wundern, daß hier später auch das einheimische Wildmaterial -der Domestikation umerzogen wurde, um daraus neue Schafrassen -heranzuziehen. Dazu diente das einst sämtliche Bergländer Südeuropas -und der angrenzenden Inseln bewohnende ~Muflon~ (_Ovis musimon_). -Dieses kleinste aller Wildschafe ist der Stammvater der heute nach -dem Norden von Europa gedrängten kleinen, kurzschwänzigen Hausschafe. -Einst auch in Südeuropa gehalten, wurde es hier später vollständig -durch die leistungsfähigeren Hausschafe von asiatischer Arkalabstammung -verdrängt. Das Muflon kommt in Cypern bis zur Höhe von 2000 _m_ vor, -ist auf Sardinien noch vorhanden und lebte vor kurzem auch in Korsika. -Er wird einschließlich des höchstens 10 _cm_ langen Schwanzes 1,25 _m_ -lang, am Widerrist 70 _cm_ hoch und 40-50 _kg_ schwer. Er ist gedrungen -gebaut, in der Rückenlinie dunkelbraun, sonst braunrot gefärbt; dabei -spielt der Kopf ins Aschgraue. Das Gehörn des Bockes ist stark und in -einer Länge von 65 _cm_ nach außen hinten und zuletzt nach innen unten -gebogen; es ist an der Wurzel sehr dick, im Querschnitt dreieckig. Das -merklich kleinere Weibchen unterscheidet sich durch seine mehr ins -Fahle spielende Färbung sowie durch das Fehlen oder seltene Vorkommen -des Gehörns vom Bock. - -Wie der Arkal lebt das Muflon im Gegensatz zum Mähnenschaf in Rudeln, -deren Leitung ein alter, starker Bock übernimmt. Diese Rudel erwählen -sich die höchsten Berggipfel zum Aufenthalt und nehmen hier an -schroffen, fast unzugänglichen Felswänden ihren Stand. Wie bei andern -gesellig lebenden Wiederkäuern halten stets einige Stück sorgfältig -Umschau, um die Genossen bei der Wahrnehmung eines verdächtigen -Gegenstandes sofort zu warnen und mit ihnen flüchtig zu werden. Zur -Paarungszeit trennen sich die Rudel in kleine, aus einem Bock und -mehreren Schafen bestehende Trupps, welche der leitende Widder erst -durch tapfer durchgefochtene Kämpfe sich erworben hat. Das Schaf bringt -im April oder Mai 1-2 Junge zur Welt, die der Mutter schon nach wenigen -Tagen auf den halsbrecherischsten Pfaden mit der größten Sicherheit -folgen und bald ebenso gewandt wie sie klettern. Alle Bewegungen des -Muflon sind schnell, gewandt und sicher. Erwachsene Tiere vermag man -kaum je zu fangen, junge nur dann, wenn man ihre Mutter weggeschossen -hat. Sie gewöhnen sich bald an ihren Pfleger, sind anhänglich an ihn, -bewahren ein munteres, ja mutwilliges Wesen, zeigen aber nur eine -geringe Intelligenz. - -Noch im Altertum muß dieses Wildschaf auf den Gebirgen Südeuropas -recht häufig gewesen sein; denn Julius Capitolinus berichtet, daß -Kaiser Gordian im Jahre 238 n. Chr. 100 wilde Schafe zu den Jagdspielen -nach Rom brachte. Von Kaiser Probus, der von 276 bis 282 n. Chr. -regierte, meldet Flavius Vopiscus, daß er so viel wilde Schafe als er -auftreiben konnte, nach Rom kommen ließ. Schon früh wurde es irgendwo -im östlichen Mittelmeergebiet gezähmt, wozu wohl die hier bereits -gehaltenen ältesten Hausschafe von Mähnenschafabstammung die Anregung -gaben. Schon zur Bronzezeit tauchen, zunächst allerdings noch spärlich, -großgehörnte Hausschafe in den Pfahlbauten nördlich der Alpen auf, -welche durch ihr großes Gehörn und die in ihrem Bau mit denjenigen -des Muflon übereinstimmenden Hornzapfen ihre Herkunft von diesem -südeuropäischen Wildschafe beweisen. Gegen das Ende der Bronzezeit -erscheinen dann auch hornlose Hausschafe in der Schweiz, welche im -Süden von gehörnten Muflonabkömmlingen gezüchtet worden waren. In der -helvetisch-römischen Niederlassung von Vindonissa fanden sich beide -Schafarten nebeneinander vor. In der Folge aber wurden sie hier wie -auch das ältere Torfschaf von den von den Römern eingeführten, mehr und -feinere Wolle liefernden Schafen asiatischer Abstammung verdrängt. Nur -im Norden erhielten sie sich teilweise in eigentlichen Kümmerformen mit -seit der Römerzeit bedeutend verkleinertem Gehörn. Es sind dies die nur -einen halben Meter hoch werdenden, schwarz, braun oder grau gefärbten -~Heideschafe~, die ~Heidschnucken~, die als äußerst genügsame Rasse in -Gebieten mit primitiver Wirtschaft, namentlich in der norddeutschen -Heide bis nach Oldenburg und Ostfriesland, gehalten werden. Nahe -verwandt mit ihm sind das die Bergländer Skandinaviens bewohnende -~skandinavische Schaf~, das ~finnische Schaf~ und das bis nach Sibirien -hineinreichende ~nordrussische Schaf~, dann das ~Hebriden~-, ~Faröer~- -und ~Shetlandschaf~. Das letztere ist bald klein gehörnt, bald hornlos. -Sein Fleisch bildet neben Fischen die Hauptnahrung der Bewohner jener -rauhen Eilande. Der westliche Ausläufer ist das ~isländische Schaf~, -dessen Herden ein elendes Dasein fristen und vielfach mit getrockneten -Fischen ernährt werden. Der Wollertrag ist bei all diesen Zwergformen -ein geringer. - -Im Gegensatz zu diesen überaus genügsamen Heideschafen stehen die -ebenfalls vom Muflon abstammenden ~Marschschafe~, die fette Weide -beanspruchen und auf mageren Triften nur schlecht gedeihen. Ihre -bessere Ernährung macht sich in einer bedeutenderen Größe und großen -Fruchtbarkeit geltend. Ihre Haarfarbe ist schmutzig gelblichweiß, -rötlichbraun oder einfarbig schwarz. Das Hauptmerkmal bildet neben dem -kurzen Schwanz ihre vollkommene Hornlosigkeit. Außer Fleisch und Wolle, -die zu Strickgarn und gröberen Stoffen, wie Teppichen und dergleichen -verarbeitet wird, liefern sie auch Milch, welche zur Käsebereitung -dient. Es sind Vertreter der schon in der Bronzezeit aus dem Süden -nördlich der Alpen eingewanderten hornlosen Schafe, die in den -Marschen Nordwestdeutschlands, Hollands, Belgiens und Nordfrankreichs -heimisch wurden, weiter im Süden aber wie die übrigen Hausschafe von -Muflonabstammung von asiatischen Rassen verdrängt wurden. Es sind -dies die friesischen, holländischen, belgischen und nordfranzösischen -Schafe. Unter letzteren ist besonders das ~Roquefortschaf~ bekannt, -das den berühmten Schafkäse dieses Namens liefert. Dieser wird -in Roquefort, im französischen Departement Aveyron, in der Weise -gewonnen, daß man die zum Gerinnen gebrachte Schafmilch mit von einer -spezifischen Schimmelsorte bewachsenem Brote vermischt. Dieses Brot -wird eigens für die Käsebereitung aus einer Mischung von Weizen- und -Gerstenmehl mit Sauerteig hergestellt und der betreffende Schimmelpilz -darauf zur Ansiedelung gebracht. Der damit hergestellte Schafkäse reift -dann in 30-40 Tagen in Felsenhöhlen, wobei er sich mit einer dicken -Schimmelschicht bedeckt. Diese wird von Zeit zu Zeit entfernt. Diese -Fabrikation ist schon recht alt und wird bereits aus der zweiten Hälfte -des 9. Jahrhunderts erwähnt. - -Außer den drei genannten Wildschafen ist endlich noch ein weiteres -Wildschaf vom Menschen domestiziert worden. Es ist dies das -zentralasiatische ~Argali~ (_Ovis argali_), von den Mongolen so -genannt, ein gewaltiges Tier von der Größe eines dreivierteljährigen -Kalbes, das die spärlich bewaldeten Bergzüge Innerasiens nördlich vom -Hochlande Tibets vom Alatau bis zum Altai und von Akmolinsk im Westen -bis zum Südostrande der mongolischen Hochebene im Osten in einer Höhe -von 600-1000 _m_ bewohnt. Es besitzt ein mächtiges, von der Wurzel -an mit ringsumlaufenden wellenförmigen Wülsten bedecktes Gehörn, das -sich nach hinten außen wendet. Dichtstehende wellige Grannen nebst -feinen, kurzen Wollhaaren bilden das überall sehr gleichmäßige, -jeglicher Mähne entbehrende Haarkleid, dessen vorherrschende Färbung, -ein mattes Fahlgrau, im Gesicht, an Schenkeln wie am Hinterbauch in -ein merklich dunkleres Bräunlichgrau, im Vorderteil der Schnauze, auf -dem breiten Spiegel am Steiß, in der untern Hälfte der Beine aber in -Gräulichweiß übergeht. Es meidet feuchte, waldbedeckte Gebirge und -größere Höhen, lebt das ganze Jahr über etwa auf demselben Gebiete -und wechselt höchstens von einem Bergzuge zum andern. Bis gegen die -Paarungszeit leben Böcke und Schafe getrennt, letztere zu 3-5, erstere -meist einzeln. Kurz vor der Paarungszeit vereinigen sie sich zu kleinen -Herden von 10, höchstens 15 Stück. Während des Sommers frißt das -Argali alle Pflanzen, die auch dem Hausschafe behagen, während des -Winters begnügt es sich mit Flechten, Moos und getrocknetem Gras, die -der Wind auf den Graten durch Wegfegen des Schnees bloßgelegt hat. -Wählerischer als in der Äsung zeigt es sich beim Trinken, da es stets -zu bestimmten Quellen kommt; auch salzige Stellen werden zum Lecken -oft besucht. Solange der Schnee nicht allzudicht liegt, kümmert es -der Winter wenig, denn sein dichtes Fell schützt es gegen die Unbill -der Witterung. Seine Sinne sind ausgezeichnet entwickelt. In seinem -Wesen spricht sich Bedachtsamkeit und Selbstbewußtsein aus; es ist -neugierig, wenig scheu, zeigt sich aber überall sehr vorsichtig, wo es -durch wiederholte Verfolgung von seiten des Menschen gewitzigt wurde -und seine heimtückische Art kennen lernte. Die Jagd darauf ist durchaus -nicht leicht. Sein Fleisch ist trotz seines strengen Beigeschmacks -wohlschmeckend und wird von den Mongolen und Kirgisen sehr geschätzt. - -Bei solchen Vorzügen ist es kein Wunder, daß sich der Mensch schon -früh auch dieses Wildschafes bemächtigte, um es der Domestikation -zu unterwerfen. Es ist der Stammvater der großhörnigen Schafe, -die in Zentralasien innerhalb der Verbreitungszone des Argali als -Schlachttiere und Wollspender besonders auf der Salzsteppe gehalten -werden. Dabei hat sich im Haustierstande das Gehörn verkleinert. Noch -am wenigsten ist dies der Fall bei den Hausschafen Russisch-Turkestans, -mehr dagegen bei denen Tibets und der Südabhänge des Himalaja von -Kumaon bis Sikkim. Bei diesen tragen beide Geschlechter Hörner, und -zwar stoßen sie wie beim Argali auf der Stirne fast zusammen; dabei -sind sie nach außen hin um den Kopf gewunden und noch reich mit -Querwülsten versehen in derselben Weise wie beim Argali. - -Durch spezielle Züchtung zur Vermehrung des den Hirtenvölkern so -wertvollen Fettes, dessen sie sich zum Braten der Mehlspeise und -des Reises bedienten, entwickelten sich aus ihnen im Laufe der Zeit -die ~Fettsteißschafe~. Da der Schwanz bei ihnen im Gegensatz zu -den Abkömmlingen des Arkal zu kurz war, um ihn zur Fettablagerung -heranzuziehen, wurde der Steiß dazu ausersehen. Hier bildet die -Fettmasse zwei gewölbte Kissen, die ansehnliche Größe erreichen können. -Auch dieses Schaf besitzt wie die andern Rassen von Argaliabstammung -in beiden Geschlechtern spiralig um den Kopf gewundene Hörner mit -Querwülsten, die aber bei manchen hochgezüchteten Rassen schon -ziemlich klein geworden, ja teilweise bei den Weibchen ganz in -Wegfall gekommen sind. Es ist dies speziell beim ~Tatarenschaf~ der -Fall, das vom Ostrand des Schwarzen Meeres bis zum Baikalsee das am -häufigsten gehaltene Schaf ist und den Hauptreichtum der dortigen -Steppenvölker bildet. Bei den Kirgisen gilt noch heute die uralte -Sitte, das einjährige Lamm als Tauscheinheit zu betrachten, wie bei den -alten Römern vor dem Aufkommen der Münzen durch die Vermittlung der -süditalischen Griechen das Kleinvieh (_pecus_) die Werteinheit bildete, -woher noch der spätere Ausdruck _pecunia_ für Geld, Vermögen herrührt. - -Beim Tatarenschaf ist der Kopf gestreckt, der Nasenrücken nur wenig -gewölbt und die Ohren sind als Zeichen längerer Domestikation durch -Degeneration der sie aufrichtenden Muskeln hängend geworden. Die Widder -sind stärker behörnt als die Mutterschafe, die stets kleinhörnig sind, -wenn sie überhaupt noch, was sehr häufig der Fall ist, Hörner besitzen -und nicht völlig hornlos geworden sind. Der Fettklumpen am Steiß ist -sehr umfangreich und gleicht zwei miteinander verwachsenen Halbkugeln, -zwischen denen ein ganz kurzer Schwanzstummel hervorragt. Die Haarfarbe -ist meist weiß, seltener rotbraun oder schwarz. Die filzige Wolle -ist kurz und grob und zum Versponnenwerden ungeeignet. Östlich vom -Baikalsee und der Mongolei schließt sich an das Tatarenschaf das -ebenfalls vom Argali abzuleitende, aber als Zeichen einer sehr hoch -getriebenen Zucht bereits völlig hornlos gewordene ~chinesische Schaf~, -das allerdings nur einen schwach entwickelten Fettsteiß besitzt, da -seine Züchter als Ackerbauer im Sesam und in manchen auf Öl angebauten -Retticharten genugsam pflanzliches Fett zur Verfügung hatten, so daß -sie auf die Gewinnung tierischen Fettes kein besonderes Gewicht legten. - -Von seiner zentralasiatischen Heimat hat sich das Fettsteißschaf von -Argaliabstammung auch weithin nach Süden verbreitet, so nach Persien -und Arabien. Von letzterem Lande verbreitete es sich in die Länder -am oberen Nil bis in das Gebiet der Dinkas, die es ebenfalls halten, -und in die Somaliländer, wo es überall in Menge gezüchtet wird. Es -ist wie das chinesische Schaf als hochgezüchtetes Hausschaf in beiden -Geschlechtern völlig hornlos geworden und fast stets von weißer Farbe -mit tiefschwarzem Kopf und Hals. In der Gegend von Massaua fand C. -Keller neben schwarzköpfigen Schafen auch braungefärbte und gefleckte -Tiere. Häufig pflegt man ihnen die Ohren bis auf einen kurzen Stumpf -abzuschneiden. Es hat gleichfalls keine verspinnbare Wolle, sondern ein -straffes, glattanliegendes Grannenhaar. Für die es haltenden Stämme -ist es fast ausschließlich Fleischlieferant; daneben bilden die Häute -einen nicht unwichtigen Exportartikel. Bei Abmagerung verschwindet der -überhaupt schwach entwickelte herzförmige Fettsteiß fast vollständig. -Auch Südafrika besitzt Fettsteißschafe; ebenso der ostafrikanische -Archipel, doch sind sie dort nicht zahlreich. Im Innern von Madagaskar -findet man sie bei den Howas, aber in einer degenerierten Rasse, deren -Fleisch trocken ist. An der Küste dieser großen Insel scheinen sie -nicht zu gedeihen. Von Persien aus nach Osten nehmen sie rasch an -Menge ab und erreichen nicht mehr Indien, das als von vorzugsweise -Ackerbauern bewohnt und mit einem heißen Klima ausgestattet, geringen -Bedarf an tierischem Fett besaß. In Birma wurden sie erst 1855 -eingeführt, sind jedoch dort nicht von Bedeutung geworden. - -Wenn wir Europäer uns auch keine Fettsteißschafe wünschen, so wäre -es doch sehr angezeigt, wenn ein Tierzüchter wie Herr Falz-Fein in -seinem großen Tierpark Askania Nova auf der südrussischen Steppe oder -ein Tierimportgeschäft wie dasjenige Hagenbecks in Stellingen bei -Hamburg den Argali aus seiner Gebirgsheimat zu Zuchtzwecken in Europa -einführen würde. Es würde sich außer zur selbständigen Zucht besonders -zur Kreuzung mit den teilweise durch Inzucht degenerierten Hausschafen -sehr eignen. So hat man in solcher Weise das leichter zu erlangende -Muflon mehrfach zur Bastardierung mit Hausschafen verwendet. Beide -Wildschafarten wären auch, wie das in derselben Weise zu benützende -zentralasiatische Wildschaf _Ovis poli_ (nach dem Venezianer Marco -Polo so genannt) und andere Wildschafe teils aus Asien, teils aus -Nordamerika zur Akklimatisation zum Zwecke der Belebung der Alpen und -Voralpen geeignet und böten zudem dem Jäger ein willkommenes Wildpret. - -[Illustration: Bild 21. Altägyptische Tierärzte, kranke Haustiere -behandelnd. - -1. Fütterung kranker Gänse. 2. Behandlung von zwei zahmen -Säbelantilopen durch den Priester Nechta. 4. Behandlung kranker Ziegen. -Das Vorderbein ist festgebunden, damit das Tier stillhält. 7. Kranke -Rinder erhalten Medizin. - -(Nach Wilkinson.)] - -Von andern Horntieren aus der Familie der Paarzeher kämen zur -Domestikation von seiten des Menschen noch verschiedene ~Antilopen~ -in Betracht, von denen tatsächlich auch verschiedene Vertreter von -den alten Ägyptern zu Haustieren erhoben wurden, deren Zucht aber -später wieder vollkommen verloren ging. So finden wir in Grabmalereien -des Alten Reiches, der 4., 5. und 6. Dynastie (2980-2475 v. Chr.), -neben Ziege und Schaf auch den einheimischen ~Steinbock~ (_Capra -sinaitica_), die ~Gazelle~ (_Antilope dorcas_), die ~Säbelantilope~ -oder ~Steppenkuh~ (_Oryx leucoryx_) und den ~Wasserbock~ (_Kobus -ellipsiprymnus_) in des Menschen Hegung und Pflege. Nach den -begleitenden Inschriften müssen diese damals auf den Gütern der -Fürsten große Herden gebildet haben und mit Schafen, Rindern und -Ziegen zusammen geweidet haben. Zur Zeit der 12. Dynastie, während des -Mittleren Reiches (2160-1788 v. Chr.), bildete nur noch eine der drei -Antilopenarten, die Säbelantilope, von Hirten bewachte Herden, während -die beiden andern samt dem Steinbocke wieder wie in Urzeiten als Wild -gejagt wurden. Und wieder ein Jahrtausend später, zur Zeit des Neuen -Reiches (1580 bis 1205 v. Chr.), war auch diese letzte Gazellenart -in Ägypten aus der Zucht von seiten des Menschen verschwunden, und -blieben fortan von Paarzehern außer Rindern nur Schafe und Ziegen als -Haus- und Nutztiere der Bewohner des Nillandes zurück. Der französische -Archäologe François Lenormant meint in seinem Buche: _Les premières -civilisations_, dessen erster Teil die vorhistorische Archäologie -Ägyptens betrifft, daß der Einfall der Hyksos- oder Schasu-Beduinen -(um 1650 v. Chr.) dieser nationalägyptischen Zucht ein Ende bereitet -habe. Es ist dies höchst wahrscheinlich und dieses Ereignis nicht nur, -wie Julius Lippert in seiner Kulturgeschichte der Menschheit (Bd. 1 S. -503) glaubt, der Schlußmoment in einem ganz natürlichen Ausleseprozeß; -denn es ist nicht einzusehen, weshalb diese Tiere nicht fernerhin in -des Menschen Hegung und Pflege hätten bleiben können. - -Dieser Autor schreibt daran anschließend: „Wir dürfen uns diese älteste -Art ‚Zähmung‘ großer Herden, die niemals die freie Weide verließen, -nicht anders vorstellen, als etwa die Hegung des Wildes in unseren -‚Tiergärten‘, nur daß die großen Besitzer etwa die gegen die Wüste hin -offene Grenze ihres Geheges durch ein Überwachen mit Hirten und Hunden -abschlossen, während gegen das fruchtbare Land hin Wassergräben die -Grenze bildeten. Welche Verwendung solche zur Güterbegrenzung fanden, -das bezeugt unter anderem die ägyptische Vorstellung vom Jenseits, -das nicht ohne solche Begrenzung gedacht werden konnte. Nach der -Wüste hin mochten aber den Hirten natürliche Terrainverhältnisse zu -Hilfe gekommen sein, abgesehen davon, daß die oasenartig gelegenen -Weiden selbst Anziehungspunkte für die wilden Herden der Grasfresser -bildeten. Darstellungen von Jagdszenen zeigen uns, wie die so von -Hunden zusammengedrängten Tiere lebendig ergriffen wurden, während man -andere durch die Fangleine zu Falle brachte. Während sich dieser Stufe -von Hegung noch eine große Anzahl von Weidetieren willig anbequemte, -mußte bei einer näheren Heranziehung an das stabile Haus des Menschen -immer mehr Gattungen ausscheiden, während Schaf und Ziege als die -ausgesiebten Arten auch dann noch zurückblieben.“ - -Was die Darstellungen an den Grabwänden der Vornehmen aus der 4. und 5. -Dynastie anbetrifft, so finden wir also die Säbelantilope (altägyptisch -_mut_ genannt), die Gazelle (altägyptisch _kehes_) und den Wasserbock -(altägyptisch _nutu_) mit dem noch heute auf dem Gebirge zwischen -Niltal und Rotem Meer besonders in Mittelägypten vorkommenden Steinbock -(altägyptisch _naâ_) vollkommen domestiziert auf den Gütern der Großen -des Reichs angesiedelt. Daß sie sich als echte Haustiere auch in der -Gefangenschaft fortpflanzten, beweist schon die Szene aus dem Grabe -des Nub hotep aus der 4. Dynastie der großen Pyramidenerbauer von -Giseh (2930-1750 v. Chr.), die zeigt, wie mitten in der Herde eine -Gazelle ihr Junges an ihrem Euter trinken läßt, dann die verschiedenen -Darstellungen, in denen die Hirten auf ihren Armen oder auf ihren -Schultern die Antilopenjungen wie junge Kälber, Zicklein und Lämmer -tragen. Im Grabe des Ma nefer der 5. Dynastie (2750-2625 v. Chr.) in -Sakkara sehen wir, wie Hirten außer den Säbelantilopen, Gazellen, -Wasserböcken und ägyptischen Steinböcken auch ~Springböcke~ (_Antilope -euchore_) -- altägyptisch _schekes_ genannt -- herbeitreiben, um -sie von den Schreibern notieren zu lassen. Es ist dies die einzige -Darstellung dieser Antilope im Stande der Hegung; denn auf allen -andern Bildern wird sie stets nur als von den Windhunden der Ägypter -verfolgtes Wild dargestellt. Diese Antilopenart muß also nur ganz -vorübergehend in des Menschen Zucht gestanden haben. - -Welchen Umfang diese Antilopenzucht in Ägypten in der ersten Hälfte -des dritten vorchristlichen Jahrtausends angenommen hatte, beweist -die Inschrift auf dem Grabe des Sabu in Sakkara aus der 6. Dynastie -(2625-2475 v. Chr.), in welcher als Besitztum des Verstorbenen 1235 -Rinder und 1220 Kälber der für gewöhnlich dargestellten langhörnigen -Rasse, 1360 Rinder und 1138 Kälber der kurzhörnigen Rasse, 405 Rinder -einer besonderen, seltenen Rasse nebst 1308 Säbelantilopen, 1135 -Gazellen und 1244 Wasserböcke angegeben sind. - -Ein Basrelief des Grabes des Itefa in Sakkara aus der 5. Dynastie -stellt, wie leicht zu erkennen ist und zudem durch eine begleitende -Inschrift erläutert wird, die Mästung der Säbelantilope, des -Wasserbocks und des Rindes dar, indem den betreffenden Tieren durch -einen Knecht ein besonders nahrhafter Mehlteig mit der Hand ins Maul -gestrichen wird. - -In den Grabdarstellungen des Mittleren Reiches (11. und 12. Dynastie, -2160-1788 v. Chr.) findet sich, wie gesagt, keine Spur mehr von der -Zucht der Gazelle und des Wasserbocks. Diese Tiere finden sich nur -noch als Jagdwild dargestellt. Einzig die Säbelantilope findet sich -noch in größeren Herden gezähmt. In den berühmten Grabmälern von Beni -Hassan aus der 12. Dynastie (2000-1788 v. Chr.) sehen wir die Herden -dieser Antilopenart durch ihre Hirten geführt neben Herden von Rindern, -Schafen und Ziegen. Im Grabe des Num hotep, dem schönsten von allen, -hat der Künstler ebenfalls das Mästen der Säbelantilopen durch den mit -der Hand ins Maul gestrichenen Mehlteig dargestellt, neben solchem von -Rindern, Ziegen und Gänsen vermittelst desselben Verfahrens. - -Erst in den Grabmalereien des Neuen Reiches (18. u. 19. Dynastie, -1580-1205 v. Chr.) ist auch die Haltung von Säbelantilopen völlig -aufgegeben worden und finden wir darin auch dieses Wild nur vom -Menschen mit Hilfe von Windhunden aller Art gejagt. - -Leider ist später nie mehr ein Domestikationsversuch mit diesen -und andern Gazellen gemacht worden. Und weiter südlich hat der auf -niedriger Kulturstufe stehengebliebene Neger niemals an solche -Errungenschaften gedacht. Selbst die Europäer taten es nicht, als sie -sich am Kap der Guten Hoffnung festsetzten. Da schossen die Buren -mit ihren weittragenden Flinten vielfach zwecklos jene gewaltigen -Antilopenherden zusammen, denen sie zu gewissen Jahreszeiten auf deren -Wanderungen begegneten. Unter ihnen wird die ~Kuhantilope~ (_Bubalis -caama_), das Hartebeest der Buren oder Kama der Betschuanen, wenn von -Jugend an unter menschlicher Pflege stehend, ungemein zahm und folgt -ihrem Pfleger auf dem Fuß. Erst erwachsen zeigt sich insbesondere bei -den Böcken die Rauflust ihres Geschlechts. - -Besonders geeignet und recht eigentlich dazu prädestiniert, vom -Menschen in Zucht genommen zu werden, ist die gewaltige, am Widerrist -bis gegen 2 _m_ Höhe und ein Gewicht von 1000 _kg_ erreichende -~Elenantilope~ (_Buselaphus oreas_). Nach den übereinstimmenden -Berichten der Reisenden sollen diese Tiere auf weite Entfernungen kaum -von den Zeburindern zu unterscheiden sein, weil auch die Stellungen -und Bewegungen der ruhenden und grasenden Tiergestalten ganz dieselben -sind. Nach Holub soll zwar der Kaffernstamm der Matabeles Herden zahmer -Elenantilopen besessen haben; doch ist dies nur eine vorübergehende -Zucht gewesen, die keine weiteren Folgen zeitigte. Jedenfalls sollte -unbedingt auch von europäischer Seite der Versuch der Zähmung dieser -größten aller Antilopen gemacht werden, bevor sie vom Erdboden -verschwindet; denn sie besitzt auch erwachsen, im Gegensatz zu den -rauflustigen Kuhantilopen, einen recht gutmütigen, sanften Charakter -und pflanzt sich auch in der Gefangenschaft ohne alle Schwierigkeiten -fort. Ihr Fleisch wird als ganz vorzüglich gerühmt. - - - - -V. Das Schwein. - - -Ausschließlich zur Gewinnung von Fleisch und Fett hat der Mensch das -Wildschwein in den Haustierstand erhoben. Während der wandernde Nomade -hierzu in erster Linie das Schaf mit den ihm am Schwanz oder am Steiß -angezüchteten Fettmassen benutzte, hielt sich der ansässige Ackerbauer -an das von ihm leichter zu haltende Schwein. In den sumpfigen -Waldstrecken muß der Mensch gar häufig dem Wildschwein begegnet sein -und es, wie uns schon die paläolithischen Darstellungen desselben -an den Wänden von Höhlen Nordspaniens und Südfrankreichs beweisen, -mit Vorliebe erlegt und gegessen haben. Aber nicht das europäische, -sondern das südasiatische Wildschwein ist zuerst in menschliche Pflege -genommen und zur Würde eines Haustieres erhoben worden. Dies geschah -wohl einfach so, daß eines selbständigen Lebens ohne Muttermilch -fähige ältere Frischlinge nach Tötung der Mutter gefangen und in -eingehegte Plätze gesperrt wurden, um sie großzuziehen und gelegentlich -bei Nahrungsmangel infolge Unergiebigkeit der Jagd zu verspeisen. -Südostasien ist der weitaus älteste Herd der Schweinezucht, die jetzt -noch dort eine wichtige Rolle spielt. Dort wurde das einheimische -Wildschwein in Pflege genommen. Es ist dies das ~Bindenschwein~ (_Sus -vittatus_), so genannt, weil es eine von der Wange über den Hals -verlaufende weiße Binde aufweist, ein Überbleibsel der aus dunkeln -Längsstreifen bestehenden Zeichnung der älteren Schweine, die sich -noch im Jugendkleide auch unseres erwachsen nicht mehr gestreiften -europäischen Wildschweins zeigt. Dieses Bindenschwein wird jetzt -hauptsächlich auf Java, Sumatra und Borneo gefunden, war aber einst -höchstwahrscheinlich auch in Hinterindien verbreitet. Von dort kam -es gezähmt schon sehr früh nach China, wo es bereits im vierten -Jahrtausend v. Chr. in Menge gezüchtet wurde; ebenso nach Indien und -Westasien, von wo es bereits zu Beginn des dritten vorchristlichen -Jahrtausends nach Ägypten vorgedrungen war. So hat Flinders Petri aus -der 1. Dynastie (3400 bis 3200 v. Chr.) eine recht gute Umrißzeichnung -des Schweins in Oberägypten gefunden, das offenbar gemästet war -und wie die indischen Schweine Stehohren besitzt. Von da an fehlen -bildliche Darstellungen des altägyptischen Hausschweins bis zur Zeit -des Neuen Reiches (18. und 19. Dynastie, 1580-1205 v. Chr.), so daß -man früher glaubte, das Schwein sei erst zur Zeit der 18. Dynastie -ins Niltal eingeführt worden. Dies ist aber durchaus falsch. Von der -ältesten Königszeit an wurden Schweine in Ägypten gehalten und, wie -uns griechische Schriftsteller mitteilen, zum Eintreten der Saat in -den frisch gepflügten und geeggten Acker benutzt; doch galten sie -dem Ägypter, wohl weil sie gelegentlich auch Aas verzehrten, als -unreine Tiere, und so hütete man sich eben, sie an den Wänden der -Tempel und Grabkammern abzubilden. So berichtet der zu Beginn des 2. -Jahrhunderts n. Chr. lebende Claudius Älianus in seinem griechisch -geschriebenen Werk über die Tiere: „Das Schwein ist so gefräßig, daß -es weder seine eigenen Jungen, noch menschliche Leichen verschont; -deshalb verabscheuen es die Ägypter. Der Ägypter Manetho, ein Mann -(Priester) von hoher Weisheit, behauptet auch, daß man aussätzig wird, -wenn man Schweinemilch genießt.“ Lange vor ihm schrieb der griechische -Geschichtschreiber Herodot, der im 5. Jahrhundert v. Chr. Ägypten -selbst bereiste: „Bei den Ägyptern gilt das Schwein für ein unreines -Tier. Wird jemand zufällig von einem solchen am Kleide berührt, so -geht er gleich an den Fluß und wäscht sich. Unter allen eingeborenen -Ägyptern sind die Schweinehirten die einzigen, die in keinen Tempel -gehen dürfen; auch kann ein Schweinehirt in Ägypten nur die Tochter -eines Schweinehirten heiraten, weil ihm kein anderer seine Tochter -gibt. Keiner Gottheit opfern die Ägypter ein Schwein, mit Ausnahme -der Mondgöttin und dem Bacchos, und zwar bei Vollmond. Das Schwein, -das diesen Gottheiten geopfert wird, wird noch an demselben Tage -gegessen. Arme Leute, welche kein wirkliches Schwein haben, backen -eins aus Teig und opfern es.“ Herodot sah selbst, wie die Schweine im -Nildelta zum Einstampfen der Saat verwendet wurden. Bei einem Tiere, -das so verachtet war, daß diejenigen, die sich mit dessen Aufzucht -befaßten, nicht einmal einen Tempel betreten durften, um ihn nicht zu -verunreinigen, ist es kein Wunder, daß es in der älteren Zeit nicht -an heiligen Bauten dargestellt wurde. Erst zur Zeit der 18. Dynastie -war man so freidenkend geworden, daß man in Grabdenkmälern jener Zeit -in Theben dieses Borstentier wie die übrigen Herdentiere darstellte. -Aber auch damals werden nur die Ärmsten in Ägypten das Fleisch dieses -verachteten Tieres gegessen haben. - -[Illustration: Bild 22. Altägyptische Darstellungen von Schweinen aus -der Zeit des Neuen Reichs. 1. Ein Mutterschwein mit Jungen. 2. Ferkel. -3. Eber, _a_ geknotete Peitsche, mit welcher die Schweine auf die Weide -getrieben wurden. (Nach Wilkinson.)] - -Anders als in Ägypten stand es im alten Griechenland und Rom, wo das -Wildschwein im Gegensatz zum Niltal, wo es in geschichtlicher Zeit -ausgerottet war, häufig vorkam, viel gejagt und sein Fleisch gern -gegessen wurde. Dementsprechend war auch das Fleisch des Hausschweines -als Speise geschätzt. Schon bei Homer ist vielfach von Herden des -zahmen Hausschweins die Rede und war der Stand der Schweinehirten -durchaus nicht verachtet, sonst wäre dem Sauhirten des Odysseus auf -Ithaka mit Namen Eumaios sicher nicht der Ehrentitel des „Göttlichen“ -gegeben worden. Nach dem Urteile der gebildetsten Griechen hatte -die Schweinezucht viele Vorteile für sich. So schreibt der berühmte -Aristoteles im 4. Jahrhundert v. Chr.: „Von allen Tieren gewöhnt sich -das Schwein am leichtesten an jedes Futter, wird auch am schnellsten -groß und dick. In 60 Tagen kann man es ausmästen. Wer sich mit der Mast -beschäftigt, füttert die Schweine die drei ersten Tage mager, dann -werden sie bei gutem Futter desto schneller fett, wie meist alle Tiere, -die recht ausgehungert sind. Das Fettwerden wird durch Ruhe befördert -und geht beim Schwein schneller vor sich, wenn es sich im Schlamm -wälzen kann. Dieses Tier kämpft selbst gegen den Wolf.“ - -Wie bei den Griechen wurde auch bei den Römern eine ausgedehnte -Schweinezucht getrieben und dieses Haustier mit Vorliebe als Opfer -geschlachtet. Der gelehrte Varro (116-27 v. Chr.) meint sogar -- -allerdings durchaus falsch -- die griechische Bezeichnung _hys_ habe -ursprünglich _thys_ gelautet und daher komme das Verbum _thýein_ -opfern. Er fährt dann fort: „Schweine scheinen die ersten Opfertiere -gewesen zu sein. Beim Anfang der Ernte, beim Schließen von Bündnissen, -bei Hochzeiten werden Schweine geopfert. - -Der Sage nach hat die Natur das Schwein geschaffen, daß es verschmaust -werden soll, auch hat sie ihm, da sie es nicht von vornherein einsalzen -wollte, die Seele statt des Salzes gegeben, um sein Fleisch, solange -es lebt, vor Fäulnis zu schützen. Die besten Speckseiten und Schinken -kommen aus Gallien nach Rom. Cato sagt, daß in Gallien die Schweine -so fett werden, daß sie weder stehen noch gehen können und auf Wagen -fortgeschafft werden müssen, wenn sie an einen anderen Ort sollen. Der -Spanier Attilius, ein durchaus rechtlicher Mann, sagte mir, daß ihm der -Senator Volumnius von einem in Lusitanien (Portugal) geschlachteten -Schwein ein Stück Fleisch mit zwei Rippen zusandte, das 23 Pfund wog; -die Dicke des Specks habe von der Haut bis zu den Knochen 1 Fuß 3 -Zoll betragen. Es hat mir auch jemand gesagt, er habe in Arkadien ein -Schwein gesehen, das sich vor Fett nicht rühren konnte, und in dessen -Speck eine Maus nistete. Das soll auch anderwärts vorgekommen sein. - -Für das Schweinevieh paßt eine sumpfige Weide am besten; denn es hat -seinen Gefallen an Wasser und Schlamm. Das Hauptfutter besteht aus -Eicheln, Bohnen, Gerste und anderem Getreide, davon wird es fett und -wohlschmeckend. Im Sommer treibt man es früh auf die Weide, bevor -die große Hitze eintritt, mittags bringt man es im Schatten und bei -Wasser unter, abends läßt man es abermals weiden. Im Winter treibt -man es nicht eher aus, als bis Reif und Eis weggetaut sind. Die -ersten Jungen bekommt man von den Sauen, wenn sie zwei, die letzten, -wenn sie sieben Jahre alt sind. Man läßt die Ferkel (_porculi_) zwei -Monate bei der Alten und trennt sie dann, zu welcher Zeit sie schon -fressen können, von ihr. Die im Winter geborenen sind klein, werden -auch schlecht gesäugt, weil die Alte dann wenig Milch hat und die -Ferkel ihr aus Hunger die Euter wund beißen. Man gibt der Sau mit -ihren Ferkeln einen eigenen Koben. Dieser wird gehörig rein gehalten -und öfters nachgesehen, ob die Alte ein Junges totgedrückt hat. Sie -bekommt übrigens zweimal jährlich Junge. Um die Milch zu vermehren, -muß sie gut gefüttert werden, namentlich mit eingeweichter Gerste. -Solange die Jungen saugen, heißen sie _lactentes_. Die Saugschweinchen -sind vom 10. Tage an zu Opfern tauglich und heißen deshalb _sacres_. -Abgesetzte Saugschweine heißen _delici_ oder gewöhnlicher _nefrendes_, -weil sie noch keine Bohnen kauen (_frendere_) können. _Porcus_ ist -ein altgriechisches Wort. Jetzt sagen die Griechen _choíros_. Die Sau -(_scrofa_ oder _varro_) muß, wenn sie säugt, täglich zweimal getränkt -werden. Eigentlich muß sie so viel Junge bekommen, als sie Euterstriche -hat. Bekommt sie weniger, so taugt sie nicht zur Zucht; bekommt sie -mehr, so weissagt sie dadurch Wunderdinge. Das älteste bekannte -Beispiel dieser Art stammt von der Sau des Äneas, welche 30 weiße -Ferkel bekam. Die Prophezeiung traf ein, indem 30 Jahre später die -Lavinienser die Stadt Alba gründeten. Noch jetzt findet man in Lavinium -die Bildnisse der 30 Ferkel in Bronze aufgestellt und die Sau selbst -wird, gut eingesalzen, von den Priestern gezeigt. - -Die Schweine werden vom Schweinehirten gewöhnt, alles nach dem Klang -des Hirtenhorns zu tun. So z. B. stößt er ins Horn, wenn er sie aus -den Ställen läßt, wenn er sie im Walde zusammenruft usw. Die Herde -alter Schweine kann aus 100 bis 150 Stück, diejenige junger aus doppelt -soviel bestehen.“ - -Der ältere Plinius schreibt: „Wenn Schweine ihre Jungen fressen, so -sieht man das nicht als schlimme Vorbedeutung an. Das Ferkel gibt am 5. -Tage ein reines Opfer, das Lamm am 8., das Kalb am 30. Das Schwein ist -überaus dumm, doch kennt man auch ein Beispiel, daß gestohlene Schweine -die Stimme ihres Herrn erkannten, das Schiff, auf das die Räuber sie -gebracht, versenkten, indem sie auf der einen Seite das Übergewicht -gaben, und dann zurückschwammen; auch lernen die Anführer der Herde den -Markt und die Häuser finden. Die Kunst, bei Sauen eine große Leber wie -bei Gänsen zu erzeugen, ist eine Erfindung des Marcus Apicius (eines -berühmten Feinschmeckers, der auch ein Kochbuch für die feine Küche -schrieb) und besteht darin, daß man sie mit trockenen Feigen tüchtig -füttert und mästet, ihnen dann Met zu trinken gibt und sie plötzlich -tötet. Kern anderes Tier liefert Speisen von verschiedenerem Geschmack -für die Küche; denn wenn von anderen Tieren jedes nur einerlei -Geschmack hat, so hat das Schwein dagegen fünfzigerlei, weswegen auch -durch mancherlei Gesetze den Zensoren einzelne Teile, wie Euter, Kopf -usw., bei Gastmählern verboten sind; aber freilich kehrt sich nicht -jeder an solche Gesetze.“ Die Feinschmecker Roms begnügten sich aber -in der Regel nicht mit dem gewöhnlichen Schweinefleisch, das auch -gesalzen und geräuchert wurde, wie dies heute noch geschieht, sondern -ließen sich mit Vorliebe solches aus Sardinien kommen, von wo aus große -Schweinezüchter (_suarii_), die zur Kaiserzeit besondere Rechte erlangt -hatten, den Markt mit besonders feiner Ware versorgten. - -Welcher Tafelluxus im kaiserlichen Rom und im üppigen Alexandreia -herrschte, zeigen uns folgende Tatsachen. Petronius meldet: „Die -Tafel war gedeckt: ein ganzer gebratener Eber ward aufgetragen. Das -Jagdmesser wurde erhoben und in des Ebers Bauch gestoßen, -- da flogen -zur Belustigung der Gäste aus der Wunde Drosseln hervor.“ Der um 220 n. -Chr. in Alexandreia lebende Grieche Athenaios erzählt, wie bei einem -Gastmahle eine silberne, reichvergoldete große Schüssel auf die Tafel -kam, auf der ein erwachsenes Schwein gebraten auf dem Rücken lag und -seine Beine zum Himmel streckte. Als sein Bauch mit einem Schnitte -geöffnet ward, fand sichs, daß es mit gebratenen Drosseln, anderen -kleinen Vögeln, Austern usw. gefüllt und in die Zwischenräume Eidotter -gebracht war. - -Ein anderes Mal ward ein Schwein aufgetragen, an dem mit Aufwand -großer Kunst die eine Hälfte gebraten, die andere gekocht war. Alle -bewunderten dies Gericht. Drob freute sich der Koch, nahm eine stolze -Miene an und fragte: Na, wer von euch kann angeben, wie das Tier -geschlachtet und wie sein Bauch mit tausend herrlichen Leckerbissen -gefüllt ist? Er enthält Drosseln, andere kleine Vögel, gehacktes -Schweinefleisch, Eidotter, Hühner, gepfefferte Fleischklößchen usw. Der -Schriftsteller Macrobius sagt, daß diese mit kleinen Tieren gefüllten -Schweine von den Kennern in Anlehnung an das sagenhafte trojanische -Pferd Trojanische genannt wurden. - -Der Geschichtschreiber Älius Lampridius berichtet in seiner Biographie -des Alexander Severus (222-235 n. Chr.), dieser Kaiser pflegte sich -während der Mittagstafel damit zu belustigen, daß er spielende -Spanferkel oder kämpfende Rebhühner oder hin und her fliegende Vögel -betrachtete. Seine Vogelhäuser enthielten Pfauen, Fasane, Haushühner, -Enten, Rebhühner und eine Unzahl Tauben. Als unter seiner Regierung -das römische Volk sich über eine Fleischteuerung beklagte, habe -er Erkundigungen eingezogen und erfahren, daß es vorzüglich an -Schweine- und Rindfleisch fehlte. Da gab er den Befehl: Niemand dürfe -eine säugende Sau, ein saugendes Ferkel, eine alte oder junge Kuh -schlachten. Da sei schon in zwei Jahren Fleisch in Menge und wohlfeil -zu haben gewesen. - -Nicht selten sind uns bildliche Darstellungen des Schweins aus -römischer Zeit erhalten geblieben, die, wie beispielsweise das -prächtige Basrelief vom großen Staatsaltar auf dem Forum Romanum, eine -durch weitgehende Zucht kurzköpfige, sehr mastfähige Rasse mit runden -Formen zeigen. Deren Beziehungen zum indischen Hausschwein sollen nach -C. Keller recht deutlich ausgeprägt sein. Noch heute ist das asiatische -Blut im Hausschwein der römischen Kampagna unverkennbar. Dieselbe -Schweinerasse wurde nach Überresten in Herculanum und Pompeji zur Zeit -von deren Untergang gehalten; eine in Portici gefundene Bronzestatuette -bringt deren Merkmale sehr charakteristisch zum Ausdruck. - -Bei den alten Germanen war die Schweinezucht sehr beliebt, da dieses -Tier nach dem Pferd den beliebtesten Braten lieferte und deshalb gern -geopfert wurde. Unter den Karolingern wurde es viel gehalten. So -schärfte Karl der Große seinen Verwaltern ein, diese Tiere in möglichst -großer Zahl auf seinen Landgütern zu halten. So finden wir in den -Verzeichnissen der Königshöfe eine große Zahl derselben, so in Asnapium -260 große und 100 kleine Schweine, daneben 5 Eber, in Grisenweiler 150 -große und 100 kleine Schweine. Sie wurden in die Wälder zur Eichel- und -Buchenmast getrieben. Außer eingesalzenem Fleisch, besonders Schinken -und Speck, wurden auch Würste beim Schweineschlachten im Frühwinter -hergestellt. Schon im 12. Jahrhundert begannen westfälische Schweine -und Schinken berühmt zu werden. Noch das ganze Mittelalter hindurch -wurden wilde Eber auf zahme Sauen gesetzt, um eine bessere Zucht zu -erlangen. - -Das älteste Hausschwein der vorgeschichtlichen Völker Süd- und -Mitteleuropas war nach den auf uns gekommenen Schädelüberresten nicht -ein Abkömmling des gezähmten einheimischen Wildschweins, sondern, -wie die genau vorgenommenen vergleichend anatomischen Feststellungen -beweisen, ein solcher des südasiatischen Bindenschweins. In den -ältesten Pfahlbauten und Landniederlassungen Mitteleuropas der -neolithischen Zeit fehlte dieses zahme Hausschwein südasiatischer -Herkunft noch durchaus. Es tritt uns erst in einer späteren Zeit -der neolithischen Kultur in Überbleibseln entgegen und wurde dann -namentlich in der Bronzezeit in steigender Menge gehalten. Es ist -dies das ~Torfschwein~ (_Sus scrofa palustris_), von L. Rütimeyer -so genannt, weil uns eben seine Reste, wie diejenigen der ältesten -Haustiere überhaupt, vorzugsweise in den inzwischen vertorften -Seegründen, wo einst die Pfahlbauniederlassungen gestanden hatten, -entgegentreten. Es war ein zierlich gebautes Tier von mäßiger Größe, -das sich in seinem Schädelbau durchaus von demjenigen des einheimischen -Wildschweins entfernt, aber nahe Beziehungen zu dem des südindischen -Bindenschweins aufweist. Da man es damals nicht in Stallungen bannte, -sondern ähnlich wie das Hausschwein der Malaien der indonesischen -Inselwelt ziemlich frei umherlaufen ließ, wich sein Schädel vom -Wildschweincharakter nur wenig ab. Daher glaubte Rütimeyer zunächst, -daß das Torfschwein ursprünglich wild bei uns gelebt habe. Doch -kam er später von dieser Annahme zurück, und heute wissen wir mit -Bestimmtheit, daß sein Stammvater das südindische Bindenschwein war. -Bei letzterem ist, wie beim Torfschwein, der Schädel verhältnismäßig -kurz, breit und hoch, die Tränenbeine sind kurz und hoch, nähern sich -also der quadratischen Form; der knöcherne Gaumen scheint nach vorn -verbreitert, so daß die vorderen Backenzähne stark auseinandergedrängt -werden. Demgegenüber ist der Schädel des europäischen Wildschweins -und der erst später von ihm gewonnenen Hausschweine niedrig, schmal -und langgestreckt. Die Tränenbeine sind lang und niedrig, also mehr -rechteckig, der knöcherne Gaumen ist nach vorn nicht verbreitert, so -daß die Backenzähne annähernd parallel zueinander stehen. - -Bei allen Schweinen aber ist die Wildform im Bau des Schädels von der -Kulturform verschieden. Erstere wühlt im Boden nach eßbaren Knollen und -Wurzeln, letztere hat sich dies in der Gefangenschaft fast abgewöhnt; -infolgedessen ist ihr Schädel im Profil nicht mehr gerade, sondern -zwischen Stirn und Nase eingeknickt. Die fächerförmige Schuppe des -Hinterhauptbeins ist nicht mehr wie beim Wildschwein nach hinten -gerichtet, sondern steigt mit der Stirn- und Scheitelgegend mehr oder -weniger senkrecht empor. Während der jugendliche Wildschweinschädel -anfänglich den indifferenten Typus des Säugetierschädels wiederholt, -wird er später gestreckt und erhält scharf ausgeprägte Knochenleisten, -im Gegensatz zu demjenigen des zahmen Schweins, bei dem die -Nackenmuskulatur durch Nichtgebrauch schwächer wird und der Eckzahn an -Größe abnimmt. - -Dieses Torfschwein kam zweifellos über Westasien aus seiner -südindischen Heimat nach Europa, wenn wir nicht annehmen wollen, daß -sich sein Verbreitungsgebiet einst bis nach Westasien erstreckte, wo -es dann hätte gezähmt werden können. Genaueres wissen wir über diese -Wanderung nicht. Wir wissen nur, daß das Hausschwein im Altertum auch -in Mesopotamien gehalten wurde. So ist uns aus der assyrischen Zeit -in Kujundschick das Bild eines Mutterschweins mit Ferkeln erhalten -geblieben. Im Gegensatz zu Layard, der darin eine Wildsau erblicken zu -müssen meinte, glaubt Keller aus dem feinen, verhältnismäßig kurzen -Kopf darin einen Abkömmling des südindischen Bindenschweins erkennen -zu dürfen. Allerdings hat später der ganze semitische Kulturkreis das -Schwein als Haustier abgelehnt, so daß es in der Folge aus Westasien, -soweit semitische Stämme zu finden waren, verschwand. Anders bei den -Ariern, denen der Schweinebraten, gleichgültig ob vom wilden oder -zahmen Schwein, ein Festessen war. So verspeisen die Helden in Wallhall -täglich den göttlichen Eber Särimni, der täglich wiederum neu ersteht, -um sich von den Asen verspeisen zu lassen. So war es auch schon bei -den Mitteleuropäern zu Ende der Stein- und zu Beginn der Bronzezeit. -Diese liebten außer dem ihnen noch reichlich zur Verfügung stehenden -Wildschweinbraten auch etwa solchen vom Hausschwein, besonders -nachdem es von der Eichelmast im Herbste recht fett geworden war, zu -verzehren und sich aus dem Überschuß durch Einsalzen und Räuchern -Winterproviant zuzulegen. Da nun das halb wild gehaltene Torfschwein -nicht selten Gelegenheit bekam, sich mit wilden Ebern zu begatten, so -entstand bald eine größere Mischrasse. Schon Plinius meldet in seiner -Naturgeschichte: „Das zahme Schwein paart sich sehr leicht mit dem -Wildschwein.“ Diese Tatsache war also schon im Altertum, wo sich bei -der großen Häufigkeit der Wildsauen viel mehr Gelegenheit zu solchen -Beobachtungen bot als heute, allgemein bekannt. - -Erst ganz am Schluß der neolithischen Zeit kam in Mitteleuropa ein -kräftigeres und größeres Hausschwein auf, das offenbar ein mehr oder -weniger reiner Abkömmling des einheimischen Wildschweins war; denn -was lag näher, als einmal dieses größere Tier nicht bloß zur Kreuzung -mit dem kleineren Torfschwein, sondern zur Reinzucht zu verwenden. -Das Wildmaterial lag ja gleichsam vor der Tür und wird oft genug in -halberwachsenen Frischlingen der Wildsau lebend in die Niederlassungen -der Steinzeitjäger gebracht worden sein. Von der Metallzeit an wurde -dann in Mitteleuropa das Torfschwein asiatischer Abstammung immer -mehr vom leistungsfähigeren Hausschwein europäischer Zucht aus dem -einheimischen Wildschwein verdrängt. Doch war es noch während der -helvetisch-römischen Zeit in der Schweiz stark verbreitet. So gehören -von den in der Römerkolonie Vindonissa aufgefundenen Resten 28 -Knochenstücke ihm an, während das europäische Landschwein nur durch 10 -solche vertreten war. Noch am meisten Torfschweinblut weist das alte -~Bündnerschwein~ auf. Auch die Hausschweine in den entlegenen Tälern -um das Gotthardgebiet herum, im Tessin und oberen Wallis, stehen dem -alten Torfschweintypus nahe, während in den südlichen Tälern des Wallis -ein schwarzes oder fuchsrotes Schwein gehalten wird, das nach der -Kopfform ein unverkennbares Kreuzungsprodukt des Torfschweins mit dem -Landschwein von europäischer Abstammung ist. - -In den romanischen Ländern südlich der Alpen, vor allem in ganz -Italien, Spanien und Portugal, wird das schwach behaarte ~romanische -Schwein~ von meist dunkler Farbe, mit kurzem Kopf, längerem Rüssel als -beim indischen Schwein und geradlinigem, breitem Rücken gezüchtet, das -ebenfalls neben asiatischem auch reichlich europäisches Blut enthält. -Noch mehr asiatisches als europäisches Blut besitzt das durch seine -krause Behaarung ausgezeichnete ~kraushaarige Schwein~ von dunkler -Farbe mit kurzem Rumpf, kantigem Rücken und etwas spitzem Gesicht, das -hauptsächlich über Ungarn und die anstoßenden Balkanländer verbreitet -ist. - -Je mehr wir nun in Europa nach Norden gehen, um so reiner tritt das -europäische Blut auf. Diese Hausschweine europäischer Abstammung -besitzen statt des verhältnismäßig breiten, ebenen Rückens einen -erhöhten „Karpfenrücken“ infolge des seitlich zusammengedrückten -Rumpfes. Statt der breiten Brust besitzen sie eine flachrippige Brust. -Statt des in der Nasengegend eingesenkten Kopfes mit kurzem Rüssel -haben sie eine gestreckte, oft völlig wildschweinähnliche Schnauze. -Die Beine sind verhältnismäßig hoch. Es ist dies das ~europäische -Hausschwein~, von dem eine Unterart mit großen, hängenden Ohren und -schmälerer Stirn und eine solche mit kurzen aufrecht gestellten -Ohren und breiter Stirn unterschieden wird. In Norddeutschland und -Dänemark scheint ursprünglich das Torfschwein gefehlt zu haben und -nur das europäische Blut gehalten worden zu sein. Die prähistorischen -Knochenreste weisen auf eine durch kümmerliche Haltung sehr klein -gewordene Rasse hin. Überhaupt hat das Schwein im allgemeinen seit -seiner Überführung in den Haustierstand an Größe abgenommen, offenbar -deshalb, weil die freie Natur günstigere Entwicklungsbedingungen -darbietet als die Knechtschaft unter dem Menschen. Erst die moderne -rationelle Tierzucht hat durch Darbietung besserer Lebensbedingungen -die Größe wieder zu steigern vermocht. - -Das der südostasiatischen Wildform noch am nächsten stehende, weil -immer wieder durch Kreuzung mit jener aufgefrischte ~asiatische -Hausschwein~ kommt in mehr primitiven, meist sehr mastfähigen -Schlägen im ganzen östlichen Asien vor, so von der Mongolei durch -ganz China, Annam, Siam und Hinterindien bis zu den Sundainseln und -nach Neuguinea einerseits und Indien und Ostafrika andererseits. Es -ist das das weitaus wichtigste Zuchtgebiet zahmer Schweine, indem es -sowohl bei den mongolischen und malaiischen, wie auch den Papuastämmen -das bei weitem wertvollste und oft einzige Haustier neben dem Hunde -ist. Sein Fleisch und sein Fett sind für diese Stämme, soweit sie -nicht an der Küste leben und viel Seetiere genießen, die wichtigsten -animalischen Lebensmittel. Obenan steht das gewaltige China, wo die -Schweinezucht gegen 6000 Jahre alt ist. Dabei hat Nordchina eine -primitivere, meist schwarzgefärbte Rasse, während Südchina höher -gezüchtete Kulturschweine von meist weißer Farbe besitzt. Im Norden -ist die Haltung dieses Haustieres eine wenig sorgfältige. Hier leben -die Schweine ohne Schutz im Freien und sind selbst in dem recht rauhen -Winter aller Unbill der Witterung preisgegeben. Daraus erklärt sich das -Vorhandensein auffallend dichter und langer Behaarung als Wärmeschutz -der ursprünglich aus einem warmen Klima stammenden Tierart. Die überall -auf dem Lande gezüchteten Schweine werden meistens nach den Städten -verkauft, wo der Bedarf an Schweinefleisch ein sehr großer ist, indem -der wohlhabende Chinese nicht nur kein Opfer ohne dieses begeht, -sondern auch bei allen festlichen Gelegenheiten seine Familienglieder -und Freunde damit bewirtet. - -In der Mandschurei ist die Schweinezucht besonders in der mittleren -Provinz Kirin entwickelt. Dieselbe Rasse wird auch in den Amurländern -gehalten und geht bis nach Sibirien hinein. Doch tritt in letzterem -Lande die Schweinezucht schon aus klimatischen Gründen gegenüber der -Schafzucht zurück. Auffallenderweise besitzt Japan sehr wenig Schweine. -Die Zucht dieses Haustieres ist in jenem Lande stark vernachlässigt und -auf eine einzige Provinz, Kangoschima, beschränkt. Sehr blühend ist -sie dagegen in ganz Hinterindien, auf den Philippinen und Sundainseln, -wo überall das Schweinefleisch ein wichtiges Nahrungsmittel bildet. -In Neuguinea ist das Schwein neben dem Hund das einzige Haustier, das -überall in der Umgebung der Dörfer ziemlich frei gehalten wird, so -daß es vielfach verwildert ist. Seine Nahrung besteht hier vorwiegend -in Taroknollen. Auch Indien hat vorwiegend dunkelgefärbte Schweine, -die in Schläge mit kurzen, aufrechtstehenden und in solche mit großen, -herabhängenden Ohren zerfallen. - -Im ganzen mittleren und westlichen Asien ist, soweit der Islam -vordrang, das Schwein als unrein verpönt und deshalb die einst auch -hier im Altertum betriebene Schweinezucht verdrängt worden. Hier ist -an seiner Stelle überall das Schaf, das von dem Fluche Muhammeds nicht -getroffen wurde, der Lieferant von tierischem Fett und Fleisch. Wie -die Ostasiaten und Malaien Schweinefleisch zu ihrem Reis essen -- nach -der nicht unwahrscheinlichen Sage soll Buddha an einer Überladung des -Magens mit Schweinebraten seinen Tod geholt haben -- so genießen die -Westasiaten Hammelfleisch zu ihrem Palaw genannten Reisgericht. Aber -das war im Altertum noch nicht so. Um die Zeit der Entstehung des -Christentums war das Schwein noch nicht aus Westasien verschwunden. Das -beweist die bekannte Legende von den Schweinen der Gaddarener, in die -die unreinen Geister fuhren. Immerhin haben die Semiten im allgemeinen, -nicht nur die Juden, die solchen Abscheu wie so manches andere aus -der Zeit ihrer Gefangenschaft in Ägypten hätten entlehnen können, das -Schwein als unrein verpönt. Und diese Ächtung des Schweins hat in der -Folge auch die aus dem Orient zu den Griechen und Römern gekommenen -Kulte begleitet. So wurden der aus der semitischen Ischtar-Astarte -hervorgegangenen Aphrodite auch in Griechenland keine Schweine -geopfert, so wenig als der jener entsprechenden Venus in Rom. - -Wie sehr die Muhammedaner das Schwein scheuen, geht aus der drolligen -Geschichte hervor, die der, um ungefährdet im Orient reisen und -selbst die allen Ungläubigen streng verbotenen heiligen Stätten in -Mekka und Medina besuchen zu können, zum Islam übergetretene Baseler -Burckhardt (Scheik Ibrahim) in seinem Buche: Reisen in Arabien (Weimar -1830) erzählt. In Dschidda, der Hafenstadt Mekkas, war -- wohl einem -christlichen Schiffer entlaufen -- ein Schwein ans Land gekommen -und führte in der Nähe des Marktes ein freudenvolles Dasein, weil -die Marktleute lieber ihre Waren im Stiche ließen und sie dem Tiere -Satans preisgaben, als sich durch die Berührung mit demselben zu -verunreinigen. Alle ihre Flüche und Drohungen störten natürlich das -biedere Borstentier sehr wenig. Im ganzen Gebiete des Islam dürfen -auch die Christen nur ausnahmsweise Schweine halten. So ziehen die -Armenier in der Türkei und in Persien gern wildgefangene Frischlinge -auf, um sie fett werden zu lassen und dann zu schlachten und zu -verspeisen. Nur in den Marställen der Großen wird, um die „böse Luft“, -alle Verhexung und etwaige Krankheitserreger in seinen unreinen Leib -abzuleiten, gern ein Schwein gehalten, wie noch vor gar nicht langer -Zeit bei den Christen für solche Zwecke ein Ziegenbock gehalten wurde. -Letzteres ist eine Reminiszenz an den Ziegenbock der Israeliten, der -am Versöhnungstage mit allen Sünden des Volkes beladen in die Wüste -getrieben und sich selbst überlassen wurde. Daher stammt unsere -Bezeichnung Sündenbock. - -Welch seltsame Form das Bewußtsein der eigenen Größe annehmen kann, -schreibt Ed. Hahn in seinem Buche über die Haustiere und ihre -Beziehungen zur Wirtschaft des Menschen (Leipzig 1896), beweist, daß -die Venezianer am Ausgang des 15. Jahrhunderts eine ansehnliche Summe -dafür ausgaben, daß sie in ihrer Faktorei in Alexandrien ein Schwein -halten durften; einmal ärgerten sie damit die Ungläubigen, allerdings -für ihr gutes Geld, und dann bewiesen sie den andern Christen ihre -ungeheure Überlegenheit durch diesen sonderbaren Vertreter des Löwen -von San Marco. - -In Ägypten wird heute das Schwein nur von den christlichen Kopten -gehalten. In ganz Nordafrika befaßt sich natürlich auch nur das -christliche Element mit dessen Zucht. In den oberen Nilländern wurde -es von den Negern übernommen; besonders in Sennar halten es die -Eingeborenen, um dessen wohlschmeckendes Fleisch zu essen. In Ostafrika -fehlt es natürlich im mohammedanischen Somaliland vollständig, -dagegen trifft man Schweine indischer Abstammung in Mozambique. Auch -auf Madagaskar wurde es offenbar unter dem Einfluß der Araber an -der Westküste verdrängt; so züchten es die Sakalaven nicht. Dagegen -findet man im Innern der Insel, im Gebiet der Howas, eine kleine, -schwarze Rasse. Auf den Maskarenen und auf der Insel Réunion ist die -Schweinezucht auf die bergigen Gegenden beschränkt. In ganz Inner- -und Westafrika ist das Schwein nur selten anzutreffen, außer in den -Küstengegenden von Angola, wo es von den Portugiesen eingeführt wurde. -In Natal wurde es 1825 eingebürgert. - -In Europa hat das Schwein nur in ganz kleinen Bezirken, wo einst -Mohammedaner herrschten, an Wichtigkeit verloren, so in Griechenland. -In Italien, Südfrankreich und Nordspanien ist es im Gebiet der -Eichen- und Kastanienwälder das wichtigste Nutztier des Menschen; -ebenso in Sardinien und Sizilien. Eine erhebliche Schweinezucht weist -Mittelitalien auf, dann Spanien in der Estramadura, verschiedene -Provinzen Portugals und Südwestfrankreich im Gebiete der Garonne. Die -wichtigsten Produktionsländer für Schweine, welche davon stark nach -Westeuropa exportieren, sind Serbien und Ungarn. In Süddeutschland -findet man die intensivste Zucht in Bayern; dort wird die große -wildschweinähnliche, in der vordern Körperhälfte weiße, in der -hintern dagegen meist rote Landrasse noch in starker Verbreitung -angetroffen. In Deutschland sind die nordischen Marschen relativ arm -an Hausschweinen, reicher dagegen Westfalen, Hannover, Braunschweig, -Thüringen und Sachsen. Meist sind in Deutschland wie in der Schweiz, -in Belgien, Holland und Nordeuropa die einheimischen Rassen durch -hochgezüchtete englische Rassen verdrängt worden. Nachdem nämlich schon -um 1740 durch die schwedisch-ostindische Gesellschaft Mastschweine -besonderer Güte aus Südchina zur Hebung des einheimischen Schweins -durch Kreuzung nach Schweden eingeführt worden waren, nahm die -englisch-ostindische Gesellschaft zu Beginn des vorigen Jahrhunderts -diese Bestrebungen im großen Maßstabe auf. So wurden in England durch -Kreuzung mit hochgezüchteten chinesischen Rassen die weltberühmten -edlen Schläge gezüchtet, welche später in allen Kulturländern -eingeführt wurden und hier nach und nach die weniger leistungsfähigen -einheimischen Schläge verdrängten. Damit hat das asiatische Schwein -einen vollständigen Sieg über die Hausschweine europäischen Blutes -erlangt. Die wichtigsten Schläge desselben werden als Yorkshire, -Berkshire, Suffolk und Leicester bezeichnet, lassen aber keine scharfe -Grenze zwischen sich ziehen. Der Körperumriß nähert sich bei ihnen -einem Rechteck, die Beine sind fein gebaut und kurz. Das Gesicht -ist extrem verkürzt und die Gegend zwischen Nase und Stirn stark -eingeknickt. Es gibt kurz- und langohrige, kleine und große Schläge. -Die Färbung kann schwarz, rotgelb, weiß oder bunt sein. Die größte -Schweinezucht weist Yorkshire und Westmoreland auf. Auch Irland besitzt -große Zuchten, weniger dagegen Schottland. Außer nach Belgien, das -besonders in der Provinz Lüttich englisches Blut züchtet, kam dieses -besonders nach Nordamerika, wo seine Zucht heute eine der wichtigsten -nationalen Industrien der Vereinigten Staaten bildet. Dort kamen ihm -zunächst die zahlreichen Nüsse und Eicheln des Waldes zugute, während -jetzt der größte Teil der Schweine des Westens mit Mais gefüttert wird. -Welchen Umfang die Schweinezucht in den Staaten der Union angenommen -hat, beweist am besten die Tatsache, daß die Zahl der Schweine, die im -Jahre 1860 etwa 30 Millionen betrug, sich heute mehr als verdoppelt -hat. Nach H. Moos wird die Zucht überall nach demselben Muster -betrieben. Es werden vorwiegend schwarze, frühreife Schläge gehalten; -unter ihnen ist am verbreitetsten das Poland-Chinaschwein und nachher -die Berkshirerasse. Das Zuchtmaterial wird sorgfältig ausgewählt. Meist -werden junge Tiere im Alter von 7-10 Monaten im Gewicht von 90-140 _kg_ -geschlachtet, nachdem sie außer Mais besonders auch Klee erhielten. Die -größten Schlächtereien besitzt Chicago. - -Mehr nach dem Süden zu tritt die Schweinezucht in Amerika in den -Hintergrund. Schon in Mexiko ist sie sehr gering und in Südamerika nur -in Brasilien da von erheblicher Bedeutung, wo deutsche Ansiedlungen -sich befinden. In Argentinien ist sie seit längerer Zeit stark im -Niedergang begriffen. Einige Zeit hindurch hatte eine ziemlich rege -Ausfuhr von dort nach Brasilien bestanden; sie hörte dann bald auf. Es -fehlt eben jenem Gebiet an einem rationellen Betrieb der Schweinezucht, -ohne den die Konkurrenz mit Amerika nicht aufzunehmen ist. Übrigens -gelangte das Hausschwein spanischer Rasse schon 1493 durch Kolumbus -auf die Antillen und verbreitete sich von da mit der spanischen -Kolonisation nach dem amerikanischen Festlande, wo es noch heute -vielfach angetroffen wird. - -Australien, das erst im 18. Jahrhundert das Hausschwein durch die -Engländer eingeführt erhielt, besitzt heute sehr gute englische Rassen, -vor allem die Berkshires, welche vortrefflich gedeihen und zu einer -ausgedehnten Zucht Veranlassung gaben. Da im Lande selbst der Konsum -an Schweinefleisch nicht sehr groß ist, werden die Produkte meist zum -Export gebracht. Neuseeland besitzt ziemlich starke Zuchten, so daß -auch jenes Land schon eine ausgedehnte Ausfuhr von Schweinefleisch nach -Europa betreibt. - -Der neueste Import aus Japan ist das ~Maskenschwein~, das 1861 -durch den Tierhändler Jamrach, den Konkurrenten von Hagenbeck, in -zoologischen Gärten Deutschlands eingeführt wurde. Es steht dem -chinesischen Hausschwein nahe, besitzt aber auffallend große Ohren und -durch starke Verkürzung des Oberkiefers ein faltiges Gesicht, daher -sein Name. Es ist aber nicht japanischen, sondern indischen Ursprungs, -und zwar eine besondere Art des großohrigen, indischen Schweins. - -Da das Hausschwein bei Völkern auf primitiver Kulturstufe ein -halbwildes Leben führt, ist es kein Wunder, daß es sich öfter -der Aufsicht des Menschen entzieht und völlig verwildert. Solche -verwilderte Hausschweine sind in Süd- und Ostasien nichts seltenes und -lassen sich auf den verschiedensten Gebieten der Erde, besonders auf -Inseln, wo sie keine größeren Feinde haben, nachweisen. Dabei nehmen -sie schon nach wenigen Generationen ganz oder teilweise das Aussehen -der wilden Stammform an. In Europa kommen verwilderte Hausschweine auf -Sardinien und den Kykladen vor; weiter finden sich solche im oberen -Nilgebiet, auf den Kanaren, Tristan da Cunha, Réunion und St. Helena. -Auf letzterer Insel gab es nach Cavendish schon 1588 welche; Tavernier -traf deren noch 1649 an. Neben den vielen verwilderten Ziegen trugen -sie wesentlich dazu bei, den jung aufsprossenden Wald zu zerstören. Auf -Jamaika, St. Domingo, St. Thomas und anderen westindischen Inseln gibt -es solche, wahrscheinlich aus den Resten der spanischen Kolonisation -herrührend. Auch in Venezuela, Brasilien, Paraguay und Peru gibt es -verwilderte Schweine verschiedener Art, teils schwarze mit stehenden -Ohren, teils heller gefärbte mit den Hängeohren ihrer chinesischen -Vorfahren. Auf den Bermudas, den Galapagos, den Andamanen, Nikobaren -und zahlreichen Inseln Melanesiens, Mikronesiens und Polynesiens sind -ebenfalls verwilderte Hausschweine anzutreffen. Auf Neuseeland gibt -es solche, die die konkave Form des Gesichts ihrer chinesischen Ahnen -beibehielten. - -Schwein und Huhn sind die einzigen Tiere, bei denen die Operation der -Kastration zur Mast in größerem Umfang auch beim weiblichen Geschlecht -vorgenommen wird. Im Altertum begnügte man sich, wie Columella -berichtet, in solchen Fällen zur Verhinderung einer Befruchtung -die Scheide narbig zu verschließen; erst im Mittelalter wurde die -Beseitigung der Eierstöcke vorgenommen. Solche Tiere nannte man dann -Nonnen. Ein solcher Schweineschneider in Ungarn war es, der es als -erster wagte, bei seiner Tochter, die nicht auf natürlichem Wege -niederzukommen vermochte, den Kaiserschnitt durch Eröffnung des Bauches -und der Gebärmutter vorzunehmen. Dabei rettete er Mutter und Kind das -Leben. Erst hernach haben dann die Ärzte diese Operation vorzunehmen -gewagt. - - - - -VI. Der Esel. - - -Weit früher als das Pferd hat sich der Mensch den Esel gezähmt, nicht -um sein Fleisch oder seine Milch oder sein Haarkleid zu benutzen, -sondern um ihn als Transporttier zu verwenden. Als das Rind schon -längst Haustier geworden war und an den Pflug, wie auch an den Wagen -gespannt wurde, kam man noch nicht auf den Gedanken, auf ihm Lasten -fortzubewegen. Dazu diente im ältesten Ägypten der Esel, der allerdings -ausschließlich als Last- und noch nicht als Zugtier benutzt wurde. -Außer den Lasten transportierte man auch die unbehilflichen Mitglieder -der Familie, wie etwa Weiber und Kinder, auf dem Esel, den der Mann -dann führte. Er selbst bestieg ihn nicht, um als Reiter mit größerer -Geschwindigkeit das Land zu durchstreifen. Dies geschah erst, als -der vornehmere und anspruchsvollere Vetter des Esels, das Pferd, vom -Menschen domestiziert wurde und dann freilich seinem bescheidenem -Verwandten den Rang ablief und weit ausgedehntere Verbreitung fand. -Aber im hamitisch-semitischen Kulturkreis ist der Esel bis heute in -hoher Wertschätzung geblieben; nur in Südeuropa, wo er sich ebenfalls -stark einbürgerte, sank er zum verachteten und mißhandelten Geschöpf -herab, dem man seine sprichwörtliche Starrköpfigkeit als Dummheit -auslegt. - -Die ältesten Spuren zahmer Esel, die uns bis heute bekannt geworden -sind, lassen sich im Niltal nachweisen und reichen dort bis in die -urägyptische Zeit, die um die Mitte des vierten Jahrtausends v. -Chr. zu setzende Negadaperiode, zurück. So besitzen wir auf einer -bereits früher erwähnten Schieferplatte des Museums in Giseh aus -der Negadazeit, die de Morgan zuerst veröffentlichte, treffliche -Abbildungen des Esels. Er ist dort in einer ganzen Reihe von -Tieren mit großen, aufrechtstehenden Ohren neben dem Hausrind von -Bantengabstammung und dem Hausschaf von Mähnenschafdescendenz -dargestellt in der Form des gewöhnlichen Hausesels mit schwarzem -Schulterkreuz, das auf allen Figuren deutlich erkennbar ist. -Schon während des Alten Reichs in der ersten Hälfte des dritten -vorchristlichen Jahrtausends war die Zucht des Esels in Ägypten -eine stark ausgedehnte. Im Grabe des Chafra ank in Giseh aus der 4. -Dynastie (2930-2750 v. Chr.), der Zeit der großen Pyramidenerbauer, -eines hohen Würdenträgers unter der Regierung des Chefren, berichtet -ein Oberschreiber seinem Herrn, er besitze einen Viehstand von nicht -weniger als 5023 Stück, darunter 760 Esel. In anderen Gräbern derselben -Periode wird, vermutlich mit etwas Übertreibung, gemeldet, daß die -Besitzer über mehr als tausend, ja Tausende von Eseln verfügten. - -Zur Zeit der ältesten Dynastien wird der Esel häufig auf den -Grabwänden dargestellt, da sich das bürgerliche Leben ohne ihn gar -nicht vorstellen ließ. Er wurde ausschließlich als Lasttier, daneben -etwa noch wie Schafe und Rinder zum Dreschen auf der Tenne, d. h. -zum Austreten der Körner der Feldfrüchte mit den Hufen verwendet. -Doch diente er daneben bereits als Reittier, doch nicht in der Weise, -daß sich die Ägypter auf seinen Rücken setzten, sondern so, daß ein -Reitsessel zwischen zwei Eseln befestigt wurde, um darin die über -Land reisende vornehme Person aufzunehmen. Erst als zur Zeit des -Neuen Reiches (um 1580 v. Chr.) infolge der regen Beziehungen mit -den Völkern Vorderasiens das Pferd als wertvolles Kriegsinstrument, -das den Schlachtwagen zog, nach dem Nillande kam und hier unter den -kriegerischen Pharaonen der 18. und 19. Dynastie in Menge gezüchtet -wurde, trat der Esel gegenüber dieser neuen Erwerbung etwas in -den Hintergrund, um allerdings später wieder seine Vorherrschaft -anzutreten, die er in jenem Lande bis heute zu behaupten vermochte. - -Woher bezogen nun die vorpharaonischen Ägypter der Negadaperiode den -Hausesel? Zweifellos aus Nubien, wo der ostafrikanische ~Steppenesel~ -(_Asinus taeniopus_) von hamitischen Volksstämmen, wahrscheinlich den -Vorfahren der heutigen Galla, gezähmt und damit in den Haustierstand -übergeführt worden war. Der Steppenesel findet sich heute noch in -den Steppen Obernubiens, am häufigsten in den Ebenen von Barka und -um den Atbara, den Hauptzufluß des Nils. Sein Verbreitungsgebiet -erstreckt sich aber bis an die Küste des Roten Meeres. Wie bei -allen Steppentieren ist Geselligkeit ein Grundzug seines Wesens. -Das ausnehmend scheue und vorsichtige Tier lebt in kleinen Rudeln, -wobei eine Herde von 10-15 Stuten von einem Hengst geführt, bewacht -und verteidigt wird. Als Mittelglied zwischen seinen streifenlosen, -asiatischen Verwandten und den afrikanischen Tigerpferden sind seine -Füße leicht -- von unten nach oben in abnehmender Stärke -- gestreift -und zieht sich dem Rücken entlang vom Schwanz bis zur Schulter ein -schwarzes Band, das sich hier in zwei gegen die Seitenbuge hin -verlaufende Arme teilt. Es ist dies das vorgenannte Rückenkreuz, -das sich bei seinen gezähmten Nachkommen noch teilweise erhielt. -Außerordentlich stark ausgesprochen war es noch nach der Abbildung bei -den Hauseseln der Negadazeit, die also dem Stammvater noch hochgradig -ähnlich gesehen haben müssen, ja, kaum von ihm abwichen, was also -eine sehr junge Zucht bedeutet. Diese Negadahausesel haben auch die -typische Kopfbildung und die aufrechtgestellten, großen Ohren des -ostafrikanischen Steppenesels, von dem wildeingefangene Tiere bis -auf den heutigen Tag je und je zur Veredlung der Eselzucht in ihrer -Heimat verwendet werden. Wie vermutlich schon die alten Ägypter gaben -die alten Römer große Summen für diese Veredelung aus, was die Araber -jetzt noch tun. Deshalb haben sie auch ein so edles Eselmaterial, -demgegenüber unser durch Inzucht und Vernachlässigung herabgekommenes -Eselmaterial keinen Vergleich aushält. - -Vom Niltal her wurden schon sehr früh die Juden und übrigen Semiten -Vorderasiens mit dem Hausesel bekannt, der, wie in Ägypten, so auch -bei ihnen eine sehr geachtete Stellung einnahm. Er diente auch -hier zum Tragen von Lasten aller Art. So sehen wir auf einer der -Wandmalereien des Grabes von Num hotep in Beni Hassan unter einem der -ersten Könige der 12. Dynastie (2000-1788 v. Chr.) die Einwanderung -eines semitischen Stammes von Hirten in das Land Gosen am Delta. Diese -Nomaden werden darauf als Aamu bezeichnet und wandern mit ihren Herden -nach Unterägypten ein, als einzige Lasttiere Esel mit großen Ohren -mit sich führend, auf denen sie alle ihre Habe und die kleinen, des -Gehens unfähigen Kinder aufgeladen haben. Überall im Alten Testament -ist an Stelle des Pferdes der Esel der treue Begleiter des Vieh -hütenden Nomaden. Von den Zeiten Abrahams an war es der Stolz des -Oberhauptes der Familie, zahlreiche Esel neben den Schafen und Rindern -zu besitzen, und später, als dies aufkam, alle seine Söhne auf Eseln -beritten zu sehen. Nach demselben Grundsatze, an dem heute noch der -Japaner speziell in bezug auf das pflügende Rind streng festhält, -sollte das Arbeitstier nicht zugleich auch zur Nahrung dienen. Deshalb -enthielten sich die Juden ausdrücklich des Fleisches vom Esel, was -ursprünglich nicht alle semitischen Stämme getan zu haben scheinen. -Ja, wahrscheinlich haben auch die vorpharaonischen Bewohner Ägyptens -gelegentlich den zahmen Esel geschlachtet und als willkommene Speise -verwendet. Aber die Juden enthielten sich nicht nur des Schlachtens von -Eseln, sondern lösten sogar nach dem Gesetz die dem Tode verfallene -Erstgeburt desselben wie diejenige des Menschen durch das Opfern eines -Schafes ab. - -Über Syrien und Kleinasien kam der Hausesel zu Beginn des letzten -vorchristlichen Jahrtausends in die Balkanhalbinsel, wo er vermutlich -_asnas_ hieß, und von da zuerst zu den Griechen als _ónos_ und später -auch als _asinus_ zu den Römern. In der homerischen Zeit, da Viehzucht -und Ackerbau vorherrschten, war der Esel noch nicht das gebräuchliche -Lasttier, sondern ein durch seine Seltenheit wertvolles Zuchttier, -das zur Gewinnung der damals schon geschätzten Maultiere diente. -Nur an einer zweifellos später eingeschobenen Stelle der Ilias wird -er in einem Gleichnisse erwähnt. In der ältesten, sich an Homer -anschließenden griechischen Lyrik wird er als Zuchttier erwähnt, -das viel zu kostbar war, um der Feld- und Hausarbeit zu dienen. In -einem Fragmente des Lyrikers Archilochos von Paros (um 700 v. Chr.) -wird von einem Menschen gesagt, daß ihm das Glied anschwoll, wie -das des mit Korn gefütterten Zuchtesels aus Priene (einer Stadt der -kleinasiatischen Küste nördlich von Milet). Auch Simonides von Amorgos, -der jüngere Zeitgenosse des Archilochos, kennt den Esel nur als -Zuchttier und legt in einem Gedicht einigen Weibern dessen Art bei, die -träge, gefräßig und geil sei. Erst der Dichter Tyrtaios aus Attika um -684 v. Chr. spricht vom Esel als Lasttier, das die Kornfrucht vom Acker -nach Hause tragen müsse. - -Im Gegensatz zu dem als Beschäler der Pferdestute gehaltenen Eselhengst -war bei den ältesten Griechen das von einem solchen mit einer -Pferdestute erzeugte ~Maultier~ als _hemíonos_, d. h. Halbesel, oder -_oreús_, d. h. Bergtier, das eigentliche Arbeitstier, sowohl bei der -Feldbestellung als im Geschirr vor dem Wagen und beim Schleppen von -Lasten; deshalb wird es gern als vielduldend und mühselig bezeichnet. -Schon weil es stärker war als der Esel wurde es diesem vorgezogen, wie -Theognis (der um 560 v. Chr. lebende Dichter aus Megara) ausdrücklich -bezeugt. Nach Homer stammte das Maultier von den Enetern, einem -paphlagonischen Volke aus dem pontischen, d. h. gegen das Schwarze -Meere zu gelegenen Kleinasien, her. An einer andern Stelle der Ilias -hatten die Bewohner von Mysien dem König Priamos von Ilion Maultiere -geschenkt nach dem 24. Buche, Vers 277: - - „Schirrten die Maultiere an, starkhufige, kräftig zur Arbeit, - Welche die Myser dem Greise verehrt als edle Geschenke.“ - -In einem Fragment des jonischen Dichters Anakreon (550-478 v. Chr.) -werden die Myser geradezu als Erfinder der Maultierzucht durch Kreuzung -von Eselhengsten mit Pferdestuten bezeichnet. Schon im Alten Testament -bei Ezechiel (596 v. Chr.) wird die Landschaft Thogarma, d. h. Armenien -oder Kappadozien als diejenige bezeichnet, die die besten Maulesel -lieferte. Den Israeliten selbst verbot das Gesetz diese Zucht. Noch -später hören wir mehrfach, so bei Aristoteles, Plutarch und Plinius, -die Maultiere Kappadoziens und Galatiens als besonders edle Zucht -rühmen; von den ersteren wird berichtet, sie seien fruchtbar, also -unter besonders günstige Naturverhältnisse gestellt. - -Merkwürdig ist bei dieser Wertschätzung des Maultiers als Ersatz des -Esels, daß, vielleicht durch semitische Anschauungen beeinflußt, seit -der mythischen Zeit in Elis im Peloponnes das Verbot bestand, Maultiere -im Lande selbst zu erzeugen. So soll der König von Pisa in Elis, -Oinomaos, der Sohn des Meergottes Poseidon und Vater der Hippodameia, -deren Freier er hinterlistig beim Wettfahren tötete, bis er von -Pelops durch List überwunden wurde, einen Fluch über diese Zeugung -ausgesprochen haben, und seither brachten die Eleer ihre Stuten außer -Landes, um sie dort von Eseln belegen zu lassen, wie uns Herodot und -Pausanias gleicherweise bezeugen. Vielleicht, meint V. Hehn, war in -diesem elischen Brauch nur die durch Religion festgehaltene Anschauung -der ältesten Zeit aufbewahrt, da es in Griechenland keine anderen als -vom Orient eingeführte Maultiere gab und das Volksgefühl sich gegen -solche widernatürliche Mischung noch sträubte. Auch in Homers Odyssee -wird vom Bewohner Ithakas Naëmon gesagt, er besitze in dem weidereichen -Elis zwölf Stuten mit den dazu gehörigen Maultierfüllen. Von einem -Eselhengste aber ist dort nirgends die Rede. Gemäß der Bedeutung des -Wortes _oreús_, d. h. Bergtier für Maultier, wird in der Ilias an einer -Stelle geschildert, wie das Maultier mühsam Balken und Schiffsbauholz -aus den Bergen hinabgeschleppt habe, an einer andern, wie die -Männer mit Äxten, Seilen und Maultieren in das bewaldete Idagebirge -hinaufziehen, um Holz für den Scheiterhaufen von Achills Freund -Patroklos zu holen; wie dann nach dem Fällen und Zerkleinern der Bäume -die Last den Maultieren aufgebunden wird, die sie dann stampfend in die -Ebene hinabtragen. - -Dieselbe Wertschätzung des Maultiers wie bei den Griechen finden wir -auch bei den Römern. So sagt beispielsweise der ältere Plinius in -seiner Naturgeschichte: „Das Maultier (_mulus_) ist zur Arbeit ganz -ausgezeichnet gut.“ Daneben waren aber auch die Esel in hoher Achtung; -denn derselbe Autor sagt an einer anderen Stelle von diesem Tiere: „Der -Gewinn, welchen man aus Eseln zieht, übertrifft den der fruchtbarsten -Landgüter.“ Des Plinius Zeitgenosse Columella sagt rühmend von ihm: -„Der gemeine Esel (_asellus_) ist mit geringem Futter, wie Blättern, -Dornen, Zweigen, Spreu usw. zufrieden, braucht auch nur geringe Pflege, -hält Prügel und Mangel aus, wird selten krank und erträgt die Arbeit -leicht. Auf dem Lande ist er ganz unentbehrlich, weil er die Mühle -treiben und allerlei Gegenstände in die Stadt und von da zurücktragen -muß.“ - -Hundert Jahre vor diesen beiden schreibt der gelehrte Varro: „Was -die zahmen Esel betrifft, so werden in Griechenland die arkadischen -sehr geschätzt, in Italien dagegen die von Reate, und ich weiß einen -Fall, wo ein solcher mit 60000 Sesterzien (= 9000 Mark) bezahlt wurde -und in Rom ein Viergespann von Eseln mit 400000 Sesterzien (= 60000 -Mark).“ Weiter meint er: „Der Wildesel, der herdenweise in Phrygien und -Lykaonien lebt -- offenbar ist hier vom später zu besprechenden Onager -die Rede, dessen Verbreitungsgebiet sich damals westlich noch bis dort -erstreckt zu haben scheint -- kann man leicht zähmen, den zahmen Esel -aber nicht in einen wilden umschaffen. Man braucht den Wildesel gern -zur Zucht. Das Junge des zahmen Esels läßt man im ersten Jahre ganz -bei seiner Mutter, im zweiten nur bei Nacht, jedoch so, daß beide -angebunden sind; im dritten wird es zu seiner Arbeit dressiert. Die -meisten werden gebraucht, um die Mühle zu drehen, oder zum Tragen und -Fahren, in leichtem Boden auch zum Pflügen. Kaufleute halten auch ganze -Herden, um Öl, Wein, Getreide usw. zu transportieren.“ Jung wurden -sie auch verspeist. So schreibt Plinius in seiner Naturgeschichte, -Maecenas, der reiche Freund des Kaisers Augustus, habe die Mode -aufgebracht, junge Esel zu essen. Derselbe Autor berichtet: „Die -Eselsmilch soll die Haut weiß machen; deshalb führte Poppaea, die -Gemahlin Neros, immer 500 milchende Eselinnen mit sich und badete in -deren Milch.“ - -Seit dem Altertum hat sich der Esel als wichtigstes Arbeitstier -überall in den Mittelmeerländern unentbehrlich gemacht, ist aber durch -schlechte Haltung immer kleiner und unansehnlicher geworden. Dabei -hat er eine mattere, aschgraue Farbe und schlaffere Ohren bekommen. -Oken sagt von ihm: „Der zahme Esel ist durch die lange Mißhandlung so -sehr heruntergekommen, daß er seinen Stammeltern fast gar nicht mehr -gleicht. Der Mut hat sich bei ihm in Widerspenstigkeit verwandelt, die -Hurtigkeit in Langsamkeit, die Lebhaftigkeit in Trägheit, die Klugheit -in Dummheit, die Liebe zur Freiheit in Geduld, der Mut in Ertragung der -Prügel.“ Tatsächlich ist an diesem treuen Arbeitstiere des Menschen -im Laufe der Jahrhunderte unsäglich viel gesündigt worden, daher sein -widerstrebender, eigensinniger Charakter! - -Gemäß seiner Herkunft aus einer heißen Steppe fühlt er sich um so -wohler, je wärmer und trockener das Land ist. Feuchtigkeit und Kälte -verträgt er viel weniger als das hierin weniger empfindliche Pferd. -Schon Plinius sagt: „Kälte kann dieses Tier (der Esel) nicht gut -vertragen.“ In bezug auf Futter ist er durchaus nicht wählerisch und -begnügt sich mit sehr geringen Mengen davon. Brehm sagt von ihm: -„Gras und Heu, welches eine wohlerzogene Kuh mit Abscheu verratendem -Schnauben liegen läßt und das Pferd unwillig verschmäht, sind ihm noch -Leckerbissen: er nimmt selbst mit Disteln, dornigen Sträuchern und -Kräutern vorlieb. Bloß in der Wahl des Getränkes ist er sorgsam, denn -er rührt kein Wasser an, welches trübe ist; salzig, brackig ~darf~, -rein ~muß~ es sein. In Wüsten hat man oft sehr große Not mit dem Esel, -weil er, alles Durstes ungeachtet, nicht von dem trüben Schlauchwasser -trinken will.“ - -[Illustration: Bild 23. Altdeutscher Mülleresel. - -(Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann.)] - -Die Paarungszeit des Esels fällt in die letzten Frühlings- und ersten -Sommermonate. Etwa 11 Monate nach der Paarung wirft die Eselin ein --- höchst selten zwei -- vollkommen ausgebildetes, sehendes Junges, -das sie mit großer Zärtlichkeit ableckt und das ihr sofort zu folgen -vermag. Schon eine halbe Stunde nach der Geburt bietet ihm seine Mutter -das Euter dar, das ihm die nächste Nahrung spendet. Nach 5-6 Monaten -kann das Eselsfüllen entwöhnt werden, folgt aber noch lange seiner -Mutter auf allen Wegen nach. Es ist ein überaus munteres, lebhaftes -Tier, das die possierlichsten Sprünge ausführt. Schon im zweiten Jahre -ist es erwachsen; aber erst im dritten Jahre erreicht es seine volle -Kraft, um selbst bei harter Arbeit ein Alter von über 30 Jahren zu -erreichen. - -Im Volksleben Mitteleuropas spielte der Esel nur als Mülleresel, der -die Säcke nach und von der Mühle trug, eine beschränkte Rolle und wurde -nie das volkstümliche Haustier wie in Südeuropa oder gar im Orient. -Er kam einst im Mittelalter vorzugsweise durch die Mönchsorden nach -Deutschland in die Klöster, um hier als Lasttier verwendet zu werden. -So erlaubte z. B. Herzog Konrad I. von Urach 1263 den Franziskanern -in Freiburg im Breisgau „mit drei Eseln aus dem Herzogenwald Holz zu -holen.“ Aus den Klöstern ging er dann später teilweise zu den Laien -über. Aber im allgemeinen kam er im Laufe der Zeit als schlecht -gefüttertes und fast ungepflegtes Arbeitstier des kleinen, armen Mannes -zu einem blöden Jammerwesen herunter und wurde so für den Volksmund -zum sprichwörtlichen Vertreter der Dummheit. Nicht viel besser erging -es dem Esel in den Mittelmeerländern, obwohl er dort viel zahlreicher -gehalten wird und zum geradezu unentbehrlichen Gehilfen des Menschen, -speziell des Gartenbauers, wurde. Auch hier ist das Leben des armen -„Packesels“ eine Kette von Anstrengungen, Leiden und Entbehrungen -gepaart mit zahlreichen Mißhandlungen. Erst im Morgenlande sehen wir -aus diesem Proletarier unter den Haustieren des Abendlandes einen mit -weit größerer Sorgfalt als bei uns behandelten Diener und Genossen des -Menschen werden, der es sogar zu einigem Adel der äußeren Erscheinung, -wie des Charakters bringt. Brehm schreibt in seinem bekannten -Tierleben: „Der nordische Esel ist, wie allbekannt, ein träger, -eigensinniger, oft störrischer Gesell, welcher allgemein, wenn auch mit -Unrecht, als Sinnbild der Einfalt und Dummheit gilt, der südliche Esel -dagegen, zumal der ägyptische, ein schönes, lebendiges, außerordentlich -fleißiges und ausdauerndes Geschöpf, welches in seinen Leistungen gar -nicht weit hinter dem Pferde zurücksteht, ja es in mancher Hinsicht -noch übertrifft. Ihn behandelt man auch mit weit größerer Sorgfalt als -den unsrigen. In vielen Gegenden des Morgenlandes hält man die besten -Rassen so rein wie die des edelsten Pferdes, füttert die Tiere sehr -gut, plagt sie in der Jugend nicht so viel und kann deshalb von den -erwachsenen Dienste verlangen, welche unser Esel gar nicht zu leisten -imstande sein würde. Man hat vollkommen recht, viele Sorgfalt auf die -Zucht des Esels zu verwenden; denn er ist dort Haustier im vollsten -Sinne des Wortes: er findet sich im Palast des Reichsten wie in der -Hütte des Ärmsten und ist der unentbehrlichste Diener, welchen der -Südländer kennt. Schon in Griechenland und Spanien trifft man sehr -schöne Esel, obgleich sie noch weit hinter den im Morgenlande, zumal -in Persien, Turkmenien und Ägypten gebräuchlichen zurückstehen. Der -griechische und der spanische Esel kommen einem kleinen Maultier an -Größe gleich; ihr Haar ist glatt und weich, die Mähne ziemlich, die -Schwanzquaste verhältnismäßig sehr lang; die Ohren sind lang, aber fein -gebaut, die Augen glänzend. Große Ausdauer, ein leichter, fördernder -Gang und ein sanfter Galopp stempeln diese Esel zu unübertrefflichen -Reittieren.“ - -Noch weit schöner als diese Esel von ostafrikanischer Abstammung -sind die arabischen Esel, zumal diejenigen, welche in Jemen gezogen -werden. Es gibt zwei Rassen, eine große, mutige, rasche, zum Reiten -höchst geeignete, und eine kleine, schwächere, welche gewöhnlich zum -Lasttragen benutzt wird. Der große Esel ist wahrscheinlich durch -Kreuzung mit dem Onager und seinen Nachkommen veredelt worden. Ganz -ähnliche Rassen finden sich in Persien und Ägypten, wo man viel Geld -für einen guten Esel ausgibt. Ein allen Anforderungen entsprechender -Reitesel steht höher im Preis als ein mittelmäßiges Pferd, und es ist -gar nicht selten, daß man bis 1500 Mark unseres Geldes für ihn bezahlt. -„Etwas Nutzbareres und Braveres von einer Kreatur als dieser Esel“, -sagt Bogumil Goltz, „ist nicht denkbar. Der größte Kerl wirft sich auf -ein Exemplar, welches oft nicht größer als ein Kalb von sechs Wochen -ist, und setzt es in Galopp. Diese schwach gebauten Tiere gehen einen -trefflichen Paß; wo sie aber die Kräfte hernehmen, stundenlang einen -ausgewachsenen Menschen selbst bei großer Hitze im Trab und Galopp -herumzuschleppen, das scheint mir fast über die Natur hinaus in die -Eselsmysterien zu gehen.“ Man verschneidet den Reiteseln das Haar sehr -sorgsam und kurz am ganzen Körper, während man es an den Schenkeln in -seiner vollen Länge stehen läßt; dort werden dann noch allerlei Figuren -und Schnörkel eingeschnitten, und die Tiere erhalten dadurch ein ganz -eigentümliches Aussehen. - -Weiter nach dem Innern, wo das nützliche Geschöpf ebenfalls als -Haustier gehalten wird, sieht man wenige edle Esel, und auch diese -werden erst eingeführt. - -Die hier erwähnte hochgeschätzte, edlere Eselrasse, welche größer, -von schlankerer Gestalt und feineren Gliedmaßen, mit kürzeren Ohren, -isabellfarben bis weiß ist und wegen ihrer Gutartigkeit und Lenksamkeit -häufig von vornehmen Damen geritten wird, ist tatsächlich kein -Abkömmling des afrikanischen Steppenesels, von dem die gewöhnlichen -Eselrassen abstammen, sondern des ~westasiatischen Steppenesels~, des -~Onager~ der Alten (_Asinus onager_), der auch in der Bibel mehrfach -erwähnt wird. Dieses von Syrien über Arabien, Persien bis Indien -verbreitete Tier ist merklich kleiner als der die Steppen Zentralasiens -nördlich von Tibet in kleinen, äußerst scheuen Herden bewohnende -edelste Wildesel, der ~Kulan~ der Kirgisen oder ~Dschiggetai~, d. h. -zu deutsch Langohr der Mongolen, der mit dem Schwanz 2,5 _m_ lang wird -bei einer Höhe am Widerrist von 1,3-1,5 _m_, aber doch größer und -feingliedriger als der gemeine Esel. Sein Kopf ist verhältnismäßig noch -höher und größer als beim Kulan, die dicken Lippen sind bis an den -Rand mit steifen, borstigen Haaren dicht bekleidet, die Ohren ziemlich -lang, jedoch kürzer als beim Esel. Die vorherrschende Färbung ist ein -silberiges Weiß, das auf der Oberseite des Kopfes, an den Seitenflächen -des Halses und des Rumpfes, sowie an den Hüften in ein blasses -Isabellgelb übergeht. Am Seitenbug zieht sich ein weißer Streifen -von Handbreite herab. Ein zweiter Streifen verläuft längs des ganzen -Rückens und an der Hinterseite der Schenkel; in seiner Mitte liegt -der kaffeebraun gefärbte Riemen. Die Behaarung ist seidenartiger und -weicher als beim Pferde, im Sommer äußerst glatt und zart, im Winter -wolliger. - -Der Onager ist äußerst scheu, vorsichtig und schnellfüßig, so daß ihm -in offener Steppe gar nicht beizukommen ist. Er lebt in kleinen, aus -Stuten und Füllen beiderlei Geschlechts bestehenden Herden, die von -einem Haupthengst geführt werden. Er ist außerordentlich genügsam und -kommt höchstens jeden zweiten Tag zur Tränke, weshalb der Anstand auf -ihn meist vergeblich ist. Salzhaltige Pflanzen, wie sie die Salzsteppe -seiner Heimat in Menge hervorbringt, sind seine angenehmste Nahrung. -Salziges Wasser liebt er mehr als süßes, jedoch muß es rein sein; denn -trübes trinkt er nie. - -Schon im frühen Altertum wurde dieses Wildpferd in Vorderasien gefangen -und gezähmt, um dem Menschen dienstbar zu sein. So haben ihn schon -die Sumerer in Mesopotamien zum Kriegführen verwendet, lange bevor -das Pferd aus Innerasien zu ihnen gelangte. Als aber letzteres im -Zweistromland Aufnahme gefunden hatte, verdrängte es für diesen -Zweck den älteren Esel. So finden wir unter den Kriegsszenen der -Assyrer stets nur das Pferd als Zugtier am zweirädrigen Kriegswagen -abgebildet, während der als Lasttier hauptsächlich landwirtschaftlichen -Zwecken dienende Esel hier fehlt. Dagegen findet sich das Einfangen -des Wildesels gelegentlich auf den Jagddarstellungen. Eine solche -besitzen wir beispielsweise auf dem Basrelief einer Marmorplatte aus -dem etwa 668 v. Chr. gebauten Palast des Asurbanipal in Kujundschik. -Hier hat der assyrische Künstler eine Jagdszene wiedergegeben, die an -packender Naturtreue den besten Leistungen der antiken Tierdarstellung -an die Seite zu stellen ist. Zwei mit bis zu den Knien reichenden -befransten Gewändern bekleidete Männer mit hohen Sandalen und wellig -gescheiteltem Haupthaar ohne Bart führen zwischen sich an Stricken -einen mit dem Lasso gefangenen jungen Onagerhengst, während darunter -zwei wilde Onager in eiligstem Lauf, der eine mit den Hinterbeinen wild -um sich schlagend, in entgegengesetzter Richtung davoneilen. Der ganze -Körperbau, die Bildung des Kopfes und Halses mit der kurzen Mähne, -dann vor allem der an der Spitze mit Haarquaste versehene Eselsschwanz -weisen mit Bestimmtheit auf den westasiatischen Onager und nicht auf -das Wildpferd, wie Konrad Keller darzutun versucht. Solche Wildlinge -wurden wohl auch zur Auffrischung der einheimischen Eselzucht verwendet. - -Noch weit später sind je und je wilde Onager in Westasien gefangen -worden, müssen also damals in der dortigen Steppe noch in namhaften -Herden gelebt haben. So wurden sie auch wiederholt zur Kaiserzeit bei -den großen Zirkusspielen in Rom vorgeführt und allerlei Raubtiere auf -sie gehetzt. So schreibt Julius Capitolinus in seiner Biographie des -Gordian, der 238, 80 Jahre alt, mit seinem Sohne zum Kaiser ausgerufen -wurde, sich aber 36 Tage nachher, als letzterer vor Karthago geschlagen -ward und fiel, tötete, er habe, als er unter Caracalla und Alexander -Severus Konsul war, einmal bei den von ihm gegebenen Jagdspielen im -Zirkus Maximus in Rom 30 Wildesel -- wohl ein seltsames Schauspiel für -die sonst so verwöhnten Römer -- auftreten lassen. Noch seltener gab es -dort das ebenso flüchtige Tigerpferd Afrikas, das Zebra, von den Römern -_hippotigris_ genannt, zu sehen. So berichtet ein anderer römischer -Schriftsteller, daß Kaiser Caracalla im Jahre 211 neben Tiger, Elefant -und Nashorn auch einen Hippotigris auftreten ließ und eigenhändig -tötete. - -Schon frühe, wenn auch bedeutend später als der afrikanische -Steppenesel, ist dieser südwestasiatische Steppenesel, jung eingefangen -und an des Menschen Gegenwart und Pflege gewöhnt, zum Haustiere -desselben geworden. Doch wurde er in seiner Heimat nicht so regelmäßig -wie der Hausesel bei den Ägyptern und den mit diesem in der Folge -beschenkten Völkern gehalten, so daß sich wohl erst spät eine -eigentliche Zucht ausbildete. So berichtet der Vater der griechischen -Geschichtsschreibung, Herodot, daß die 580 im Heere des Xerxes, bei -seinem Zuge gegen Griechenland, befindlichen Inder Streitwagen führten, -die teils mit Pferden, teils mit Wildeseln (_ónos ágrios_, eben dem -Onager) bespannt waren. Von eben diesem Onager, der damals noch -häufiger als heute angetroffen wurde, berichtet Xenophon vom Jahre -401 v. Chr. von seiner Expedition zugunsten des Cyrus: „Als Cyrus der -Jüngere durch Arabien, im Westen des Euphrats, hinzog, kam er durch -eine ganz unabsehbare Ebene, woselbst es sehr viele Wildesel gab. Diese -liefen viel schneller als Pferde und konnten nur gefangen werden, indem -Reiter sich in großen Entfernungen voneinander aufstellten und so im -Jagen wechselten. Das Wildpret dieser Tiere glich dem des Hirsches, war -aber zarter.“ - -Dieser westasiatische Hausesel ist gemäß seiner Abstammung vom Onager -nicht grau, wie der sich vom afrikanischen Steppenesel ableitende -Hausesel, sondern weiß oder isabellfarben und viel größer als jener. -Ja, sie geben dem Pferd an Größe nicht viel nach. Am meisten werden -sie in Südostarabien gezogen und kommen dann als ~Maskatesel~ in den -Handel. Man trifft sie außer in Arabien besonders viel in Persien und -Mesopotamien als Reittiere verwendet, da sie nicht nur stark gebaut, -sondern, im Gegensatz zum störrischen Wesen ihres afrikanischen -Vetters, lenksam und dabei ausdauernd sind. In Mesopotamien (Bagdad) -kommen sie neben dem gewöhnlichen Lastesel häufig auf den Markt und -gelten dort 25 türkische Pfund (= 560 Mark). Die besten Zuchten stammen -aus Nedje in Zentralarabien. Als schöne und edle Rassetiere werden -sie mit Vorliebe von den vornehmen und reichen Orientalen gehalten, -die sich solchen Luxus leisten können. Das gemeine Volk aber begnügt -sich mit dem weniger edlen Grautier, dem Abkömmling des afrikanischen -Steppenesels, der sich allein als Arbeitstier über größere Gebiete der -Erde verbreitet hat. Wie seit dem frühesten Altertum spielt letzterer -heute noch in Ägypten als Reit- und Transporttier der Eingeborenen -eine wichtige Rolle und gehört überall, besonders in den Städten, -zur Staffage des Straßenlebens. Durch ganz Afrika hat er bei den -hamo-semitischen Stämmen die größte Verbreitung gefunden, während -ihn die Neger ablehnten. Im äußersten Osten, in den Somaliländern, -ist er lediglich Lasttier, das den Karawanen folgt. Doch wird er dort -nicht gerade zahlreich gehalten, da in den dortigen Steppenländern das -Kamel leistungsfähiger ist. Auch in Abessinien wird er in den höheren -Lagen ziemlich viel als Lasttier verwendet, aber auch ausgiebig zur -Maultierzucht benutzt. Die am weitesten nach Innerafrika vorgeschobenen -Hamiten, die Gallas und die Massai, halten zahme Esel in großer Zahl. -Es sind kräftige, graue Tiere mit scharfgezeichnetem Schulterkreuz. -Vom oberen Niltal hat sich das Tier stark nach den Haussaländern -verbreitet, wo es ebenfalls vorzugsweise als Lasttier benutzt wird. -Ebenso ist es in Südafrika häufig, da es gegen gewisse hier umgehende -Krankheiten, besonders die Tsetse, widerstandsfähiger als das Pferd -ist. Die ersten Esel kamen bereits 1689 aus Persien nach dem Kap und -wurden in der Folge vorwiegend durch die Buren weiter nördlich bis zum -Sambesi verbreitet. - -In Arabien, Mesopotamien, Persien und Afghanistan wird neben dem -großen, hellen Hausesel von Onagerabstammung sein kleiner, grauer, -afrikanischer Verwandter ebenfalls häufig gehalten. Große, auffallend -stark gebaute Esel von vorwiegend Onagerblut findet man bei den -Turkmenen. In der Mongolei und Mandschurei besteht eine starke -Eselzucht, die von ihrem Überschuß vielfach an chinesische Kleinhändler -abgibt. Doch ist der Esel in China so unwichtig, daß er nicht einmal -nach Japan kam, wo man nur das Pferd verwendet. In Indochina und -Indonesien fehlt er ganz. In Ostindien findet man ihn nur selten, z. B. -in Cotschin, wo sich Araber aufhalten. Kleinasien dagegen besitzt -wie ganz Westasien eine Menge von Eseln, doch überwiegend Grautiere -von ziemlich elender Erscheinung, weil sie schlecht gehalten werden. -Auch in Griechenland finden wir den Esel häufig, weniger dagegen in -den Balkanländern. Bedeutende Eselzuchten weist Süditalien auf. Auf -Sizilien und der Insel Pantellaria wird eine stattliche Rasse gehalten, -während die Esel Sardiniens sehr klein sind. In Südfrankreich dient der -Esel vorzugsweise zur Maultierzucht, die auch in Spanien und Portugal -eine sehr wichtige Rolle spielt. Daneben wird aber auch der Esel auf -der Iberischen Halbinsel viel verwendet; ja man kann sagen, daß das -Grautier neben Ägypten und Westasien hier am häufigsten gezüchtet -wird. Von Spanien aus wurde der Esel im 16. Jahrhundert in Amerika -eingebürgert, ist aber hier stark vernachlässigt. Seine Hauptbedeutung -beruht hier in der Maultierzucht. Der erste Esel, den Garcilasso -auf der Hochebene von Peru sah, war dazu bestimmt. In Australien -ist seine wirtschaftliche Bedeutung, wie auch in Mitteleuropa, ohne -Belang geblieben. Früher wurde er in der Westschweiz häufig gehalten, -besonders in den Kantonen Genf und Waadt. Neuerdings ist er wesentlich -durch die Bemühungen der Tierschutzvereine in verschiedenen Städten -Deutschlands als Zugtier eingebürgert worden. Im Norden besitzt Irland -stellenweise, z. B. in Connaught, eine starke Eselzucht. Auch in -England, wo er früher nahezu fehlte, wird er jetzt häufig, wenigstens -im Süden, als Zugtier von den Kleinhändlern gehalten. - -Es ist schon mehrfach von den Kreuzungsprodukten von Esel und Pferd -die Rede gewesen, die schon im frühen Altertum in Westasien und -den Mittelmeerländern eine wichtige Rolle spielten und heute noch -besonders in den romanischen Ländern sehr zahlreich gehalten werden. -Dabei unterscheidet man den ~Maulesel~ (lat. _hinnus_) als Produkt -der Kreuzung von Pferdehengst mit Eselstute und das ~Maultier~ (lat. -_mulus_) als dasjenige von Eselhengst mit Pferdestute. In beiden -Fällen schlägt der Bastard mehr nach der Mutter aus. So gleicht der -Maulesel mehr dem Esel, sieht aber wegen des relativ schweren Rumpfes -in Verbindung mit schwachen Gliedmaßen unschön aus und ist nie zu -größerer Bedeutung gelangt. Man findet ihn heute nur sporadisch, -so besonders in Abessinien, Nubien, Marokko, auf den Balearen, in -Sizilien und Istrien. Dagegen war er im Altertum in manchen Gegenden -nicht gar selten zu finden, so in Assyrien, wo er im Dienste der -Haus- und Landwirtschaft als Lasttier wie der Esel gebraucht wurde. -Zu sehr großer Bedeutung gelangte dagegen das Maultier, das mehr dem -Pferde gleicht, viel leistungsfähiger ist, und mit seinen kleinen, -zierlicheren Hufen ein weit besserer Bergsteiger ist als das Pferd -und deshalb besonders viel als Saumtier gehalten wird. Von ihm werden -weit mehr Männchen als Weibchen geboren. Sie sind in der Regel, aber -durchaus nicht in allen Fällen unfruchtbar, wie man gemeinhin glaubt, -nur ist ihr Geschlechtstrieb bedeutend herabgesetzt. Dabei sollen sie -sehr alt werden, viel älter als beide Eltern. Auch im Charakter ist die -mütterliche Abstammung maßgebend. So halten sich nach Dobrizhoffer die -Maulesel zu den Eseln, die Maultiere jedoch zu den Pferden. Deshalb -führt im romanischen Südamerika jede _tropa_ Maultiere ein Pferd, -die _madrinha_, mit der Schelle als Leittier. Nebenbei bemerkt kommt -natürlich die Benennung Maulesel und Maultier vom lateinischen _mulus_. - -Wie kam nun der Mensch dazu, eine solche auf den ersten Blick -unnatürliche und sonst bei den Haustieren durchaus nicht gebräuchliche -Bastardierung zwischen Esel und Pferd vorzunehmen? Darauf läßt sich -keine bestimmte Antwort geben. Eduard Hahn hat sie bereits mit dem -Eindringen des Pferdes selbst aus Hochasien nach Westen in Verbindung -bringen zu dürfen geglaubt. Als das erste Reitervolk aus Innerasien -nach den Kulturländern im Süden und Westen vorstieß, werden die -Bewohner vor solch ungewohntem Anblick in denselben Schrecken geraten -sein wie die alten Griechen, die aus solcher Reminiszenz ihre Sage -von den Kentauren schufen, die halb Mensch halb Tier (Pferd) sein -sollten. Vielleicht, ja wahrscheinlich, daß dieses Volk statt der -wilden, ungestümen Hengste nur die sanfteren Stuten ritt, wie dies -die Araber aus altgeheiligter Sitte heute noch tun. Zur Begründung -dieser Gewohnheit sagen sie, wenn sie einmal einen nächtlichen Überfall -machten und es wäre ein Hengst dabei, so könnte er, wenn er die -Anwesenheit der Stuten im Lager röche, wiehern und dadurch die Feinde -alarmieren. Dies soll unter allen Umständen vermieden werden! Ritt -nun der ungläubige Araber nur Stuten, so ritt schon aus nationalem -Gegensatz der gläubige Spanier nur Hengste. Wo Spanier in Südamerika -leben, gilt es heute noch für eine Schande, die kaum ein Neger auf sich -lädt, eine Stute zu besteigen. - -Wie vielleicht jenes alte Reitervolk, das aus Innerasien hervorbrach, -ritten nach dem Zeugnisse des Römers Trebellius Pollio die Skythen nur -Stuten, indem man vermutlich die überschüssigen Hengste, die nicht zur -Zucht gebraucht wurden, als Opfertiere schlachtete. - -Fingen nun die betreffenden Westasiaten, die von diesem Reitervolke -heimgesucht wurden, die ihrer Reiter entledigten Stuten, so konnte -es nicht ausbleiben, daß diese mit dem hier bereits als Haustier -gehaltenen Esel zusammengesperrt wurden, wobei sich Gelegenheit zur -Bastardierung von selbst ergab. So etwa ist der Ursprung der in -Westasien sehr alten Maultierzucht zu erklären. - -Als man dann später die Vorteile dieser Bastardierung inne geworden -war, pflegte man sie neben der Pferdezucht auszuüben. Nur manche -Völker, wie beispielsweise die Juden, lehnten sie als ungehörig ab. -So verbot das Gesetz den Juden, wie jede Bastardierung überhaupt, -so auch diese. Bei den alten Persern waren die Maultiere ebenso -gebräuchliche als beliebte Arbeitstiere wie bei den ältesten Griechen. -Wir haben bereits gesehen, welche Verbreitung die Maultiere bereits in -homerischer Zeit hatten und wie die Esel damals nur als Beschäler der -Pferdestuten, also als Zuchttiere für die Maultiergewinnung benutzt -wurden. Nicht anders scheint es bei den Mykenäern und dem ganzen -illyrischen Kulturkreis zur Mitte des zweiten vorgeschichtlichen -Jahrtausends gewesen zu sein, indem hier nach den Abbildungen das -Maultier neben dem Pferd zum Ziehen der zweiräderigen Wagen und daneben -auch zum Reiten ohne Schabracke und Sattel oder Bügel benutzt wurde. Im -Heere der Perser spielten die Maultiere wie die Esel zur Beförderung -der Bagage eine wichtige Rolle. So meldet uns der griechische -Geschichtschreiber Herodot: „Als der Perserkönig Darius (im Jahre 513 -v. Chr.) über die Donau gegangen war, um gegen die Skythen Krieg zu -führen, zeigte sichs bald, daß die feindliche Reiterei der seinigen -weit überlegen war. Indessen fand sichs, daß die Perser an den Eseln -und Maultieren, welche in ihrem Lager waren, mächtige Bundesgenossen -hatten; denn die skythischen Pferde nahmen vor ihnen Reißaus, weil sie -dergleichen nie gesehen hatten, und fürchteten sich nicht bloß vor -ihrem Anblick, sondern auch vor ihrer Stimme. - -Als endlich Darius doch in Not geriet, blieb ihm nichts übrig, als sich -zurückzuziehen, und dabei brauchte er folgende List: wie es Nacht war, -ließ er die Esel im Lager anbinden und Feuer anmachen. Darauf zog er -heimlich mit dem Heer von dannen, während die Skythen sicher glaubten, -er wäre noch da; denn sie hörten die Esel laut schreien. Diese Tiere -schrieen aber deswegen, weil ihre Herren weggegangen waren.“ - -[Illustration: - - Tafel 31. - -Für die Maultierzucht verwendeter, sehr schwerer italienischer -Eselhengst. - -Größe 1,54 _m_ Stockmaß, dreijährig. - -(Aus Karl Hagenbecks Tierpark in Stellingen.)] - -[Illustration: Großes Arbeitsmaultier, von Karl Hagenbeck aus -Nordamerika importiert. - -Größe 1,80 _m_ Stockmaß.] - -[Illustration: - - Tafel 32. - -Zebroid von Karl Hagenbecks Tierpark in Stellingen. - -Vater Zebrahengst, Mutter Pferdestute.] - -[Illustration: Grevy-Zebras in Karl Hagenbecks Tierpark in Stellingen.] - -[Illustration: - - Tafel 33. - -Zebrastute mit Zebroidenfohlen (Vater Pferd) in Deutsch-Ostafrika. - -(Nach einer Photographie der deutschen Kolonialschule in Witzenhausen.)] - -[Illustration: Ein Paar eingefahrener verschiedenartiger Zebras mit der -Familie Hagenbeck im Tierpark in Stellingen.] - -[Illustration: - - Tafel 34. - -Weidende Zebraherde in der ostafrikanischen Massaisteppe am Fuße des -Kilimandscharo. - -(Nach unretuschierter Naturaufnahme von Karl G. Schillings aus seinem -Buche „Mit Blitzlicht und Büchse“.)] - -Wie bei den alten Griechen, so hat auch bei den Römern das Maultier als -nützliches Arbeitswesen weite Verbreitung gefunden. Hat doch seine fast -aufgehobene Geschlechtlichkeit im Verein mit seinem leistungsfähigen -Körper, der die Stärke des Pferdes mit der Zähigkeit, Ausdauer und -Genügsamkeit des Esels verbindet, es bis auf den heutigen Tag überall -in den von der altrömischen Kultur befruchteten romanischen Ländern -zu besonderer Wertschätzung geführt. Schon der ältere Plinius sagt in -seiner Naturgeschichte: „Das Maultier ist zur Arbeit ganz ausgezeichnet -gut, der Maulesel dagegen ist unlenksam und unbändig faul. In der -Regel bekommen Maultiere und Maulesel keine Jungen; doch geschieht -es allerdings mitunter und dann hat man es immer für ein Zeichen -bevorstehenden Unglücks gehalten.“ Dieser Aberglaube ist von den Römern -auf die Romanen übergegangen. So berichtet Bollaert, daß eine der -besten Silberminen bei Iquique ihren Ertrag einstellte, als ein weißes -Maultier ein Junges warf. In ganz Südamerika hat man einen solchen -Schrecken vor diesen Maultiergeburten, daß schon in verschiedenen -Fällen Mutter und Kind gleich auf einen Scheiterhaufen gebracht und -verbrannt worden sein sollen. Wie Älian berichtet, benutzten die -Römer, besonders zum Ziehen von Reisewagen, Stuten oder Maultiere. -Diese waren dann bei den Vornehmen vielfach kostbar beschlagen und -mit bunten Bändern geschmückt. So berichtet Plinius von Kaiser Neros -Gemahlin Poppaea, sie habe die Hufe ihrer Maultiere mit Gold beschlagen -lassen. Und Sueton schreibt: „Wenn Kaiser Nero eine Reise machte, so -hatte er immer wenigstens tausend Staatskarossen bei sich; die Hufe -der vorgespannten Maultiere waren mit Silber beschlagen, die Kutscher -waren in kanusinische Wolle gekleidet.“ Varro rühmt den Mut dieser -Tiere, indem er sagt: „Die Maultiere sind von Natur mutig, und mir ist -ein Beispiel bekannt, wo sich ein Wolf an eine Herde von Maultieren -schlich, diese ihn aber umringten und mit den Hufen totschlugen.“ - -Heute noch wird in den Gebirgsländern Südeuropas, besonders in Italien -und Spanien, dann in Österreich und der Schweiz -- hier besonders im -Kanton Wallis --, das Maultier zum Befördern von Lasten als Saumtier, -oder an den zweiräderigen Wagen angespannt, dem Pferde vorgezogen. -Seine Genügsamkeit, seine große Ausdauer und die selbst auf dem -schwierigsten Terrain sichere Gangart -- alles Erbstücke vom Esel --- in Verbindung mit der durch die vom Pferd ererbte Körpergröße -ermöglichten größeren Leistungsfähigkeit beim Lastentragen machen es -den Gebirgsbewohnern geradezu unentbehrlich. Deshalb wird es auch zum -Befördern der Gebirgsartillerie dem Pferde vorgezogen. Auf eine hohe -Stufe ist die Maultierzucht in Südfrankreich gelangt, wo Poitou und -Deux Sèvres einen starken Export betreiben. Außer in den romanischen -Ländern trifft man diese Zucht nur noch in Irland häufiger. Auf -asiatischem Boden hat Persien ausgezeichnete Maultiere; auch Nordchina -ist in dieser Richtung hervorragend. In Nordafrika züchten Algerien -und Ägypten diesen Bastard in größerer Zahl, am berühmtesten ist aber -das gebirgige Abessinien durch seine Maultierzucht. Sie wird dort -dadurch erleichtert, daß einmal der dortige Pferdeschlag nicht sehr -groß ist und die Abneigung des Pferdes gegen den niedern Verwandten -dadurch verringert wird, daß Pferd und Esel von Jugend auf zusammen -aufgezogen werden. In der Neuen Welt hat die Maultierzucht namentlich -im spanischen Südamerika außerordentliche Verbreitung gefunden. So -wurden früher nicht weniger als 80000 Stück jährlich von Argentinien -nach Peru exportiert. Auch in Mexiko und den Südstaaten der Union hat -die Maultierzucht zunehmende Bedeutung erlangt. - -Wie der Wildesel würde auch das ~Zebra~ (_Equus zebra_) ein geeignetes -Objekt für die Domestikation von seiten des Menschen sein. Durch -die unablässigen Verfolgungen von Seiten des Menschen ist seine -Verbreitung eine sehr beschränkte geworden. Früher war es ein gemeines -Tier der afrikanischen Steppe, das in Herden bis zu 100 Stück lebte, -die einzelnen Arten streng voneinander gesondert, aber sich gern -unter Antilopen und Strauße mengend. Da ihr Gesicht, wie bei allen -Pferden, weniger gut ausgebildet ist, während ihr Geruch vorzüglich -ist, kam ihnen die Symbiose mit den gut sehenden, außerordentlich -wachsamen Straußen sehr zugute. Letztere ihrerseits fraßen gern die im -Zebradung lebenden großen Mistkäfer. Eine ähnliche Lebensgemeinschaft -zu gegenseitiger Förderung besteht in Südamerika zwischen Hirschen und -Nandus, im Kaukasus zwischen Steinböcken und Berghühnern. - -Die Zebras sind wie die Wildesel typische Steppentiere, die sich aber -im Gegensatz zu jenen nie allzuweit vom Wasser entfernen, da es ihnen -bei der sehr harten, vielfach salzhaltigen Nahrung ein Bedürfnis ist, -täglich zu trinken. Wie alle diese Tiere benutzen sie gewöhnlich die -Nacht, um oft über weite Strecken zum Wasser zu gelangen, an dem sie -ihren Durst zu stillen vermögen. Früher galt das Zebra für zu wild, -um gezähmt werden zu können. Doch ist diese vorgefaßte Meinung durch -den praktischen Erfolg widerlegt worden. So gibt es nicht nur in -Deutsch-Ostafrika, sondern selbst in London als Zugtiere dressierte -Zebras, die ihren Dienst vortrefflich tun. In letzterer Stadt fährt -Baron W. von Rothschild im dichtesten Straßengewühl mit vier Zebras -so glatt und flott wie mit dem besten Viererzug aus Pferden. Da das -Zebra unter der Tsetsekrankheit nicht leidet, ist es dazu berufen, -in weiten Gebieten Afrikas als Zugtier das Pferd zu ersetzen, das -dort nicht gehalten werden kann, da es regelmäßig daran erliegt. Zum -Reiten ist es allerdings zu schwach. Von allen Zebraarten hätte nur -das Grevyzebra (_Equus grevyi_) die erforderliche Größe und Kraft, um -ein brauchbares Reittier abzugeben. Da sich die Zebras sehr leicht -mit Pferd und Esel kreuzen lassen, scheint eine solche Kreuzung von -großer Bedeutung, da die daraus resultierenden Bastarde, die man als -~Zebroide~ bezeichnet, sehr leistungsfähig sind und gegenüber dem -Maultier unverkennbare Vorzüge aufweisen, so daß sie diesem vielleicht -in Bälde den Rang streitig machen werden. Verschiedene Gestüte haben -sehr günstige Erfahrungen mit diesen Tieren gemacht, die durch ihre -mehr pferdeähnliche Erscheinung in Verbindung mit der Zebrazeichnung -recht stattliche Luxustiere sind. Außer Schnelligkeit und Ausdauer -wird ihnen große Gelehrigkeit nachgerühmt. An Muskelstärke übertreffen -diese Zebroide die Maultiere und lassen die Störrigkeit der letzteren -ganz vermissen; außerdem sind sie weniger scheu. Jedenfalls haben -diese Tiere eine bedeutende Zukunft, da sie eine besonders gute -Rassenmischung darzustellen scheinen. - - - - -VII. Das Pferd. - - -Erst längere Zeit nach dem ostafrikanischen Wildesel ist irgendwo in -Zentralasien das flüchtige ~Wildpferd~ (_Equus caballus_) vom Menschen -gezähmt und zunächst als ausschließliches Werkzeug des Krieges benützt -worden. Einst hat es nicht nur in Asien, sondern überall auch in Europa -Wildpferde gegeben. Wie der nordamerikanische Bison die ausgedehnten -Prärien und der europäische Wisent den Wald bewohnte, so war offenbar -auch das europäische Wildpferd in frühgeschichtlicher Zeit mehr ein -Waldtier, während es von Rußland an ein ausgesprochenes Steppentier -wie einst in der Diluvialzeit geblieben war. In verschiedenen Epochen -der Eiszeit hat neben dem Wildbüffel das Wildpferd das wichtigste -Nahrungstier des Menschen gebildet, dessen Knochen sich an manchen -einstigen Lagerplätzen des Diluvialmenschen zu mächtigen Abfallhaufen -auftürmten. So findet sich an der Fundstelle von Solutré bei Mâcon -nördlich von Lyon im Rhonetal eine gegen 4000 _qm_ bedeckende -Schicht von 0,5-2,3 _m_ Mächtigkeit, bestehend fast ausschließlich -aus Knochen des diluvialen Wildpferdes, das damals in zahlreichen -Herden das Rhonetal bewohnt haben muß und trotz seiner Flüchtigkeit -dem primitiven Jäger zahlreich zur Beute fiel. Die Gesamtzahl der -auf jenem einzigen Platze einst vom Eiszeitmenschen verspeisten -Wildpferde schätzt Toussaint auf wenigstens 40000, andere auf etwa -100000, meist vier- bis siebenjährige, also im besten Fleischzustand -erbeutete Tiere. Dieses heute in Europa ausgestorbene diluviale -Wildpferd, von dem sich auch mehrfach treffliche Zeichnungen von der -Hand des Eiszeitjägers der jüngsten Phase der älteren Steinzeit an -den Höhlenwänden, auf Steinplatten und auf allerlei Knochenstücken -erhielten, besaß einen größeren Kopf, stärkere Zähne und kräftigere -Kiefer als das heute lebende Pferd, war aber, wie man an einem aus -Bruchstücken zusammengesetzten Skelett im Naturhistorischen Museum in -Lyon sehen kann, ziemlich groß und schlank gebaut. Auch die Fundstelle -von La Micoque im Vézèretal unweit von Laugerie haute birgt eine -gewaltige Menge von Knochen dieses Tieres, dessen Röhrenknochen stets -aufgeschlagen wurden, um das Markfett, nach dem jene Leute sehr lüstern -waren, noch lebenswarm auszusaugen. - -[Illustration: Bild 24. Darstellung von Wildpferden auf einem Zierstab -der Magdalénienjäger Südfrankreichs aus Renntierhorn.] - -[Illustration: Bild 25. Darstellung eines Wildpferdes -- meist als -Steppenesel aufgefaßt -- mit übertrieben langem Körper und allzu -kleinem Kopf aus dem Keßlerloch bei Thaingen. (Nach Photogramm von -_Dr._ Nüesch.)] - -In späterer Zeit ist das Wildpferd infolge der fortgesetzten -Verfolgungen zunächst in Süd- und Mitteleuropa immer seltener -geworden, wenn auch noch der Römer Varro aus der ersten Hälfte des -letzten vorchristlichen Jahrhunderts schreibt: „In mehreren Gegenden -des westlichen Spanien gibt es wilde Pferde.“ Im Speisezettel der -Neolithiker hat es keine nennenswerte Rolle mehr gespielt, wenn es auch -noch hier und da erlegt wurde. Nur in Nordeuropa gab es noch lange -Zeit in entlegenen Waldgebieten, wo sie vor Ausrottung von seiten des -Menschen geschützt waren, solche. Dies war auch in Schweden der Fall, -wo Sjörgren im November 1900 bei Ingelstad einen Pferdeschädel aus der -jüngeren Steinzeit fand, in dem noch, wie auf den Abbildungen 28 und -29 zu sehen ist, die abgebrochene Klinge eines Steinmessers steckte. -Das Alter des Pferdes dürfte auf zwei Jahre anzuschlagen sein, und, da -man ein so junges Tier, wäre es gezähmt gewesen, gewiß nicht als Opfer -vermutlich an den Kriegsgott geschlachtet hätte, so läßt dies auf eine -Wildform schließen. Von Schriftstellern des Altertums schreibt der -ältere Plinius, wohl auf verbürgte Nachrichten gestützt: „Im Norden -findet man Herden von wilden Pferden.“ Auch Strabon berichtet, daß in -den Alpen, wie wilde Stiere, so auch wilde Pferde lebten. Vermutlich -stammten die 30 wilden Pferde, die nach Julius Capitolinus der Kaiser -Gordianus für die Jagdspiele im _Circus maximus_ nach Rom schaffen -ließ, von dort oder aus Spanien. Später meldet Venantius Fortunatus, -daß in den Ardennen oder Vogesen neben dem Bären, Hirsch und Eber auch -wilde Pferde gejagt wurden. Der langobardische Geschichtschreiber -Paulus Diaconus im 9. Jahrhundert v. Chr. sagt, daß es den Bewohnern -Italiens ein Wunder gewesen sei, als sie unter dem Könige Agilulf -dorthin gebrachte „Waldpferde“ und Wisente sahen. Am längsten gab es -diese Tiere weiter nördlich in Deutschland, das noch von ausgedehnten -Waldungen bedeckt war, in denen diese Tiere eine Zuflucht fanden. So -aßen nach Hieronymus die deutschen Volksstämme der Quaden und Vandalen, -wie auch die weiter östlich wohnenden Sarmaten das Fleisch wilder -Pferde, das ihnen dann die christlichen Priester bei der Einführung des -Christentums strengstens untersagten. Der Apostel der Deutschen, der -heilige Winfried oder Bonifacius, der den 5. Juni 755 bei Dokkum in -Friesland den Märtyrertod starb, scheint dies in manchen Fällen noch -gestattet zu haben; da aber solche Mahlzeiten stets mit heidnischen -Opfern an den Gott Wodan verbunden waren, so verbot der Papst in Rom -bald solche Abgötterei. Schon Papst Gregor III. schrieb um 732 an -Bonifacius: „Du hast einigen erlaubt, das Fleisch von wilden Pferden zu -essen, den meisten auch das von zahmen. Von nun an, heiligster Bruder, -gestatte dies auf keine Weise mehr.“ - -[Illustration: Bild 26. Darstellung eines Wildpferdes aus diluvialer -Zeit in der Höhle von La Mouthe in der Dordogne. (Nach Emile Rivière.)] - -In den Benediktionen oder Segenssprüchen zu den beim gemeinsamen -Mahle aufgetragenen Speisen des Mönches Ekkehard IV., _magister -scholarum_ ums Jahr 1000, ist auch von wilden Pferden die Rede, -die gelegentlich im waldigen Gürtel um die Einöde des Klosters St. -Gallen erlegt wurden und deren ausdrücklich als „süß“ bezeichnetes -Fleisch dann auf die Klostertafel gelangte. Vielleicht ist der -„grimme Schelch“ des Nibelungenliedes, den Siegfried im Wasgenwald -erlegte, ein Wildpferdhengst (mit beschälen zusammenhängend) gewesen. -In der Weingartner Liederhandschrift spricht Winsbeke in Strophe 46 -die Erfahrung aus: „Ein Füllen in einer wilden Herde Pferde wird, -eingefangen, eher zahm, als daß ein ungeratener Mensch in seinem -Innern Scham empfinden lerne.“ Im Sachsenspiegel bestimmt eine Glosse, -daß bei der Zuweisung der fahrenden Habe einer Frau wilde Pferde, -die man nicht immer in Hut behalte, nicht zu rechnen seien. In einer -westfälischen Urkunde vom Jahre 1316 wird einem gewissen Hermann die -Fischerei im ganzen Walde und die wilden Pferde samt der Jagd in -jenem Wildforst zugeteilt. 1316 kamen im Münsterschen wilde Pferde -vor, die dem zustanden, der den Wildbann inne hatte. Noch ums Jahr -1593 lebten im entlegenen Gebirgsteile der Vogesen wilde Pferde, wie -der Elsässer Helisäus Rößlin schreibt. „Diese Wildpferde sind in -ihrer Art viel wilder und scheuer, dann in vielen Landen die Hirsch, -auch viel schwerer und mühsamlicher zu fangen, ebensowohl in Garnen -als die Hirsch, so sie aber zahm gemachet, das doch mit viel Müh und -Arbeit geschehen muß, sind es die allerbesten Pferde, spanischen und -türkischen Pferden gleich, in vielen Stücken ihnen aber fürgehen und -härter seind, dieweil sie sonderlich der Kälte gewohnet und rauhes -Futter, im Gang aber und in den Füßen fest, sicher und gewiß seind, -weil der Berg und Felsen, gleich wie die Gemsen, gewohnet.“ Diese -Wildpferde der Vogesen müssen noch bis ins 17. Jahrhundert gelebt -haben; denn wir erfahren, daß 1616 drei Wildpferdschützen von der Stadt -Kaiserslautern angestellt wurden, um die Felder der Bürgerschaft vor -Schaden durch jene zu bewahren. - -Noch viel länger als hier hielt sich das Wildpferd in den ausgedehnten -Waldgebieten von Norddeutschland, Polen und Rußland. So kamen nach -Erasmus Stella noch im Anfang des 16. Jahrhunderts wilde Pferde in -Preußen vor. Das Land der Pommern wird zur Zeit des Bischofs Otto -von Bamberg in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts als reich an -Wild aller Art, auch Wildpferden und Wisenten, angegeben. Im Jahre -1132 brachte der Herzog Sobieslaus von Böhmen von einem Feldzuge nach -Schlesien eine Anzahl wilder Pferde heim. Nach Töppen jagte man zur -Zeit der Deutschordensritter wilde Pferde wie anderes Wild vornehmlich -um ihrer Häute willen. Noch Herzog Albrecht erließ um 1543 ein Mandat -an den Hauptmann zu Lyck, in welchem er ihm befahl, für die Erhaltung -der „wilden Rosse“ zu sorgen. Auch für Polen und Litauen gehen die -Hinweisungen auf das Pferd als Jagdtier bis tief ins 17. Jahrhundert -hinauf. Für Rußland haben wir einen Bericht von Wladimir Monomach, dem -von 1053-1125 lebenden Fürsten von Tschernigow, der in seiner für die -Söhne verfaßten Lebensbeschreibung von sich selbst erzählt: „Aber in -Tschernigow tat ich dies: ich fing und fesselte eigenhändig 10-20 wilde -Pferde lebendig, und als ich längs des Flusses Roßj ritt, fing ich mit -den Händen ebensolche wilde Pferde.“ - -Diese herrenlosen wilden Pferde sind nicht mit den noch lange in -Europa gehaltenen „wilden Gestüten“ zu verwechseln, die ihre Besitzer -hatten und nicht abgeschossen werden durften. Diese halbwilden Pferde -lebten das ganze Jahr über im Freien, ohne daß sie sich einer irgend -nennenswerten Fürsorge zu erfreuen gehabt hätten. Das letzte dieser -wilden Gestüte bestand in Deutschland im Duisburger Walde und wurde -erst von Napoleon I. aufgelöst. - -Wenn nun auch Europa keine wilden Pferde mehr besitzt, so leben -doch in den weiten Steppen Südrußlands verwilderte Pferde, die alle -Eigenschaften wilder Tiere aufweisen und von Tataren und Kosaken auch -als solche angesehen werden. Es sind dies die ~Tarpane~, kleine Pferde -mit dünnen, aber kräftigen Beinen, ziemlich langem und dünnem Halse, -verhältnismäßig dickem Kopfe, spitzigen, nach vorwärts geneigten -Ohren und kleinen, lebhaften Augen. Ihre Behaarung ist im Sommer -kurz, gelbbraun, im Winter lang, heller bis fast weiß, wobei sich am -Kinn eine Art Bart bildet. Die kurze, dichte, gekräuselte Mähne und -der mittellange Schwanz sehen dunkler aus als der Körper. Schecken -kommen niemals, Rappen nur sehr selten vor. Sie bewohnen in größeren -Herden die ungeheure Steppe und wandern von Ort zu Ort, indem sie -außerordentlich aufmerksam mit weit geöffneten Nüstern und gespitzten -Ohren sichern und so beizeiten jeder Gefahr zu entgehen wissen. Die -Herde zerfällt in kleinere Gesellschaften von Stuten und Fohlen, die -von einem Hengste beherrscht und geführt werden. Er sorgt für deren -Sicherheit und treibt sie bei der geringsten Gefahr zu wilder Flucht -an. Gegen hungrig umherschleichende Wölfe geht er mutig wiehernd vor -und schlägt sie mit seinen Vorderhufen zu Boden. Der Tarpan ist schwer -zu zähmen. Seine Wildheit und Stärke spotten sogar der Künste der -pferdekundigen Mongolen. Er schadet den pferdehaltenden Völkern durch -Wegführen der freiweidenden Stuten und wird deshalb mit Eifer verfolgt. - -[Illustration: - - Tafel 35. - -Assyrische Darstellung einer Jagd auf Onager (nach Keller auf -Przewalskis Wildpferd) am Palast des Assurbanipal in Kujundschik, etwa -668 v. Chr. - -(Nach Keller, Die Abstammung der ältesten Haustiere.)] - -[Illustration: - - (_Copyright by M. Koch, Berlin._) - -Przewalskis Wildpferd.] - -[Illustration: - - Tafel 36. - -Der Assyrerkönig Assurbanipal (668-626 v. Chr.) in einem von drei -Pferden gezogenen Streitwagen auf der Löwenjagd. (Nach einer -Photographie von Mansell & Cie. in London.)] - -Dieselben Charaktereigenschaften zeigen auch die anderswo, namentlich -in Argentinien verwilderten Pferde, die als Cimarrones in großen Herden -die Pampas bewohnen. Nach Azara sollen sie von fünf bis acht bei der -Aufgabe der 1535 gegründeten Stadt Buenos Aires zurückgebliebenen -und sich selbst überlassenen Hauspferden stammen. Als im Jahre 1580 -derselbe Platz wieder besiedelt wurde, fand man bereits eine Menge -verwilderter Pferde vor, die aus diesen zurückgelassenen hervorgegangen -waren. Dies ist der Ursprung der unzählbaren Pferdescharen, die sich in -der Folge am Rio de la Plata (dem Silberstrom) herrenlos umhertrieben -und von denen jeder nach Belieben einfangen und für sich gebrauchen -konnte. Die Indianer der Pampas machen Jagd auf sie, um ihr Fleisch zu -essen. Sie fangen auch manche, um sie zu zähmen und als Reittiere zu -gebrauchen, wie sie es den Weißen absahen. Die Spanier jedoch machen -kaum mehr Gebrauch von ihnen. Höchst selten fängt man einen Wildling, -um ihn zu zähmen. Die in Paraguay vorkommenden Pferde sind zwar nicht -herrenlos, leben aber beinahe so frei wie diese, indem sie ebenfalls -das ganze Jahr unter freiem Himmel zubringen. Alle acht Tage treibt -man sie zusammen, damit sie sich nicht versprengen, untersucht ihre -Wunden, bestreicht sie mit Lehm und schneidet ihnen alle drei Jahre die -Mähne und den Schwanz ab, um das Roßhaar zu verkaufen. An Veredelung -derselben denkt niemand. - -Rengger schreibt über sie: „Gewöhnlich leben die Pferde truppweise in -einem bestimmten Gebiet, an welches sie von Jugend auf gewöhnt worden -sind. Jedem Hengste gibt man 12-18 Stuten, welche er zusammenhält und -gegen fremde Hengste verteidigt. Die Füllen leben mit ihren Müttern -bis ins dritte oder vierte Jahr. Diese zeigen für jene, solange sie -noch saugen, große Anhänglichkeit und verteidigen sie zuweilen sogar -gegen den Jaguar. Wenn die Pferde etwas über zwei oder drei Jahre alt -sind, wählt man unter den jungen Hengsten einen aus, teilt ihm junge -Stuten zu und gewöhnt ihn mit denselben in einem besonderen Gebiete zu -weiden. Alle Pferde, die zu einem Trupp gehören, mischen sich nie unter -andere und halten so fest zusammen, daß es schwer hält, ein weidendes -Tier von den übrigen zu trennen. Werden sie miteinander vermengt, z. B. -beim Zusammentreiben aller Pferde einer Meierei, so finden sie sich -nachher gleich wieder auf. Die Tiere zeigen übrigens nicht allein für -ihre Gefährten, sondern auch für ihre Weiden große Anhänglichkeit. -Ich habe welche gesehen, die aus einer Entfernung von 80 Stunden auf -die altgewohnten Plätze zurückgekehrt waren. Um so sonderbarer ist -die Erscheinung, daß zuweilen die Pferde ganzer Gegenden aufbrechen -und entweder einzeln oder haufenweise davonrennen. Dies geschieht -hauptsächlich, wenn nach trockener Witterung plötzlich starker Regen -fällt, und wahrscheinlich aus Furcht vor dem Hagel, welcher nicht -selten das erste Gewitter begleitet. - -Die Sinne dieser fast wild lebenden Tiere scheinen schärfer zu sein -als die europäischer Pferde. Ihr Gehör ist äußerst fein; bei Nacht -verraten sie durch Bewegungen der Ohren, daß sie das leiseste, dem -Reiter vollkommen unhörbare Geräusch vernommen haben. Ihr Gesicht ist, -wie bei allen Pferden, ziemlich schwach; aber sie erlangen durch ihr -Freileben große Übung, die Gegenstände aus bedeutender Entfernung zu -unterscheiden. Vermittelst ihres Geruchsinnes machen sie sich mit ihrer -Umgebung bekannt. Sie beriechen alles, was ihnen fremd erscheint. Durch -diesen Sinn lernen sie ihren Reiter, das Reitzeug, den Schuppen, in dem -sie gesattelt werden, usw. kennen, durch ihn wissen sie in sumpfigen -Gegenden die bodenlosen Stellen auszumitteln, durch ihn finden sie in -dunkler Nacht oder bei dichtem Nebel den Weg nach ihrem Wohnorte oder -nach ihrer Weide. Gute Pferde beriechen ihren Reiter im Augenblicke, -wenn er aufsteigt, und ich habe solche gesehen, welche denselben gar -nicht aufsteigen ließen oder sich seiner Leitung widersetzten, wenn er -nicht einen Poncho oder Mantel mit sich führte, wie ihn die Landleute, -welche die Pferde bändigen und zureiten, immer tragen. Auf größere -Entfernung hin wittern sie freilich nicht. Ich habe selten ein Pferd -gesehen, welches einen Jaguar auf 50 Schritte gewittert hätte. Sie -machen daher in den bewohnten Gegenden von Paraguay die häufigste Beute -dieses Raubtieres aus.“ - -Das Leben der verwilderten Pferde in den weiter nach Norden hin -gelegenen Llanos hat Alexander von Humboldt aus eigener Anschauung -meisterhaft geschildert. Diese Herden werden viel von den Indianern -nicht nur des Fleisches und der Häute wegen verfolgt, sondern auch um -sie zu fangen und als Reittiere zu verwenden. Dabei quälen sie die mit -dem Lasso eingefangenen jungen Tiere so lange, bis sie durch Hunger und -Durst klein beigeben und den Menschen aufsitzen lassen. Überall ist -bei den Rothäuten der Pferdediebstahl ein für ehrenvoll angesehener -Beruf, dem sie sich mit Eifer hingeben. - -Bau und Eigenart des Pferdes weisen auf die weite Steppe als die -ursprüngliche Heimat dieses Schnelläufers hin. Und zwar hat nicht -sowohl das Fluchtvermögen vor etwaigen Feinden, als die Notwendigkeit, -in Trockenzeiten weite Strecken von einem nicht ausgetrockneten -Tümpel zum andern zurücklegen zu müssen, wie bei den Wildeseln -auch beim Wildpferd aus der ursprünglich vorhandenen Fünfzehigkeit -die Stelzenfüßigkeit eines einzigen, des mittleren Zehens bewirkt. -Diese Einhufer sind die Endglieder einer einseitigen Entwicklung zur -Erlangung möglichst großer Schnelligkeit. So ist auch das einzige -heute noch lebende Wildpferd im eigentlichen Sinne des Wortes -- und -nicht nur ein verwildertes Pferd -- das von dem russischen Reisenden -Przewalski 1879 in Innerasien entdeckte ~Przewalskische Pferd~. -Während seines Aufenthaltes im Militärposten von Saisan erhielt er -das Fell und den Schädel eines wilden Pferdes, das die Kirgisen in -der Sandwüste Kanabo erlegt hatten. Das Exemplar gelangte in den -Besitz des Museums der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. -Petersburg und wurde von Poljakow unter dem Namen _Equus przewalski_ -als neue Art beschrieben. Alles deutet mit Sicherheit darauf hin, daß -wir es hier mit einer echten Wildform und nicht wie beim Tarpan mit -einem verwilderten Hauspferd zu tun haben. Dieses Wildpferd haben -seither auch andere europäische Reisende in der Dsungarei, d. h. den -Wüsten zwischen Altai und Tianschangebirge, beobachtet und teilweise -in lebenden jungen Exemplaren nach Europa gebracht. So vermochte -Büchner 1899 zehn Fohlen, die von säugenden zahmen Mongolenstuten -genährt wurden, mit ihren Pflegemüttern nach Südrußland zu bringen, wo -sie im großen Wildpark von Falz-Fein in Askania nova akklimatisiert -wurden. Später hat dann der unternehmende Tierhändler Karl Hagenbeck in -Stellingen bei Hamburg ebenfalls durch eine eigene, sehr kostspielige -Expedition über ein Dutzend Wildpferdfohlen aus der Dsungarei zu holen -vermocht, um damit in Deutschland vielversprechende Zuchtversuche zu -machen. - -Das Przewalskische Pferd -- von den Kirgisen Kertag, von den Mongolen -Taki genannt -- lebt in Herden von 5-15 Stück unter Anführung eines -alten Hengstes. Seine Statur ist klein, fast ponyartig; es ist mit -einem zottigen Haarpelz von hellgraubrauner Farbe bedeckt, das an -den Beinen vom Knie an bis zu den Hufen dunkler wird. Die Ohren -sind kurz, die dunkle Mähne ist im Gegensatz zu demjenigen des -domestizierten Pferdes aufgerichtet, ferner fehlt ein Stirnschopf und -die Schweifwurzel ist kürzer behaart. Übrigens besteht die kurze Mähne -aus zweierlei Haar, einem äußeren paarigen Streifen von graubrauner -Farbe an jeder Seite und einem mittleren schwarzen, der sich als -sogenannter Aalstreifen über den Rücken fortsetzt. Ebenso ist der -Schweif zweifarbig. Der kürzer behaarte Teil, die Schweifwurzel, ist -graubraun wie der Körper, der übrige Teil des Schweifes aber schwarz -gefärbt. Eine solche Färbungsverschiedenheit von Mähne und Schweif -findet sich als Rückschlag in einen früheren Zustand nur ganz selten -bei Hauspferden. - -Dieses Wildpferd hat offenbar schon der durch Sibirien reisende -Deutsch-Russe Pallas gekannt. Er beschrieb es unter dem Namen -_Equus equiferus_. Der Russe Tscherski, der neuerdings eine genaue -Untersuchung des von Przewalski aufgebrachten Originalschädels vornahm, -betonte, daß man es hier mit einem den echten Pferden zugehörenden Tier -zu tun hat. Der Hirnteil erreicht eine Breite, die über dem Mittel der -Vertreter orientalischer Pferde steht, die Stirnknochen erscheinen -flach und die Nasenbeine verschmälern sich langsam nach vorn, also -nicht plötzlich wie beim Esel. Der Schädel steht seinem ganzen Bau -nach demjenigen des russischen Pferdes am nächsten. Seither hat auch -Tichomiroff durch erneuerte Untersuchungen festgestellt, daß dieses -zweifellos wilde und nicht nur verwilderte Pferd, das früher wohl -weit über Innerasien verbreitet war, tatsächlich dem Hauspferd sehr -nahesteht. Wir haben in ihm die Stammquelle der zuerst domestizierten -asiatischen Pferde zu erblicken. - -Zweifellos ist irgendwo in Zentralasien, vermutlich von einem -turanischen Volke, ein dem Przewalskischen nahestehendes Wildpferd, -jung eingefangen und gezähmt, zum Gehilfen des Menschen erhoben und an -seine Gegenwart gewöhnt worden. Von den weiten Ebenen Turans kam es -zu Ende des vierten vorchristlichen Jahrtausends nach dem Berglande -Iran und von da nach Mesopotamien, wo es kennzeichnenderweise den -Namen „Esel des Ostens“ oder „Esel des Berglandes“ erhielt. Da dort -der Onager als Wildling heimisch und zudem der Esel als Haustier -bekannt war, benannte man diesen Verwandten einfach nach ihm mit einem -unterscheidenden Beinamen. Wie in Babylonien war es um 2000 v. Chr. -auch in Indien bekannt. Auch in China ist seine Einfuhr eine sehr alte; -wenigstens verwendete man es nach den Angaben des Schuking schon etwa -2000 Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung. - -Als vornehmstes Werkzeug des Krieges wurde es im Zweistromland bei -den kriegerischen Assyriern, nach der Fülle der auf uns gekommenen -Pferdedarstellungen zu schließen, in großer Menge gezogen. Meist -begegnet uns auf den altassyrischen Monumenten ein langschweifiges -Pferd, daneben eine andere Rasse mit kurzem Schweif und nackter Rübe. -Außer zum Reiten diente es vornehmlich zum Ziehen des zweiräderigen -Kriegswagens, auf welchem fechtend die Schwerbewaffneten in den -Kampf zogen. Außer dem mächtigen König von Assur benutzten auch -seine Generale und Unterführer den von einem Wagenlenker geleiteten -Kriegswagen bei ihren Feldzügen. Offenbar war der zweiräderige Wagen -bei den Assyriern viel populärer als das Reiten auf dem Pferde, ohne -Bügel, nur auf einer Decke sitzend. - -Im alten Reiche Ägyptens war das Pferd völlig unbekannt; als Last- -und Arbeitstier wurde damals ausschließlich der Esel gehalten. Nicht -anders war es noch im Mittleren Reich (2160-1788 v. Chr.). Erst -im 17. Jahrhundert, um 1680 v. Chr., scheinen die Hyksos -- oder -Schasu(beduinen), wie sie von den Ägyptern genannt werden -- das -Pferd aus Westasien, wo es überall Eingang gefunden hatte, nach dem -bis dahin ziemlich abgeschlossenen Niltal gebracht zu haben. Hier -bürgerte es sich rasch ein und erscheint dann von der 18. Dynastie an -(1580-1350 v. Chr.) unter den Tutmosis und Amenophis, dann namentlich -in der 19. Dynastie (1350-1205 v. Chr.) unter den Ramses und Sethos -als hochgeschätztes Haustier, dem von den Großen sorgfältige Pflege -angediehen lassen wurde. Mit dem asiatischen Kriegswagen wurde das -Tier, nach asiatischer Weise daran angespannt, zum Ziehen desselben -verwendet. Die ägyptische Bezeichnung _sus_ für Pferd ist ein -semitisches Wort und die ägyptische Benennung des Streitwagens ist -ebensosehr semitisch und dem Hebräischen fast vollständig gleich. -Nach den spärlichen Stellen im Alten Testament, da vom Pferde und von -dem von ihm gezogenen Kriegswagen die Rede ist, sind dies Attribute -der kriegerischen Nachbarn und Feinde des Volkes Israel, an denen es -keinen Teil hat. Als Haus- und Herdentier der altjüdischen Patriarchen -erscheint es durchaus nicht und nimmt auch an den Wanderungen und -Kämpfen der Juden keinen Anteil. Bei ihnen wie bei den Ismaeliten -oder Arabern ist es zuerst der Esel und später das Kamel, auf dem sie -reiten. In Übereinstimmung damit berichtet Herodot von den im Heere -des Xerxes weilenden Arabern: „Die Araber waren alle auf Kamelen -beritten, die den Pferden an Schnelligkeit nicht nachgaben.“ Auch nach -Strabor gab es im Glücklichen Arabien keine Pferde, noch Maultiere; -denn er schreibt: „An Haus- und Herdetieren ist dort Überfluß, wenn -man Pferde, Maultiere und Schweine ausnimmt.“ Ähnlich sagt er vom -Lande der Nabatäer: „Pferde sind in dem Lande keine; deren Stelle in -der Dienstleistung vertreten die Kamele.“ Dabei war dieser Autor, der -Freund und Genosse des Älius Gallus, des Feldherrn, der die große -mißlungene Expedition nach Arabien gemacht hatte, über diese Halbinsel -so genau wie nur sonst jemand in damaliger Zeit unterrichtet. Noch -in der Schlacht bei Magnesia, in der er 190 v. Chr. zum zweitenmal -den Römern erlag, führte Antiochus der Große, wie einst Xerxes, auf -Dromedaren berittene Araber ins Gefecht. - -Anders war es in Ägypten zur Zeit des Neuen Reiches (1580 bis 1205 v. -Chr.). Hier diente das Pferd nur ganz ausnahmsweise zum Reiten, ganz -gewöhnlich aber, schön aufgezäumt und mit einem wallenden Busche von -Straußenfedern geziert, zum Ziehen des leichten Kriegswagens, auf -dem der Pharao mit seinen Offizieren in die Schlacht zog. Da kämpfte -man in den in Westasien geführten Schlachten Wagen gegen Wagen, Mann -gegen Mann. Offenbar wurde auf die Pflege der Pferde große Sorgfalt -verwendet und viel Gewicht auf gute Rasse gelegt. Der Kutscher war -eine wichtige Person im vornehmen Hause, und selbst Prinzen leiteten -am Hofe das Gespann, das zwei Pferde zählte. Die Leibpferde erhielten -schöne Namen. So wird uns auf den Darstellungen der Feldzüge der -verschiedenen Pharaonen an den Tempelwänden jeweilen genau angegeben, -wie die Pferde hießen, die in dieser oder jener Schlacht das reich -ausgestattete Gespann des Königs zogen. Auf diese Weise wissen wir -vom Tempel in Theben, daß das Lieblingsgespann Ramses II. (1292-1225 -v. Chr.) „Sieg zu Theben“ und „Zufriedene Nura“ hieß. Es waren dies -die beiden Pferde, die eben jenen König im Jahre 1280 aus der großen -Gefahr retteten, als er mit geringer Begleitung dem Gros seines Heeres -vorauseilend bei der Stadt Kadesch am Orontes in einen Hinterhalt der -Chetiter unter ihrem König Mutallu gefallen war und jede Hoffnung, -heil aus der mißlichen Lage zu entrinnen, vergebens schien. Zum Dank -ließ dann der König, wie uns im Schlachtenbericht des Pentaur erzählt -wird, diesem seinem Gespann künftighin ganz ausnahmsweise sorgsame -Behandlung zuteil werden. Das Kriegsgespann Ramses III. (1198 bis -1167 v. Chr.) trug die Namen: „Ammon siegt mit Macht“ und „Geliebt -von Ammon“. Nach den bildlichen Darstellungen sind es außerordentlich -edle, feurige Tiere von feinem Gliederbau und ziemlicher Größe mit -langer, flatternder Mähne und prächtigem Schweif, der vielfach in der -Mitte geknotet wurde, damit er nicht am Boden schleife. Als bevorzugte -Nahrung erhielten sie statt Hafer, wie bei uns, Gerste, die bis auf -den heutigen Tag in den Mittelmeerländern ihre alte Bedeutung als -Pferdekraftmittel behielt. - -[Illustration: Bild 27. König Sethos I. von Ägypten (regierte von -1313-1292 v. Chr.) auf dem Kriegswagen gegen die Cheta in Vorderasien -kämpfend dargestellt. (Nach Wilkinson.)] - -Während die Ägypter neben den auf Kriegswagen kämpfenden Elitetruppen -keine auf Pferden berittene Mannschaft besaßen, ist es interessant -zu sehen, daß auf den zahlreichen Schlachtenbildern des 16. und 15. -Jahrhunderts v. Chr., als Ägypten seine Macht weit nach Westasien -ausdehnte, die Chetiter zwar auch vorzugsweise auf Kriegswagen -kämpften, daneben aber auch, im Gegensatz zu den Ägyptern, teilweise -auf Pferden ritten. So scheint in der Schlacht von Kadesch, in der -Ramses II. das ägyptische Heer befehligte, ein berittener Chetiter -mit einem Bogen bewaffnet und ein anderer, ebenfalls zu Pferd, eine -Infanterieabteilung anzuführen. An einer Wand des großen Reichstempels -von Karnak in Theben sehen wir mitten unter den Kanaanitern, die gegen -die Stadt Askalon (im Text Askalunu genannt) flüchten, noch einen auf -einem Pferde sitzend dargestellt. Auch die Assyrier (Rotennu) machen -auf diesen Darstellungen neben dem Kriegswagen vielfach vom Pferde -auch zum Reiten Gebrauch. In zwei Darstellungen aus der Zeit der 18. -Dynastie, unter Tutmes III. (1480-1447 v. Chr.) und Tutankhamen, sehen -wir Assyrier dem Pharao als Tribut wertvolle Rassepferde überbringen. -Auch die Einwohner des Libanon (Lemenu genannt) kennen neben den -Kriegswagen Reiter. - -Damals besaß aber kein anderes Volk Afrikas außer den Ägyptern das -Pferd. Auf allen kriegerischen Darstellungen kämpfen sowohl die Neger -Äthiopiens, als auch die blonden Libyer (Lebu) stets zu Fuß und -besitzen außer Rindern und Schafen, die man durch die siegreichen -Ägypter fortgeführt werden sieht, keine Pferde. Das war allerdings -um die Mitte des letzten Jahrtausends v. Chr. anders; denn Herodot -berichtet uns, daß die Libyer von den Ufern des Tritonsees gewöhnlich -auf von vier Pferden gezogenen Kriegswagen kämpften. Es wäre merkwürdig -gewesen, wenn nicht mit der Zeit auch die Nachbarvölker dieses edle -Tier und das zu ihm gehörende Gerät, den leichten, zweiräderigen -Streitwagen, von den Ägyptern übernommen hätten. Erfahren wir doch, daß -das libysche Volk der Maschuasch schon zur Zeit Ramses III. (1198-1167 -v. Chr.) neben dem Esel auch schon das Pferd als Haustier besaß, da -dieser König nach einer ihm beigebrachten Niederlage laut einer auf uns -gekommenen Inschrift 183 Pferde und Esel von ihm erbeutete. - -In der zweiten Hälfte des vorletzten vorchristlichen Jahrtausends -hatte die Pferdezucht in Ägypten größere Ausdehnung erlangt, so daß -die westasiatischen Kulturvölker ihr edelstes Pferdematerial von dort -importierten. Zur Zeit des Königs Salomo, der von 993-953 v. Chr. -regierte, bezog der König von Israel viele Pferde seines prunkvollen -Hofhaltes und seiner Armee aus Ägypten und machte nebenbei noch ein -gutes Geschäft damit, indem er dieses vielbegehrte Material an die -Könige der Aramäer und Chetiter weiterverkaufte. - -Damals waren in Ägypten die Gestüte königliches Eigentum, dem die -Könige große Aufmerksamkeit schenkten. In Dschebel Barkal (dem alten -Nepata) fand Mariette eine merkwürdige Stele, auf der erzählt wird, -wie ums Jahr 745 v. Chr. der äthiopische König Pianki Meriamen das -damals von zahlreichen, aufeinander eifersüchtigen kleinen Fürsten -beherrschte Ägypten eroberte. Aus der Schilderung erfahren wir unter -anderem, daß die Aufzucht des Pferdes für den Export damals eine der -wichtigsten Einnahmequellen des Landes war. Jeder der zahlreichen -Teilkönige besaß einen Marstall und ein Gestüt, dessen beste Pferde er -dem damals siegreich vordringenden Könige der Äthiopier anzubieten sich -beeilte. Letzterer nahm diese Geschenke stets wohlwollend in Empfang. -Seine erste Sorge, wenn er wiederum ein neues Teilreich erobert hatte, -war, in höchst eigener Person die königlichen Marställe und Gestüte zu -besichtigen. In einer Stadt, Hermopolis in Mittelägypten, fand er diese -Etablissemente vernachlässigt und die Pferde schlecht gehalten. Da -geriet er in großen Zorn und rief aus: Bei meinem Leben, bei der Liebe -des Gottes Re, der den Atem meiner Nase erneuert, es gibt in meinen -Augen keinen größeren Fehler, als meine Pferde hungern zu lassen! - -Bei solcher Wertschätzung der ägyptischen Pferdezucht kann es uns -nicht wundern, daß 80 Jahre später, im Jahre 665, als der assyrische -König Asurbanipal die ägyptische Residenzstadt Theben einnahm und -plündern ließ, er vor allem in dem uns noch erhaltenen Beuteverzeichnis -in Keilinschrift, das das Britische Museum besitzt, „große Pferde“ -erwähnt. Diese Bezeichnung verdient besonders gewürdigt zu werden, denn -sie schließt sich an die dieselbe Tatsache bezeugenden Darstellungen -an den Tempelwänden zur Zeit der jüngeren Dynastien Ägyptens an, -woraus hervorgeht, daß sich mit der Zeit in Ägypten eine besondere -Pferderasse gebildet hatte, die größer und stärker war als die in -Syrien und Babylonien gezüchtete. Es ist zweifellos diejenige Rasse, -die sich unverändert in Dongolah, im Innern, erhielt und den mit -Wattepanzern aus Baumwolle für Pferde und Mensch umgebenen Reitern als -hochgeschätztes Kriegsmittel dient. - -Durch die Handelsbeziehungen mit Ägypten und Vorderasien hat auch das -alte Kulturvolk der Mykenäer auf Kreta und den Ländern am Ägäischen -Meer schon vor der Mitte des vorletzten Jahrtausends v. Chr. das Pferd -und den von ihm gezogenen zweiräderigen Kriegswagen kennen gelernt und -übernommen. So treffen wir schon in den ältesten Partien der Ilias, die -teilweise noch Erinnerungen an jene älteste Kulturblüte Griechenlands -wach erhält, das Pferd und den Kriegswagen als geschätzte Artikel -erwähnt. Sie erwähnt auch in erster Linie der Held Achilleus, wenn er -von der ägyptischen Hauptstadt spricht: - - „Theben, die hunderttorige Stadt, es fahren aus jedem - Tor zweihundert Männer heraus mit Rossen und Wagen.“ -- - -Unter diesen Wagen sind natürlich ausschließlich Kriegswagen gemeint. -Auf einer frühmykenischen Grabstele aus Agamemnons einstiger Residenz, -dem „goldreichen Mykene“, sehen wir in ungeschickter, roher Darstellung -einen Mann auf einem von zwei Pferden bespannten leichten Streitwagen -dahinfahren. Und überall in der Ilias ist bei den Kämpfen zwischen -den Griechen und Troern vor Ilions Veste vom feurigen Renner und -dem von ihm gezogenen Streitwagen die Rede, auf dem die Helden in -die „männermordende Feldschlacht“ zogen, nachdem sie sich „zum -Kampfe gegürtet“, d. h. das bis zu den Knien reichende Hemd mit ganz -kurzen Ärmeln, den Chiton, damit er nicht die Bewegungen hindere, -hinaufgenommen und mit einem Ledergürtel in dieser Stellung fixiert -hatten. Dann hatten sie die ledernen Beinschienen angezogen, die -zum Schutze der Schienbeine vor dem Anschlagen des gewaltigen, den -ganzen Mann bis zum Kinn vor den feindlichen Geschossen deckenden -Lederschildes dagegen dienten. Dieser ursprünglich von einer ganzen, -bis 50 _kg_ wiegenden Rindshaut, später aus mehreren solchen -hergestellte Schild war in der Mitte zum besseren Schutze eingezogen -und daran waren zwei Querspreizen befestigt, an denen man ihn halten -konnte. Für gewöhnlich geschah dies aber nicht, wie es mit dem erst -später aufgekommenen kleinen Rundschild geschah, sondern der Schild -wurde an einem Tragriemen getragen, der auf der nackten rechten -Schulter auflag. Auf der Brust und auf dem Rücken kreuzte sich der -letztere mit dem Riemen, der auf der linken Schulter auflag und an -welchem auf der rechten Seite das Schwert getragen wurde. Beim Gehen -trug man den Riesenschild auf dem Rücken, im Kampfe dagegen vor sich; -beim Rückzuge nahm man ihn wieder auf den Rücken. Welches Gewicht -diese Riesenschilde gelegentlich gehabt haben müssen, kann man sich -vorstellen, wenn man in der Ilias vom siebenhäutigen Schilde des -starken Priamossohnes Hektor liest. - -Bei solcher schweren Bürde waren die Helden gezwungen, in einem -zweiräderigen Streitwagen, in welchem sie den gewaltigen Schild vor -sich hinstellen konnten, in die Schlacht zu fahren. Dort angekommen, -kämpften sie stets zu Fuß, Mann gegen Mann, und nicht vom Wagen herab -wie die Vorderasiaten und Ägypter. In der Ilias sind nur fünf, und -zwar alles nachweisbar späte Stellen, in welchen auch von den Griechen -von dem mit zwei flinken Pferden bespannten Wagen herab gekämpft wird. -Auch zum Fliehen bediente man sich wiederum des Wagens, indem der außer -Schußweite auf den Ausgang des Einzelkampfes wartende Wagenlenker bei -Bedrängnis seines Herrn rasch herbeieilte, um ihn aufzunehmen und in -Sicherheit zu bringen. Bei Homer haben nur die Bogenschützen keine -Schilde und fahren deshalb nie. Ja, ein Held, der zwölf Wagen und die -dazu gehörenden prächtigen Doppelgespanne sein Eigen nannte, ließ -diese seine Habe vorsichtigerweise zu Hause und kämpfte zu Fuß als -Bogenschütze. - -Der Panzer ist dem homerischen Epos durchaus fremd und war bei dem -vorhin beschriebenen gewaltigen Schilde durchaus unnötig, ganz -abgesehen davon, daß er den Mann, der am schweren Schilde genug zu -schleppen hatte, noch unnötig beschwert hätte. Selbst der Kriegsgott -Ares trug nach der Schilderung in der Ilias keinen Panzer. Die einzige -Bewaffnung der Helden wie auch ihres Anführers ist außer dem Helm -von Leder, vielfach mit Eberzähnen überstickt, wie solche in einem -Volksgrabe von Mykenä gefunden wurden, und dem vorgenannten großen -Schild der mäßig lange Wurfspeer und das kurze Schwert an der rechten -Seite. Wer unbeschildet war, trug Pfeil und Bogen. Wer aber als -„Schwerbewaffneter“ in den Kampf zog, ließ sich, wenn er es irgendwie -vermochte, auf dem Streitwagen dahin führen. So begreifen wir die -Notwendigkeit der homerischen Helden, einen Streitwagen zu führen, und -fühlen mit dem Dichter, der das edle Pferd als Liebling und Begleiter -der Krieger in prächtigen Schilderungen verherrlicht, wie etwa in der -folgenden: - - „Gleich wie das Roß, das lang im Stall sich genährt an der Krippe, - Seine Fessel zerreißt und stampfenden Hufs durch die Ebne - Rennt, sich zu baden gewohnt in dem schön hinwallenden Strome, - Strotzend von Kraft; hoch trägt es das Haupt und umher an den - Schultern - Flattern die Mähnen empor. Im Gefühl der eigenen Schönheit - Tragen die Schenkel es leicht zur gewohnten Weide der Stuten, -- - So schritt Priamos Sohn von Pergamons Veste hernieder, - Paris im leuchtenden Waffenglanz, der Sonne vergleichbar, - Freudig und stolz, rasch trugen die Schenkel ihn --“ - -In der klassischen Zeit Griechenlands waren die großen, -schweren Schilde, wie auch die Streitwagen zum Transporte der -„schwerbewaffneten“ Helden außer Gebrauch gekommen; dafür führte man -am linken Arm getragene kleine Rundschilde und einen Panzer, wenn man -zu Fuß ging, keinen Panzer dagegen, wenn man zu Pferde kämpfte. In -letzterem Falle ritt man ohne Sattel und Bügel auf dem Pferderücken, -dem man höchstens etwa eine Decke auflegte. Jeder von uns kennt ja -die Art des Reitens der Griechen und später auch der Römer an den -mancherlei auf uns gekommenen antiken Darstellungen von Reitern, in -erster Linie von der herrlichen Darstellung reitender junger Athener -am Panathenäenzuge auf dem berühmten Friese des Parthenon und an den -mancherlei Grabdenkmälern in Germanien verstorbener römischer Soldaten. -Schon der griechische Feldherr und Staatsmann Xenophon schrieb zu -Beginn des 4. Jahrhunderts v. Chr. ein Werk über die Reitkunst. Darin -ist von den Regeln die Rede, nach welchen man die Güte eines Pferdes -beurteilen, es dressieren und reiten soll, fernerhin ist angegeben, wie -Roß und Mann angetan sein und wie Speer und Schwert gebraucht werden -sollen. - -Das berühmteste aller Pferde von Griechen, die nebenbei bemerkt -ausnahmslos von edler asiatischer Zucht waren, war das Leibroß -Alexanders des Großen (356-323 v. Chr.), Bukephalos, d. h. Stierkopf, -mit Namen. Nach den Angaben in der Naturgeschichte des älteren Plinius -soll Alexanders Vater Philippos es ihm, als er noch ganz jung war, aus -der Herde des Pharsaliers Philonikos um den Preis von 13 Talenten, -d. h. 45000 Mark, gekauft haben, weil es ihm so wohl gefiel. „Obgleich -dieses Pferd für gewöhnlich jeden Reiter aufnahm, so litt es doch, wenn -es mit dem königlichen Schmucke geziert war, keinen als Alexander. -Vorzügliche Dienste leistete es in Schlachten: bei der Belagerung -von Theben (im Jahre 335) ließ es, obgleich schwer verwundet, den -König doch nicht auf ein anderes steigen.“ Später gab es noch andere -Beweise seiner Klugheit und Anhänglichkeit, begleitete seinen Herrn -bis nach Indien und als es einige Zeit nach der Schlacht gegen König -Porus „entweder an seinen Wunden oder an Altersschwäche starb,“ wie -sich der Geschichtschreiber Plutarch ausdrückt, „betrauerte Alexander -dasselbe wie einen Freund und baute ihm zu Ehren am Hydaspes die Stadt -Bukephaleia. -- Er soll auch einem seiner Hunde, welcher Peritas hieß, -zu Ehren eine Stadt gebaut haben.“ - -Nach demselben Plinius soll wie Alexanders, so auch Julius Cäsars -Pferd keinen andern Reiter auf sich gelitten haben. Dieses Pferd -soll Menschenfüßen ähnliche Vorderfüße besessen haben, „was auch an -seiner vor dem Venustempel aufgestellten Bildsäule ausgedrückt ist“. -Er meint damit wohl die unschönen langen Hufe, die lange im Stall -stehende Pferde bekommen. Daß nun der stolze Diktator Cäsar einen -solchen minderwertigen Gaul gehabt haben soll, ist kaum anzunehmen, -noch weniger, daß er sich mit einem solchen Klepper auf einer Bildsäule -verewigt habe. - -Noch vieles sonst weiß dieser Autor von Pferden zu sagen, von dem -wir Einiges hier mitteilen möchten. Er schreibt: „Als vorzüglich -werden die skythischen Pferde gerühmt. Als ein Anführer der Skythen -in einem Zweikampfe getötet worden war, wurde sein Feind, da er ihm -die Waffen abnehmen wollte, von dessen Pferd durch Biß und Hufschlag -niedergemacht. Die Gelehrigkeit der Pferde ist so groß, daß alle Pferde -der sybaritischen Reiterei nach dem Takte der Musik zu tanzen gewöhnt -waren. -- Die Pferde haben ein Vorgefühl von bevorstehenden Schlachten, -trauern über ihren verlorenen Herrn und vergießen zuweilen Tränen der -Sehnsucht. Als König Nikomedes getötet worden war, hungerte sich sein -Pferd zu Tode. Phylarchus erzählt, daß, als der Galater Centaretus -das Pferd des in der Schlacht gefallenen Antiochus siegestrunken -bestiegen hatte, das edle Tier sich unwillig in die Zügel gelegt und in -einen Abgrund gestürzt habe, so daß beide zerschmetterten. Philistus -schreibt, das Pferd des Dionysius sei von diesem im Schlamme steckend -verlassen worden, habe sich wieder herausgearbeitet, sei den Spuren -seines Herrn nachgezogen, unterwegs habe sich ein Bienenschwarm an -seine Mähne gehängt. Durch diese gute Vorbedeutung ermutigt, habe sich -Dionysius dann der Herrschaft bemächtigt. - -Die unbeschreibliche Klugheit der Pferde lernen diejenigen schätzen, -welche reitend den Speer werfen, denn sie unterstützen des Reiters -Anstrengung durch die Stellung ihres Körpers. Die auf der Erde -liegenden Speere heben sie auf und reichen sie dem Reiter. (Plinius, -ein tüchtiger Reitergeneral, schrieb ein besonderes Buch „über die -Kunst des Kavalleristen, den Speer zu werfen“.) -- Die in der Rennbahn -zum Wettlauf Angeschirrten zeigen deutlich, daß sie die Mahnungen -verstehen und den Ruhm zu schätzen wissen. Bei den Säkularspielen des -Kaisers Claudius wurde beim Wettlauf ein Wagenlenker namens Corax -(Rabe) vom Wagen geschleudert; aber seine Pferde kamen allen zuvor, -versperrten den einen den Weg, warfen andere um, kurz taten alles, -was sie unter der Leitung eines geschickten Wagenlenkers hätten tun -können, und standen zur Beschämung der Menschen zuerst am Ziele. -- Für -eine wichtige Vorbedeutung galt es bei unsern Voreltern, daß Pferde -von einem Wagen, von welchem der Fuhrmann herabgestürzt war, als ob -er noch daraufstände, aufs Kapitol und dreimal um den Tempel liefen; -aber noch wichtiger schien es, als Pferde mit Kränzen und Palmzweigen -von Veji aufs Kapitol gerannt kamen. nachdem Ratumenna, der dort im -Wettlaufe gesiegt hatte, vom Wagen gestürzt war. Das Tor, durch das -sie hereinkamen, heißt seitdem das Ratumennische. Wenn die Sarmaten -(ein Nomadenvolk im Norden des Schwarzen Meeres) eine weite Reise -unternehmen wollen, so bereiten sie die Pferde tags zuvor durch Fasten -darauf vor, geben ihnen auch nur wenig zu saufen und reiten dann ohne -auszuruhen 150000 Schritte weit. -- Hengste können 50 Jahre alt werden; -Stuten aber sterben früher. Hengste wachsen bis ins 6., Stuten bis ins -5. Jahr.“ Umgekehrt wie Plinius schreibt Aristoteles: „Der Hengst wird -35, die Stute über 40 Jahre; ja, es ist schon einmal ein Pferd 75 Jahre -alt geworden.“ - -Welche Bedeutung die Pferde schon bei den Griechen, besonders aber bei -den Römern bei den Rennen zu Wagen und unter dem Reiter erlangt hatten, -ist aus mancherlei Angaben von Schriftstellern zu ersehen. So berichtet -Pausanias (der Bädeker des Altertums, dem wir wertvolle Nachrichten -über verschiedene Kultstätten und der darin aufgestellten Weihgeschenke -verdanken, er lebte im 2. Jahrhundert n. Chr.): „In der 66. Olympiade -gewann Kleosthenes zu Olympia den Preis im Wagenrennen und stellte dann -in Olympia den betreffenden Wagen nebst seiner eigenen Bildsäule und -der seines Wagenlenkers und seiner Pferde auf. Es sind auch die Namen -der Pferde (bei den Wettrennen mit Wagen in der Rennbahn fuhr man stets -mit einem Viergespann): Phönix, Korax, Knacias und Samos, angemerkt. -Auf dem Wagen steht die Aufschrift: „Kleosthenes aus Epidamnos hat -mit Rossen im schönen Wettkampfe des Zeus gesiegt.“ -- Der Korinthier -Phidolas hatte nach Olympia einen Wettrenner mit Namen Aura gebracht. -Dieser warf gleich beim Beginn des Laufes seinen Reiter ab, lief aber -doch ganz regelmäßig weiter und gewann den Preis. Phidolas bekam die -Erlaubnis, die Bildsäule seines Pferdes zu Olympia aufzustellen“. - -Bei den Griechen wurden berühmte Pferde nicht nur im Leben, sondern -auch nach dem Tode ausgezeichnet und mit Denkmälern geehrt. So schreibt -Herodot: „Der Athener Kimon, Vater des Miltiades, siegte zu Olympia -dreimal mit dem Viergespann. Das Grab Kimons steht vor Athen an der -Hohlen Straße, ihm gegenüber das Grabmal seiner vier siegreichen Rosse. -Nur die Rosse des Lakoniers Euagoras haben es jenen gleichgetan.“ Aber -erst zur römischen Kaiserzeit wurde die Pferdeverehrung auf die Spitze -getrieben. So berichtet uns der Geschichtschreiber Dio Cassius: „Kaiser -Caligula hatte ein Pferd namens Incitatus (d. h. der Angespornte), -das mit ihm speiste, die Gerste aus einer goldenen Schüssel fraß, den -Wein aus goldenen Pokalen trank. Bei diesem Pferd pflegte der Kaiser -zu schwören; auch wollte er es zum Konsul ernennen, aber der Tod -vereitelte dieses Plänchen. -- Der Kaiser baute sich auch selbst einen -Tempel, bestellte seine Gemahlin, sein Pferd und mehrere reiche Leute -zu Priestern und ließ sich täglich Vögel von delikatem Geschmack und -teurem Preise opfern. -- Kaiser Nero hatte eine merkwürdige Liebhaberei -für Wettrennen. Waren ausgezeichnete Renner da, so ließ er sie einen -prachtvollen Staatsrock anziehen und ihnen regelmäßigen Gehalt -bezahlen. Dadurch kam es bald dahin, daß die Besitzer solcher Pferde -und deren Stallknechte so übermütig wurden, daß sie sich sogar gegen -Generäle und Konsuln flegelhaft benahmen. Der General Aulus Fabricius -wußte sich aber zu helfen und rächte sich damit, daß er Wagen mit -Hunden bespannte. -- Kaiser Hadrian war ein sehr eifriger Jäger, brach -einmal auf der Jagd das Schlüsselbein und ward lahm, ließ aber seinem -Jagdpferde namens Borysthenes, als es gestorben war, eine Denksäule -mit einer Aufschrift setzen. -- Kaiser Commodus hatte einen Wettrenner -gern, der Pertinax hieß. Als dieser einmal gesiegt hatte, schrieen -die Leute: ‚Pertinax ist Sieger!‘ Als das Pferd alt wurde, ließ ihm -Commodus die Hufe vergolden, eine vergoldete Schabracke auflegen und -befahl, es in den Zirkus zu führen. Als es da erschien, schrieen -die Leute: ‚Da kommt Pertinax!‘ Dies waren die Vorbedeutungen, die -anzeigten, daß der Ligurier Pertinax nach der Ermordung des Commodus -Kaiser werden mußte“. Julius Capitolinus berichtet: „Kaiser Verus -trug stets das goldene Bild seines Pferdes namens Volucer bei sich. Er -fütterte das Tier mit Rosinen, Nuß- und Mandelkernen, er schmückte es -mit purpurfarbigen Schabracken und errichtete ihm, als es gestorben -war, auf dem Vatikan ein Grabmal“ und Älius Lampridius meldet: „Kaiser -Heliogabalus fütterte seine Pferde mit Rosinen, die er aus Apamea in -Phrygien bezog“. - -[Illustration: Bild 28. Ein im Jahre 1900 in Schonen, Südschweden, -an einem vorgeschichtlichen Opferplatz ausgegrabener Pferdeschädel -mit noch in der Stirne steckendem abgebrochenem Steindolch in -Seitenansicht. (Nach Gunnar Andersson.)] - -Nach Älian sollen die Oreïten und Adraster (indische Völker) ihre -Pferde mit Fischen gefüttert haben, ebenso die Kelten. Wir sahen -bereits bei der Besprechung des Rindes, daß man tatsächlich in -grasarmen Gegenden, so z. B. auf der Insel Island, zu einem solchen -Hilfsmittel griff und es an manchen Orten heute noch tut. Auch -scheinen die indogermanischen Stämme bis in die historische Zeit das -Pferdefleisch als besonderen Leckerbissen geliebt zu haben. Bei den -alten Germanen galt es als vornehmstes Opfer, ein Pferd zu schlachten -und dessen Fleisch beim Göttermahle zu verspeisen. Daß sich die -Gottheit besser des Opfers erinnere, wurde der abgefleischte und -des Gehirns entleerte Schädel gern am Dachfirst befestigt. Da nun -das Pferdefleischessen stets mit heidnischen Opfern verbunden war, -wurde dasselbe als minderwertig und unrein erklärt. Als alles dies -nichts fruchtete, wurde von Rom aus die Todesstrafe darauf gesetzt. -So vermochte man mit vieler Mühe den alten Deutschen die Freude am -Pferdefleischgenusse zu verleiden, so daß heute, da die Gründe, die zu -dessen Verbot führten, hinfällig geworden sind, die Tierschutzvereine -die größte Mühe haben, das damals dem Volke beigebrachte Vorurteil -zu beseitigen. Auch die Römer opferten jährlich im Oktober auf dem -Marsfelde dem Mars ein Pferd. Dieses hieß beim Volke das Oktoberpferd. -Ferner opferten die Massageten, Parther und Skythen ihrer obersten -Gottheit Pferde, ebenso die Perser. Strabon berichtet, daß Alexander -der Große in Pasargadä, der alten Residenzstadt der Perserkönige, das -Grabmal des Cyrus von Magiern bewacht fand, denen täglich ein Schaf und -monatlich ein Pferd zur Nahrung verabreicht wurde. Neben dem Fleisch -haben nur die Steppenvölker Südrußlands und Asiens auch die Milch der -Pferde genossen, und zwar stellten sie mit Vorliebe daraus ein von den -Kirgisen als Kumis bezeichnetes berauschendes Getränk her. Bei den -Germanen war dies nicht der Brauch, wohl aber bei den Litauern und -Esten, die solche Sitte von den südöstlichen Nachbarn angenommen hatten. - -[Illustration: Bild 29. Der in der vorhergehenden Abbildung -dargestellte Pferdeschädel mit Steindolch in Rückansicht. Die ganze -Form und Bearbeitung des Dolches beweist, daß er der jüngeren -schwedischen Steinzeit angehört. Die Art und Weise, wie der Dolch in -den Schädel hineingetrieben ist, zeigt, daß dies von geübter Hand -und mit großer Kraft zu Lebzeiten des bei irgend welchem Götterfeste -geopferten Tieres geschah; denn er ist, ohne den Schädelknochen auch -nur im geringsten zu splittern, 4,7 _cm_ tief ins Gehirn gedrungen und -muß augenblicklich tödlich gewirkt haben.] - -Bei den Germanen und den mit ihnen verwandten Wenden hatte das Pferd -eine besondere sakrale Bedeutung, indem es, besonders in weißgefärbten -Exemplaren, als dem Kriegsgott heiliges Tier galt, das man ihm zu -Ehren in dessen heiligen Hainen in halber Freiheit hielt, in der -Annahme, daß sich der Gott ebensosehr als der Mensch an solchem -Besitz erfreuen werde. Überreste von dieser uralten Sitte lassen sich -mehrfach in Ortsbezeichnungen nachweisen. So rührt das Mecklenburgische -Schwerin vom wendischen Worte Zuarin, das Tiergarten bedeutet, her. -Gemeint damit ist aber nicht ein Wildpark für das Jagdvergnügen der -Vornehmen, sondern ein heiliger Hain, in welchem das dem slavischen -Kriegsgotte Swantewit geheiligte Tier, das Pferd, gezüchtet wurde. -Solche Pferdezucht in eingehegten heiligen Bezirken läßt sich auch für -Deutschland nachweisen und hielt sich auch nach der Einführung des -Christentums für profane Zwecke im Gebrauch. So hat Stuttgart, d. h. -Stutengarten, seinen Namen von dem Gestüt, das Kaiser Ottos I. Sohn -Liutolf im Jahre 949 in den dortigen Waldungen anlegte. - -Die Pferde der Germanen, die von den aus dem Süden und Osten -eingeführten orientalischen Pferden abstammten, waren nach den -Schilderungen der Römer nur unscheinbare, aber äußerst leistungsfähige -und gut dressierte Tiere. So berichtet Julius Cäsar darüber: „Die -Pferde der Germanen sind häßlich, jedoch durch die tägliche Übung sehr -ausdauernd. In der Schlacht springen die germanischen Reiter oft vom -Pferde, kämpfen zu Fuß und ziehen sich, wenn es sein muß, wieder zu -ihren Pferden zurück; denn diese sind gewohnt, die bestimmte Stelle -nicht zu verlassen. Sie reiten ohne Decke auf dem bloßen Pferde.“ -Vielfach war den Reitern als willkommener Kampfgenosse auch ein -Unberittener beigegeben, der sich beim Traben oder Galoppieren an -der Pferdemähne hielt, um folgen zu können. Solchermaßen schildert -uns Cäsar das Heer des germanischen Fürsten Ariovist, das aus 6000 -Reitern und ebensoviel Fußkämpfern bestand. Nach Dio Cassius galten -die Bataver, am Unterlaufe des Rheins, als die besten Reiter unter -den Germanen, die bewaffnet mit ihren Pferden sogar über den Rhein -schwammen, was den Römern einigermaßen imponiert haben muß. - -Am berühmtesten von allen Pferden Deutschlands waren im frühen -Mittelalter die thüringischen. König Hermanfried schenkte dem -Frankenfürsten Theoderich, aus dessen Familie er die Amelberg freite, -nach Landessitte mehrere weiße Pferde, wie Hochzeitspferde sein sollen. -Diese sollen besonders angenehm zum Reiten gewesen sein, „man schien -auf denselben zu ruhen,“ so sanft gingen sie. Sie wurden natürlich von -ihren Herrn mit besonderen Namen benannt, die uns teilweise erhalten -sind. So nannte Attila sein Lieblingspferd Löwe, ein anderes Leibpferd -Dunkelbraun. Ihr Preis war ein verhältnismäßig hoher, so daß als -Zugtier für die Landwirtschaft das Rind vorgezogen wurde. Galt doch in -einer Urkunde von 884 ein Pferd 10 Solidi, d. h. so viel als 10 Kühe. -Karl der Große verbesserte die Stutereien seiner Güter. Eine solche -hieß _stuot_ und stand unter einem _mareskalk_, d. h. Pferdeknecht. -Dieser gehörte an den fürstlichen und bischöflichen Hofhaltungen zu den -vornehmsten Ministerialen oder hörigen Dienstmannen, denen stets ein -eigenes Pferd für ihren Dienst zustand. Die Pferde wurden zur Arbeit -stets beschlagen, und die Hengste, damit sie ihr feuriges Temperament -mäßigen sollten, verschnitten. Im 12. Jahrhundert erhielt das Stift -Fulda noch 20 ungelernte Pferde geschenkt. Wenn ein einzelner Mann -so viel Pferde wegschenken kann, so läßt dies vermuten, daß er eine -ziemlich ausgedehnte Zucht gehabt haben muß. Im Laufe des Mittelalters -hat dann die Pferdezucht eine stetige Verbesserung erfahren, bis sie -sehr leistungsfähige Tiere lieferte. - -Das Hauspferd asiatischer Abstammung erschien nach den Funden in -Pfahlbauten schon zu Ende der jüngeren Steinzeit in Mitteleuropa in -einzelnen, allerdings noch seltenen Exemplaren, die jedenfalls als -wichtige Kriegsgehilfen sehr geschätzt waren. Erst in den Stationen -der Bronzezeit erscheint es häufiger, um erst in der Römerzeit in -Helvetien größere Verbreitung zu finden, wie wir aus den Überresten -beispielsweise der römisch-helvetischen Kolonie Vindonissa ersehen. Es -war wie alle orientalischen Pferde, von denen bis jetzt die Rede war, -leicht gebaut und besaß zierliche Gliedmaßen mit hohen zylindrischen -Hufen und einem feingezeichneten, im Profil mehr oder weniger konkaven -Kopf. Das trockene, d. h. wenig fleischige Gesicht trat bei ihm -gegenüber dem Hirnschädel zurück. Die Kruppe fiel nach hinten wenig -ab und die Schweifwurzel lag in der Verlängerung der Rückenlinie. Nun -finden wir zur Römerzeit in Helvetien neben dieser graziösen, auch -eine plumpere Rasse mit massigen Formen, einem schwergebauten Kopf -und kräftigen Gliedmaßen, mit flachen Hufen und starker Haarbildung -darüber. Das fleischige Gesicht ist im Verhältnis zum Hinterteil des -Schädels stark in die Länge gezogen. Das Schädelprofil erscheint bei -ihm, statt konvex wie beim vorigen, deutlich konkav, d. h. geramst. Die -Kruppe fällt steil ab und die Schweifwurzel springt aus der Rückenlinie -heraus. Zu diesen anatomischen Merkmalen kommen noch Unterschiede der -Bezahnung. So besteht bei diesem plumper gebauten Pferd ein durch die -ungewöhnlich starke Entwicklung des Gesichtsteils bedingtes mehr in die -Längegezogensein der Backenzähne. Dabei zeigen sie eine kompliziertere -Faltung des Schmelzüberzuges als die zierlichere orientalische Rasse. - -Während nun das im Schädelbau sich mehr dem Esel nähernde -~orientalische~ oder ~warmblütige Pferd~ den Ahnherrn aller -schnellfüßigen Reit- und Wagenpferde darstellt, ist dieses plumpere, -aber kräftigere ~okzidentale~ oder ~kaltblütige Pferd~ der Stammvater -des schweren deutschen Karrengauls, dessen Vorfahren die mit schwerer -Rüstung für Mensch und Tier bewehrten mittelalterlichen Ritter trugen, -dann des flandrischen, normannischen und luxemburgischen Karrengauls, -die sämtlich vorzügliche Arbeitspferde sind. Mit ihrer breiten Brust -und dem starken Körper repräsentieren sie den herkulischen Pferdetypus. -Dieser ging aus dem einheimischen kräftigeren Wildpferde Europas -hervor, das zu zähmen und in den menschlichen Dienst zu stellen -sehr nahe lag, nachdem man einmal an dem aus dem Morgenlande hier -eingeführten leichteren Hauspferde den Nutzen dieses Tieres erkannt -hatte. - -[Illustration: Bild 30. Darstellung eines Wildpferdhengstes des -schwereren Schlages aus der Höhle von Combarelles mit allerlei -zeltartigen Figuren beschrieben, die fälschlicherweise manche Forscher -annehmen ließen, es liege hier ein halbgezähmtes Tier vor, das mit -einer Decke versehen sei. - -Breite der Originalzeichnung 1 _m_. - -(Nach Capitan und Breuil.)] - -Schon unter den diluvialen Wildpferden Europas lassen sich zwei Arten -unterscheiden, nämlich eine kleinere, leichte, die mehr im Süden -wohnte, und eine größere, derbere, die mehr im Norden lebte. Letztere -wurde besonders von Nehring genauer untersucht. Wie in Europa war es -sicher auch in Asien. Dort ist nun allerdings das zierlichere, mehr -im Süden lebende warmblütige Pferd zuerst gezähmt und in des Menschen -Dienst gestellt worden. Es hat sich dann im Laufe der Jahrhunderte in -verschiedene Schläge gespalten. Aber neben ihm gab es nach Norden zu -auch eine schwere, kaltblütige Art, die unabhängig vom okzidentalen -Pferde Europas gezähmt und in den Haustierstand übergeführt wurde. -Dieses schwere Pferd mit allen Kennzeichen der kaltblütigen -Rassengruppe, nur mit einigen Abweichungen im Schweifansatz, wie sie -für das Przewalskische Pferd typisch sind, ist in Mittelasien schon -frühe der Zähmung unterworfen und in den menschlichen Dienst gestellt -worden. So tritt es uns in typischer Weise, durch seine Kleinheit sich -als durch Zucht noch wenig verändertes Przewalski-Wildpferd zu erkennen -gebend, auf einem altpersischen Relief von Persepolis entgegen. Dort -dient es, reich geschirrt, zwei bärtigen Fürsten in langer Gewandung -und mit teils helm-, teils tiaraartiger Kopfbedeckung zum Reiten. Auch -die mit dem Przewalski-Pferd trefflich übereinstimmende Kleinheit -dieses Tieres tritt auf diesen Reiterbildnissen wie auf anderen Bildern -dieser Zeit, in denen die Tiere wie auf unserer Abbildung an einen -Kriegswagen angespannt geführt werden, deutlich hervor. In letzterem -Falle werden die Tiere in der Weise geführt, daß der Führer den -Arm über den Rücken legt und so mit der Hand den Zügel der von ihm -abgewandten Seite hält. - -Wenn nun Krämer zeigte, daß nach der Schweiz, speziell Vindonissa, erst -die Römer schwere Pferde einführten, so können sie diese ganz gut aus -Asien bezogen haben; denn damals gab es nicht nur in Persien, sondern -auch in Kleinasien solche schwere, kaltblütige Schläge. So findet sich -beispielsweise auf einer Münze der kleinasiatischen Stadt Larissa die -charakteristische Darstellung eines kaltblütigen Pferdes. Diese Rasse -scheinen die Römer zur Berittenmachung ihrer schwerbewaffneten Reiterei -bevorzugt zu haben und führten sie deshalb bei sich ein. Durch Kreuzung -mit dieser wurde in der Folge das kleinere leichte Pferd, das über alle -Mittelmeerländer verbreitet war, etwas größer und stärker. - -[Illustration: Bild 31. Altpersischer Kriegswagen von kleinen Pferden -eines schweren Schlages gezogen auf einem Relief in Persepolis. (Nach -Sir Porter.)] - -Sicher war das Hauspferd Europas zur Bronzezeit ein Abkömmling der -zierlichen warmblütigen asiatischen Rasse, wurde dann aber auch aus -dem massenhaft vorkommenden einheimischen Wildmaterial gezogen; denn -anders ist es nicht erklärlich, daß die Gallier schon im Jahre 280 v. -Chr. bei ihrem Einfall in Griechenland 60000 Reiter ins Feld stellen -konnten. Da dieser Volksstamm schon früher eine tüchtige Reiterei bei -sich ausgebildet hatte, kann es uns nicht wundern, daß sie in späterer -Zeit eine besondere Schutzgöttin der Pferde, namens Epona, verehrten. -Aus der ganzen Hinterlassenschaft der keltischen Volksstämme läßt sich -ersehen, daß sie schon lange bevor sie mit der römischen Kultur bekannt -wurden, eine ausgebildete Pferdezucht trieben. Ihre Zuchtprodukte -wurden dann an die Nachbarn verhandelt. So kam das keltische Pferd auch -nach Spanien, das ebenfalls schon vor der Einnahme durch die Römer eine -blühende Pferdezucht besaß. Von Spanien aus drang dieses Pferd nach -Nordafrika vor; denn Publius Vegetius sagt ausdrücklich, daß die Pferde -der römischen Provinz Afrika (dem heutigen Algerien) spanischen Blutes -seien. - -Was die warmblütigen orientalischen Pferde anbetrifft, so ist heute -der edelste Vertreter derselben der ~Araber~, der in reinster -Rasse vorzugsweise in der Nedjed genannten unwirtlichen Hochebene -Mittelarabiens gezogen wird und mit Recht den höchsten Stolz seines -Besitzers ausmacht. Die Araber unterscheiden viele Familien ihrer -Pferde, über die sie genaue Stammbäume führen, und jeder Stamm rühmt -sich im Besitze einer besonders guten Rasse zu sein. Im ganzen -unterscheidet man 21 Blutstämme oder Familien, von denen die 5 -vornehmsten unter dem Namen „Khamsa“ zusammengefaßt werden. Sie sollen -angeblich von den 5 Stuten Salomos abstammen. - -Wie überaus hoch der Araber diese hochedeln Tiere, die ja tatsächlich -seinen wichtigsten Besitz ausmachen, schätzt, das beweisen die -Lobeserhebungen, die er ihnen spendet: „Sage mir nicht, daß dieses Tier -mein Pferd ist; sage, daß es mein Sohn ist! Es läuft schneller als der -Sturmwind, schneller noch, als der Blick über die Ebene schweift. Es -ist rein wie das Gold. Sein Auge ist klar und so scharf, daß es ein -Härchen im Dunkeln sieht. Es erreicht die Gazelle im Laufe. Zu dem -Adler sagt es: Ich eile wie du dahin! Wenn es das Jauchzen der Mädchen -vernimmt, wiehert es vor Freude, und an dem Pfeifen der Kugeln erhebt -sich sein Herz. Aus der Hand der Frauen erbettelt es sich Almosen, den -Feind dagegen schlägt es mit den Hufen ins Gesicht. Wenn es laufen -kann nach Herzenslust, vergießt es Tränen aus seinen Augen. Ihm gilt -es gleich, ob der Himmel rein ist oder der Sturmwind das Licht der -Sonne mit Staub verhüllt; denn es ist ein edles Roß, das das Wüten -des Sturmes verachtet. In dieser Welt gibt es kein zweites, das ihm -gleicht. Schnell wie eine Schwalbe eilt es dahin. So leicht ist es, -daß es auf der Brust deiner Geliebten tanzen könnte, ohne sie zu -belästigen. Sein Schritt ist so sanft, daß du im vollsten Laufe eine -Tasse Kaffee auf seinem Rücken trinken kannst, ohne einen Tropfen zu -verschütten. Es versteht alles wie ein Sohn Adams, nur daß ihm die -Sprache fehlt.“ - -Dem durch gute Lungen ausgezeichneten arabischen Pferd kommt seine -Genügsamkeit sehr zu statten; denn es wird von seinem Herrn, der selber -nicht viel besitzt, recht knapp gehalten. Mit 18 Monaten beginnt -seine Erziehung, indem ein Knabe es zu reiten versucht. Im dritten -Lebensjahre legt man ihm den Sattel auf und sucht nach und nach alle -seine Kräfte und Fähigkeiten zu entwickeln. Erst wenn es das 7. Jahr -erreicht hat, sieht man es als erzogen an, und deshalb sagt das -arabische Sprichwort: „Sieben Jahre für meinen Bruder, sieben Jahre -für mich und sieben Jahre für meinen Feind.“ Dieser Araber ging im -Laufe des Mittelalters aus dem schon im Altertum berühmten persischen -Pferde hervor und steht in näherer Beziehung zum nordafrikanischen -Berberpferde, von dem die Mauren in Spanien einst die besten Zuchten -hatten. Sein Blut kreist in allen edeln Reit- und Wagenpferden -europäischer Rasse, vor allem auch im englischen Vollblut, über das wir -hier einiges Authentische mitteilen möchten. - -Zunächst ist festzustellen, daß die bis jetzt herrschende, auf die -Zeugnisse der klassischen Schriftsteller gestützte Annahme, daß -Arabien im Altertum fast nur Kamele und keine Pferde gezogen habe, -nicht ganz richtig ist. Schon sehr früh gab es dort auch Pferde, die -von den Siegern annektiert und mitgenommen wurden. So zählt Flavius -Josephus unter der arabischen Beute des von 668-626 über Assyrien -herrschenden Königs Asurbanipal ausdrücklich auch Pferde auf. Außerdem -wird auf himjaritischen Inschriften öfter das Pferd erwähnt, auch -sind zwei Bronzestatuetten von solchen bekannt. In den Ruinen von -Nâ-it im Gebiete der Haschid sind nach dem Bericht des arabischen -Schriftstellers Al-Hamdani mehrfach Darstellungen von Pferden -gefunden worden. Doch hat die Aufzucht einer edleren Pferderasse -erst im Mittelalter durch die Mohammedaner stattgefunden, die auf -ihren Feldzügen großes Gewicht auf eine gute Reiterei legten. Zur -Zucht verwandten sie das damals am höchsten gezüchtete, nämlich das -persische Pferd, das schon im Altertum durch seine Leistungsfähigkeit -berühmt war. Die Griechen erstaunten, als sie im persischen Reiche -den auf schnellfüßigen Pferden durch Berittene besorgten, trefflich -funktionierenden Meldedienst und das auf gut unterhaltenen Straßen -vorzüglich eingerichtete Postwesen kennen lernten. Neben den persischen -waren auch die vorderasiatischen Pferde hochgeschätzt. So ließ König -Salomo Zuchtpferde aus Kilikien und Kappadokien holen, und König -Philipp von Makedonien begann seine Stammzucht, der sein Sohn Alexander -die treffliche Reiterei verdankte, angeblich mit 20000 skythischen -Stuten. - -Auch die Griechen suchten schon früh möglichst rasche und -ausdauernde Pferde zu züchten. Dies geschah wie heute auf Grund von -Leistungsprüfungen, und zwar in bezug auf Geschwindigkeit und Ausdauer. -Dazu dienten in erster Linie die olympischen, pythischen, nemeischen -und isthmischen Spiele, bei welchen sowohl Wagenrennen als Rennen -unter den Reitern abgehalten wurden. Letztere waren noch wichtiger -als die ersteren, und man hatte Jockeis und Herrenreiter, auch Geld- -und Ehrenpreise wie heute. Ein Rennen zu gewinnen galt als höchste -Ehre und man kann sich deshalb vorstellen, mit welchem Eifer die -Zucht rascher Pferde betrieben wurde. Schon damals war das Rennpferd -durchaus verschieden vom Pferd der Landeszucht. Es wird mehrfach mit -seinen typischen Merkmalen abgebildet, so beispielsweise auch auf einer -ums Jahr 450 v. Chr., also um die Zeit der Erbauung des Parthenon, -hergestellten griechischen Vase. Auf ihr sehen wir die Pfosten der -Rennbahn, den Zielrichter mit der Schärpe, den leichtgewinnenden -Sieger, der den noch heute typischen Fehler macht, sich am Ziel -umzusehen, während der zweite und dritte ein sog. Finish mit der -Peitsche reiten. Die hier dargestellten Rennpferde sind länger im Hals, -haben andere Schulter und Kruppe als die gewöhnlichen Reitpferde, -die uns auf dem Parthenonfries entgegentreten und waren zweifellos -orientalischen Ursprungs. - -[Illustration: - - Tafel 37. - -Anschirren eines Rennwagens, darunter ein Tierfries. Von einer jüngeren -attischen Vase in Berlin. - -(Nach Gerhard, Auserlesene Vasenbilder.)] - -[Illustration: - - Tafel 38. - -Griechische Jünglinge zu Pferd am Panathenäenfestzug vom Friese des -Parthenon. - -(Nach einer Photographie von Mansell & Cie. in London.)] - -[Illustration: - - Tafel 39. - -Ausgewachsenes Shetlandpony neben einer gewöhnlichen Hausziege in Karl -Hagenbecks Tierpark in Stellingen.] - -[Illustration: - - Tafel 40. - -Ungepflegtes Mongolenpferd, wie es in halbwilden Herden im Westen -Chinas lebt. Durch Pflege läßt sich daraus ein zwar kleiner, aber -sehr ausdauernder Schlag gewinnen. (Nach Photographie von Buchmann in -Tayanfu.)] - -[Illustration: In Deutschland gezogener Araberhengst von Karl -Hagenbecks Tierpark in Stellingen.] - -Von den Griechen übernahmen dann die Römer die Freude an den Wettrennen -und die Hochschätzung der Rennpferde. Letztere brachten sie auch in -ihre Kolonien. So hielt beispielsweise Kaiser Severus, der von 206-210 -in England weilte, mit von Rom dahin importierten Pferden ein Rennen im -York ab. Aber auch an zahlreichen andern Orten Englands gab es damals -schon Rennen mit hochgezüchteten Pferden, so z. B. in Chester, wo -noch ein Teil der antiken Rennbahn erhalten ist. Seitdem blieben die -Rennen in jenem Lande ein nationaler Sport; aber von einer Zucht zu -Rennzwecken war damals und das ganze Mittelalter hindurch keine Rede. -Wenn auch öfter edle Pferde, namentlich zur Zeit der Kreuzzüge, ins -Land gebracht wurden, so blieb man dort im Laufe der Jahrhunderte doch -nur bei einem mäßig geschwinden Pferd, dem _galloway_. Das Bestreben, -dieses kleine und nur mäßig leistungsfähige Pferd zu verbessern, war -der Anlaß, daß man im 17. Jahrhundert anfing, in erheblichem Maße -orientalische Pferde einzuführen. Von besonderer Wichtigkeit war ein -Import von 30-40 orientalischen Stuten, den „_royal mares_“, die -Karl II. etwa 1670 einführte. Im Laufe des 17. und zu Anfang des 18. -Jahrhunderts führte man zudem nicht weniger als 26 orientalische -Hengste in England ein, um die Zucht aufzufrischen. Von diesen war -Darley Arabian nach dem bedeutendsten deutschen Rennstallbesitzer, -Arthur von Weinberg, der wichtigste Stammvater, den etwa 90 Prozent -aller heutigen Vollblüter zu ihrem Ahnen haben sollen. Nach ihm -kommt an Bedeutung der 1728 importierte Godolphin Arabian, den ein -Engländer in Paris vor einem Wasserwagen entdeckte und der im Beginn -der englischen Vollblutzucht eine große Rolle spielte. Mit dem Import -dieser Hengste beginnt das erste Aufzeichnen der Stammbäume im großen -Gestütsbuch. Doch war zunächst noch von keiner systematischen Zucht -die Rede. Die einzige Richtschnur war damals, daß für die Stuten der -Vater, für die Hengste aber die Mutter in erster Linie maßgebend sei. -Man wollte Rennen gewinnen und züchtete unbekümmert um Theorien stets -von den besten, d. h. raschesten Pferden. So konzentrierte sich im -Gegensatz zu den Ratschlägen der Theoretiker die Zucht auf eine immer -geringer werdende Zahl von männlichen Linien, bis schließlich fast -nur eine einzige Linie übrigblieb. Wie die heutigen Vollblutpferde -auf wenige Hengste, so gehen sie, wie zuerst deutsche Forscher -feststellten, zum größten Teil auf fünf Stuten zurück. Sie sind -trotz der weitgehenden Inzucht außerordentlich leistungsfähig, haben -eine Verlängerung von Oberarm- und Oberschenkelknochen zur möglichst -raschen Fortbewegung erhalten und sind sehr frühreif. Während die -Vollblutpferde schon mit 18 Monaten geritten werden und zweijährig -Rennen laufen, kann man das Halbblutpferd, z. B. die Remonten der -Kavallerie, meist erst vierjährig überhaupt anreiten. - -Das arabische, wie auch das mit ihm nahe verwandte maurisch-berberische -Pferd wurde wie in England, so auch auf dem Kontinent mit leichten -und schweren einheimischen Schlägen gekreuzt und dadurch die -verschiedensten Gebrauchspferde erhalten, die je nachdem zum -Reiten, Fahren oder Ziehen besonders geeignet sind. Näher auf die -Abstammungsverhältnisse und die Eigentümlichkeiten der verschiedenen -Pferderassen einzugehen, verbietet schon der beschränkte Rahmen dieses -Buches. Es sei hier nur bemerkt, daß in Europa die Pferdezucht in den -weiten Steppen des Ostens am bedeutendsten ist. So besitzt Rußland -zahlreiche starke Gestüte in den Steppen am Don und am rechten Ufer -der untern Wolga. Das russische Pferd ist klein, aber äußerst genügsam -und ausdauernd. Auch in Ungarn und Siebenbürgen werden viele und gute -Pferde für den Export gezüchtet. In Galizien, in der Bukowina und in -der südöstlichen Steiermark findet sich gleicherweise ein leichter -Schlag, während die weiter nördlich und östlich davon gelegenen -Länder kräftigere Arbeitstiere ziehen, in denen reichlich Blut des -schweren okzidentalen Pferdes beigemischt ist. In Hannover, Holstein -und Mecklenburg werden viele edle Reitpferde gezogen. Dänemark -züchtet die besten in Jütland. Skandinavien, Wales, Schottland, die -Shettlandsinseln und Island besitzen ponyartige kleine Schläge, die im -Winter einen langen, krausen Haarpelz erhalten. Belgien, die Normandie -und gewisse Gegenden Englands züchten mit Vorliebe schwere, kaltblütige -Arbeitspferde. In Spanien wird vorzugsweise das aus Nordafrika -eingeführte Berberpferd gezogen. Die besten Gestüte besitzt Andalusien. -Die europäischen Mittelmeerländer sind wenig reich an Pferden, weil -Esel und Maultier dort stark verbreitet sind. Besonders in Griechenland -ist die im Altertum blühende Pferdezucht in argen Verfall geraten. -Italien besitzt nur lokal ein erhebliches Pferdematerial. Die schönste -Rasse findet sich in der römischen Campagna, wo die Wagenpferde der -Kardinäle und Patrizier gezüchtet werden. Den größten Pferdereichtum -trifft man in Sardinien an. Nach Cetti ist dort das Pferd vielfach -verwildert, soll angeblich nicht mehr zu bändigen sein und wird -vielfach erlegt, hauptsächlich um das Fell zu gewinnen. Es haust hier -namentlich in den ausgedehnten Waldungen im Innern. - -Bald nach ihrer Entdeckung erhielt die Neue Welt das Pferd durch -die Spanier, und zwar waren es Andalusier, die dort, speziell in -Mexiko, eingeführt wurden. Doch sind sie nach und nach entartet und -vielfach verwildert. Indessen sind heute die verwilderten Herden bis -auf einzelne in Patagonien lebende Trupps auf einen 1865 erlassenen -Befehl der Regierung hin vernichtet worden, da sie nicht nur die Weiden -beeinträchtigten, sondern vielfach auch die zahmen Pferde entführten. -Gegenwärtig nehmen die Vereinigten Staaten von Nordamerika den -bedeutendsten Rang in der Pferdezucht ein. Berühmt ist die neuerdings -aufgekommene Traberzucht, deren Grundstock das amerikanische Vollblut -bildet. - -In Australien wurde die Pferdezucht ebenfalls erst von den Europäern -eingeführt. Das Material stammt aus England, der Kapkolonie und von -den Sundainseln. In Indonesien werden mehr kleine Schläge gezüchtet, -ebenso in Oberbirma und Südindien. In Nordwestindien wird viel ein dem -Afghanenpferde verwandter Schlag gehalten. In China zieht hauptsächlich -die Mandschurei Pferde, auf deren Haltung aber wenig Sorgfalt verwendet -wird. Japan züchtete früher im Norden der Hauptinsel einen kräftigen -Schlag; neuerdings wurden besonders europäische und amerikanische -Rassen importiert. - -Am zahlreichsten wird das Pferd in Innerasien gezüchtet. In Turkestan -ist es das wichtigste, unentbehrlichste Haustier, das von jedermann -gehalten wird. Persien hat drei verschiedene edle Schläge, einen -kleineren im Gebirge und größere in den Ebenen. Die edelste Zucht von -persisch-arabischem Blut trifft man in Schiras. Klein und unansehnlich, -aber äußerst leistungsfähig ist das Kirgisenpferd, das auch von den -Kalmücken und andern Mongolenstämmen in großen Mengen gehalten und -auch zur Milchgewinnung benutzt wird. In Afrika, das einst seinen -Pferdebestand Asien entlehnte, werden besonders im Norden und Osten -viel Pferde gezogen. Ägypten, Abessinien, die Somaliländer und der -Sudan besitzen verdorbene arabische Schläge, die als Reittiere ungemein -leistungsfähig sind und Wassermangel vielfach besser als andere -Schläge ertragen. Das zähe Gallapferd findet beim abessinischen Heere -ausgiebige Verwendung. In Südafrika werden besonders in der Kapkolonie -und in Transvaal kleine, sehr ausdauernde Pferde gezüchtet. Überall in -den Tropenländern, wo das Klima zu feucht ist, hält es sich schlecht, -deshalb haben die Portugiesen in ihren afrikanischen Kolonien den -Reitstier eingeführt. - - - - -VIII. Das Kamel. - - -Die Kameliden sind der älteste Zweig der Wiederkäuer, der sich -schon im Miozän von der Gesamtfamilie trennte, bevor sich bei ihren -Vertretern Hörner oder Geweihe ausgebildet hatten. Sie sind die -einzigen Wiederkäuer, die noch im Oberkiefer Schneidezähne -- im -ganzen vier -- besitzen. Mit den ältesten Pferden entwickelten sie -sich in Nordamerika, wo während der jüngeren Tertiärzeit die reichste -Entfaltung derselben nachweisbar ist. Doch erlosch dort die Gruppe -mit dem Eintritt der Eiszeit, während die Kamele nach Asien und die -Schafkamele oder Lamas nach Südamerika auswanderten, wo sie sich auf -den Höhen der Anden erhielten. - -Noch heute lebt ein winziger Überrest der Kamele in ihrer -ursprünglichen Wildheit in der innerasiatischen Wüste in der Dsungarei, -ebendort, wo auch die letzten Wildpferde zu finden sind. Schon der -russische Reisende Przewalski hatte von ihrem Vorkommen im Gebiet des -Lob Nor, d. h. im westlichen Teil der Wüste Gobi, berichtet. Doch erhob -man damals dagegen den Einwand, es möchten dies einzelne entlaufene -und verwilderte Kamele gewesen sein. Indessen hat dann später der -schwedische Reisende Sven Hedin auf Grund eigener Beobachtung das -Vorkommen von eigentlichen Wildkamelen in jenen menschenleeren Einöden -festgestellt. In einem Brief aus Obdal vom Juni 1900 schreibt dieser -Autor in der Umschau: „In der Gegend, die wir durchwanderten, kamen -wilde Kamele in großer Anzahl vor, und wir sahen und beobachteten sie -täglich durch unsere Ferngläser. Sie halten sich längs des Fußes der -Berge und in der Wüste auf, begeben sich aber von Zeit zu Zeit zu den -schirmenden Quellen, um zu trinken und zu grasen. Es gewährt einen -herrlichen Anblick, wenn man eine solche Herde, nachdem man ihr den -Wind abgefangen, unvermutet überrascht. Die Karawane mußte, während -unsere Jäger sich an die Tiere heranschlichen, in solchen Fällen immer -Halt machen. Einige der Kamele standen gewöhnlich aufgerichtet als -Späher da, während die andern sich in liegender Stellung ausruhten. -Bei Jardang Bulak schoß der Kosake Tjernoff ein prächtiges Kamel, bei -Altimisch Bulak unser Führer Abdu Rehim ein anderes. Ich meinerseits -zog es vor, mit einem starken Fernrohr bewaffnet, ihre Bewegungen zu -beobachten. Es liegt ein märchenhafter Glanz über diesen gewaltigen, -stattlichen Tieren, an deren Existenz die Gelehrten bis in die neueste -Zeit hinein gezweifelt haben. Es erweckte mein Staunen, daß wir diese -Tiere immer nur in den unwirtlichsten, sterilsten und wasserärmsten -Wüsten antrafen, wo wir mit unsern zahmen Kamelen Gefahr liefen, -vor Durst umzukommen; und doch finden sie nur in solcher Umgebung -ihr Fortkommen und sind so scheu, daß sie, wenn sie in meilenweiter -Entfernung eine Karawane wittern, tage- und nächtelang fliehen und man -nur aus den frischen Spuren ersehen kann, daß sie erst ganz kürzlich -aufgebrochen waren. - -Wunderschön ist auch der Anblick einer durch unsere Annäherung oder -vielmehr durch einen Büchsenschuß erschreckten fliehenden Herde. Sie -sehen sich nicht um, sie fliehen bloß und sie fliegen über die Wüste -dahin wie der Wind und verschwinden in einigen Minuten am Horizonte, -um erst wieder Halt zu machen, wenn sie sich ganz sicher fühlen, weit, -weit hinten im Sande. - -Es gibt sowohl Mongolen als Muhammedaner, welche nur von der Jagd -auf wilde Kamele im Kurruktag und den weiter östlich davon gelegenen -Gegenden leben. Diese Jäger sind mit den Gewohnheiten und dem Leben -der wilden Kamele durch und durch vertraut. Sie jagen die Weibchen nur -während der Brunstzeit, wo die Männchen mörderische Gefechte um ihre -Gunst ausfechten. Der Stärkste ist der Herrscher und kann mitunter mit -5-6 Weibchen umherwandern, während die Besiegten, die fürchterliche -Wunden davontragen und denen oft große Stücke Fleisch an den Seiten -herausgerissen sind, einsam und verschmäht in der Wüste leben und sich -den Familienherden nicht zu nahen wagen, wahrscheinlich aber doch der -Hoffnung auf Glück das nächste Mal leben. Die Wüste gewinnt durch ihr -Erscheinen bedeutend an Leben, und die Männer werden ganz wild, sobald -der Ruf erschallt: „_java tuga_“ (wilde Kamele)! - -Einer unserer Jäger verfolgte einmal ein großes schwarzes Männchen, -das einen Schuß in das Bein erhalten hatte, aber in südlicher Richtung -weiterhinkte, volle zwanzig Stunden lang und kam müde und durstig -zurück, ohne daß es ihm gelungen war, das Tier wieder in Schußweite zu -bekommen. Wie sonderbar ist doch die Welt, in der diese Tiere leben, -und doch müssen sie das Gefühl haben, daß außerhalb ihrer friedlichen -Fluren der Feind lauert, denn sonst würden sie nicht eine so stark -ausgeprägte Furcht vor den Menschen hegen. Ihre einzige Gesellschaft -ist der Buran, der schwarze Sturm, der in dieser Gegend unumschränkt -herrscht und mit dem auch wir in intime Beziehung gerieten.“ - -Diese von der südlichen Dsungarei durch Ostturkestan und Nordtibet -verbreiteten wilden Kamele schützen sich wie ihre gezähmten Abkömmlinge -vor diesen fürchterlichen Sandstürmen, indem sie ihre Nasenlöcher -hermetisch verschließen. Sie besitzen zwei Höcker, wie die von ihnen -in direkter Linie abstammenden, in Ost- und Mittelasien als Haustiere -lebenden baktrischen Kamele oder Trampeltiere, nur sind sie kleiner -als die vom Menschen gezüchteten Höcker. Diese sind, wie der Buckel -des Zebus, Ansammlungen von Reservefett, die bei den gezähmten Formen -ein Gewicht von 2-5 _kg_ erlangen. Diese Höcker lassen sich durch -Mästung wie beim Höckerrind zu extremen Dimensionen steigern, können -aber durch längere Zeit fortgesetzte Anstrengung bei knapper Nahrung -in wenigen Wochen zum Verschwinden gebracht werden. Das weiter durch -Kultur veränderte einhöckerige Kamel oder Dromedar, das sich von seinem -Ursprungslande Zentralasien am weitesten westlich nach Afrika hinein -entfernte, ist artlich durchaus nicht von diesem zweihöckerigen Kamel -oder Trampeltier verschieden. So hat es, wie Lombardini in Pisa 1879 -nachwies, während des Fötallebens ebenfalls die Anlage zu zwei Höckern, -die sich aber noch im Mutterleibe zu einem einzigen vereinigen. Für die -Abstammungsgeschichte ist diese Tatsache von größter Wichtigkeit, indem -wir so mit einer einzigen wilden Stammform auskommen, das zweihöckerige -Kamel als die ursprünglichere zahme Rasse und davon das Dromedar als -jüngere Zuchtrasse ableiten können. - -Auch physiologische Gründe sprechen für die Zusammengehörigkeit beider -Hauptrassen, indem sich das zwei- und einhöckerige Kamel leicht -kreuzen lassen und fruchtbare Bastarde liefern, bei denen sich die -Zweihöckerigkeit in ausgesprochener Weise geltend macht. Gleicherweise -stimmen die geistigen Eigenschaften bei den Tierarten auffallend -miteinander überein. Beide Formen sind wenig begabt, wie es die tiefe -Stellung der Familie im Stammbaum der Wiederkäuer mit sich bringt; -beide zeigen neben Indifferenz, Dummheit und störrischem Wesen eine -auffallend geringe Anhänglichkeit an den Menschen. Immerhin ist das -Trampeltier als die ursprünglichere Form gutartiger als das Dromedar, -läßt sich leichter einfangen und gehorcht seinem Herrn williger. - -Beide Tierarten gedeihen nicht auf üppiger Weide, sondern verlangen im -Gegenteil dürre Steppenpflanzen, welche anderen Tieren kaum genügen -würden, besonders aber Salzpflanzen. Dabei ist das Trampeltier noch -bedürfnisloser als das Dromedar und frißt die bittersten und salzigsten -Wüstenkräuter, die von den übrigen Steppentieren durchaus verschmäht -werden. Dazu saufen sie selbst das äußerst salzhaltige Wasser der -Steppe, das kein anderes Tier anrührt, und sind überhaupt auch darin -höchst bedürfnislos. Aristoteles schreibt sogar von ihnen: „Die Kamele -saufen lieber trübes als reines Wasser, und trüben es, wenn sie es -rein vorfinden, erst absichtlich, wenn sie saufen wollen. Übrigens -können sie recht gut vier Tage ohne Getränk aushalten, nehmen aber auch -nachher desto mehr zu sich. Sie leben meist 30 Jahre, zuweilen auch bis -hundert.“ - -Irgendwo in seiner zentralasiatischen Heimat ist das ~zweihöckerige -Kamel~, das ~Trampeltier~ (_Camelus bactrianus_) in vorgeschichtlicher -Zeit vom Menschen gezähmt und in den Haustierstand übergeführt -worden. Bis auf den heutigen Tag ist es ausschließlich auf Innerasien -beschränkt und ist zu den Mongolen Ostasiens und nach dem südlichen -Sibirien vorgedrungen. Hier überall bis tief nach China hinein ist es -dem Menschen eines der nützlichsten Haustiere, das vorzugsweise als -Lasttier, seltener zum Ziehen des Wagens und des Pfluges verwendet -wird. Außer seiner Arbeitskraft verwendet man Fleisch und Fell und -nutzt seine Milch und seine Haare aus. Mit ihm durchzieht man die -wasserlosen Wüstenstrecken, in denen Pferde nicht zu gebrauchen sind -und ihre Dienste versagen würden. Mit ihm erklimmt man Gebirge bis -über 4000 _m_ Höhe, in denen nur noch der Yak aushält. Brehm sagt -von ihm: „Das Pferd ist der Genosse, das Trampeltier der Diener des -Steppenbewohners.“ - -Derselbe Autor bemerkt: „Ein kräftiges Trampeltier legt mit 220 _kg_, -ein sehr starkes mit noch 50 _kg_ mehr täglich 30-40 _km_, mit der -Hälfte der Last aber im Trabe fast das Doppelte zurück, vermag im -Sommer 2 oder 3, im Winter 5-8 Tage zu dursten, halb so lange ohne -Beschwerde zu hungern und beansprucht bei längeren Reisen nur alle -6-8 Tage eine Rast von 24 Stunden Dauer. In der Kirgisensteppe wird -es übrigens nicht ausschließlich als Lasttier, sondern einzeln wie -paarweise auch als Zugtier verwendet und tritt auf Flugsandstrecken -sogar an Stelle der Postpferde.“ Doch geht es nur im Schritt und stößt -dabei vielfach unwillige Laute aus, die einem auf die Dauer unangenehm -werden. - -Auf der Oberseite des Nackens haben die Trampeltiere, wie die von ihnen -abstammenden Kamele, zwei Paar dichtstehender Drüsen, die beim Männchen -in der Brunstzeit eine dunkle Schmiere absondern und dann die ganze -Nackenmähne besudeln. Die Begattung wird vollzogen, indem sich das -Weibchen, durch einige derb kneifende Bisse von seiten des Männchens in -Hals, Höcker und Beine veranlaßt, wie sonst zur Belastung niederkniet. -Das nach 12 Monate währender Tragzeit im Frühling geborene Junge von 30 -_cm_ Höhe entwickelt sich, von der Mutter an ihrem vierzitzigen Euter -ein volles Jahr lang ernährt, rasch. Schon im zweiten Jahre beginnt man -mit seiner Abrichtung, indem man dem Füllen die Nase durchsticht und -ihm durch die so entstandene Öffnung den Zaumpflock durchsteckt. Im -dritten Jahre wird es zu kurzen Ritten, im vierten zum Tragen leichter -Lasten benutzt. Im fünften Jahre gilt es als erwachsen und arbeitsfähig -und kann bei guter Behandlung bis zum 25. Jahre Dienste tun. - -[Illustration: - - Tafel 41. - -Kamele und Pferde in einem Hochzeitszug der Teke-Turkmenen.] - -[Illustration: - - Tafel 42. - -Zweihöckeriges Kamel, sog. Trampeltier, aus Turkestan, von Karl -Hagenbeck in Stellingen importiert.] - -[Illustration: - - Tafel 43. - -Mit Kamelen pflügende Teke-Turkmenen in Merw.] - -[Illustration: - - Tafel 44. - -Kamelkarawane in Biskra. (Nach einer Photographie von _Dr._ H. von -Baeyer.)] - -[Illustration: Kirgisen auf dem Marsch; rechts dahinter eine Jurte.] - -Wie in Zentalasien und der Mongolei spielt das Trampeltier auch in -China eine wichtige Rolle im Karawanenverkehr. Im südwestlichen -Sibirien wird dasselbe seit der raschen Entwicklung der Landwirtschaft -häufig vor den Pflug gespannt. Über den Ostrand Asiens vermochte es -nicht vorzudringen, weil für die Küsten- und Inselgebiete der Büffel -besser paßt. Während des chinesisch-japanischen Krieges wurde es -zahlreich in China angekauft und nach Japan eingeführt; da man aber -nichts mit ihm anzufangen wußte, verschwand es wieder von dort. Nach -Westen ist das Trampeltier über Persien nach Mesopotamien und bis -zum Kaukasus vorgedrungen, kommt auch sporadisch in Südrußland vor. -In einer Grenzzone, die vom nördlichen Kleinasien durch Persien, -Afghanistan und Beludschistan bis nach Indien reicht, findet sich -das Trampeltier mit dem Dromedar zusammen. Südlich von dieser -Mischzone findet sich überall ausschließlich das ~einhöckerige Kamel~ -oder ~Dromedar~ (_Camelus dromedarius_), das als südliche, mehr -wärmeliebende Abart von Syrien und Arabien aus in ganz Nordafrika -die ausschließliche Herrschaft erlangte. In Arabien, Ägypten und -Nubien wird seine Zucht stark betrieben, ebenso bei den Somalis und -Gallas. Nach Süden ist es bis Sansibar, in Nordafrika bis Marokko -und die Kanarischen Inseln vorgedrungen. Es ist das Gimel der alten -Juden oder das Djemmel der Araber, aus welch letzterem die Griechen -_kámēlos_ machten, das dann als _camelus_ zu den Römern gelangte. -Der aus Sizilien gebürtige griechische Geschichtschreiber Diodoros -sagt: „Arabien besitzt viele und vorzügliche Kamele, auch von der -zweihöckerigen Rasse. Die Kamele sind den Einwohnern sehr nützlich, -indem sie durch Milch und Fleisch treffliche Nahrung bieten und -Menschen und Lasten tragen. Die leicht und schlankgebauten sind schnell -und können durch wasserlose Wüsten große Tagesmärsche machen. Sie -tragen auch im Kriege zwei Bogenschützen, wovon der eine nach vorn, -der andere nach hinten gewendet sitzt. -- Dromedare (vom griechischen -_dromeín_, laufen) nennt man die schnellen Kamele, die in einem Tage -beinahe 1500 Stadien (= 277 _km_) zurücklegen können.“ Und sein -Volksgenosse Strabon schreibt: „Die in Zelten wohnenden Araber der -dürren Wüste zwischen Mesopotamien und Coelesyrien bauen wenig Land -oder gar keins an, haben aber Herden von allerlei Vieh, besonders von -Kamelen“, und an einer andern Stelle: „Alexander der Große sandte Leute -auf Dromedaren nach Ekbatana, welche in 11 Tagen den 30-40 gewöhnliche -Tagereisen betragenden Weg zurücklegten.“ - -Älian berichtet: „Die Kamele am Kaspischen Meere sind zahllos, -tragen viele, sehr weiche Haare, welche der feinsten Schafwolle -nicht nachstehen. Priester und reiche Leute tragen daraus gefertigte -Kleider.“ Der griechische Geschichtschreiber Herodot erwähnt sie -mehrfach; so schreibt er: „Die Araber in der Armee des Xerxes (die -580 v. Chr. nach Griechenland zog) hatten sämtlich Kamele, die an -Schnelligkeit den Pferden nicht nachstanden.“ -- „Als Xerxes nach -Griechenland gegangen war und nach Therma zog, fielen Löwen seine -Kamele an.“ Weiter meldet er, wie Cyrus sich listigerweise die -Unkenntnis dieser Tierart bei seinen Gegnern zu Nutzen machte: „Als -Cyrus vor Sardes rückte, stellte sich ihm Krösus in der Ebene mit -einer trefflichen Reiterei entgegen. Cyrus errang jedoch auf folgende -Weise den Sieg: Vor seiner Armee stellte er alle Kamele, welche die -Bagage des Heeres trugen, auf, nachdem er ihnen die Last abgenommen und -bewehrte Männer hatte aufsitzen lassen. Hinter den Kamelen ordnete er -die Fußsoldaten und hinter diesen die Reiter. Er sah voraus, daß die -Pferde im Heere des Krösus, welche noch keine Kamele gesehen hatten, -sich vor diesen Tieren fürchten würden. Die List gelang: denn die -lydischen Pferde ergriffen gleich beim Zusammentreffen die Flucht, -wodurch sich der Sieg für Cyrus entschied.“ - -Auch die Bewohner Roms bekamen zur Kaiserzeit gelegentlich -morgenländische Kamele zu sehen; so erwähnt Suetonius in seiner -Biographie des Kaisers Nero: „Kaiser Nero gab Spiele aller Art und -zeigte bei denen im Zirkus auch Wagen, vor die vier Kamele gespannt -waren.“ Das war damals noch etwas Neues. Erst der extravagante, in -Syrien aufgewachsene Kaiser Heliogabalus (218-222 n. Chr.) ließ dieses -in Italien als Wunder angestaunte Tier in größerer Menge dahin bringen, -ja sogar als Rarität schlachten. Sein Biograph Älius Lampridius -berichtet: „Heliogabalus schaffte sich 600 Wagen mit Kamelen an und -sagte, das sei gar nicht viel; der König von Persien halte sich ja -zehntausend Kamele. Er ließ sich auch öfter ein Gericht zubereiten, das -aus Kamelfersen, aus von lebenden Hühnern abgeschnittenen Kämmen und -aus Zungen von Pfauen und Nachtigallen bestand, weil man sagte, solch -ein Gericht schütze vor Epilepsie. Überhaupt tischte er nicht selten -Kamelbraten auf.“ - -Aus dem irgendwo in Innerasien schon in vorgeschichtlicher Zeit aus dem -wilden Kamel gewonnenen Trampeltier ist durch einseitige Weiterzüchtung -das Dromedar gewonnen worden. Beide Kamelrassen gelangten bereits -scharf in ihren Sonderheiten ausgeprägt verhältnismäßig spät nach -Westasien, wo sie uns erst zu Beginn des letzten Jahrtausends v. -Chr. in Assyrien entgegentreten. So finden wir auf dem berühmten -schwarzen Obelisken von Nimrud im Britischen Museum in London, wie -dem assyrischen Könige Salmanassar II. (860 bis 825 v. Chr.), der -den größten Teil Syriens eroberte und in Kalach einen prächtigen -Palast erbaute, ein recht naturgetreu dargestelltes zweihöckeriges -Kamel als Tribut gebracht wird. Dann ist uns in Kujundschik, wie auch -in Nimrud die Darstellung je eines beladenen einhöckerigen Kameles -erhalten geblieben. In Niniveh fand Place ein Basrelief aus dem 7. -vorchristlichen Jahrhundert, auf dem ein assyrischer Bogenschütze auf -einem Dromedar reitend dargestellt ist. - -In den jüngeren Epochen der jüdischen Geschichte wird uns mehrfach -von südarabischen Karawanenzügen berichtet, die aus Tragkamelen -bestanden. Es war dies zu einer Zeit, da die Juden selbst noch keine -solchen besaßen, sondern sich ausschließlich der Esel zum Lastentragen -bedienten. Nach Ägypten kam das Kamel von Syrien aus erst im 4. -Jahrhundert v. Chr., wie Adolf Erman feststellte. Erst von jener -Zeit an lassen sich Terrakotten mit Kameldarstellungen und Urkunden -über Verkäufe dieser Tiere in Ägypten nachweisen. Plinius berichtet, -daß zu seiner Zeit, also um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr., -eine Karawanenverbindung von Koptos am oberen Nil nach Berenike am -Roten Meer mit Kamelen bestand. Später schildert Philostratus einen -Touristenverkehr nach den Pyramiden mit Kamelen. Aber erst Ammianus -Marcellinus weiß 353 von räuberischen Wüstenbewohnern zu berichten, die -mit ihren Kamelen bis zu den Nilkatarakten hin schweiften. - -Sehr langsam drang das Kamel im Altertum vom Niltal weiter westlich -über Nordafrika vor. Erst im sogenannten afrikanischen Krieg, den -Cäsar gegen die Pompejaner und den mit ihnen verbündeten König Juba -von Numidien führte, wird berichtet, daß nach der Niederlage von -Thapsus im Jahre 48 v. Chr. 24 Kamele mit dem Throne jenes Königs -erbeutet wurden. Während der friedlichen Kaiserzeit wird sich das Kamel -weiter über Nordafrika verbreitet haben. So wird auf den bildlichen -Darstellungen des heiligen Menas, eines Offiziers aus Ägypten, der -296 während der Diocletianischen Christenverfolgung den Märtyrertod -erlitt und Gegenstand eines speziellen Kultes in der Oase von Mariût -auf der Karawanenstraße zwischen Karthago und Alexandrien wurde, stets -das Kamel dargestellt. Erst kürzlich sind dessen Heiligtümer vom -Frankfurter Archäologen Karl Kaufmann ausgegraben worden. Jedenfalls -fand das germanische Volk der Vandalen, als es 439 unter Geiserich -von Spanien nach Afrika übersetzte, ziemliche Herden von Kamelen -bei den Nomadenstämmen um das Atlasgebirge. Eine neue Zuwanderung -nomadisierender Elemente fand mit den Arabern von Osten her statt, -die jedenfalls auch Kamele mitbrachten und der Zucht dieses Tieres in -Nordafrika besondere Aufmerksamkeit schenkten. - -Ist das Kamel auch ein ausgesprochenes Wüstentier und jetzt das einzige -Transportmittel, das für die Wüste Sahara in Betracht kommt, so ist es -gleichwohl bei den Stämmen im Innern nicht häufig, sondern wird nur von -den Beduinen der Randsteppen in größeren Herden gehalten. Es gedeiht -nur in einem heißen, trockenen Klima und wird in den verschiedensten -Rassen gezüchtet, in großen, schweren Formen, die mehr zum Tragen -schwerer Lasten bis zu 400 _kg_ geeignet sind, und in zierlichen, -schlanken, leichten Reitkamelen, den Meharis. Das Heimatszentrum der -letzteren ist Arabien, das heute noch die schnellsten Läufer liefert, -dasjenige der letzteren dagegen Ägypten. - -Südlich vom Wüstengürtel der Sahara hat das Kamel keine größere -Verbreitung erlangt. Auch in Südeuropa gedeiht es nur an einigen -wenigen Orten, so in der auf einer Ebene bei Pisa gelegenen -Kamelstüterei von San Rossore, wo 1810 40, 1841 41 und später etwa 200 -Kamele lebten. Von diesen stammt die Mehrzahl der auf den Jahrmärkten -bei uns gezeigten Tiere. Dort wurden sie 1622 von Ferdinand II. von -Toskana und ein zweites Mal 1738 eingeführt. Der Versuch, das Kamel in -Sizilien einzuführen und dort als Lasttier in den Schwefelbergwerken -zu gebrauchen, scheiterte an der Feuchtigkeit des Klimas. In Spanien -scheint es besser zu gedeihen. - -Gleich nach der Eroberung Perus suchte man das Kamel auch hier -einzuführen. So sah Garcilasso um 1550 kleine Herden, die Juan de -Reinaga eingeführt hatte; sie hatten damals wenig oder keine Jungen. -1570 sah dann Acosta neu von den Kanaren eingeführte Tiere. Um 1750 -versuchte man sie auf Jamaika einzuführen. Als man sie aber hatte, -wußte man nichts mit ihnen anzufangen. 1800 traf A. v. Humboldt Kamele -von den Kanaren in Venezuela. Um 1845 gab es Kamele in Bolivien. Doch -kamen sie hier überall herunter, weil ihnen der Feuchtigkeitsgehalt der -Luft zu groß war. Auch in Nordamerika konnten sie sich auf die Dauer -nicht halten. So führte im Jahre 1856 die Regierung der Vereinigten -Staaten 57 aus Smyrna bezogene Dromedare in Texas, Arizona und -Neumexiko ein, die während des nordamerikanischen Bürgerkriegs sämtlich -in die Hände der Konföderierten fielen. Von ihnen wurden sie zur -Beförderung der Post gebraucht und legten im Tag angeblich bis gegen -200 _km_ zurück. Zu den beim Friedensschluß noch lebenden und von der -Regierung der Vereinigten Staaten wieder übernommenen Tieren wurden -1866 neu eingeführte gesellt, die mit den alten zu Züchtungszwecken -über Arizona und Texas verteilt wurden. Da jedoch viele starben und der -Versuch, das Dromedar in Nordamerika zu züchten, mißglückte, ließ man -die Überlebenden laufen, und es scheint, daß in den wilden Gegenden von -Kalifornien und Arizona noch heute welche leben; diese führen im Laufe -des Jahres weite Wanderungen aus. In Australien hat sich das Dromedar -besser eingebürgert und bei der Erforschung der inneraustralischen -Wüsten sehr große Dienste geleistet. Die erst vor drei Jahrzehnten aus -Afghanistan eingeführten Tiere werden gegenwärtig in Westaustralien -stark benutzt. Die deutsche Regierung führte sie beim letzten Aufstand -der Bastardhottentotten auch in ihrer südwestafrikanischen Kolonie ein, -wo sie sich bis heute gut erhielten und trefflich bewährten. - -Außer in Arabien und Mesopotamien wird auch in Persien, Afghanistan, -Beludschistan und in den Somaliländern die Kamelzucht sehr stark -betrieben. Das Reitkamel vermag 16 Stunden lang zu traben und legt -dabei bequem eine Entfernung von 140 _km_ zurück. Ordentlich gefüttert -und getränkt vermag es ohne Rasttag dazwischen 3-4 Tage solche -Anstrengung auszuhalten. Die Lastkamele aber durchmessen mit einer -bis 250 _kg_ schweren Last in 12 Stunden bis 50 _km_. Außer durch -ihre Arbeit nützen die Kamele auch durch ihre dicke, fette Milch, die -bei den Beduinen besonders an Pferdefüllen verfüttert, sonst auch vom -Menschen genossen wird. Die jungen Tiere dienen als Fleischlieferanten. -Die ausgehende Wolle dient zur Herstellung von Tuch und Stricken, aus -den elfenbeinharten Knochen werden allerlei Drechslerwaren angefertigt. -In der Wüste ist ihr Dünger das einzige dem Menschen zur Verfügung -stehende Brennmaterial. Nach Denham und Clapperton haben die Kamele -der Tibbukuriere kleine Körbe unter dem Schwanze. Mit dem darin -angesammelten Dünger kochten dann die Reiter abends ihren Kaffee. Der -Schweiß der Kamele ist so salzig, daß die Schafe und Ziegen ihn lecken. -Ein junges oder schwaches Kamel kostet manchmal nur 30 Mark, während -ein gutes Lastkamel mit 90 und ein Reitdromedar mit 200-300 Mark -unseres Geldes bezahlt wird. Die geschätztesten Tiere werden in der -Nedjed genannten unwirtlichen Hochebene Mittelarabiens gezüchtet und -weithin exportiert. - - - - -XI. Das Lama. - - -Die südamerikanischen Schafkamele (_Auchenia_, d. h. Halstier), -welche gleichsam eine Miniaturausgabe der stattlichen altweltlichen -Kamele darstellen, sind in zwei Formen, dem ~Lama~ und ~Alpaca~, zu -Haustieren gemacht worden. Und zwar gehören sie zu den wenigen Arten, -welche von den Indianern aus eigener Initiative gezähmt wurden. Damit -hat dann der Mensch Gebirgsregionen der Kultur erschlossen, die ohne -diese Gehilfen auf die Dauer nicht zu bewohnen gewesen wären. Deshalb -begreifen wir sehr wohl, daß sie in ihrer Heimat eine Kultbedeutung -erlangt hatten. Wie die ältesten spanischen Chronisten berichten, -verwendete man sie zu Totenopfern und aß ihr Fleisch zur Versöhnung des -betreffenden abgeschiedenen Geistes. So findet man Köpfe und sonstige -Knochenüberreste dieser Tiere in vorspanischen Gräbern von Peru. - -Noch heute leben zwei Arten von Schafkamelen in vollkommen wildem -Zustande, nämlich das ~Guanaco~ (_Auchenia huanaco_) und das ~Vicuña~ -(_Auchenia vicuña_). Beide bewohnen, wie auch die aus ihnen gezähmten -Nachkommen, das Lama und Alpaca, das Hochgebirge der Anden vom -Feuerland bis zum nördlichen Peru. Das Guanaco ist namentlich im -südlichen Teile des Gebirges häufig. Es lebt gesellig in Rudeln, die -gewöhnlich aus zahlreichen, von einem Männchen angeführten Weibchen -bestehen. Die Männchen erreichen die Größe eines Edelhirsches, die -Weibchen sind kleiner. Beide sind von einem ziemlich langen, aber -lockern Pelz von schmutzig rotbrauner, an Brust und Bauch weißlicher -Farbe bedeckt, das aus kürzerem, feinerem Wollhaar und dünnerem, -längerem Grannenhaar besteht. Der dünne lange Hals ist nach vorn -gekrümmt und trägt einen seitlich zusammengedrückten Kopf. Die -raschen und lebhaften Tiere klettern sehr gut und laufen gemsenartig -an den steilsten Gehängen und Abstürzen dahin, selbst da, wo der -geübteste Bergsteiger nicht Fuß fassen kann. Dabei hält der leitende -Hengst einige Schritt vom Rudel entfernt Wache, während seine Herde -unbekümmert weidet. Bei der geringsten Gefahr stößt er ein lautes, -wieherndes Blöken aus, worauf alle Tiere den Kopf erheben, scharf nach -allen Seiten ausschauen und sich dann rasch zur Flucht wenden. - -Kleiner und zierlicher als das Guanaco, auch weniger weit verbreitet, -ist das Vicuña mit dem durch seine Feinheit berühmten ockerfarbigen -Vließ und den langen, weißen Schulterbüscheln. Es steigt weniger hoch -als jenes und weidet mit Vorliebe auf den Grasmatten der Anden. Da -es weiche Sohlen hat, zieht es sich, auch verfolgt, niemals auf die -steinigen Halden zurück. Im Februar wirft jedes Weibchen ein Junges, -das schon gleich nach der Geburt eine große Schnelligkeit und Ausdauer -entwickelt, also mit seiner Mutter leicht zu fliehen vermag. Als -Weibchen bleibt es, auch erwachsen, bei der Herde; als Männchen jedoch -wird es durch Beißen und Schlagen fortgetrieben und vereinigt sich dann -mit seinesgleichen zu einem besonderen Rudel. - -Jung eingefangen lassen sich Guanaco und Vicuña leicht zähmen und -schließen sich bald zutraulich an ihren Pfleger. Mit zunehmendem -Alter aber werden sie tückisch und speien dann den Menschen bei jeder -Gelegenheit an, was gerade keine angenehme Gewohnheit ist. Zudem -gebärden sie sich unbändig und sind nicht zur Paarung zu bringen. -Gleichwohl sind die Guanacos schon in vorgeschichtlicher Zeit von den -Indianern auf den Anden Perus gezähmt und in den Dienst des Menschen -gestellt worden. Da nun die kurze und straffe Wolle des wilden Guanaco -minderwertig ist, stellte man ihm viel weniger nach als dem äußerst -feinwolligen Vicuña, das von den Europäern planlos abgeschossen wurde, -so daß es stark dezimiert erscheint und seine Wolle kaum mehr zu -haben ist. Man stellte einst daraus wertvolle Decken her, die, weil -ungefärbt, niemals bleichten. Aus der französischen Bezeichnung des -Tieres bildete sich die auch im Deutschen übliche Benennung _vigogne_ -für solche Gewebe. Die sehr teure echte Vigognewolle dient jetzt bei -uns hauptsächlich dazu, der Oberfläche unserer feinen Filzhüte ihren -seidigen Glanz zu verleihen. - -Den Gegensatz zu diesen Wildformen bilden das Lama und das Alpaca, die -nur in zahmem Zustande bekannt sind. Ersteres ist durch Domestikation -aus dem Guanaco hervorgegangen, letzteres dagegen ist wahrscheinlich -ein Kreuzungsprodukt beider Arten, das besonders zur Erlangung einer -feinen Wolle gezüchtet wurde. Wahrscheinlich hat es aber weit mehr -Lama- als Vicuñablut, so daß es manche Autoren als eine zu speziellen -Zwecken verändertes Lama betrachten. Ganz sicher läßt sich indessen -die Abstammung nicht bestimmen, da beide Formen sich beim Eindringen -der Spanier in Südamerika als fertige Züchtungsprodukte vorfanden. -1541 gab Pedro de Cieza, dann wiederum 1615 Antonio de Herrera eine -gute Beschreibung der beiden zahmen Schafkamele mit ihren besonderen -Eigenarten. - -Bei den alten Peruanern spielten Lama und Alpaca im Leben eine wichtige -Rolle. Die Zähmung beider Haustierarten wurde von ihnen in das früheste -Zeitalter menschlichen Daseins verlegt, als noch Halbgötter auf Erden -lebten. Und zwar geschah sie zunächst auch nicht aus praktischen -Gründen, sondern aus Gründen des Kultes, um nicht etwa in Notfällen in -Verlegenheit wegen Opfertieren zu kommen. - -Überall im Lande trafen die Spanier große Herden dieser Tiere an, die -die wichtigsten Nutztiere der Peruaner bildeten, indem sie dieselben -nicht nur zum Transport über die hohen Pässe der Anden benutzten, -sondern auch Fleisch, Fell und Haare derselben verwendeten. - -Das ~Lama~, eigentlich Llama (_Auchenia lama_), wird heute noch wie -einst vorzugsweise in Peru gefunden und gedeiht am besten in der -verdünnten Luft der Hochebenen. Es wird etwas größer als das Guanaco, -aus dem es hervorging, und zeichnet sich durch Schwielen an der Brust -und an der Vorderseite der Handwurzelgelenke aus. Als altes Haustier -tritt es in den verschiedensten Farbenvarietäten auf: weiß, gescheckt, -fuchsrot und dunkelbraun bis schwarz. Auch schwankt die Wolle bei den -verschiedenen Abarten in bezug auf Länge, Dichte und Feinheit. Am -kürzesten behaart sind die Arbeitstiere, von denen nur die Männchen -zum Tragen von Lasten verwendet werden, während die Weibchen außer zur -Zucht zur Fleisch- und etwa noch zur Milchgewinnung benutzt werden. Mit -einer Warenlast von 50 _kg_ und darüber beladen marschiert, von einem -Treiber geleitet, ein Tier hinter dem andern sichern Schrittes an den -steilsten Abhängen vorbei über die höchsten Pässe der Kordilleren. -Stevensohn schreibt: „Nichts sieht schöner aus als ein Zug dieser -Tiere, wenn sie mit ihrer etwa einen Zentner schweren Ladung auf dem -Rücken, eins hinter dem andern in der größten Ordnung einherschreiten, -angeführt von dem Leittiere, welches mit einem geschmackvoll verzierten -Halfter, einem Glöckchen und einer Fahne auf dem Kopfe geschmückt ist. -So ziehen sie die schneebedeckten Gipfel der Kordilleren oder den -Seiten der Gebirge entlang, auf Wegen, auf denen selbst Pferde oder -Maultiere schwerlich fortkommen möchten; dabei sind sie so gehorsam, -daß ihre Treiber weder Peitsche noch Stachel bedürfen, um sie zu lenken -und vorwärts zu treiben. Ruhig und ohne anzuhalten schreiten sie ihrem -Ziele zu.“ Ihr Mist wird von den Indianern gesammelt und überall als -das fast ausschließliche Brennmaterial auf den Markt gebracht. Das -Einsammeln desselben wird dadurch erleichtert, daß die Lamas, wie -auch ihre Verwandten, die Gewohnheit haben, für die Ablagerung ihrer -Exkremente gemeinsame Plätze aufzusuchen. Zum Reiten wurde das Lama -niemals verwendet, da es dazu zu schwach ist. Seine grobe Wolle spielt -als Gespinnstmaterial keine bedeutende Rolle. Dazu wird vielmehr das -lange, feine Vließ der zweiten domestizierten Form, des Alpacas, -verwendet. - -[Illustration: - - Tafel 45. - -Lama im Tierpark Hellabrunn zu München. - -(Nach einer Photographie von M. Obergaßner.)] - -[Illustration: - - Tafel 46. - - (_Copyright Underwood & Underwood in London._) - -Norwegische Renntierherde in Hardanger, mißtrauisch die Ankunft von -Fremden abwartend.] - -Das ~Alpaca~ oder ~Paco~ (_Auchenia pacos_) ist kleiner und gedrungener -als das Lama und gleicht äußerlich einem Schafe, hat aber einen -längeren Hals und einen zierlicheren Kopf. Sein langes und ausnehmend -weiches Vließ erreicht an den Seiten des Rumpfes eine Länge von 10-12 -_cm_. Die Färbung ist meistens ganz schwarz oder ganz weiß; es gibt -aber von ihm wie vom Lama buntscheckige Individuen. Die Alpacazucht -wird besonders auf den Hochebenen des südlichen Peru und nördlichen -Bolivia stark betrieben, geht aber nicht so weit hinunter wie die -Zucht des Lamas. Hier leben diese Tiere in halbzahmem Zustande in -großen Herden in 4000-5000 _m_ Höhe das ganze Jahr über im Freien. Zur -Gewinnung ihrer sehr geschätzten Wolle werden sie gewöhnlich nur alle -zwei Jahre geschoren. Dazu treibt man sie in der warmen Jahreszeit in -die Hütten, wobei sie sich allerdings sehr störrisch benehmen. Wird -ein Tier von der Herde getrennt, so wirft es sich auf die Erde und -ist weder durch Schmeichelei, noch durch Schläge zu bewegen, wieder -aufzustehen. Einzelne können nur dadurch fortgeschafft werden, daß -man sie den Herden von Lamas und Schafen beigesellt. Aus ihrer Wolle -werden seit uralter Zeit Decken, Mäntel und Kleiderstoffe verfertigt. -Sehr schön gemusterte Proben der altperuanischen Textilkunst besitzt -namentlich das Berliner Völkermuseum. Doch züchtet man das Alpaca außer -der Wolle wegen auch zur Gewinnung des höchst schmackhaften Fleisches. -Zum Lasttragen wird es nicht verwendet, wozu es auch etwas zu schwach -wäre. - -Wiederholt hat man versucht, Lamas und Alpacas auch außerhalb ihrer -hochgelegenen Heimat zu akklimatisieren; doch schlugen bis jetzt alle -diesbezüglichen Versuche fehl. So werden sie nur etwa in zoologischen -Gärten gehalten. Das erste Lama, das man in Europa zu sehen bekam, -war noch vor der Eroberung Perus durch Pizarro, als er bei Karl V. -um Hilfe bat, gezeigt worden. Im Jahre 1643 sollte Admiral Brouwer -bei seiner mißglückten Expedition gegen Chile das Vicuña im damals -holländischen Nordbrasilien einführen. 1799 hatte man weiße Vicuñas -nach Buenos Aires gebracht; 1808 sah Bory de St. Vincent einen kleinen -Lamabestand in Cadiz. Das waren wohl die Tiere, die Karl IV. hatte -kommen lassen. Dann schenkte auch Kaiserin Josephine welche; aber alle -diese Ansiedelungsversuche verliefen völlig erfolglos. In Australien -hat man, nachdem 1852 der erste Versuch verunglückt war, 1856 256 -Tiere meist gemischten Blutes angesiedelt, aber trotz der ausgesetzten -Prämie von 250000 Franken kein Glück damit gehabt; ebensowenig in -Kuba trotz anfänglichen Gelingens. Teilweise ist eine als Caracha -bezeichnete ansteckende Krankheit daran schuld, die besonders die -Alpacas ergreift und an ihnen eiternde Wunden an den Vorderbeinen und -den Geschlechtsteilen hervorruft, woran sie häufig eingehen. - -Alpaca und Lama können leicht miteinander gekreuzt werden. Die -Mischlinge, die unter dem Namen Guarizos oder Machorras bekannt sind, -bieten aber durchaus keine Vorteile vor jenen. Als Lasttiere lassen sie -sich ebensowenig gebrauchen als die Alpacas; auch erben sie die feine -Wolle der letzteren nicht. Übrigens findet das Lama in Peru seit der -Einführung des Maultiers und des Pferdes viel weniger Verwendung als -Lasttier im Vergleich zu früher, da es noch ausschließlich als solches -verwendet wurde. Zur Zeit der spanischen Eroberung gab es namentlich -im südlichen Peru ungeheure Herden davon. Damals wurden nicht selten -Züge von 500 oder selbst 1000 Stück angetroffen, alle mit Silberbarren -beladen und unter Obhut weniger Männer ihres Weges ziehend. Für die -Wegschaffung der Minenerzeugnisse von Potosi sollen zu jener Zeit -allein über 300000 Lamas gebraucht worden sein. Der Spanier Acosta -berichtet darüber: „Ich habe mich oft gewundert, diese Schafherden mit -2000-3000 Silberbarren, welche über 300000 Dukaten wert sind, beladen -zu sehen, ohne eine andere Begleitung als einige Indianer, welche die -Schafe leiten, beladen und abladen, und dabei höchstens noch einige -Spanier. Sie schlafen alle Nächte mitten im Felde, und dennoch hat -man auf diesem langen Wege noch nie etwas verloren; so groß ist die -Sicherheit in Peru. An Ruheplätzen, wo es Quellen und Weiden gibt, -laden die Führer sie ab, schlagen Zelte auf, kochen und fühlen sich, -ungeachtet der langen Reise, wohl. Erfordert diese nur einen Tag, so -tragen jene Schafe 8 Arrobas (92 _kg_) und gehen damit 8-10 Leguas -(29 bis 36 _km_); das müssen jedoch bloß diejenigen tun, welche den -armen, durch Peru wandernden Soldaten gehören. Alle diese Tiere lieben -die kalte Luft und finden sich wohl im Gebirge, sterben aber in Ebenen -wegen der Hitze. Bisweilen sind sie ganz mit Eis und Reif bedeckt -und bleiben doch gesund. Die kurzhaarigen geben oft Veranlassung zum -Lachen. Manchmal halten sie plötzlich auf dem Wege an, richten den -Hals in die Höhe, sehen die Leute sehr aufmerksam an und bleiben lange -Zeit unbeweglich, ohne Furcht oder Unzufriedenheit zu zeigen. Ein -anderes Mal werden sie plötzlich scheu und rennen mit ihrer Ladung -auf die höchsten Felsen, so daß man sie herunterschießen muß, um die -Silberbarren nicht zu verlieren.“ Meyer schlägt die Wichtigkeit des -Lamas für die Peruaner ebenso hoch an wie die des Renntieres, von dem -alsbald die Rede sein wird, für die Lappländer. - -Neuerdings beabsichtigt die preußische Regierung, das überaus genügsame -Tier, dessen Fleisch einen sehr zarten Geschmack besitzt, in den -sonstwie wenig brauchbaren Ländereien, so zunächst auf der Lüneburger -Heide, einzuführen. Ob ihr die Akklimatisation gelingen wird, ist -allerdings höchst fraglich, da diese Tiere im Tiefland nicht gedeihen. - - - - -X. Das Renntier. - - -Im ~Renntier~ (_Rangifer tarandus_), einem der jüngst erworbenen -Haussäugetiere, das nur sehr oberflächlich gezähmt ist und sich noch -weitgehender Freiheit und Selbständigkeit erfreut, haben wir den -einzigen Vertreter der Familie der Hirsche vor uns, den der Mensch -in seine Abhängigkeit brachte. Den Übergang von den eigentlichen -Hirschen zum Renntier bildet der in den menschenleeren Einöden -Nordchinas lebende ~Milu~ der Chinesen oder ~Davidshirsch~ (_Elaphurus -davidianus_) der Europäer, so genannt, weil ihn 1865 der französische -Missionar David durch einen Blick über die Mauer des kaiserlichen -Wildparks bei Peking entdeckte. Dort wird dieses äußerst scheue und -seltene Tier zum Vergnügen des Kaisers von China und seines Hofes -in Gehegen gehalten. Durch die Vermittlung des damaligen deutschen -Gesandten in Peking, v. Brandt, kamen von dort zwei Hirsche und ein -Tier als außerordentliche Seltenheit in den Berliner Zoologischen -Garten und von da auch in denjenigen von Köln. In seinem ganzen Bau, -besonders der Füße, aber auch des Gehörns, erinnert der Milu viel mehr -an das Renntier als an den Hirsch und läßt wie dieser bei jedem Schritt -ein eigentümliches Knistern in den Fußgelenken hören, was sonst den -Hirschen nicht zukommt. - -Die geweihtragenden Wiederkäuer eigneten sich im allgemeinen deswegen -nicht zur Domestikation, weil sie ausgesprochene Waldbewohner sind -und sich deshalb zum dauernden Aufenthalt im offenen Lande nicht -recht verwenden lassen. Davon macht nur das Renntier eine Ausnahme; -denn schon im Wildzustande meidet es den Wald und bewohnt heute im -Norden jenen Gürtel, der sich zwischen der Waldzone und dem Eismeer -ausdehnt und den man als Tundra oder Moossteppe bezeichnet. Hier lebt -es vorzugsweise von der Renntierflechte. Damit es nun mit seinen Füßen -im moorigen Boden der Tundra nicht zu weit einsinke, besitzen die -niedrigen, kräftigen Beine breit ausladende Hufe und bis auf den Boden -hinabreichende Afterklauen. Auf dem dicken, wenig aufgerichteten Hals -sitzt der nach vorn nur wenig verschmälerte Kopf mit dem ausnahmsweise -in beiden Geschlechtern entwickelten, bei den Weibchen nur kleineren, -zackigen Geweih. Das dunkelbraune Sommerkleid ist weniger dicht und -lang als das grauweiße Winterkleid, das sehr warmhält und seinen Träger -vor der großen Kälte seiner Heimat schützt. Der Vorderhals trägt eine -bis zur Brust herabreichende Mähne. - -[Illustration: Bild 32. Darstellung eines weidenden Renntierweibchens -auf dem aus Renntierhorn verfertigten Bruchstück eines Kommandostabes -aus dem Keßlerloch bei Thaingen. (Nach Photogramm von _Dr._ Nüesch.)] - -Das wilde Renn lebt durchschnittlich nördlich vom 60. bis zum 80. -Breitengrad der Alten wie auch der Neuen Welt. Die nordamerikanische -Form ist nur etwas größer und dunkler gefärbt und wird als ~Karibu~ -bezeichnet. Von ihm leben im Tundrengebiet Nordamerikas und in -Grönland stattliche Herden bis zu 200 Stück, denen die Indianer stark -nachstellen, die sie mit Pfeil oder Gewehr erlegen oder in Hürden aus -Buschwerk treiben, um sie nachher mit Speer und Keule niederzuschlagen. -Das altweltliche Renn, von dem man das größere „Waldrenn“ vom kleineren -„Tundrarenn“ unterscheidet, die beide domestiziert wurden, lebt noch -in großer Zahl wild auf Spitzbergen. Auf Island wurde es im Jahre -1770 eingeführt, ist dort vollständig verwildert und hat sich bereits -in namhafter Zahl über alle Gebirge der Insel verbreitet. Es liebt -die Geselligkeit überaus und lebt in Herden von 200-300 Stück, die -gern wandern, so im Sommer, um der Mückenplage zu entgehen, nach den -höheren, kühler gelegenen Gebieten, im Winter dagegen nach den weniger -hoch mit Schnee bedeckten Niederungen. Es wittert ausgezeichnet, ist -scheu und vorsichtig, wo es unter den Verfolgungen des Menschen zu -leiden hat, kommt aber vertrauensvoll an Kühe und Pferde heran, die -in seinem Gebiete weiden, mischt sich auch da, wo es Zahme seiner Art -gibt, gern unter diese, obschon es recht wohl weiß, daß es nicht mit -seinesgleichen zu tun hat. Hieraus geht hervor, daß die Furcht und -Scheu vor dem Menschen die Folge der bösen Erfahrung ist, die es mit -ihm gemacht hat, daß es also kein dummes Tier sein kann. Ende September -ist die Brunst und Mitte April wird das Junge geworfen und längere Zeit -von seiner Mutter gesäugt. - -[Illustration: Bild 33. Darstellung eines Renntiermännchens aus der -Höhle von Combarelles, stark verkleinert. - -(Nach Capitan und Breuil.)] - -Der europäische Diluvialjäger lebte vorzugsweise vom Renntier, das -damals während der Kälteperiode bis gegen das Mittelmeer hinunter in -großen Herden lebte und dem Menschen das weitaus wichtigste Beutetier -war. Um es leichter in seine Gewalt zu bringen, zeichnete er es unter -Murmeln von Zaubersprüchen, wie dies heute noch manche auf derselben -Kulturstufe lebende Jägerstämme tun, an die Wände der Höhlen, die er -bewohnte, und an allerlei Gegenstände seines Besitzes, wohl auch die -aus gegerbtem Renntierfell bestehenden Zeltwände auf Stangen. Dabei -galt der Glaube, daß, je naturgetreuer das Tier dargestellt werde, es -um so sicherer in des Menschen Gewalt gelange. Außer dem Fell, das -ihm seine Kleidung und Zeltumhüllung, wie auch Riemen und Schlingen -aller Art lieferte, wurden nicht nur das Fleisch und alle Eingeweide -vom hungrigen Renntierjäger verzehrt, sondern auch das Geweih und die -Knochen des Tieres als bald noch wichtigeres Werkzeugmaterial als -der Feuerstein benutzt. So war die ganze Kultur der Magdalénienjäger -der frühen Nacheiszeit ganz wesentlich auf die Erbeutung des damals -ausschließlich wildlebenden und durchaus noch nicht vom Menschen -in Herden vereinigten Renntiers gegründet, wie solches heute noch -von den auf der reinen Jägerstufe verbliebenen Indianern Kanadas -und noch höherer Breiten geübt wird. Auch diese leben, wie King -berichtet, fast ausschließlich vom Renn. Sie erlegen das Wild auf -seinen Wanderungen mit der Feuerwaffe, fangen es in Schlingen, töten -es beim Durchschwimmen der Flüsse mit Wurfspeeren, graben tiefe, mit -dünnem Astwerk und Laub verdeckte Fallgruben oder errichten an den -Furten, die sie durchschreiten müssen, zwei aufeinander zulaufende -Zäune aus Stecken, die da und dort schmale Lücken lassen. In eine jede -solche Lücke legen sie eine Schlinge. Wenn das Rudel zwischen die -Zäune getrieben wird, fangen sich einzelne Individuen, die seitlich -durchbrechen wollen, darin und werden abgestochen. Das Fleisch essen -sie roh und braten und räuchern den nicht sofort zu bewältigenden -Rest am Feuer. Aus den Geweihen und Knochen verfertigen sie ihre -verschiedenen Knochenwerkzeuge, vor allem die Fischspeere und Angeln. -Mit den gespaltenen Schienbeinen und anderen Teilen schaben sie, -wie das Fleisch von den Knochen, so Fett und Haar von den Häuten -ab, und mit Renntiergehirn reiben sie das Innere der Felle ein, um -sie geschmeidig zu machen. Das durch Räuchern mit feuchtem Holze -konservierte Leder alter Tiere hängen sie um ihre Zeltstangen, während -sie aus dem pelzartig weichen Fell jüngerer Tiere ihre Kleidung -herstellen, die sie mit Nadeln aus Renntierhorn vermittelst Sehnenfäden -vom Renntier nähen. Vom Kopf bis zu den Füßen sind sie in Renntierpelze -gehüllt, werfen ein weichgegerbtes Renntierfell auf den Schnee, decken -sich mit einem andern solchen zu und sind so imstande, der grimmigsten -Kälte Trotz zu bieten. Kein Teil des Renntiers bleibt von ihnen -unbenutzt, nicht einmal der aus aufgeweichten und halb aufgelösten -Renntierflechten bestehende Mageninhalt, der mit Blut vermischt ein -ihnen höchst schmackhaft vorkommendes Gericht liefert, von dem sie nur -ihren besten Freunden anbieten. - -[Illustration: Bild 34. Von Magdalénienjägern auf ein Knochenstück -eingeritzte Renntiere, worunter ein Männchen ein Weibchen -beschnüffelnd, aus dem _abri_ von La Madeleine in der Dordogne. (Etwa -natürl. Größe.)] - -Das wilde Renntier hat aber auch noch andere Feinde als den Menschen. -Der gefährlichste von ihnen ist der Wolf, der stets, besonders im -Winter, die Rudel umlagert. In Norwegen mußten die Renntierzuchten, -welche man auf den südlichen Gebirgen anlegen wollte, der Wölfe wegen -aufgegeben werden. Auch Vielfraß, Luchs und Bär stellen den Renntieren -nach. Sonst setzen ihm hauptsächlich die Mückenschwärme stark zu und -peinigen es im Sommer auf höchst unangenehme Weise. - -Jung eingefangene Renntiere werden bald zahm. „Man würde sich aber“, -sagt Brehm, „einen falschen Begriff machen, wenn man die Renntiere, -was die Zähmung anlangt, den in den Hausstand übergegangenen Tieren -gleichstellen wollte. Nicht einmal die Nachkommen derjenigen, welche -seit undenklichen Zeiten in der Gefangenschaft leben, sind so zahm wie -unsere Haustiere, sondern befinden sich immer noch in einem Zustande -von Halbwildheit. Nur Lappen und deren Hunde sind imstande, solche -Herden zu leiten und zu beherrschen.“ - -[Illustration: Bild 35. Aus Renntierhorn geschnitzter Dolch eines -Magdalénienjägers, dessen Griff ein Renntier darstellt, das, um die -Hand beim Fassen der Waffe nicht zu behindern, die Schnauze erhebt und -sein Gehörn in den Rücken drückt. Aus dem gleichen Grunde sind seine -Vorderfüße unter den Bauch gebogen, als ob es davonspringen wolle. Aus -dem südfranzösischen _abri_ von Laugerie basse in der Dordogne. (⅓ -natürl. Größe.)] - -Das Renntier ist sehr spät vom Menschen zum Haustier erhoben worden -und ist im ganzen jetzt noch recht mangelhaft domestiziert. Wann dies -geschah, läßt sich nicht mehr bestimmen; doch kann dies vor nicht viel -mehr als 500 Jahren geschehen sein. Nach Frijs in Christiania waren -die Lappen im Norden Skandinaviens im 9. Jahrhundert noch Fischer und -Jäger, die außer dem Hund noch keinerlei Nutztiere besaßen und das -Renn nur als Wild kannten. Erst im 16. Jahrhundert gibt uns Olaus -Magnus Kenntnis von zahmen Renntieren, die in ihrem Besitze waren. -Julius Lippert hält es für wahrscheinlich, daß die Renntierzucht von -Skandinavien ausging, während sie Eduard Hahn in ihrem Ursprung nach -Nordasien verlegt und der Meinung ist, sie habe sich später von dort -nach Westen ausgedehnt. Uns scheint diese letztere Annahme die allein -richtige, da dort sicher die Renntierzucht eine ältere ist als in -Nordeuropa. - -Für die am Nordrande der Alten Welt lebenden Fischervölker, für deren -Lebensweise der Hund zwar wichtig, aber nicht ausreichend war, -wurde der Erwerb des Renns als Haustier von unschätzbarem Werte. -Es war das einzige Wildmaterial, das ihnen für die Gewinnung eines -nützlichen Haustiers zu Gebote stand, und so wurde es herdenweise -in Pflege und Aufsicht genommen und trat dadurch in lose Verbindung -mit dem Menschen, den es bis dahin als seinen ärgsten Feind geflohen -hatte. Die Unterordnung unter das menschliche Joch ist aber heute -noch eine sehr bedingte. Wohl werden die Herden durch wachsame Hunde -zusammengehalten, indessen wenden sie sich doch dahin, wo es ihnen -gerade paßt und die Weide günstig ist. Der Besitzer kann seine Tiere -nicht beeinflussen und nach seinem Willen lenken, sondern er muß ihnen -einfach folgen, wohin sie ihn führen. Günstig für ihn ist es, daß die -Renntiere ein ausgeprägtes Herdenbewußtsein haben und stets geschlossen -gehen, so daß sie sich nicht zerstreuen, was ihm das Hüten wesentlich -erleichtert. Das Melkgeschäft ist durchaus keine Annehmlichkeit, da -die störrischen Tiere beständig durchgehen wollen und nur mit einem -Strick zum Ausharren bei diesem Geschäfte festgehalten werden können. -Die Renntiermilch ist, wenn sie auch neben dem süßen einen starken -Beigeschmack hat, sehr fettreich und nahrhaft; doch ist der Milchertrag -gering. - -[Illustration: Bild 36 und 37. Dolchgriff aus Renntierhorn, einen -Renntierkopf, und ein ebensolcher aus Mammutelfenbein, ein nur -scheinbar liegendes Renntier darstellend, beide aus der Höhle von -Bruniquel in Westfrankreich, jetzt im Britischen Museum in London. (⅓ -natürl. Größe.)] - -Die von den Nomaden des Nordens zusammengehaltenen Renntierherden -halten sich jahraus jahrein im Freien auf, da selbstverständlich -Unterkunftsräume für so ausgedehnte Herden fehlen. Bei starkem -Schneefall geraten sie allerdings in Not und gehen vielfach an -Nahrungsmangel und Entkräftung zugrunde, so außerordentlich genügsam -sie auch an sich sein mögen, indem sie sich von selbst aus dem Schnee -hervorgescharrten Renntierflechten ernähren und als Flüssigkeitszufuhr -den Schnee im Munde zergehen lassen. - -Außer den Lappen geben sich auch die Finnen und zahlreiche sibirische -Volksstämme mit der Zucht des Renntiers ab, das das Ein und alles, -der Inbegriff von Glück und Reichtum dieser Menschen bildet. Mit -Mitleid schaut der Fjeldlappe, der eigentliche Renntierzüchter, auf -seine Volksgenossen herab, die das Nomadenleben aufgegeben und sich -entweder als Fischer an Gewässern niedergelassen oder gar als Diener -an Skandinavier verdingt haben. Er allein dünkt sich diesem gegenüber -ein freier Mann zu sein; er kennt nichts Höheres als sein „Meer“, wie -er eine größere Renntierherde zu nennen pflegt. Immerhin gehört eine -beträchtliche Zahl von Renntieren dazu, um den Lappen und seine Familie -zu ernähren. Erst etwa 200 sollen ausreichen, um ihn selbständig zu -machen. Wer weniger sein eigen nennt, pflegt sich an einen reicheren -Besitzer anzuschließen und dafür in ein Dienstverhältnis zu ihm zu -treten. Eine Herde von etwa 500 Renntieren bedeutet Wohlhabenheit, -die viele Lappen erreicht haben. Nur wenige bringen es zu einem in -ihren Augen fabelhaften Reichtum von 2000-3000 Stück. Man berechnet -die Gesamtzahl der den Lappen Norwegens gehörenden Renntiere auf rund -80000, in die sich 1200 Besitzer teilen sollen. Die Renntierlappen -leben ganz nomadisch, indem sie sich gewöhnten, ihren Herdentieren zu -folgen. Im Sommer ziehen sie mit ihnen hinauf zu den großen baumlosen -Fjeldern (Hochflächen), wo diese am leichtesten ihre Nahrung finden -und der sehr lästigen Mückenplage entweichen können. Im Winter dagegen -wandern sie mit ihnen in die waldreicheren Regionen hinab, die weniger -den rauhen Stürmen ausgesetzt sind. Dank ihrer breitausladenden Hufe -können die Renntiere ebensogut über die sumpfigen Stellen wie über die -Schneedecke hinweggehen und sogar an den Halden herumklettern. Ihre -Fährten erinnern weit mehr an die einer Kuh als eines Hirsches. - -[Illustration: Bild 38 und 39. Zwei Harpunen des Magdalénienjägers aus -Renntierhorn mit Giftrinnen aus Südfrankreich. (4/9 natürl. Größe.)] - -Eine Renntierherde bietet ein höchst eigentümliches Schauspiel. Die -Renntiere gehen geschlossen wie die Schafe, aber mit behenden, -federnden Schritten und so rasch, wie sonst keins unserer Haustiere. -Ihnen nach wandelt der Besitzer mit seinen Hunden, die eifrig bestrebt -sind, die Herde zusammenzuhalten. Durch ihr Hin- und Herlaufen und -durch ihr ewiges Blöken erinnern die Renntiere an Schafe, obgleich ihr -Lautgeben mehr ein Grunzen genannt werden muß. Bei weitem die meisten, -die in Herden gehalten werden, sind sehr klein und man sieht unter -Hunderten nur sehr wenig starkgebaute, große Tiere. Dabei fällt die -Unregelmäßigkeit ihrer Geweihe unangenehm auf. - -Mancherlei Seuchen richten oft arge Verheerungen unter den Renntieren -an. Außerdem trägt das rauhe Klima das seinige dazu bei, daß sich -die Herden nicht so vermehren, wie es, der Fruchtbarkeit des Renns -angemessen, der Fall sein könnte. Junge und zarte Kälber erliegen -der Kälte oder leiden unter den heftigen Schneestürmen, so daß sie, -vollkommen ermattet, der Herde nicht mehr folgen können und zugrunde -gehen. Ältere Tiere können bei besonders tiefem Schnee nicht mehr -hinreichende Nahrung finden. So können schneereiche Winter zuvor für -reich geltende Lappen geradezu arm machen, so daß sie sich erst in -vielen Jahren von ihrem Schaden erholen können. - -[Illustration: Bild 40. Pfeife der Magdalénienjäger aus der Höhle -von Bruniquel in Westfrankreich, nördlich der Dordogne. (⅔ nat. -Größe.) An der dünnsten Stelle einer Renntierphalange ist mit einem -Steinmesserchen ein Loch gebohrt worden, welches beim Anblasen einen -scharfen, hohen Ton hören läßt.] - -Alles am Renntier wird von diesen Leuten benutzt, nicht bloß die Milch -und der daraus bereitete wohlschmeckende Käse, das Fleisch und das -Blut, sondern auch jeder einzelne Teil des Leibes. Aus dem weichen -Fell besonders der Renntierkälber verfertigt man warme Pelzröcke und -Pelzstiefel; die Sehnen benutzt man zu Zwirn, die Gedärme zu Stricken. -Wie zur Renntierzeit werden auch heute noch aus Horn und Knochen -allerlei Gerätschaften, besonders Fischhaken und Angeln hergestellt. -Außerdem wird das Tier zum Tragen der Gerätschaften, besonders der -Zeltbestandteile und Effekten seines Besitzers verwendet. In Lappland -benutzt man das Renn hauptsächlich zum Fahren, weniger zum Lasttragen, -weil ihm letzteres, des schwachen Kreuzes wegen, sehr beschwerlich -fällt. Nur die Tungusen reiten auch auf den stärksten Rennhirschen, -indem sie einen kleinen Sattel gerade über die Schulterblätter legen -und sich mit abstehenden Beinen daraufsetzen. Auf diese Weise reiten -sie selbst über Moorgebiete, in die Pferde und Menschen tief einsinken -müßten, mit erstaunlicher Sicherheit hinweg. Der Korjäke dagegen fährt -im Renntierschlitten und Wettfahrten gehören zu seinem Hauptvergnügen. -Weder zum Fahren, noch zum Reiten werden die Tiere besonders -abgerichtet, sondern man nimmt dazu ohne viel Umstände ein beliebiges, -starkes Tier aus der Herde und schirrt es zum Ziehen des bootartigen -Schlittens oder zur Aufnahme des kunstlosen Sattels an. Ein gutes -Renntier legt mit dem Schlitten in einer Stunde etwa 10 _km_ zurück -und zieht 120-140 _kg_, wird aber gewöhnlich viel geringer belastet. -Schont man solche Zugtiere, indem man sie nur morgens und abends einige -Stunden ziehen, mittags und nachts aber weiden läßt, so kann man -erstaunlich große Strecken zurücklegen, ohne sie zu übermüden. Doch ist -auf die Dauer der Zughund leistungsfähiger als sie; deshalb haben die -Kamtschadalen im Gegensatz zu ihren Nachbarn, den Korjäken, ihre Hunde -zum Ziehen der Schlitten nicht mit dem Renntier vertauscht. Auch die -Giljaken im Mündungsgebiet des Amur sind vom Renntiergespann wieder -zum Hundeschlitten, als dem leistungsfähigeren Fortbewegungsmittel, -zurückgekehrt. Allerdings muß man den Hunden für Nahrung sorgen, -während das Renntier sich sein Futter selbst sucht. - -Außer im Norden von Skandinavien ist das Renntier in Finnland stark -verbreitet. In Rußland ist das Gouvernement Archangelsk am reichsten -daran; auch die Gouvernemente Perm und Orenburg besitzen noch starke -Bestände davon. Durch ganz Sibirien haben die Nomadenstämme der -Samojeden, Ostjaken, Tungusen, Tschuktschen und wie sie sonst heißen -mögen, große Herden von Renntieren, von denen sie neben der Jagd -auf die wilden Renntiere leben. Als Proviant wird Renntierfleisch -getrocknet; solchergestalt läßt es sich lange Zeit aufbewahren ohne zu -faulen. In neuester Zeit hat man versucht, von Sibirien aus Renntiere -in Alaska einzubürgern, um die soziale Lage der dortigen Einwohner zu -heben. Ob dieser Versuch tatsächlich geglückt ist, steht dahin; doch -wird dies wohl der Fall sein, da dieses Tier keine Schwierigkeiten bei -der Haltung macht. - -Da das Renntier erst so kurze Zeit im Haustierstande ist, hat es -sich noch nicht in verschiedene Rassen spalten können. Immerhin sind -bei der zahmen Art, abgesehen von der geringeren Größe, der größeren -Häßlichkeit und der unregelmäßigen Bildung des Geweihs, das auch -später abgeworfen wird, bereits kleine Farbenunterschiede bemerkbar. -Bei vielen ist die Färbung des Felles schon ziemlich rein weiß, bei -anderen scheckig geworden. Das wohlschmeckende Wildbret des Renns ist -bei uns so beliebt geworden, daß es im Winter von Skandinavien aus -regelmäßig auf unseren Markt gelangt und willige Abnehmer findet. - - - - -XI. Der Elefant. - - -Die letzten spärlichen Stammhalter einer einst durch zahlreiche Arten -vertretenen Säugetiergattung sind die Rüsseltiere, unter denen die -~Elefanten~ die wichtigsten und für den Menschen nützlichsten sind. -Schon seit dem hohen Altertum gezähmt und zum Nutztier des Menschen -abgerichtet, sind sie indessen bis jetzt nie eigentlich zu Haustieren -geworden, indem sie sich in der Gefangenschaft nur ausnahmsweise -fortpflanzen. - -Wenn wir von zahmen Elefanten sprechen, so verstehen wir darunter -stets den etwas kleineren und mit kleinen Ohren versehenen ~indischen -Elefanten~ (_Elephas indicus_), der ein ausgesprochenes Waldtier -ist und die mit Wäldern bedeckten Teile von Vorderindien, Ceylon, -Assam, Birma, Siam, Cochinchina, der Halbinsel Malakka und Sumatra -bewohnt, aber auch in Borneo vorkommt, wo er indessen vielleicht nur -eingeführt ist. Er ist fast haarlos, abgesehen von einer Reihe langer, -grober Haare am Schwanzende, von dunkelgrauer Farbe und trägt an den -Vorderfüßen 5, an den Hinterfüßen dagegen nur 4 Hufe. Weibchen werden -meist bloß 2,4 _m_, Männchen durchschnittlich 2,7 _m_ hoch, können aber -bis 3,6 _m_ Höhe und über 3000 _kg_ Gewicht erlangen. Die Stoßzähne -sind wurzellose Schneidezähne mit Emailüberzug, der nicht wesentlich -härter ist als die innere Elfenbeinmasse. Sie wachsen ruckweise und -bestehen aus dütenartig ineinander gesteckten einzelnen Schichten von -Dentin. Beim Männchen sind sie stärker ausgebildet als beim Weibchen -und dienen als Hebel zum Abbrechen von Zweigen und Entwurzeln von -kleineren Bäumen, von deren Laub die Tiere sich ernähren. Gelegentlich -können sie nicht nur beim Weibchen, sondern auch beim Männchen fehlen. -Von den oben und unten nach und nach hervorbrechenden 6 Backenzähnen -jeder Kieferhälfte sind meist nur 4 im Gebrauch, je einer oben und -unten. Sie bestehen aus einer Anzahl sich selbständig entwickelnder, -erst nachträglich durch Zement zusammengekitteter Platten, innen aus -Dentin und außen aus Schmelz bestehend; und zwar ist der erste aus 4, -der zweite aus 8, der dritte aus 12, der vierte gleichfalls aus 12, der -fünfte aus 16 und der sechste aus 24 Querplatten zusammengesetzt. Die -einzelnen Zähne sind weniger groß als beim afrikanischen Elefanten, -weil seine Nahrung weicher ist. Sie besteht nämlich hauptsächlich aus -verschiedenen Arten von Gräsern und Blättern, jungen Bambusschößlingen, -aus Stengeln und Blättern wilder Bananen und aus den kleinen Blättern, -den weichen Zweigen und der Rinde bestimmter Baum-, namentlich -Feigenarten. Von einem ausgewachsenen Tiere werden täglich große Mengen -von Nahrung, nämlich 300-350 _kg_, verzehrt. Dagegen trinken die -Elefanten in der Regel nur zweimal am Tage, nämlich vor Sonnenuntergang -und nach Sonnenaufgang. Sowohl das Wasser als auch die Nahrung führen -sie mit dem Rüssel zum Munde, der ein überaus muskulöses Organ ist -und aus über 35000 einzelnen Muskelbündelchen besteht, nämlich von -in Reihen hintereinander geordneten Längs- und in Bogen verlaufenden -Quermuskeln. Er ist beim indischen Elefanten länger als beim -afrikanischen, etwa von der halben Körperlänge, und trägt vorn an der -Spitze einen fingerartigen, äußerst nervenreichen Fortsatz, mit dem er -die feinsten Gegenstände vom Boden aufzugreifen vermag. Die Augen sind -auffallend klein und das Sehvermögen gering, das Gehör mäßig, aber der -Geruch außerordentlich fein entwickelt. - -Gewöhnlich lebt der indische Elefant in Herden von 30-50 Stück -verschiedener Größe und beiderlei Geschlechts. Dabei gehören im -allgemeinen alle Stücke einer Herde zu derselben Familie, sind also -nahe miteinander verwandt. Verschiedene Herden vermischen sich nämlich -nicht miteinander, obschon versprengte Weibchen und junge Männchen -auch leicht in eine fremde Herde aufgenommen werden. Nur alte, -griesgrämige Männchen leben gern für sich allein und können dann sehr -bösartig werden. Der Anführer der Herde ist merkwürdigerweise stets -ein Weibchen. Im allgemeinen sind alle Elefanten trotz ihrer Größe -und Kraft furchtsame und schreckhafte Tiere, die dem Menschen, ihrem -größten Feinde, sorgfältig aus dem Wege gehen. Abgesehen von den von -den Engländern in Indien als _rogues_ bezeichneten einzellebenden -Männchen hat man sich besonders vor Weibchen mit Jungen zu hüten. -Greift ein Elefant an, so benutzt er dabei die Füße und, falls es ein -Männchen ist, seine Stoßzähne, nicht aber seinen Rüssel, den er beim -Angriff vielmehr fest zusammenrollt. Den geworfenen Gegner zertrampelt -er meistens. - -Den größten Teil des Tages und der Nacht streicht der Elefant umher um -zu fressen, ruht ungefähr von 9 oder 10 Uhr morgens bis nachmittags -3 Uhr und zum zweiten Male etwa von 11 Uhr abends bis 3 Uhr morgens. -Beim Weiden zerstreut sich die Herde etwas, aber schnell sammeln sich -ihre Mitglieder, sobald sie beunruhigt werden. Zum Schlafen legt sich -der indische Elefant gleich andern Säugetieren nieder, während der -afrikanische, der auch die Sonnenhitze besser erträgt, stets stehend -schläft. In vielen Gegenden unternehmen die Elefanten zu bestimmten -Jahreszeiten Wanderungen von beträchtlicher Ausdehnung, hauptsächlich -wohl des Futters wegen, zum Teil aber auch, um gewissen, ihnen -lästig fallenden Insekten aus dem Wege zu gehen. Bei den Wanderungen -marschieren die Tiere im Gänsemarsch hintereinander; kommen sie bei -warmem Wetter an Wasser, so baden sie, wälzen sich auch gern im -Schlamme. Sind sie erhitzt, so spritzen sie mit dem Rüssel Wasser über -ihren Körper. Können sie solches nicht haben, so benetzen sie ihren -Rücken mit Speichel, werfen auch Erde und Blätter zur Kühlung darauf. - -[Illustration: - - Tafel 47. - - (_Copyright Underwood & Underwood in London._) - -Indischer Elefant in Ceylon, seinem Lenker oder Mahaut den Fuß zum -Besteigen hinhaltend.] - -[Illustration: - - Tafel 48. - -Junger ostafrikanischer Elefant.] - -[Illustration: Zwei erlegte ostafrikanische Elefanten mit großen -Stoßzähnen. - -(Beide Bilder nach einer im Besitz der deutschen Kolonialschule in -Witzenhausen befindlichen Photographie.)] - -Wenn auch die geistigen Fähigkeiten des Elefanten meist überschätzt -werden, so ist gleichwohl zuzugeben, daß er außerordentlich gelehrig, -klug und gehorsam ist, und dies in so hohem Grade, daß sich kein -anderes ausgewachsenes Säugetier auch nur halbwegs so leicht zähmen -läßt wie er. Seine sehr lange Entwicklungszeit von 25 und mehr Jahren -und sein Leben in engstem Familienverbande, durch das die Jungen -nicht bloß das Lernen, sondern auch die Alten das Lehren so gewohnt -werden, daß sie es auch in der Gefangenschaft nicht lassen können, -begünstigen in hohem Maße seine Dressurfähigkeit. Diese Neigung zum -Bevormunden ist auch der Hauptgrund, weshalb die zahmen Elefanten so -gern bei der Bändigung der wilden helfen. Wie Jäger sagt, steckt ihnen -das Schulmeistern im Blute. Wenn nun auch der Elefant außerordentlich -zahm ist und auf jeden Wink seines Führers gehorcht, so pflanzt er -sich gleichwohl in der Gefangenschaft, wenigstens in Britisch-Indien, -nur selten fort; doch soll die Elefantenzucht mit zahmen Weibchen -in Teilen von Birma und Siam etwas ganz gewöhnliches sein. Sogar in -Menagerien und Tiergärten pflanzt er sich gelegentlich fort, so bekam -eine Elefantenkuh im bekannten Tiergarten von Schönbrunn bei Wien -zweimal Junge, die gut gediehen. Der Elefantenbulle ist etwa im 20. -Jahre fortpflanzungsfähig, wenn er auch erst mit 25 ausgewachsen -ist und erst im 35. Jahre seine Vollkraft erreicht. Seiner langsamen -Entwicklung entsprechend, wird er 100-150 Jahre alt. Die Weibchen -bringen ihr erstes Kalb ungefähr im Alter von 16 Jahren zur Welt und -weitere Junge in Zwischenräumen von durchschnittlich 2,5 Jahren. Die -Tragzeit beträgt 20½ Monate. Meist im Herbst wird das eine Junge -geboren, das bei der Geburt 85 _cm_ hoch und ungefähr 100 _kg_ schwer -ist und mit seinem Munde, nicht aber mit dem dann noch dünnen, kurzen -und wenig beweglichen Rüssel, der dabei zurückgelegt wird, an den -beiden an der Brust befindlichen Zitzen seiner Mutter saugt. Nur in -seltenen Ausnahmefällen werden Zwillinge geboren. Hat ein Weibchen -geworfen, so verbleibt die ganze Herde, der es angehört, rücksichtsvoll -ein paar Tage an der Stelle, da solches geschah. Überhaupt leben -die Mitglieder einer Herde äußerst friedlich zusammen. Nur bei der -an keine Periode oder Jahreszeit gebundenen Brunst sind die Tiere -leicht reizbar und können Streit miteinander bekommen, oder, wenn sie -gezähmt im Dienste des Menschen stehen, wütend werden, besonders die -Männchen, bei denen dann, wie übrigens auch bei den Weibchen, aus einer -kleinen, zwischen Auge und Ohr gelegenen Schläfendrüse eine ölige -Substanz herausfließt. Es ist dies ein sexuelles Reizmittel von für die -menschlichen Nasen kaum merklichem Geruch, das aber für die so sehr -viel feineren Geruchsorgane jener Tiere stark wirkt. - -Da die indischen Elefanten so leicht gezähmt werden können, hat man -sich gar nie die Mühe genommen, sie systematisch zu züchten und in -der Gefangenschaft zur Fortpflanzung zu bringen. Weil sie überaus -langsam wachsen und bis zu ihrem leistungsfähigen Alter sehr viel -Futter verbrauchen, das der Mensch ihnen geben muß, ist es sehr viel -einfacher, sie sich in der Wildheit fortpflanzen und verköstigen zu -lassen, bis sie ein für den Dienst beim Menschen taugliches Alter -erlangt haben, und sie dann zu fangen. Dazu treibt man eine oder einige -Herden durch eine lärmende und schießende Treiberkette in eine aus -Baumstämmen hergestellte Einfriedigung, eine sogenannte Keddah. Hier -fängt und entfernt man die zum Behalten gewünschten Exemplare mit Hilfe -zahmer Elefanten und läßt die übrigen laufen. Die gefangenen Individuen -werden an starke Bäume angebunden, durch Entzug von Nahrung und Trank, -wie auch der Gelegenheit zu Baden mürbe gemacht, dann zwischen zwei -zahmen Elefanten zur Tränke und zum Bad und bald auch zur Arbeit -geführt, wobei sie sich trotz ihrer Stärke ziemlich rasch unter die -geistige Gewalt des Menschen beugen und seinem Willen gehorchen. Die -Südasiaten sind Meister in der Kunst wilde Elefanten mit Hilfe von -zahmen zu fangen und zu zähmen. Außer dem Fang in Einfriedigungen, -in die die durch unmenschlichen Lärm erschreckten Tiere herdenweise -getrieben werden, betreibt man den Einzelfang. Entweder sucht man -wilde Elefanten vor dem Wind auf schnellen zahmen einzuholen und mit -Schlingen zu fesseln, oder man folgt großen Männchen, auf die man es -besonders abgesehen hat, mit zahmen Weibchen und bindet ihnen, wenn sie -schlafen, die Hinterbeine zusammen. - -In Indien, wie auf Ceylon gibt es eine besondere Kaste von -Einzelfängern, die mit wunderbarem Scharfsinn und großer Tapferkeit -erwachsene Elefanten beschleichen, um ihnen die zuvor an einem -starken Baum befestigte zähe Schlinge aus Hirsch- oder Büffelhaut um -eines der Hinterbeine zu legen, sie so zu fangen und durch Hunger -zur Zähmung mürbe zu machen. Überall in Südasien halten die Fürsten -zahlreiche zahme Reitelefanten, die aus solchen Wildlingen gezähmt und -zu nützlichen Tieren des Menschen dressiert wurden. Für feierliche -Prunkaufzüge und zu Jagden auf den Königstiger, den Wildbüffel und -andere gefährliche Tiere im Dschungel sind sie sehr beliebt und -fast unentbehrlich. Für die feierlichen Prozessionen werden in den -indischen Tempeln sogenannte Tempelelefanten gehalten. In Hinterindien -werden sie besonders zum Transport von gefällten und zugehauenen -Baumstämmen, besonders des Tiekholzes, verwendet, auch dienen sie dort -und in Vorderindien zum Ziehen von Wagen und schweren Geschützen. -Die Engländer haben ganze Batterien von Positionsartillerie, die mit -Elefanten bespannt und sehr leistungsfähig sind. Denn trotz ihrer -plumpen Gestalt entwickeln diese Tiere eine große Gewandtheit beim -Erklimmen steiler Abhänge. Auch im Wasser sind sie außerordentlich -gewandt wie wenige Landvierfüßler. Sie schwimmen zwar nicht eben -schnell, legen in der Stunde vielleicht kaum 2 _km_ zurück, können -dafür aber 6 Stunden und darüber ohne zu ruhen fortschwimmen. Albinos -von hellerer Färbung und roten Augen werden in Siam heilig gehalten und -in einem kostbaren Stalle in der Hauptstadt vom Herrscher gefüttert. -Der „weiße Elefant“ ist zum Wappentier jenes Reiches erhoben worden. -Hat jemand einen solchen ausgekundschaftet, so wird er unter großem -Aufwand des Hofes und der buddhistischen Priesterschaft gefangen und in -einen besonderen Tempel nach der Hauptstadt Bangkok gebracht, wo er von -den Gläubigen mit Leckerbissen gefüttert wird und ein sehr gutes Leben -führt. Und wer der Untertanen ein solches heiliges Tier, dem hohe -Ehren zuteil werden, auskundschaftet und dem Könige von Siam oder einem -seiner Statthalter meldet, der wird von seinem Herrscher für diese -Meldung wahrhaft königlich belohnt. - -Etwas verschieden vom indischen ist der ~afrikanische Elefant~ -(_Elephas africanus_), der sich auf den ersten Blick von jenem durch -seine gewaltigen, in der Ruhelage die Schultern vollständig bedeckenden -Ohren unterscheidet. Diese werden bei Erregung des Tieres mit ihren -Flächen senkrecht zum Kopfe gestellt und geben dabei ihrem Träger ein -höchst sonderbares Aussehen. Der afrikanische Elefant ist erwachsen -größer und schwerer als der indische, hat einen krummen Karpfenrücken, -einen ebenso kurzen aber gleichwohl sehr beweglichen Hals und 28 statt -wie dieser 27 Schwanzwirbel, dennoch aber einen kürzeren Schwanz. Die -Füße sind verhältnismäßig länger und dünner, dadurch ist der plumpe -Körper höher gestellt. Die Schulterhöhe erreicht 4-5 _m_, das Gewicht -bis 4000 _kg_ und darüber. Am verhältnismäßig kleineren Kopfe ist die -Stirne flacher, das Auge größer, der Rüssel kürzer, dünner und flach, -dessen Haut auf der Oberseite in scharfe, nach vorn gerichtete Falten -gelegt, die Spitze, statt mit nur einem fingerartigen Fortsatz am -Vorderrand der Öffnung, mit zwei gleichgroßen Fortsätzen versehen, -wovon der eine in der Mitte des Vorder-, der andere in der des -Hinterrandes steht. Die Stoßzähne des afrikanischen Elefanten, die bei -den Elefanten von Nord- und Ostabessinien zu fehlen oder wenigstens -sehr klein zu sein scheinen, sonst aber nicht bloß beim Männchen, -sondern auch beim Weibchen gut entwickelt sind, sind größer als die des -indischen Elefanten. Während der, soviel man weiß, längste bekannte -Stoßzahn eines indischen Elefanten 2,44 _m_ Länge und ein Gewicht von -45 _kg_ hatte, betrug die Länge eines der größten bekannt gewordenen -Stoßzähne eines afrikanischen Elefanten 6,33 _m_ und das Gewicht 82,5 -_kg_. Durchschnittlich beträgt das Gewicht der beiden Stoßzähne eines -ausgewachsenen männlichen afrikanischen Elefanten nur 70 _kg_. Im Jahre -1874 wurde jedoch in London ein einzelner Stoßzahn verkauft, der 94 -_kg_ wog. Doch sind nach Schillings Zähne von über 50 _kg_ Gewicht -selten. Solche stammen dann stets von Männchen, während Weibchen selten -schwerere als 15 bis im Maximum 20 _kg_ Gewicht besitzen. Ein Unikum -waren nach demselben Autor die im Jahre 1898 von einem gewerbsmäßigen -schwarzen Elefantenjäger am Kilimandscharo gewonnenen Zähne eines schon -fast greisenhaften Bullen, die zusammen etwa 225 _kg_ gewogen haben -sollen. Beide Zähne gelangten auf den Elfenbeinmarkt in Sansibar und -wurden nach Amerika verkauft. - -Wie die Stoßzähne sind auch die Backenzähne des afrikanischen Elefanten -gewaltiger als diejenigen des indischen Verwandten, weil dessen Nahrung -viel gröber und härter ist und viel größere Anforderungen an das Gebiß -stellt. Unter ihnen ist der erste aus 3, der zweite aus 6, der dritte -gleich dem vierten aus 7, der fünfte aus 8 und der sechste und letzte -aus 10 Platten zusammengesetzt, die sich von dem die Backenzähne des -indischen Elefanten zusammensetzenden Platten durch ihren auf der -Kaufläche sichtbaren rautenförmigen Querschnitt unterscheiden. Zudem -ist der Körper des afrikanischen Elefanten kräftiger behaart und die -Färbung eine dunklere als bei jenem. Während die Vorderfüße 5 Hufe -tragen, besitzen die Hinterfüße nicht 4 wie beim indischen, sondern -bloß 3 Hufe. - -Der afrikanische Elefant ist stärker und lebendiger als sein indischer -Vetter. Seine Bewegungen sind rascher und beim Erklimmen abschüssiger -Hänge zeigt er sich ebenso geschickt. Er steigt am Kilimandscharo bis -zu 3000 _m_ und im Hochland von Abessinien bis 2400 _m_ empor, ist kein -so ausschließliches Waldtier wie sein indischer Gattungsgenosse, findet -sich im Sudan oft sehr weit vom Walde entfernt auf trockenen, mit -verdorrtem Grase bestandenen Ebenen und erträgt die Hitze viel besser -als jener. Nach C. G. Schillings ist sein eigentlicher Aufenthaltsort -nicht der schattige, kühle Hochwald, sondern vielmehr da, wo er -sich nicht allzusehr verfolgt weiß, und namentlich in der Regenzeit -die Baumsteppe, sonst aber die dichten Bestände von außerordentlich -hohem Gras und schilfbestandene Flußufer. Seine Nahrung besteht nie -aus Gräsern -- nur Prof. Volkens hat in Höhenlagen zwischen 2000 und -3000 _m_ am Kilimandscharo Reste von Schilf in den Elefantenlosungen -gefunden -- sondern ausschließlich aus Baumzweigen, Rinden und Früchten -aller Art. Baumzweige, die er in der Dicke des Handgelenks eines Mannes -abreißt, durchkaut er und speit die holzigen Fasern wieder aus, während -er den nahrhaften weichen Bast hinunterschluckt. In den Mimosenwäldern -entwurzelt er mit Hilfe seiner Stoßzähne die meist nur 5-6 _m_ hohen -Bäume, um deren Rinde und Zweige, auch die Wurzeln, weniger die Blätter -zu fressen. Der vorgenannte Schillings hat beobachtet, daß er mit -Vorliebe mehrere Arten von Sanseverien aufnimmt, deren ausgekaute -Stengel er aber wieder fallen läßt, so daß sie, von der Sonne bald -weiß gebleicht, weithin auf dem Steppenboden sichtbar sind. Da sie -einen erheblichen Wassergehalt besitzen, dienen sie ihm als einen, -wenn auch notdürftigen Ersatz für das dort weithin fehlende Wasser. In -Südost- und Südafrika benutzt er seine Stoßzähne gern zum Ausgraben von -Wurzelknollen und Zwiebeln. Man sieht dort große Strecken des sandigen -Bodens von ihnen gleichsam umgepflügt. - -Der afrikanische Elefant scheint gleicherweise wie sein indischer -Verwandter ein ziemlich starkes Wasserbedürfnis zu haben und trinkt -täglich wenigstens einmal. Im Gegensatz zu jenem schläft er nie -am Boden liegend, sondern stets nur stehend, in schattigen Hainen -verborgen, und zwar während der heißesten Stunden des Tages. Gewöhnlich -lebt er nur in kleinen, aus je einer Familie, und zwar aus jungen -Männchen, Weibchen und Kälbern bestehenden Gesellschaften. Die alten -Männchen leben einzeln, paarweise oder in kleinen Gesellschaften -für sich, scheinen sich aber bei Wanderungen den übrigen Tieren -anzuschließen. Solche Wanderungen, wozu sich gelegentlich Hunderte -von Elefanten in kleinen Trupps zusammenfinden, scheinen vorwiegend -aus Nahrungsmangel, dann auch zur Erlangung einer zu gewissen Zeiten -reifenden Nahrung unternommen zu werden. Während Gesicht und Gehör -verhältnismäßig schlecht entwickelt sind, ist sein Geruch fast noch -besser als bei seinem indischen Verwandten ausgebildet. So kann er -bei günstigem Winde einen Menschen schon aus sehr weiter Entfernung -wahrnehmen und läuft dann erschreckt in größter Eile davon, um -manchmal erst nach etlichen Stunden haltzumachen. Gern stellt sich -der europäische Jäger bei der Elefantentränke auf den Anstand, um -das vorsichtige Wild zu erlegen. Wo sich aber keine Gelegenheit dazu -bietet, schießt er den Elefanten auch gern vom Pferde. Im ganzen ist -aber die Jagd auf den afrikanischen Elefanten nicht bloß schwieriger, -sondern auch gefährlicher als diejenige auf den indischen, da dieses -Tier entschieden wilder und mehr zu einem Angriff geneigt ist als -jener; und zwar scheinen die alten Weibchen gefährlicher als die -Männchen zu sein und nicht selten sogar ungereizt anzugreifen. - -Vor der Einführung der Feuerwaffen wurden die Elefanten in manchen -Teilen Afrikas, besonders im Süden und Südosten, nur selten -angegriffen. Nur gelegentlich taten sich die Eingeborenen zusammen, um -sie vor dem Winde anzugreifen und sie durch Hunderte von Speerwürfen -und den dadurch verursachten Blutverlust allmählich zu Tode zu quälen. -Durch Speerwürfe tötet man auch in Mittelafrika die in Fallgruben, -manchmal zu zweien gefangenen Elefanten. War das 3-4 _m_ hohe Gras -der Steppe während der heißen Jahreszeit so trocken geworden, daß es, -angezündet, lichterloh brannte, umgab man auch gern eine dazu ersehene -kleine Elefantenherde mit einem etliche Kilometer im Durchmesser -haltenden Kreise von Feuer, dessen Inneres sich durch die Ausdehnung -des Feuers allmählich verkleinerte und schließlich die Elefanten, die -von der Angst getrieben bald dahin, bald dorthin zu entfliehen suchten, -sich aber nach allen Seiten vom Feuer umgeben sahen, auf einem kleinen -Fleck vereinigte. Dann stürzten sich die von prasselnden Flammen und -Tausenden wild schreienden Eingeborenen umgebenen, durch gesteigerte -Furcht sinnlos gewordenen Tiere, halberstickt durch den dicken Rauch, -verzweifelt durch das Feuer, an dessen Außenrand sie, verbrannt und -geblendet, unbarmherzig von den Speeren der blutdürstigen Wilden -empfangen wurden. Hundert und mehr der großen Tiere sollen früher -gelegentlich bei einer einzigen solchen Jagd getötet worden sein. Viele -Eingeborenenstämme betrieben die Elefantenjagd auch aus dem Hinterhalte -mit vergifteten Pfeilen. Andere, besonders in Westafrika, flochten aus -armdicken holzigen Schlingpflanzen ein netzartiges Gehege um einen -bestimmten Waldbezirk und jagten die Elefantenherden hinein. Wenn nun -die Tiere unschlüssig vor dem verschlungenen Zaun aus Rankenwerk stehen -blieben, so schleuderten die Neger von den benachbarten Bäumen, auf -denen sie sich postiert hatten, hunderte von Lanzen in den Leib der -stärksten und größten Tiere, bis diese schließlich, vom Blutverlust -geschwächt, zusammenbrachen. Gebräuchlicher war es indessen bei -derartigen Waldjagden, ein solches Zaunwerk in weitem Halbkreise -herzurichten und die zufällig hineingegangenen oder hineingetriebenen -Elefanten möglichst schnell vollständig zu umhegen. Ringsum wurden -dann Wachen aufgestellt und Feuer angezündet, um die der Umzäunung -sich nähernden Tiere zurückzuscheuchen. Obwohl selbst der kleinste -Elefant die lockere und schwache Einhegung ohne weiteres durchbrechen -und den schlecht bewaffneten Eingeborenen entrinnen könnte, wagen die -gefangenen doch nicht zu entfliehen. Sie werden dann von den geduldig -um sie herumlagernden und zuwartenden Jägern zu Tode gehungert, -gespeert und im Zustande äußerster Entkräftung endlich umgebracht. Ihr -Fleisch wird als Leckerbissen gern gegessen und das gewonnene Elfenbein -zu allerlei Schmuck verarbeitet. - -Die Hamram-Araber des Sudan pflegen die Elefanten zu Pferd zu jagen. -Drei oder vier berittene Jäger trennen dabei einen Stoßzahnträger -von seinen Genossen und folgen ihm so lange, bis das ermüdete Tier -sich gegen den Jäger wendet, der sofort davongaloppiert und von dem -dicht hinter ihm herlaufenden Elefanten verfolgt wird. Diesem aber -reiten zwei andere Jäger so schnell sie können nach. Haben sie den -Elefanten erreicht, so ergreift der eine die Zügel des Pferdes seines -Genossen. Der andere springt sofort ab und durchschneidet flink mit -einem einzigen Hiebe seines großen Schwertes die Achillessehne des -Elefanten, wodurch das zum Gehen auf drei Beinen unfähige gewaltige -Tier sofort zum Stehen gebracht und seinen Angreifern überantwortet -wird. In ähnlicher Weise pflegten die Eingeborenen Maschonalands -früher Elefanten zu jagen, nur daß sie zu Fuß waren und anstatt des -Schwerts eine breite Axt gebrauchten. Mit dieser schlichen sie sich -an den schlafenden Elefanten hinan, um eine seiner Achillessehnen -zu durchhauen. Bei andern Eingeborenenstämmen im Stromgebiet des -Sambesi ist es üblich, dem Elefanten von einem über einen seiner am -häufigsten benutzten Pfade hängenden Baumast aus einen mit einem -Holzklotz beschwerten starken Speer in den Rücken zu stoßen. Der damit -getroffene Elefant rast, den schweren Speer im Rücken, davon, stößt -damit an verschiedene Äste und Zweige an, vergrößert dadurch die schon -allein durch das Gewicht des Speeres immer tiefer werdende Wunde und -sinkt, vom Blutverlust erschöpft, schließlich zu Boden, wo ihm die -in angemessener Entfernung insgeheim nachfolgenden Wilden den Garaus -machen, sich an seinem Fleisch, das sie sehr lieben, sättigen und ihn -der auch von ihnen zur Herstellung von allerlei Schmuck geschätzten -Stoßzähne berauben. Anderswo, z. B. in gewissen Gebieten von Äquatoria, -erbeutet man den Elefanten vermittelst eines aufgehängten beschwerten -Fallspeers, der, falls die durch den Tritt des unter dem Speer -hindurchgehenden Elefanten in Tätigkeit gesetzte Fallvorrichtung gut -gerichtet ist, zwischen Schädel und Halswirbelsäule eindringt, den hier -gelegenen Teil des Zentralnervensystems durchschneidet und den wie vom -Blitz getroffenen Elefanten sofort im Todeskampfe zu Boden sinken läßt. - -Während sich die Eingeborenen Afrikas ganz gut auf die Jagd des -Elefanten verstehen, wissen diese zur Zähmung von Tieren überhaupt -ungeschickten Leute den Elefanten weder zu fangen, noch gar -abzurichten. Der Fang der afrikanischen Elefanten kann aber schließlich -nicht viel schwerer sein als der des seit uralten Zeiten als -Arbeitstier gebrauchten indischen, und nach dem Benehmen gefangener -Elefanten, z. B. des großen Jumbo im Londoner Zoologischen Garten, zu -urteilen, sind sie ebenso leicht zähmbar und nicht minder gelehrig -als ihre indischen Vettern. So wissen wir, daß die nordafrikanischen -Kulturvölker des Altertums den einheimischen Elefanten ebenso zähmten -wie die Indier den ihrigen, und daß die Karthager zweifellos solche -afrikanische Elefanten auf ihren Kriegszügen benützten. So dürfen -wir auch annehmen, daß die 37 Kriegselefanten, die der berühmte -karthagische Feldherr Hannibal im zweiten punischen Kriege im -Sommer 218 v. Chr. von Spanien aus über die Pyrenäen und Alpen nach -Norditalien führte, solche Afrikaner waren. - -Früher war das Verbreitungsgebiet des afrikanischen Elefanten ein sehr -viel größeres als heute, da er auf den südlich von der Wüste Sahara -gelegenen Teil von Afrika beschränkt ist und auch hier durch die -unsinnigen Verfolgungen von seiten der Elfenbeinjäger an vielen Orten -ausgerottet wurde. Er kam im Altertum außer in ganz Nordafrika auch -in Westasien und Südeuropa, besonders auf Sizilien und Spanien vor. -Wir wissen aus sicher datierbaren geschichtlichen Urkunden, daß er in -manchen Gebieten Westasiens bis ums Jahr 1000 v. Chr. gejagt wurde. -So melden uns die Königsannalen im Allerheiligsten des Ammontempels -zu Karnak, der einstigen ägyptischen Hauptstadt Theben, daß König -Thutmosis III. (1480-1447), der seine Eroberungszüge bis weit nach -Vorderasien ausdehnte, im Lande Naharina, d. h. Stromland (zwischen -den Oberläufen von Euphrat und Tigris) bei der Stadt Nij am Euphrat -unterhalb von Karkemisch nicht weniger als 120 Elefanten erlegte. Dabei -geriet allerdings der Pharao selbst einmal in Lebensgefahr, indem eines -der Tiere wütend gegen ihn eindrang und ihn wohl zweifellos zerstampft -hätte, wenn nicht der Feldhauptmann Amenemhab seinem Gebieter zu Hilfe -geeilt wäre und dem Angreifer mit dem Schwerte den Rüssel abgehauen -hätte. Später hat auch der mächtige assyrische König Tiglathpileser -I. noch ums Jahr 1120 v. Chr., wie er uns auf Inschriften meldet, in -derselben westlich von Assyrien gelegenen Landschaft der Elefantenjagd -obgelegen. - -Einst gab es auch im Nilland selbst Elefanten, wie wir aus der einen -solchen darstellenden Hieroglyphe ab entnehmen können. Früher wurde -aber dieses Tier durch die immer dichter sich ansiedelnden Menschen aus -dem Niltale verdrängt. Man jagte es damals schon fast ausschließlich -zur Erlangung des Elfenbeins, das seit der vorgeschichtlichen Zeit -als Ausgangsmaterial für allerlei Schmuck und Geräte wie in Asien, so -auch in Afrika eine große Rolle spielte. Um es zu gewinnen, jagte man -erbarmungslos die sonst so gutmütigen und friedlich beisammenlebenden -Tiere, so daß der Elefant weithin ausgerottet wurde. Heute ist er -auch aus ganz Südafrika verschwunden, wo er einst ebenfalls sehr -häufig war. In den weniger besuchten Gegenden von Matebeleland, von -Nordostmaschonaland und in den undurchdringlichen Urwäldern der -Küstenniederungen an der Sofalabucht leben zwar noch einige zerstreute -Elefantenherden; sonst gibt es südwärts vom Sambesi heute keine -Elefanten mehr. An der Westseite von Südafrika mag es vielleicht in dem -dem Kunene und Okawango benachbarten äußersten Nordosten von Owamboland -noch etliche Elefanten geben, aber höchstens Männchen ohne Stoßzähne -oder Weibchen. Die letzte Elefantenherde am Botlebi und am Ngamisee -wurde 1889 von den Betschuanen völlig vernichtet, und die im Anfang der -1890er Jahre noch ziemlich zahlreich zwischen den Flüssen Sambesi und -Chobi lebenden Elefanten mögen gegenwärtig schon alle oder doch der -Hauptsache nach den Angriffen der Barotse erlegen sein. In Ostafrika -sind Elefanten am Kilimandscharo noch ziemlich häufig. Am längsten -mögen sie sich in etlichen Gegenden von Innerafrika halten. Aber wenn -keine wirksamen Gesetze zum Schutze der freilebenden afrikanischen -Elefanten erlassen werden, wird man schließlich nur noch hier und -da einige von Regierungs wegen geschützte Elefantenherden treffen, -wie es heute schon etliche im östlichen Kaplande gibt. Dort ist es -den Behörden dank scharfer Erlasse seit dem Jahre 1830 gelungen, in -den Zitzikamma- und Knysnawäldern einige solche zu erhalten. Die -fortschreitende Inzucht wird dann dafür sorgen, daß dieser ehrwürdige -Riese vielleicht noch vor Ende des begonnenen Jahrhunderts ganz -ausgerottet sein wird. - -Afrika, wo nicht die Weißen mit ihren fürchterlichen -Explosivgeschossen, sondern die Eingeborenen mit ihren gewöhnlichen -Flinten das Hauptvernichtungswerk am Elefanten vollführen und weitaus -das meiste Elfenbein in den Handel bringen, liefert heute noch fast -ausschließlich das von uns außer zu allerlei Zier an Geräten und -Spazierstöcken, zu Knöpfen und Messergriffen, besonders aber zu -Billardkugeln verwendeten rezenten Elfenbeins, nämlich nach einer -für die Jahre 1879/83 aufgestellten Übersicht jährlich von den im -Durchschnitt in den Handel gelangenden 868000 _kg_ nicht weniger -als 848000 _kg_, während Ceylon und Sumatra zusammen nur 2000 _kg_, -Hinterindien 7000 _kg_ und Vorderindien 11000 _kg_ abgab. Nach C. G. -Schillings wurde der Antwerpener Elfenbeinmarkt allein gegen das letzte -Jahrzehnt durchschnittlich mit den Zähnen von gegen 18500 Elefanten -jährlich versorgt, in den Jahren 1888 bis 1902 aber 3212700 _kg_ -Elfenbein dort eingeführt, während das durchschnittliche Zahngewicht -etwa 8,5 _kg_ pro Zahn betrug und das Gesamtquantum fast ausschließlich -vom Kongogebiet stammte. „Im Jahre 1902 aber wurden allein in Antwerpen -322300 _kg_ Elfenbein verkauft!! In ähnlicher Höhe bewegt sich die -Einfuhr an den übrigen hauptsächlichsten Elfenbeinhandelsplätzen der -Welt, und diese Ziffern geben uns ein treues, wenn auch unsäglich -trauriges Bild der Vernichtung des edlen Tieres. Ungeheuer sind die an -einigen Handelsplätzen aufgestapelten Elfenbeinvorräte. Ihre späteren -Eigentümer werden in kürzester Zeit -- wenn erst einmal die von -ihnen sehnlichst erstrebte vollkommene Ausrottung des afrikanischen -Elefanten erreicht ist -- diese Ware rapid im Preise heraufschrauben -und zweifelsohne das heute nicht mehr sehr beliebte Elfenbein wieder -als Modeartikel einzuführen wissen. -- Alle diese Elefanten wurden -hingeschlachtet nur ihres Elfenbeins halber. Es spricht der hoch -entwickelten Technik unserer Zeit Hohn, daß sie nicht vermocht hat, -ein Surrogat zu finden, welches Elfenbein (speziell zu Billardkugeln) -gleichwertig zu ersetzen vermag. Ein glückliches Schicksal hat den -indischen Elefanten vor dieser Vernichtung bewahrt, weil die weiblichen -Tiere des asiatischen Elefanten kein oder nur sehr wenig Elfenbein -tragen, und auch die Bullen nur selten eine starke Stoßzahnentwicklung -zeigen.“ Nachdem die Baumsteppe ihr Elefantenmaterial größtenteils -eingebüßt hat, muß der dichte Wald, der mit seinem für den Menschen -fast undurchdringlichen Unterholz diesem Riesen noch den meisten Schutz -gewährt, zur Erlangung solcher Beute aufgesucht werden. Hier sind die -Urwälder des Kongogebiets noch am besten mit diesem Edelwilde versehen, -so daß die Eisenbahn des Kongogebiets nach statistischen Feststellungen -allein im Betriebsjahre 1907/08 307000 _kg_ und 1908/09 381000 _kg_ -Elfenbein beförderte. Das bedeutet einen Abschuß von 40000 Elefanten! - -Bei den südasiatischen Kulturvölkern, speziell in Indien, spielte -der gezähmte Elefant schon im hohen Altertum eine wichtige Rolle als -Luxustier, das besonders auch zur Kriegsführung verwendet wurde. Die -Griechen lernten ihn unter Alexander dem Großen auf ihrem Zuge nach -Indien im Jahre 327 v. Chr. kennen. So schreibt Diodorus Siculus: „Als -Alexander der Große in Indien eindrang, fand er jenseits des Flusses -Aornos einen indischen Fürsten, der 20000 Soldaten und 15 Elefanten -bei sich hatte. Dieser ward aber von seinen eigenen Leuten ermordet, -sein Kopf zum König gebracht und dieser bekam nun auch die Elefanten, -welche im Lande herumirrten, in seine Gewalt. -- Jenseits des Indus -stellte sich ihm der indische König Poros entgegen, welcher 50000 Mann -Fußvolk, gegen 3000 Berittene, über 1000 Streitwagen und 130 Elefanten -hatte. Wie es zur Schlacht kam, stellte er die Elefanten in vorderster -Reihe auf, einen jeden für sich, vom andern entfernt, und füllte -die Zwischenräume mit schwerbewaffnetem Fußvolk aus. Die Elefanten -zertraten, was sich ihnen entgegensetzte, mit den Füßen samt Waffen -und Knochen; andere hoben die Makedonier mit dem Rüssel hoch empor und -schmetterten sie dann gegen den Erdboden, andere spießten sie mit den -Zähnen auf. Die Makedonier hielten aber tapfer stand, brachten den -Elefanten eine Menge Wunden bei und jagten sie auf ihre eigene Armee -zurück, die dadurch in entsetzliche Verwirrung geriet. Poros ritt -selbst auf einem Elefanten, sammelte deren rasch noch 40, die den Mut -und die Geistesgegenwart nicht verloren hatten und focht tapfer, bis -er, von vielen Wunden bedeckt, samt seinem Elefanten ohnmächtig zu -Boden sank. Alexander erbeutete in dieser Schlacht 80 Elefanten.“ - -Von diesen indischen Elefanten, die damals zum erstenmal in den -Gesichtskreis der Europäer traten, berichtet der Grieche Strabon: -„In Indien ist es keinem Privatmanne erlaubt, ein Pferd oder einen -Elefanten zu halten; denn beides gilt für königliches Vorrecht. Die -Elefantenjagd wird in Indien folgendermaßen betrieben: Man umgibt -einen großen Platz mit einem breiten Graben und läßt nur einen -schmalen Eingang frei. Auf den Platz werden 3-4 zahme Weibchen getan. -Bei Nacht gehen dann auch einzelne wilde Elefanten hinein und hinter -diesen wird das Tor leise zugeschlossen. Nun macht man die wilden -durch Hunger matt, führt dann die stärksten zahmen hinein, um jene zu -bekämpfen. Sind sie nun ganz kraftlos, so schleichen sich die mutigsten -Führer unter den Leib der zahmen Elefanten und fesseln den wilden -die Beine. Sie werden dann in einen Stall gebracht und mit dem Hals -an eine starke Säule gebunden. Allmählich werden sie zahm und lernen -dem Wort, dem Gesang und dem Zimbelschlag gehorchen. Von Natur sind -sie sanft und klug. Es ist schon vorgekommen, daß sie ihre im Kampfe -gefallenen Führer aufgehoben und aus der Schlacht getragen, daß sie -ihre lebenden Führer, die sich unter ihnen verborgen hatten, verteidigt -und gerettet, ja daß sie ihren Führer, den sie im Zorn umgebracht, -tief betrauert haben, so daß einzelne, wie man sagt, in solchem Falle -sich zu Tode hungerten.“ -- „Vom Weibchen wird das Junge 6 Jahre lang -gesäugt. Das Alter dieser Tiere erstreckt sich bis auf 200 Jahre. Ihre -Augenkrankheiten sucht man durch Kuhmilch zu kurieren, ihre meisten -Krankheiten mit rotem Wein, ihre Wunden mit Butter, ihre Geschwüre -mit Schweinefleisch. Onesikritos und andere sagen, die indischen -Elefanten seien größer und stärker als die libyschen. Mit ihrem Rüssel -reißen die Elefanten Brustwehren ein und Bäume aus. Sie lassen sich -abrichten, Steine nach einem Ziele zu werfen, mit Waffen zu fechten; -auch schwimmen sie vortrefflich. -- Der König von Indien hält seine -Jagden in Tiergärten ab, reitet dabei auf einem Elefanten und die -bewaffneten Weiber, welche seine Leibgarde bilden, folgen ihm im Wagen -oder auf Pferden oder auf Elefanten nach. -- Auf jedem Elefanten sitzen -drei Bogenschützen und ein Führer (Kornak), auf jedem Streitwagen zwei -Streiter und ein Wagenlenker.“ - -Auch sonst weiß uns der griechische Geograph Strabon viel von -Elefanten zu berichten, so daß Maurusien (das westliche Algerien -und Marokko) außer Schlangen, Antilopen, Affen, Löwen und Panthern -auch viel Elefanten habe und das maurusische Fußvolk Schilde von -Elefantenhaut trage. In Arabien wohnten in der Nähe der Stadt Saba -die „Elefantenesser.“ „Sie lauern den Elefanten auf und hauen ihnen -die Sehnen durch. Auch schießen sie die Tiere mit Pfeilen, die in -Schlangengalle getaucht sind. Der Bogen wird von zwei Männern gehalten -und der dritte schießt den Pfeil ab. Andere machen Einschnitte in -die Bäume, an welche sich die Elefanten anzulehnen pflegen, wenn sie -ausruhen. Kommt nun das Tier und lehnt sich an, so fällt es um, kann -aber nicht aufstehen, weil die Beine nur einen Knochen ohne Gelenk -haben“. Daß solche Fabeln damals noch von den gebildeten Griechen -geglaubt wurden, beweist, daß diese noch wenig Elefanten gesehen hatten -und dieses Tier mehr vom Hörensagen kannten. - -Nach der Rückkehr der Makedonier vom Feldzuge nach Indien unter ihrem -Könige Alexander erzählten sie den Griechen von ihren Erlebnissen -daselbst und von den großen Elefanten jenes Landes. So erfuhr auch -Aristoteles von ihnen und beschreibt sie in seiner Naturgeschichte -ziemlich getreu. Er sagt, daß sie mit dem Munde, ohne Beihilfe -der Nase, stöhnende Töne, mit dem Rüssel aber trompetenartige -hervorbringen, daß das Elefantenweibchen im 12. Jahre das erste Junge -bekomme, das bei der Geburt die Größe eines 2-3 Monate alten Kalbes -habe, gleich sehen und gehen könne und mit dem Munde, nicht mit dem -Rüssel, an seiner Mutter sauge. „Unter allen wilden Tieren ist der -Elefant der zahmste und sanftmütigste. Er lernt auch vielerlei, -namentlich, daß er vor Königen die Kniee beugt. Man glaubt, daß er 100 -oder 200 Jahre alt wird. Winter und Kälte kann er nicht gut vertragen. -Er lebt in der Nähe der Flüsse, jedoch nicht im Wasser, aber er watet -durch Flüsse, wenn er nur seinen Rüssel über das Wasser emporstrecken -kann; denn mit dem Rüssel atmet er.“ - -„Die Elefanten kämpfen wütend miteinander und stoßen sich mit den -Zähnen. Der Besiegte wird völlig unterjocht und fürchtet sich dann -sehr vor der bloßen Stimme des Siegers. An Mut sind die Elefanten sehr -verschieden. Die Inder brauchen die Männchen und Weibchen zum Kriege, -obgleich die letzteren kleiner und weniger mutig sind. Mit den Zähnen -kann der Elefant Mauern einstoßen. Palmen biegt er mit der Stirne -nieder und tritt sie dann vollends zu Boden. Bei der Elefantenjagd -besteigt man gezähmte, die recht mutig sind, verfolgt die wilden und, -wenn man sie erreicht, läßt man sie von den zahmen so lange schlagen, -bis sie entkräftet sind. Dann springt ein Jäger auf sie und lenkt sie -mit dem Stachel. Sie werden bald zahm und gehorsam. Solange man auf -ihnen sitzt, sind sie allemal ruhig; manche aber werden wild, sobald -man abgestiegen ist. Solchen bindet man die Vorderfüße mit Stricken, -damit sie sie nicht viel rühren können.“ - -Die ersten gezähmten indischen Elefanten brachte Alexander der Große -von seinem indischen Feldzuge mit nach Vorderasien und von da an -spielten sie in den Kriegen seiner Nachfolger, der Diadochen, eine -gewisse Rolle. So berichtet Curtius: „Nach dem Tode Alexanders des -Großen wurde das makedonische Fußvolk von Meleager, die Reiterei nebst -den Elefanten von Perdikkas kommandiert. Der letztere warf etwa 300 -Anhänger des Meleager im Angesicht des ganzen Heeres den Elefanten vor -und ließ sie sämtlich von den Tieren zertreten. Dies war der Anfang -der dann folgenden makedonischen Bürgerkriege.“ Und Diodorus Siculus -meldet: „Als sich nach Alexanders Tode dessen Feldherrn befehdeten, -hatte sich Demetrios bei Alt-Gaza in Syrien gelagert; Ptolemäos und -Seleukos boten ihm daselbst eine Schlacht an. Demetrios stellte vor -seinem Heere 34 Elefanten auf. Seine Gegner stellten diesen aber Pfähle -entgegen, die mit eisernen Spitzen versehen und mit Ketten verbunden -waren. Lange war der Kampf unentschieden. Da bekamen die Elefanten des -Demetrios das Zeichen zum Angriff, schritten kühn gegen den Feind, -konnten aber nicht weiter, als sie an die Pfähle kamen. Ihre indischen -Führer wurden alsbald von Schützen, die hinter den Pfählen standen, -erschossen, die Elefanten selbst gerieten in die Hand der Feinde und -das Heer des Demetrios mußte das Schlachtfeld räumen.“ Derselbe Autor -erzählt dann später, daß diese Elefanten unter ihrem neuen Herrn und -unter der Leitung frisch von Indien bezogenen Kornaks an verschiedenen -späteren Schlachten teilnahmen. „Auch der Feldherr Polysperchon -verwandte einen Teil derselben bei der Belagerung von Megalopolis in -Arkadien. Da er dabei mit seiner Mannschaft nicht gleich zum Ziele -gelangte, so beschloß er, den Eingang in die Stadt durch Elefanten zu -erzwingen. Damis, der Kommandant der Stadt, erfuhr den Plan und traf -heimlich Gegenanstalten. Er sammelte eine Menge Türen, ließ lange, -spitzige Nägel durch sie hindurchschlagen, dann mit diesen Türen den -Eingang zur Stadt pflastern und die Nägel leicht mit Erde zudecken. Zu -beiden Seiten dieses Stachelwegs stellte er Schützen und Geschütze auf. -Als nun die Elefanten kamen, traten sie in die Nägel und wußten sich -nicht zu helfen, wurden samt ihren indischen Führern auch von zahllosen -Pfeilen getroffen, so daß sie teils zusammenbrachen, teils gegen ihre -eigenen Leute rückwärts rannten.“ - -Von diesen indischen Elefanten, die begreiflicherweise überall, -wohin sie kamen, großes Aufsehen erregten, wissen auch andere -Geschichtschreiber allerlei Denkwürdiges zu erzählen. So berichtet -Älian: „Als Antigonos Megara belagerte, befand sich in seinem Heere ein -Elefantenweibchen namens Nikaia, dem die Frau des Wärters ihr Kind, -als es 30 Tage alt war, zu Schutz und Wartung übergab. Nikaia gewann -das Kind so lieb, daß sie sich immer freute, wenn das Kind anwesend -war, daß sie die Fliegen von ihm abwehrte, was mit einem belaubten -Zweige geschah, den sie in den Rüssel nahm, daß sie keine Nahrung zu -sich nahm, solange sie das Kind nicht bei sich hatte. Sie bewegte auch -dessen Wiege, wenn es schrie, wie eine Wärterin.“ Derselbe Autor sagt, -daß die Elefanten der Insel Taprobane (Ceylon) größer und stärker als -die des Festlandes seien, auch für klüger gelten. „Man bringt auch -welche zu Schiff und schafft sie außer Landes. Will man zahme Elefanten -auf ein Schiff bringen, so täuscht man sie dadurch, daß man es mit -frischen Zweigen und anderem Grün schmückt und belegt; sie denken dann, -da sei frischer Boden, und gehen darauf. -- Das eigentliche Getränk der -Elefanten ist Wasser, die für den Krieg bestimmten bekommen aber auch -Wein zu trinken, der aus Reis und Zuckerrohr (Arrak) bereitet wird. Das -Tier hat auch seine Freude an wohlriechenden Blumen, wird auf Wiesen -getrieben, sammelt die besten und wirft sie in einen Korb, den der -Wärter hinhält. Hat es sich dann gebadet, so verlangt es, wenn es aus -dem Wasser kommt, zuerst nach seinen Blumen, und bringt man sie nicht, -so schreit und fastet es, bis sie doch kommen. Auch seine Krippe und -seinen Ruheplatz bestreut es gern mit Blumen.“ Nur vor dem Schweine -fürchte es sich: „Als die Stadt Megara von Antipater hart bedrängt -wurde, beschmierten die Bewohner der Stadt Schweine mit Pech, setzten -sie in Brand und trieben sie gegen die Feinde. Sie schrien entsetzlich -und jagten wie rasend auf die Elefanten los. Diese wurden durch diesen -unerwarteten Angriff wie verrückt, und so entstand eine entsetzliche -Verwirrung.“ In Indien begleite der Elefant überall den König und -bewache ihn: „Geht der indische König aus, um Recht zu sprechen, so -wirft sich der erste Elefant anbetend vor ihm nieder und macht dann -kriegerische Bewegungen, um zu zeigen, daß er sich auch darauf gut -versteht. Übrigens halten 24 Elefanten beim Könige Wache und werden -regelmäßig abgelöst. Sie sind im Wachen zuverlässiger als Menschen.“ - -Der griechische Geschichtschreiber und Geograph Pausanias sagt in -seiner zwischen 160 und 180 n. Chr. geschriebenen Periegesis: „Wie -Alexander der erste Europäer war, der Elefanten besaß -- er hatte -sie dem König Poros abgenommen --, so war Pyrrhos der erste Grieche, -welcher gegen die Römer über das Meer zog. Seine Elefanten hatte er im -Kampfe gegen den Demetrios (einen der Feldherrn Alexanders) gewonnen.“ -Dieser König von Epirus, der, 301 von den Epiroten vertrieben, mit -Hilfe des Königs Ptolemäos von Ägypten seine Herrschaft wieder erlangt -hatte, war damals von den Tarentinern, also ebenfalls Griechen, gegen -die Römer zu Hilfe gerufen worden, schlug diese auch 280 bei Herakleia -und 279 bei Asculum in Apulien, erlitt aber dabei selbst große -Verluste, so daß seither der Ausdruck Pyrrhossieg sprichwörtlich wurde. -Damals sahen die Römer zum erstenmal diese berühmten Kriegshelfer -der Griechen, über die sie sehr erstaunten. Der ältere Plinius sagt -hierüber in seiner Naturgeschichte: „Die ersten Elefanten sah Italien -im Kriege gegen den Pyrrhus und nannte sie lukanische Ochsen, weil -man sie zuerst im Lukanerlande erblickte. Sieben Jahre später sah man -schon welche zu Rom bei einem Triumphe, und im Jahre 502 nach Roms -Erbauung (251 v. Chr.) sah man hier schon eine ganze Menge, die Lucius -Metellus in Sizilien den Karthagern abgenommen hatte. 142, oder nach -andern 140, wurden auf Flößen übergeschifft, welche man auf Reihen von -Fässern gelegt hatte. Verrius berichtet, sie hätten in der Rennbahn ein -Kampfspiel geben müssen und wären mit Spießen erstochen worden, weil -man sie weder füttern noch verschenken wollte. Lucius Piso dagegen -sagt, sie wären bloß in der Rennbahn von gedungenen Leuten mit stumpfen -Spießen herumgejagt worden, um den Römern die Furcht vor ihnen zu -benehmen; was aber dann aus ihnen geworden ist, erwähnt er nicht.“ - -Von diesen indischen Elefanten der Pyrrhos weiß sein Biograph Plutarch -mancherlei zu erzählen: „Als Pyrrhos bei den Städten Pandosia und -Herakleia, am Flusse Siris, dem römischen Heere eine Schlacht lieferte, -brachte er durch seine Elefanten die Feinde in Unordnung und errang den -Sieg. -- Um ihre Gefangenen für Geld auszulösen, schickten dann die -Römer eine Gesandtschaft an Pyrrhos. Den Gajus Fabricius, einen der -Gesandten, den man ihm sehr rühmte, nahm er freundlich auf, beschloß -aber, seinen Mut auf eine harte Probe zu stellen. Er lud ihn zur -Audienz, ließ aber vorher seinen größten Elefanten in voller Rüstung -hinter einem Vorhange verbergen. Wie sich nun Fabricius nichts Böses -versah, fiel plötzlich der Vorhang, der Elefant trat mit entsetzlichem -Brüllen vor, hob drohend seinen Rüssel über den Fabricius; aber dieser -wandte sich ganz gelassen um und sagte lächelnd zu Pyrrhos: „Vor diesem -Elefanten fürchte ich mich nicht.“ -- In der Schlacht bei Asculum -mußten die Römer ebenfalls der Gewalt der Elefanten weichen. Auch -bei Beneventum wurden die Römer von den Elefanten der Pyrrhos hart -mitgenommen, trieben sie aber doch endlich mit Pfeilen und Wurfspießen -zurück, errangen einen ruhmvollen Sieg und Pyrrhos mußte Italien -verlassen. -- Späterhin unternahm Pyrrhos einen Kriegszug gegen Argos. -Er drang heimlich bei Nacht in die Stadt, deren Tor ihm Aristeas -öffnete, und besetzte den Marktplatz. Im Tore hatte er, weil es nicht -hoch genug war, seinen Elefanten die Türme müssen abnehmen lassen, -wobei es ohne Lärm und Zeitverlust nicht abging, so daß die Besatzung -der Stadt eilig die festesten Plätze besetzte. Daraufhin kam es in den -Straßen zu einem mörderischen Kampfe. Pyrrhos mußte weichen, seine -Leute gerieten am Tor furchtbar ins Gedränge und in Verwirrung. Gerade -im Tor lag der größte von Pyrrhos’ Elefanten, schrie entsetzlich und -versperrte den Rückweg. Währenddem suchte ein anderer Elefant, welcher -Nikon hieß, seinen Führer, welcher schwer verwundet heruntergefallen -war. Das Tier rannte wie unsinnig umher und warf Freund und Feind über -den Haufen. Endlich fand er den Führer, hob ihn mit dem Rüssel und den -Zähnen empor, stürzte sich mitten unter die Leute des Pyrrhos, so daß -sich diese in der engen Straße zu einer dichten, ganz unbehilflichen -Masse zusammendrängten, in der jeder von seinen Nachbarn gestoßen, -niedergeworfen und verwundet wurde, während auch die Feinde von allen -Seiten schossen und warfen. Endlich wollte Pyrrhos der Verwirrung ein -Ende machen, stürzte hoch zu Roß mitten unter die Feinde; aber ein -armes, altes Weib, das auf dem Dache stand, warf ihm einen Ziegelstein -aufs Genick, worauf er ohnmächtig niedersank. Die Feinde packten ihn -und hieben ihm den Kopf ab.“ Es war dies im Jahre 272 v. Chr. - -Was in der Folge aus den indischen Elefanten Alexanders des Großen -geworden ist, wissen wir nicht. Aber jetzt traten auch die größten -Nebenbuhler Roms in der Herrschaft über das Mittelmeer, die Karthager, -auf, und auch diese kämpften mit Vorliebe mit Elefanten, die sie -aber jedenfalls nicht aus Indien bezogen, sondern aus einheimischem -Materiale gezähmt hatten. In allen größeren Schlachten, die sie in der -Folge den Römern lieferten, traten sie in Aktion und ein Teil derselben -machte, wie früher erwähnt, Hannibals berühmten Zug von Spanien nach -Norditalien über die Pyrenäen und die Alpen mit; dabei kamen aber alle -teils unterwegs, teils in den Schlachten in Oberitalien um. Von einem -dieser afrikanischen Kriegselefanten der Karthager teilt uns Plinius -folgende Episode mit: „Berühmt ist der Kampf eines Römers gegen einen -Elefanten, als Hannibal die römischen Gefangenen gegeneinander zu -fechten zwang. Den einzigen, welcher dabei mit dem Leben davonkam, -warf er einem Elefanten vor, versprach ihm aber die Freiheit, wenn -er siegen würde. Der Römer schlug sich allein auf dem Schauplatz mit -dem Elefanten und machte ihn zum großen Ärger der Karthager glücklich -nieder. Hannibal ließ nun zwar den Sieger frei, schickte ihm aber -Reiter nach, die ihn niederhauen sollten, damit er nicht durch die -Erzählung seiner Tat die Elefanten (bei seinen Landsleuten) verächtlich -machen könne.“ - -Von diesen afrikanischen Kriegselefanten der Karthager berichtet uns -der römische Geschichtschreiber Livius: „Als Hannibal (im Sommer -218) durch Gallien nach Italien zog, brachte er seine Elefanten -folgendermaßen über die Rhone: Er baute eine Fähre von 100 Fuß -Länge und 50 Fuß Breite, ließ sie mit Erde bedecken; so gingen die -Elefanten, als wären sie auf festem Boden, darauf. Die Fähre wurde -dann von Ruderschiffen aufs jenseitige Ufer gezogen. Sowie die Fähre -auf dem Wasser zu schwanken begann, wurden die Elefanten unruhig, die -meisten drängten sich in der Mitte zusammen, einige wurden aber wild, -stürzten sich ins Wasser und warfen dabei ihre Führer ab, gelangten -aber doch auch ans jenseitige Ufer.“ -- „Hasdrubal, der Bruder des -Hannibal, war diesem (im Jahre 207) zu Hilfe über die Alpen gezogen -und lieferte den römischen Konsuln Claudius und Livius eine Schlacht. -Seine Elefanten brachten anfangs die Römer in Unordnung; als aber der -Kampf und Lärm zunahm, verloren sie die Geistesgegenwart, rannten -zwischen beiden Heeren hin und her und wurden meist, damit sie ihrer -eigenen Armee nicht schaden könnten, von ihren Führern getötet. Diese -hatten nämlich einen scharfen Stahlmeißel, den sie dem Tiere, wenn es -gefährlich wurde, mit einem Hammerschlag zwischen den Kopf und den -vordersten Halswirbel trieben, worauf es augenblicklich niedersank.“ -Es war dies in der Schlacht am Metaurus, wo Hasdrubal Sieg und Leben -verlor. -- „Bei Zama (südwestlich von Karthago, wo Hannibal im Jahre -202 von Scipio, der davon den Ehrenbeinamen Africanus erhielt) besiegt -wurde, hatte Hannibal vor seinem Heere 80 Elefanten aufgestellt; -so viele hatte er früher in keiner Schlacht gehabt. Als aber die -Schlacht begann und die römischen Trompeten und Signalhörner ihnen -entgegenschmetterten, wandten sich die Elefanten größtenteils gegen ihr -eigenes Heer, und auch die wenigen, welche grimmig unter den Römern zu -hausen begannen, wurden endlich zurückgetrieben.“ - -Erst Mithridates VI., der Große, König von Pontos, der 120 seinem Vater -folgte und im Jahre 88 ganz Kleinasien eroberte, wo er alle Römer, -80000 an der Zahl, ermorden ließ, dann in drei langen Kriegen mit -zäher Ausdauer gegen das immer mächtiger werdende Rom ankämpfte, um -schließlich doch zu unterliegen, hat wieder Elefanten, die er sich aus -Indien kommen ließ, gegen die Römer geführt. In der Folge kamen nicht -selten diese Tiere, teilweise als Kriegsbeute, nach der Stadt Rom, wo -sie zur Belustigung des Volkes im Zirkus auftreten und gegen allerlei -Gegner kämpfen mußten. Im Bürgerkriege zwischen Julius Cäsar und seinen -Mitbewerbern spielten sie dann ebenfalls eine Rolle. So schreibt Cäsar -selbst in seiner Schilderung des Krieges in der Provinz Afrika, dem -heutigen Tunis, daß, als er nach Besiegung des Pompejus bei Pharsalos -im Jahre 48 den Krieg in Afrika gegen die Pompejaner unter Scipio -fortsetzte, dieser bei seinem Heere außer seinen eignen (etwa 60) 30 -zweifellos afrikanische Elefanten hatte, die ihm König Juba nebst -einer größeren Truppenmacht zur Verfügung gestellt hatte. Jeder dieser -Elefanten habe, wenn es zum Kampfe ging, einen Turm getragen. Diese -Elefanten seien aber noch nicht eingeübt gewesen; deshalb suchte Scipio -sie noch besser einzuüben, indem er sie in Schlachtreihe aufstellen und -von seinen eigenen Leuten mit Steinen bombardieren ließ. Nahmen sie -daraufhin Reißaus, so standen hinter ihnen ebenfalls Leute, die sie -mit noch größeren Steinen traktierten. Er bemerkt, daß dieser Versuch -zur Abrichtung keinen großen Wert gehabt habe, indem sie sich in der -Schlacht dann doch nicht bewährten. Überhaupt bedürfe der Elefant für -den Krieg einer Dressur von vielen Jahren und bleibe auch dann noch -seiner Armee gefährlich. Als dann Cäsar merkte, daß sich seine Leute -vor den Elefanten fürchteten, ließ er sogleich Elefanten aus Italien -kommen, „damit sich die Leute und Pferde an solche große Bestien -gewöhnen könnten. Er ließ diesen auch ihre volle Rüstung anlegen, -zeigte die Stellen, wo ihnen mit Waffen beizukommen war, und ließ mit -Speeren, an deren Spitze ein Ball steckte, nach ihnen werfen. -- In der -Entscheidungsschlacht bei Thapsus (46 v. Chr.) wurden Scipios Elefanten -durch Pfeile und geschleuderte Steine schnell zum Weichen gebracht, -stürzten sich auf ihre eigenen Leute, traten sie nieder und flüchteten -ins Lager. Bei dieser Gelegenheit zeigte ein Veteran der fünften Legion -großartigen Mut. Ein verwundeter Elefant hatte in seiner Wut einen -waffenlosen Markedenter angefallen, niedergeworfen, zertreten und -machte dabei mit drohend gehobenem Rüssel ein gellendes Geschrei. Der -Veteran wollte dem unglückseligen Markedenter zu Hilfe eilen; aber der -Elefant ließ von der Leiche ab, packte den neuen Feind mit dem Rüssel -und hob ihn hoch in die Luft. Dieser hieb und schnitt aber mit seinem -Schwerte so kräftig auf den Rüssel los, daß ihn der Elefant, der den -Schmerz nicht ertragen konnte, fallen ließ und die Flucht ergriff. -- -Die Zahl der Elefanten, die Cäsar bei Thapsus erbeutete, betrug 86.“ - -In seiner Naturgeschichte berichtet Plinius: „Schon in den Gefechten -gegen Pyrrhos brachte man in Erfahrung, daß man den Rüssel der -Elefanten leicht abhauen kann. Fenestella erzählt, daß die ersten -Elefanten in der Rennbahn zu Rom im Jahre 655 der Stadt (98 v. Chr.), -als Claudius Pulcher Ädil war, gekämpft haben; 20 Jahre später, als -Lucius und Marcus Lucullus Ädilen waren, kämpften sie gegen Stiere. -Während des zweiten Konsulats des Pompejus (55 v. Chr.) kämpften 20 -Elefanten zur Einweihung des Venustempels gegen Gätuler (Nomadenvolk in -Nordafrika), die mit Wurfspeeren bewaffnet waren. Einer der Elefanten -zeichnete sich dabei vorzüglich durch Tapferkeit aus: seine Beine waren -durchbohrt, da kroch er auf den Knien gegen die feindlichen Massen, -riß ihnen die Schilde weg und warf sie hoch in die Luft. Ein anderer -dagegen wurde durch einen einzigen Wurf getötet, indem der Speer -durchs Auge ins Gehirn drang. Obgleich der Platz mit eisernen Gittern -umgeben war, so versetzten sie doch das Volk in große Angst, indem sie -mit Macht durchzubrechen versuchten. Deshalb umgab auch späterhin der -Diktator Cäsar, als er ein ähnliches Schauspiel geben wollte, den Platz -mit Wassergräben. Die erwähnten Elefanten des Pompejus verloren endlich -die Hoffnung, entrinnen zu können, und suchten nun in einer Stellung, -die sich nicht begreifen läßt, jammernd und weinend das Mitleid des -Volkes zu erregen. Das Volk wurde durch den Ausdruck ihrer Verzweiflung -so gerührt, daß alle einmütig sich jammernd erhoben und, ohne darauf -zu achten, daß Pompejus ihnen zu Ehren das prachtvolle Schauspiel -gegeben hatte, ihn mit Verwünschungen überhäuften, deren Folgen auch -bald genug eintraten. (Es ist dies eine Anspielung auf seine Niederlage -in Pharsalos am 9. August 48 und seine Ermordung am 29. September -desselben Jahres in Ägypten.) - -Späterhin ließ der Diktator Cäsar 20 Elefanten gegen 500 Fußgänger -kämpfen, und ein anderes Mal ebensoviel, auf denen Türme standen, aus -denen zusammen 60 Kämpfer gegen 500 Fußgänger und ebensoviel Reiter -fochten. Unter den Kaisern Claudius und Nero mußten die Fechter ihr -Meisterstück zeigen, indem sie einzeln gegen Elefanten kämpften. -Dieses mutige Tier ist andererseits aber auch sehr gutmütig gegen -schwächere und schiebt, z. B. in einer Viehherde, was ihm begegnet, mit -dem Rüssel zur Seite, um es nicht unversehens zu zertreten. Schaden -tut der Elefant nur, wenn er gereizt wird. In der Wildnis gehen sie -herdenweise, nie gern allein. Werden sie von Reitern umringt, so nehmen -sie die Schwachen, Matten oder Verwundeten in die Mitte und fechten, -als ob es nach bestimmten Kriegsregeln geschähe. Sind sie gefangen, so -werden sie durch Gerstensaft leicht gezähmt. - -In Indien werden die Elefanten gefangen, indem man auf einem -gezähmten ausreitet und von diesem einen einzelnen oder von der Herde -weggetriebenen wilden schlagen läßt; ist dieser davon ermattet, so -steigt man auf ihn und lenkt ihn ebenso wie den zahmen. In Afrika -fängt man sie in Gruben; doch wenn einer hineinfällt, so kommen gleich -die andern zu Hilfe, werfen Äste und Erdmassen hinein und suchen ihn, -wenn möglich, herauszuziehen. Früherhin fing man sie, um sie als -Haustiere zu benutzen, indem man die Herden in eigens dazu bereitete -Schluchten ohne Ausgang trieb und sie dort durch Hunger bändigte. -Nahmen sie einen hingehaltenen Zweig an, so war das ein Zeichen -ihrer Unterwürfigkeit. Jetzt erlegt man sie der Zähne wegen und zielt -nach ihren Füßen, weil diese leicht verwundbar sind. Die Troglodyten -(Höhlenbewohner), welche neben den Negern wohnen, leben nur von dieser -Jagd. Sie besteigen am Wege der Elefanten stehende Bäume, passen dem -letzten von der Herde auf, fassen mit der Linken den Schwanz, schlingen -die Beine um den linken Schenkel und, indem sie so hängen, zerhauen -sie dem Tiere die eine Kniekehle mit einem scharfen Beile, springen -herab und zerhauen ihm mit der größten Geschwindigkeit auch noch die -andere. Manche bedienen sich eines weniger gefährlichen, aber nicht so -gewissen Mittels: In einiger Entfernung halten kraftvolle Jünglinge -einen ungeheuren Bogen, andere spannen ihn mit großer Anstrengung an, -schießen dann damit ihre Speere auf die vorübergehenden ab und folgen -dann der blutigen Spur. Die weiblichen Elefanten sind viel feiger -als die männlichen. Manchmal werden sie rasend, und man bändigt sie -dann durch Hunger und Prügel, wobei man sie durch andere Elefanten -fesseln läßt. In Indien hält man ganze Herden davon, wie bei uns die -Kuhherden. Gezähmte Elefanten werden zum Kriege verwendet, tragen -mit Soldaten besetzte Türme und entscheiden im Morgenlande meistens -die Schlachten. Sie werfen Schlachtreihen nieder und zerstampfen die -Bewaffneten. Sind sie verwundet oder in Furcht versetzt, so weichen -sie immer zurück und fügen ihrer eigenen Partei oft ebensoviel -Schaden zu als dem Feinde. Das geringste Grunzen oder Quieksen eines -Schweins kann sie erschrecken. Die afrikanischen Elefanten fürchten -sich vor den indischen, letztere sind auch größer.“ Dies mag für die -nordafrikanischen richtig sein, nicht aber für die südlich der Sahara -lebenden. Tatsächlich war die Elefantenrasse der Mittelmeerländer -kleiner als selbst die indischen Elefanten sind, und gab es einst -auf den Inseln des Mittelmeers, z. B. auf Malta, eine eigentliche -Zwergrasse, von der mehrfach Skelettknochen ausgegraben wurden. - -Unzählige falsche und wahre Angaben durcheinander erzählt Plinius in -seiner Naturgeschichte über den Elefanten. So sagt er, daß er 200-300 -Jahre leben könne, im 60. Jahre aber am kräftigsten sei; daß die -Elefanten gern an Flüssen leben, obschon sie nicht schwimmen können; -daß sie am liebsten Baumfrüchte, besonders solche von Palmen, aber auch -Erde und selbst Steine fräßen. „Sie kauen mit dem Munde, atmen, trinken -und riechen aber mit dem Rüssel. Kein Tier scheuen sie so sehr als die -Maus, lassen auch das Futter liegen, das von einer solchen berührt -wurde. Große Not haben sie, wenn ihnen beim Saufen ein Blutegel in den -Rüssel kommt; dieser saugt sich hier fest und bewirkt unerträgliche -Schmerzen. Am Rücken ist ihre Haut am härtesten, am Bauche dagegen -weich. Sie haben keine Haarbedeckung und können nicht einmal mit dem -Schwanze die Fliegen abwehren, von denen sie trotz ihrer gewaltigen -Größe geplagt werden. Ihr Geruch zieht die Fliegen an. Ihre Haut hat -tiefe Runzeln; die Fliegen setzen sich in die Vertiefungen. Aber -plötzlich zieht sich die Haut zusammen und erdrückt die lästigen Gäste. -Das Elfenbein hat einen großen Wert und wird besonders für Bildsäulen -der Götter gesucht. Auch der Rüssel gewährt Leckermäulern eine -angenehme Speise, vielleicht nur deswegen, weil sie sich einbilden, -Elfenbein zu schmausen. Polybius berichtet, auf die Aussage des Königs -Gulussa gestützt, daß man im äußersten Afrika die Elefantenzähne in -Wohnungen als Pfosten benutzt und sie bei Umzäumungen statt der Pfähle -einsetzt.“ - -In Indien seien die größten Elefanten, die mit ungeheuer großen -Drachen in Feindschaft leben. Ihr kaltes Blut locke bei der Hitze die -Drachen an, die sich im Wasser des Flusses, an welchem der Elefant -zur Tränke komme, verbergen und ihm auflauern. Sobald er zu trinken -beginne, stürzen sie sich auf ihn, umschlingen seinen Rüssel und -beißen ihn ins Ohr, weil dieser Teil allein mit dem Rüssel nicht -verteidigt werden kann. Die Drachen sind so groß, daß sie den ganzen -Elefanten aussaugen können; dieser stürzt dann, alles Blutes beraubt, -zu Boden und erdrückt im Fallen den betrunkenen Feind. „Der Elefant -ist das größte und an Klugheit dem Menschen zunächststehende Tier. Er -versteht die Landessprache, gehorcht den Befehlen, ist seiner Pflichten -eingedenk, sucht sich Liebe und Ruhm zu erwerben, ja, was selbst bei -Menschen selten vorkommt, er ist brav, vorsichtig, gerecht und verehrt -die Sterne, die Sonne und den Mond. Man erzählt, daß in Mauretanien -(Marokko) ganze Herden von Elefanten beim Erscheinen des Neumonds in -den Fluß hinabsteigen, sich dort feierlich reinigen, den Mond begrüßen -und dann wieder in die Wälder zurückkehren, indem sie die ermatteten -Jungen vor sich hertragen. Auch die religiösen Gebräuche der Menschen -scheinen sie zu kennen; denn sie besteigen kein Schiff, bis ihnen der -Kapitän durch einen Eid die Rückkehr zugesichert hat. Man hat kranke -Elefanten gesehen, die sich auf den Rücken legten und Gras gen Himmel -warfen, als ob sie ihr Gebet durch die Fürsprache der Erde unterstützen -wollten. Sie lernen übrigens ihre Knie vor Königen beugen und Kränze -darreichen. In Indien braucht man die Kleinen zum Ackern. In Rom wurden -sie zum erstenmal vor den Wagen gespannt, als Pompejus der Große über -Afrika triumphierte. Bei den Fechterspielen des Germanicus machten -sie einige tölpelhafte Bewegungen, als ob sie tanzten. Sie lernten -nun häufig Waffen in die Luft werfen, gleich Fechtern miteinander -kämpfen, Tänze ausführen und endlich sogar auf Seilen gehen, wobei -oft vier einen fünften in der Sänfte trugen. Auch sah man sie sich -in Speisesälen, die voller Gäste waren, zu Tische legen, ohne einen -Menschen zu berühren. - -Es ist eine ausgemachte Sache, daß ein Elefant, der die Sache nicht -recht begreifen konnte und öfters Prügel bekam, des Nachts seine -Künste eingeübt hat. Es ist schon bewundernswert, daß die Elefanten -aufwärts auf Seilen gehen lernen, aber daß sie auch abwärts gehen, -ist noch merkwürdiger. Mutianus, der dreimal Konsul war, erzählt, daß -ein solcher sogar griechische Buchstaben gelernt und folgende Worte -geschrieben habe: ‚Ich selbst habe dies geschrieben und erbeutete -keltische Waffen geweiht‘; auch habe er selbst gesehen, daß diejenigen, -welche zu Puteoli ausgeschifft wurden, rückwärts ans Land gingen, um -sich über die Länge der Brücke zu täuschen, die vom Lande zum Schiffe -führte und der sie nicht recht trauten. - -Sie wissen recht gut, daß man ihnen der Stoßzähne wegen nachstellt, -daher vergraben sie die, welche durch Zufall oder im Alter ausfallen. -(Die Tatsache, daß bisweilen fossile Elefantenstoßzähne im Boden -gefunden werden, wird Plinius zu dieser Annahme geführt haben.) Jene -Zähne allein geben das Elfenbein; aber soweit sie im Fleische verborgen -stecken, sind sie nicht besser als Knochen (d. h. innen hohl und nicht -massiv wie vorn). Um ihre Stoßzähne sind sie sehr besorgt; die Spitze -des einen schonen sie, um ihn als Waffe benutzen zu können, den andern -brauchen sie, um Wurzeln aus dem Boden zu wühlen, Mauern einzustoßen -und dergleichen mehr. Werden sie von Jägern umringt, so stellen sie -diejenigen in die erste Schlachtreihe, welche die kleinsten Zähne -haben, damit man glauben soll, die Beute sei nicht der Mühe wert; -ermatten sie im Kampfe, so zerstoßen sie die Zähne an Bäumen und lassen -sie gleichsam als Lösegeld zurück. - -Es ist wunderbar, daß die meisten Tiere wissen, weshalb man ihnen -nachstellt und wovor sie sich zu hüten haben. Begegnet ein Elefant in -der Einsamkeit einem harmlos herumwandelnden Menschen, so soll er ihm -freundlich und gefällig den Weg zeigen; bemerkt er aber den Fußtritt -eines Menschen eher als den Menschen selbst, so bleibt er stehen, -wittert, blickt umher, schnaubt vor Wut, zertritt aber die Fußspur -nicht, sondern hebt sie aus, gibt sie dem nächsten, dieser wieder -dem nächsten usw., worauf die Herde eine Schwenkung vollführt und in -Schlachtordnung aufmarschiert. - -Stets gehen die Elefanten herdenweise, und zwar geht der älteste voran, -während der dem Alter nach folgende den Nachtrab bildet. Wollen sie -durch einen Fluß setzen, so schicken sie die kleinsten voran, weil die -Großen durch ihre Schwere das Flußbett vertiefen würden. Als König -Antiochus einen Fluß durchschreiten wollte, weigerte sich der Elefant, -der bis dahin den Zug geführt hatte und Ajax hieß, voranzugehen. Da -wurde bekanntgemacht, derjenige solle künftig der Anführer sein, der -zuerst hinüberginge; und siehe da, der Elefant Patroklus schritt -hindurch, und ward deshalb mit silbernem Kopfschmuck, den sie sehr -lieben, geziert und zum Anführer gewählt. Der frühere Anführer aber -wollte seine Schande nicht überleben und hungerte sich zu Tode. -Überhaupt wissen sie sehr gut, was rühmlich und was schimpflich ist. -Kämpfen sie gegeneinander, so reicht der Besiegte dem Sieger Erde und -Gras dar (wie dies bei den Menschen des Altertums Sitte war, wodurch -sich der Betreffende für überwunden erklärte) und flieht dann schon vor -dessen Stimme. - -Die Elefanten leben in treuer Ehe und man findet also bei ihnen die -verderblichen Wettkämpfe nicht, welche andere Tiere um die Weibchen -vollführen. Sie haben bisweilen eine große Zuneigung zu bestimmten -Menschen, wie denn z. B. einer in Ägypten eine Blumenhändlerin geliebt -haben soll. Ein anderer liebte den Jüngling Menander im Heere des -Ptolemäus und fastete aus Sehnsucht, so oft der Jüngling abwesend war. -Juba erzählt auch von einer Salbenhändlerin, die von einem Elefanten -geliebt wurde. Alle zeigten ihre Liebe durch unbeholfene Liebkosungen, -freuten sich beim Wiedersehen und bewahrten Geschenke, welche sie -bekamen, auf, um sie ihrem Lieblinge darzubringen. - -Daß sie Gedächtnis haben, zeigte sich deutlich in einem Falle, wo -ein Elefant seinen Führer, den er seit langen Jahren nicht gesehen, -sogleich wieder erkannte. Daß sie wissen, was Unrecht ist, zeigte sich -dagegen in folgendem Falle: Als König Bokchus 30 Menschen hatte an -Pfähle binden lassen und ihnen 30 Elefanten gegenübergestellt hatte, -welche sie zerfleischen sollten, so konnten die Elefanten doch nicht -dazu gebracht werden, dem Tyrannen den Willen zu tun, obschon sie von -zwischen den Pfählen aufgestellten Leuten gereizt wurden.“ - -Schon zu Ende der Republik sah man nicht selten Elefanten bei -Prunkzügen einhermarschieren, um dem Volk zu imponieren und ihm -eine interessante Augenweide zu bereiten. So berichtet der römische -Geschichtschreiber Suetonius: „Als Julius Cäsar über Gallien -triumphierte (im Jahre 51), stieg er beim Schein der Fackeln aufs -Kapitol, indem 40 Elefanten, zu seiner Linken und Rechten verteilt, die -Leuchter trugen.“ Das war damals ein ganz ungewohntes Schauspiel, mit -dem Cäsar jedenfalls großes Aufsehen erregte, worauf es ihm ja ankam. -Auch später wurde der Elefant gelegentlich von römischen Kaisern und -Triumphatoren bei ihrem feierlichen Einzuge in Rom und als Auszeichnung -auch sonst zum Ziehen von Prunkwagen verwendet. So eröffneten nach -Flavius Vopiscus beim Triumph des Kaisers Aurelianus über Zenobia, -die Herrscherin von Palmyra, im Jahre 274 n. Chr. 20 Elefanten den -Zug. Als Mesitheus, der Feldherr Kaiser Gordians III. (238-244), im -Jahre 242 einen glänzenden Sieg über die mächtigen Perser erfochten -hatte, erkannte der Senat in Rom dem Gordian Elefantenviergespanne zu, -womit er triumphieren könne, und dem Mesitheus ein Pferdeviergespann. -Das war damals eine besondere Ehrung. Der Geschichtschreiber Julius -Capitolinus, der uns dies berichtet, fügt dem bei, es habe damals -in Rom 32 Elefanten gegeben, die ständig bei feierlichen Aufzügen -zu sehen waren. Hatte doch schon Kaiser Heliogabalus (218-222) nach -seinem Biographen Älius Lampridius vier Wagen, an deren jeden er vier -Elefanten spannte. So sei er auf dem Vatikan herumgefahren und habe -zuvor zu diesem Zwecke den Platz erst ebnen lassen. - -Im Zirkus wurden öfter Elefanten gezeigt, die mit anderen Tieren -kämpfen oder allerlei Kunststücke, die sie gelernt hatten, vorführen -mußten. So mußte der Elefant sich besonders mit dem Nashorn messen und -sich, wenn möglich, von ihm den Bauch aufschlitzen lassen. Seneca, -der Lehrer Neros, schreibt in einer seiner philosophischen Schriften: -„Lucius Sulla ließ zuerst im Zirkus Löwen kämpfen, die nicht angebunden -waren, Pompejus 18 Elephanten; Metellus führte, als er die Karthager -in Sizilien besiegt hatte, im Triumphe 120 gefangene Elefanten auf.“ -Gelegentlich ließ sich selbst ein Kaiser herab, um einen dieser Riesen -vor allem Volke zu fällen. So schreibt Älius Lampridius in seiner -Biographie des Commodus, des Sohnes Marc Aurels und der Faustina, -der jenem 180 n. Chr. auf dem Throne folgte, alle nur erdenkbaren -Laster besaß, wollüstig, grausam und feig war, Ämter und Ehrenstellen -an die Meistbietenden verkaufte, den Staatsschatz durch unsinnige -Verschwendung erschöpfte, die Regierung des Reichs Günstlingen überließ -und schließlich am 31. Dezember 192 auf Anstiften seiner Geliebten -Marcia, erst 31jährig, erdrosselt wurde: „Kaiser Commodus war ungeheuer -stark und fand ein besonderes Vergnügen daran, bei den öffentlichen -Spielen gegen Gladiatoren und gegen wilde Tiere zu kämpfen, ja er -tötete bei solcher Gelegenheit selbst mehrere Elefanten.“ Indische und -afrikanische Elefanten traten nicht selten als Künstler auf, schrieben -in Sand, gingen auf einem schräg gestellten Seile auf und ab. Acht -derselben trugen zu viert auf einer Sänfte einen anderen, tanzten nach -dem Takte, speisten von prächtig besetzter Tafel aus kostbarem Geschirr -mit Beobachtung der feinen Sitte und des Anstandes und vollführten -zahlreiche andere Künste. Der griechische Schriftsteller Oppianos -schrieb ums Jahr 200 n. Chr.: „Der Elefant ist das größte Landtier und -sieht aus wie ein Berg oder eine gewitterschwere Wolke. Seine Nase ist -ungeheuer lang und schlank und dient ihm als Hand. Im wilden Zustande -ist er grimmig, gezähmt dagegen sanft und menschenfreundlich. Wenn er -dazu abgerichtet ist, schreitet er nach dem Takte des Flötenspiels bald -langsam, bald schnell, wie tanzend, einher. Als Germanicus Cäsar (der -Adoptivsohn des Kaisers Tiberius) den Römern Schauspiele gab, waren von -Elefanten, die man in Rom hielt, Junge gezogen worden und diese nahm -ein tüchtiger Lehrmeister in Unterricht. Sie wurden an Flötenspiel, -Trommelschlag und Gesang gewöhnt und lernten die Glieder bewegen, wie -wenn sie tanzten. Als nun der Tag der Schauspiele erschien, traten -sie, zwölf an Zahl, mit bunten Tanzkleidern geschmückt, auf, gingen -mit zierlichen Schritten einher, wiegten dabei den Leib recht fein -hinüber und herüber, formierten auf Befehl des Meisters eine Linie, -einen Kreis, schwenkten rechts und links. Sie streuten Blumen umher, -ließen sich auf schöne Kissen, die für sie hingelegt waren, nieder, -fraßen mit großer Bescheidenheit von Tischen, die aus kostbarem Holz -der Sandarakzypresse (_citrum_, aus dem Atlasgebirge bezogen) und aus -Elfenbein angefertigt waren, und tranken bescheiden aus goldenen und -silbernen Bechern. Ich habe auch selbst einen Elefanten gesehen, der -mit dem Rüssel römische Buchstaben ganz regelmäßig auf eine Tafel -schrieb; dabei führte ihm jedoch der Meister den Rüssel.“ - -Auch der griechische Schriftsteller Plutarch (50-120 n. Chr.) schreibt: -„Auf dem Theater führen die Elefanten sehr künstliche Stücke auf. -Es ist auch neulich vorgekommen, daß einer, der das zu Lernende -nicht recht begreifen konnte, es von selbst bei Nacht einübte. -(Weshalb sollte nicht dieses Tier gelegentlich für sich selbst die -ihm beigebrachten Kunststücke ausführen?) In Rom wurde einmal einer -von Knaben geneckt und in den Rüssel gestochen. Er ergriff einen -derselben, hob ihn hoch empor, tat, als wolle er ihn zerschmettern, -setzte ihn dann aber ruhig wieder hin, weil er dachte, jener hätte -schon an der ausgestandenen Angst genug. Nach Jubas Angabe decken die -Jäger die Gruben, worin sie Elefanten fangen wollen, mit Reisig und -Erde zu. Ist aber einer hineingefallen, so füllen die anderen die Grube -so weit, daß er wieder herauskann. Er schreibt auch, daß die Elefanten -Gelübde tun und mit aufgehobenem Rüssel die Sonne anbeten.“ Sueton -schreibt: „Bei den Spielen, die Nero gab, ritt ein allgemein bekannter -römischer Ritter auf einem Elefanten, der auf einem ausgespannten Seile -ging,“ und ferner: „Kaiser Galba (der im Juni 68 von den gallischen -Legionen gegen Nero zum Kaiser erhoben, aber schon am 15. Januar 69 von -den wegen seiner Knauserigkeit erzürnten Prätorianern getötet wurde) -zeigte bei den Spielen Elefanten, welche auf Seilen gingen.“ Selbst -als Opfer wurden sie bei besonders wichtigen Anlässen den Göttern -dargebracht. Gelegentlich wurden solche nur gelobt und in Wirklichkeit -durch Nachahmungen ersetzt, da die Originale den Opfernden denn doch zu -kostbar sein mochten. So schreibt Älian: „Als Ptolemäos Philopator den -Antiochos besiegt hatte, veranstaltete er eine prachtvolle Opferfeier -und wollte auch dem Gotte Helios vier herrliche Elefanten als Zeichen -seiner großen Verehrung darbringen. Daraufhin träumte aber Ptolemäos, -dem Gotte schiene das Opfer befremdlich und unangenehm. Er weihte ihm -also, statt der vier wirklichen Elefanten, vier aus Erz gegossene.“ - -Nach den Berichten der alten Autoren müssen die orientalischen Fürsten -im Altertum noch mehr Elefanten als heute besessen haben; sie waren -eben damals noch nicht so dezimiert und konnten leichter gefangen -werden. Plinius berichtet darüber: „Am Ganges hat der König der -Kalinger, dessen Hauptstadt Protalis ist, 60000 Mann Fußvolk, 1000 -Mann zu Pferde, 700 Elefanten, die alle stets schlagfertig sind. Es -gibt daselbst eine eigene Menschenkaste, die sich mit Fang und Zähmung -des Elefanten beschäftigt. Mit diesen Tieren pflügen sie, auf ihnen -reiten sie, mit ihnen kämpfen sie fürs Vaterland. -- Der König der -Thaluter hält 50000 Mann Infanterie, 4000 Mann Kavallerie und 400 -Kriegselefanten. -- Das Volk der Andarer hat 30 mit Mauern und Türmen -befestigte Städte, stellt 100000 Mann Infanterie, 2000 Mann Kavallerie -und 1000 Elefanten. -- Das mächtigste Volk in ganz Indien sind die -Prasier, deren große und reiche Hauptstadt Palibothra heißt. Ihrem -Könige dienen 600000 Mann Infanterie, 30000 Mann Kavallerie und 9000 -Elefanten; diese ganze Macht wird Tag für Tag besoldet. -- Am Indus -hält der König der Megaller 500 Elefanten; -- die Asmarer, in deren -Land es auch von Tigern wimmelt, haben 30000 Mann Infanterie, 800 -Reiter und 300 Elefanten. -- Die Orater haben nur 10 Elefanten, aber -viel Fußvolk. -- Die Suaratarater unterhalten im Vertrauen auf ihre -eigene Tapferkeit gar keine Elefanten. Der König der Horaker unterhält -150000 Mann Infanterie, 5000 Mann Kavallerie und 1600 Elefanten. --- Der König der Charmer hat 60 Elefanten. -- Das Volk der Pander, -das einzige in Indien, das stets von einer Königin beherrscht wird, -stellt 150000 Mann Infanterie und 500 Elefanten.“ -- Woher Plinius -diese Zahlenangabe hatte, ist uns unbekannt. Sind sie auch jedenfalls -stark übertrieben, so ist doch kein Zweifel darüber möglich, daß die -indischen Fürsten damals sich in der Kriegsführung wesentlich auf ihre -Elefanten verließen und große Scharen davon unterhielten. Aus dem -8. und 9. Jahrhundert n. Chr. wissen wir, daß die indischen Fürsten -2000 bis 3000 Kriegselefanten zur Verfügung hatten. Der Venetianer -Marco Polo, der, erst 15jährig, mit seinem Vater Niccolo und seinem -Oheim Maffeo Polo 1271 zu dem Tatarenchan Kublai nach Zentralasien -reiste, meldet, dieser habe 5000 Elefanten besessen, die er zum Kriege -gebrauchte. Im 16. Jahrhundert besaß der Großmogul Akbar, d. h. der -sehr Große (eigentlich hieß er Dschelal eddin Muhammed), der mächtige -Herrscher über Hindustan, ein Nachkomme Timurs, der von 1556-1608 -regierte, nach den Angaben seines Vesirs Abul Fazl 6000 Elefanten. Der -mächtige Schah Jehangir soll ihrer 12000 und seine Vasallen zusammen -40000 besessen haben. Im 17. Jahrhundert fand Tavernier, daß der zu -Gehanabad residierende Großmogul 500 Elefanten zum Lasttragen und 80 -zum Kriege benutzte. Seit der allgemeinen Verbreitung der Feuerwaffen -wurde aber der Elefant, der sich vor jenen fürchtet, immer weniger zu -Kriegszwecken benutzt und ist heute in Indien mehr ein Luxustier, das -wesentlich nur noch zur Jagd und bei festlichen Aufzügen Verwendung -findet. In Hinterindien dagegen wird es in ausgedehntem Maße als -Arbeitstier beim Transport der schweren Stämme von Tiek- und anderem -Nutzholz verwendet. - -[Illustration: Bild 41. Darstellung eines Mammuts durch einen Jäger der -frühen Nacheiszeit in der südfranzösischen Höhle von Combarelles. - -(1/19 natürl. Größe.)] - -Während früher der rezente Elefant ausschließlicher Lieferant des -seit dem hohen Altertum zu Schnitzereien und Geräten aller Art sehr -beliebten Elfenbeins war, kommen in neuerer Zeit mit der Erschließung -des noch vielfach von der letzten Eiszeit her vereisten nordöstlichen -Sibirien auch die gewaltigen Stoßzähne des ausgestorbenen ~Mammut~ -(_Elephas primigenius_) als fossiles Elfenbein in den Handel. Der -russische Reisende Middendorf schätzte die Zahl aller seit der -Besiedelung durch die Russen von dort ausgeführter Mammutstoßzähne -als von etwa 20000 Tieren stammend. Jährlich kommen wenigstens 100 -Paar Stoßzähne in den Handel. Dabei sind sie noch so gut erhalten, -daß kein Unterschied darin bemerkbar ist, ob das Elfenbein rezent -oder fossil ist. Mit diesem fossilen Elfenbein aus dem hohen Norden -Asiens allein werden wir auszukommen haben, wenn einmal der Elefant -als Wildling ausgerottet sein wird und die letzten Exemplare desselben -in völligem Dienste des Menschen oder in einigen Reservationen unter -menschlichem Schutze das Gnadenbrot bekommen werden. Diesen fossilen -Elefanten hat der Mensch der frühen Nacheiszeit in Europa ausgerottet, -indem er ihn nicht sowohl wegen seiner gewaltigen Stoßzähne, als wegen -seines Fleisches aufs eifrigste verfolgte und jedenfalls bei seiner -armseligen Bewaffnung vorzugsweise in Fallgruben fing und mit Werfen -von großen Steinen tötete. Neben dem Knochen und Horn des Renntiers war -das Elfenbein des Mammuts ein viel verwendetes Werkzeugmaterial des -diluvialen Jägers, das uns in den Überresten seiner Lagerplätze nicht -selten entgegentritt. - -[Illustration: Bild 42. Oberes Ende eines durchlochten Zierstabs aus -Renntierhorn aus dem Lagerplatz der Mammutjäger der frühen Nacheiszeit -von La Madeleine mit dem Kopfe eines Mammuts.] - -[Illustration: Bild 43 und 44. Aus einem Mammutstoßzahn geschnitztes -Amulett der Magdalénienjäger mit einem kleinen, jetzt durchgebrochenen -Aufhängeloch an der Spitze. Auf der Vorder- und Rückseite ist je -eine Saigaantilope mit auffallend langem Gehörn dargestellt. Aus der -südfranzösischen Höhle von Mas d’Azil am Nordfuße der Pyrenäen. (⅓ -natürl. Größe.)] - - - - -XII. Kaninchen und Meerschweinchen. - - -Eine ebenfalls junge Erwerbung wie das Renntier ist das ~Kaninchen~ -(_Lepus cuniculus_), das sich durch weit geringere Größe, schlankeren -Bau, kürzeren Kopf, kürzere Ohren und kürzere Hinterbeine vom -eigentlichen Hasen unterscheidet. Es ist gegenwärtig über ganz Süd- -und Mitteleuropa verbreitet und an manchen Orten recht gemein. Am -zahlreichsten trifft man es in den Mittelmeergegenden, obgleich man -dort keine Schonzeit kennt und es das ganze Jahr hindurch verfolgt. -Besonders zahlreich muß es im östlichen Teil des Mittelmeergebiets -gelebt haben, da die alten Schriftsteller Spanien als seine Heimat -bezeichnen. In England und in manchen von dessen Kolonien wurde es der -Jagdlust zuliebe in verschiedene Gegenden verpflanzt und anfangs sehr -hochgehalten. Noch im Jahre 1309 war es dort so selten, daß ein wildes -Kaninchen ebensoviel als ein Ferkel kostete. In Nordeuropa ist es ihm -schon zu kalt; so hat man bis jetzt vergeblich versucht, es in Rußland -und Schweden einzubürgern. - -Das wilde Kaninchen verlangt hügelige, sandige Gegenden, die von -niederem Gebüsch bedeckt sind, in dem es sich verstecken kann. In -den lockern Boden gräbt es sich am liebsten an sonnigen Stellen und -in Gesellschaft einen einfachen Bau, bestehend aus einer ziemlich -tiefliegenden Kammer und in einem Winkel dazu gebogenen Röhren, von -denen eine jede wiederum mehrere Ausgänge hat. Jedes Paar hat seine -eigene Wohnung und duldet kein anderes Tier darin. Mit scharfen Sinnen -ausgestattet, ist das Kaninchen äußerst vorsichtig, lebt fast den -ganzen Tag in seiner Höhle und rückt erst gegen Abend auf Äsung aus, -indem es lange sichert, bevor es den Bau verläßt. Bemerkt es Gefahr, -so warnt es seine Gefährten durch starkes Aufschlagen der Hinterfüße -auf die Erde, und alle eilen so rasch als möglich in ihren Bau zurück -oder suchen sonst ein Schlupfloch zu finden. Wie die Häsin geht das -Kaninchen 30 Tage schwanger und setzt bis zum Oktober alle 5 Wochen -4-12 Junge in einer besonderen Kammer, die es vorher mit der Wolle von -seinem Bauche reichlich ausgefüttert hat. Einige Tage hindurch sind -die Kleinen blind, doch rasch entwickeln sich ihre körperlichen und -geistigen Fähigkeiten, so daß sie schon nach dem nächsten Satze der -Pflege der um sie sehr besorgten Mutter entraten können. Sie erreichen -erst im 12. Monat ihr völliges Wachstum, sind aber in warmen Ländern -schon im fünften, in kalten im achten Monate fortpflanzungsfähig. - -Durch diese ihre ungeheure Fruchtbarkeit sind die Kaninchen noch -schädlicher als die Hasen, indem sie mit Vorliebe Baumrinden abnagen, -wodurch oft ganze Pflanzungen eingehen. Wo sie sich vor Verfolgungen -sicher wissen, werden sie ungemein frech und vertreiben durch ihr -unruhiges Wesen das andere Wild, vor allem Hasen und Rehe. In Gegenden, -die zu ihrer Entwicklung günstig sind, können sie zu einer wirklichen -Landplage werden und die Bewirtschaftung des Bodens außerordentlich -benachteiligen. Wenn sie einmal die Oberhand gewonnen haben, sind -sie kaum mehr zu beseitigen. So haben sie sich in manchen Gegenden, -so namentlich in Spanien und auf den Balearen, schon im Altertum so -stark vermehrt, daß man auf Maßnahmen zu ihrer Zurückdrängung sann. -Der griechische Geschichtschreiber Strabon im 2. Jahrhundert n. Chr. -schreibt: „In Spanien gibt es wenige schädliche Tiere mit Ausnahme -der den Boden durchwühlenden Häschen, welche von einigen Kaninchen -genannt werden. Sie zerstören die Pflanzungen und Saaten und sind -bis Massalia (dem heutigen Marseille) und auch über die Inseln -verbreitet. Die Bewohner der gymnesischen Inseln (Balearen) sollen -einmal eine Gesandtschaft nach Rom geschickt und um eine andere Insel -gebeten haben, weil sie über die Menge der Kaninchen nicht mehr Herr -werden konnten.“ An einer anderen Stelle sagt dieser Autor: „Auf den -gymnesischen Inseln sollen die Kaninchen nicht ursprünglich heimisch -sein, sondern von einem Pärchen stammen, das von der Küste dahin -gebracht wurde. Sie haben in der Folge Bäume und Häuser so unterwühlt, -daß sie umstürzten. Jetzt weiß man ihre Zahl so weit zu beschränken, -daß die Felder bebaut werden können. Übrigens verfolgt man sie mit -Frettchen, die man in ihre Höhlen schickt.“ - -Nach allem scheinen die Griechen das Kaninchen ursprünglich nicht -gekannt zu haben, sonst hätten sie einen besonderen Namen zu seiner -Bezeichnung gehabt. Sie lernten es erst von Westen her kennen und -nannten es nach dem lateinischen _cuniculus_ _kóniklos_ oder nach dem -lateinischen _lepus lebērís_. Über diese Kaninchen, die den Römern -sehr wohl bekannt waren, schreibt der ältere Plinius: „In Spanien -und auf den balearischen Inseln, wo die Kaninchen ungeheuren Schaden -anrichten, so daß man sich von dort aus einst vom Kaiser Augustus -militärische Hilfe gegen diese Tiere erbat, bereitet man deren aus -dem Nest genommene Junge als Leckerbissen zu. Der Kaninchenjagd -wegen schätzt man dort die Frettchen sehr hoch. Man läßt sie in den -unterirdischen, mit vielen Röhren versehenen Bau; die Bewohner fliehen -dann eilig heraus und werden gefangen.“ Auf den Pityusen, damals Ebuso -genannt, gab es im Gegensatz zu den Balearen, wo sie also nach Strabon -in einem einzigen Pärchen von der spanischen Küste eingeführt wurden, -keine Kaninchen, wie uns Plinius berichtet, dagegen waren sie nach dem -griechischen Geschichtschreiber Polybios auf Korsika vorhanden; er -nennt sie _kýniklos_. - -Im Gegensatz zum Hasen, der bei den Römern häufig auf den Tisch kam --- nach Lampridius soll Kaiser Alexander Severus täglich Hasenbraten -gegessen haben -- war das Kaninchen, wenigstens in Italien nur wenig -als Speise gebräuchlich. Einzig Martial, freilich ein Spanier von -Geburt, führt es mit einigen charakteristischen Versen unter den -Küchenartikeln auf. Von einem Halten des Kaninchens als Haustier ist -selbst in Spanien, das dieses Tier als für das Land charakteristisch -auf einigen Münzen der römischen Kaiserzeit abbildete, im Altertum -nirgends die Rede. Sie mag frühestens zu Beginn des Mittelalters in -Südwesteuropa ihren Anfang genommen haben und nahm erst im späteren -Mittelalter einen größeren Aufschwung, der hauptsächlich den Klöstern -zu verdanken ist. So ließ sich der Abt Wibald von Corvey 1149 zwei -männliche und zwei weibliche Kaninchen aus Frankreich kommen. Später -begann man auch an den weltlichen Höfen Kaninchen in Gehegen zu -halten, um den Damen ein müheloses Jagdvergnügen zu gewähren. Da man -dabei die Schädlichkeit des Kaninchens kennen lernte, das das andere -Wild verjagte, hörte man mit diesem Sport bald auf und begnügte sich, -das genügsame Tier auf Inseln anzusiedeln, wo seiner unbegrenzten -Vermehrung einigermaßen gesteuert werden konnte. So waren Kaninchen -überall auf den Italien umgebenden Inseln vorhanden. Zur Zeit der -fränkischen Herrschaft wurden sie auch auf den Kykladen, d. h. den -Inseln des Ägäischen Meeres, angesiedelt, wo sie heute noch auf den -Inseln vorkommen, auf denen es keine Hasen gibt. Nur auf der größeren -Insel Andros hat es sich so mit seinem Vetter in das Gebiet geteilt, -daß die Kaninchen den einen und die Hasen den anderen Teil der Insel -bewohnen. Nach Olivier gibt es auch bei Konstantinopel im Marmarameer -eine Kanincheninsel. Im Jahre 1407 hielt man schon Kaninchen auf der -nach ihnen genannten Insel im Schwerinersee. 1684 erfahren wir, daß -sie ein Rostocker Ratsherr auf den Dünen Warnemündes ausgesetzt hatte, -aber erst nachträglich an den von ihnen angerichteten Verwüstungen sah, -welche Dummheit er damit gemacht hatte. Noch im 16. Jahrhundert kannte -man weder im Rheinland, noch in Mitteldeutschland wilde Kaninchen, -dagegen kannte sie Schwenckfeld 1603 zahm und in den Häusern gehalten. -1612 sah sie der Nürnberger Paul Hetzner auf einem Kaninchenwerder der -Königin Elisabeth von England als Merkwürdigkeit. Seit 1596 leben sie -auf Helgoland und seit 1699 auf den ostfriesischen Inseln. - -Eine besondere Bedeutung erlangten die Kaninchen als leicht -zu transportierende Nahrung für den Menschen im Zeitalter der -Entdeckungen. Um allfälligen Schiffbrüchigen ihre Existenz zu -erleichtern, setzten die schiffahrenden Portugiesen auf kleineren -und größeren Inseln, die sie ohne Tiere antrafen, außer Ziegen auch -Kaninchen aus. Schon Perestrello, der erste Besiedler der Insel -Porto Santo in der Nähe von Madeira, brachte 1418 hierher Kaninchen -mit, die sich aber, da Feinde fehlten, in wenigen Jahrzehnten derart -vermehrt hatten und solche Verwüstungen auf der Insel anrichteten, daß -die Ansiedler zum Aufgeben ihrer Niederlassungen gezwungen wurden. -Im Laufe der Zeit bildete sich hier eine Lokalrasse aus, die um die -Hälfte kleiner und im Pelz oben rötlich und unten blaßgrau wurde. -Sonst kehren die wilden Kaninchen meist zur ursprünglichen grauen -Färbung ihrer Ahnen zurück. Auch auf Teneriffe kommen wilde Kaninchen -vor; sie sind gleichfalls klein und sehr scheu, graben keine Löcher, -was im vulkanischen Boden auch nicht möglich wäre, sondern wohnen in -den Spalten zwischen den Lavablöcken. Weiterhin leben welche auf St. -Helena, Ascension, dann auf Jamaika und den Falklandinseln. - -In der Äquatorialprovinz Afrikas suchte Emin Pascha vor einem -Menschenalter Kaninchen einzuführen. In Südafrika haben die -vorsichtigen Holländer ihre Einführung auf dem Festland durch strenge -Strafbestimmungen zu verhindern gewußt. Nur auf den kleinen Inseln in -der Hafenbucht der Kapstadt wurden sie angesiedelt. In Batavia wollten -sie 1726 nicht recht gedeihen, da es ihnen wohl zu warm war. Dagegen -haben sie neuerdings in den Kulturrassen als Haustier in Japan großen -Beifall gefunden. Ganz schlimme Erfahrungen machte man mit den wilden -Kaninchen in Australien und Neuseeland, wo sie unbedachterweise zur -Frönung der Jagdlust ausgesetzt wurden. Bald wurden sie hier zu einer -fürchterlichen Landplage, indem sie die Weideplätze der Kühe und Schafe -kahl fraßen. Schon im Jahre 1885 gab die Regierung von Neusüdwales etwa -15 Millionen Mark aus, um dem Übel zu wehren; doch vergebens. Gift, -Schlingen, Frettchen, Hermeline, Mangusten und andere Raubtiere, die -eingeführt wurden, nützten nichts. Diese Tiere vermehrten sich zwar, -hielten sich aber nicht an Kaninchen, sondern an das Hausgeflügel -der Ansiedler, so daß sie selbst eine fast ebenso schlimme Plage als -die Kaninchen wurden. Selbst der Versuch, eine ansteckende Krankheit -unter den Kaninchen zu verbreiten, nützte nichts. Deshalb bleibt die -Vertilgung der Kaninchen nach wie vor besonderen Kaninchenfängern -vorbehalten, die das Land in Gesellschaften durchziehen und bald hier, -bald dort ihr Lager aufschlagen. Um neue Einwanderungen von Kaninchen -in die von ihnen gesäuberten Gegenden zu verhindern und bis jetzt -kaninchenfreie Ländereien vor ihrer Einwanderung zu verschonen, hat man -meilenweite Einfriedigungen aus Drahtnetzen gezogen, unter denen eine -im Auftrage der Regierung der Kolonie Viktoria errichtete über 1120 -_km_ lang ist. Bis jetzt ist es freilich noch in keiner australischen -Kolonie gelungen, der Plage Herr zu werden. An vielen Orten ist der -Boden ganz unterwühlt von den Nagern, an andern ist der Wald durch sie -eingegangen. - -Ebenso wie in Australien spielt unter den in Neuseeland eingeführten -Tieren das dort vor etwa 45 Jahren eingeführte Kaninchen eine äußerst -verhängnisvolle Rolle. Es hat sich in manchen Gegenden Neuseelands so -stark vermehrt, daß man sogar gedacht hat, ihm diese Gegenden ganz -preiszugeben. Auch in verschiedenen Gegenden Südamerikas wurden sie -eingeführt, doch vermehrten sie sich hier nirgends im Übermaß, da -sie die natürlichen Feinde in Schranken hielten. In Mexiko und Peru -scheinen sie ziemlich häufig zu sein. - -Das Wildbret des Kaninchens ist weiß und wohlschmeckend. Die feinen -Haare des Pelzes werden wie diejenigen des Hasen zur Herstellung -von Filzhüten verwendet. In der römischen Kaiserzeit stopfte man -damit Kissen, bis man von den als Barbaren verachteten Germanen die -Verwendung der Daunenfedern der Gans zu diesem Zwecke kennen lernte. - -Die Domestikation hat beim Kaninchen eine Reihe von Veränderungen -hervorgerufen, auf die schon Darwin aufmerksam machte. Vor allem haben -die Hauskaninchen bedeutend an Gewicht zugenommen; während das wilde -Kaninchen ein Gewicht von höchstens 2 _kg_ besitzt, gibt es zahme -Rassen, deren Vertreter 5-6 _kg_ schwer werden. Dies wurde erzielt -durch Zufuhr reichlicher, nahrhafter Kost in Verbindung mit wenig -Körperbewegung und infolge der fortgesetzten Zuchtwahl der schwersten -Individuen. Dann hat die Länge und Breite der Ohren durch künstliche -Züchtung enorm zugenommen, so daß sie infolge ihres erheblichen -Gewichtes nicht mehr aufrecht getragen werden können, sondern hängend -geworden sind. Bei den größeren Rassen hat der Schädel an Länge -zugenommen, aber nicht im richtigen Verhältnis zur Längenzunahme des -Körpers. Auch manche Schädelteile weisen erhebliche Veränderungen -auf gegenüber denjenigen der wildlebenden Vertreter. Im richtigen -Verhältnis zum vergrößerten Körpergewicht sind die Extremitäten -kräftiger geworden, haben aber durch Mangel an gehöriger Körperbewegung -nicht im richtigen Verhältnis an Länge zugenommen. Die ursprünglich -graue Färbung ist verschieden geworden, teils ist sie in Braun, -Schwarz, Weiß oder Scheckfärbung übergegangen. - -Beim ~Angora-~ oder ~Seidenkaninchen~ ist ein sehr reichlicher, weicher -Pelz von seidenartigem Glanze erzielt worden, der hoch im Preise steht. -Es soll ursprünglich in Kleinasien gezüchtet worden sein und kam am -Ende des 18. Jahrhunderts nach Europa. Es ist sehr zart und verlangt -eine sorgfältige Pflege. Meist wird es einfärbig weiß gezüchtet; doch -gibt es auch schwarze, gelbe und graue Sorten. - -Das ~Silberkaninchen~ gehört zu den kleineren Schlägen. Sein Gewicht -beträgt 2,5 bis 3,5 _kg_. Auf dem rundlichen Kopfe sitzen die -aufrechtstehenden Ohren an der Wurzel nahe bei einander. Die Färbung -ist gewöhnlich grau mit einem silberähnlichen Anflug; auch blaue, -braune und gelbe Nuancen kommen vor. Das Fell spielt als Handelsartikel -eine nicht unerhebliche Rolle und wird von den Kürschnern zu Pelzwerk -verarbeitet. Ihm nahe steht das graue bis schneeweiße ~russische -Kaninchen~, dessen Nasen, Ohren, Pfoten und Schwanz allein schwarz -sind. Es besitzt eine herabhängende Wamme am Hals. Aus seinem Pelz -werden Hermelinpelzimitationen hergestellt. - -Ein kurzhaariger Schlag mit langgestrecktem Körper und kurzen, -aufrechtstehenden Ohren, von Farbe schwarz und weiß gescheckt, ist -das ~englische Scheckenkaninchen~. Ein noch bunter geschecktes -Kaninchen, dessen Fell außer Schwarz und Weiß auch Gelb in buntester -Mischung aufweist, ist neuerdings als „~japanisches Kaninchen~“ -importiert worden, ohne indessen bisher eine weitere Verbreitung -gefunden zu haben. In Frankreich und England wird besonders das -~Widderkaninchen~ (_lapin bélier_) gezüchtet. Es verdankt seinen Namen -dem stark geramsten Kopf, der ungemein lange und schlaff herabhängende -Ohren besitzt. Es erreicht ein Gewicht von 5-6 _kg_ und besitzt ein -wohlschmeckendes, zartes Fleisch, weshalb es viel gezüchtet wird. Sein -Fell ist kurzhaarig und schwarz, grau, weiß, gelb oder blau, auch -gescheckt. - -Das Kaninchen hat man auch schon mit dem Feldhasen zu kreuzen vermocht. -Die so erhaltenen Bastarde nennt man ~Leporiden~. Sie haben nach W. -Hochstetter eine große Ähnlichkeit mit dem Feldhasen, sind hasengrau -mit rostgelbem Nacken, tragen schwärzlich geränderte Ohren und sind -fruchtbarer als alle reinen Kaninchenrassen. Ihr Fleisch ist sehr -wohlschmeckend, und bereits nach sechs Monaten erreichen sie ein -Gewicht von 3-4 _kg_. - -Die Kaninchen sind die einzigen Nagetiere, die wirtschaftlich für uns -von Bedeutung geworden sind. Als leicht zu erlangende Warmblüter dienen -sie mit Meerschweinchen, Ratten und Mäusen sehr oft zu Einimpfungs- -und Vivisektionsversuchen, können deshalb mit Recht auch als „Märtyrer -der Wissenschaft“ bezeichnet werden. Unter diesen spielt jedoch das -~Meerschweinchen~ (_Cavia cobaya_) als Versuchstier der Physiologen und -Bakteriologen die weitaus erste Rolle, da es sehr fruchtbar und leicht -zu halten ist. Wenn es auch vielfach bei uns zum Vergnügen gehalten -wird, so hat es doch bei uns keinen praktischen Nutzen gefunden. -Allerdings in seiner alten Heimat Südamerika ist es von den alten -Peruanern, wie seinerzeit das Kaninchen in Europa, der Fleischnutzung -wegen gezüchtet und zum Haustier erhoben worden. Im altperuanischen -Gräberfeld von Ancon fand man nicht selten Überreste von offenbar -einst als Haustier gehaltenen Meerschweinchen, die nach Nehring sowohl -äußerlich in der Färbung, wie auch durch ihren anatomischen Bau in -der Mitte stehen zwischen der wilden Art Südamerikas und dem zahmen -Meerschweinchen der Gegenwart. Die altperuanischen Hausmeerschweinchen -besaßen, wenn auch schon als offenkundiges Haustiermerkmal Weiß -auftrat, im allgemeinen noch immer die dunkelbraune, fein gesprenkelte -„Wildfarbe“, die durch verschiedenfarbige Ringelung der einzelnen -Haare entsteht. Daneben hatten sie die schlankere, schärfer umrissene -Schnauze und das festere Gefüge des Schädels, das sich besonders in dem -keilförmigen Einspringen der Nasenbeine in die Stirnbeine ausspricht. -Diese Unterschiede mögen wohl auf veränderte Lebensbedingungen -zurückzuführen sein. Jedenfalls waren sie bei den alten Peruanern noch -nicht in so strenger Haft gehalten wie die heutigen Nachkommen und -lebten wohl noch ziemlich frei in und um die Hütten der Eingeborenen -herum. - -Diese mehr einfarbigen, schlanken, spitzschnauzigen Vorfahren unseres -heutigen weißbunten, fettleibigen und dickköpfigen Meerschweinchens -stellen also Mittelglieder zwischen letzterem und der noch heute in -Peru wildlebenden Stammform _Cavia cutleri_ dar. Außer als Nahrung -benutzten die alten Peruaner sie auch als Opfer für die Götter. -Nach Rengger zähmen die Indianer in Paraguay noch heute die dem -wilden Meerschweinchen Perus entsprechende Form der Ostabhänge der -Anden, die _Cavia aperea_, und diese pflanzt sich auch in der losen -Gefangenschaft, in der sie gehalten wird, leicht fort. Im Laufe -des 16. Jahrhunderts kam dann das peruanische Hausmeerschweinchen -durch die Spanier wohl nur als Spielerei nach Europa. Speziell den -Holländern ist dessen Einführung nach Mitteleuropa zu verdanken. -In der Schweiz erwähnt es 1554 zuerst der Züricher Naturforscher -Konrad Geßner (1516-1565). Doch war es damals in Mitteleuropa noch -recht selten. Weil es übers Meer zu ihnen gekommen war und in seiner -kurzbeinigen Dickleibigkeit einem Schweinchen glich, nannten es die -Deutschen Meerschweinchen, während es die Engländer als _guinea-pig_ -bezeichneten. Die Färbung ist sehr verschieden. So berichtet schon -der Leibarzt der reichen Fugger in Augsburg in der zweiten Hälfte -des 16. Jahrhunderts, Munzinger, von ganz weißen und ganz braunen -Meerschweinchen. Jetzt sind die meisten Formen schwarz, rotgelb und -weiß gefleckt; ein Teil ist ganz weiß mit roten Augen. Es sind dies -also richtige Albinos. Neben diesen kurzhaarigen Rassen gibt es auch -eine sehr langhaarige unter der Bezeichnung ~Angorameerschweinchen~. -Bildet ihre Behaarung an verschiedenen Körperstellen eigentümliche -Wirbel, so spricht man von ~Struppmeerschweinchen~. - -In seinem Benehmen ist das Meerschweinchen ein Mittelwesen zwischen -Kaninchen und Mäusen. Sein Lauf setzt sich aus einer Reihe kurzer -Sprünge zusammen und ist keineswegs sehr schnell. Fühlen sie sich wohl, -so lassen sie eine Art sanften Murmelns vernehmen; erschreckt quieken -sie wie die Schweine. Bei uns werfen die Weibchen 2 bis 3 mal im Jahre -2-3, auch 4 oder 5, in heißen Ländern sogar 6-7 Junge. Diese werden in -einem hochentwickelten Zustand mit offenen Augen geboren und laufen -schon nach wenigen Stunden hinter der Mutter her. Sie werden nur etwa -14 Tage lang von der Mutter gesäugt und während dieser Zeit liebevoll -behandelt. Vom zweiten Tage an fressen sie neben der Muttermilch auch -Grünes und sind vom Ablauf der 4. Woche an selbständig. Nach 5-6 -Monaten sind sie fortpflanzungsfähig und haben schon nach 8-9 Monaten -ihre vollkommene Größe erreicht. Bei guter Behandlung können sie ihr -Leben auf 6-8 Jahre bringen. Sie sind der Wärme bedürftig und müssen an -einem trockenen Ort gehalten werden. Gegen rauhe und kalte Witterung -sind sie sehr empfindlich und gehen dann leicht zugrunde. Wenn man sich -viel mit ihnen abgibt, werden sie ungemein zahm und zutraulich, obwohl -sie ihre Furchtsamkeit nie gänzlich ablegen und bei ihren geringen -geistigen Fähigkeiten selten dahin gelangen, den Wärter von andern zu -unterscheiden. Im ganzen bleiben sie stumpfsinnig und wenig anhänglich. -Nur in Oberschlesien ißt man sie wie in ihrer Heimat Peru. - -Endlich ist noch von der ~zahmen Hausmaus~ (_Mus musculus domesticus_) -zu reden, die in Ostasien zum Haustier erhoben wurde und neuerdings -auch bei uns in den verschiedensten Zeichnungs- und Färbungsformen -gezüchtet wird. Nach ihrer Herkunft werden sie als ~chinesische~ und -~japanische Ziermäuse~ unterschieden. Die chinesischen Mäuse, die in -ihrer Heimat auch vom Menschen gegessen werden, unterscheiden sich von -unserer wilden Hausmaus und von der gewöhnlichen weißen Maus nur durch -die Färbung und Zeichnung und zerfallen in eine große Anzahl Rassen. Es -gibt einfarbig schwarze, dann solche mit ganz kleinen weißen Abzeichen -an verschiedenen Körperstellen, ferner schwarz- und weißgescheckte, -einfarbig graue, grau- und weißgescheckte, braune, braun- und -weißgescheckte, hell- und dunkelgelbe und gelbgescheckte Mäuse. Alle -diese haben meist schwarze Augen; nur gelbe Mäuse kommen auch mit roten -Augen vor. Sonst finden sich letztere regelmäßig bei den noch nicht -aufgezählten Rassen, den fahlen, den fahl- und weißgescheckten und -den blauen Mäusen, deren Färbung von Aschgrau bis Mohnblau wechselt. -Diese blauen Mäuse unterscheiden sich von den fahlen dadurch, daß ein -gelblicher, bräunlicher oder rötlicher Farbenton bei ihnen fehlt. Zu -ihnen gesellen sich blaue Mäuse mit wenig bis viel Weiß und endlich die -schon seit langer Zeit in Europa gezüchteten einfarbig weißen Mäuse mit -roten Augen. Übergänge zwischen den aufgezählten Rassen finden sich nur -selten. Als Übergänge zwischen fahlen und gelben Mäusen kann man die -gelben Mäuse mit roten Augen betrachten. Sonst kommen nur Übergänge -zwischen grauen und gelben Mäusen vor, nämlich graue Mäuse mit Gelb -und gelbe Mäuse mit Grau meliert. Andere Übergänge hat man trotz -zahlloser Züchtungsversuche nicht erhalten, und vor allem ist es auch -nie gelungen, Mäuse zu züchten, die gleich den meisten Meerschweinchen -dreifarbig gescheckt sind. - -Nicht minder wunderbare Züchtungsprodukte haben die Japaner aus der -gemeinen Hausmaus zu machen verstanden. Die japanischen Ziermäuse -unterscheiden sich von den chinesischen durch geringere Körpergröße, -zierlichere Formen, namentlich spitzen Kopf, vor allem aber durch die -merkwürdige Eigenschaft, daß sie, wenn sie irgend ein Ziel erreichen -wollen, nicht geradewegs darauf losgehen, sondern schwankenden Ganges -hin und her wackeln, wobei sie häufig in eine drehende Bewegung -geraten, ja nicht selten auf einem Fleck so schnell herumwirbeln, daß -man Kopf- und Schwanzende nicht mehr voneinander unterscheiden kann. -Sie lieben es auch, um die runden Futternäpfe im Kreise herumzulaufen -und um Pflöcke, die man auf dem Boden ihres Käfigs befestigt hat, -herumzutanzen. Oft führen zwei zusammen einen Wirbeltanz aus. Diese -sogenannten ~japanischen Tanzmäuse~ zieht man in ihrer Heimat -gewöhnlich in zwei Rassen, nämlich in schwarzweißem und blauweißem -Kleide. Bei beiden Rassen überwiegt das Weiß, und Schwarz und Blau -sind jeweilen am Kopfende angehäuft. Nur selten erhält man auch fahl -und weiß gescheckte Tanzmäuse. In Frankfurt a. M. ist es indessen -neuerdings gelungen, zahlreiche verschiedenartige Tanzmäuse zu züchten, -und nach den dort angestellten Vererbungsversuchen lassen sich die -Tanzmäuse in denselben 19 verschiedenen Färbungs- und Zeichnungsformen -züchten, wie die chinesischen Mäuse, so daß es im Ganzen 38 -verschiedene Hauptrassen von Ziermäusen gibt. Dazu kommen noch einige, -allerdings sehr seltene Übergänge zwischen verschiedenen Rassen. - -Dieselbe Züchtungsarbeit hat man in Ostasien teilweise auch der -Wanderratte angedeihen lassen. Sie kommt weiß, schwarz oder braun -gescheckt vor, ist aber viel weniger mannigfaltig gefärbt als die -Ziermäuse. Am meisten wird die ~japanische Tanzratte~ gehalten, die -durch ihr Benehmen an die japanischen Tanzmäuse erinnert. Sie wird -gelegentlich auch vom Menschen verspeist, was sehr begreiflich ist, -da an ihr gewiß mehr Fleisch enthalten ist als an den Mäusen, die -demselben Zwecke dienen. - - - - -XIII. Die Katze. - - -Die Hauskatze, die als geborener Einzeljäger sich bis auf den -heutigen Tag auch als Haustier eine sehr selbständige Stellung als -Genosse des Menschen bewahrt hat und infolgedessen auch dem Einfluß -der künstlichen Züchtung so gut wie gar nicht unterliegt, ist kein -Abkömmling unserer europäischen Wildkatze (_Felis catus_), wie man -noch in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts annahm, sondern -stammt von der von Rüppel in Nubien entdeckten ~Falbkatze~ (_Felis -maniculata_), die in vorgeschichtlicher Zeit irgendwo im oberen -Nilgebiet zum Haustier erhoben wurde. Es ist dies ein fahlgelb bis -fahlgraues Tier, an Hinterkopf und Rücken rötlicher, mit weißem Bauch -und verwaschenen, schmalen, schwarzen Querbinden am Rumpf, die an -den Beinen deutlich hervortreten. Der Pelz ist an einigen Stellen -schwarz gesprenkelt; der Schwanz endet in eine schwarze Spitze, davor -hat er drei schwarze Ringe. Charakteristisch ist der Sohlenfleck, -d. h. die schwarze Färbung der Hinterseite der Hinterfüße von der -Pfote bis zum Hacken. Diese Färbung macht sich auch bei den gezähmten -Vertretern sehr leicht geltend und kommt niemals bei der europäischen -Wildkatze vor. Ferner ist bei den Hauskatzen wie bei deren Stammutter, -der Falbkatze, der Schwanz gleichmäßig zugespitzt und nicht am Ende -verdickt wie bei der europäischen Wildkatze, die auch nie schwarze -Sohlen aufweist. Dann wies der Engländer Hamilton nach, daß sich bei -den Hauskatzen die Stirne mit zunehmendem Alter verflacht, während -sie bei der europäischen Wildkatze höher wird. Alle diese Tatsachen -sprechen in demselben Sinne, daß eben die Hauskatze ein Abkömmling der -afrikanischen Falbkatze und nicht der europäischen Wildkatze ist. - -[Illustration: Bild 45. Links der Ammonspriester Mutsa (3), Vorsteher -des kgl. Schatzes, mit seiner Schwester Bati (4), einer Jungfrau des -Ammon, und seinem Sohne User (2) mit dem Wurfholz (Bumerang) auf der -Entenjagd, rechts derselbe Fische speerend. Im Dickicht ein Ichneumon, -der einen jungen Vogel aus dem Nest reißt, im Boot links eine gezähmte -Katze, die scheinbar bittet, ins Dickicht gelassen zu werden. Auf -diesem Wandgemälde der 18. Dynastie weist die Hauskatze noch die -schmalen schwarzen Querbinden ihrer Stammutter, der Falbkatze, auf. -(Nach Wilkinson.)] - -Wenn nun also die Hauskatze nicht von der europäischen Wildkatze -abstammt, ist es nicht zu verwundern, daß sie im vorgeschichtlichen -Europa durchaus fehlt; auch die älteren Griechen und Römer kannten -sie noch nicht. Ihre Rolle als Mäusevertilger besorgten bei ihnen -Wiesel und Iltis, die beide gezähmt gehalten wurden. Ebenso wird die -Katze nirgends in der Bibel erwähnt; auch im vedischen Zeitalter -Indiens war sie durchaus unbekannt. Aus allen diesen Gründen muß -die noch von W. Schuster vertretene ältere Ansicht, wonach unsere -Hauskatze von der Wildkatze abstammt, absolut verlassen werden, wenn -auch zuzugeben ist, daß da und dort durch gelegentliche Paarung von -Hauskatzen mit Wildkatzen Blut von letzterer in manche Stämme der -Hauskatze gelangte. Ganz abgesehen von der großen Schwierigkeit der -Zähmung der überaus wilden europäischen Wildkatze weicht auch der -anatomische Bau der Hauskatze in vielen Einzelheiten vollkommen -von demjenigen jener ab, stimmt aber sehr genau mit demjenigen der -nubischen Falbkatze überein. Nach François Lenormant kam die Hauskatze -als bereits gezähmtes Tier mit dem Hunde von Dongola erst zur Zeit des -Mittleren Reiches nach der Eroberung des Landes Kusch in Nubien durch -die Ägypter nach Ägypten und wird mit jenem zuerst auf Grabdenkmälern -der 12. Dynastie (2000-1788 v. Chr.) in Beni Hassan abgebildet. Dagegen -will neuerdings Konrad Keller sie schon zur Zeit der 6. Dynastie -(2750-2625 v. Chr.) in einem Grabgemälde von Sakkarah mit einem -Halsband, also dem Attribut eines Hausgenossen, abgebildet gefunden -haben. Genaueres darüber gibt er aber nicht an. - -Bei den alten Ägyptern wurde ihre Zucht in der Folge sehr populär; -denn die Katze, von ihnen nach ihrer Lautäußerung _mau_ genannt, -wurde als Jagdgehilfe und eifriger Bekämpfer von Ratten und Schlangen -von ihnen in hohem Maße geschätzt. So finden wir auf verschiedenen -Grabgemälden der 18. Dynastie (1580-1350 v. Chr.) von Kurnah, die -Sir Gardner Wilkinson publizierte, Ägypter in leichten Booten im -Schilfdickicht Jagd auf Wasservögel machen, wobei ihnen zahme Katzen -das vom Bumerang betäubte Wild durch geschicktes Schleichen zwischen -den Sumpfpflanzen holen. Wo also der Hund nicht zu gebrauchen war, -trat die Katze in ihr Recht und leistete dem Menschen gute Dienste. -Als Rattenvertilgerin finden wir die Katze aus leicht verständlichen -Gründen nirgends dargestellt; aber daß sie als solche fungierte, -beweist der berühmte satyrische Papyrus von Turin, in welchem die -Darstellungen der glorreichen Siege Ramses III. (1198-1167 v. Chr.) der -19. Dynastie an den Wänden des von ihm errichteten Tempels in Medinet -Abu in der Weise karikiert wurden, daß der auf seinem Kriegswagen stolz -einherfahrende König und seine Leute in Form von Ratten, die Feinde -dagegen, die Chethiter, in Gestalt von Katzen dargestellt wurden. In -einer Darstellung des Totenbuches aus dem Neuen Reiche finden wir -eine unter einem Baume sitzende Katze abgebildet, die unter der einen -Vordertatze einen Schlangenkopf hält. Tatsächlich jagt die Hauskatze -ebenso gern selbst die gefährlichsten Giftschlangen als die Mäuse und -Ratten. Dadurch mag sie sich bei den Ägyptern, jenen ausgesprochenen -Ackerbauern, denen die die Kornvorräte brandschatzenden Nagetiere, wie -auch die giftige Schlangenbrut äußerst lästig fielen, sehr bald in -hohe Gunst gebracht haben. Da sie andere Tiere verspeiste und damit -deren Seelen in sich aufnahm, sah man in ihr ein Geistwesen verkörpert, -dem als solchem so gut eine Kultpflege zukam, als dem die Umgebung -der menschlichen Wohnungen von Aas reinigenden Ibis oder Schakal. Wie -diese wurde sie in der Folge zu einem heiligen Tiere gestempelt, das -als guter Geist gern im Hause gehalten wurde, weil es durch seine -göttlichen Eigenschaften Segen in dasselbe brachte. Ihr Tod versetzte -die altägyptische Familie in Trauer, die man äußerlich durch Abrasieren -der Augenbrauen bekundete. Der Unglückliche, der freiwillig oder -unfreiwillig einer Katze das Leben raubte, war verloren. So schreibt -der griechische Geschichtschreiber Diodoros, mit dem Beinamen Siculus, -über Ägypten: „Wer dort irgend ein heiliges Tier absichtlich ums Leben -bringt, wird zum Tode verurteilt. Wer aber eine Katze oder einen -Ibis umbringt, muß sterben, wenn er auch die Sünde ohne es zu wollen -beging; das Volk läuft zusammen und behandelt, oft ohne Verurteilung, -den Missetäter aufs grausamste. Sieht also jemand ein totes heiliges -Tier, so bleibt er, um nicht in falschen Verdacht zu kommen, von ferne -stehen, schreit, wehklagt und beteuert, daß er es schon tot gefunden -habe. -- Die abergläubische Verehrung der heiligen Tiere ist bei den -Ägyptern tief und unwandelbar festgewurzelt. In der Zeit, da der König -Ptolemäus (XI, 81-51 v. Chr.), von den Römern noch nicht für einen -Freund erklärt war und sich das ägyptische Volk auf alle mögliche Weise -bemühte, den sich in ihrem Lande aufhaltenden Römern gefällig zu sein -und aus Furcht vor Rom jede Gelegenheit zu Beschwerden vermied, da -kam der Fall vor, daß ein Römer eine Katze ums Leben brachte. Alsbald -rottete sich das Volk wütend gegen ihn zusammen, und, obgleich er den -Mord gar nicht mit Vorsatz begangen, konnten doch weder die Bitten -des vom Könige hingesandten Beamten, noch die Furcht vor Rom den -unglücklichen Katzenmörder vom Tode erretten. -- Finden die Ägypter auf -ihren Kriegszügen in fremdem Lande tote Katzen oder Habichte, so sind -sie betrübt und nehmen die Tiere mit sich nach Hause.“ An einer anderen -Stelle berichtet derselbe Autor: „Den Katzen und Ichneumons brocken -die Ägypter Brot in Milch, locken sie herbei und setzen es ihnen vor, -oder sie füttern sie mit zerschnittenen Nilfischen. In ähnlicher Weise -füttern sie auch die übrigen heiligen Tiere. Die eigentlichen Wärter -jener Tiere tun groß mit ihrem wichtigen Götzendienst; sie tragen auch -besondere Abzeichen, und wenn sie durch Dörfer und Städte gehen, so -verbeugt sich jedermann ehrfurchtsvoll vor ihnen. Stirbt ein heiliges -Tier, so wickeln sie es in feine Leinwand, schlagen sich jammernd die -Brust und bringen es in die zum Einbalsamieren bestimmten Häuser. Ist -es dort mit Zedernöl und andern guten Dingen, die einen guten Geruch -geben und vor Verwesung schützen, durchdrungen, so wird es in einem -heiligen Sarge bestattet.“ - -Auch Herodot, der selbst in Ägypten war und die Sitten der Ägypter aus -eigener Anschauung kannte, schreibt: „Die Katzen in Ägypten lieben -ihre Jungen sehr, aber sie werden ihnen oft von den Katern geraubt. -Entsteht irgendwo eine Feuersbrunst, so kümmern sich die Ägypter nicht -ums Feuer, sondern um ihre Katzen. Sie stellen sich um diese herum -und halten Wache; aber die Katzen entwischen ihnen doch oft, springen -auch über sie hinweg und stürzen sich in die Flammen. Geschieht dies, -so kommt über die Ägypter große Trauer. Stirbt eine Katze, so scheren -sich alle Bewohner des Hauses ihre Augenbrauen ab; stirbt aber ein -Hund, dann scheren sie sich den ganzen Kopf ab. Die toten Katzen werden -in heilige Gemächer geschafft, einbalsamiert und dann in der Stadt -Bubastis beigesetzt. Die Hunde und Ichneumons werden in der Stadt, -in der sie starben, in heiligen Grüften bestattet, die Spitzmäuse -und Ibisse aber in Hermopolis. Die Bären, welche jedoch selten sind, -und die Wölfe, welche nicht viel größer sind als Füchse, werden da -begraben, wo sie gerade liegen.“ - -Die Angaben dieser beiden Autoren betreffend das Einbalsamieren der -verstorbenen Katzen und das darauffolgende Bestatten in besonderen -„heiligen Grüften“ sind durch das Auffinden von eigentlichen -Katzenfriedhöfen in Bubastis und Beni Hassan bestätigt worden. Hier -wurden sorgfältig einbalsamierte und mit Leinenbändern umwickelte -Katzenmumien in Menge gefunden. Der bedeutendste Kultort für die Katzen -war die Stadt Bubastis, im östlichen Delta, die ihren Namen (ägyptisch -_Pe Bast_ = Ort der Bast) von der dort verehrten Göttin Bast erhielt, -die mit einem Katzenkopfe dargestellt wurde. Es ist dies eigentlich -die Göttin Sekhet, die Gemahlin des Ptah, des großen Gottes von -Memphis, die ursprünglich löwenköpfig und erst seit dem Bekanntwerden -der Katze in Unterägypten katzenköpfig abgebildet wurde. Die Griechen -stellten sie später ihrer Artemis gleich. - -Wenn nun auch mit dem Untergang des alten Ägypten die Heiligkeit der -Hauskatze im Niltal dahin fiel, so sind doch Spuren derselben hier bis -auf unsere Zeit nachzuweisen. Noch heute glaubt man in Ägypten, daß -die Katze Glück bringen könne; sie wird von den dortigen Haremsdamen -verhätschelt und mit Ohrringen geschmückt. In Oberägypten gilt sie -heute noch als heilig und unverletzlich; sie ist dort nach Klunzinger -ebenso geehrt als die Hunde verachtet. In Kairo vermachte der Sultan Ez -Zahir Beibars einen Garten nördlich der Stadt zum Besten der Katzen. -Derselbe wurde dann verkauft, aber zurückerworben und dient heute -noch zur Erhaltung herrenloser Katzen; daneben besteht in jener Stadt -ein förmliches Katzenspital. Außerdem sind wiederholt Legate zu deren -Fütterung ausgesetzt worden. Diese Hochhaltung der Katze im heutigen -Ägypten wird mit der Vorliebe des Propheten Mohammed für diese Tiere -motiviert. Dieser soll einst, um ein in seinem weiten Ärmel liegendes -Kätzchen nicht in seinem Schlafe zu stören, denselben beim Aufstehen -abgeschnitten haben. Überhaupt ist der Morgenländer durchschnittlich -sehr rücksichtsvoll gegen seine Mitgeschöpfe. So erzählt ein deutscher -Edelmann, der im Mittelalter das Morgenland durchwanderte, von einem -Soldaten, der sich neben dem schönsten Schatten seufzend von der -Mittagssonne peinigen ließ, weil er das in seinem Schoß eingeschlafene -Kätzchen nicht stören wollte. - -Wie sich aus den Mumien ergibt, war die Gesamtfarbe der altägyptischen -Hauskatze noch ganz der der Falbkatze ähnlich. Nach Keller trifft man -solche Färbung noch heute häufig bei den Hauskatzen in den Küstenorten -des Roten Meeres. Auch das Knochengerüst beider Arten entspricht -einander vollkommen. Jedenfalls hat sich hier in ihrem natürlichen -Verbreitungsgebiet die Falbkatze je und je mit der Hauskatze gepaart -und so zur Auffrischung des Blutes beigetragen. Aber auch die Wildform -selbst mag da und dort später wiederholt gezähmt worden sein, wie dies -heute noch bei den Niam-Niam der Fall ist, die die Falbkatze fangen und -sie in kurzer Zeit an die Wohnung gewöhnt haben, so daß sie ihnen nicht -mehr entläuft, sondern sich, mit Mäusefang beschäftigt, in deren Nähe -verweilt. Diese Beobachtung von G. Schweinfurth bestätigte C. Keller, -indem ihm auf seiner Reise in Nubien wiederholt gezähmte Exemplare der -wilden Falbkatze angeboten wurden. Er schreibt ferner: „Am mittleren -Webi in den Somaliländern konnte ich gezähmte Falbkatzen in den Dörfern -antreffen, die ich vorher in Ogadeen nirgends vorfand. Sie dienen dazu, -die Getreideschuppen gegen die schädlichen Nager zu schützen. Übrigens -richten die Somalifrauen auch ihre Knaben in origineller Weise zum -Mäusefang ab und, wie ich mich überzeugt habe, entwickeln diese ein -großes Geschick. Diese Tatsache liefert vielleicht die Erklärung für -das lokale Fehlen der Hauskatze in manchen Gebieten Ostafrikas.“ - -Vom Niltal verbreitete sich die Hauskatze im Altertum nur langsam -nach Syrien, Persien und von da nach Indien. Bei den Indern galt die -weiße Katze als das Symbol des Mondes, der die grauen Mäuse, d. h. die -Schatten der Nacht vertreibt. In China wird die Katze zum erstenmal -im 6. Jahrhundert v. Chr. erwähnt. Ein Bekanntwerden der Griechen mit -der ägyptischen Katze läßt sich vor dem 5. Jahrhundert v. Chr. nicht -nachweisen und war auch da nur vereinzelt. So berichtete Herodot -seinen Landsleuten von der hohen Wertschätzung dieses Tieres in ihrer -ägyptischen Heimat. Im 4. Jahrhundert v. Chr. wurde die Katze in den -griechischen Kolonien Süditaliens in einzelnen Exemplaren von Kyrene -her eingebürgert; doch vermochte sie auch hier nicht den älteren -Vorläufer, das Wiesel, zu verdrängen. Bei den Römern fand sie erst -um 100 v. Chr. Eingang. Bei ihnen hatte das Wort _felis_ zuerst den -Edelmarder, dann die Wildkatze und, von ihr übertragen, zuletzt die -Hauskatze bezeichnet. Zu Beginn der christlichen Zeitrechnung treffen -wir sie immer noch nur vereinzelt als Haustier bei den alten Römern. -Der ältere Plinius kennt und beschreibt sie unter dem Namen _tigris_: -„Die Katzen schleichen ganz still und leise, wenn sie ein Vögelchen -haschen wollen; den Mäusen lauern sie heimlich auf und springen dann -plötzlich auf sie los. Ihren Kot bedecken sie mit zusammengerscharrter -Erde, damit er ihre Anwesenheit nicht verrate.“ Seine Zeitgenossen -Columella und Seneca raten die Hühner vor ihnen zu hüten. Dies rät -Palladius um 380 n. Chr. dadurch zu tun, daß man letzteren ein -Stückchen Raute unter den rechten Flügel bindet. Er sagt, daß man sich -Katzen zum Wegfangen der Maulwürfe halte. Von allen Geschichtschreibern -erwähnt sie nur Dio Cassius einmal, indem er in der Biographie des -Tiberius sagt: „Während Sejanus zur Zeit, da Tiberius regierte (14-37), -noch allmächtig war, kamen einmal eine Menge Gratulanten zu ihm und -das Sopha, auf das sie sich setzten, brach zusammen; dann lief dem -Sejanus, als er aus dem Hause ging, eine Katze über den Weg. Hierdurch -ward ihm, vor dem sich damals alles beugte, Verderben prophezeit.“ Auch -ist ihre Darstellung bisher nur ein einziges Mal auf einem römischen -Mosaik gefunden. Jedenfalls spielte die Katze im antiken Haushalt -neben dem hier früher als Mäusefänger gebräuchlichen Frettchen eine -sehr bescheidene Rolle. Erst vom 4. Jahrhundert n. Chr. an wurde -das bis dahin noch häufig gehaltene Hauswiesel ganz von der Katze -verdrängt, die damals einen besonderen Namen, nämlich _catus_ erhielt, -woraus später im Vulgärlatein _catta_, und daraus im Italienischen -_gatta_, im Französischen _chat_, im Deutschen dagegen Katze wurde. -Die römische Bezeichnung _catus_ aber, die bei den Byzantinern als -_katós_ gebräuchlich war, stammt aus dem syrischen Worte _katô_, das -seinerseits wiederum mit dem nordafrikanischen _gâda_ und _kadiska_ -zusammenhängt. So sehen wir auch in der Terminologie den Weg -angedeutet, den das Tier in der Tat aus dem Niltal über Syrien und das -Römerreich bis ins Herz Europas nahm. - -[Illustration: Bild 46. Katze und Maus. Holzschnitt zu den Fabeln des -Äsop. (Gedruckt 1475 von Joh. Zainer in Ulm.)] - -Zur späteren ausgiebigen Verbreitung der Katze durch die Länder am -Mittelmeer und in Europa trug wesentlich das christliche Mönchtum -bei, das ja in Ägypten seinen Anfang nahm und sich dort sehr bald mit -der Hauskatze befreundet hatte. So berichtet uns Johannes Diaconus im -Leben des heiligen Gregor (um 600), ein Eremit habe, durch die Predigt -dieses großen Mannes gerührt, seinen einzigen Schatz auf Erden, seine -Katze, opfern wollen. Aus dem Mittelalter findet sich die Angabe, -daß die Mönche eines Klosters auf Zypern Katzen gezogen hätten, um -die Schlangen zu bekämpfen. Damit an diesen frommen Orten die Kater -nicht ihren sinnlichen Lüsten frönten, verschnitt man gewöhnlich die -Klosterkatzen. Es ist dies dasselbe Bestreben, das nicht nur Frauen, -sondern überhaupt weibliche Tiere vom heiligen Berge Athos mit seinen -zahlreichen Mönchsklöstern aufs strengste fernzuhalten sucht. - -Noch im 10. Jahrhundert war die Katze in Mitteleuropa recht selten; so -mußte damals in Sachsen und Wales derjenige, der eine solche getötet -hatte, als Strafe so viel Getreide entrichten, daß das am Schwanze -aufgehängte und mit der Schnauze den Boden berührende Tier von diesem -vollständig bedeckt ward. Damals wird es wohl nur gelbe und braune -Katzen in Europa gegeben haben. - -Um 1620 fand dann der Italiener Pietro della Valle in Chorasan sehr -schöne langhaarige Katzen, von denen er ein Paar mit nach Europa -brachte. Es sind dies vielleicht die Vorläufer der ~Angorakatze~, die -besonders in Persien und Kleinasien gehalten wird, aber aus Innerasien -stammt. Die dichte und lange Behaarung, die blau, blaugrau, schwarz, -bunt oder einfarbig weiß ist, will der russische Forscher Pallas der -Kreuzung mit der ziemlich langhaarigen asiatischen Steppenkatze (_Felis -manul_) zuschreiben. Da die Wildkatzen sich überall gelegentlich mit -den einheimischen Hauskatzen paaren, ist dies sehr wahrscheinlich; doch -könnte schließlich auch die gewöhnliche Hauskatze unter der Einwirkung -des rauhen Gebirgsklimas Innerasiens eine längere Behaarung erhalten -und diese an ihre Nachkommen vererbt haben. - -[Illustration: - - Tafel 49. - -Altägyptische Hauskatzen mit Mäusen in einer Fabel des satirischen -Papyrus des Neuen Reichs (18. bis 19. Dynastie, 1580-1205 v. Chr.).] - -[Illustration: - - Tafel 50. - - (_Copyright by M. Koch, Berlin._) - -Gepard oder Jagdleopard. - - (_Copyright by M. Koch, Berlin._) - -Frettchenfamilie vor einem Kaninchenbau.] - -Die europäische ~gemeine Hauskatze~ ist also ein mehr oder weniger -reiner Abkömmling der nubischen Falbkatze, die sich in ihrer -primitivsten Erscheinung in Ostafrika und in den Ländergebieten am -Roten Meer erhielt. Die dort angetroffene Hauskatze stimmt ganz -auffallend mit der wilden Falbkatze überein; sie ist nämlich fahlgelb -oder fahlgrau mit rötlichem Anflug, die Nasengegend rostrot mit -dunklerer Einfassung. Der Fuß ist bis zur Ferse unterseits schwarz -behaart; auch zeigt der Pelz mehr oder weniger deutlich dunkle Flecke. -Die Bauchseite ist heller, der Körper schmächtig gebaut, der Schwanz -lang und wenig voll. Diese Katze steht der altägyptischen Hauskatze -sehr nahe, die stets gelblich, von hellgelb bis dunkelbraun wechselnd, -gefärbt war. Die Ohren mancher Exemplare erscheinen auffallend groß -und zugleich an der Spitze mit einem kleinen Haarbüschel versehen. -Dies beweist eine Kreuzung der ägyptischen Hauskatze mit dem alsbald -zu besprechenden ~Sumpfluchs~ (_Felis chaus_). Die betreffenden -Bastarde unterscheiden sich von den Hauskatzen von reiner Abstammung -von der Falbkatze außerdem durch die gedrungene und größere Gestalt, -das dunkelgefleckte Fell und den langhaarigen Schwanz. Dieses -Kreuzungsprodukt wurde, wie verschiedene Bilder beweisen, auch zur -Vogeljagd abgerichtet. Doch scheint in ihnen das Blut der Falbkatze -überwogen zu haben. Die kräftige Gestalt auch dieser Katzen zeugt -davon, daß sie schon damals in Ägypten nicht in engem Gewahrsam, -sondern in voller Freiheit wie heute noch aufwuchsen. In dieser -altertümlichen Gestalt hat sich die Hauskatze in Europa einzig auf -der Insel Sardinien erhalten, wo sie jedoch verwildert ist und -als Rückschlagserscheinung kleine, schwarze Ohrpinsel zeigt. Die -europäischen Hauskatzen weisen schon weitere Veränderungen auf und -variieren stark in der Körperfärbung. Es gibt unter ihnen wildfarbene, -graugestreifte, gefleckte, mausgraue, schwarze und weiße Spielarten. -Die sogenannte ~Zypernkatze~, die durch ihre schwarze Streifung -auf gelblichgrauem Grunde stark an unsere Wildkatze erinnert, muß -wie die andern wildfarbenen, gestreiften und gefleckten Hauskatzen -stark Blut der europäischen Wildkatze aufgenommen haben, die sich -besonders früher, da sie häufiger war, oft mit der Hauskatze zu -paaren Gelegenheit hatte. Weit seltener als die Zypernkatzen sind -die gelbgrauen Katzen ohne schwarze Zeichnung am Kopf, Rumpf und -Schwanz, nur mit zwei schwarzen Querbändern an den Vorderbeinen. -Ihnen schließen sich die gelbschwarzen Katzen an, die auf gelblichem -Grunde unregelmäßige, an den Rändern verwaschene, ziemlich kleine -schwarze Flecken ohne Beimischung von Weiß zeigen. Meist sind diese -weiblichen Geschlechts und die zugehörigen Männchen sandfarben. Doch -können auch Weibchen sandfarben sein, und Katzen, die auf sandfarbenem -oder gelbschwarzem Grunde weiß gescheckt sind, finden sich in beiden -Geschlechtern nicht selten. Ziemlich lang und weichhaarig grau mit -schwarzen Lippen und Fußsohlen sind die sogenannten ~Karthäuserkatzen~. -Weiße Katzen haben entweder gewöhnliche Katzen- oder rein blaue Augen. -Dabei kann nun das eine Auge blau und das andere von gewöhnlicher -Färbung sein. Sind beide Augen blau, so ist die weiße Katze meist taub. -Schwarze Katzen haben meist gelbe Augen. - -Stummelschwänzig oder nahezu schwanzlos ist die ~Katze der Insel -Man~ zwischen England und Island. Dazu hat sie einen großen Kopf -und unverhältnismäßig lange und starke Hinterbeine. Sie ist eine -unermüdliche Springerin und Kletterin und stellt den Vögeln viel -mehr nach als andere Hauskatzen. Die Färbung ist verschieden. Bei -der Kreuzung mit der gewöhnlichen Hauskatze sind die Nachkommen -teils kurzschwänzig, teils schwanzlos. Über die Entstehung dieser -eigentümlichen Rasse ist nichts Näheres bekannt geworden. Sie -wird wohl plötzlich durch Mutation hervorgegangen sein. Wie -unter den europäischen gibt es auch unter den asiatischen Katzen -stummelschwänzige, so besonders in China und Japan. In Siam, Birma -und auf der Halbinsel Malakka lebt die ~malaische Haus-~ oder -~Knotenschwanzkatze~, deren Schwanz nur die halbe Länge gewöhnlicher -Hauskatzenschwänze hat und oft infolge einer Mißbildung der Knochen zu -einem festen Knoten verdickt ist. Diese Anomalie ist angeboren und wird -vererbt. - -Die ~chinesische Hauskatze~ besitzt ein seidenweiches, langes Haar von -lichtgelber bis weißer Farbe. Unter dem Einflusse der Domestikation -ist sie wie so viele andere Haustiere hängeohrig geworden. Sie wird -in China viel gezüchtet, um nach vorhergehender Mästung geschlachtet -und als beliebte Speise verzehrt zu werden. Sie scheint stark Blut -der asiatischen Wildkatze in sich aufgenommen zu haben. Auch in -Südwestindien, speziell in Kotschin, wird die Hauskatze häufig -gegessen, wie übrigens auch in Frankreich, wo deren Fleisch regelrecht -auf den Markt gelangt. Die schönste und edelste aller Katzen aber ist -die ~Siamkatze~, die außer in ihrer Heimat auch in China und Japan als -Luxustier gehalten wird, dort sehr hoch im Preise steht und nur selten -nach Europa gelangt. Die frischgeworfenen Jungen sind blendendweiß -mit roten Augen, also eigentliche Albinos, die aber später durch -Pigmentbildung sich verfärben. Der dichte, kurzhaarige Pelz wird dann -silbergrau bis schokoladebraun, mit schwärzlichem Gesicht, ebenso -werden die Füße, Schwanzspitze und Ohrspitzen schwarz. Die Augen sind -blau. Ihre Abstammung ist unbekannt. In reiner Rasse ist sie nur aus -dem Palaste des Königs von Siam zu bekommen, der allein das Vorrecht -besitzt, sie zu halten. Sie ist geistig hochbegabt und sehr zutraulich, -was schon auf ein sehr altes, inniges Zusammenleben mit dem Menschen -hinweist. Die gewellten oder gefleckten Hauskatzen Indiens scheinen -Kreuzungsformen der Hauskatze mit der indischen Wüstenkatze zu sein. - -Überall, wo der Mensch unter der Mäuseplage zu leiden hatte, hat er die -Hauskatze kommen lassen, so der Konquistador Almagro, der nach Herrera -dem Italiener Montenegro, der die erste Katze nach Peru brachte, dafür -600 Pesos (= 2634 Mark) gab. Dort werden sie heute zur Unterhaltung -der verschiedenen Madonnen in die Kirche gelassen, indem die -betreffenden Besitzerinnen glauben, jene werden sich für eine solche -Liebenswürdigkeit erkenntlich erzeigen und ihnen ihre Wünsche eher -erfüllen. In Bolivia sind heute gemästete Katzen ein Lieblingsgericht -der vorwiegend indianischen Bevölkerung. Auch bei der ersten -Besiedelung des Goldlandes von Cuyabá am Paraguay um 1745 wurde für -die erste, zur Beseitigung der Mäuseplage kommen gelassene Hauskatze -nicht weniger als ein Pfund Gold bezahlt. Als Missionar Sagard bei -seiner Abreise 1626 dem Huronenhäuptling eine Katze schenkte, nahm -dieser sie mit großem Dank entgegen. Als in Neuseeland um 1855 die -Ratten verheerend auftraten, wurde 1857 eine ganze Schiffsladung Katzen -dahin eingeführt. Im 14. Jahrhundert soll Whittington, einer der ersten -Handelsfürsten Englands, den Grund seines großen Vermögens dadurch -gelegt haben, daß er seine Katze einem westafrikanischen Häuptling -abtrat, der derselben wegen der Mäuse stark bedurfte. Dort sind die -Katzen heute gemein; an der Goldküste wurden sie nach Bosmann auch -gegessen. Nach Nachtigal verehrten die Heiden des alten Negerlandes Dar -Fur eine weiße Katze, wie nach dem älteren Plinius in der Stadt Rhadata -eine goldene Katze angebetet wurde. Jedenfalls ist mit dem alten -Kulttier auch die Heiligkeit desselben gewandert. So treffen wir selbst -in den Vorstellungen unseres Volkes noch Spuren davon. So soll die -Katze, wenn sie ihre Pfoten vor dem Fenster säubert, Besuch ankündigen, -d. h. der in ihr wohnend gedachte, die Zukunft vorausschauende Geist -soll diesen erblicken und damit anmelden. Ferner wird der Glaube noch -häufig angetroffen, daß, wer die Hauskatze nicht gut füttert, einen -schlechten Hochzeitstag erlebt. Nach dem deutschen Volksmärchen steht -die schwarze Katze stets mit dem Bösen im Bunde; deshalb ist sie auch -die unzertrennliche Begleiterin der Hexe. Wohl durch diese Stellung -als Kulttier während vieler Generationen hat die Katze mit der Zeit -etwas Eigenwilliges und Aristokratisches angenommen. Wenn sie auch -nicht mehr so unzuverlässig ist wie die gezähmte Wildkatze, so ist sie -doch nicht so gutmütig wie der Hund. Ohne gerade falsch zu sein, wie -man gern behauptet, läßt sie sich schon durch geringe Behelligung zum -Kratzen und Beißen verleiten. Im allgemeinen ist die Katze schon als -Einzeljäger viel selbständiger als der Hund und läßt sich vom Menschen -nicht alles bieten. Leicht entzieht sie sich ihm durch Flucht, kehrt -aber später gern wieder ins Haus und in ihr gewohntes Lager zurück. - -Neben der Katze hatten die Ägypter des Mittleren Reiches auch den -~Sumpfluchs~ (_Felis chaus_) gezähmt, der bisweilen den vornehmen -Jäger auf der Jagd im Sumpfe begleitete und die von ihm mit dem -bumerangartigen Wurfgeschoß getroffenen Vögel apportieren mußte. Dieser -wurde, wie bereits erwähnt, gelegentlich mit der Hauskatze gekreuzt, -doch lassen sich keine tiefergehenden Einwirkungen von ihm auf die -altägyptische Hauskatze nachweisen. Auch er galt dem Ägypter als -heiliges Tier und wurde in Beni Hassan mehrfach mumifiziert vorgefunden. - -Zur Zeit des Neuen Reiches gab es am ägyptischen Hofe auch gezähmte -~Löwen~, die den Herrscher umgaben und ihn sogar in die Schlacht -begleiteten. So ist an einer der Tempelwände von Karnak König -Ramses II. (1292-1225 v. Chr.) auf seinem Streitwagen mitten in der -Schlacht dargestellt, und um ihn kämpfte mit derselben Bravour wie -er sein „Leiblöwe“, von dem es im Bericht über jene Schlacht gegen -die Chethiter heißt: „Der große Löwe, der seinen Wagen begleitete, -kämpfte zugleich mit ihm; die Wut ließ alle seine Glieder erzittern -und wer sich ihm näherte, den schlug er zu Boden.“ An einem der Pylone -von Luksor sehen wir denselben Herrscher auf dem gleichen Feldzuge -im Lager ruhend. Vor seinem Zelt ruht an einer Kette der Löwe, von -einem mit einer Keule bewaffneten Hüter bewacht; denn so zahm er auch -war, so konnte man ihm doch im Lager nicht trauen. Mit demselben -äußeren Symbol seiner Herrschermacht, dem gezähmten Löwen, umgab sich -auch sein Nachfolger, Ramses III. (1198-1167 v. Chr.). Auf einem -Basrelief am Palast von Medinet Abu ist er auf seinem Streitwagen -fahrend dargestellt und vor ihm marschiert ein Löwe neben den beiden -Wagenpferden. Zur Jagd allerdings konnte der Löwe nicht verwendet -werden. Es ist zweifellos ein Irrtum, wenn Sir Gardner Wilkinson -nach einer Grabmalerei von Beni Hassan aus der Zeit des Mittleren -Reiches, der 12. Dynastie (nämlich 2000 bis 1788 v. Chr.), auf welcher -eine Löwin mitten unter andern Tieren einen Steinbock überfallen und -niedergeschlagen hat, während sich ein Jäger mit Pfeil und Bogen in -der Hand der Gruppe nähert, aus dieser Zusammenstellung schließen -zu dürfen glaubt, es sei dies eine zur Jagd dressierte zahme Löwin. -Allerdings scheint im alten Indien dieses Bravourstück geleistet -worden zu sein; denn der griechische Schriftsteller Älian berichtet: -„In Indien gibt es gewaltig große Löwen, die entsetzlich grimmig sind -und eine schwarze Mähne besitzen. Jung aufgezogen können sie aber so -zahm werden, daß man sie zur Jagd auf Rehe, Hirsche, Wildschweine, -Stiere und wilde Esel benutzen kann.“ In diesem Falle scheint der Autor -wirklich Löwen und nicht, wie Lenormant glaubt, Geparde gemeint zu -haben. - -Auch später war am persischen und römischen Hofe zeitweise der gezähmte -Löwe als Begleiter des Monarchen anzutreffen. So schreibt Dio Cassius: -„Der römische Kaiser Antoninus Caracalla (212-217) hielt sich mehrere -zahme Löwen und hatte sie immer bei sich. Am liebsten hatte er den -einen, den er Acinaces nannte und oft vor allen Leuten küßte. Dieser -pflegte mit ihm zu speisen und sich auf seinem Ruhebette zu lagern. Ehe -der Kaiser ermordet wurde, wollte ihn der Löwe vor der Gefahr warnen -und hielt ihn, als er ausgehen wollte, am Kleide so fest, daß dieses -sogar zerriß, aber Antoninus achtete der Warnung nicht.“ Und Älius -Lampridius berichtet: „Der römische Kaiser Heliogabalus (218-222) hielt -sich zahme Löwen und Leoparden und hatte seinen Spaß mit ihnen. Die -Zähne und Krallen waren ihnen kurz und stumpf gemacht. Bisweilen, wenn -er ein Gastmahl gab, ließ er beim Nachtisch die Bestien eintreten und -neben den Gästen Platz nehmen und lachte sich über die Angst seiner -Freunde halb tot. Er fütterte auch seine Löwen und Leoparden oft mit -Papageien und Fasanen. -- Er fand auch großes Vergnügen daran, seine -Gäste abends betrunken zu machen, brachte sie dann in einen Saal und -schloß sie ein; dann ließ er Löwen, Leoparden und Bären hinein, deren -Zähne und Krallen abgestumpft waren. Die meisten Gäste starben, wenn -sie aufwachten und die Ungeheuer sahen, vor Schreck. -- Er ließ auch -Löwen vor seinen Wagen spannen und sagte, er sei die Göttin Cybele“, -die man sich mit einem Löwengespann fahrend vorstellte. - -Auch der ~Tiger~ war schon im Altertume teilweise gezähmt. So schreibt -der griechische Geschichtschreiber Älian: „Unter den Geschenken, welche -die Inder ihrem Könige bringen, sind auch zahme Tiger.“ Dann berichtet -der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte: „Pompejus der Große hat -zu Rom den ersten zahmen Tiger in einem Käfig gezeigt, Kaiser Claudius -aber vier zu gleicher Zeit.“ Und der römische Geschichtschreiber -Lampridius bemerkt: „Kaiser Heliogabalus spannte Tiger vor den Wagen -und sagte, er sei Bacchus.“ Der Tiger war bekanntlich das Attribut -des aus dem Morgenlande, und zwar dem fernen Indien, über Kleinasien -zu den Griechen gekommenen Gottes der ausgelassenen Lebensfreude und -Fruchtbarkeit des Bodens, nämlich Bacchus. Er ließ sich der Sage nach -auch im Abendlande von den Tigern Indiens ziehen und behing sich mit -dem Tigerfell, an dessen Stelle erst später das Leopardenfell trat. -Ähnlichen Zeitvertreib wie Heliogabalus hatte sich übrigens schon -Kaiser Vespasians Sohn Titus als Kronprinz geleistet, bis er dann mit -der Übernahme der Regierung löblicherweise eine ernste Lebensführung -begann. Sonst haben diese großen Katzenarten nur als Prunkstücke für -einzelne Vornehme oder Herrscher eine Rolle gespielt, nie jedoch -praktische Bedeutung für den Menschen erlangt. - -Anders ist dies mit dem ~Gepard~ der Fall, welcher schon im hohen -Altertum im Morgenlande zum Jagdgehilfen des Menschen abgerichtet -wurde. So treffen wir ihn mehrfach an der Kette geführt als Begleiter -des vornehmen Jägers auf Wandgemälden des alten Ägypten; doch gelangte -er als gezähmter Genosse des Menschen nie zu den Griechen und Römern; -wenigstens ist uns nichts davon überliefert. Dagegen hat er im Orient -bis auf den heutigen Tag eine bedeutende Rolle als Jagdgehilfe des -Menschen gespielt, so daß er hier eine eingehende Besprechung verdient. - -Von Afrika aus, wo er sich in verschiedenen Unterarten fast über -den ganzen Erdteil ausdehnt, erstreckt sich das Verbreitungsgebiet -des Geparden über ganz Westasien bis Indien. Der am ganzen Körper -getüpfelte ~asiatische Gepard~ oder ~Tschita~ (_Cynailurus guttatus_) -ist schlanker und hochbeiniger als der mit weißem Bauch, ohne -Fleckenzeichnung daran versehene ~afrikanische Gepard~ oder ~Fahhad~ -der Araber (_C. guttatus_). Letzterer wird auch gelegentlich für -die Jagd dressiert und ist die gewöhnlich in den Menagerien und -Tiergärten angetroffene Art. Aber der eigentliche „~Jagdleopard~“ -ist der asiatische Gepard, der gezähmt ein wichtiges Zubehör des -Hofstaates indischer Fürsten bildet. Dieses Tier, von der Größe eines -Leoparden, nur viel schlanker und höher gestellt, ist in eigenartiger -und weitgehender Weise dem Leben in der Steppe angepaßt. Sein Körper -trägt die charakteristische gelbbräunliche Wüstenfärbung mit kleinen, -runden, innen nicht helleren schwarzen Flecken und ist durch die -hohen Beine und den schlanken Leib zum außerordentlich schnellen -Verfolgen seiner Beutetiere befähigt. Letztere bilden in Indien die -~Schwarzbockantilopen~ (_Antilope cervicapra_), die viel in unsern -zoologischen Gärten gehalten und gezüchtet werden und meist unter -dem Namen Hirschziegenantilopen bekannt sind. In der Nachbarschaft -der Ebenen, auf denen diese Antilopen weiden, hält sich der Gepard -auf niedrigen Felsenhügeln auf und beschleicht von hier aus mit -außerordentlichem Geschick gegen den Wind und jede Unebenheit des -Bodens, Gebüsch und dergleichen als Deckung benutzend, seine Beute. Hat -er sich ihr auf 150-200 Schritte genähert, so schießt er in gewaltigen -Sätzen unglaublich schnell auf sie los und hat sie bald eingeholt. Mit -gewaltigen Tatzenhieben schlägt er die Antilope zu Boden und tötet -sie durch einen Biß in die Kehle. Gelingt es ihm nicht, das Wild nach -400-600 Schritten einzuholen, so läßt er von der Jagd ab, da er diese -außerordentliche Schnelligkeit, die ihn beim Laufen auf kurze Strecken -als schnellstes aller Säugetiere erscheinen läßt, nicht längere Zeit -entwickeln kann. - -Der Gepard jagt paar- oder familienweise. Seine Zähmung und Abrichtung -zur Jagd ist eine sehr einfache und wird von Angehörigen einer -besonderen Kaste vollzogen. Er wird in der Weise gefangen, daß rund um -einen besonderen Baum, um den sich diese Tiere zum Spiele zu versammeln -und an welchem sie ihre Krallen zu schärfen pflegen, Schlingen aus -getrockneten Antilopensehnen mit Pflöcken auf dem Boden befestigt -werden. Kommen die Tiere bei Sonnenuntergang zu dem betreffenden, an -seinen Kratzspuren erkennbaren Baum, so fangen sie sich leicht in -den geschickt angebrachten Schlingen. Die in der Nähe auf der Lauer -liegenden Inder eilen alsbald herbei, werfen eine Wolldecke über sie, -binden ihnen die Beine zusammen und fahren sie auf dem inzwischen -herangekommenen Ochsenfuhrwerk in das Dorf, wo die Frauen und Kinder -dazu beordert werden, den ganzen Tag über bei den frischgefangenen -Tieren zu verweilen und sich laut miteinander zu unterhalten, um die -Geparde dadurch an die menschliche Stimme zu gewöhnen. Haben sie sich -daran gewöhnt, so werden sie an einen Baum oder eine Hütte möglichst -nahe an einem belebten Ort angekettet, damit sie fortwährend Menschen -sehen und sich an ihren Anblick gewöhnen. Dann beginnt die verschiedene -Stufen durchlaufende Abrichtung der Geparde, die in etwa sechs Monaten -beendet ist. Dabei sind die Tiere so sanft und gelehrig wie Hunde -geworden, nehmen zutraulich die Liebkosungen des Menschen entgegen, -sind selbst Fremden gegenüber gutmütig, glätten beim Streicheln ihr -Fell an ihren Freunden, nach Art der Hauskatzen schnurrend. Gewöhnlich -hält man die zahmen Jagdleoparden vor dem Haus mit einer Kette an der -Wand befestigt, auf einer Eingeborenenbettstelle, nicht aber in einem -Käfig. - -Nur erwachsen gefangene Geparde werden in Indien zur Jagd abgerichtet; -denn die indischen Schikaris oder Gepardjäger halten mit Recht dafür, -daß nur solche, die von ihren Eltern in der Wildnis das Jagen erlernt -haben, gute Jäger in der Gefangenschaft abgeben. Will man mit dem -gezähmten und abgerichteten Geparde jagen, so setzt man ihm eine ihn -am Sehen hindernde Kappe aus Leder auf, bindet eine Schnur an einen -um seinen Hals oder um seine Weichen gehenden Lederriemen, setzt ihn -auf ein Ochsenfuhrwerk und fährt mit ihm so nahe als möglich in die -Nachbarschaft von Antilopen, die sich vor gewöhnlichen Landwagen, -die sie täglich sehen, nicht fürchten und deshalb leicht eine starke -Annäherung eines solchen Gefährtes erlauben. So kann sich ein Karren -bis auf 200 Schritte einem Rudel Antilopen nähern. Alsbald nimmt -der Jäger dem Jagdleoparden die Kappe vom Kopf und läßt ihn los. Je -nach der Entfernung von den Antilopen eilt er dann entweder ohne -weiteres auf sie zu, oder er schleicht sich, indem er die Unebenheiten -des Bodens mit Vorteil benutzt, so weit an sie heran, daß er einen -erfolgreichen Überfall unternehmen kann. Ist ein Antilopenbock in -der Herde, so ergreift der Gepard gewöhnlich diesen, wahrscheinlich -aber nur deswegen, weil der Bock als Führer des Rudels am weitesten -zurückbleibt. Der Jagdleopard stürzt sich auf die Antilope und soll -sie dadurch, daß er mit einer Pranke von unten an ihre Beine schlägt, -zu Falle bringen, worauf er das gefallene Tier an der Kehle ergreift -und so lange festhält, bis der Jäger herangekommen ist. Darauf -durchschneidet dieser mit seinem Jagdmesser die Kehle der Antilope, -sammelt etwas von ihrem Blut in die mitgenommene Freßschüssel des -Jagdleoparden und gibt es diesem, der es eifrig aufleckt, zu trinken, -wobei er ihm in einem geeigneten Augenblick die Kappe wieder über den -Kopf zieht, um ihn alsbald wieder zur Jagd zu verwenden; denn ein -guter Jagdleopard soll manchmal nicht weniger als vier Böcke an einem -einzigen Morgen erbeuten. - -In ganz Indien ist der gezähmte Gepard ein geschätzter Jagdgehilfe des -Menschen. An den Höfen der indischen Fürsten wird er in großer Menge, -bis hundert Stück, gehalten, was allerdings ein sehr kostspieliges -Vergnügen bedeutet, da dessen Unterhalt und Wartung durch ein ganzes -Heer von Wärtern und Jägern, die ungefähr die geachtete Stellung der -Falkner bei uns im Mittelalter bekleiden, große Summen verschlingt. -Der reichste von allen indischen Fürsten, der Großmogul von Delhi, -soll bis zu tausend Geparde auf seinen Jagdzügen mit sich geführt -haben. Der Schah von Persien läßt sie sich aus Arabien kommen und -hält sie in einem besonderen Hause. Im Jahre 1474 sah der Italiener -Guiseppe Barbaro beim Fürsten von Armenien etwa hundert Stück -Jagdleoparden. Früher kamen gelegentlich solche Jagdleoparden als -Geschenke orientalischer Fürsten auch an europäische Höfe. So erhielt -beispielsweise der deutsche Kaiser Leopold I. um 1680 vom türkischen -Sultan zwei abgerichtete Jagdleoparden, mit denen er oftmals jagte. Da -aber diese Tiere sehr der Wärme bedürfen, so sind sie bei uns recht -hinfällig und kurzlebig, dauern aber in ihrer heißen Heimat sehr lange -aus. - -Wie außerordentlich zahm und zutraulich der Gepard wird, das bezeugt -Brehm, der selbst einen solchen besaß und dreist wagen durfte, ihn -an einem Stricke durch die Straßen seiner Heimatstadt zu führen. -Solange er es nur mit Menschen zu tun hatte, ging er ihm stets ruhig -zur Seite; nur wenn er Hunden begegnete, zeigte er eine große Unruhe -und wäre gern gegen sie losgesprungen. Das war das einzige Tier, das -ihn in Aufregung brachte. In seinem Tierleben schreibt Brehm von ihm: -„Daß die Zähmung nicht schwierig sein kann, wird jedem klar, der einen -Gepard in der Gefangenschaft gesehen hat. Ich glaube nicht zuviel zu -sagen, wenn ich behaupte, daß es in der ganzen Katzenfamilie kein so -gemütliches Geschöpf gibt wie unseren Jagdleoparden, und bezweifle, -daß irgend eine Wildkatze so zahm wird wie er. Gemütlichkeit ist der -Grundzug des Wesens unseres Tieres. Dem angebundenen Gepard fällt -es gar nicht ein, den leichten Strick zu zerbeißen, an den man ihn -gefesselt hat. Er denkt nie daran, dem etwas zuleide zu tun, der sich -mit ihm beschäftigt, und man darf ohne Bedenken dreist zu ihm hingehen -und ihn streicheln und liebkosen. Scheinbar gleichmütig nimmt er solche -Liebkosungen an, und das höchste, was man erlangen kann, ist, daß er -etwas beschleunigter spinnt als gewöhnlich. Solange er nämlich wach -ist, schnurrt er ununterbrochen nach Katzenart, nur etwas tiefer und -lauter. Oft steht er stundenlang unbeweglich da, sieht träumerisch -starr nach einer Richtung und spinnt dabei höchst behaglich. In solchen -Augenblicken dürfen Hühner, Tauben, Sperlinge, Ziegen und Schafe an ihm -vorbeigehen, er würdigt sie kaum eines Blickes. Nur andere Raubtiere -stören seine Träumerei und Gemütlichkeit. Ein vorüberschleichender -Hund regt ihn sichtlich auf: das Spinnen unterbleibt augenblicklich, -er äugt scharf nach dem gewöhnlich etwas verlegenen Hunde, spitzt -die Ohren und versucht wohl auch, einige kühne Sprünge zu machen, -um ihn zu erreichen.“ Soweit dies bekannt ist, hat er sich aber in -der Gefangenschaft noch nicht fortgepflanzt, ist also noch nicht zum -eigentlichen Haustier des Menschen geworden. - -Weiter sind von Raubtieren ~Wiesel~ und ~Frettchen~ bei den Griechen -und Römern gezähmt und zum Mäusevertilgen in ihren Wohnungen gehalten -worden, lange bevor die Katze aus Ägypten zu ihnen gebracht wurde. -Besonders letzteres, das Frettchen, war ein häufig angetroffenes, -sehr beliebtes Haustier. Es hieß bei den Griechen _iktis_ und bei den -Römern _mustela_. Das ~Frett~ (_Mustela furo_) ist nichts anderes als -der durch Gefangenschaft und Zähmung kleiner und zugleich albinotisch -gewordene Abkömmling des Iltis. Es ist weiß bis semmelgelb, am Leibe -45 _cm_ und am Schwanze 13 _cm_ lang. Nur wenige sehen dunkler und -dann echt iltisartig aus. Es ist weniger lebhaft als sein wilder -Verwandter, steht ihm aber an Blutgier und Raublust nicht nach. Sein -Zähmungsherd scheint in Nordafrika gewesen zu sein, und zwar wurde es -dort nicht nur gegen Mäuse, sondern besonders auch gegen Kaninchen -losgelassen, die es aus ihrem Bau heraustrieb. So schreibt Strabon: -„In Turdetanien (einer spanischen Landschaft) bedient man sich der -Frettchen aus Libyen, um die Kaninchen zu jagen. Man schickt sie mit -einem Maulkorb in die Löcher; so ziehen sie die Kaninchen entweder mit -den Krallen heraus oder jagen sie empor, so daß sie von den Leuten -gefangen werden können.“ Schon lange vorher schrieb Aristoteles, es -gleiche an Gestalt, weißer Farbe des Bauches und Bosheit den Wieseln -(_galé_), könne jedoch außerordentlich zahm gemacht werden. Es gehe -gern über die Bienenstöcke und nasche Honig, hasche aber auch gern -Vögel, wie die Katze. Aus Spanien kam dann das Frett zu uns, um bei der -Kaninchenjagd zu dienen. Dabei legt man ihm, damit es sich nicht am -Blut seines Opfers berausche, auch heute noch einen Maulkorb an; früher -war man so roh, ihm den Mund zusammenzunähen, damit es solches nicht -tue und dann im Kaninchenbau bleibe, so daß der Jäger lange warten -kann, bis es zum Bau herauskommt. In England benutzt man es viel als -Rattenjäger, doch muß es dazu besonders erzogen werden, indem man es -zuerst nur mit jungen Ratten kämpfen läßt. Später wächst dann sein -Mut, so daß es schließlich in einer Stunde bis 50 Ratten in einem 2-3 -_qm_ großen Raum zu töten vermag. Durch Kreuzung mit dem Iltis zum -Zwecke der Blutauffrischung entstehen die „wildfarbigen“ sogenannten -~Iltisfrettchen~, welche etwas stärker sind als das eigentliche -Frettchen. Stets muß das Frettchen in Käfigen gehalten werden, da -es der Anhänglichkeit an Haus und Hof entbehrt, durch die sich die -eigentlichen Haustiere auszeichnen. Es wird jetzt namentlich zur Jagd -auf Kaninchen gezüchtet, ist sehr empfindlich gegen Kälte, aber gleich -vielen anderen Haustieren fruchtbarer als die Stammart, indem das -Weibchen 5-10 Junge wirft, und zwar zweimal im Jahr. - - - - -XIV. Das Huhn. - - -Zweifellos ist von allen Vögeln das Huhn von der weitaus größten -wirtschaftlichen Bedeutung für den Menschen geworden. Heute ist es -in zahlreichen Rassen über die ganze Welt verbreitet und findet sich -in dem elendesten Negerdörfchen Zentralafrikas ebensogut wie in den -entlegensten Eingeborenenniederlassungen Amerikas und Indonesiens. Das -war aber nicht von jeher so. Der vorgeschichtliche Europäer kannte -dieses Haustier so wenig als die alten Ägypter, Inder und Morgenländer -überhaupt. Nirgends treffen wir bei ihnen irgend welche Spuren von der -Anwesenheit dieses Vogels, der sich sonst sehr wohl bemerkbar gemacht -haben würde. Im Alten Testament wird er nirgends erwähnt; erst im Neuen -tritt er uns beispielsweise bei Petri Verleugnung des Herrn entgegen. - -Das Huhn ist jedenfalls schon im zweiten Jahrtausend v. Chr. irgendwo -in Südasien vermutlich von einem Malaienstamme durch Zähmung des dort -einheimischen ~Bankivahuhns~ (_Gallus ferrugineus_) als Haustier -gewonnen worden. Von seinem ältesten Domestikationsherd Südasien -breitete es sich langsam nach allen Seiten hin aus und wurde schon ums -Jahr 1400 v. Chr. nach China eingeführt. Nach Westasien gelangte es -erst viel später. So hat es Layard zuerst auf einem altbabylonischen -Siegelzylinder aus dem 6. bis 7. Jahrhundert v. Chr. abgebildet -gefunden. Auf diesem steht ein Priester in Opferkleidung vor einem -größeren und einem kleineren Altar, auf welch letzterem sich ein -Hahn befindet. Auf einer ebenfalls aus derselben Zeit stammenden -babylonischen Gemme sehen wir eine geflügelte Gottheit in betender -Stellung vor einem Hahne auf einem Altar. Beide Male erscheint der -Hahn von Osten, und über beiden Abbildungen schwebt ein Halbmond, -wahrscheinlich als Zeichen der schwindenden Nacht. Im alten Ägypten -ist jedenfalls das Hühnchen, das die Hieroglyphe _u_ darstellt, nicht -das Junge eines Haushuhns, sondern dasjenige eines Wildhuhns, und zwar -vermutlich eines Steinhuhns. - -Homer kannte das Huhn noch nicht, denn er erwähnt es nirgends in seinen -Epen. Zum erstenmal spricht von ihm der griechische Dichter Theognis in -der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. Aber erst um die Zeit -der Perserkriege finden wir bei den Dichtern Epicharmos, Simonides, -Äschylos und Pindar den Hahn unter dem stolzen Namen _aléktōr_, -d. h. Abwehrer, Kämpfer, als bekannten Genossen des Menschen. Die -griechischen Dichter vergleichen den Kampf der Hähne desselben Hofes -untereinander mit dem Streite der Menschen. In den Eumeniden des -Äschylos warnt Athene vor dem Bürgerkrieg, als dem zwecklosen Kampf -zwischen zwei Hähnen gleichend. Ebenso vergleicht Pindar in seinem 12. -olympischen Liede den ruhmlosen Sieg in der Vaterstadt mit demjenigen -des Hahnes auf dem Hofe. - -Bei den griechischen Komikern heißt der Hahn stets der „persische -Vogel“, weil er durch die Vermittlung der Perser nach Griechenland kam. -Seine hohe Wertschätzung bei den alten Persern erfuhren wir bereits bei -der Besprechung des Hundes. Dort wurde gesagt, daß der Hahn, wie der -Hund, der Feind der Dämonen und Zauberer sei. Er solle Wache halten -über die Welt, als sei kein Hund zum Beschützen der Herden und der -Häuser vorhanden. Wenn der Hund mit dem Hahn gegen den bösen Feind -kämpfen, so entkräften sie ihn, der sonst Menschen und Vieh plage. -Daher heiße es, durch ihn werden alle Feinde des Guten überwunden, -seine Stimme zerstöre das Böse. Wo sich nun ein Perser niederließ, -sorgte er so sicher für einen Hahn, als er die Frühgebete und -Reinigungen beim Sonnenaufgang, die ihm seine Religion gebot, vornahm. -Soweit also die Grenzen der persischen Herrschaft sich erstreckten, -ward auch der Hahn, als leicht übertragbares Fetischtier, das durch -seine Stimme die bösen Geister vertrieb, mitgenommen. So kam das Tier -auch nach Kleinasien und zu den Griechen an den Küsten des Ägäischen -Meeres, die ihn mehrmals auch auf ihren Münzen abbildeten. Seine -vormalige Heiligkeit erhielt sich auch bei ihnen insofern, als sie sich -zunächst scheuten, ihn oder die Eier des Huhnes zu essen. Bald aber -ward der Hahn ein Opfertier, das man besonders dem Heilgotte Asklepios -nach erlangter Genesung opferte. So befahl auch der Philosoph Sokrates, -bevor er den Schierlingsbecher trank, man solle dem Asklepios einen -Hahn opfern; er sei dann durch den Tod genesen. Auch zu mannigfaltigem -Zauberspuk benutzte man in Griechenland den Hahn. So schreibt -Pausanias: „Wenn bei Mehtana im Gebiet von Trözen der Südwestwind -aus dem Saronischen Meerbusen auf die ausschlagenden Weinstöcke weht, -so vertrocknen diese leicht. Um diesem Übel vorzubeugen, packen zwei -Männer einen Hahn, der ganz weiße Flügel hat, reißen ihn entzwei -und jeder läuft mit seiner Hälfte um den Weinberg herum. Da, wo sie -dann zusammentreffen, vergraben sie die Stücke.“ Hier ist also schon -von partiellem Leucismus beim Hahne als einem Zeichen weitgehender -Beeinflussung durch Domestikation die Rede. - -Viel länger bewahrte das Huhn seinen sakralen Charakter bei den Römern, -die es durch Vermittlung der süditalischen Griechen kennen gelernt -hatten. Diese betrachteten es als einen Vogel, der von einem göttlichen -Geiste beseelt war, mit der Fähigkeit, die Zukunft vorauszuschauen. So -wandte man denn überall da, wo ein einzelner die Verantwortung nicht -zu tragen wünschte und ein „Augurium“, eine Weissagung aus dem Fluge -gewisser wilder Vögel nicht gerade zu haben war, die Sache aber doch -zur Entscheidung drängte, ein künstliches „Auspicium“ an, das man -_auspicium ex tripudiis_ nannte. So stellte denn, so oft man dessen -bedurfte, der _pullarius_ oder Hühnerwärter die Vögel durch Vorstreuen -von Futter auf die Probe. Fraßen sie gierig, so war das ein günstiges -Zeichen für die geplante Unternehmung. Unlust dagegen würde, so -müssen wir ergänzen, auf eine Beängstigung des weiter in die Zukunft -schauenden Geistes in den Fetischtieren schließen lassen. - -Zahllos sind die Beispiele, in welchen die Annahme oder Ablehnung -einer Schlacht von seiten der Römer auf das Verhalten der mitgeführten -heiligen Hühner abgestellt wurde. Dabei ist der Standpunkt, den die -verschiedenen römischen Schriftsteller dieser Tatsache gegenüber -einnehmen, ein sehr verschiedener. Die jüngeren, freier denkenden -sind erstaunt darüber, daß die wichtigsten Staatsgeschäfte, die -entscheidendsten Schlachten von Hühnern geleitet und entschieden, -die Weltbeherrscher von Hühnern beherrscht würden. Die älteren, -konservativer denkenden Naturen aber stoßen sich durchaus nicht -daran, sondern meinen, wie Cicero in seinem Werke _de divinatione_ -schreibt: „Bei der Beobachtung der von den heiligen Hühnern ausgehenden -Prophezeiungen (_auspicium_) verfuhren unsere Vorfahren gewissenhafter -als wir. Der Hühnerprophet (_auspex_) wählte zum Gehilfen einen Mann, -der selbst ein vollkommener Vogelprophet (_augur_) war und demnach -genau wußte, was ‚heilige Stille‘ bedeutet. In unserer Zeit kann jeder -ohne weiteres bei der heiligen Handlung als Gehilfe dienen.“ Dann -berichtet er ausführlich in Rede und Gegenrede, wie bei der Handlung -verfahren wird. Er meint, daß dabei nicht mehr mit der Aufmerksamkeit -wie früher vorgegangen werde und das Fressen oder Nichtfressen der -Hühner in die Hand des Hühnerwärters (_pullarius_) gegeben sei. Er -sagt nämlich: „Übrigens ist es nicht zu leugnen, daß bei einer solchen -Art zu prophezeien die Vögel doch nicht so ohne weiteres als Diener -und Propheten Jupiters betrachtet werden sollten, da sie ja beim -Fressen nicht nach dem Willen Jupiters, sondern nach dem Willen des -Hühnerwärters handeln, der sie vorher nach Belieben in ihrem Käfige -längere oder kürzere Zeit fasten läßt.“ - -Wenn die heiligen Hühner (_pulli_) so gierig fraßen, daß das schon im -Schnabel befindliche Futter auf die Erde zurückfiel, so wurde das als -eine besonders gute Vorbedeutung aufgefaßt. Es hieß dies bei den Römern -_tripudium_ und sollte nach Cicero von _terripudium_ = _terripavium, -quia terram pavit_ abzuleiten sein. Dann schreibt dieser Autor: „Im -zweiten punischen Kriege (218-201 v. Chr.) hat der römische Staat -dadurch entsetzlichen Schaden gelitten, daß Gajus Flaminius nicht auf -Warnungszeichen achten wollte. Einstmals fütterte der Priester, der die -der Armee beigegebenen heiligen Hühner besorgte, diese Tiere, um durch -die Art und Weise, wie sie fräßen, die Zukunft zu erforschen, und tat -dann den Ausspruch, die Schlacht müsse verschoben werden. Darauf fragte -Flaminius (der Oberfeldherr), was dann geschehen sollte, wenn die Tiere -wieder nicht fressen wollten? Der Priester antwortete: Dann müsse man -eben wieder zuwarten. Hierauf antwortete Flaminius: Das wäre doch eine -schöne Geschichte, wenn ich nur dann auf den Feind losgehen dürfte, -wenn meine Hühner hungrig sind, aber mich ruhig verhalten müßte, wenn -meine Hühner satt sind.“ - -Allerdings waren nicht alle Feldherren so nachgiebig, daß sie eine -ihnen günstig scheinende Schlacht vom Fressen oder Nichtfressen der -im Heere mitgeführten heiligen Hühner abhängig machen wollten. So -ging einer einmal radikal vor, hatte es aber schwer zu büßen, als die -gegen den Willen der heiligen Hühner unternommene Schlacht ungünstig -verlief. Es war dies Publius Claudius. Über jenen Fall schreibt -Valerius Maximus: „Als Publius Claudius im ersten punischen Kriege -eine Seeschlacht liefern wollte, verkündete ihm der Hühnerwärter, die -heiligen Hühner wollten nicht aus dem Käfig heraus und nicht fressen. -Da gab Claudius den Befehl, sie ins Meer zu werfen und sagte: Wollen -sie nicht fressen, so sollen sie saufen! Er verlor aber die Schlacht -und ward vom Volke verurteilt.“ Derselbe Autor berichtet in einem -anderen Falle: „Als der Konsul Gajus Hostilius Mancinus im Begriffe -war, nach Spanien abzugehen und in Lavinium opfern wollte, huschten die -heiligen Hühner aus ihrem Käfig in den Wald und verschwanden daselbst -spurlos. Infolgedessen verlor er dann eine Schlacht.“ - -Der römische Geschichtschreiber Livius weiß allerlei solche -Hühnergeschichten vom Diktator Lucius Papirius Cursor zu erzählen. -Als er gegen die Samniten zog, machte ihn der Hühnerwärter darauf -aufmerksam, daß die Hühner kein Glück prophezeit hätten. Da eilte -er nach Rom, um die Hühner abermals zu befragen, befahl aber seinem -Reiteroberst (_magister equitum_) Quintus Fabius Maximus Rullianus, -während seiner Abwesenheit keine Schlacht zu liefern. Dieser benutzte -aber doch eine Gelegenheit, erfocht einen glänzenden Sieg, geriet aber -darüber mit dem Diktator in einen Streit, der fast zu offenem Aufruhr -Veranlassung gab. „Diese letztere dem römischen Staate drohende Gefahr -war also eigentlich von den Hühnern gemeint und prophezeit worden,“ -meint dazu Livius. Also sollten die Hühner in jedem Falle recht -behalten. - -An einer anderen Stelle schreibt dieser Autor: „Als später Papirius -den Samniten bei Luceria gegenüberstand, kamen Gesandte von Tarent, -wollten beiden Parteien befehlen, die Waffen niederzulegen, und drohten -auch noch gar, sie wollten derjenigen Partei, die ihrem Willen nicht -gehorche, entgegentreten. Wie nun die Gesandten den Papirius verlassen -hatten, rüstete sich dieser sogleich zur Schlacht, versäumte aber -auch nicht, seine Hühner zu befragen. Gerade wie er damit beschäftigt -war, kamen die Tarentiner zu ihm und Papirius verkündigte ihnen: Ihr -Tarentiner, die Hühner meines Hühnerwärters verkünden mir den Sieg, und -so werde ich mit Hilfe der Götter sofort den Feind angreifen! Er tat -das wirklich, siegte mit Leichtigkeit und machte große Beute.“ - -„Ein anderes Mal stand Papirius den Samniten bei Aquilonia gegenüber. -Sie hatten ein gewaltiges Heer; aber Papirius begeisterte seine -Soldaten durch eine Rede so sehr, daß sie laut eine Schlacht forderten. -Papirius befahl nun in aller Stille seinem Hühnerwärter, die heiligen -Hühner zu befragen. Dieser tat es; doch die Hühner wollten nicht -fressen. Aber der Hühnerwärter war so begeistert für die zu schlagende -Schlacht, daß es ihm auf eine Lüge nicht ankam und er dem Konsul -meldete, die Hühner hätten Heil und Segen prophezeit. Voller Freude gab -nun Papirius das Zeichen zum Aufbruch. Aber unterwegs begann unter -den Hühnerwärtern ein Zank über die Hühnerprophezeiung. Die Reiter -hörten den Disput mit an und meldeten die bedenkliche Sache dem Konsul. -Dieser tat den Ausspruch: Wenn ein Vogelprophet lügt, so trifft ihn -allein alles aus der Lüge entstehende Unglück. Mir und dem römischen -Volke ist nur Glück prophezeit worden, also munter vorwärts! Er befahl -nun, die Hühnerwärter in die erste Schlachtlinie zu stellen. Der erste -feindliche Speer streckte den lügnerischen Hühnerwärter nieder und -der Konsul rief mit lauter Stimme: Die Götter stehen uns bei, das -schuldige Haupt ist bestraft! Wie er dies sagte, krächzte ihm ein -Rabe laut entgegen. Er begrüßte dieses günstige Zeichen mit Freuden, -befahl den Trompetern, das Zeichen zum allgemeinen Angriff zu geben und -erfocht einen ruhmvollen Sieg. Er verdankte diesen teils der Klugheit, -mit der er das prophezeite Unglück auf das Haupt des Hühnerwärters -abwälzte, teils auch dem Umstande, daß er im entscheidenden Augenblick -dem Jupiter einen Becher Wein versprach, wenn die Feinde durch seine -Hilfe geschlagen würden.“ Diese Erklärung des Plinius kennzeichnet ihn -vollkommen in seinen Anschauungen. Er war ebensogut wie Livius ein Kind -seiner Zeit. Damals dachten eben alle Römer so wie er. - -Eine begeisterte Beschreibung des Hahnes liefert der ältere Plinius -in seiner Naturgeschichte in folgenden Worten: „Ruhmbegierig ist der -Vogel, der in der Nacht für uns wacht, der vor Anbruch des Morgens -den Menschen weckt und zur Arbeit ruft. Er kennt die Sterne und kräht -(_canet_ = singt) am Tage jedesmal, wenn drei Stunden verflossen sind. -Mit der Sonne geht er schlafen und ruft gegen Morgen den Menschen -zu neuen Sorgen und Arbeiten wach. Ehe er kräht, schlägt er mit den -Flügeln. Er ist herrschsüchtig und ein jeder führt auf seinem Hofe -das Regiment. Sie kämpfen untereinander um die Herrschaft, als ob -sie wüßten, daß sie zu diesem Zwecke die Waffen an den Füßen trügen, -und hören nicht eher auf, als bis einer tot auf dem Platze liegt. -Der Sieger kräht gleich auf dem Schlachtfelde und verkündet dadurch -seine Heldentat. Der Besiegte verkriecht sich stillschweigend und -grämt sich über die verlorene Herrschaft. Der gemeinste Hahn schreitet -übermütig einher, trägt sein gekröntes Haupt hoch und stolz, schaut -oft gen Himmel, was kein anderer Vogel tut, und hebt auch seinen -sichelförmigen Schwanz empor. Er flößt daher dem mutigsten Tiere, dem -Löwen, Schrecken ein. Manche Hähne werden zu Krieg und Schlacht geboren -und bringen selbst ihrem Vaterlande Ruhm und Ehre, so die Hähne von -Rhodus und Tanagra. Nach diesen sind die berühmtesten die von Melos -und Chalcis. Der Hahn ist der Ehre wert, die ihm selbst die römischen -Konsuln erweisen. Sein mehr oder weniger begieriges Fressen gibt die -wichtigsten Aufschlüsse über dem römischen Staate bevorstehendes Glück -oder Unglück. Täglich regiert er unsere Obrigkeiten oder verschließt -und öffnet ihnen ihr eigenes Haus. Er befiehlt den römischen Konsuln -vorzurücken oder stehen zu bleiben, befiehlt oder verbietet Schlachten; -er hat alle auf Erden erfochtenen Siege im voraus verkündet, beherrscht -die Beherrscher der Welt und ist, als Opfer dargebracht, ein herrliches -Mittel, die Gunst der Götter zu erhalten. Kräht er zu ungewohnter -Zeit oder des Abends, so deutet er auf wichtige Begebenheiten hin. -Als die Böotier jenen berühmten Sieg über die Lakedämonier erfochten, -hatten es die Hähne dadurch vorausverkündet, daß sie die ganze Nacht -krähten. Da der Hahn nicht kräht, wenn er besiegt ist, so war die -Deutung zweifelhaft.“ Plinius geht so weit, daß er dem Hühnervolke -sogar sonst rein menschliche Eigenschaften, wie den Besitz von Religion -und Sprache, beilegt. So sagt er: „Auch die Haushühner (_villares -gallinae_) haben ihre Religion: Sobald sie nämlich ein Ei gelegt haben, -schütteln sie sich und nehmen eine Zeremonie vor, indem sie um das Ei -ein Grashälmchen herumtragen.“ Es kommt nämlich öfter vor, daß sich -die Hühner nach dem Eierlegen schütteln, daß sie dann Hälmchen mit dem -Schnabel fassen und sie neben und hinter sich legen, ohne Zweifel, -weil sich dann die angeborene Neigung zum Nestbau regt. Plinius -betrachtet diese Eigenschaft poetisch als Zeremonie, wie sie damals -bei den Menschen gebräuchlich war und _purificare_ und _lustrare_ -genannt wurde. Was das Vermögen der Sprache anbetrifft, sagt er: „In -den Jahrbüchern ist aufgezeichnet, daß unter dem Konsulat des Marcus -Lepidus und Quintus Catulus ein Haushahn auf dem Landsitze des Galerius -gesprochen hat; dies ist aber auch, so viel mir bekannt, das einzige -Beispiel der Art.“ - -Weiterhin sagt Plinius: „Zu religiösen Zwecken hält man Hähne und -Hühner mit gelben Füßen und gelbem Schnabel nicht für rein, zu geheimen -Opfern die schwarzen. Es gibt auch Zwerge unter den Hühnern, und zwar -fruchtbare, was bei andern Vögeln nicht der Fall ist.“ Natürlich war -man in der Kaiserzeit, zu der ja Plinius lebte, nicht mehr so von -der Heiligkeit dieses Vogels eingenommen, daß man sich, wie noch zur -älteren Zeit der Republik, scheute, sein Fleisch zu profanen Zwecken -zu essen; als Opferfleisch war es ja schon früher gegessen worden. -Damals kamen gemästete Hühner -- richtige Poularden, nur daß zu jener -Zeit die Kastration derselben noch nicht geübt wurde -- sehr häufig -auf den Tisch der reichen Römer. Aber sehr alt kann diese Sitte zu -jener Zeit noch nicht gewesen sein. Plinius schreibt nämlich in seiner -Naturgeschichte folgendes darüber: „Die Bewohner der Insel Delos haben -sich zuerst mit Mästung der Hühner beschäftigt und seitdem sind die -Menschen so albern, daß sie Vögel schnabulieren wollen, die in ihrem -eigenen Fett gebraten wurden. In den alten Gesetzen über Schmausereien -finde ich ein elf Jahre vor dem Beginn des dritten punischen Krieges -(also im Jahre 160 v. Chr.) vom Konsul Gajus Fannius gegebenes, daß bei -einem Gastmahl kein Vogel außer einer einzigen Henne aufgetragen und -diese nicht gemästet sein dürfe. Diese Bestimmung ist später in allen -Gesetzen wiederholt worden, aber man hat sie recht listig zu umgehen -gewußt, indem man statt der Hühner Hähne mit Speisen mästete, die mit -Milch getränkt waren, worauf sie weit besser schmecken. Man darf zur -Mast nicht alle Hühner nehmen, sondern nur die, deren Halshaut fett -ist.“ - -Mancherlei weiß Plinius von den Hühnereiern zu berichten. Er sagt, -daß, wenn Hühner keinen Hahn haben, die Eier unfruchtbar, kleiner, -von schlechterem Geschmack und flüssiger als die guten (befruchteten) -seien. Man nenne sie Windeier, weil manche Leute glauben, sie seien -vom Winde (Zephyr) erzeugt. Manche Hühner legen lauter Eier mit -doppeltem Dotter „und brüten aus solchen auch manchmal Zwillinge aus, -wie Cornelius Celsus schreibt. Andere aber behaupten, es kröchen nie -Zwillinge aus. Es ist am besten, die zum Brüten bestimmten Eier nicht -über 10 Tage alt werden zu lassen, alte oder gar zu frische sind -unfruchtbar. Man muß eine ungleiche Zahl unterlegen. Wenn man sie am -vierten Tage nach Beginn des Brütens mit den Fingern (an einem dunklen -Orte) gegen das Licht hält und sie rein und durchsichtig sind, so sind -sie unfruchtbar und müssen durch andere ersetzt werden. Man kann sie -auch im Wasser probieren, denn die leeren schwimmen dann, und man muß -die vollen, welche sinken, zum Brüten unterlegen. Schütteln darf man -die Eier nicht, denn es kann sich darin kein Junges mehr erzeugen, -wenn die Lebensgefäße untereinander geworfen sind. Wenn es während -des Brütens donnert, so gehen die Eier zugrunde; dasselbe geschieht -auch, wenn ein Falke in der Nähe schreit. -- Selbst Menschen können -Eier ausbrüten. Als Julia Augusta (die Tochter des Kaisers Augustus) -mit Kaiser Tiberius Nero vermählt worden war und wünschte, ihr erstes -Kind möchte ein Sohn sein, so brütete sie an ihrem Busen ein Ei aus. -Mußte sie es einmal weglegen, so gab sie es ihrer Amme, damit es -nicht erkalten könne. Sie glaubte von dem auskriechenden Küchlein -eine Vorbedeutung entnehmen zu können, ob ihr Kind ein Sohn oder -eine Tochter sein werde. Es soll auch richtig eingetroffen sein. Von -daher kommt vielleicht die neulich gemachte Erfindung, daß man Eier -an einem warmen Orte auf Spreu legt, durch Feuer mäßig erwärmt und -zuweilen wendet, wobei die Küchlein am bestimmten Tage auskriechen. -(Also kannten die Römer der Kaiserzeit bereits einen Brutapparat für -Hausgeflügel.) -- Ein sonderbares Schauspiel hat man, wenn eine Henne -Enteneier ausgebrütet hat. Erst bewundert sie die Kleinen und will sie -nicht recht anerkennen, bald aber ruft sie dieselben sorgsam zusammen -und, wenn sie sich nun, von einem innern Triebe geleitet, ins Wasser -stürzen, so läuft sie jammernd am Ufer herum.“ - -Bei der kampfesfrohen, streitsüchtigen Natur der Hähne ist es kein -Wunder, daß schon sehr frühe auch bei den Griechen ~Hahnenkämpfe~ als -öffentliche Volksbelustigungen aufkamen. So schreibt Plinius: „Zu -Pergamum (in Kleinasien) werden jährlich öffentliche Hahnenkämpfe -abgehalten.“ Daß er solches in seiner Naturgeschichte erwähnt, beweist, -daß diese Sitte um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. bei den -Römern noch nicht üblich war. Was für Gründe etwa zur Einrichtung von -Hahnenkämpfen bei den Griechen maßgebend waren, darüber schreibt der -griechische Geschichtschreiber Älian: „Als die Athener die Perser -besiegt hatten, bestimmten sie einen Tag, an welchem im Schauspielhause -öffentliche Hahnenkämpfe abgehalten werden sollten. Die Veranlassung -dazu war folgende: Als Themistokles mit dem Heere auszog, sah er in der -Nähe des Zuges zwei Hähne, die miteinander kämpften. Er ließ sogleich -das Heer Halt machen und redete es so an: „Diese Hähne kämpfen nicht -für ihr Vaterland, nicht für ihre Götter, für die Gräber ihrer Väter, -nicht für Ruhm, für Freiheit, für ihre Kinder, sondern jeder von ihnen -kämpft nur, um zu siegen.“ Diese Rede begeisterte die Soldaten, sie -fochten mit kühnem Mute und der Feldherr wünschte, durch die Abhaltung -jährlicher Hahnenkämpfe das Andenken an den Sieg zu erhalten und den -Keim für neue Siege zu legen.“ - -Nach Varro waren die Hähne von Tanagra, Medien und Chalcis zum Kampfe -besonders brauchbar. Er nennt sie sehr schön, aber die betreffenden -Hühner weniger fruchtbar als die italienischen. Letztere hatte man gern -so gefärbt, daß Schwanz und Flügel schwarz, das übrige Gefieder aber -bräunlich war. „Will man auf einem Landhause 200 Stück Haushühner -halten, so gibt man ihnen einen besonderen Stall, zäunt den Platz -davor, auf dem auch Sand zum Bade liegen muß, ein und hält ihnen einen -eigenen Wärter. Will man die Eier für die Küche aufbewahren, so reibt -man sie mit gepulvertem Salz oder legt sie drei Stunden in Salzwasser, -trocknet sie und bedeckt sie mit Kleie oder Spreu. Sollen Haushühner -gemästet werden, so sperrt man sie an einem lauen, dunkeln Orte ein -und nudelt sie mit Gerstenabkochung. So oft sie genudelt werden, wird -ihnen auch der Kopf, wenn es nötig ist, von Läusen gereinigt. In 25 -Tagen müssen sie fett sein. Manche machen sie auch in 20 Tagen fett und -erzeugen ein zartes Fleisch, indem sie sie mit Weizenbrot füttern, das -in einer Mischung von Wasser und Wein aufgeweicht wurde.“ - -In seinem Buche über den Landbau gibt Columella ausführliche Anleitung -über die Anlage des Hühnerhofes, die Pflege der Hühner, das Brüten -und die Aufzucht der Küchlein. Diese entspricht in ihren Grundzügen -vollständig den heutigen; nur daß dabei noch allerlei heute aufgegebene -sympathische Mittel angewandt wurden, um sie vor Erkrankung und aller -sonstiger Gefährdung zu beschützen. Er rät, den Hühnerstall neben der -Küche oder neben dem Backofen anzubringen, so daß der Rauch in ihn -hineindringen könne; denn dieser sei den Hühnern sehr gedeihlich. Er -hält die dunkeln Hühner für empfehlenswerter als die hellen. „Die -weißen Haushühner sind meist weichlich, weniger lebhaft, auch meist -nicht sonderlich fruchtbar im Legen. Sie werden auch, weil sie aus -großer Ferne in die Augen fallen, leicht von Raubvögeln erbeutet. -Die Zwerghühner sind nur für den Liebhaber, der sie wegen ihrer -geringen Größe schätzt. Übrigens bringen sie nicht den Gewinn, wie -die gemeinen großen Haushühner; auch sind die Zwerghähne entsetzlich -zänkisch gegen die großen Hähne, so daß man sich oft genötigt sieht, -ihnen einen ledernen Gurt um den Leib zu legen, durch den die Füße -gesteckt und die Kampfgelüste gemindert werden.“ Nach den um 200 n. -Chr. lebenden Athenäus waren Zwerghühner besonders in Athen beliebt. -Pausanias sagt, daß in Tanagra zwei Arten von Hühnern gehalten werden: -1. kampfesstarke, 2. die Amselhühner, so genannt, weil sie (wie die -Amseln) rabenschwarz sind und auf der Schnabelspitze kleine, weiße -Flecken haben. Kamm und Kammlappen seien bei ihnen rot wie Anemonen. -Er meint damit die in Griechenland heimische _Anemone pavonina_ mit -scharlachroten Blüten. - -Die schönen Rassen des asiatischen Haushuhns bezogen die Römer von -den Griechen; so waren besonders die Hühner von Delos, Rhodos und -Melos durch ihre Größe und fleißiges Eierlegen berühmt und gesucht. -Mit den römischen Kolonisten kamen diese auch in die Gebiete nördlich -der Alpen. So fanden sich Reste von Haushühnern mehrfach im Wegwurf -der helvetisch-römischen Kolonie Vindonissa und anderwärts. Aus dem -römischen _pullus_ Huhn wurde das französische _poule_. Doch hatten -die Kelten und Germanen schon vor der römischen Invasion das Haushuhn -besessen und eine besondere Bezeichnung dafür, ganz unabhängig von -der römischen. Der Hahn hieß gotisch _hana_, althochdeutsch _hano_, -angelsächsisch _hona_, das Huhn gotisch _hôn_. Das deutsche _hana_ -ging dann bei den benachbarten Finnen in _kana_ über. Alles deutet -darauf hin, daß das Huhn als Haustier selbständig von Südosten nach -Mittel- und Nordeuropa gelangte, soweit es ihm nicht zu kalt war. Und -auch hier drang es überall als etwas Fetischhaftes, Heiliges, das zwar -nicht selbst, höchstens dessen Eier gegessen werden durften, ein. -So sagt Julius Cäsar, der um die Mitte des letzten vorchristlichen -Jahrhunderts an der Südküste Englands landete, von den dortigen -keltischen Einwohnern, sie hätten zwar das Haushuhn, aber sie fänden es -eine Sünde (_nefas_), das Tier zu essen, ebenso die Gans und den Hasen. -Noch im Mittelalter, als das Huhn längst zum Speise- und Provianttier -degradiert war, wohnte dem Hahn im Glauben der Leute noch eine große -Zauberkraft inne. So sagt der mittelalterliche Bischof Burchard von -Worms, man solle nachts nicht vor dem Hahnenrufe das Haus verlassen, -weil die unreinen Geister vor diesem Rufe mehr Macht zu schaden -hätten als nachher und weil der Hahn mit seinem Schrei jene besser -zu vertreiben und zu bändigen vermöge als selbst das Kreuzeszeichen. -Es ist dies die Weiterleitung desselben Fetischgedankens, den wir -schon bei den alten Persern antrafen und der uns in der griechischen -Benennung des _aléktõr_, d. h. Abwehrer, Kämpfer, entgegentrat. Noch -in Shakespeares Hamlet sagt Horatio: „Ich habe gehört, daß der Hahn, -der die Trompete des Morgens ist, mit heller Stimme den Gott des Tages -weckt und daß bei seinem warnenden Ruf alle die Geister, die in Wasser -und Feuer, in Luft oder Erde schweifen und irren, jeder an seinen Ort -zurückschlüpfen.“ - -Auch die slavischen Pommern verehrten den Hahn und fielen anbetend -vor ihm nieder; bei den Litauern wurde bei der Beziehung eines neuen -Hauses Hahn und Henne zuerst ins Haus gelassen. Diese Exemplare -galten dann als unantastbar, wurden gehegt und niemals geschlachtet -und gegessen. In diesem Falle sehen wir, wie sich mit der Zeit das -praktische Moment mit dem religiösen abfand. Als man sich erlaubte, -das Huhn zu essen, haftete die Beschränkung des Nichtessendürfens nur -noch an einzelnen auserlesenen Individuen. Bei den verschiedensten -Völkern begegnet uns noch später in gewissen, am Althergebrachten -hängenden Kreisen solche Enthaltung vom Genusse von Hühnerfleisch. Wie -im altindischen Gesetzbuch war auch den Teilnehmern an den Mysterien -in Eleusis das Essen von Hühnerfleisch verboten, weil diese Tiere den -Erdgottheiten, der Persephone und Demeter, geweiht waren. Bei den -Römern wurde der Vogel der Lichtgottheit, der dessen Kommen verkündet, -bei Nacht der Nachtgöttin geopfert. Im Mittelalter begegnen uns bei -den verschiedensten Völkern Hahnenopfer. Bei den Wenden in der Altmark -war es noch in christlicher Zeit Sitte, einen Hahn auf ihr Malzeichen -zu setzen, wie A. Kuhn uns in den märkischen Sagen berichtet. -Gleicherweise haben es die Deutschen aus der Heidenzeit übernommen, -das Bild des Hahnes über dem Kreuze auf Dächern und Kirchtürmen -anzubringen. Jenes ist älter als dieses; beider Zweck aber ist, die -bösen Geister, die ja auch das Christentum nicht leugnet, sondern nur -in ihrem Ursprunge anders erklärt, aus dem Kreise der menschlichen -Ansiedelungen fernzuhalten. - -Im Mittelalter, als die Scheu vor dem Essen dieses altheiligen Tieres -gewichen war, war die Hühnerzucht durch ganz Mitteleuropa ein sehr -wichtiger Kulturfaktor, dem besonders die Klöster Vorschub leisteten. -So war es vornehmlich ein fürsorglicher Bischof namens Martinus, -der im Eierlegen leistungsfähige Hühnerrassen aus Italien nach -Deutschland und Frankreich sandte, wo sie in den Klöstern Verbreitung -fanden und von da an deren Hörige und Zinsbauern abgegeben wurden. -Wie wir aus den mittelalterlichen Zinsregistern der Gutsherrschaften -entnehmen können, bildeten Hühner und Eier für die Herrschaften das -Haupterträgnis ganzer Güter und oft den einzigen Wirtschaftsbestand der -ärmeren Klasse, lebende Hühner in großen Käfigen aus Holz zugleich den -beliebtesten Proviant für Heereszüge und größere Menschenansammlungen. -Schon der vorsorgliche Kaiser Karl der Große hatte befohlen, daß auf -seinen größeren Gütern 100 Hühner und 30 Gänse, auf seinen kleineren -wenigstens 50 Hühner und 12 Gänse gehalten und im Herbst, soweit sie -geschlachtet wurden, gemästet werden sollten. Auch späterhin traf man -sie überall auf den Bauernhöfen, wo sie frei herumliefen und sie sich -vom Abfall der Körner, Samen aller Art und kleinem Gewürm und Insekten -ernährten. Als einst Bischof Meinward von Hildesheim auf einen solchen -Hof kam, wo er keine Hühner bemerkte, tadelte er die Wirtin darob. Als -sie sich mit Futtermangel entschuldigte, gab er ihr den Rat, sie solle -sie ihr Futter selbst suchen lassen. Das befolgte sie nun und hatte -beim nächsten Besuche des Bischofs eine ordentliche Hühnerschar, so daß -er sie belobte und beschenkte. - -Bis auf den heutigen Tag spielt das Huhn überall in der Kleinwirtschaft -eine wichtige Rolle, besonders in den Ländern, in denen sich die -Bodenwirtschaft dem Gartenbau nähert, während es dort, wo die -Landwirtschaft überwiegend Großbetrieb ist, weniger geschätzt wird. -Letzteres ist beispielsweise in England der Fall, das seinen hohen -Eierbedarf vom Kontinente her deckt. Auch Deutschland kann seinen -eigenen Bedarf nicht selbst decken. Von der Hühnerzucht in Deutschland -meint Eduard Hahn: „Schlimm steht es mit der deutschen Zucht; trotzdem -in letzter Zeit viel geredet und geschrieben worden ist, will das -echte deutsche Huhn, das allen Anforderungen entsprechen soll, immer -noch nicht erscheinen. Unsere Hühnerologen, wie sie sich ernstlich -nach einem Schwankwort nennen, sind Liebhaber und züchten Spanier, -Franzosen, Italiener, Chinesen und andere, die für unser Klima nicht -passen, und die Hühner auf unsern Bauernhöfen sind ein kümmerliches -Gemengsel aus allen möglichen Rassen, die weder in Eiern noch Fleisch -leisten, was man von ihnen verlangen kann, freilich auch nur geringe -Pflege verlangen und erhalten. Ausnahmen sind bei uns selten; so will -ich die Hamburger Hühner nennen, die in den Gartendistrikten des „alten -Landes“ gezogen werden, sonst aber muß Frankreich und in neuerer Zeit -vielfach Italien unsern Bedarf an feinerem Geflügel decken helfen. Die -Eier aber, die unsere Großstädte bei der gesteigerten Lebenshaltung -immer mehr brauchen, kommen aus Galizien und Russisch-Polen zu uns. -Auch hier ist das Huhn kein Beweis eines extensiven Betriebes, sondern -das Produkt einer nachlässigen extensiven Wirtschaft, die zu Gelde -machen muß, was sich zu Gelde machen läßt. Daß auch diese Zucht im -Rückgang ist, beweisen die Eier, die rapide kleiner werden.“ - -Welch große volkswirtschaftliche Bedeutung die Hühnereier als -Nahrungsmittel erlangt haben, ergibt eine von Professor Sonndorfer -von der Wiener Handelsakademie aufgestellte Statistik, wonach England -im letzten Jahre 2265 Millionen Stück im Werte von 180 Millionen -Franken einführte. In demselben Zeitraum importierten: Deutschland -2454 Millionen Stück im Werte von 185 Millionen Franken, Frankreich -205 Millionen Stück im Werte von 15 Millionen Franken und die Schweiz -188 Millionen Stück im Werte von 14½ Millionen Franken. Frankreich -produziert seinen Bedarf größtenteils selbst, während Deutschland, -England und die Schweiz hauptsächlich auf den Import angewiesen sind. -Die Hauptmenge Eier erzeugen die Agrarstaaten. So exportierte im -Jahre 1907 Rußland 2833 Millionen Stück im Werte von 148 Millionen -Franken, Österreich-Ungarn 966 Millionen, Dänemark 294 Millionen, die -Balkanstaaten 580 Millionen und Italien 511 Millionen Stück. - -Nach Südamerika kam das Huhn schon 1493 bei der zweiten Reise des -Kolumbus. Die Indianer müssen dies leicht zu haltende Haustier -gern aufgenommen und rasch verbreitet haben; denn schon 1530 fand -es Federmann am Oberlauf des Amazonenstroms. Auch nach Mittel- und -Nordamerika kam das Huhn mit den verschiedenen europäischen Kolonisten. -Nach Garcilasso wollte es sich nur in dem hochgelegenen Cuzko nicht -fortpflanzen. Vom Niltal aus verbreitete sich das Huhn über ganz -Afrika, wo es überall von den Negern gern aufgenommen wurde. Teilweise -kam es als Proviant der indischen Segelschiffe direkt aus Indien nach -Ostafrika und verbreitete sich von der Küste nach dem Innern. In Indien -und Hinterindien bis nach China und den Philippinen ist das Tier als -Sportobjekt sehr geschätzt. Hier stehen überall die Kampfhähne hoch -im Preise und dienen, wie im Mittelalter in Europa, zu den beliebten -Volksbelustigungen, deren Reiz noch durch Wetten erhöht zu werden -pflegt. Weitaus am grausamsten sind diese Hahnenkämpfe bei den Malaien -Indonesiens, besonders der Philippinen, indem den kämpfenden Hähnen -scharf geschliffene Stahlklingen an den Sporn gebunden werden, mit -denen der Gegner erstochen wird. Oft erliegen beide Gegner dieser -fürchterlichen Waffe. - -Eduard Hahn nimmt an, daß der Hahn zunächst nicht aus Nutzungs-, -sondern aus Sportgründen, dann auch als eine Art Weckeruhr vom Menschen -gezähmt wurde. „In die Gefangenschaft übergeführte Hühner pflanzten -sich nicht fort, legten keine Eier und waren also völlig nutzlos. Aus -diesem Grunde sind sie also nicht gehalten worden und ihre anfängliche -Gefangenschaft und spätere Zucht ist sicher nicht deshalb erfolgt. -Die Eier, das wesentliche Produkt unseres heutigen Huhnes, erreichten -erst im weiteren Verlauf der Zucht eine so große Zahl, daß sie dem -Menschen zugute kamen; für den Beginn der Zucht müssen wir nach einem -andern Grunde suchen. Da ist es nun natürlich schlimm, wenn nicht ~ein~ -Grund, sondern gleich zwei, und zwar sehr abweichende Gründe, zu Gebote -stehen, wie das beim Huhn der Fall ist. Beide schließen sich nicht -aus, immerhin decken sie sich keineswegs, und, was besonders schlimm -ist, das Ursprungsgebiet beider Hypothesen deckt sich mit dem Urgebiet -des wilden Huhnes und beide sondern sich doch geographisch. Wie sollen -wir uns entscheiden? Wurde unser Huhn auf indobaktrischem Boden als -Uhr ein Haustier (nach F. Spiegel, Eranische Altertumskunde wurde der -Hahn von Tahmuhrath dazu eingeführt) oder auf malaiischem Boden zum -Kampfhuhn erzogen? Eine dieser beiden seltsamen Verwendungsweisen ist -für mich der Ursprung der Zucht des Huhnes, vielleicht ist aber das -Kampfhuhn bei den Malaien das ältere und ursprünglichere gewesen, weil -die Verbindungen zwischen den einzelnen polynesischen Inseln doch nach -allem, was wir wissen, keine sehr häufigen waren.“ Uns will letzteres -auch bedünken. So möchten wir unbedingt annehmen, daß der Kampfhahn die -ältere Zucht ist, und daß der Hahn als Wecker erst später, und zwar -besonders bei den Iraniern Bedeutung gewann. Über letztere Tatsache -sagt Hahn: „Ebenso fremdartig (wie der Kampfhahn) berührt uns moderne -Menschen der Hahn als Uhr; wir können uns eigentlich kaum vorstellen, -wie es Menschen geben kann, die nie wissen, was die Glocke geschlagen -hat; freilich müssen wir neidisch bekennen, daß dem Glücklichen -keine Stunde schlägt. Trotzdem gab es natürlich auch auf niedrigen -Kulturstufen bereits Lebenslagen, in denen Zeitbestimmungen nötig -waren. Am Tage reicht die Sonne aus, aber wie soll z. B. eine Karawane, -die möglichst die kühlen Stunden des jungen Tages genießen will, -erfahren, wann man mit dem langwierigen Packen der Kamele beginnen muß? -Da trat nun aufs glücklichste eine Eigenschaft des Hahnes ein. Es ist -seltsam genug, daß der Hahn um Mitternacht kräht; die Dämmerung morgens -und abends begrüßen ja eine ganze Reihe Tiere mit ihren Tönen, aber -gerade die Mitternacht wohl nur der Hahn. Es ist selbstverständlich, -daß eine so auffallende und nützliche Eigenschaft dem Hahn eine feste -mythologische Stellung von hohem Rang verschaffte; sein Abbild steht -bekanntlich noch heutzutage auf der Spitze unserer Kirchtürme. Wie -es scheint, wurde auf persisch-baktrischem Boden diese Eigenschaft -entdeckt und so der Hahn und späterhin das Huhn gezähmt. Auf die Diener -Ahuramazdas mußte ja das Betragen des Vogels einen tiefen Eindruck -machen. War er doch gewissermaßen der Herold des Lichts. Und wenn nun -gar erst ein weißer Hahn mit dem feuerfarbenen Kamm dieses Amt übte! -So wurde der weiße Hahn der Repräsentant der lichten Tagesgottheiten, -das schwarze Huhn geriet ebenso selbstverständlich in Beziehung zu den -Gottheiten der Nacht. Bei der leichten Zucht und schnellen Vermehrung -wurde dann das Huhn sehr bald das gewöhnliche Opfertier des kleinen -Mannes; wo der Reiche Ochsen, Schafe und Schweine spendete, kam der -Arme, wie Sokrates, mit einem Hahn aus. -- Die Verwendung des Hahns -als Ersatz der Uhr ist ungemein weit verbreitet und vielleicht noch -weiter, wie jetzt bekannt, wenn man darauf achtet. In Abessinien sind -Hähne die Kirchenuhr; als Uhren schätzen sie die Kaffern und ebenso -traf sie Bastian in Birma. Endlich nahmen sie die Spanier hauptsächlich -als Uhren nach Amerika und deshalb fiel es ihnen (wie Oviedo in -seiner _Historia de las Indias_ berichtet) auf, daß sie nicht mehr so -pünktlich krähen wollten. -- Im Altertum war man gewöhnt, sich nach der -Stimme des Hahnes zu richten, zumal die Römer wie die Griechen ihre -bürgerliche Tätigkeit sehr früh begannen, so daß das Haus schon vor -dem Beginne der Dämmerung rege war. Deshalb sagt Plinius vom Hahn, daß -ihn die Natur geschaffen habe, um die Sterblichen zur Arbeit zu rufen -und ihren Schlaf zu brechen. So gewann der Hahn für das bürgerliche -Leben damals eine große Bedeutung. Eine Redensart, die bei vielen -Dichtern und auch sonst wiederkehrt, erklärt uns das; man unterschied -die Tätigkeit des Friedens und des Krieges einfach so: im Frieden -beginnt der Tag mit dem ersten Hahnenschrei, im Kriege mit dem ersten -Trompetenstoß. Da es auch später im kirchlichen Dienst sehr nötig war, -eine gewisse Einteilung der Nacht zu haben, so mußte auch hier unser -Haushahn herhalten; zog eine noch so kleine Mönchskolonne aus, um -eine neue Niederlassung zu gründen, so nahm sie einen Hahn mit, wie -wir einen Regulator zur notwendigen Wohnungseinrichtung rechnen. Im -Orient hat der Hahn diese Stellung wahrscheinlich heute noch. Es wird -wenigstens erwähnt, daß große Karawanen gewöhnlich einen recht schönen -Hahn mit sich führen, dessen Krähen den Aufbruch der Reisenden regelt. -Im Okzident ist der Hahn durch die Schlaguhren verdrängt worden, welche -ja schon verhältnismäßig früh (um 1100) vorkommen.“ - -In China und Japan spielt die Hühnerzucht eine wichtige Rolle. Dort -sind eine große Anzahl ausgezeichneter Rassen erzogen worden, die dann -nach dem englischen Opiumkrieg in den 1840er Jahren zu uns nach Europa -gebracht wurden, so vor allem die Bramaputras und Cochinchinas. Mit -den Malaien wanderte das Huhn über die mikronesische Inselwelt, doch -gelangte es nicht nach Neuseeland. Dorthin und nach Australien wurde es -erst durch die Europäer gebracht. - -Bevor wir nun näher auf die verschiedenen Hühnerrassen eingehen, -wollen wir kurz die Stammform derselben, das ~Bankivahuhn~ (_Gallus -ferrugineus_), in seinen Hauptmerkmalen würdigen. Es ist ein Waldvogel, -der morgens und abends, aber auch tagsüber oft beim Suchen der Nahrung -auf Äckern angetroffen wird. Sein Verbreitungsgebiet ist das größte -von allen Wildhühnern und reicht nach Armand David von Kaschmir und -den Vorbergen des Hindukusch bis nach der Insel Hainan, Cochinchina -und über die Halbinsel von Malakka bis nach Sumatra. Auf Java und -den östlich davon gelegenen Inseln, auch auf den Philippinen, ist es -wahrscheinlich eingeführt worden. Es hat im männlichen Geschlecht einen -gezackten Kamm und am Schnabel jeweilen einen Fleischlappen, trägt -schmale, lange, einen Kragen bildende Halsfedern, ist am Nacken und am -Hals goldgelb schimmernd, am Oberkörper purpurbraun, am Unterkörper -schwarz gefärbt; die Brust schillert grün, die Schwanzfedern sind lang, -schwarz, die mittleren schillernd wie beim Haushahn. Im weiblichen -Geschlecht ist die Farbe am Nacken schwarz mit blaß gelbbraunen -Federsäumen, auf der Oberseite hellbraun mit feinen schwarzen -Wellenlinien, am Oberkopf und auf der Unterseite rotbraun. Der Ruf des -Hahn ist kein Kikeriki wie bei seinem gezähmten Abkömmling, sondern ein -kurzes Kikeri. Die übrigen Laute sind, wie auch beim Weibchen, ganz -ähnlich demjenigen des Haushuhns. Das Huhn brütet im Frühjahr und legt -5-6, zuweilen auch 9-11 blaß lehmgelbe Eier in einer gewöhnlich mit -Gras und abgestorbenen Blättern ausgekleideten Bodenmulde. Die Hähne -sind besonders zur Brutzeit außerordentlich kampfeslustig. Nach Hutton -lassen sich junge Bankivahühner, wenn sie auch im Anfang wild sind, -leicht zähmen. Auf den Philippinen, wo die Hahnenkämpfe sehr beliebt -sind, scheinen wilde Hähne oft in Gefangenschaft gehalten zu werden, um -dann bei den Kampfspielen zu dienen. Dies gibt uns einen Fingerzeig, -daß wohl die Benutzung der Kampfeslust der Hähne zu Hahnenkämpfen -das erste Motiv der Domestikation des Bankivahuhns innerhalb des -malaiischen Verbreitungsgebiets in Südasien war. Überhaupt scheinen -die östlichen Varietäten des Bankivahuhnes viel leichter zähmbar zu -sein als die westlichen in Indien, weshalb Darwin mit gutem Grunde an -die Möglichkeit dachte, daß das Huhn zuerst von Malaien domestiziert -wurde. Die Kreuzung desselben mit unserem Haushuhn gelingt leicht -und die Bastarde sind unter sich unbegrenzt fruchtbar und geben mit -anderen Hühnern, so mit Bantamhühnern, reichliche Nachkommenschaft. -Die Bastarde von andern südasiatischen Wildhühnern dagegen, wie dem -_Gallus sonnerati_, _G. stanleyi_ und _G. varius_ sind, als sicherer -Beweis einer entfernteren Verwandtschaft, stets unfruchtbar. Übrigens -lassen schon Abweichungen im Gefieder und namentlich eine durchaus -verschiedene Stimme alle diese Wildhühner als Stammformen unserer -zahmen Hühner nicht zu. Wenn verschiedene Rassen unserer Haushühner -miteinander gekreuzt werden, so schlagen sie gern in die Färbung der -wilden Stammform, des Bankivahuhns, zurück. So erzog Darwin einen -Hahn, der ein Bastard einer weißen Seidenhenne mit einem dunkelgrünen -spanischen Hahn war und dem wilden Bankivahahn außerordentlich glich. -Endlich kann als weiterer Beweis für die Abstammung des Haushuhns -vom Bankivahuhn angeführt werden, daß W. Elliot in Pegu Haushennen -antraf, die von den wilden Bankivahennen nicht unterschieden zu werden -vermochten. Es ist dies also eine ganz primitive Rasse, die sich hier -noch erhielt, während sie sonst überall auch in der Färbung durch die -Domestikation weitgehend verändert wurden. - -Da das Bankivahuhn schon im Wildzustande eine ausgesprochene Neigung -besitzt, Varietäten zu bilden, und dadurch, sich den verschiedensten -Lebensbedingungen anpassend, in den verschiedenen Ländern seines großen -Verbreitungsgebietes sich in zahlreiche Lokalrassen spaltete, darf -es nicht überraschen, daß auch die seit alter Zeit geübte künstliche -Züchtung eine ganze Reihe von zahmen Hühnerrassen hervorgebracht hat. -Im allgemeinen ist bei hochgezüchteten Rassen der Unterschied in der -Färbung beider Geschlechter verringert. Dabei sind teils Riesen-, -teils Zwergformen hervorgegangen, die wir in besonders ausgesprochenem -Maße bei den ostasiatischen Kulturrassen antreffen. Zwerghühner können -eine in allen Proportionen den gewöhnlichen Hühnern gleichende Form -darstellen. Es kann aber auch die Größe des Körpers gewahrt bleiben, -so daß nur die Beine verkürzt werden, wie dies bei den kurzbeinigen -~Krüpern~ der Fall ist. Da diese Tiere infolgedessen nur wenig -ausgiebig scharren können, kann man sie in Gärten frei laufen lassen. -Bei manchen Hühnern, wie bei der ~Cochinchinarasse~, sind die Federn -vermehrt und bedecken den ganzen Lauf, bei andern ist das Federkleid -rückgebildet, wie bei den ~Chittagongs~, die eine nackte Kehle haben, -und den ~Nackthalshühnern~, oder die Federn sind haarähnlich geworden, -wie bei den ~Strupp-~ oder ~Seidenhühnern~. Bei manchen, wie beim -japanischen ~Phönixhuhn~, sind die Schwanzfedern ins Ungeheuere -verlängert, beim ~Kluthuhn~ dagegen sind sie ganz in Wegfall gekommen. -Der Verlust geht bei diesen sogar so weit, daß ihnen überhaupt -das den Schwanz tragende Knochenstück fehlt. Selbst der Kamm, das -wichtigste unterscheidende Merkmal der wilden Hühner, ist mannigfachen -Veränderungen ausgesetzt gewesen, verschwand bei den ~Haubenhühnern~ -sogar vollkommen und wurde durch eine Federhaube ersetzt. Zwei -Haushuhnrassen haben sogar statt vier fünf Zehen erlangt, indem bei -ihnen der als atavistische Mißbildung zuerst aufgetretene überzählige -fünfte Zehe in der Zucht erblich wurde. - -Aber außer in der Form ist das Huhn auch physiologisch weitgehend durch -die Zucht beeinflußt worden. So ist vor allem seine Legefähigkeit -enorm gesteigert. Während die wilde Stammform, sobald sie erwachsen -ist, was nach einem Jahre der Fall ist, wie wir sahen, höchstens 11 -Eier legt, soll einer der besten Leger, aber dadurch ein schlechter -Brüter, nämlich die auch bei uns viel gehaltene ~italienische Rasse~ -bis zu 120 Eier im Jahre legen. Nach der Vermutung von Baldamus ist -diese hochgezüchtete Rasse sehr alt und geht nicht nur auf die Hühner -der Römer und Griechen zurück, sondern reicht in ihren Anfängen -bis zum Beginn des letzten vorchristlichen Jahrtausends zurück. So -zeigen Darstellungen auf assyrischen Siegelzylindern in Umrissen und -Proportionen große Ähnlichkeit mit dem italienischen Huhn. - -Am nächsten stehen der wilden Stammform die eleganten ~Kampfhühner~, -die nur eine geringe Einwirkung der Domestikation zeigen. Der -auffallend schlanke Körper zeigt vielfach Unterschiede in der Färbung. -Am Kopf sind die Fleischlappen und der Kamm klein, der Hals ist -beim Hahne lang, die Halsfedern kurz. Die Schenkel sind lang und -kräftig, die Sporne lang und scharf. Die Hähne werden zu Hahnenkämpfen -verwendet, die Hennen sind schlechte Legerinnen. Ihnen nahe stehen -die ~Malaienhühner~, die ebenfalls hochgestellt sind und lange, -orangegelbe Beine haben. Sie sind ebenso streitsüchtig wie die vorigen -und die Hennen schlechte Eierlegerinnen. Sie kommen in rotbraunen, -weißen und schwarzen Farbenvarietäten vor und werden ebenfalls mehr -zum Luxus als für praktische Zwecke gehalten. Während sie einen kurzen -Schwanz besitzen, ist derjenige der bereits erwähnten ~Phönixhühner~ -ganz außerordentlich verlängert, so daß er stark am Boden schleift. -Er erreicht eine Länge von nicht weniger als 2 _m_ und mehr. Damit -er nicht beschädigt werde, hält man diese Hühner auf hochgelegenen -Stangen. Sie sind ein spezielles Zuchtprodukt Japans und kamen erst -vor kurzem als Merkwürdigkeit nach Europa. Dem Äußeren nach gleichen -sie den gewöhnlichen ~Landhühnern~, die wenig hochgezüchtet sind -und in der Form und Färbung der wilden Stammart noch ziemlich nahe -stehen. Aus ihnen sind in den verschiedenen Ländern spezielle Rassen -gezüchtet worden. Unter ihnen sind zu nennen die ~spanische Rasse~ von -stolzer Haltung, mit weißem Gesicht, mit langen Kehllappen und großem, -gezacktem Kamm. Das Gefieder dieses Huhnes ist bei den reinrassigen -Vögeln schwarz mit grünem Schiller. Sie sind im Hühnerhofe sehr -geschätzt, weil sie viele und große Eier legen. Ihnen nahe stehen die -~Minorcas~ mit scharlachrotem Gesicht und sehr großem Kamm, ferner die -diesen gleichenden ~Anconas~ mit gesperberter Federzeichnung und die -~Andalusier~ mit rotem Gesicht, schwarzem Hals und dunkelschieferblauem -Gefieder. - -Sehr stattlich ist die englische ~Dorkingrasse~, welche sich zur -Fleischnutzung sehr empfiehlt und gute Brüter liefert. Das volle -Gefieder kann dunkel, gesperbert, silbergrau oder weiß sein. Die Brust -erscheint breit. Das Gewicht geht bei der Henne bis zu 4 _kg_, beim -Hahn bis zu 5 _kg_. Ein sehr zartes, weißes Fleisch haben auch die -~Hamburger Hühner~, deren Zucht stark verbreitet ist. Sie besitzen -einen nach hinten spitz auslaufenden Rosenkamm, weiße Ohrlappen, -einen hornfarbigen Schnabel und blaue Beine. Dazu besitzt der Hahn -im Schwanze lange Sichelfedern. Nach der Färbung unterscheidet -man ~grünschillernde~, ~schwarze Silbersprenkel~, ~Goldlack~ und -~Silberlack~. Die Hennen gelten als gute Eierlegerinnen, sind aber zum -Brüten schlecht. - -In Siebenbürgen werden die ~Nackthalshühner~ gezüchtet, die durch ihren -roten, von Federn entblößten Hals wie gerupft aussehen. Manche Züchter -führen diese Eigentümlichkeit auf eine Kreuzung mit dem Truthahn -zurück, was aber zweifellos unrichtig, ja unmöglich ist. Sie sind -ziemlich groß, schwarz gesperbert oder weiß mit einem einfachen Kamm. -Eine schöne französische Rasse sind die nach dem Dorfe _La Flèche_ -genannten _La Flèche_-~Hühner~ von glänzend schwarzem Gefieder, rotem -Gesicht mit langen Kehllappen und weißem Ohrfleck. Weil sich der -niedrige Kamm in zwei lange, hörnchenartige Zapfen spaltet, nennt man -sie auch _poules cornette_. Die ~Haubenhühner~ besitzen an Stelle des -zurückgebildeten Kammes einen Schopf von aufrechtstehenden, mit den -Spitzen überfallenden Kopffedern. Zu ihnen gehören die in Frankreich -und Deutschland vielfach gezüchteten schwarzen _Crève-cœur_-~Hühner~, -die neben dem Federschopf noch zwei aufrechte Kammspitzen von roter -Farbe aufweisen. Dann die stattlichen schwarz und weiß gescheckten -~Houdanhühner~, die neben der starken Haube einen Kamm mit gezackten -Blättern besitzen. Diese stattlichen Tiere, deren Füße wie diejenigen -der englischen Dorkings fünf Zehen besitzen, sind sehr mastfähig -und werden besonders im Departement Seine et Oise gezogen. Eine -starke Vollhaube und dazu noch Bärte besitzen die goldbraunen oder -silberweißen ~Paduaner~, die aber wenig mastfähig und schlechte Brüter -sind. Rein schwarz mit weißer Haube sind die ~Holländer~, die an Stelle -des Bartes lange rote Kehllappen tragen. Der Kamm ist ganz klein und -fehlt bei den reinrassigen Tieren. - -Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts aus China bei uns eingeführte -Rassen sind die großen ~Cochinchina-Hühner~ mit rundem, vollem Körper -und breiter Brust. Der Kopf ist klein mit schwach entwickeltem, -aufrechtstehendem Kamm. Die Flügel sind kurz, die dicken Beine sind -an der Außenseite bis zu den Zehen hinunter befiedert. Der Schwanz -ist auch beim Hahn recht kurz. Die Färbung ist meist gelb, doch -kann sie auch schwarz, weiß, rebhuhnartig oder gesperbert sein. Sie -besitzen ein vortreffliches Fleisch und sind gute Brüter. Sehr nahe -verwandt damit sind die ~Brahmaputrahühner~, die sich eigentlich nur -durch die erbsenförmige Gestalt des Kammes unterscheiden. Ebenfalls -ostasiatischen Ursprungs sind die ~Seidenhühner~, die ihren Namen -vom feinen, haarartigen Federkleide haben. Im Körperumriß ähneln -sie den Cochinchinas; auch ihre Flügel sind auffallend kurz, so daß -sie durchaus nicht fliegen können. Zu dem reinweißen Federkleide -kontrastiert die blauschwarze Farbe der Beinhaut. Sie sind gegen Nässe -empfindlich. Ihre Eier sind blaßgelb. - -Aus Japan stammen die ~Zwerghühner~ oder ~Bantams~, die nicht viel -größer als Tauben werden. Sie sind schwarz, weiß oder gesperbert und -machen sich durch ihr munteres Wesen beliebt. Wirtschaftlich spielen -sie eine unbedeutende Rolle. Weit mehr geschätzt ist das neuerdings bei -uns eingeführte ~Yokohamahuhn~. Aus Nordostasien kamen die ~Langshans~ -zu uns. Durch Kreuzung verschiedener alter Rassen erzielten die -Amerikaner diverse neue, unter denen die ~Brahmas~, ~Plymouth-Rocks~ -und ~Wyandottes~ eine weitere Verbreitung bei uns erlangten. Die -neuerdings durch die unternehmungslustigen Engländer auf den Markt -gebrachten ~Orpingtonhühner~ sind noch nicht zu einer festen Rasse -geworden. - -Die Hauptaufgabe der Hühnerzucht ist das Heranzüchten eines guten -Landhuhns, das während seines ganzen, etwa 6 Jahre dauernden Lebens, -die meisten allerdings in den vier ersten Jahren, 500 bis 600 Eier -legt und daneben noch als Fleischlieferant zu gebrauchen ist. Unter den -deutschen Nutzhühnern spielt gegenwärtig das in Westfalen heimische -~Lakenfelderhuhn~ und das ~Ramelsloherhuhn~ aus der Lüneburger Heide -eine Hauptrolle. Sobald die Hühner mit dem Eierlegen nachzulassen -beginnen, mästet und schlachtet man sie, so daß sie dann noch als -Fleischlieferanten von Nutzen sind. - - - - -XV. Perlhuhn, Pfau, Fasan und Truthuhn. - - -Von weiteren domestizierten Hühnervögeln ist das ~Perlhuhn~ (_Numida -meleagris_) zu nennen, das in Westafrika bis Marokko heimisch ist. -Es hat seinen lateinischen Namen _meleagris_ von Meleager, dem Sohne -des kalydonischen Königs Oineus, der auf der berühmten kalydonischen -Eberjagd umkam. Darüber waren seine Schwestern ganz untröstlich und -wurden durch das Mitleid der Götter in Vögel verwandelt. Da die auf -schiefergrauem Grunde stehenden perlenartigen Tropfen an Tränen -erinnerten, sollten sie die Tränen der Schwestern des Meleager -bedeuten. Diese Vögel sollten nach Plinius auf dem Grabe des Meleager -gehalten werden und dort zu Ehren des Toten kämpfen, wie in der Vorzeit -zu Ehren Verstorbener abgehaltene Kampfspiele durch Menschen üblich -waren. - -Die Perlhühner bewohnen mit Büschen bestandene Gegenden bis zu 3000 -_m_ Höhe. Da, wo sie häufig sind, bemerkt man sie bald, indem sie -morgens und abends ihre durch unser zahmes Perlhuhn wohlbekannte -trompetenartige Stimme vernehmen lassen. Sie wohnen in Familien -von 16-20 Stück beieinander, sind sehr scheu und schlüpfen bei der -geringsten Beunruhigung ins schützende Gebüsch. Mit Vorliebe schlafen -sie auf hohen Bäumen an Flußufern. Im Frühjahr brüten sie ein Gelege -von 5-8 schmutzig gelblichweißen Eiern aus. Die Küchlein gleichen -im Flaumkleide jungen Fasanen, wachsen rasch heran und folgen, wenn -sie die halbe Größe der Eltern erreicht haben, diesen auf allen -Streifereien und bäumen dann nachts regelmäßig mit ihnen. - -Nach Brehm lassen sich Perlhühner leichter eingewöhnen als irgend -ein anderes Wildhuhn, werden aber nicht leicht und kaum jemals -vollständig zahm, schreiten auch nur dann in der Gefangenschaft zur -Fortpflanzung, wenn sie weiten Spielraum haben. Dagegen kann man -gefangene bald so weit gewöhnen, daß sie in Haus und Hof umherlaufen, -ohne ans Entweichen zu denken. Sie sind zänkisch, liegen mit Haus- -und Truthühnern beständig im Streite, werden so bösartig, daß sie -erwachsene Hähne und Kinder angreifen. Sie erfreuen durch ihre -unermüdliche Beweglichkeit, ihr hübsches Gefieder und die sonderbaren -Stellungen und Bewegungen, die sie beim Laufen einnehmen. Beim Brüten -sind sie wenig eifrig und können keine Kälte ertragen. - -Von Westafrika wurden sie im 18. Jahrhundert durch Negersklaven auf -den Antillen eingeführt, wo sie sich vollkommen eingewöhnten und -verwilderten. Dabei wurden sie hier kleiner und dunkler. Schon vor -bald sieben Menschenaltern war es auf Jamaika häufig; jetzt ist es -dort wie auch im östlichen Kuba so gemein, daß es unter Umständen -zur Landplage wird. Schon im Altertum wurde es bei den Griechen und -Römern als Haustier gehalten, verschwand aber nach dem Untergange des -Römerreichs wieder aus Europa, um erst wieder im 15. Jahrhundert von -den Portugiesen aus Angola hier eingeführt zu werden. Seither sind sie -besonders in den Mittelmeerländern, wo es ihnen warm genug ist, so weit -domestiziert worden, daß sie gleich dem Pfau begonnen haben, wenigstens -in der Färbung abzuändern. Unter den gewöhnlichen Perlhühnern mit -weißen Tupfen auf schiefergrauem Grunde kommen nämlich silber- und -blaugraue und, wie bei den Pfauen, auch weiße Tiere vor. Wie bei den -weißen Pfauen das Auge der zum Rad ausgebreiteten Schwanzfedern, so ist -bei den weißen Perlhühnern die ursprüngliche Tüpfelung noch deutlich -erkennbar. - -Im Altertum scheint das Perlhuhn als Fetischtier von Nordafrika nach -Griechenland gekommen zu sein. Nach dem Schüler des Aristoteles, Klytos -von Milet, wurden auf der kleinen, von den Milesiern kolonisierten -Insel Leros um den Tempel der Artemis heilige Perlhühner aus Afrika -gehalten. Dabei wird nirgends gesagt, wie sie dahin gekommen und -weshalb sie der jungfräulichen Göttin geweiht waren. Noch Älian -behauptete, kein Raubvogel wage die lerischen heiligen Hühner -anzugreifen. Auch auf der Akropolis scheinen nach Suidas Perlhühner -gehalten worden zu sein. Zu den Römern kamen sie zur Zeit der punischen -Kriege aus Numidien unter dem Namen numidische oder afrikanische -Vögel. Noch zu Varros Zeit im letzten Jahrhundert v. Chr. waren sie in -Italien sehr selten und teuer. Gleichwohl begann man schon damals diese -kostbaren Tiere, eben weil sie eine Rarität waren, zu essen. Dieser -Autor sagt nämlich: „Die afrikanischen Hühner, welche man _meleagrides_ -nennt, sind erst neulich für die Schmausereien der Leckermäuler in -Gebrauch gekommen, aber noch teuer, weil selten.“ Der Spötter Martial -macht sich in einem Epigramm darüber lustig, daß Hannibal, der Barbar, -seinen Landsmann, den Vogel aus Numidien, nicht aß. Der verrückte -Kaiser Caligula ließ sie sich opfern. Nach Pausanias wurden sie auch in -Phokis bei Tithorea zweimal im Jahre im Tempel der Isis neben Gänsen -geopfert. - -Nachdem die Portugiesen die Perlhühner wieder in Europa eingeführt -hatten, sah sie Volaterranus vor 1500 beim Kardinal San Clemente. Der -Züricher Konrad Geßner bildete den Vogel in seinen _Icones animalium_ -1563 zuerst ab und bemerkt dazu, es sei ein fremder wilder Hahn aus -Afrika und der Berberei, den er von seinem Freunde Cajus, einem -englischen Arzte, erhielt. In Frankreich war er damals schon öfter als -_poule de Guinée_ in den Hühnerhöfen zu sehen. Der Vogel ist so leicht -zu halten, daß er auch in seinem ursprünglichen Verbreitungsgebiet -vielfach gezähmt wird. So traf Staudinger am Niger solche, die durch -ihre weiße Farbe verrieten, daß sie schon längere Zeit domestiziert -waren. Da sie sich leicht versetzen lassen, sind sie im Laufe der Zeit -auf eine Reihe von Inseln gekommen und dort verwildert, so auf den -Kapverden, auf Ascension und St. Helena. Daß sie auch auf zahlreichen -Inseln und Inselchen der Antillen verwilderten, wurde bereits -mitgeteilt. Sie wurden in Amerika kleiner und erhielten schwarze Füße -in Verbindung mit weißem Bauch, weißem Rücken und Flügelspitzen. Im -milden England gelang es noch, sie verwildern zu lassen. Dies würde -wohl auch in den milderen Gegenden Deutschlands möglich sein. Hier -überall, wo es ihnen nicht zu kalt ist, eignen sie sich vortrefflich -als Hausgeflügel. Sobald sie die ersten Tage hinter sich haben, -sind sie gar nicht weichlich und auch im Futter durchaus nicht -anspruchsvoll; dabei lassen sie sich leicht mästen, liefern ein gutes -Fleisch und schmackhafte Eier. - -Häufiger als das Perlhuhn wird der ~Pfau~ (_Pavo cristatus_) in unseren -Hühnerhöfen angetroffen, wo er wegen seiner Schönheit auch mehr ein -Luxus- denn ein Nutzvogel ist. Seine Heimat ist Ostindien und Ceylon. -Dort bewohnt er lichte Waldungen mit Vorliebe bergiger Gegenden mit -dichtem Unterwuchs; ebensogern hält er sich in Pflanzungen auf, die -ihm Deckung gewähren und einzelne hohe, zur Nachtruhe geeignete Bäume -haben. In vielen Gegenden Indiens gilt er wegen seines prächtigen -Gefieders als heilig und unverletzlich und seine Tötung wird von den -Eingeborenen als ein Verbrechen angesehen, das jeden, der sich solches -zuschulden kommen läßt, gelegentlich in Lebensgefahr bringt. In der -Nähe vieler Hindutempel pflegen sich zahlreiche Herden von halbwilden -Pfauen aufzuhalten, deren Pflege mit zu den Obliegenheiten der Priester -gehört. Dabei werden sie sich des ihnen hier gewährten Schutzes bald -bewußt und zeigen, wenigstens dem Hindu gegenüber, kaum größere Scheu -als diejenigen, die auf dem Hühnerhofe heranwuchsen. - -Wo sie ungestört sind, halten sich die wilden Pfauen am Tage in Trupps -von 30 bis 40 Stück meist auf dem Boden auf, um in den Vormittags- -und Abendstunden zur Nahrungssuche auf die Waldblößen oder Felder -herauszukommen. Verfolgt suchen sich die Tiere so lange als möglich -laufend zu retten und, erst wenn sie einen gewissen Vorsprung erreicht -haben, entschließen sie sich zum Fluge, der rauschend und schwerfällig -vor sich geht. Sie bäumen dann so bald als möglich und verbergen -sich mit ihrem grünen Gefieder im dichten Blättergewirr, wo sie sich -wohlgeborgen wissen. Von Raubtieren scheuen sie besonders den Tiger, -dessen Anschleichen sie weithin durch lautes Geschrei kundgeben. Sie -fressen wie unsere Hühner sowohl tierische als pflanzliche Nahrung -und brüten nach der Regenzeit im April, nachdem die Männchen ihr -prächtiges Hochzeitskleid mit dem schillernden, beim Liebeswerben zur -Schau ausgebreiteten Schweife erhalten haben. Ihrer Schönheit sich -wohl bewußt, paradieren sie damit vor den Weibchen, um deren Gunst zu -erlangen. Das meist auf einer erhöhten Stelle, einem Busche im Walde, -errichtete Nest besteht aus dünnen Ästchen und trockenen Blättern -und ist ebenso liederlich gebaut, als dasjenige anderer Hühnervögel. -Das Gelege zählt 4 bis 15 Eier, die vom Weibchen mit großem Eifer -ausgebrütet und nur im Notfalle verlassen werden. Das unscheinbare -Jugendkleid, das die Jungen zu ihrem Schutze mit dem Weibchen teilen, -legen die Männchen erst nach dem zweiten Lebensjahre ab, um im dritten -ihre volle Schönheit zu erlangen und zur Paarung zu schreiten. - -Auf seinem Eroberungszuge nach Indien erblickte Alexander der Große mit -seinen Gefährten als erster Europäer den wilden Pfau in seiner Heimat -am Indus. Er war von der Schönheit des ihm bis dahin unbekannten Vogels -so entzückt, daß er nach dem Berichte des Älian jeden, der ihn zum -Opfer schlachten wollte, mit den schwersten Strafen bedrohte. Er soll -nach der Sage auch einige dieser Vögel auf dem Rückzuge aus Indien mit -sich genommen haben. Sehr viel früher war er gelegentlich schon als -seltener Ziervogel an einige vorderasiatische Höfe gelangt, so auch -nach Jerusalem, wo ihn Salomo als wertvolles Prunkstück hielt. Heißt -es doch 1. Könige 10, 22, daß diesem König in einem edomitischen Hafen -am Nordende des Roten Meeres von phönikischen Seeleuten ausgerüstete -und bemannte Schiffe nach dreijähriger Abwesenheit neben Gold, Silber, -Elfenbein und Affen auch Pfauen aus Ophir brachten, das wir in -Ostafrika zu suchen haben. Dorthin muß der schöne indische Vogel durch -den Monsun zur Überfahrt benutzende indische Segler damals schon als -Tauschware gebracht worden sein, da er daselbst nicht einheimisch ist. -Er heißt im Hebräischen _tukkijîm_, was mit dem tamulischen _togei_ -zusammenhängen dürfte. - -Aus dem semitischen Vorderasien, wo der Pfau als seltenes und durch die -vielen Augen seines Schweifes mit den Sternen und den dort herrschend -gedachten Überirdischen in Verbindung gebrachtes Fetischwesen in -den Tempelhöfen der höchsten weiblichen Gottheit gehalten wurde, -kam er dann durch die Vermittlung der Phönikier zu den Griechen -als _ta(v)ós_, um später dann von ihnen als _pavo_ an die Römer -weitergegeben zu werden. Der erste Ort auf griechischem Boden, von dem -wir wissen, daß dort Pfauen als heilige Tiere gehalten wurden, ist der -Heratempel von Samos. Hera ist offenkundig die mit der phönikischen -Astarte identifizierte Himmelsgöttin, deren Kult sich der merkwürdige -Sternenvogel ganz natürlich anschloß. Ein sich von selbst ergebender -Mythus war es denn auch, daß der allschauende Argos, der die Mondgöttin -Jo zu bewachen hatte, nach seiner Tötung durch den Argeiphontes sich in -den Pfau verwandelt haben soll. So stolz waren die Bewohner der Insel -Samos auf die heiligen Pfauen in ihrem Heratempel, den Herodot für den -größten aller griechischen Tempel seiner Zeit erklärte, daß sie das -Tier auf ihre Münzen prägten. Zu des Polykrates Zeit, der von 535 bis -522 v. Chr. Tyrann von Samos war und einen Seestaat von ziemlich großer -Ausdehnung gegründet hatte, war er aber noch nicht dort, sonst hätten -die Hofdichter Ibykos und Anakreon ihn wohl einmal in ihren Gedichten -genannt. Auch nach Athen würde der Ruf des Vogels und er selbst wohl -früher gedrungen sein. Wir finden ihn nämlich erst nach der Mitte des -fünften vorchristlichen Jahrhunderts in jener Stadt, und zwar als -höchste Merkwürdigkeit und außerordentliche Seltenheit. Es war dies -zur Zeit des Perikles, da Leute von weither kamen, um dieses Wunder -zu sehen. Vielleicht haben die Athener bei der Unterwerfung der Insel -Samos unter ihre Oberhoheit im Jahre 440 den schönen Vogel vom Heraion -nach Athen entführt, obschon der Geschichtschreiber Thukydides nur von -Auslieferung der Schiffe und Bezahlung der Kriegskosten spricht. - -In einer seiner Schriften berichtet der Redner Antiphon von einem -reichen Vogelzüchter in Athen namens Demos, Sohn des Pyrilampes, der -Pfauen in seinem Hühnerhofe hielt. Von weither, vom Peloponnes und aus -Thessalien, kamen die Leute, um diese Vögel zu bewundern und sich, wenn -möglich, Eier von ihnen zu beschaffen. Jeden Monat einmal, am Tage -des Neumondes, wurden alle zugelassen, an den andern Tagen dagegen -niemand. „Und das“ -- setzt Antiphon hinzu -- „geht nun schon mehr als -30 Jahre so fort.“ Nach Plutarch soll schon der Vater Pyrilampes aus -seiner Vogelzucht den Weibern, die sein Freund Perikles zu gewinnen -wünschte, unbemerkt Pfauen zugewandt haben. Doch, meint Antiphon, es -gehe nicht an, die Vögel in der Stadt zu verbreiten, weil sie dem -Besitzer davonfliegen. Wollte sie aber jemand stutzen, so würde er -ihnen alle Schönheit nehmen; denn diese besteht in den Federn und nicht -im Körper. Daher seien sie so lange eine Seltenheit geblieben, daß -man ein Paar derselben mit 10000 Drachmen (etwa 8000 Mark) bezahle. -Bei so hohem dafür bezahlten Preise begreifen wir den Ausspruch des -griechischen Dichters Anaxandrides der mittleren Komödie, daß es -Wahnsinn sei, Pfauen im Hause aufzuziehen und Summen dafür aufzuwenden, -die zum Ankaufe von Kunstwerken ausreichen würden. Erst im Laufe des -vierten vorchristlichen Jahrhunderts wurden die Pfauen häufiger in -Athen und deshalb weniger kostbar, so daß gegen das Ende desselben der -Komödiendichter Antiphanes -- ohne Zweifel mit starker Übertreibung -- -sagen konnte: „Sonst war es etwas Großes, auch nur ein paar Pfauen zu -besitzen; jetzt aber sind sie häufiger als die Wachteln.“ Aristoteles -schildert ihn als einen neidischen und eitlen Vogel, der gegen 25 -Jahre lebe, aber seine schönen Federn erst im dritten Jahre bekomme, -auch dann erst niste. Er brüte des Jahres nur einmal, und zwar 30 -Tage oder etwas mehr. Er lege 12 oder etwas weniger Eier, und zwar in -Zwischenräumen von zwei bis drei Tagen. - -Als die Griechen in Begleitung Alexanders des Großen in das Innere -Asiens vordrangen, scheinen sie, wie Diodor uns berichtet, in -Babylonien zahlreichen Pfauen begegnet zu sein. Der Vogel war also -hier schon gemein, so daß wir begreifen, wie ihn einzelne griechische -Schriftsteller als „medischen Vogel“ bezeichnen konnten. Gewiß ist -Victor Hehn im Unrecht, wenn er meint, der Pfau sei erst durch -die Griechen über Westasien verbreitet worden, da die asiatischen -Pfauennamen alle dem Griechischen entlehnt seien. Vielmehr ist, wie -wir oben sahen, das Umgekehrte der Fall; die Griechen erhielten ihn aus -Kleinasien über die Insel Samos, und aus den Städten Großgriechenlands -lernten ihn dann die Römer kennen. Zu Ende der Republik war der Pfau -den Römern kein allzuseltener Vogel mehr, denn Varro (116-27 v. Chr.) -schreibt in seinem Buche über die Landwirtschaft: „Erst in unserer -Zeit hat man angefangen, ganze Herden von Pfauen zu halten. So z. B. -soll Marcus Aufidius Luco jährlich 60000 Sesterzien (= 9000 Mark) aus -seiner Pfauenzucht lösen. Sieht man auf den Nutzen, so hält man mehr -Weibchen, sieht man aber nur auf die Pracht, so hält man mehr Männchen. -Auf der Insel Samos und auf Planasia (jetzt Pianosa an der Westküste -Etruriens, südlich von Elba, damals Ilva genannt) soll es wilde Pfauen -geben. Unter allen Vögeln gebührt dem Pfau der Preis der Schönheit. -Sie fressen allerlei Getreide, besonders Gerste. Man läßt die Eier von -Pfauenhennen oder von Haushühnern ausbrüten, hat auch für die Jungen -eigene Pfauenhäuser, die in Verschläge geteilt sind, reinlich gehalten -werden und vor sich einen sonnigen Platz haben, wo die Tierchen bei -gutem Wetter gefüttert werden. Den ersten jungen Pfau hat Quintus -Hortensius (ein ausgezeichneter Redner zu Varros Zeit) für die Tafel -braten lassen, als er seinen Antrittsschmaus als Augur hielt. Darauf -folgten viele seinem Beispiele und der Preis stieg dermaßen an, daß -ein Pfauenei mit 5 Denaren (= 3 Mark) und ein Pfau selbst wohl mit 50 -Denaren (= 30 Mark) bezahlt wird.“ - -Selbstverständlich mußte bei den Römern zu Ende der Republik und zur -Kaiserzeit ein Tier wie der Pfau, das schon in Athen der Üppigkeit -gedient hatte, in umso höherem Maße in Aufnahme kommen, als der -römische Luxus und Reichtum den attischen hinter sich ließ. Obschon -das Fleisch, wenigstens der älteren Pfauen, gerade kein Leckerbissen -ist, so fand doch das gegebene Beispiel, schon weil die Sache teuer -war, bei den Protzen allgemeine Nachahmung. Schon Cicero (106-43 v. -Chr.) schreibt in einem Briefe: „Ich habe mir eine Kühnheit erlaubt -und sogar dem Hirtius ein Diner gegeben, doch ohne Pfauenbraten.“ Und -der Dichter Horaz spottet in einer seiner Satiren: „Wird ein Pfau -aufgetragen und daneben ein Huhn, so greift alles nach dem Pfau. Und -warum das? Weil der seltene Vogel Goldes wert ist und ein prächtiges -Gefieder ausbreitet, als wenn dadurch dem Geschmack geholfen wäre.“ -In der Kaiserzeit wird wohl kein größeres Prunkmahl ohne Pfauenbraten -abgehalten worden sein. Ja, wer es ganz üppig geben wollte, der gab -nur Gehirn von Pfauen. So berichtet Sueton von Vitellius als er 69 n. -Chr., zum Kaiser ausgerufen, in Rom einzog: „Beim Ankunftsschmause, -der dem Kaiser Vitellius von seinem Bruder gegeben wurde, betrug die -Zahl der aufgetragenen ausgesuchten Fische 2000, die der Vögel 7000. -Einen noch größeren Schmaus gab er selbst, als er eine ungeheuer große -Schüssel einweihte, die er den „Schild der Minerva“ nannte. Sie war -bedeckt von untereinander gemischten Lebern von Papageifischen, Gehirn -von Fasanen und Pfauen, Zungen von Flamingos, Milch von Muränen; das -alles hatten Kriegsschiffe vom östlichen und westlichen Ende des -Mittelmeeres zusammenbringen müssen.“ - -Diesen übertrumpften noch die späteren Kaiser. So meldet der -Geschichtschreiber Älius Lampridius vom üppigen Kaiser Heliogabalus: -„Kaiser Heliogabalus ließ öfter ein Gericht auftragen, das aus -Kamelfersen, aus Kämmen, die lebendigen Hähnen abgeschnitten waren, -aus Zungen von Pfauen und Nachtigallen bestand. Er gab auch seinen -Palastdienern ungeheuere Schmausereien, wobei die Eingeweide des -Rotbartfisches, Gehirn von Flamingos, Rebhuhneier, Köpfe von Papageien, -Fasanen und Pfauen die Hauptrolle spielten. Seine Hunde fütterte er mit -Gänselebern.“ Außer zum Essen dienten die Pfauen auch als Schmuck der -Gärten der Vornehmen und ihre Federn zu Fliegenwedeln. So spricht der -Dichter Martial vom _muscarium pavonium_, und der Geschichtschreiber -Dio Cassius berichtet: „Als Severus Kaiser geworden war (im Jahre 193), -hielt er für seinen ermordeten Vorgänger Pertinax mit großem Gepränge -ein Totenamt. Dessen aus Wachs angefertigtes Bild lag auf einem -prachtvollen, mit Purpur und Goldstickerei bedeckten Paradebett und -neben ihm stand ein Knabe, der die Fliegen, als ob der Verewigte ruhte, -mit einem Wedel aus Pfauenfedern abwehrte.“ - -Bei solcher Wertschätzung des Pfaues ist es kein Wunder, daß er zur -römischen Kaiserzeit in größerer Menge besonders auf Inseln, auf denen -er sich frei bewegen konnte, gezüchtet wurde. Die Vorteile solcher -von Wasser umgebener Pfaueninseln setzt Columella folgendermaßen -auseinander: „Auf kleinen, waldigen Inseln sind die Pfauen leicht zu -ziehen; sie fliegen von da nicht weg, weil sie überhaupt nicht weit -fliegen. Sie sind da vor Dieben und Raubtieren sicher, man kann sie -frei herumgehen und selbst brüten lassen, wobei sie sich auch das -meiste Futter selbst suchen und nur täglich einmal zu bestimmter Zeit -gerufen und mit etwas Gerste gefüttert werden. Auf dem festen Lande -umgibt man eigene, mit Wald bestandene Grasplätze für sie mit Mauern -und Ställen und rechnet auf je fünf Weibchen ein Männchen. Die Eier -legt man hier gewöhnlich Haushühnern unter, und die Pfauhenne kann, -wenn sie nicht selbst brütet, jährlich 11 bis 12 Eier legen. Geht das -brütende Haushuhn vom Neste, so wendet man die Eier, weil das Huhn -sie wegen ihrer Größe nicht gut selbst wenden kann. Um das Wenden zu -überwachen, bezeichnet man die Eier auf einer Seite mit Tinte; denn -es kommt auch vor, daß ein Haushuhn sie selbst wendet.“ Dann gibt es -genaue Anweisung über die Aufzucht und Fütterung der Pfauen. - -Die Römer brachten den Pfau in die Länder nördlich der Alpen, -wo wir Darstellungen von ihm, beispielsweise auf Lampen der -römisch-helvetischen Ansiedelung von Vindonissa, antreffen. Aus dem -lateinischen _pavo_ wurde das französische _paon_ und das deutsche -Pfau. Doch wird seine Zucht erst im Mittelalter von Italien her nach -Deutschland gedrungen sein. Hier diente er ebenfalls als Prunkvogel, -und mit seinen schönen Federn zierten sich Ritter und vornehme Frauen, -indem sie dieselben auf ihren Kopfbedeckungen und als Garnituren um den -Hals anbrachten. Auch noch im Mittelalter pflegte man bei feierlichen -Essen einen gebratenen Pfau im Schmuck seines nachträglich wieder auf -ihn gesteckten Gefieders auf den Tisch zu bringen. Gewöhnlich trug ihn -die Dame des Hauses selbst unter Trompetenschall auf silberner oder -vergoldeter Schüssel und der Herr zerlegte ihn, wie dies im Lanzelot -König Artus seinen um die Tafel versammelten Rittern tut. Erst zur Zeit -der Renaissance kam dieser Gebrauch allmählich ab, und später wurde -der Pfau durch den Truthahn verdrängt, der ein schmackhafteres Fleisch -besitzt. Daß das Pfauenfleisch bereits in der späteren Römerzeit von -seinem Nimbus eingebüßt hatte, beweist die Behauptung des heiligen -Augustinus, daß es kaum verweslich sei. Er erzählt, er habe selbst -einen Versuch damit angestellt und nach 30 Tagen sei das Fleisch noch -unverwest gewesen, ja es sei ein Jahr lang so aufbewahrt worden. Im -11. Jahrhundert meint dann die heilige Hildegard, Äbtissin vom Kloster -Rupertsberg bei Bingen, wer einen gesunden Magen habe, der könne -solches am Ende schon verdauen. - -Heute wird der Pfau noch immer in herrschaftlichen Gärten als Ziervogel -gehalten; doch tritt seine geringe Fruchtbarkeit seiner Ausbreitung -hindernd in den Weg. Als Folge der Haustierhaltung hat sich auch -bei ihm der Leucismus geltend gemacht; doch gibt es außer weißen -auch dunklere Pfauenarten. Da er sehr selbständig ist, verwildert -er leicht. So ist er namentlich auf Inseln, speziell in Westindien, -verwildert. Dapper sagt in seiner 1671 in Amsterdam erschienenen -Beschreibung Afrikas, daß die Könige von Kongo und Angola die Pfauen -als Regal betrachteten und jeden, der auch nur eine Feder von ihnen -stahl, mit dem Tode bestraften oder als Sklaven verkauften. Eine -ähnliche Wertschätzung erfuhr der Vogel bei den Süd- und Ostasiaten. -So ist der Thron des persischen Schahs wie derjenige des Kaisers von -China über und über mit Pfauenfedern verziert. Mandarinen tragen am -Knopfe ihrer Kopfbedeckung die Pfauenfeder als eine der höchsten -Auszeichnungen, und in Kambodja bezeichnet die Pfauenfeder den -Edelmann. Auch in der Kunst der Orientalen spielt die Pfauenfeder eine -wichtige Rolle und hat vielfach in der Ornamentik Eingang gefunden, wie -übrigens auch bei uns. In unsern Herrschaftsgärten trifft man heute den -schönen, aber mit einer häßlichen Stimme begabten Vogel nur selten an; -denn er ist gegenwärtig etwas aus der Mode gekommen. - -Lange nicht so herrlich gefiedert, aber nützlicher als der Pfau ist der -ihm sehr nahe verwandte ~Fasan~ (_Phasianus colchicus_), im Gegensatz -zu den verschiedenen andern asiatischen Arten auch ~Edelfasan~ genannt. -Er hat seinen Namen von der griechischen Bezeichnung _phasianós_, -d. h. Vogel vom sagenberühmten Flusse Phasis in Kolchis, dem Lande -der zauberkundigen Medeia, in welchem die Helden der Vorzeit unter -Anführung des Jason auf dem schnellen Schiffe Argo das goldene Vließ -holten. Von dort her erhielten ihn die Griechen, um ihn später unter -demselben Namen an die Römer weiterzugeben. In Griechenland tritt -er uns in einer Komödie des Aristophanes ums Jahr 420 v. Chr. zum -erstenmal als kostbarer Luxusvogel entgegen, hat aber in der Folge bei -ihnen als Nutztier keine bedeutende Rolle gespielt. Eine wichtigere -Rolle spielte er bei den alten Römern, bei denen er nach Plinius -in Gehegen in großer Zahl gezogen wurde, um bei den prunkvollen -Gastmählern als kostbarer Leckerbissen zu dienen. Dazu mästete man ihn -nach Palladius 30 Tage lang mit einem mit Öl angefeuchteten Brei aus -Weizen- oder Gerstenmehl und sperrte ihn während dieser Zeit ein, damit -er durch geringe Bewegungsmöglichkeit recht viel Fett ansetze. - -Schon damals wurden die Fasaneneier mit Vorliebe von Haushühnern -ausgebrütet, wie dies heute noch bei uns geschieht. Der Satiriker -Martial erwähnt den Fasan als Leckerbissen der Vornehmen, und Älius -Lampridius sagt in seiner Biographie des Kaisers Heliogabalus, dieser -habe an jedem Tage eine bestimmte Speise genossen, so einmal nur -Fasanen oder junge Hähne, oder nur eine Fischart, oder nur Schweine- -oder Straußenbraten, oder nur eine Obstart oder eine Kuchensorte -oder nur Milchspeisen. Zur Zeit der Völkerwanderung erhielt sich der -geschätzte Vogel in den Villen der Römer, wo ihn die Germanen kennen -lernten. In der Folge wurde er von manchen Fürsten, so von Karl dem -Großen, dann auch von einigen der reicheren Klöster als Luxusvogel -übernommen. So kam er nach den Benediktionen des Mönches Ekkehard -bisweilen auf die Tafel der St. Galler Mönche. Im Jahre 1130 sollen -ihn die Cluniacenser in Frankreich gehalten haben; 1299 wird er in -England erwähnt. 1333 gab es Gehege von ihm in Hessen und anderwärts -in Süddeutschland; doch war er damals noch recht selten. Erst von der -Mitte des 16. Jahrhunderts an erlaubte die zunehmende Territorialhoheit -den Fürsten, die Fasanen im freien Walde so zu schützen, daß man sie -aus den Gehegen entlassen konnte. Mit dem zunehmenden Prunke der -Fürstenhöfe wurde dieser Vogel immer häufiger gehalten, bis zur Zeit -Ludwigs XIV. jeder kleine Hof seine Fasanerie haben zu müssen glaubte. -Hatte der Sonnenkönig die kleine Insel Pourquerolles an der Küste -der Provence zum Fasanengehege bestimmt, so machte der 1759 auf den -spanischen Thron erhobene König Karl II. von Neapel aus der ganzen -Insel Procida einen Fasanenbezirk, in welchem die Haltung von Katzen -strengstens verboten war. Erst als sich daraufhin die Mäuse und Ratten -so sehr vermehrten, daß die Kinder in der Wiege vor ihnen nicht mehr -sicher waren, hob der König dieses Verbot wieder auf. Sein Nachfolger, -Ferdinand IV. (1758-1832), erging sich gern auf der Fasanenjagd. Er -war ein so ausgezeichneter Schütze, daß er auch ohne Repetiergewehr in -einer Stunde bis 300 Fasanen erlegt haben soll. - -Während der Fasan in Süddeutschland und Österreich in der Folge -vollkommen verwilderte, wird er in Norddeutschland halbzahm in Gehegen -gehalten. Auch in Südrußland lebt er häufig wild, schon seltener -dagegen in Italien und sehr selten in Spanien; auch in Griechenland, -wo er früher gemein war, geht er seiner Ausrottung entgegen. Seine -ursprüngliche Heimat waren die Küstenländer des Kaspischen Meeres und -Westasien, während der ~Königs-~ und ~Goldfasan~ in China und der der -Lady Amherst, die ihn zuerst nach Europa brachte, zu Ehren benannte -~Amherstfasan~ in der Mongolei und in Transbaikalien beheimatet ist. -In Südchina und dem Hochlande von Tibet ist der ~Diamantfasan~ zu -Hause, ebenso in Südchina der ~Silberfasan~, der im 17. Jahrhundert -zum erstenmal lebend nach Europa gelangte. Wie der Goldfasan, der -Kinki, d. h. das Goldhuhn der Chinesen, wird auch der Silberfasan sehr -häufig in China und Japan zahm gehalten. Auch bei uns gedeihen beide -bei einfacher Pflege ausgezeichnet, sind aber wegen ihrer auffallenden -Färbung wenig dazu geeignet, in unsern Waldungen ausgesetzt zu werden, -da die bunte Tracht der Männchen sie dem Raubzeuge mehr aussetzt, als -das weit bescheidenere Kleid des westasiatischen Edelfasans. - -Alle Fasanen meiden geschlossenen Hochwald und bevorzugen von -Fruchtfeldern oder Wiesen umgebene Haine oder Buschwerk, in welchem sie -Schutz finden können. Während des ganzen Tages treiben sie sich auf -dem Boden umher, schleichen nahrungsuchend von einem Busch zum andern -und suchen sich erst mit Einbruch der Nacht einen geeigneten Baum zum -Schlafen auf. Ihre Intelligenz ist eine geringe und sie sind leicht -aus der Fassung zu bringen, so daß sie häufig ihrer Dummheit zum Opfer -fallen. Diese ihre geistige Beschränktheit tut ihrer Vermehrung und -Ausbreitung erheblichen Abbruch. Gegen Artgenossen zeigen sie sich -wenig liebenswürdig; sie sind vielmehr ungesellig und unverträglich. -Zwei Hähne kämpfen, sowie sie zusammenkommen, mit Erbitterung, bis die -Federn davonfliegen und Blut fließt; ja der eine bringt den andern um, -wenn er dazu imstande ist. - -Die Ende März einsetzende Paarungszeit macht den sonst schweigsamen -Vogel ein häßliches Gekrähe ausstoßen, mit dem er laut etwaige -Nebenbuhler herausfordert. Nach der Paarung sucht sich die Henne ein -stilles Plätzchen unter dichtem Gebüsch auf, wo sie in eine mit dürren -Blättern belegte, von ihr ausgekratzte seichte Vertiefung im Boden -in Zwischenräumen von je zwei Tagen ihre 8-12 gelblich-graugrünen -Eier legt und nach Vollendung des Geleges eifrig bebrütet. Sie sitzt -so fest, daß sie den gefährlichsten Feind sehr nahe kommen läßt, bis -sie sich zum Davonlaufen entschließt, nachdem sie das Gelege leicht -mit Niststoffen bedeckt hat, um es unkenntlich zu machen. Nach 25-26 -Tagen schlüpfen die Jungen aus, die bald von der Mutter zur Äsung vom -Neste weggeführt werden und schon nach 12 Tagen so weit sind, daß -sie ein wenig flattern können. Wenn sie dann Wachtelgröße erreicht -haben, bäumen sie abends regelmäßig mit den Alten. Bis in den Herbst -hinein halten sich die Jungen bei der Mutter auf, dann trennen sich -zuerst die Hähne und gegen das Frühjahr hin auch die Hennen, die -nunmehr fortpflanzungsfähig geworden sind, von ihr. Sie haben viele -Feinde und unterliegen bei uns weit eher als alle ihre Verwandten -Witterungseinflüssen. Die Fasanen lassen sich leicht untereinander -und mit dem ihnen nahe verwandten Haushuhn kreuzen. Somit haben wir -die Aussicht, durch kunstgemäße Bastardierung und Fortzucht der -Bastarde noch eine ganze Reihe schöner Schmuckvögel aus dem Geschlecht -der Fasanen zu erhalten, die dazu berufen sind, einmal unsere von -Wildhühnern verödeten Landschaften zu beleben und den Augen erfreuliche -Bilder zu spenden. Während der gemeine Fasan sich schon seit dem 14. -Jahrhundert von den Rheinniederungen aus als Jagdwild über Süd- und -Mitteldeutschland verbreitete, aber erst spät nach Norden gelangte -- -er wird in Preußen erst 1678 als Jagdwild erwähnt --, bürgerte sich der -schöne Königsfasan erst neuerdings auf den Donauinseln bei Wien und in -Frankreich ein. - -Der prächtige Goldfasan ist vermutlich der sagenhafte Vogel ~Phoinix~ -der alten Griechen; wenigstens paßt die zuerst von Herodot gegebene -Beschreibung desselben am besten auf diesen Vogel, der wohl schon im -frühen Altertum in einzelnen Exemplaren aus Ostasien durch Vermittlung -indischer Schiffer an die Küsten des Roten Meeres und zu den Ägyptern -gelangte. Nach Oppian sollte er in Indien leben und nie von Menschen -verfolgt werden. Er lebe sehr lange, fühle er sich aber altersschwach, -so baue er sich auf einer Felsenspitze aus dürrem Reisig einen -Scheiterhaufen und lege sich darauf. Von der Sonne entzündet, verbrenne -dann der Scheiterhaufen samt dem Vogel und statt des toten steige ein -junger Phönix aus den Flammen hervor. Nach dem älteren Plinius soll -der in Arabien lebende Phönix die Größe eines Adlers erreichen, am -Halse mit Goldfarbe glänzen, übrigens purpurfarbig sein und im Schwanze -himmelblaue und rosenrote Federn haben; sein Kopf soll oben mit einem -Federbusch, unten mit Kammlappen geziert sein. Unter den Römern -sei der Gelehrte Senator Manilius der erste gewesen, der genauere -Nachrichten über diesen Vogel gab. Zur Zeit des Kaisers Claudius im -Jahre 34 n. Chr. sei einer nach Rom gebracht und öffentlich dem Volke -gezeigt worden; doch galt er nicht für echt, da er Gerste, Weizen -und Brot fraß und eines gewöhnlichen Todes starb, ohne vorher sein -berühmtes Nest gebaut zu haben. Der römische Geschichtschreiber Tacitus -meldet, daß vor diesem einer zur Zeit des Sesostris (Senwosret III., -1887-1849 v. Chr., der das nördliche Nubien unterwarf und für sich die -Stufenpyramide von Dahschûr erbaute), ein anderer zur Zeit des Amasis -(Ahmose, 570 bis 526 v. Chr.), ein dritter zur Zeit des Ptolemäus -III. (Euergetes, 247 bis 221 v. Chr.) nach der Sonnenstadt Heliopolis -in Ägypten geflogen und jeweilen von einer Menge neugieriger Vögel -begleitet und bewundert worden sei. Jedenfalls sei es eine ausgemachte -Sache, daß dieser Vogel sich bisweilen in Ägypten sehen lasse. Später -schrieb dann der im 4. Jahrhundert n. Chr. lebende Lactantius ein -eigenes Gedicht über den Phönix, dessen Gestalt zwischen Pfau und -gemeinem Fasan in der Mitte stehe und dessen Gang leicht, rasch und -voll königlichen Anstandes sei. - -Unbekannt war den Alten selbstverständlich das erst nach der Entdeckung -Amerikas durch spanische Vermittlung nach Europa gelangte ~Truthuhn~ -oder der ~Puter~ (_Meleagris gallopavo_). Neben dem Kakao und der -Cochenille verdanken wir den alten Mexikanern die Zähmung des dort -und im Süden der Vereinigten Staaten einheimischen Truthuhns, das -bei ihnen und den weiter südlich wohnenden Mayastämmen neben dem -zahmen Hund die Hauptquelle für Fleischnahrung bildete. Das Truthuhn -lebt heute noch, soweit es nicht in dichter besiedelten Gegenden -ausgerottet wurde, in den Wäldern des südlichen Nordamerika. Einst war -es besonders in den Staaten Ohio, Kentucky, Illinois, Arkansas und -Alabama sehr häufig. Die beste Schilderung des freilebenden Tieres -verdanken wir dem nordamerikanischen Ornithologen John James Audubon -(1780-1851). Dieser schreibt von ihm, daß es zeitweilig in großen -Gesellschaften lebe und unregelmäßige Wanderungen antrete, indem es -tagsüber nahrungsuchend auf dem Boden fortlaufe, nachts aber auf hohen -Bäumen raste. Gegen den Oktober hin, wenn noch wenige von den Baumsamen -hinabgefallen seien, reisten die Truthühner dem Tieflande des Ohio und -Mississippi zu, wo sie mehr Äsung fänden. In nahrungsreichen Gegenden -pflegten sie sich in kleinere Gesellschaften zu zerteilen. Wenn sie -sich, von der Wanderung ermattet, Bauernfarmen näherten, mischten -sie sich gern unter den Hühnerstand. Im Frühjahre fände die Paarung -statt, wobei die Männchen die uns allen bekannten Werbungstänze, -von den schnell aufeinanderfolgenden rollenden Tönen begleitet, -aufführten. Das Nest bestehe aus einer seichten, liederlich mit Federn -ausgekleideten Vertiefung im Boden; das Gelege bestehe aus 15-20 auf -dunkelrauchgelbem Grunde rotpunktierten Eiern, die von der Henne mit -Ausdauer bebrütet würden. Falls diese das Nest verlasse, decke sie die -Eier sorgsam mit trockenen Blättern zu, so daß es schwer sei, überhaupt -ein Nest aufzufinden, wenn man nicht gerade die brütende Mutter -davon aufscheuche. Zuweilen geschehe es, daß mehrere Hennen in ein -gemeinsames Nest legten und es zusammen bebrüteten. Die Jungen seien -schon nach 14 Tagen befähigt, mit den Alten abends aufzubäumen. - -Der Truthahn wird besonders gern während der Balz, die er zuweilen -auf Bäumen abhält, erlegt. Häufig werden die dummen Tiere in Fallen -gefangen, in die man Mais als Lockspeise gestreut hat. Ihr Fleisch ist -in ihrer Heimat sehr beliebt. Der erste Europäer, der das Truthuhn -erwähnt, ist der Spanier Oviedo, der in seiner Geschichte Indiens -schreibt: „In Neuspanien gibt es sehr große und schmackhafte Pfauen, -von welchen viele nach den Inseln und die Provinz Castilia de Oro -geschafft worden sind und daselbst in den Häusern der Christen ernährt -werden. Die Hennen sehen unansehnlich aus, die Hähne aber sind schön, -schlagen auch oft ein Rad, obgleich sie keinen so großen Schweif -haben als die Pfauen in Spanien.“ Um 1523 soll der Erzbischof von -San Domingo, Alessandro Geraldini, das erste Paar Truthühner nach -Rom gesandt haben. Als „indische Hühner“ haben sie sich in der Folge -langsam verbreitet, waren aber 1557 noch so selten und kostbar, daß der -Rat von Venedig bestimmte, auf welche Tafel sie kommen dürften und auf -welche nicht. 1571 wurden sie nach Konrad von Heresbach in ziemlicher -Zahl am Niederrhein gezogen. Schon 1560 hatte man bei einer großen -Hochzeit zu Arnstadt 150 Stück; 1561 bezahlten die reichen Fugger in -Augsburg zwei erwachsene Truthähne mit 3½ Gulden und zwei junge Hähne -mit 2 Gulden per Stück. - -Nach England sollen die ersten Truthühner 1524, nach Deutschland 1534 -gekommen sein. Gleichzeitig gelangten sie auch nach Frankreich. Nach -Pennant soll 1585 der Truthahn urkundlich zuerst auf einem englischen -Weihnachtstisch erschienen sein. In der Folge gewann er hier als -beliebtester Weihnachtsbraten eine große Bedeutung. Merkwürdigerweise -gab man ihm hier den Namen _turkey_ im Sinne von „weither gebrachtes -Huhn“. Die Türken selbst, die das Truthuhn verhältnismäßig früh -erhielten, nannten es „Frankenhuhn“, weil sie es von den Franken, den -Christen Europas, erhielten. Im Jahre 1625 wollte es in Kairo noch -nicht gedeihen; jetzt hat es dort die Gans als Festbraten verdrängt. Es -heißt hier Maltahuhn. Nach Persien brachte es der französische Reisende -Tavernier. In Indien gedeiht es nicht recht und bleibt klein, ebenso -auf Malakka und Java, wo es sich manchmal überhaupt nicht fortpflanzt. -Um 1870 waren sie in Annam neu eingeführt. In China werden sie nur -als Rarität gehalten und nicht benutzt. An der Küste von Oberguinea -traf sie Bosmann 1705 auf den Gehöften der Europäer, doch sind sie -nicht in den Besitzstand der Neger übergegangen. Die Indianer des -nördlichen Südamerika dagegen hatten von den mittelamerikanischen -Kulturvölkern, speziell dem Stamme der Mayas, das Truthuhn übernommen; -so traf es 1860 der englische Naturforscher Bates im Besitze der -Indianer am Amazonenstrom. Schon seit langer Zeit hatten diese allerlei -einheimische Waldhühner, so den ~Hokko~ und die ~Penelope~, in ihren -Hütten gezähmt gehalten. Doch geschah dies nur zum Vergnügen, ohne -irgend welchen Nutzen aus ihren Pfleglingen zu ziehen. Aber zur -Fortpflanzung in der Gefangenschaft und zur eigentlichen Haustierschaft -gelangten sie nie. Man kann daraus schließen, daß es keineswegs leicht -ist, aus einem ohne Schwierigkeit zähmbaren und vielgehaltenen Tier ein -Haustier zu machen. - -Die in der Kultur hoch gestiegenen Azteken Mexikos und Mayastämme -Yucatans hatten das Truthuhn jedenfalls schon lange vor der -Einwanderung der Europäer gezähmt. Dies beweist, daß die ersten Spanier -in deren Besitz schon durch fortgesetzte Inzucht zu Leucismus gelangte -weiße Truthühner antrafen. Die europäischen Ansiedler Nordamerikas, die -jedenfalls ihre Truthühner aus ihrer alten Heimat, besonders England, -mitgebracht hatten, legten ihren Truthennen mit Vorliebe die Eier der -wilden unter, um dann mit den Jungen der wilden Zucht das Blut ihrer -zahmen aufzufrischen. Überhaupt scheint das Truthuhn verhältnismäßig -leicht zähmbar zu sein und auch leicht zu verwildern. So ist es im -vergangenen Jahrhundert mehrfach in englischen Parks verwildert, ebenso -in Deutschland. Darwin fand nahezu verwilderte Truthühner am Parana in -Südamerika. Vielleicht hat sich das Truthuhn mit dem Pfau, nicht aber -mit dem Haushuhn gekreuzt, wie einzelne Berichte melden. Neuerdings -sucht man es als Jagdvogel bei uns einzuführen, was wohl keine -Schwierigkeiten haben wird, da es sich leicht akklimatisiert. - - - - -XVI. Gans, Ente und Schwan. - - -Die in den Haustierstand übergetretenen Schwimmvögel gehören alle -der Familie der Zahnschnäbler oder Entenvögel an, die ebenso wie die -bereits besprochenen Hühnervögel vielfach erhebliche Unterschiede -in der Färbung des Gefieders beider Geschlechter erkennen lassen, -besonders was die Wildenten betrifft. Ihre geistige Begabung wird -vielfach zu niedrig angeschlagen, so daß die Bezeichnung „dumme -Gans“ geradezu sprichwörtlich geworden ist. Jedenfalls ist sie -durchschnittlich höher als bei den übrigen Schwimmvögeln. Nur die -gezähmten Vertreter derselben haben durch jahrhundertlange Bevormundung -durch den Menschen von der Intelligenz ihrer freien Ahnen erheblich -eingebüßt. Allen Mitgliedern der Sippe ist große Geselligkeit und -eine ausgesprochene Fürsorge für die Brut eigen. Soweit sie sich dem -Menschen anschlossen, verlangen sie auch im Haustierstande die Nähe -von Teichen oder langsam fließenden Wasserläufen, um sich darauf zu -tummeln, zu baden und nach allerlei kleinem Getier und pflanzlichen -Stoffen zu gründeln. - -[Illustration: Bild 47. Jagd auf Wildenten und anderes Wassergeflügel -mit dem Wurfstock (Bumerang). (Nach Wilkinson.) - -Hinter dem Herrn steht dessen Gattin und davor das Töchterchen, das -seinen Vater auf die Gans vor ihm aufmerksam macht. Zu oberst stürzt -eine Wildgans, vom Wurfholz getroffen, herunter.] - -Von ihnen trat die Wildgans als die verhältnismäßig am leichtesten -zähmbare zuerst in die Abhängigkeit des Menschen, und zwar begegnen -wir ihr im wasserreichen Ägypten zuerst als Haustier. Dort hatte man -schon sehr früh außer der Gans auch Reiher und Kraniche eingefangen und -nach Stutzung der Flügel eingehegt in kleinen, von Hirten getriebenen -Herden gehalten. Dann haben auch die Griechen und Römer der späteren -Zeit nicht nur ~Kraniche~ gefangen, um sie als geschätzten Braten zu -essen, sondern auch zuvor in besonderen Gehegen gemästet. So klagt -Plutarch über die Grausamkeit mancher Leute, die den zum Mästen -eingesperrten Kranichen und Schwänen die Augenlider zusammennähen. -Schon Platon erwähnt Anstalten zum Füttern von Gänsen und Kranichen. -Später berichtet der Römer Varro zu Ende der Republik, daß Sejus eine -Villa besitze, auf der große Herden von Gänsen, Hühnern, Tauben, -Kranichen, Pfauen, Siebenschläfern, Fischen, Wildschweinen und anderem -Wild gehalten würden, wodurch er ein jährliches Einkommen von 50000 -Sesterzien (= 7500 Mark) erziele. Noch lange erhielt sich in Italien -die Vorliebe für Kranichbraten, zu dessen kunstgerechter Zubereitung -der Feinschmecker Apicius die nötige Anweisung gab. ~Reiher~ wurden -von den Römern der Kaiserzeit kaum gegessen, wohl aber ~Störche~. So -sagt Horaz in einer seiner Satiren, der Storch sei in seinem Neste -sicher gewesen, bis man durch einen gewesenen Prätor erfuhr, daß er -vortrefflich schmeckt. Nach Porphyrio war es Asinius Sempronius Rufus, -der die Sitte einführte, junge Störche zu essen. Auch ~Flamingos~ -waren bei den römischen Feinschmeckern beliebt. So berichtet Plinius, -der Erzschwelger Apicius habe die Römer darauf aufmerksam gemacht, -daß die dicke Zunge des Flamingo vortrefflich schmeckt. Martialis -erwähnt sie als Leckerbissen für Leckermäuler, und Suetonius berichtet: -„Kaiser Vitellius war im Essen ganz unmäßig und ließ, nebst anderen -Leckerbissen, auch Flamingozungen auftischen.“ Nach Älius Lampridius -ließ der schwelgerische Kaiser Heliogabalus bei seinen großen -Schmausereien auch Gehirn von Flamingos auftragen. - -Alle diese Wasservögel sind aber nie gezüchtet oder gar zu Haustieren -erhoben worden. Nur die Gans wurde es, und zwar waren nach den auf -uns gekommenen Darstellungen an den Wänden der altägyptischen Gräber -diese Gänse im Alten Reich viel schlanker und zierlicher als die -plumpen Gestalten unserer hochgezüchteten jetzigen Gänse. In einem -altägyptischen Gau war der Erdgott Keb mit der ihm heiligen Gans über -dem Kopfe dargestellt und wurde „der große Gackerer“ genannt. Den -alten Ägyptern war das Gänseei das Symbol des Welteies, aus dem die -ganze Schöpfung hervorgegangen sein sollte. Die Eier des von ihnen -gezähmten Tieres aßen sie wohl deshalb nicht, doch spielte der Braten -von erlegten wilden, wie auch später von zahmen Gänsen eine bedeutende -Rolle im Leben der Ägypter; denn unter den Opferspeisen, die den -vornehmen Toten dargebracht wurden, steht solcher mit an erster Stelle. - -Die Stammform dieser altägyptischen Gans war nun nicht diejenige -unserer europäischen Gänse, von der alsbald die Rede sein wird, sondern -die die afrikanischen Gewässer bewohnende, durch ihre auffallend schöne -Zeichnung ausgezeichnete ~Nilgans~ (_Chenalopex aegyptiacus_). Sie -besucht von Afrika und Syrien aus ziemlich regelmäßig Südeuropa, aber -nur ausnahmsweise Deutschland. Sie vertritt die Gattung der Baumgänse -und kennzeichnet sich durch ihre schlanke Gestalt, den dünnen Hals, -großen Kopf, kurzen Schnabel, die hohen Füße, die breiten Flügel und -das prachtvolle Gefieder. Kopfseiten und Vorderhals sind gelblichweiß -und fein gesprenkelt; ein Fleck um das Auge, der Hinterhals und ein -breiter Gürtel am Mittelhals sind rostbraun, das Gefieder der Oberseite -grau und schwarz, das der Unterseite fahlgelb, weiß und schwarz -quergewellt, die Mitte der Brust und des Bauches lichter, erstere -durch einen großen, rundlichen, zimtbraunen Flecken geschmückt, die -Steißfedern schön rostgelb, die Flügeldecken weiß, gegen die Spitze zu -schwarz, prachtvoll metallisch schimmernd, die Schwingenspitzen und -Steuerfedern glänzend schwarz. - -Der schöne Vogel bewohnt ganz Afrika, besonders soweit es mit einem -Waldsaum eingefaßte Ströme besitzt, da er am liebsten im Walde und auf -Bäumen nistet. Im nördlichen Nilgebiet bilden Inseln und Sandbänke -im Strom seinen bevorzugten Aufenthalt. Von ihnen aus fliegt er -dann auf die Felder hinaus, um daselbst zu äsen. Er ist überaus -vorsichtig, scheu und mißtrauisch, daneben aber auch streitsüchtig mit -Geschlechtsgenossen. - -Die Zähmung der einheimischen Nilgans wurde schon sehr früh von den -alten Ägyptern bewerkstelligt, so daß sie zweifellos als der älteste im -Niltal domestizierte Vogel anzusehen ist. Schon auf den Grabgemälden -des Alten Reiches (2980-2475 v. Chr.) sehen wir Bäuerinnen Gänse dieser -Art auf den Markt oder in den Tempel zum Opfer bringen. Auf anderen -sehen wir, wie Nilgänse gestopft werden, um sie fett zu machen, oder -wie an einem Bratspieß in glühender Asche Gänsebraten kunstgerecht -hergestellt wird. Erst im Neuen Reich (1580-1205 v. Chr.) wird dazu ein -über dem Feuer stehender Metallkessel verwendet, wobei der Küchenjunge -zum Umwenden des Bratens sich einer großen zweizinkigen Gabel bedient. -Wir sehen auch Geflügelhändler sie gerupft in ihrem Laden feilbieten, -dessen Wand eine ganze Reihe dieser gemästeten Vögel birgt, die fein -säuberlich ausgenommen waren und durch ihre appetitliche Auslage zum -Kaufen einluden. - -[Illustration: Bild 48. Geflügelladen im alten Ägypten mit teilweise -gemästeten Gänsen. - -(Nach Wilkinson.)] - -Wie hoch die Zucht der Nilgans im Neuen Reiche Ägyptens entwickelt war, -zeigt uns ein im Britischen Museum in London aufbewahrtes Gräberbild -aus Theben, auf dem ganze Herden von Gänsen und ganze Körbe voll -geschlachteter Leiber derselben einem hohen Beamten vorgeführt werden. -Dabei werden die sich herandrängenden Gänsehirten von den Aufsehern -zur Ruhe gewiesen. Auf diesem, wie auf den anderen altägyptischen -Bildern, ist die Darstellung der Nilgans ungemein naturgetreu. -Merkwürdigerweise ist diese Zucht, die über 2000 Jahre hindurch von der -größten wirtschaftlichen Bedeutung für Ägypten war, späterhin spurlos -verschwunden. Weder im Niltal noch sonstwo in Afrika läßt sich irgend -welche Spur der Erhaltung dieser einstigen Gänsezucht nachweisen. In -Europa wurde sie gelegentlich wieder aufzunehmen versucht; doch wurde -die Nilgans nicht mehr in den Haustierstand erhoben, sondern sie wird -nur gelegentlich als Ziervogel gehalten. Nach J. Geoffroy St. Hilaire -ist 1839 in Frankreich die Aufzucht dieses Tieres mit gutem Erfolg -gelungen. Die gezüchteten Exemplare nahmen nach und nach an Größe zu -und die Befiederung wurde etwas heller. Gleichzeitig gelang es von 1844 -an, die Brutzeit zweckmäßig zu verschieben, indem die Eiablage vom -Ende Dezember oder Anfang Januar bis 1846 in den März und später in -den April hinausgeschoben wurde. Leider wurde dieser vielversprechende -Versuch nicht weitergeführt und die Zucht der Nilgans aufgegeben, -bevor sie wiederum zum wirklichen Hausvogel, wie sie es einst im alten -Ägypten gewesen, geworden war. - -[Illustration: Bild 49. Gänsebraterei im alten Ägypten. - -_a_) Zerkleinerte Gänse in einem Kessel, _d_) Sieden in einem Kessel, -_f_) Braten von Gänsen am Spieß. (Nach Wilkinson.)] - -Außer der Nilgans scheinen die Ägypter noch drei andere Arten von -Wildgänsen gezähmt und mit gestutzten Flügeln in Herden gehalten zu -haben. Dies dürfen wir vor allem nach dem berühmten Wandgemälde des -Alten Reiches, das unter dem Namen die „Gänse von Meidum“ bekannt ist, -schließen. Darauf sehen wir nach Gaillard und Lortet weidende Graugänse -(_Anser cinereus_), dann Bläßgänse (_Anser albifrons_) und Rothalsgänse -(_Branta ruficollis_). Immerhin war diese Zucht nur sehr vereinzelt und -ohne volkswirtschaftliche Bedeutung, da sie sehr bald aufgegeben wurde. - -Die Stammform unserer ~Hausgans~ ist nicht die afrikanische Nilgans, -sondern die in Europa und Nordasien heimische, auf dem Rücken -bräunlichgraue, auf der Unterseite gelblichgraue, spärlich und -unregelmäßig gefleckte ~Grau-~ oder ~Märzgans~ (_Anser cinereus_). -Sie gehört mehr den gemäßigten Gegenden als dem hohen Norden an und -ist die einzige der bei uns vorkommenden Arten, die in Deutschland -brütet. Hier erscheint sie schon Ende Februar oder Anfang März, also -noch vor der eigentlichen Schneeschmelze in kleinen Gesellschaften, um, -wie dies wenigstens früher der Fall war, an allen größeren stehenden -Gewässern in schwer zugänglichem Schilfdickicht oder mit Gesträuchern -und hohem Gras bewachsenen Inseln zu brüten und nach Beendigung der -Mauser Ende Juli wieder nach Süden abzuziehen, wo sie den Winter -verbringt. Treu halten die Familien zusammen. Die im Gegensatz zu den -überaus schwerfällig gewordenen Hausgänsen viel rascher und zierlicher -sich bewegenden, gut und ausdauernd fliegenden, gewandt schwimmenden -und bei großer Gefahr in gewisse Tiefe tauchenden wilden Graugänse -beweisen einen scharfen Verstand und zeigen sich sehr vorsichtig und -mißtrauisch. Nur die Hausgänse erfreuen sich, als ob sie die nahe -Verwandtschaft herausfühlten, ihrer Zuneigung, indem sie sich diesen -auf den Weideplätzen oft nähern, ja einzeln sich nicht selten unter -diese mischen. In die aus allerlei Stengeln und Halmen von Schilf, -Rohr oder Binsen unordentlich und locker hergestellten und mit einer -dicken Daunenlage ausgepolsterten Nester legen die jüngeren Weibchen -5-6, die älteren dagegen 7-14 durchaus denen der Hausgans gleichende, -glattschalige, glanzlose, etwas grobkörnige Eier von grünlichweißer -oder trübgelblicher Färbung. Am 28. Tage der Bebrütung entschlüpfen -die Jungen, werden noch etwa einen Tag lang im Nest festgehalten, -dann auf das Wasser geführt und zum Futtersuchen angeleitet. Später -werden Wiesen und Felder zum Äsen aufgesucht. Abends kehrt alt und jung -noch zum Nest zurück. Nach ungefähr zwei Wochen wird dieses für die -inzwischen heranwachsenden Jungen zu klein und letztere nehmen bald -hier, bald dort, dicht neben der Mutter hingekauert, ihre Schlafstelle -ein. - -Jung eingefangene Graugänse werden bald zahm, doch verleugnen sie, -sobald sie erwachsen sind, so wenig als die von Hausgänsen erbrüteten -und erzogenen Wildgänse, ihren Freiheitsdrang und Wandertrieb. Sie -beginnen zu fliegen und ziehen, wenn man sie nicht gewaltsam zurückhält -und ihnen die Flügel stutzt, im Herbst mit anderen Wildgänsen nach -Süden. Zuweilen geschieht es, daß einzelne zurückkommen und das Gehöft, -in welchem sie großgezogen wurden, wieder aufsuchen; aber sie gehören -doch zu den Ausnahmen. Von vier im Hause erbrüteten und erwachsenen -wilden Graugänsen, die Boie beobachtete, entzogen sich nach und nach -drei der Obhut ihrer Pfleger; eine aber kehrte im nächsten Frühling -und in der Folge noch 13 Jahre lang zu dem Gut zurück, auf welchem man -sie aufgezogen hatte, bis sie endlich ausblieb, also wohl ihren Tod -gefunden haben mußte. Sie stellte sich in den 13 Jahren nie früher als -den 1. und nie später als den 4. April, also mehrere Wochen später als -die übrigen Gänse ein, zeigte sich auf dem Hofe sehr zahm, außerhalb -aber ebenso scheu als die wilden ihresgleichen, kam in den ersten -Wochen nach ihrer Rückkunft gewöhnlich morgens und abends, um sich -Futter zu holen, blieb auch wohl eine halbe bis eine ganze Stunde, flog -dann jedoch immer wieder zurück, und zwar sofort dem nahen See zu, so -daß man auf die Vermutung geriet, sie möge dort ihr Nest haben. Von der -Zeit an, in welcher die wilden Gänse Junge auszubringen pflegen, blieb -sie länger auf dem Hof, und später hielt sie sich beständig dort auf. -Abends 10 Uhr erhob sie sich regelmäßig und flog stets in derselben -Richtung davon, dem See zu. - -Das Wildbret der alten Graugänse ist zwar hart und zähe, dasjenige der -Jungen dagegen zart und außerordentlich schmackhaft. So ist es kein -Wunder, daß die Tiere von alters her vom Menschen erbeutet wurden, um -als willkommene Nahrung zu dienen. Wie wir Überreste dieser Wildgänse -unter den Speiseabfällen der frühneolithischen Kjökkenmöddings der -Muschelesser Dänemarks antreffen, so begegnen wir ihnen, wenn auch -allerdings selten, in denjenigen der Pfahlbauzeit. Doch gezähmt kannten -die vorgeschichtlichen Europäer die Gans durchaus nicht, obwohl ihr -gleichende Vögel nebst Rinderköpfen auf einem bei Frankfurt an der Oder -gefundenen heiligen Wagen der Bronzezeit dargestellt sind. Letztere -waren der Gottheit geweihte wilde Tiere. Im alten Babylonien finden -wir Gewichte in Gestalt eines Schwimmvogels, der vermutlich ebenfalls -eine Gans darstellt. In Indien, wo der Vogel Henza eine wichtige -mythologische Rolle spielt, hat man mehrfach Gänsefiguren in Gräbern -gefunden, so daß man annehmen darf, daß diesem Vogel in den religiösen -Anschauungen der dortigen Bewohner eine gewisse Bedeutung zukam. In -Birma sind nach Yule heute noch Gewichte in Gebrauch, von denen die -Eingeborenen wissen, daß sie Gänse darstellen. Daraus schließt Eduard -Hahn, daß die Gänsezucht im alten Babylonien wie in Ägypten in Blüte -gestanden haben muß und von dort weiter östlich verbreitet wurde. -Es ist dies wohl möglich, ja wahrscheinlich, weil dort viele Kanäle -diesen Wasservögeln Gelegenheit zum Baden und Tauchen gewährten. -Doch haben die solcher Wasseransammlungen entbehrenden Juden diesen -Nutzvogel weder von dort noch von Ägypten her übernehmen können. In den -heiligen Schriften der Juden wird die Gans nirgends erwähnt; erst seit -dem Mittelalter ist bei den nach Europa gekommenen und hier häuslich -niedergelassenen Juden der Genuß von Gänsefleisch und von Gänsefett -zum Schmälzen des Rindfleisches, da ihr Gesetz die Verwendung von -Rinderfett oder Butter zu letzterem verbietet, sehr beliebt geworden. - -Dagegen hielten bereits die Griechen des homerischen Zeitalters zahme -Gänse in kleinen Herden. Im Hofe des Königs Menalaos von Sparta, dem -Bruder des mächtigen Herrschers des „goldreichen Mykene“, Agamemnon, -gab es schon, wie uns im 15. Gesang der Odyssee berichtet wird, -die „sehr große, gemästete, weiße Gans“, auf welche ein Raubvogel -hinabstößt. Diese kennzeichnenden Beiwörter legen Zeugnis dafür ab, -daß wir es hier mit einem sehr alten, schon längst in der menschlichen -Zucht und Pflege befindlichen Tiere zu tun haben, bei dem sich der bei -Haustieren so weit verbreitete Leucismus schon vollkommen ausgebildet -hatte. Wahrscheinlich hatten die alten Griechen die weiße Hausgans von -Norden her erhalten. Da die wilde Stammform in Südeuropa nicht brütet, -sondern im Herbst mit bereits erwachsenen Jungen in das Gebiet des -Mittelmeeres fliegt, so ist sie wohl in ihrem südlichsten Brutbezirk, -in Mitteleuropa, irgendwo von vermutlich indogermanischen Stämmen in -die Haustierschaft gebracht worden. Hier konnten leicht nach Tötung der -Mutter erbeutete junge Wildgänse in des Menschen Pflege herangezogen -und später durch Brechen der Flügel vor dem Davonfliegen beim -Größerwerden bewahrt werden. - -Bei den Griechen galt die Gans für einen lieblichen Vogel, dessen -Schönheit bewundert wurde und der zu Geschenken an geliebte Knaben -und Mädchen diente. Als Ziervogel erscheint sie auch im 19. Gesang -der Odyssee, wo von Penelope, der treuen, von Freiern viel umworbenen -Gattin des Odysseus, als sie ihrem unbekannten, in Bettlergestalt ihr -gegenübersitzenden Gemahl ihren Traum erzählt, gesagt wird, sie besitze --- nicht draußen bei der Ökonomie, sondern bei der Wohnung -- 20 Gänse, -die anzusehen ihr Freude mache. Diese ausdrücklich hervorgehobene Zahl -scheint offenbar einen nicht unbedeutenden Reichtum darzustellen. -Nach späterer griechischer Vorstellung sind Gänse wachsame Hüterinnen -des Hauses. So war auf dem Grabe einer guten Hausfrau unter andern -Emblemen eine Gans abgebildet, um die Wachsamkeit der Verstorbenen -hervorzuheben. In der bekannten Fabel des aus Kleinasien gebürtigen -Äsopos ist von der Gans die Rede, die goldene Eier legt. Hier erscheint -also dieses Tier genau in der Stellung wie bei uns das Huhn, in -China aber die Ente, die dort zur Eierlegerin herangezüchtet wurde. -Aristoteles berichtet von der Gans, daß sie 30 Tage brütet und der -Gänserich ihr dabei nicht helfe. Sonst fließen die literarischen -Quellen über dieses Tier bei den Griechen nur spärlich. - -Sehr viel häufiger finden wir dagegen die Gans bei den Römern erwähnt, -bei denen sie als Nutztier eine erhebliche Bedeutung besaß. Der -römische Ackerbauschriftsteller Columella im 1. Jahrhundert n. Chr. -schreibt von ihr in seinem Buche über Landwirtschaft: „Die Gans wird -vom Landmann sehr gern gehegt und gepflegt, weil man sich mit ihr -nicht viel Mühe zu geben braucht und weil sie sorgfältiger wacht als -ein Hund; denn sie verrät durch ihr Geschrei den Spitzbuben ganz -sicher, wie sie denn einmal durch ihre Wachsamkeit das Kapitol (vor dem -Überfall durch die Gallier oder Kelten) gerettet hat. Zur Gänsezucht -gehört übrigens Wasser und viel Gras; auf Saatfeldern darf sie nicht -weiden, denn sie reißt da die zarten Pflänzchen ab. Sie liefert nicht -bloß Junge, sondern auch Federn, die man jährlich zweimal, im Frühling -und Herbst, ausrupfen kann. Auf drei Gänse hält man einen Gänserich. -Gewöhnlich beschränkt man die Zahl der Gänse auf wenige. Will man aber -ganze Herden davon halten, so muß man einen See oder Teich oder Fluß -für sie haben. Man baut dann für sie allein einen Hof, umgibt ihn mit -einer neun Fuß hohen Mauer, diese an der Innenseite mit einem Gang, der -ein Dach hat und eine Wohnung für den Wärter enthält. Rings im Gange -werden für einzelne Gänse steinerne Verschläge gebaut, wovon jeder -drei Fuß im Geviert mißt und eine feste Türe hat. - -Außer dem Wasser müssen die Gänse auch Wiesen haben, ferner müssen -Äcker für sie bestimmt sein, welche mit Wicken, Klee, sogenanntem -griechischem Heu (Bockshornklee), vorzüglich aber mit Salat und einer -Art Zichorie, welche die Griechen _seris_ nennen, besät sind; denn -diese weichen Blätter fressen die Gänse besonders gern und sie bekommen -den Jungen vortrefflich. Man hält womöglich nur weiße Gänse, da sie die -besten sind. Das Brüten beginnt im Februar oder März. Läßt man eine -Gans nicht brüten, so legt sie jährlich zu drei verschiedenen Zeiten -Eier, erst fünf, dann vier, dann drei. Man läßt die Eier am liebsten -von Haushühnern ausbrüten, auch die Jungen von diesen oder von den -Gänsen selbst führen. Zur Legezeit muß man gut auf die Gänse aufpassen -und diejenigen, bei welchen man das erste reife Ei fühlt, einsperren, -bis sie gelegt haben. Hat man das beim ersten Ei getan, so sucht dann -die Gans für jedes andere dasselbe Nest wieder auf. Einem Haushuhn darf -man nur drei bis höchstens fünf Gänseeier unterlegen, der Gans selbst 7 -bis 15. Unter das Neststroh muß man Nesseln mischen; dadurch beugt man -vor, daß später die jungen Gänschen nicht sterben, wenn sie von Nesseln -gestochen werden. Gewöhnlich kriechen die Gänschen am 30. Tage aus dem -Ei, bei warmem Wetter auch früher. Wie bei andern jungen Tieren, so muß -auch bei den Gänschen dafür gesorgt werden, daß sie keine Natter, keine -Otter, keine Katze, kein Wiesel anhauchen kann, geschieht es doch, -so sind die zarten Wesen unrettbar verloren.“ Selbstverständlich ist -letzteres eine abergläubische Ansicht, wie solche bei den Römern wie -bei den andern Völkern des Altertums sehr zahlreich verbreitet waren. - -Es gab damals bei den Römern, wie uns der gelehrte Varro zu Ende der -Republik berichtet, eigentliche Gänsezüchtereien, die man mit dem -griechischen Worte _chēnoboskeíon_ bezeichnete. „Scipio Metellus und -Marcus“, fährt dieser Autor fort, „besitzen große Gänseherden. Sejus -schaffte große und weiße an; er hoffte von ihnen eine ebensolche -Nachkommenschaft zu ziehen. Es gibt auch eine bunte (graue) Gänserasse, -die man die wilde nennt, die sich nicht gern mit zahmen zusammentut -und nicht leicht zahm wird. Man füttert sie mit der speziell für sie -angepflanzten _seris_ oder mit Gerste oder anderem Getreide oder -gemischtem Futter. Zur Mast nimmt man Junge von 4 bis 6 Monaten, sperrt -sie in einen Verschlag, gibt ihnen eine mit Wasser naßgemachte Mischung -von Gerstengraupen und Mehl, so daß sie sich täglich dreimal sättigen -können, und nach dem Fressen reichlich zu saufen. Auf solche Weise -müssen sie in drei Monaten fett sein. So oft sie gefressen haben, wird -ihr Verschlag gereinigt; denn sie verlangen, daß er rein sei.“ - -Schon bei den Feinschmeckern des alten Rom galt die Leber gemästeter -Gänse als Leckerbissen. So schreibt der Dichter Horaz in einer -seiner Satiren: „Um eine delikate, große Gänseleber auftischen zu -können, werden die Tiere mit Feigen gemästet.“ Juvenal sagt: „Die -Leber der Gans wird so groß wie die Gans selbst“, und Martial ruft -einmal aus: „Da, sieh, eine Gänseleber, die größer ist als eine große -Gans! Woher stammt denn diese?“ Der ältere Plinius bemerkt in seiner -Naturgeschichte: „Die Römer sind pfiffiger (als die Griechen) und -schätzen die Gänse weniger wegen ihrer Liebe zur Philosophie als wegen -ihrer wohlschmeckenden Leber. Werden sie gemästet, so wird die Leber -außerordentlich groß und nimmt an Umfang noch zu, wenn man sie in eine -Mischung von Milch und Honig legt. Es ist eine wichtige Frage, wer -zuerst diese köstliche Entdeckung gemacht hat, ob der Konsular Scipio -Metellus oder dessen Zeitgenosse, der Ritter Marcus Sejus. Das ist -dagegen unbestreitbar, daß Messalinus Cotta, Sohn des Redners Messala, -die Erfindung gemacht hat, Gänsefüße zu rösten und nebst Hahnenkämmen -einzumachen.“ - -Im ersten Jahrhundert n. Chr. lernten die Römer noch ein weiteres -neues Produkt durch die Germanen kennen, nämlich die Daunen als -überaus weiches und angenehmes Polstermaterial. Die Kulturvölker -des Mittelmeers hatten vorher augenscheinlich diese Verwendung noch -nicht gekannt. Wollte man weich sitzen oder liegen, so mußte man -eben mehrere Decken oder Felle aufeinander legen. Im verweichlichten -Orient kamen dann Hasenhaare und Rebhuhnfedern als Polstermaterial -für Kissen auf, und als der aus Syrien stammende Kaiser Heliogabalus -diese morgenländische Sitte nach Rom verpflanzte, unterläßt es sein -Biograph Lampridius nicht, diese luxuriöse Neuerung anzuführen. Da -lehrten die Feldzüge nach Germanien, besonders am Niederrhein, die -Römer die Gänsedaunen als ein ganz besonders feines Polstermaterial -kennen, und sie benutzten sie als solches gern. Der vorhin erwähnte -ältere Plinius schreibt in seiner Naturgeschichte: „Einen andern -Vorteil (als die Leber) zieht man aus den Federn der weißen Gänse. An -manchen Orten rupft man sie zweimal des Jahres und sie bekommen doch -wieder neue Federn. Der weichste Flaum sitzt der Haut am nächsten, -der beste aber kommt aus Germanien. Die dortigen Gänse sind weiß, -klein, heißen _gant_ (Gans) und das Pfund ihrer Federn kostet 5 Denare -(= 3 Mark). Daher kommt es, daß die Offiziere der dort stehenden -römischen Hilfstruppen so oft angeklagt werden, ganze Kohorten auf die -Gänsejagd statt auf die Wache zu schicken. So sehr sind wir nun schon -verweichlicht, daß sogar Männer kaum schlafen können, wenn ihr Kopf -nicht auf einem Kissen aus Gänseflaum ruht.“ Bis auf den heutigen Tag -ist ja das Schlafen in Federbetten eine mehr nordische Sitte geblieben, -die den in einem wärmeren Klima lebenden Südländern nicht zusagte, -sonst hätten die Römer am Ende auch diese Gewohnheit den Germanen am -Niederrhein entlehnt. - -Dagegen kannte das Altertum noch nicht den Gebrauch der Gänsefeder -zum Schreiben, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa -dazu üblich war. Es benutzte dafür das Schreibrohr, den _Kalamós_ der -Griechen, den die Römer als _calamus_ übernahmen, der dann später als -_Kelâm_ zu den Arabern gelangte und von ihnen bis auf den heutigen Tag -gebraucht wird. Erst der Anonymus Valesii, zur Zeit des Ostgotenkönigs -Theodorich, erwähnt als Schreibinstrument auch die _penna_, d. h. -Feder, die mit Vorliebe von den Flügeln der Gans genommen wurde. Dann -erwähnen Isidorus Hispalensis, der als Bischof von Sevilla in der -ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts n. Chr. lebte, ebenso der um 670 n. -Chr. lebende Paulus von Ägina Gänsefedern zum Schreiben. Von da an war -sie in ganz Europa bis in die Neuzeit im Gebrauche. - -Wegen ihrer Wachsamkeit wurden im Altertum auf dem Kapitol neben Hunden -auch Gänse gehalten. Letztere waren nach Livius und Diodorus Siculus -der Juno geweiht und weckten die eingeschlafenen Schildwachen, als -einst Gallier das Kapitol belagerten und heimlich bei Nacht am Felsen -hinaufkletterten. Zum Dank für jene Rettung vor Überfall wurden nach -Servius „jährlich am selbigen Tage mit Gold und Purpur geschmückte -Gänse auf Sänften in Rom zur Schau herumgetragen, während die Hunde, -die den Feind nicht verraten hatten, ans Kreuz geschlagen wurden“. -Nach Plinius war es die erste Sorge der Zensoren, einen Vertrag mit -den Leuten zu schließen, welche die Fütterung der heiligen Gänse auf -dem Kapitol übernehmen wollen. Derselbe Autor sagt dann auch: „Die -Gans verliebt sich mitunter in Menschen; so ist der Knabe Ägius zu -Olenus von einer solchen und von einer andern Glauce, die Spielerin -der Kithara am Hofe des Königs Ptolemäus, geliebt worden. Die Gänse -scheinen sogar für Weisheit empfänglich zu sein, denn es bezeugte -eine dem Philosophen Lakydes eine solche Anhänglichkeit, daß sie ihn -nirgends, weder auf der Straße, noch im Bade, weder bei Nacht, noch bei -Tag verließ.“ Solche Beispiele ließen sich auch aus der Gegenwart in -größerer Zahl anführen. - -Bei den Kelten und Germanen war die Gans in einer kleineren, weniger -hochgezüchteten Art schon vor ihrem Bekanntwerden mit der römischen -Kultur vorhanden. Wir erwähnten vorhin den Passus bei Plinius, der von -der Gesuchtheit der Daunen der germanischen Gänse als Polstermaterial -für die Kopfkissen der Römer berichtet. So hat auch Gudrun in der Edda -ihre Gänse auf dem Hof, und diese schrieen hell auf, als ihre Herrin am -Leichnam Sigurds laut jammerte: - - Und hell aufschrieen Die zierlichen Vögel, - Im Hofe die Gänse, Die Gudrun zog. - -Nachdem sie im Herbste fett geworden waren, wurden sie, da man sie -nicht vollzählig überwintern konnte, zum größten Teil geschlachtet und -dem Gotte Thor zu Ehren gegessen. Als der heilige Martin den letzteren -bei der Christianisierung der Germanen ablöste, verspeiste man sie dem -letzteren zum Gedächtnis. Noch heute ist bei uns die Martinsgans in -Ehren. In Norddeutschland wird die gerupfte und ausgenommene Gans wie -das Schweinefleisch seit alter Zeit geräuchert, um sie so in den Winter -hinein aufbewahren zu können. - -Die Veränderungen, die unsere Hausgans gegenüber der Wildgans erlitt, -sind eigentlich unbedeutend. Ihr Gang ist infolge des erhöhten -Gewichtes schwerfälliger geworden und ihre Flugfähigkeit hat sich -bedeutend vermindert, der Rumpf wurde etwas tiefer gestellt und der -Schwanz kürzer als bei der Graugans. Auch die Färbung wurde bei den -grau gebliebenen Schlägen einfacher in der Zeichnung. Eine solche -graue Art von bedeutender Schwere ist die ~Toulouser Gans~, die oben -dunkelgrau und unten hellgrau ist, mit fleischfarbenem Schnabel. Eine -kleine Varietät derselben mit struppigen, gekräuselten oder gelockten -Federn, deren dünner Schaft eine zerschlissene Fahne besitzt, ist die -~Sebastopol-~ oder ~Struppgans~. Die meisten europäischen Abarten -besitzen als Folge des durch Domestikation weit gediehenen Leucismus -ein rein weißes Gefieder, einen gelbroten Schnabel, hellblaue Iris und -orangefarbene Füße, so die ~Emdener Gans~ und die durch ihre Größe -ausgezeichnete ~pommersche Gans~. - -Mit den Europäern haben die Hausgänse sich auch in die von jenen -kolonisierten Länder verbreitet, so besonders nach Nordamerika. -Dieses Land hat aus seinem reichen Bestand von wilden Gänsen in der -Folge ebenfalls eine zur Domestikation geliefert. Es ist dies die -~Kanadagans~ (_Anas canadensis_), deren von wild lebenden Tieren -ausgenommene Eier mehrfach von Hausgänsen europäischen Ursprungs -ausgebrütet wurden. So war es nicht schwer Zuchtmaterial von ihr -zu erhalten. Doch gelang es nur, wenn diese Tiere ganz jung waren, -sie untereinander fortzupflanzen. Für die Volkswirtschaft hat aber -das Tier, das keine Vorzüge vor der Hausgans europäischen Ursprungs -darbietet, durchaus keine Bedeutung erlangt und wird in seiner Heimat, -wie auch bei uns, meist nur als Ziervogel auf größeren Teichen -gehalten. Da niemand auf seine Fortpflanzung achtete, wird es immer -wieder erloschen sein, um dann später gelegentlich neu aufzutauchen. -So erwähnt es schon Willoughby 1676 als im Besitze König Jakobs I. -befindlich. Bald danach berichtet Edwards, daß sich der Vogel in -der Gefangenschaft fortgepflanzt habe. In neuerer Zeit scheint dies -öfter vorzukommen. Doch ist dies alles aus obengenannten Gründen -bedeutungslos geblieben. Der Vogel hat eben keinen praktischen Wert für -die Züchter. - -Ganz anders steht es mit der ~chinesischen Gans~, die von der -ostasiatischen wilden ~Höcker-~ oder ~Schwanengans~ (_Anas cycnoides_) -abstammt, aber sich von ihr dadurch unterscheidet, daß ihr jede Spur -eines Höckers an der Schnabelwurzel fehlt, den besonders das Männchen -der wilden Art sehr ausgeprägt zeigt. Sonst ähnelt der wilde Vogel in -der Färbung unserer Märzgans. Der zahme Vogel zeigt aber meist die -auch von der domestizierten Märzgans angenommene weiße Farbe; dabei -weist das Männchen oft noch eine Art Kehlsack auf. Die chinesische -Hausgans nimmt in ihrer Heimat China, weniger in Japan, ungefähr die -Stellung der Hausgans bei uns ein. Hier geht, besonders im Süden, die -Ente bedeutend an Wichtigkeit vor. Schon im 16. Jahrhundert wurde sie -von den Portugiesen unter dem Namen spanische Gans oder -- nach dem -Wege über Afrika -- Guineagans nach Europa gebracht. Doch hat sie hier -nicht die Verbreitung gefunden, die sie verdient. Nur in Rußland, -besonders im Süden, war sie schon im 18. Jahrhundert recht verbreitet. -Sie war dahin auf dem Karawanenwege gelangt, wurde hier aber in der -Folge stark mit der europäischen Hausgans gekreuzt, so daß die Vögel -durchgängig gemischten Blutes sind. Hier benutzt man sie mit Vorliebe -zu den Gänsekämpfen, die besonders dadurch possierlich werden, daß -jedem der kämpfenden Männchen das Weibchen sekundiert. Neuerdings ist -die chinesische Gans auch mit der kanadischen gekreuzt worden. - -Viel später als die Erwerbung der Gans als Haustier erfolgte diejenige -der ~Ente~, die erst in historischer Zeit domestiziert wurde, und -zwar wie die Gans sowohl in Europa, als auch in China in durchaus -selbständiger Weise. Die alten Ägypter, Assyrer, Inder und homerischen -Griechen besaßen sie so wenig als die älteren Römer. Erst vom Ende des -2. vorchristlichen Jahrhunderts an scheinen sie die Römer und dann auch -die Griechen mit andern Schwimmvögeln zusammen in besonderen Teichen -gehalten zu haben. So schreibt der römische Ackerbauschriftsteller -Columella etwa um 60 n. Chr.: „Im Entenpark hält man Enten (_anas_), -Knäkenten (_querquedula_), Kriekenten (_boscas_), Wasserhühner und -ähnliche Wasservögel. Das Ganze umgibt man mit einer 15 Fuß hohen -Mauer, deckt es mit einem weitmaschigen Netz (damit keiner der Insassen -hinaus und kein Raubvogel hinein könne, sagt an einer ähnlichen Stelle -Varro), gräbt in der Mitte einen Teich von zwei Fuß Tiefe, der immer -frisches Wasser erhält und dessen Ufer allmählich abwärtsgehen und mit -Mörtel ausgestrichen sind. Rings am Ufer hin ist der Boden des Teiches -gepflastert, in der Mitte dagegen besteht er aus Erde und ist daselbst -mit Wasserpflanzen besetzt, unter welchen sich die Vögel verbergen -können. Der Platz außerhalb des Teiches ist mit Gras bewachsen. Zum -Nisten sind am Fuße der Mauer je einen Fuß ins Geviert haltende Zellen -aus Stein gebaut, die von Buchs- und Myrtenbäumchen beschattet werden. -Das Futter wird in einen besonderen flachen Wasserkanal geworfen. -Am liebsten fressen sie die Körner der verschiedenen Hirsearten, -aber auch Gerste. Hat man Eicheln und Weintrester, so gibt man auch -diese. Ebenso sind Abgänge von Fischen, Krebse und kleine Wassertiere -dienlich. Das Eierlegen beginnt im März. Zu dieser Zeit wirft man -Hälmchen hin, aus denen sie ihre Nester bauen. Übrigens verfahren -manche Leute beim Anlegen eines Entenparks so: sie lassen an Sümpfen -Eier von wilden Enten sammeln und diese von Haushühnern ausbrüten. -Solche nisten dann leicht in der Gefangenschaft, alt eingefangene -dagegen nicht gern.“ Dieses letztere Verfahren, die Eier wilder Enten -zu sammeln und sie durch Haushühner ausbrüten zu lassen, beweist, daß -damals die Domestikation dieses Vogels erst im Gange war; auch muß die -Flugfähigkeit desselben noch nicht vermindert gewesen sein, daß man -Netze über die Ententeiche spannte. - -[Illustration: - - Tafel 51. - -Schwan aus Daschur. Altägyptische Holzschnitzerei aus der Zeit der 12. -Dynastie (2000-1788 v. Chr.).] - -[Illustration: Altägyptische Wildgänse. Wandmalerei in Meidum aus dem -Anfang des Alten Reichs (3. bis 4. Dynastie, 2980-2750 v. Chr.).] - -[Illustration: - - Tafel 52. - - (_Copyright by M. Koch, Berlin._) - -Rechts Männchen und links Weibchen der Stockente.] - -[Illustration: - - (_Copyright by M. Koch, Berlin._) - -Wilde Truthühner.] - -Wie die Gans muß auch die Ente irgendwo in Mitteleuropa von -germanischen Stämmen in Pflege genommen worden sein; noch in späterer -Zeit sagt der Bischof Isidor von Sevilla, daß die bevorzugte Zuchtrasse -der Enten eine deutsche sei. Sie hieß althochdeutsch _anut_, -angelsächsisch _ened_, altnordisch _önd_, lateinisch _anas_, _anatis_, -griechisch _nēssa_ (wohl aus _nētia_), sanskrit _âti_ (für _anti_). -Diese gemeinsame indogermanische Bezeichnung bezieht sich natürlich auf -die Wildente und nicht auf die gezähmte. Nur erstere war dem Urvolke -vor seiner Zerstreuung bekannt. Die Wildente, welche die Stammform -unserer Hausente bildet, ist die ~Stockente~ (_Anas boscas_), deren -Verbreitungsgebiet ganz Europa und Nordafrika, dann Asien und Amerika -bis Mexiko umfaßt. Vom Norden wandert sie im Herbst nach dem wärmeren -Süden, bleibt aber schon in Süddeutschland oft auch im Winter innerhalb -ihres Brutgebiets wohnen. Sie liebt als Aufenthaltsort schilf- oder -riedbedeckte Seen und Teiche, in denen sie sich verbergen kann, nicht -aber offene Gewässer. Ihre Lebensweise gleicht durchaus derjenigen -ihrer Nachkommin, der Hausente, nur ist sie in allen ihren Bewegungen -gewandter als diese. Zum Nestbau sucht sie eine ruhige, trockene Stelle -unter Gebüsch oder andern Pflanzen aus und legt in das kunstlose Nest -8-16 längliche, hart- und glattschalige grauweiße Eier, die von denen -der Hausente nicht unterschieden werden können. Die Jungen werden nach -dem Ausschlüpfen noch einen Tag im Neste erwärmt und sodann dem Wasser -zugeführt. Die ganze Pflege übernimmt die Mutter; der buntgefärbte -Vater kümmert sich nicht mehr um sein Weibchen, sobald es zu brüten -beginnt, sondern verläßt es, um mit seinesgleichen in Gesellschaften -sich bald hier, bald dort umherzutreiben. Da das Wildbret der Stockente -vorzüglich ist, wird von jeher eifrig auf sie Jagd gemacht. Und als -man die in bezug auf Fleischmenge ausgiebigere Gans gezähmt hatte, lag -es nahe, auch die Wildente aus junger Brut oder Hausgänsen unterlegten -Eiern zu gewinnen. - -Trotzdem die Ente kürzere Zeit Haustier ist als die Gans, haben -sich von ihr mehr Varietäten gebildet, als von letzterer. Indessen -betreffen die Abänderungen weniger die Körperform als die Färbung des -Gefieders. Die Neigung zu Weiß- und Schwarzfärbung macht sich bei ihr -stark geltend; doch kommen bei allen zahmen Entenvarietäten Individuen -mit Wildentenfärbung vor. Der Stockente im Gefieder am ähnlichsten -ist die namentlich in der Normandie rein fortgezüchtete ~Rouenente~. -Sie kommt auch in weißer Färbung vor und erreicht ein bedeutendes -Gewicht. Rein weiß oder fahlgelb ist die durch eine Haube auf dem -Kopfe ausgezeichnete ~Kaiserente~, die bei guter Fütterung ein Gewicht -von 3,5-4 _kg_ erreicht. Rein weiß ist die ~Aelesburyente~, die in -großartigem Maßstabe in der englischen Grafschaft Buckingham gezüchtet -wird und ihres schmackhaften Fleisches und der feinen Federn wegen -auf dem Markt in London sehr gesucht ist. Weiß mit gelblichem Anflug -ist die auch bei uns öfter gezüchtete ~Pekingente~. Diese chinesische -Hausente wurde selbständig in Ostasien von der dort heimischen -Wildente gewonnen, und zwar scheint bei den Chinesen die Entenzucht -weit älter als in Europa zu sein. Sie wird von ihnen an den Ufern -der Flüsse, Kanäle und Stauseen seit alter Zeit in großem Maßstabe -mit außerordentlicher Sorgfalt betrieben. Die überaus interessante -Zucht, bei welcher gewöhnlich zehn Enten auf einen Enterich gehalten -werden, wird größtenteils an Bord ausgedienter Schiffe geübt. Das -ganze Schiff ist mit den Käfigen der Enten besetzt, die im ganzen nur -wenig Futter erhalten und deshalb wesentlich darauf angewiesen sind, -ihre Nahrung im Wasser und an den Ufern zu suchen. Je nachdem nun die -Nahrung reichlicher zu Gebote steht, wechselt der schwimmende Stall -seinen Ankerplatz. Dabei wird bei den Pfleglingen strengste Disziplin -geübt, indem beim abendlichen Gongsignal, das die Enten in ihre -Ställe zurückruft, die zuerst heimkehrenden Enten Reis als Belohnung, -die letzten dagegen Hiebe mit dem Bambusstab erhalten. Dabei haben -die Chinesen zur Erleichterung ihrer Entenzucht selbständig eine -Methode zur künstlichen Ausbrütung der Eier gefunden. Diese wird in -besondern Anstalten in der Weise ausgeübt, daß man Spreu erwärmt und -mit Enteneiern in große Korbe bringt, die auf Etagen gelegt und in -besondern Räumen mit heißer Asche oder Kohlentöpfen erwärmt werden. -Überall in Südchina wird dieses Brutgeschäft im großen betrieben -und werden die herangezogenen Enten an Händler verkauft, welche oft -Hunderte derselben in den vorgenannten Entenschiffen halten und die -erwachsenen Vögel an Lebensmittelverkäufer absetzen. Sowohl die -vornehmeren Chinesen, als auch die niedern Volksklassen konsumieren das -Entenfleisch mit Vorliebe, sei es frisch, sei es eingesalzen oder an -der Luft getrocknet. Mit letzterer Konservierungsmethode beschäftigen -sich größere Etablissements, die die volkreichen Städte mit diesem -beliebten Nahrungsmittel versorgen. Daneben werden auch sehr viel -Enteneier, wie bei uns die Hühnereier, gegessen, meist aber erst, wenn -sie durch längeres Liegen in Salzwasser innerlich ganz schwarz geworden -sind und pikant schmecken. Tatsächlich sollen die so präparierten -Enteneier auch für den europäischen Geschmack sehr angenehm sein. Auch -die ~japanische Ente~ ist in hohem Maße auf Eierertrag gezüchtet worden -und legt 80-90 Eier jährlich. Sie ist in der Färbung wildentenartig, -gleicht der Rouenente und eignet sich auch wegen ihrer Größe und -Widerstandsfähigkeit zur Zucht. Sie kam 1878 nach Europa. - -Die in den Männchen prächtig geschmückte ostasiatische ~Mandarinenente~ -(_Aix galericulata_) wird in China öfter gezähmt gehalten, ist aber -dort noch nicht zum Haustier geworden. Bei uns ist sie mit andern -buntgefärbten Arten eine Zierde der Zoologischen Gärten und wird -so nach und nach völlig domestiziert werden. Dies ist auch mit -der in den Männchen wunderschön gefärbten, über ganz Nordamerika -verbreiteten ~Brautente~ (_Lampronessa sponsa_) der Fall, die sich -auf unsern Weihern fest eingebürgert hat. Sie vereinigt in sich alle -Eigenschaften, die einem Schwimmvogel unsere Zuneigung gewinnen können. -An die Gefangenschaft gewöhnt sie sich schneller als irgend eine andere -Ente; selbst die alt Eingefangenen lernen sich bald in die veränderten -Verhältnisse fügen, in ihrem Wärter den wohlwollenden Pfleger erkennen, -lassen sich bereits nach kurzer Haft herbeilocken und können eher als -andere zum Aus- und Einfliegen gewöhnt werden, pflanzen sich auch -regelmäßig in der Gefangenschaft fort, sobald ihnen nur eine passende -Gelegenheit dazu geboten wird. Da ihr Wildbret vom September an bis -zum Eintritt des Winters köstlich ist, wird ihr überall in ihrer -Heimat nachgestellt und kommt sie dort zu Tausenden auf den Markt. -Als Parkvogel verdient sie den Vorzug vor sämtlichen fremdländischen -Verwandten nicht bloß deshalb, weil sie alle an Schönheit übertrifft, -sondern auch, weil sie sich leichter als alle andern zur Fortpflanzung -bringen läßt. - -Im Gegensatz zu diesen ist eine andere amerikanische Ente schon seit -längerer Zeit zum Haustier geworden. Es ist die südamerikanische -~Moschusente~ (_Cairma moschata_), die in wasserreichen Gebieten von -Brasilien bis Paraguay stark verbreitet ist. Das Männchen ist oberseits -bräunlichschwarz, Hals und Kopf dunkelgrün, Flügel und Schwanz -metallischgrün, ein Teil der Flügeldeckfedern weiß. Um das Auge ist die -Haut nackt und mit roten Warzen bedeckt. Das Weibchen ist ähnlich, aber -weniger lebhaft gefärbt. Ihre Körpergröße ist sehr bedeutend, so daß -ihre zahmen Abkömmlinge 70-85 _cm_ lang werden und ein Körpergewicht -von 5 _kg_ erreichen. In ihrer Heimat wird die Moschusente ihres -wohlschmeckenden Fleisches und der weichen Daunen wegen sehr -geschätzt. Sie wird dort schon seit langem, noch vor der Entdeckung des -Landes durch die Weißen, gezähmt gehalten. Sie war nach Garcilasso de -la Vega bei den alten Peruanern unter dem Namen Nunjuma als Hausente -bekannt und gibt beim Fressen einen eigentümlichen schmatzenden Ton -von sich. Von den Peruanern hatten sie auch die nördlicher wohnenden -Kulturvölker übernommen. So traf sie Kolumbus auf seiner zweiten Reise -bei den Eingeborenen von Haiti an, darunter auch, zum Zeichen einer -intensiven Domestikation, bereits weiße Exemplare. Heute ist die -Färbung bei fast allen zahmen Moschusenten weiß geworden mit einem -roten Warzenhof ums Auge, einem fleischroten Schnabel und orangegelben -Füßen. Von Südamerika aus hat sie sich am Kongo, am Euphrat, in -Indonesien und Europa eingebürgert, doch wird sie in letzterem Lande, -wo sie „türkische Ente“ heißt, nicht rein gezüchtet, sondern gewöhnlich -zur Kreuzung mit größeren Hausenten verwendet. Die Bastarde erhalten -die Mittelgröße zwischen beiden Eltern, wachsen sehr schnell und sind -gut mastfähig. Entgegen früheren Annahmen sind sie fruchtbar, neigen -aber zur Wildheit. Besonders empfohlen werden zur Kreuzung Rouen-, -Peking- und Aylesburyenten. Da die Moschusente sich besonders für die -Tropen eignet, hat sie für jene Gegenden eine große Zukunft. Bei den -Malaien Südasiens ist bereits die chinesische Ente eingebürgert und -wird vielfach in großen Herden gehalten, um als willkommene Abwechslung -zum Schweinefleisch zu dienen. Als große _canne de la Guinée_ erwähnt -sie P. Belon bereits 1555 in seiner _Histoire des oiseaux_. Schon -damals war sie in Frankreich nicht selten, muß also sehr früh durch die -Spanier nach Europa gebracht worden sein. Hier wurde sie aber mehr als -Zier- denn als Nutzgeflügel gehalten. - -Von den Entenvögeln ist wenigstens als halbes Haustier noch der -~Schwan~ zu erwähnen. Der zahme Schwan unserer Weiher, der nur als -Schmuckvogel gehalten wird, wobei ihm der Mensch bloß Gelegenheit zur -Fortpflanzung bietet, ist der ~Höckerschwan~ (_Cycnus olor_), der noch -in Norddeutschland, dann in Nordeuropa und Nordasien als wilder Vogel -lebt. Er ist in beiden Geschlechtern rein weiß mit gestrecktem Leib und -langem, schlankem Hals, mit rotem, an der Basis durch einen schwarzen -Höcker ausgezeichnetem Schnabel. Das Weibchen ist etwas kleiner als -das Männchen, die Jungen sind eigentlich graubraun gefärbt, können -aber durch fortschreitenden Leucismus auch schon weiß erscheinen. -Gedrungener als der Höckerschwan mit kürzerem, dickerem Hals und -höckerlosem gelbem Schnabel ist der ~Singschwan~ (_Cycnus musicus_), -während der ebenfalls in Europa und Nordasien lebende ~Zwergschwan~ -(_Cycnus bewicki_) noch kleiner ist und einen dünnen Hals hat. - -Erfreut der Höckerschwan durch die Zierlichkeit seiner Gestalt und -die Anmut seiner Bewegungen, so hat der Singschwan durch seine laute, -verhältnismäßig wohlklingende Stimme von jeher die Phantasie des -Volkes beschäftigt, wenn er im Herbst nach Süden zum Überwintern und -im Frühling nach Norden zur Fortpflanzung zog. Welche Rolle spielt -nicht der Schwan in der Sage und im Märchen der Deutschen! Auch die -alten Griechen, die ihn _kýknos_, und die Römer, die ihn nach jenen -_cycnus_ oder _olor_ nannten, sprachen viel von ihm und alle ihre -Dichter erwähnen rühmend seinen Gesang, wenn auch wohl meist nur vom -Hörensagen. In Homers Ilias wird das in glänzender Rüstung zum Kampfe -aufziehende Heer der Griechen mit den Scharen von Gänsen, Kranichen -und langhalsigen Schwänen verglichen, „wenn diese mit lautem Geschrei -sich auf den Wiesen am Flusse Kaystros (in Lydien, mündet bei Ephesus -ins Meer) niederlassen.“ Der Schwan war dem Apollon heilig. So heißt -es schon in einem altgriechischen, Homer zugeschriebenen Hymnus: -„O Phöbus, dir singt der Schwan am Ufer des Flusses Peneios (in -Thessalien) laut ein Loblied; Dir singe auch ich, der Sänger, indem ich -meine Kithara anschlage, früh und spät ein preisendes Lied.“ Hesiod -schildert, wie auf dem Schilde des Herakles der Okeanos abgebildet -war, auf dessen Wogen lautsingende Schwäne schwammen, während unter -ihnen die Fische spielten. In Äschylos’ Agamemnon heißt es: „Der Schwan -singt sein eigenes Leichenlied“ und in Euripides’ Elektra: „Der junge -Singschwan ruft am Wasser des Flusses seinen in der Schlinge gefangenen -sterbenden Vater.“ Bekannter ist die Stelle aus Platons Phädon, an -der es heißt: „Als Sokrates zum Sterben kam, unterredete er sich mit -seinen Schülern und sagte unter anderem: ‚Denkt ihr denn, daß ich den -Tod zu fürchten habe? Denkt ihr, daß ich weniger vom künftigen Leben -weiß als die Schwäne? Diese singen zwar oft, aber wenn sie fühlen, -daß der Tod ihnen nahe ist, dann singen sie gerade am meisten, weil -sie sich freuen, daß sie zu dem Gotte gehen, dessen Diener sie sind. -Leute, die sich vor dem Sterben fürchten, legen freilich die Sache ganz -falsch aus und behaupten, die Schwäne sängen vor ihrem Tode vor Jammer. -Diese Leute sollten doch wissen, daß kein Vogel vor Jammer singt, z. B. -wenn er hungert oder friert. Auch diejenigen stellen eine verkehrte -Behauptung auf, welche sagen, die Nachtigall, die Schwalbe, der -Wiedehopf sängen vor Jammer. Ich glaube jedoch, daß sie ebensowenig vor -Jammer singen als die Schwäne. Die letzteren sind offenbar Propheten -des Apollon, kennen im voraus das Glück, das ihnen in der Unterwelt -zuteil wird und singen deswegen, ehe sie den Weg antreten, freudiger -als zuvor. Ich denke nun, daß ich wie die Schwäne ein Priester des -Gottes bin, und denke, daß ich von ihm die Wahrsagekunst so gut gelernt -habe, als jene Vögel, und daß ich ebenso freudig als sie das Leben -lassen muß.‘“ - -Von diesem Volksglauben rührt die bei späteren griechischen -und römischen Schriftstellern angetroffene, auch noch von uns -sprichwörtlich gebrauchte Redensart vom „Schwanengesang“ als der -letzten Äußerung eines Menschen vor seinem Tode her, so bei Cicero, -Ovid, Martial, Dio Chrysostomus und andern. Bei den Römern galt der -Schwan als der Vogel der Liebesgöttin Venus, die auf einem von Schwänen -gezogenen Wagen einherfahrend gedacht wurde, so bei Horaz, Silius -Italicus, Statius und andern. Martial rät seiner Geliebten, sanft auf -Schwanenflaum zu ruhen, wenn sie müde sei. Demnach wurde der Flaum -auch dieses Tieres, wie derjenige der Gans, zur Polsterung von Kissen -verwendet. Von Schwanenbraten spricht der alexandrinische Grieche -Athenaios um 200 n. Chr. Allerdings mied man in der Regel das Fleisch -dieses halb für heilig gehaltenen Vogels. So schreibt Plutarch: „Will -man durchaus Fleisch des Schwanes essen, so mißhandle man wenigstens -die Tiere nicht vorher, sondern töte sie mit Bedauern. Es gibt Leute, -welche Kranichen und Schwänen die Augenlider zusammennähen und sie -dann im Dunkeln mästen.“ In allen diesen Fällen ist stets von wilden -Schwänen die Rede, da der Vogel im Altertum nirgends als Haustier -gehalten wurde. - -Auch im Mittelalter wurde der wilde Schwan häufig als Speise benutzt. -Die heilige Hildegard im 12. Jahrhundert rühmt sein Fleisch als heilsam -gegen den Aussatz. Man begann ihn damals auf Teichen in halber Freiheit -zu halten; doch durften dies vielfach nur Könige und vornehme Leute -tun, da solches damals zu den Regalien gehörte. Reste einer solchen -Auffassung haben sich an manchen Orten bis in die Gegenwart erhalten; -so sind sämtliche Schwäne auf der Themse wie auf der Havel und Spree -königliches Eigentum. Im Mittelalter gehörte der Schwan, wie der Pfau, -zu den feierlichen Schaugerichten der Prunktafel an Höfen. Außerdem -muß ihm eine gewisse abergläubische Verehrung gezollt worden sein; so -wissen wir, daß König Eduard I. von England 1307 „bei Gott und den -Schwänen“ schwur, er werde sich an seinem Erbfeinde Robert Bruce rächen. - -Heute noch gilt ein Schwanenbraten als außerordentliche Delikatesse -und wird in England, wo er am Königshofe ständiger Weihnachtsbraten -ist, zu bedeutsamen Geschenken verwendet. So beschenkt der Herzog -von Norfolk, der „erste Peer Englands“, seine besten Freunde damit. -In der Hauptstadt seiner Grafschaft Norfolk, dem alten Bischofssitz -Norwich, hat er nebst dem Bischof, dem Abt des St. Benethospitals und -der Norwicher Schwanenkorporation das alleinige Recht, Schwäne auf den -öffentlichen Gewässern zu halten. Jeder dieser Eigentümer hat eine -besondere, sorgfältig gebuchte Hausmarke, die den Schwänen auf den -Oberschnabel eingeschnitten wird. Der Schwan vermehrt sich dort gut -und ist widerstandsfähig. Man hat ein Schwanenpaar beobachtet, das in -fünf Jahren 85 Eier erzeugte und von diesen 82 Kücken durchbrachte. -Das Aussuchen der zur Mast geeigneten Jungen wird von den Insassen des -St. Benethospitals besorgt und man nimmt nur so viel Tiere, als von -den Besitzern bestellt werden; denn diese haben für das Stück 1 Pfund -Sterling (= 20 Mark) Mastgeld zu entrichten. Die jungen Tiere schmecken -am besten gerade um die Zeit, wo sie fliegen können. In dieser Zeit -werden sie geschlachtet, haben dann ein Lebendgewicht von wenigstens 16 -_kg_ und schmecken wirklich gut. - -Wie wir den Höckerschwan, halten die Russen nach Pallas gern den -Singschwan als Ziervogel auf ihren Teichen. Die Nordamerikaner haben -den Schwan von Europa erhalten. Dagegen erhielten wir um die Mitte der -1850er Jahre vom Süden Südamerikas den ~Schwarzhalsschwan~ (_Cycnus -nigricollis_), der sich wie der Singschwan benimmt, jedoch nur selten -seine schwache Stimme erschallen läßt. Er hat sich mehrfach in unsern -Tiergärten fortgepflanzt. Ebenso verhält es sich mit dem am ganzen -Gefieder bis auf die weißen Hand- und einen Teil der Armschwingen -bräunlichschwarzen ~Schwarz-~ oder ~Trauerschwan~ (_Cycnus atratus_), -der in den 1820er Jahren zum erstenmal nach Europa, und zwar England, -kam und sich dort auf dem Landgute Sir Herons auch fortpflanzte und im -ganzen 45 Junge aufbrachte. Von jenen scheinen die meisten der in den -Zoologischen Gärten und bei Privaten gehaltenen Exemplare abzustammen. -Seit dem Jahre 1698 kennt man übrigens den Schwarzschwan, den auch -Cook an der von ihm besuchten Küste Südaustraliens und Tasmaniens auf -den Süßwasseransammlungen antraf. In den weniger besuchten Gegenden -des Innern soll er, soweit dort Wasser anzutreffen ist, in großer -Menge vorkommen. Für unsere Weiher eignet er sich so gut als die -übrigen Schwäne. Die Strenge des nordischen Winters ficht ihn wenig -an und seine Nahrungsansprüche sind bescheiden. In der Gefangenschaft -pflanzt er sich regelmäßig fort. In seinem Benehmen mahnt er an die -stummen Verwandten, doch ist er schreilustiger; besonders gegen die -Paarungszeit hin läßt er seine trompetenartige, dumpfe Stimme oft -vernehmen. - - - - -XVII. Die Taube. - - -Wie die verschiedenen einheimischen Entenvögel, so haben auch die -verschiedenen einheimischen Wildtauben von jeher als Wildbret die -Beachtung des Menschen gefunden. Unter ihnen ist die ~Felsentaube~ -(_Columba livia_) die Stammform sämtlicher Haustauben. Sie hieß bei den -alten Griechen _peleiás_, und der Pluralis _peleiádes_ diente diesen -zur Bezeichnung der Sternwolke des Siebengestirns, die ihnen wie ein -Schwarm wilder Felsentauben vorkam. Daraus ist dann unsere Bezeichnung -Pleiaden entstanden. Häufig spricht Homer von _peleiádes_, worunter er -stets wilde Tauben versteht. Sie sind ihm das Sinnbild des Flüchtigen -und Furchtsamen. So entzieht sich Artemis der Göttermutter Hera, die -ihr den Köcher geraubt hat: - - „Weinend aber entfloh sie zur Seite sofort, wie die Taube, - Die vom Habicht verfolgt in den Spalt des zerklüfteten Felsens - Schlüpft -- nicht wars ihr beschieden des Räubers Beute zu werden.“ - -Hektor flieht vor Achilleus wie die „scheue, flüchtige“ Taube vor dem -Falken: - - „Wie im Gebirge der Falk, der geschwindeste unter den Vögeln, - Leicht im Schwunge des Flugs der schüchternen Taube sich nachstürzt. - Seitwärts flüchtet sie bang; dicht hinter ihr stürmt er beständig - Nach mit hellem Geschrei und brennt vor Begier sie zu fangen.“ - -Auch im Sagenkreis der Argonauten erscheint die Taube als der -schnellste Vogel. Das Schiff Argo war, wie der Name sagt, wunderbar -schnell, und als es auf seiner Fahrt zwischen zwei zusammenschlagenden -Felsen hindurchfahren sollte, sandten die Schiffer auf den Rat des -greisen Sehers Phineas zuvor eine Taube aus; wenn diese unverletzt -hindurchflog, hofften die Helden ebenfalls unversehrt durchzukommen. So -verderblich seien diese Felsen, heißt es in der Odyssee, daß selbst -die geschwinden Tauben ihnen nicht immer entgehen und Vater Zeus, dem -sie Ambrosia bringen, die verlorenen durch andere ersetzen muß. Daß -nun die Schiffer Tauben bei sich hatten, um sie von ihrem Schiffe -aus fliegen zu lassen, beweist, daß man also schon im hohen Altertum -solche gefangene und noch nicht gezähmte Tiere zur Bestimmung des -nächstgelegenen Landes oder als Opfer mit sich nahm. Solches taten wie -die Griechen so auch die Phönikier, wie wir u. a. auch aus der später -zu würdigenden Tatsache von den weißen Tauben auf der Flotte der Perser -unter Xerxes wissen, die nach deren Scheitern am Vorgebirge Athos -freikamen und von den Anwohnern eingefangen wurden. - -In der Ilias wird das böotische Thisbe und das lakedämonische Messe -als taubenreich, wie bei Äschylos die Insel Salamis als taubennährend, -bezeichnet. Bei den Spielen bei der Beerdigung seines Freundes -Patroklos läßt Achilleus eine lebendige, an die Spitze des Mastbaums -gebundene Taube als Ziel aufstellen. Nach diesem schießt zuerst der -gefeierte Bogenschütze Teukros; da er aber vergessen hatte, dem Apollon -sein Gelübde zu tun, trifft er nur die Schnur, und die nun befreite -Taube strebt kreisend zum Himmel empor. Da ergreift Meriones schnell -den Bogen, betet und holt den flüchtigen Vogel mit dem Pfeil aus der -Höhe herunter. - -Außer der Felsentaube _peleiás_ unterschieden die alten Griechen von -Wildtauben noch die Hohltaube _oinás_, die Ringeltaube _pháps_ und -die Turteltaube _trygṓn_, während sie die später erhaltene Haustaube -als _peristerá_ bezeichneten. Demgemäß nannten sie das Taubenhaus -_peristereṓn_ oder _peristerotropheíon_, wie uns der gelehrte Varro -berichtet. Dieser Name der Haustaube tritt uns erst in der späteren -attischen Sprache entgegen, während die Dorier fortfuhren, peleiás zu -sagen. Wie kamen nun die Griechen zu diesem Haustier, das erst gegen -das Ende des 5. vorchristlichen Jahrhunderts in Athen eine gewöhnliche -Erscheinung wurde? - -Die wilde Felsentaube ist in Westasien in Verbindung mit dem Kult der -Liebesgöttin allmählich in die Abhängigkeit des Menschen geraten und -zum Haustier erhoben worden. Bevor wir uns klar zu machen suchen, -wo dies vermutlich geschah, wollen wir das freilebende Tier in -seinen Lebensgewohnheiten kennen lernen. Die Felsentaube bewohnt die -Felsküsten der Mittelmeerländer und ganz Westasien, von Kleinasien -und Syrien bis Indien und China; sie geht tief nach Afrika hinein bis -Abessinien und reicht östlich bis zu den Kapverdischen Inseln im Süden -und Schottland im Norden. Auf diesem ungeheuren Gebiet hat sie als -Ausdruck ihrer Anpassungsfähigkeit eine große Anzahl von Lokalformen -gebildet, wodurch sich die Spaltung in zahlreiche Rassen nach ihrer -Domestikation begreifen läßt. Überall in ihrem Verbreitungsgebiet ist -sie Standvogel und nistet stets in dunkeln Felslöchern, niemals auf -Bäumen, wie Hohl-, Ringel- und Turteltauben. In Färbung des Gefieders, -Lebensweise und Betragen weicht die Felsentaube wenig von unserer -primitiven Haustaube, der sogenannten Feldtaube, ab. Sie ist auf der -Oberseite hell aschgrau, auf der Unterseite mohnblau, der Kopf hell -schieferblau, der Hals bis zur Brust dunkel schieferfarben, oben hell -blaugrün, unten purpurfarben schillernd. Die Lendengegend ist weiß; -doch ist dieses Merkmal nicht so konstant wie die beiden ziemlich -breiten schwarzen Querbinden auf den Flügeln. Die Flügel sind aschgrau, -der Schwanz ist dunkel mohnblau, am Ende schwarz; die äußersten -Federn desselben sind weiß. Das Auge ist schwefelgelb, der Schnabel -schwarz, an der Wurzel lichtblau, der Fuß dunkel blaurot. Die beiden -Geschlechter sind in der Färbung wenig verschieden, die Jungen aber -dunkler als die Alten. - -Die Felsentaube ist gewandter, namentlich behender im Fluge als ihre -domestizierten Abkömmlinge, die Feldtauben, und sehr menschenscheu. Sie -geht nickend, fliegt klatschend ab, durchmißt mit pfeifendem Geräusch -etwa 100 _km_ in der Stunde, steigt gern empor und kreist oft längere -Zeit in dicht geschlossenen Schwärmen; denn sie liebt die Geselligkeit -im Gegensatz zu der nur in einzelnen Pärchen lebenden und nie sich zu -größeren Schwärmen zusammenfindenden baumbewohnenden Ringel-, Hohl- -und Turteltauben. Beim Nahrungsuchen läuft sie stundenlang auf dem -Boden herum; beim Trinken watet sie bisweilen ein bischen ins Wasser -hinein. Sie lebt von allerlei Sämereien und nistet dreimal im Jahre. -Mit Beginn des Frühlings wirbt der Tauber sehr eifrig rucksend unter -allerlei Bücklingen und Drehungen um ein Weibchen, dem er die größte -Zärtlichkeit bekundet, während er gegen andere Genossen zänkisch und -unverträglich ist. Erwidert sie seine Gefühle und ist damit die Ehe -zustandegekommen, so sammelt er allerlei trockene Pflanzenstengel -und dürre Halme, mit denen die Täubin das Nest baut, in das sie zwei -glattschalige, rein weiße Eier legt. Beide Geschlechter brüten, die -Täubin von 3 Uhr nachmittags bis 10 Uhr vormittags ununterbrochen, der -Täuberich dagegen in den übrigen Stunden. Nachts schläft letzterer -in der Nähe des Nestes, immer bereit, die Gattin zu beschützen, und -duldet nicht einmal, daß sich ihr eine andere Taube nähert. Nach -16-18 Tagen schlüpfen die äußerst unbehilflichen, blinden Jungen aus, -die in der ersten Zeit von beiden Eltern mit dem im Kropfe gebildeten -Futterbrei ernährt werden, um dann später erweichte, endlich härtere -Sämereien nebst Steinchen als Reibemittel für den muskulösen Kaumagen -zu erhalten. Schon nach vier Wochen sind sie erwachsen, schwärmen mit -den Alten aus, machen sich in wenigen Tagen selbständig, und die Eltern -schreiten alsbald zur folgenden Brut. Jung aus dem Neste genommene -Felsentauben benehmen sich ganz wie Feldtauben, befreunden sich mit dem -Menschen, sind aber nicht so untertänig wie Haustauben. - -Da es zahlreiche Rassen der Haustaube gibt, die im einzelnen sehr -starke Abweichungen in der äußeren Erscheinung erkennen lassen, so -war unter den Züchtern früher die Annahme allgemein verbreitet, daß -mehrere wilde Stammarten angenommen werden müssen. Indessen haben die -umfassenden Untersuchungen von Charles Darwin diese Frage endgiltig -gelöst und festgestellt, daß sie alle von der Felsentaube abstammen, -die schon im Freileben so veränderlich ist, daß man, wie gesagt, -mehrere geographische Rassen von ihr unterscheidet. Er führt eine -Reihe von Gründen an, die ausschlaggebend für die Abstammung aller -unserer Taubenrassen von der Felsentaube sprechen. Wenn auch unsere -Haustauben in Einzelehe leben, haben sie wie die wilde Stammart einen -starken Hang zur sozialen Lebensweise, vermeiden es wie diese auf -Bäume zu fliegen oder gar ihre Nester auf denselben anzulegen, sondern -verlangen vielmehr für ihre Nistplätze halbdunkle, unzugängliche Orte. -Alle Haustauben betragen sich wie die Felsentaube und legen wie diese -je zwei Eier. Bei allen Rassen derselben treten gelegentlich mohnblau -wie die Wildform gefärbte Individuen mit dem charakteristischen -Metallschimmer am Halse und den schwarzen Flügelbinden auf. Darwin -hat ausgedehnte Kreuzungsversuche bei verschiedenen Haustaubenrassen -gemacht und dabei häufig bei den Nachkommen schwarze Flügelbinden -auftreten sehen, auch wenn die Zuchttiere keine Spur davon erkennen -ließen. Durch Kreuzung mancher Schläge, die durchaus kein Blau in -ihrem Gefieder besaßen, erhielt er Nachkommen von blauer Färbung -und Zeichnung, die als vollständige Rückschläge in die Felsentaube -erschienen. Die Felsentaube kreuzt sich fruchtbar mit den -Haustaubenschlägen und letztere kreuzen sich unter sich, was ebenfalls -für die Felsentaube als gemeinsame Ausgangsform hindeutet. Schon bei -den wilden Felsentauben tritt gelegentlich Leucismus auf, der dann bei -manchen der vom Menschen gezüchteten Schläge überwiegt. - -Dieses Auftreten der weißen Farbe hält Ed. Hahn für sehr wichtig, -indem Tauben dadurch zuerst die Aufmerksamkeit, den Schutz und später -die Pflege des Menschen erworben haben sollen. Er sagt in seinem -Buch über die Haustiere und deren Beziehungen zum Menschen: „Bei -keinem Tier ist es so deutlich, daß seine Einführung mit religiösen -Momenten zusammenhängt, und bei keinem Tier lassen sich so leicht die -ursprünglichen Bedingungen der Einführung feststellen. Grotten und -Felshöhlen, aus denen vielleicht noch ein starker Quell entspringt, -gehören zu den ursprünglichsten Heiligtümern; dies sind Stellen, die -die Taube mit besonderer Vorliebe bewohnt, und so scheu sie sonst ist, -oft mit merkwürdiger Nichtachtung des menschlichen Verkehrs auch trotz -aller Störungen innebehält. Jede Gottheit nimmt die Tiere, die sich -ihr freiwillig anvertrauen, in ihren Schutz. Fanden sich nun einmal -unter den Tauben einige Albinos, so war die weiße, lichtglänzende -Verkörperung der Gottheit von selbst gegeben, und daß die Taube mit -ihrer äußerst verliebten Natur der Göttin der Liebe geweiht wurde, ist -ebenso selbstverständlich. Ich glaube sogar sagen zu können, daß die -Taubengestalt in so alter Zeit sich mit der Vorstellung, unter der man -sich die Gottheit des weiblichen Prinzips verkörpert dachte, verband, -daß sie von sehr bedeutendem Einfluß auf die Ausgestaltung dieses -weiblichen Prinzips selbst gewesen ist; bekanntlich wurde Semiramis, -die nur eine spezialisierte Form der großen Göttin darstellt, aus -einem großen Ei am Ufer des Euphrat von den Tauben ausgebrütet (Diodor -II, _c._ 4; später flog sie als Taube gen Himmel, _c._ 20). Schon in -ältester Zeit hat die Taube sich als heiliger Vogel der Göttermutter -durch den ganzen Orient verbreitet. Die Phönizier brachten sie so -weit sie den Kult ihrer Götter trugen, z. B. nach dem Berge Eryx in -Sizilien, und mit der Leichtigkeit, mit der sich der heilige Vogel -wieder an anderen Stellen festsetzte, gab er dann seinerseits Grund -zu neuen Heiligtümern der Venus. An eine Benutzung des Vogels, etwa -zur Speise, war in solchen Fällen natürlich nicht zu denken, stand er -doch unter dem unmittelbaren Schutz der Göttin. Erst sehr viel später -lernte man den Vogel auch als Braten schätzen; hier waren es wohl die -Römer zuerst. Doch ging die Idee des Zusammenhangs des Vogels mit der -Venus nicht gleich ganz verloren; das beweist uns Martial (der in einer -seiner Xenien sagt: ‚Nicht soll diesen Vogel essen, wer geil zu sein -begehrt‘).“ - -In der dargestellten Weise mag irgendwo in Westasien die wilde -Felsentaube vor allem in gewissen albinotischen Individuen als heiliges -Tier der großen Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit unverletzlich -erklärt und dann sogar in menschliche Pflege genommen worden sein, -bis sie sich schließlich an ihre Beschützer gewöhnte und zum Haustier -wurde. Und was zunächst nur einigen auserwählten Individuen zuteil -wurde, das erstreckte sich später auf das ganze Geschlecht, so daß die -Felsentaube überhaupt für ein unverletzliches, heiliges Tier galt. So -war seit den ältesten geschichtlichen Zeiten die Felsentaube der großen -Göttermutter und Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit, Astarte, heilig -und wurde überall in Vorderasien bei ihren Tempeln in größeren Scharen -gehegt. Auch mag da und dort ein Taubenpärchen in den Höhlen, die als -älteste Kultorte dienten, später auch an dunkeln Orten der Steintempel -genistet und sich so an den Umgang mit dem Menschen gewöhnt haben. Dies -gab vielleicht dem betreffenden Kultorte ein besonderes Ansehen, so -daß dann künstlich von den Priestern Tauben dort angesiedelt wurden, -wodurch die Zähmung beschleunigt wurde. - -Als der Grieche Xenophon im Jahre 400 v. Chr. im Heere des jüngeren -Cyrus mit anderen griechischen Söldnern Syrien durchzog, fand er, daß -die Einwohner die Fische und Tauben als göttliche Wesen verehrten und -ihnen kein Leid anzutun wagten. Nach Pseudo-Lucian waren in Hierapolis -oder Bambyce die Tauben so heilig, daß niemand eine derselben auch nur -zu berühren wagte. Wenn dies jemandem wider Willen widerfuhr, dann -trug er für den ganzen Tag den Fluch des Verbrechens; „daher leben -auch,“ fügt der Verfasser hinzu, „die Tauben mit den Menschen ganz als -Genossen, treten in deren Häuser ein und besetzen weit und breit den -Erdboden.“ Ganz dasselbe berichtet der Jude Philo von Askalon, wo auch -ein berühmter Tempel der Göttin Astarte -- der _Aphrodite uraniḗ_. wie -die Griechen sich ausdrückten -- war. Er schreibt nämlich: „Ich fand -dort eine unzählige Menge Tauben auf den Straßen und in jedem Hause, -und als ich nach der Ursache fragte, erwiderte man mir, es bestehe ein -altes religiöses Verbot, die Tauben zu fangen und zu profanen Zwecken -zu verwenden. Dadurch ist das Tier so zahm geworden, daß es nicht bloß -unter dem Dache lebt, sondern ein Tischgenosse des Menschen ist und -dreisten Mutwillen treibt.“ - -Als der Dienst der semitischen Göttin Astarte durch die der Schiffahrt -kundigen Vertreter dieses Stammes weiter westlich im Mittelmeer -verbreitet wurde, zog selbstverständlich ihr heiliges Tier, die zahme -Taube, mit und wurde an ihren Heiligtümern in halber Wildheit gehalten, -wie dies heute noch überall im Orient auch unter den Mohammedanern -der Fall ist. Allgemein bekannt sind die Tauben der Göttin in Paphos -auf Zypern, die _paphiae columbae_ der Römer, die im Tempel ein- und -ausflogen, ja sich selbst auf das Bild der Göttin setzten. Von Zypern -gelangte der Dienst dieser orientalischen Liebesgöttin schon vor der -Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends zu den die Küsten des -Ägäischen Meeres und die Inseln nebst Kreta bewohnenden Mykenäern. Dort -sind ihre auf uns gekommenen Darstellungen stets von Tauben umgeben. So -fand man im dritten Grabe der Burg von Mykenä zwei einst auf Kleider -genähte Goldbleche mit dem Bildnis einer jedenfalls sie darstellenden -weiblichen Gottheit, auf deren Haupt eine Taube sitzt. Im einen fliegt -außerdem von jedem Arme eine Taube aus. Fünf andere Goldbleche aus dem -3. und 5. Grabe stellen ein von Tauben umgebenes Gebäude dar, das wohl -an den Astarte-Aphroditetempel von Paphos erinnern soll. Dann sind auf -einem elfenbeineren Spiegelgriff aus mykenischer Zeit zwei weibliche -Gottheiten dargestellt, von denen jede eine Taube mit ausgebreiteten -Flügeln und ausgestrecktem Hals auf dem einen Arm hält. - -Zu Beginn des letzten vorchristlichen Jahrtausends waren es besonders -die Phönikier, die zugleich mit ihrer Kolonisation den Astartekult und -die damit zusammenhängende Pflege ihres heiligen Tieres verbreiteten. -So brachten sie denselben u. a. auch nach ihrer Pflanzstadt Korinth. -Allerdings ist später im Kulte der Aphrodite der Griechen zunächst vom -heiligen Tiere ihrer phönikisch-semitischen Vertreterin keine Rede; es -muß nicht direkt mit jenen von ihnen übernommen worden sein. Auch in -den alten homerischen Hymnen auf sie finden sich die Tauben als ihr -heilige Tiere nicht erwähnt. Es wird dort berichtet, wie die Göttin -ihren duftenden Tempel auf der Insel Zypern betritt, wie sie von den -Chariten mit dem unsterblichen Öle gesalbt, mit herrlichen Gewändern -bekleidet und mit goldenem Geschmeide geschmückt wird und sich dann, -Zypern verlassend, hoch durch die Wolken nach dem quellenreichen Ida -schwingt. - -Die älteste Erscheinung der Haustaube stammt, wie schon Darwin -festzustellen vermochte, aus der Zeit der 5. ägyptischen Dynastie (2750 -bis 2625 v. Chr.) zur Zeit des Alten Reiches. Damals wurde sie schon -auf manchen Gehöften in Scharen gehalten und vom Menschen gefüttert. -Im Alten Testament wird sie zur Zeit des Exils (586-536 v. Chr.) im -Pseudo-Jesaias 60, 8 angeführt. Nach Ohnefalsch-Richter hat man auch, -besonders auf Zypern, hoch ins letzte vorchristliche Jahrtausend -hinaufreichende Abbildungen kleiner Tempel und Kapellen ausgegraben, -die wie die heutigen Bauernwohnhäuser in Syrien und Ägypten als -Taubenschläge eingerichtet sind. Alles dies beweist das hohe Alter der -Taubenzucht in der Ostecke des Mittelmeers. - -Von dorther gelangte die Haustaube jedenfalls schon vor dem 5. -Jahrhundert v. Chr. zu den Griechen. Wenn nun der griechische -Geschichtschreiber Charon von Lampsakos, der Vorgänger des Herodot, in -seinen Persiká schreibt: „Zu der Zeit, da die persische Seemacht unter -Mardonios (492 v. Chr.) -- zwei Jahre vor der Schlacht bei Marathon --- bei der Umschiffung des Vorgebirges Athos zugrunde ging, seien -zuerst die weißen Tauben im Lande erschienen,“ so will er damit nicht -sagen, wie die meisten Autoren schließen, damals sei die Haustaube -überhaupt zum erstenmal nach Griechenland gekommen, sondern er meint -damit offenbar nur Haustauben edler Rasse, die wir wohl mit dem Kulte -der orientalischen Liebesgöttin in Verbindung setzen dürfen. Noch viel -später lesen wir bei einigen griechischen Schriftstellern von der -„weißen Taube Aphrodites“. Es haben sich also beim Schiffbruche der -persischen Flotte am Berge Athos zahme weiße Tauben des Astartedienstes -aus den scheiternden Fahrzeugen ans Land gerettet und fielen den -Einwohnern in die Hände, die diese auffallenden Gäste hegten und -an ihre Landsleute weitergaben. Ein halbes Jahrhundert später war -unter den Athenern, die mit Thrakien in lebhaftem politischem und -Handelsverkehr standen, die zahme, -- wohl vielfach weiße -- Taube -unter dem Namen peristerá, der vielleicht aus jener nördlichen Gegend -stammt, ein verbreitetes Haustier, das gelegentlich, wie im Orient, -zu schnellen Botschaften gebraucht wurde. So sandte der um diese Zeit -lebende Äginet Taurosthenes seinem Vater durch eine Taube Botschaft -von seinem Siege in Olympia, und diese soll noch an demselben Tage -nach Ägina gelangt sein. Die wörtliche Schilderung dieses Vorgangs -erzählt uns Älian folgendermaßen: „Als Taurosthenes von Ägina den -Sieg zu Olympia errang, gelangte die Nachricht von seinem Glücke noch -selbigen Tags an seinen Vater nach Ägina. Er hatte nämlich eine Taube -mitgenommen, deren Junge noch im Nest saßen, und ließ sie, sowie er -gesiegt hatte, mit einem angehängten roten Läppchen davonfliegen.“ Als -der Aphrodite heilige Vögel wurden sie dieser Göttin als Weihgeschenke -dargebracht, um ihre Tempel in halber Freiheit gehalten und dort -regelmäßig gefüttert. Nach den Darstellungen auf Münzen muß besonders -Sikyon eine Hauptstätte des Aphroditekultes, wie auch der Taubenzucht -gewesen sein. - -Nach Italien kam die Taube durch die Vermittlung der süditalischen -Griechen, nachdem diese wohl durch den auf die Phönikier zurückgehenden -Tempel von Eryx in Sizilien zuerst Bekanntschaft mit jenem heiligen -Vogel gemacht hatten. Zog nun die dort verehrte Göttin Astarte an -einem bestimmten Tage des Jahres nach Afrika fort, so sollten ihr -nach Älian alle Tauben dorthin folgen. „Sind neun Tage verflossen, so -sieht man, wie die Leute behaupten, eine wunderschöne purpurfarbige -Taube von Libyen aus über das Meer nach Eryx fliegen und dieser folgt -dann eine ganze Wolke gewöhnlicher Tauben. Ist der Zug angelangt, so -wird (wie bei ihrem Auszug das Abschiedsfest) ein anderes Fest, das -Rückkehrfest, gefeiert.“ In der Zeit zwischen beiden mochten wohl die -Tempeltauben durch die Priester in ihren Kammern verschlossen gehalten -werden. Den Vogel nannten die sizilischen Griechen, als sie ihn an -jenem uralten phönikischen Heiligtum an der Nordwestspitze Siziliens -kennen lernten, _kólymbos_, woraus dann die Römer _columbus_ oder -_columba_ machten. In Italien wurde die zahme Taube dann allmählich -bekannt und ihre Zucht in Angriff genommen. Der gelehrte Römer Varro zu -Ende der Republik sagt, daß sie sonst ohne Unterschied mit _columba_ -Männchen und Weibchen der Haustaube bezeichnet hätten und erst später, -da der Vogel bei ihnen gewöhnlich ward, _columbus_ von _columba_ (als -Männchen und Weibchen) unterschieden. Er unterscheidet genau zwischen -der Feldtaube -- dem halbwilden Abkömmlinge der Felsentaube -- und -der zahmen Haustaube, und beschreibt Taubenhäuser, in denen bis 5000 -Stück gehalten wurden. „Man pflegt zwei Arten von Tauben zu halten: die -Feldtaube, welche andere auch Felsentaube nennen. Sie ist scheu, wohnt -in den Türmen und andern hohen Teilen des Landhauses und fliegt von da -nach Belieben auf das Feld, um sich ihr Futter selbst zu suchen. Dann -Haustauben, die zutraulicher sind und sich mit dem zu Hause gereichten -Futter begnügen. Diese sind meist weiß, während die Feldtauben nirgends -weißes Gefieder haben. Es paaren sich auch beide Arten von Tauben -miteinander, wodurch eine dritte Sorte entsteht. Das Taubenhaus hat -eine gewölbte Decke, eine enge Tür und mit Netzwerk überzogene Fenster, -durch welche Licht einfällt, aber weder eine Schlange noch sonstiges -Ungeziefer eindringen kann. Die Innenwände macht man glatt, ebenso die -Außenwände, damit weder Mäuse noch Eidechsen hinein können; denn die -Tauben sind sehr furchtsamer Natur. Für jedes Paar wird eine besondere -Zelle hergestellt, inwendig drei Spannen breit und lang mit einem zwei -Spannen langen Brett am Eingang. Es muß reines Wasser ins Taubenhaus -fließen, das zum Trinken und Baden dient; denn diese Vögel sind sehr -reinlich. Auch muß der Taubenwärter das Haus in jedem Monat mehrmals -fegen. Der Taubenmist ist von großem Wert für die Landwirtschaft und -wird für den besten gehalten. Der Wärter muß auch die kranken Tauben -kurieren, die gestorbenen beseitigen und die zum Verkaufe passenden -jungen herausnehmen; dann muß er die Habichte wegfangen, indem er ein -Tier, nach welchem dieser Raubvogel zu stoßen pflegt, anbindet und -Leimruten so um dasselbe steckt, daß sie sich über ihm wölben. - -Ihr Futter bekommen die Tauben in Trögen, welche im Innern des -Taubenhauses an den Wänden stehen und von außen durch Röhren gefüllt -werden. Sie fressen gern Hirse, Weizen, Gerste, Erbsen, Bohnen, Linsen. -Kauft man Tauben, so müssen sie das richtige Alter haben und die Zahl -der Männchen muß der der Weibchen gleich sein. Kein Tier übertrifft die -Taube an Fruchtbarkeit. Innerhalb 40 Tagen legt, brütet und erzieht -sie ihre Brut von jeweilen zwei Jungen, und das geht das ganze Jahr -hindurch. Wer junge Tauben zum Verkaufe mästet, sperrt sie ab, sobald -sie ganz befiedert sind, und stopft sie dann mit gekautem Weißbrot; -diese Fütterung geschieht im Sommer täglich drei-, im Winter nur -zweimal. Will man die Jungen im Neste von den Alten mästen lassen, so -zerbricht man ihnen die Beine und gibt reichliches Futter. Das Paar -alter, schöner Tauben kann in Rom gewöhnlich für 200 Sesterzien (= 30 -Mark) verkauft werden; ein ganz ausgezeichnetes Paar kostet auch bis -1000 Sesterzien (= 150 Mark). Als neulich ein Kaufmann ein solches Paar -vom Ritter Lucius Axius kaufen wollte, antwortete dieser, sie wären -unter 400 Denaren (= 240 Mark) nicht feil.“ - -Sehr ausführlich schildert der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte -die Haustaube und deren Lebensgewohnheiten. Am Schlusse seiner -Ausführungen sagt er: „Es gibt viele, die vor lauter Taubenliebhaberei -wie verrückt sind. Sie erbauen ihnen Türme auf ihren Dächern und -wissen von einer jeden nachzuweisen, woher sie stammt und wie edel -ihre Abkunft ist. Schon vor dem pompejanischen Bürgerkriege (49 und 48 -v. Chr.) verkaufte der römische Ritter Lucius Axius einzelne Paare, -wie Varro erzählt, für 400 Denare (= 240 Mark). In Kampanien sind sie -vorzüglich groß, und dieses Land ist in dieser Hinsicht berühmt. Die -Tauben sind auch schon in wichtigen Angelegenheiten als Botschafter -gebraucht worden, wie denn z. B. Decimus Brutus, als er in Mutina (dem -heutigen Modena) belagert wurde, ihnen Briefe an den Beinen befestigte -und sie ins Lager der Konsuln schickte. Was konnte da dem Antonius -sein Wall, seine Wachsamkeit, der durch Netze gesperrte Fluß helfen, -da der Bote durch die Luft flog?“ Übrigens sei hier bemerkt, daß man -im Altertum gelegentlich auch Schwalben statt wie hier Haustauben -zu raschen Überbringerinnen von Botschaften auf große Entfernungen -benutzte. So schreibt der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte: -„Cäcinna, ein Ritter aus Volaterra, der zu öffentlichen Wettrennen -bestimmte Wagen besaß, pflegte Schwalben mit nach Rom zu nehmen, -bestrich sie, wenn er gesiegt hatte, mit der Farbe des Sieges (rot), -ließ sie fliegen und sie überbrachten, indem sie ihrem Neste zueilten, -bald seinen Freunden die Botschaft. Auch erzählt Fabius Pictor in -seinen Jahrbüchern, daß man, als eine römische Besatzung von den -Ligustinern belagert wurde, ihm eine von den Jungen genommene Schwalbe -zuschickte, damit er ein Fädchen an ihre Füße binden und durch Knoten -die Zahl der Tage angeben könne, nach deren Verlauf er zum Entsatze da -sein würde. Die Besatzung sollte dann einen Ausfall machen.“ - -Auch allerlei Aberglauben knüpfte sich bei den Römern an die Taube, wie -an zahlreiche andere Vögel; so berichtet Dio Cassius: „Dem Macrinus -wurde der Verlust der Schlacht und sein darauf erfolgender Tod dadurch -prophezeit, daß, während sein erster Brief, worin er verkündete, -Kaiser geworden zu sein, im Senat vorgelesen wurde, eine Taube sich -auf seine Bildsäule, die in dem Versammlungssaale stand, niederließ.“ -Als großer Tierfreund hat besonders der Vetter, Adoptivsohn und -Nachfolger des Heliogabalus, einer der besten Fürsten seiner Zeit, -Alexander Severus, der 222 14jährig die Regierung antrat, 231 siegreich -gegen den Perserkönig Artaxerxes focht und 235 unweit von Mainz von -aufrührerischen Soldaten ermordet wurde, große Geflügelhöfe und -Tausende von Tauben gehalten. So berichtet der Geschichtschreiber Älius -Lampridius von ihm: „Nach Heliogabals Tod übernahm ein herrlicher -Mann, Alexander Severus, die Regierung des Römischen Reichs. Dieser -duldete während der Mahlzeit die bei den Römern üblichen Unterhaltungen -durchaus nicht, sondern hatte Spaß daran, wie kleine Hündchen und -Kätzchen mit Spanferkelchen spielten und Vögel um ihn herumflogen. -Überhaupt waren die Vögel seine Hauptfreude. Er hatte eigene Anstalten -für Pfauen, Fasanen, Haushühner, Enten, Rebhühner, die größten aber -für Tauben, deren er 20000 gehabt haben soll. Um nun dem Staate nicht -durch die Fütterung der ungeheuren Menge von Geflügel lästig zu fallen, -mußten seine Angestellten die Eier, die Küchlein, die jungen Tauben -verkaufen und von dem daraus gelösten Gelde das Futter kaufen.“ - -Aus diesen Stellen kann man entnehmen, wie populär auch bei den Römern -der späteren Kaiserzeit die Taubenzucht war. Noch ums Jahr 400 n. Chr. -spricht Palladius von Taubentürmen, die man auf dem Herrenhause baue -und so einrichte, daß alle Nester inwendig seien. Dabei müßten alle -Eingänge so klein sein, daß sich kein Raubvogel hineinwage. Dabei -weiß er noch allerlei von uns allerdings sehr skeptisch aufgenommene -Ratschläge zu erteilen, so sagt er: „Um die Tauben vor Wieseln zu -sichern, wirft ein Mann ganz heimlich, ohne daß es jemand sieht, -einen blattlosen Dornbusch oder einen Haufen altes Spartgras in das -Taubenhaus. Um sie vor dem Tode zu schützen und damit sie nicht in -andere Taubenschläge übersiedeln, hängt man in alle Eingänge etwas von -dem Strick, mit dem ein Mensch gehängt wurde. Die Tauben bringen sogar -noch fremde mit, wenn man sie fleißig mit Kümmel füttert.“ Heute rät -man zu letzterem Zwecke Anisöl in die Taubenschläge zu bringen, für das -die Tauben tatsächlich eine große Vorliebe hegen. - -Auch bei den Römern, die als Realisten sich nicht scheuten, die Tauben -trotz ihrer althergebrachten Heiligkeit zu verspeisen, waren sie der -Liebesgöttin Venus geweiht. Man dachte sich ihren Wagen von weißen -Tauben gezogen, wie schon die Griechen erzählten. Es sei hier nur -an die Ode an Aphrodite erinnert, die die berühmteste Dichterin des -Altertums, die aus vornehmem lesbischem Geschlechte stammende Sappho zu -Beginn des 6. vorchristlichen Jahrhunderts verfaßte und die in Geibels -Nachdichtung folgendermaßen beginnt: - - „Die du thronst auf Blumen, o schaumgeborene, - Tochter Zeus, listsinnende, hör mich rufen, - Nicht in Schmerz und bitterer Qual, o Göttin, - Laß mich erliegen. - - Sondern huldvoll neige dich mir, wenn jemals - Du mein Flehn willfährigen Ohrs vernommen, - Wenn du je, zur Hilfe bereit, des Vaters - Halle verlassen. - - Raschen Flugs auf goldenem Wagen zog dich - Durch die Luft dein Taubengespann, und abwärts - Floß von ihm der Fittiche Schatten dunkelnd - Über den Erdgrund. - - So dem Blitz gleich stiegst du herab und fragtest, - Sel’ge, mit unsterblichem Antlitz lächelnd: - ‚Welch ein Gram verzehrt dir das Herz, warum doch - Riefst du mich, Sappho?‘“ - -Wie bei den Griechen diente auch bei den ihnen so vieles entlehnenden -Römern der Name Taube, wie Spätzchen und Häschen, als Kosewort; so -heißt es bei Plautus u. a.: _mea columba_. Eine besondere Rolle spielte -dann die Taube in der christlichen Kirche. Man findet sie in den -ältesten christlichen Katakomben Roms häufig abgebildet. Als reiner, -frommer Vogel diente sie früh als Ausdruck der neuen Religion und der -damit verbundenen Seelenstimmung, und man glaubte, daß beim Tode des -Gläubigen sich dessen Seele als Taube zum Himmel hinaufschwinge, wie -einst in ihrer Gestalt der heilige Geist auf die Erde herniederkam. Als -der Frankenkönig Chlodwig im Jahre 496 nach Besiegung der Alamannen -mit 3000 Franken in Reims zum Christentum übertrat und sich taufen -ließ, brachte eine Taube dem Bischof Remigius, wie Hinkmar im Leben -des Heiligen erzählt, das Ölfläschchen zu dessen Salbung vom Himmel -herab. Seit der Zeit der Kirchenväter herrschte ein allgemeiner Glaube -in der Christenheit, daß die Taube keine Galle habe und deshalb so -sanft und ohne Falsch sei; daher kommt es, daß schon der St. Galler -Mönch Ekkehard in seinen Benediktionen, den Tischgebeten, den heiligen -Geist bittet, sein Tier, die „Taube ohne Galle“ für das Verspeisen zu -segnen. Gleicherweise preist Walter von der Vogelweide die schöne, -sanfte Griechin Irene von Byzanz, die Gemahlin des am 21. Juni 1208 von -Otto von Wittelsbach in Bamberg ermordeten deutschen Königs Philipp von -Schwaben, als ein _rôs âne dorn, ein tûbe sunder gallen_. - -Wie der Papst besonders verdienten Christen die goldene Tugendrose -verschenkte, so verlieh er ihnen auch als Auszeichnung gelegentlich -das Bild der Taube, das Symbol des heiligen Geistes. Den Germanen war -einst, wie allen Indogermanen, die graue wilde Taube ein düsteres -Geschick und den Tod ansagender Vogel. Nicht anders war es bei den -Römern, bei denen, wie wir sahen, durch das Herbeifliegen einer -Haustaube der bevorstehende Tod des Kaisers Macrinus angekündigt -worden sein soll. Ihr trat nun, wie dem Heidentum das Christentum, die -anmutige und zärtliche, zutraulich mit dem Menschen lebende und aus -seiner Hand das Futter nehmende weiße, fremdländische Taube gegenüber, -in deren Gestalt der heilige Geist auf die Erde gekommen sein sollte. -Schon letztere Tatsache gab ihr einen Heiligenschein und machte sie -in Anknüpfung an altorientalische Vorstellungen zu einem Gegenstand -religiöser Verehrung. So werden in Moskau und den übrigen Städten -des weiten Rußland Scharen von meist weißen Tauben von den Gläubigen -unterhalten und ernährt, und einen der heiligen Vögel zu töten, zu -rupfen und zu essen wäre eine große Sünde und würde dem Täter übel -bekommen -- ganz wie einst zur Zeit Xenophons und Philos in Hierapolis -und Askalon. Noch heute wohnen auf den Kuppeln der Markuskirche und auf -dem Dache des Dogenpalastes im halbgriechischen Venedig Schwärme von -Tauben, die, von niemandem beunruhigt, auf dem Markusplatz ihr Wesen -treiben und zur bestimmten Stunde auf öffentliche Kosten ihr Futter -gestreut erhalten. - -In den beiden letztgenannten Städten sind schon bedeutende -orientalische Einflüsse bemerkbar. Im heutigen, mohammedanischen -Morgenland hat die Taube durch die Jahrhunderte den Stempel der -Heiligkeit bewahrt und wird als Gegenstand religiöser Verehrung in -halbwildem Zustande um die Moscheen gehalten. Schon im frühen Altertum -geschah dies, wie wir sahen, in den Tempeln der Liebesgöttin. Aber auch -sonst stand die Taube in einem gewissen Verhältnisse zum Menschen. Wie -in der Genesis erscheint im altbabylonischen Sintflutbericht die Taube -(_samâmu-summatu_) neben dem Raben als Sendling Schamaschnapischtims, -des babylonischen Noah, um das nächste Land auszukundschaften. Auf -solche Weise haben auch die alten Phönikier und Griechen, wenn sie sich -ausnahmsweise einmal aus der Sehweite der Küste entfernten, durch das -Aussenden von Tauben das nächste Land erkundet, wie dies die nordischen -Wikinge mit gefangen gehaltenen Raben machten. Auch anderwärts wird -die Taube in Keilinschriften erwähnt; so heißt es auf einer Tontafel -medizinischen Inhalts: „Die Krankheit des Kopfes fliege davon, wie eine -Taube in ihren Schlag.“ - -Wie in Mesopotamien und Syrien wurde auch im alten Ägypten die -Felsentaube als Haustier gehalten. Schon zur Zeit der ältesten -Dynastien finden wir sie, wie erwähnt, unter dem Hausgeflügel -abgebildet, doch trat ihre Zucht damals gegenüber derjenigen der dort -einheimischen Nilgans stark zurück. So ist auf einem Grabe eine vom -Menschen gefütterte Schar Tauben dargestellt. Auf einem andern heißt -es zwar: „Die Taube holt sich Futter“, während daneben steht: „Die -Gans wird gefüttert“ und „die Ente erhält zu Fressen.“ Mit dieser -sich selbst das Futter holenden Taube ist sehr gut die Feldtaube -charakterisiert, die heute noch im Niltale, wie im Morgenlande -überhaupt, in halbwildem Zustande auf alten ruhigen Gebäuden, Tempeln -und in für sie errichteten Türmen gehalten wird. Zum Nisten dienen ihr -hoch übereinandergeschichtete eiförmige Töpfe, die mit Nilschlamm oder -Mörtel miteinander verbunden wurden. Jeder Topf ist an dem nach außen -gekehrten Ende etwas durchbrochen, um Luft und Licht durchzulassen. Der -Eingang für die Taube befindet sich aber an der innern Seite. Von hier -aus wird auch alljährlich der angesammelte Mist als das einzige von den -Tieren Benutzte zusammengekratzt, um als wertvoller Dünger besonders -für die Melonenkulturen verwendet zu werden. Dieser Taubendünger ist -für den Orientalen deshalb so wertvoll, weil in dem holzarmen Lande -der Mist der pflanzenfressenden Haustiere als Brennmaterial benutzt -wird. Der verstorbene Ägyptologe Brugsch Pascha berichtet von seiner -Reise nach Persien, daß die berühmten Melonen von Isfahan in Persien -wesentlich dem reichlichen Taubendünger, den sie erhalten, ihre -Vorzüglichkeit verdanken. Schon im Altertume gab es übrigens da, wo wir -solchen noch heute begegnen, derartige Taubentürme. So werden sie schon -im Alten Testament bei Pseudo-Jesaias 60, 8 erwähnt, der sagt: „Wer -sind die, welche fliegen wie die Wolken und wie die Tauben in ihren -Wohnkammern?“ Auch auf der späteren Königsburg in Jerusalem, die im -Jahre 70 n. Chr. im allgemeinen Brande unterging, waren nach Josephus -„viele Türme mit zahmen Tauben.“ - -Nach der Sage wurde die Taube für die Mohammedaner deshalb ein heiliger -Vogel, weil eine solche, die sich durch seinen Eintritt in die Höhle, -in der sie brütete, nicht stören ließ, den Propheten Mohammed auf -seiner Flucht vor der Gefangennahme durch die ausgesandten Häscher -schützte. Deshalb wird sie überall in der mohammedanischen Welt in -halber Wildheit gehalten, ohne irgend welchen Nutzen aus ihr zu ziehen. -Einzig ihr Mist wird, wie oben gesagt, als Düngmittel verwendet. -Von den ebenfalls halbwilden, auf öffentliche Kosten oder von den -Gläubigen ernährten Tauben des Kreml in Moskau und der Markuskirche -in Venedig wird nicht einmal dieser verwendet. Ebenso ist es in den -mohammedanischen Moscheen und in den siamesischen Pagoden. „Taube der -Moschee“ zu heißen, ist ein lobendes Prädikat für einen frommen Moslem. -In Indien und China hat sich ohne allen europäischen Einfluß schon -in alter Zeit eine namhafte Taubenliebhaberei entwickelt, die früh -zur Züchtung verschiedener Kulturrassen führte. So wird vom mächtigen -Eroberer mohammedanischen Glaubens, dem Großmogul Akbar dem Großen, -der von 1556 bis 1605 regierte, berichtet, daß er sich persönlich mit -ihrer Zucht abgab und an seinem Hofe über 20000 Tauben hielt. Um seine -Arten zu vermehren, ließ er sich von den Herrschern in Iran und Turan -seltene Rassen senden. So besaß er schließlich bereits 17 verschiedene -Taubenrassen. In Syrien soll es heute noch mehr Taubenfreunde und --Züchter geben als selbst in England, das in der Zucht dieses -Haustieres Großes geleistet hat. Auch die Chinesen haben Freude an -der Taube und halten sie gern. Dabei schützen sie ihre Taubenschwärme -durch das Anbringen kleiner Pfeifen aus Bambus, die dann beim Fliegen -durch schwirrende Töne die Raubvögel abhalten sollen. Dieser Gebrauch -ist auch bei den Japanern üblich, die dieses Haustier, wie so vieles -andere, von den Chinesen übernahmen. - -Während auch die Ostasiaten als Feinschmecker junge Tauben gern essen, -tun dies die christlichen Abessinier nicht aus religiöser Scheu, da -die Taube als Sinnbild des heiligen Geistes bei ihnen als heiliges -Tier gilt. Man findet sie deshalb in jenem Lande häufig in der noch -dort geübten byzantinischen Kunst abgebildet. Die abessinischen Juden -müssen für ihre vorgeschriebenen Opfer wilde Tauben fangen, wie das -in der älteren Zeit im Judentum auch bei den Turteltauben der Fall -war. Auch in den Haussaländern ist sie geschützt wie in allen dem -Islam huldigenden Ländern. Durch die Araber wurde sie dann den Negern -Ostafrikas gebracht, die sie teilweise willig annahmen. So werden sie -in Unjamwesi in großen Schlägen aus Rindenschachteln gehalten, worunter -auch viele weiße. Bis zum Jahre 1883 hatten sie sich bis in das Herz -des schwarzen Kontinents, zum Flusse Lulua, verbreitet. - -Mit den Europäern gelangte die Taube natürlich auch nach Amerika und -Australien, wo sie vollständig eingebürgert wurde. An zahllosen Stellen -ist die Taube verwildert und hat mehr oder weniger die Färbung ihrer -wilden Vorfahren angenommen, so besonders in den Mittelmeerländern -und auf vielen ozeanischen Inseln. Auf den Azoren flossen bei den -verwilderten Tauben die weißen Flügelbinden zusammen. Das gab den -Ornithologen Gelegenheit, eine neue Unterart aufzustellen, wie deren -durch künstliche Auslese und zielbewußte Zucht zahlreiche durch den -Menschen willkürlich geschaffen wurden. - -Schon im Altertum entstanden die Stammformen der meisten heutigen -Taubenrassen im Morgenlande, um dann nach dem Abendlande verbreitet zu -werden. So war schon im Mittelalter die Zahl der in Europa bekannten -Taubenrassen beträchtlich. Man züchtete damals bereits in den -Niederlanden eigene Rassen, zu denen durch die Einfuhr aus dem Orient -stets neue hinzukamen. Von den Niederlanden, die im 15. Jahrhundert -das kultivierteste Volk Mitteleuropas besaßen, verbreitete sich die -Taubenzucht im 16. Jahrhundert über Deutschland, England, Frankreich -und die diesen benachbarten Länder. Schon vor dem Jahre 1600 waren -die Hauptrassen unserer Haustaube vorhanden; seither gingen einzelne -wieder verloren, während andere eine Umbildung erfuhren. In seiner -Ornithologie führt der Italiener Ulysses Aldrovandi die um 1600 in -Europa gezüchteten Taubenrassen auf, die damals immer noch vorzugsweise -in den Niederlanden gezüchtet wurden. Es gab dort besondere Vereine von -Taubenzüchtern, die Anregungen in diesem Wirtschaftszweige zu geben -bestrebt waren. Trotz der einheimischen Zucht hat aber die Einführung -orientalischer Taubenrassen noch nicht aufgehört; denn wie früher ist -noch immer das Morgenland das Hauptzuchtgebiet der Taube. - -Von der in Westasien zuerst gezähmten Felsentaube sind so zahlreiche -Rassen hervorgegangen, daß es schwer hält, sie alle einzureihen. Der -wilden Stammform am nächsten stehen die im wesentlichen nur durch -ihre Färbung und Zeichnung von ihr verschiedenen ~Feldtauben~, deren -Hauptverbreitungsgebiet das westliche Europa ist. Sie haben in ihrer -Lebensweise eine gewisse Unabhängigkeit bewahrt, indem sie von ihrem -Nistplatze aus aufs Feld fliegen, um ihr Futter selbst zu suchen. Nur -im Winter werden sie gefüttert. In der Regel sind sie glattköpfig, -d. h. ohne Haube, und ohne Federhosen an den Beinen. Als Nutzvögel -stehen sie wegen ihrem Fleischwert obenan. - -An die Feldtauben schließen sich die zahlreichen ~Spiel~- oder -~Farbentauben~ an, die durch eigenartige Färbungen und Zeichnungen -von konstantem Charakter ausgezeichnet sind. Die meisten von ihnen -gehen wie die Feldtauben aufs Feld; doch ist ihre Abhängigkeit vom -Menschen größer. Man unterscheidet bei ihnen Lerchen-, Star- und -Storchtauben, Schwalben- und Gimpeltauben, Weißschwänze, Weißschläge, -Farbenbrüster, Latztauben, Mohren- und andere Farbenköpfe. Die in -mehreren Farbenvarietäten auftretende Eistaube besitzt ein wie -bereift erscheinendes hell lichtblaues Gefieder. Die gelbliche bis -bräunlichrote Mondtaube ist durch eine halbmondförmige Zeichnung auf -der Brust charakterisiert. Nahe mit ihr verwandt ist die fahlgelbe Elbe -oder Schweizertaube. Die Maskentaube ist ganz weiß mit dunklem Schwanz -und halbmaskenartigem Stirnfleck. Dabei ist der Kopf glatt oder mit -Haube versehen, die Beine sind glatt oder befiedert. - -Die ~Trommeltauben~ weichen im Äußeren nicht auffallend von den -Feldtauben ab, sie zeichnen sich aber durch ihre Stimme aus, die kein -abgesetztes Rucksen, wie die anderer Tauben, sondern ein fortgesetztes -Fortrollen ist, wobei das stillsitzende Tier den Kropf etwas aufbläht -und mit den Flügeln zittert. Manche Trommeltauben sind am Kopf mit -einer Haube und an der Schnabelbasis mit einer Federnelke geziert. -Die Füße sind glatt oder befiedert. Die Färbung ist sehr verschieden. -Häufig erscheint die Zeichnung gescheckt, auch blau, wie bei der -Altenburger Trommeltaube, die besonders in Sachsen sehr beliebt -ist. Als der beste Trommler gilt die etwas schwerfällig gebaute -russische Trommeltaube, die meist einfarbig schwarz mit stahlblauem, -bronzeschimmerndem Halse ist und am großen Kopf Muschelhaube und -Federnelke trägt, welch letztere Augen und Schnabel bedeckt. - -Bei den ~Lockentauben~ erscheint das Gefieder gelockt oder struppig. -Das Gefieder ist weich und flaumig und die Deckfedern sind nicht -abgerundet, sondern in eine Spitze auslaufend, welche zu einer Locke -umgebogen ist. Das Gefieder ist blau bis fahlrot; der Kopf bald -glatt, bald mit Haube versehen und die Beine nackt oder befiedert. Am -stärksten gelockt ist die österreichische Lockentaube. Weniger hoch -sind die Locken bei der holländischen Lockentaube, die fast stets eine -Muschelhaube besitzt. - -Die ~Perückentauben~ sind Tauben mit kurzem, kleinem Kopf, flacher -Stirn und eigentümlicher Perücke oder Kapuze, die in der Weise zustande -kommt, daß die verlängerten Federn unten am Hals regelmäßig gescheitelt -sind, so daß ein Teil die Schultern bedeckt, die Hauptmasse aber sich -nach vorn und oben richtet, so daß sie den Kopf hinten vollständig -umschließen. Diese Perücke ist eine übermäßige Weiterentwicklung -der Kopfhaube, die wir bei vielen Formen antreffen. Sie sind teils -einfarbig blau oder weiß, teils „gemöncht“, indem aus der roten, -gelben oder schwarzen Grundfarbe der weiße Kopf hervorsticht. Flügel -und Schwanz weisen ebenfalls weiße Federn auf. Im allgemeinen sind -die Vertreter dieser Rasse durch die gesättigten Töne der Grundfarbe -bemerkenswert. Das Wesen dieser Vögel ist auffallend ruhig; sie fliegen -nur wenig umher. - -Eine kleine, zierliche Rasse, die bei den Taubenliebhabern stark -bevorzugt wird und ein sehr weites Verbreitungsgebiet besitzt, sind -die ~Mövchen~. Der kleine Kopf mit kurzem Schnabel ist bald glatt, -bald behaubt. Vom Kinn verläuft ein faltiger Kehlsack gegen die -Brust und der Vorderhals ist mit strahlig angeordneten, abstehenden -Federn verziert. Von den zahlreichen Varietäten sind hervorzuheben: -das deutsche Schildmövchen mit spitzer Haube, Schildzeichnung und -etwas schleppenden Flügeln, dann die durch schöne Haltung, gewölbte -Brust, hohe Beine und etwas aufgerichteten Schwanz ausgezeichneten -italienischen Mövchen. Die milchblaue Varietät derselben gilt als -besonders schön. Sehr geschätzt sind neben den ägyptischen auch -die chinesischen Mövchen, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts in -Europa eingeführt wurden, deren eigentliche Heimat aber nicht sicher -ermittelt werden konnte, jedenfalls aber irgendwo in Asien zu suchen -ist. Hals und Brust tragen bei dieser Spielart eine sehr umfangreiche -Federrosette; außerdem ist oben am Hals noch eine deutliche Krawatte, -welche den Kopf umgibt. Die kurzschnäbligen und mit befiederten Füßen -versehenen Satinetten oder Atlasmövchen besitzen eine weiße Grundfarbe -mit braunroten, schwarz umsäumten Flügeldeckfedern. Sie gehören mit zu -den schönsten Tauben und sollen aus dem Orient stammen. - -Eine ebenfalls alte Rasse von offenbar ostasiatischer Abstammung -sind die nach ihrem pfauenartig aufgerichteten Schwanz so genannten -~Pfauentauben~, die schon vor dem Jahre 1600 in Indien gehalten wurden. -Während normalerweise die Zahl der Schwanzfedern bei der Taube 12 -beträgt, ist sie bei den heute noch in Asien gezüchteten Pfauentauben -auf 14 bis 24, bei den in Europa gezüchteten jedoch auf 28 bis 40 -gesteigert worden. Diese sind breit, am Bürzel in 2 bis 3 Reihen -angeordnet und werden fächerförmig aufgerichtet getragen, während die -Flügel hängen, so daß sie unter den Schwanz zu liegen kommen, ohne -sich zu kreuzen. Der lange Hals ist gebogen, so daß der Kopf weit nach -hinten zu liegen kommt. Das Gefieder ist verschieden gefärbt, häufig -einfarbig blau, weiß oder schwarz. - -Die auffallende Gestalt schätzt man an den Kropf- und Huhntauben. -Die ~Kropftauben~ haben einen gestreckten Körper mit langen Federn -meist auch an den Beinen und Füßen. Sie sind durch die Fähigkeit -ausgezeichnet, den Schlund enorm aufzublasen und ihn beliebig lange in -diesem Zustande erhalten zu können. Auch sie sind offenbar aus Asien -zu uns gelangt, sind aber schon lange in Europa eingebürgert, da sie -bereits Aldrovandi im Jahre 1600 erwähnt. Als Stammform der besonders -in Zentraleuropa und in den Küstenländern der Nord- und Ostsee, nicht -aber in den Mittelmeerländern stark verbreiteten Kropftauben gilt die -deutsche Kropftaube, die eine bedeutende Körpergröße erlangt und deren -Kropf beständig sehr stark aufgeblasen ist. Die hauptsächlich in der -Normandie, dann auch im übrigen Nordfrankreich gehaltene französische -Kropftaube hat einen fast kugeligen, vom Rumpf abgesetzten Kropf und -lange Beine. Ihr Gefieder ist häufig einfarbig weiß, blau oder gelb, -auch fahlrot mit braunen Binden. Dagegen niedriggestellt in den Beinen -und überhaupt zwergartig ist die holländische Ballonkropftaube, deren -Kopf wie bei den Pfauentauben zurückgebogen ist. Deren ballonartiger -Kropf nimmt im aufgeblasenen Zustande die Hälfte der Taube ein. In der -äußeren Haltung und Bewegung dem Huhn ähnlich, auch durch bedeutende -Größe ausgezeichnet, sind die ~Huhntauben~. Am gedrungenen, vorn -gerundeten Rumpf mit kurzen Flügeln und kleinem, aufrecht getragenem -Schwanz sitzt auf langem, kräftigem, gebogenem Hals der stets -unbehaubte Kopf mit kurzem Schnabel. Ihr Steiß ist dicht mit Flaum -besetzt. Diese Taubenart ist der Pfauentaube nahe verwandt und stammt -vermutlich wie die letztere aus Ostasien. Eine typische Rasse ist die -~Maltesertaube~, die in Vorderindien stark gezüchtet wird und dort -heimisch ist, vermutlich aber über Malta zu uns gelangte. Ihre äußere -Erscheinung ist etwas vierschrötig, die Brust voll und der sehr kurze -Schwanz steil aufgerichtet. Ihr nahe verwandt ist der Epaulettenscheck, -ebenfalls ein Produkt südasiatischer Zucht, das ziemlich früh nach -Europa gelangte. In Italien wurde sie unter dem Namen Tronfo bekannt. -Sie trägt meist dunkles Gefieder mit weißer Zeichnung an Kopf und -Flügeln. - -Ebenfalls südasiatischer Herkunft sind die ~Tümmler-~ oder -~Purzlertauben~, so genannt, weil sie die seltsame Gewohnheit -angenommen haben, sich während des Fluges durch die Luft rückwärts zu -überschlagen. Daneben gibt es auch solche Typen, die auf dem Boden -purzeln. Ein guter Tümmler überschlägt sich schon beim Aufsteigen und -führt seine eigentümliche Bewegung in der Weise aus, daß er die Flügel -über dem Rücken zusammenschlägt, sich rückwärts überwirft und dann -mit einem kräftigen Flügelschlag wieder in die frühere Flugrichtung -einlenkt. Auch beim Kreisen wird das Purzeln ausgeführt, doch zeigt -der Vogel seine Kunst nur bei Wohlbefinden. In der Mauser oder in -entkräftetem Zustande versagt er, ebenso an fremdem Ort, bis er sich -genügend eingelebt hat. Ganz gute Vögel tümmeln zwei- bis dreimal -in rascher Aufeinanderfolge. Meist sind die Tümmler von geringer -Körpergröße mit kleinem, zierlichem Kopf und langem, mittellangem -oder kurzem Kopf und befiederten oder glatten Füßen. Hinsichtlich der -Zeichnung sind Weißschwanz-, Elster- und Scheckzeichnung häufiger -als bei anderen Rassen. Von charakteristischen Tümmlern mögen die -gehaubten Kalotten und Nönnchen, die preußischen Weißkopftümmler, die -Kopenhagener Elstern, die englischen Baldheads, die kurzschnäbeligen -Barttümmler und die Königsberger Mohrenkopftümmler hervorgehoben werden. - -Die ~Warzentauben~ sind kräftig gebaute, meist einfarbige Tauben mit -einer warzenartigen Wucherung an der Schnabelbasis und oft auch noch am -Augenring. Der Kopf ist in der Regel ohne Haube, die Füße sind glatt, -die Farben gesättigt, doch die Neigung zu Gefiederzeichnung gering. Die -Rasse stammt aus dem Orient und die einzelnen Schläge werden häufig -unter dem Sammelnamen „türkische Tauben“ zusammengefaßt. Sie heißen -auch Bagdette, weil sie in Bagdad zuerst gezüchtet worden sein sollen -oder wenigstens von dort zu uns kamen. Von den bekannteren Schlägen -ist zunächst die französische Bagdette zu nennen. Bei ihr ist der -gedrungene Körper mit knapp anliegendem blauem, weißem oder geschecktem -Gefieder bedeckt. Die Haltung ist aufrecht. Der starke Schnabel ist -etwas gekrümmt, die rosenrote Schnabelwarze ist sehr umfangreich. Die -kräftigen Beine sind karminrot. Trotz dem Namen wird diese Rasse in -Frankreich selten gehalten. Auch die Nürnberger Bagdette ist wenig -verbreitet. Der glatte Kopf trägt einen langen, stark gekrümmten -Schnabel, an dessen Basis ein mäßig umfangreicher Warzenhöcker sitzt. -Zu den geschätztesten englischen Zuchttauben gehört die englische -Bagdette oder Carrier. Die Stammrasse ist im Orient weit verbreitet -und wurde vor etwa 200 Jahren in Europa importiert und von englischen -Züchtern veredelt. Die Färbung ist schwarz, braun, blau oder weiß, -der Schnabel lang und gerade, die Schnabelwarze enorm, bis zur Größe -einer Walnuß entwickelt, daneben sind die warzigen Augenringe sehr -umfangreich. Die Indianer- oder Berbertaube ist schwarz, braun oder -gelb, selten blau befiedert, der Schnabel kurz, das große Auge mit -weißer Iris von einem mächtigen, rotgefärbten Warzenring umgeben. Auch -sie stammt aus dem Orient und wurde von Nordafrika aus nach England, -Holland und Deutschland eingeführt. Durch Pinselhaare am Hals ist -die in Italien stark verbreitete römische Taube ausgezeichnet. Diese -wird wegen ihrer bedeutenden Größe auch Riesentaube genannt. Zu dieser -Gruppe gehören auch die Korallenaugen, die Syrier, Kurdistaner und -andere, deren Name schon auf die orientalische Herkunft hinweist. - -Ebenfalls aus dem Morgenlande wurden die ~Brieftauben~ bei uns -eingeführt, die triebartig stets zu ihrem heimatlichen Schlage -zurückkehrt und denselben auch dank ihrem hochentwickelten -Orientierungsvermögen auf sehr große Entfernungen hin mit Sicherheit -findet, wobei sie per Minute einen Kilometer zurücklegt. Selbst -längere Internierung an einem fremden Orte schränkt ihren Heimatstrieb -nicht ein; so vermag sie selbst nach sechs Monaten wieder ihren -heimatlichen Schlag zu finden. Diese Eigenschaft, die durch ihre -außerordentlich scharfen Sinne bedingt wird, hat ihr eine wichtige -Rolle im Kriegsdienst gesichert, weil sie, wenigstens vor der Zeit -der drahtlosen Telegraphie, oft das einzige Mittel zur Besorgung des -Nachrichtendienstes bot. Auch von der hohen See aus kann sie Meldungen -nach dem Lande überbringen. In wichtigen Fällen wird man, wenn sie -zum Depeschendienst verwendet wird, mehrere Brieftauben mit denselben -Nachrichten, die man in leichten Federspulen an der Schwanzbasis -befestigt, absenden, da Raubvögel gelegentlich solche Tauben wegfangen -und man so sicherer ist, seinen Zweck zu erreichen. Neuerdings hat -man sie auch zu photographischen Aufnahmen des feindlichen Geländes -benutzt, indem man ihr einen leichten Photographenapparat mit -selbsttätigem Belichter um die Brust hing. Von den in Europa weiter -gezüchteten Schlägen sind am bekanntesten und geschätztesten die -Antwerpener, Lütticher und Brüsseler Brieftaube. Ihr Gefieder ist -vorwiegend blau mit dunkeln Flügelbinden. - -Außer der Felsentaube ist nur noch eine Taubenart, eine ~Lachtaube~ -(_Columba risoria_), ebenfalls in Asien zu einem Hausvogel erhoben -worden. Indessen gibt es außer den Hauslachtauben, die den wilden -Lachtauben sehr ähneln und die große Mehrzahl bilden, nur noch weiße -Lachtauben; aber auch sie tragen das schwarze Genickband des wilden -Stammes. Der Leucismus dieser Vögel beweist, daß sie schon längere -Zeit in des Menschen Pflege sein müssen. Erst im 17. Jahrhundert -kamen sie aus China oder Indien nach Europa, wo sie jedoch nur -beschränkte Verbreitung fanden. In ihrer Heimat Asien aber scheinen -sie ihres angenehmen Wesens wegen vielerorts gezüchtet zu werden. Der -Lieblingsaufenthalt dieser Vögel sind dürre Steppen, in denen sie ihr -Lachen und Girren aus fast jedem Busche hören lassen. Doch haben sie -sich trotz ihrer angeborenen Scheu teilweise auch schon an den Menschen -gewöhnt. So genießen Lachtauben in Konstantinopel das Privilegium, von -jeder Kornladung ihren Tribut in Anspruch nehmen zu dürfen. - -Von den übrigen Taubenarten ist keine einzige in Abhängigkeit vom -Menschen geraten. Zwar haben schon die alten Römer wilde Ringel- und -Turteltauben gefangen und gemästet, um sie als leckeren Braten zu -verzehren; aber zu Haustieren sind sie damals nicht erhoben worden. -Seit der ältesten Zeit haben die Dichter die durch Vorderasien und -das gemäßigte Europa verbreitete ~Turteltaube~ (_Columba turtur_) -wegen ihres klangvollen Rucksens und der ehelichen Zärtlichkeit, mit -der Männchen und Weibchen aneinander hängen, besungen. Weil sie auch -leicht zu fangen und in Gefangenschaft zu erhalten war, ist sie auch -zu allen Zeiten und überall vielfach gehalten worden; aber sie scheint -sich in der Gefangenschaft nicht fortgepflanzt zu haben, so daß sich -ihrer Haustierwerdung erhebliche Schwierigkeiten entgegenstellten. In -halber Freiheit aber pflanzt sie sich willig fort, und so haben sie -schon die alten Römer gehalten. So berichtet Varro in der ersten Hälfte -des letzten Jahrhunderts v. Chr.: „Für Turteltauben baut man auch ein -besonderes, demjenigen für Haustauben bestimmten ähnliches Gebäude, -gibt ihnen aber offene Nester und füttert sie mit trockenem Weizen. Sie -ziehen zur Erntezeit viele Junge und diese lassen sich schnell mästen.“ - - - - -XVIII. Die Sing- und Ziervögel. - - -Ihres lieblichen Gesanges wegen hat der Mensch je und je Vögel seiner -Umgebung mit Schlingen oder in Fallen gefangen, um sie in kunstlos aus -Stäbchen geflochtenen Bauern in seiner Behausung aufzustellen, damit -sie ihn durch ihr munteres Wesen und ihr wohllautendes Liebeswerben -erfreuten. Von allen ~Finkenarten~, die zu diesem Zwecke am häufigsten -in Gefangenschaft gehalten werden, ist nur der ~Kanarienvogel~ -(_Serinus canarius_) zu einem eigentlichen Haustier geworden, indem -er sich nicht nur regelmäßig in der Gefangenschaft fortpflanzt, -sondern auch verschiedene Spielarten hervorgebracht hat. Seine Heimat -sind, wie der Name schon andeutet, die Kanarischen Inseln westlich -von Afrika, wo diese unserm Girlitz am nächsten verwandte Finkenart -gezähmt und zum Haustier gemacht wurde. Der auch in seiner Heimat -von Spaniern und Portugiesen _canario_ genannte Vogel ist merklich -kleiner und schlanker als derjenige, der in Europa gezähmt gehalten -wird, und kommt noch häufig in denjenigen Teilen der Kanaren vor, die -noch nicht ganz abgeholzt sind; denn sein bevorzugter Standort sind -Bäume, in deren Laub er sich vermöge seiner Färbung geborgen weiß. Beim -erwachsenen Männchen ist die Farbe vorwiegend Gelbgrün untermischt mit -Aschgrau, nur die Brust ist nach hinten zu heller, gelblicher und der -Bauch weißlich. Auch die schwarzgrauen Schwanzfedern sind weißlich -gesäumt. Der Augenring ist dunkelbraun, Schnabel und Füße sind dagegen -bräunlich fleischfarben. Die Nahrung besteht fast ausschließlich aus -Pflanzenstoffen, allerlei Samen, zarten Blättern und saftigen Früchten, -namentlich Feigen. Wasser zum Trinken und Baden ist ihm unbedingtes -Bedürfnis. Sein Flug gleicht demjenigen des Hänflings. Er ist etwas -wellenförmig und geht meist nur von Baum zu Baum. Mit Vorliebe baut -er sein Nest im März auf jungen Bäumen in über 2 _m_ Höhe, um darein -fünf blaß meergrüne Eier mit rötlichbraunen Flecken zu legen. Während -das Weibchen brütet, sitzt das Männchen in seiner Nähe, am liebsten -hoch oben auf einem noch unbelaubten Baum, um seinen von demjenigen des -zahmen Kanarienvogels wenig verschiedenen Gesang erschallen zu lassen. -Die Brutzeit dauert 13 Tage; dabei werden drei bis vier Bruten jährlich -großgezogen. Die Jungen bleiben im Nest, bis sie vollständig befiedert -sind und werden noch eine Zeitlang nach dem Ausfliegen von beiden -Eltern, namentlich aber vom Vater, aufs sorgsamste aus dem Kropfe -gefüttert. - -Der Fang der wilden Kanarienvögel ist sehr leicht; besonders die jungen -gehen fast in jede Falle, sobald nur ein Lockvogel ihrer Art daneben -steht. Auf den Kanaren bedient man sich gewöhnlich zu ihrem Fange -eines Schlagbauers, der in der Mitte einen Käfig mit dem Lockvogel und -seitlich davon je eine Falle mit aufstellbarem Trittholz besitzt. Er -wird in baumreicher Gegend in der Nähe von Wasser aufgestellt und fängt -am ergiebigsten morgens. In der Gefangenschaft sind die Vögel unruhig -und brauchen längere Zeit, ehe sie die ihnen angeborene Wildheit -abgelegt haben. Sperrt man sie in engen Käfigen zu mehreren zusammen, -so zerstoßen sie sich leicht das Gefieder. Sie sind sehr gesellig und -schnäbeln sich gern untereinander. Die jungen Männchen geben sich -durch fortgesetztes lautes Zwitschern zu erkennen. Doch sind die Vögel -außerordentlich empfindlich und gehen leicht an Krämpfen ein. - -Bald nach der Eroberung der Kanaren durch die Spanier im Jahre 1478 -wurde der Kanarienvogel von den Siegern in großer Zahl nach ihrer -Heimat eingeführt. So war er in Spanien schon in der ersten Hälfte -des 16. Jahrhunderts ein beliebter Hausgenosse. Nach der Bezeichnung -Zuckerinseln, die man den Kanaren wegen des bald aus ihnen mit -ausgezeichnetem Erfolg betriebenen Anbaues von Zuckerrohr gab, hieß -der von dort kommende Vogel, den vermutlich bereits die dortigen -Ureinwohner, die Guanchen, gezähmt hatten, bei den Spaniern zunächst -„Zuckervogel“. Als solcher wird er 1555 zum erstenmal vom Züricher -Konrad Geßner, nicht aber vom Pariser Zoologen Pierre Bellon erwähnt. -Seiner Verbreitung nach Italien soll ein Schiffbruch bei der Insel -Elba Vorschub geleistet haben. Bis dahin hatten nämlich die Spanier -nur männliche Vögel ausgeführt, die sie in eigenen Zuchten zogen. Da -scheiterte um die Mitte des 17. Jahrhunderts ein spanisches Schiff bei -Elba mit einer Kanarienvogelhecke. Die Vögel entkamen, verwilderten auf -der Insel und bildeten so einen Stamm, von dem aus Europa mit Vögeln -versehen wurde, so daß das Monopol der Spanier aufhörte. Immerhin war -er dank seiner Seltenheit noch lange Zeit recht teuer, so daß sich -nur die besser Situierten diesen Fremdling aus dem warmen Süden, der -sich in Mitteleuropa recht wohlfühlte und gut gedieh, leisten konnten. -So ließen sich vornehme Damen gern mit diesem Vogel auf der Hand -abkonterfeien. - -Selbstverständlich war dieser hübsche Singvogel sehr bald den Spaniern -in ihre neuweltlichen Kolonien gefolgt. So war er nach Garcilaso de -Vega schon 1556 in Kuzko, im Hochlande von Peru, und 1600 sogar in -Ostindien zu finden. In letzterem Lande mußte man den Käfig mit dem -Vogel über eine Schale mit Wasser setzen, um ihn vor den Angriffen der -Termiten zu schützen. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts zog man den -Kanarienvogel schon recht häufig in Deutschland. Horst in Frankfurt am -Main berichtet 1669, daß man ihn gern mit dem Stieglitz kreuze. Dabei -lokalisierte sich die Zucht mehr und mehr auf bestimmte Gegenden. -War es zuerst Spanien, dann Italien gewesen, das die Kulturwelt mit -Kanarienvögeln versorgt hatte, so übernahm dieses Geschäft im 18. -Jahrhundert das tirolische Städtchen Imst, das von 1776 an einen regen -Handel damit nach den Kulturländern Mitteleuropas trieb. Im Jahre -1782 konnten beispielsweise von dort 1600 wertvolle Sänger allein -nach England exportiert werden, abgesehen von den zahlreichen andern, -die nach Deutschland, Rußland, Österreich und bis nach Konstantinopel -gingen. Erst im 19. Jahrhundert wurde diese blühende Zucht durch -diejenige im Harz verdrängt, die heute alle Welt mit ihren Zuchtvögeln -versorgt. Die besten Sänger kommen von Andreasberg und Zellerfeld, -die deren jährlich für etwa 280000 Mark exportieren. Dort werden in -fast allen Häusern als Nebenbeschäftigung Kanarienvögel gezüchtet und -zu Sängern ausgebildet, indem sie stets nur den Gesang der besten -Vorsänger zu hören bekommen. Alle minderwertigen oder fehlerhaften -Sänger werden außer Hörweite der jungen Zöglinge gehalten, so daß sie -deren Gesang nicht annehmen können, sondern sich ausschließlich an den -besten Vorbildern schulen. Ein guter Harzer Sänger ist mit dem dazu -gehörenden Weibchen nicht unter 80-120 Mark zu haben. - -Nach Tirol beteiligten sich auch die lange von den Spaniern -beherrschten Niederlande am Handel mit Kanarienvögeln, und bereits -gegen das Ende des 16. Jahrhunderts wurde dort eine besondere bunte -Rasse gezogen, deren Aufzucht später auch in gewissen Bezirken Englands -aufkam. Von diesen „bunten“ Kanarienvögeln, die heute noch von -Holland, Belgien und England in den Handel gelangen, gilt ein Paar -120-160 Mark. Unter ihnen gibt es auch verschiedene barocke Formen, -bei denen die auf Kopf, Brust und Schultern befindlichen Federn zu -allerlei krausen Gebilden umgeändert wurden. Zoologisch variiert der -Kanarienvogel sonst hauptsächlich in der Größe, wenig in der Farbe. Bei -ihm ist das ursprünglich vorwiegend gelbgrüne bis braune Federkleid -durch Entfärbung statt weiß hell- bis dunkelgelb geworden. Schon -Isidore Geoffroy St. Hilaire sprach es 1757 aus, daß der Flavismus, -wie er sich ausdrückt, den Leucismus der ursprünglich grünlichen Vögel -bilde. Daneben gibt es auch bei ihm gelegentlich einen Albinismus mit -weißen Federn und roten Augen. Solche weiße Kanarienvögel erwähnt schon -Adanson aus Frankreich ums Jahr 1750; aber die Züchter ziehen sie nicht -auf, weil sie für die Zucht zu schwächlich sind. Außerdem gibt es auch -pigmentreiche schwarze Formen. Doch ist viel fremdes Blut in unsere -Kanarienstämme gekommen, da sie seit geraumer Zeit mit Stieglitz, -Zeisig und andern Finken, in Italien besonders mit dem Hänfling -gekreuzt wurden. Dabei sind die Bastarde meist fruchtbar. Heute ist -der Kanarienvogel als geschätzter Sänger und dabei leicht zu haltender -Stubenvogel über die ganze zivilisierte Welt verbreitet. Schon 1870 war -er auf dem chinesischen und bald nachher auch auf dem japanischen Markt -zu haben, obschon von jenen Völkern gern auch nicht minder lieblich -singende einheimische Finken in engen Vogelbauern zur Unterhaltung -gehalten werden. - -Außer den Finken sind es besonders ~Drosseln~, welche gern vom -Menschen in Gefangenschaft gehalten werden. Da sie, statt wie jene -Körnerfresser zu sein, Kerbtierfresser sind, war ihre Erhaltung in -der Obhut des Menschen bedeutend schwieriger, so daß es kein Wunder -ist, daß bis heute keine einzige Drosselart zum eigentlichen Haustier -erhoben wurde. Gleichwohl sollen sie hier eine kurze Würdigung finden, -da sie nicht bloß häufige Gesellschafter des Menschen sind, sondern -auch als Leckerbissen für ihn eine gewisse Rolle spielen. In letzterer -Beziehung ist besonders die ~Wacholderdrossel~ oder der ~Krammets-~ -(zusammengezogen aus Kranewits-) ~Vogel~ (_Turdus pilaris_) wegen -ihres Fleisches sehr geschätzt. Sie hat ihren Namen von den Wacholder- -oder Krammetsbeeren, die sie wie die übrigen Drosseln gern frißt und -wovon ihr Fleisch einen würzigen Geschmack erhält. Sie ist ein echter -Waldvogel und nistet nicht bloß im höchsten Norden Europas und Asiens, -sondern auch in gemäßigteren Gegenden, wie Mitteleuropa. Den Winter -über zieht sie wie die übrigen Drosseln nach den Mittelmeerländern und -Nordafrika. Sie war es in erster Linie, welche die Römer unter dem -Drosselnamen turdus bezeichneten und gern aßen. So sagt der witzige -Spötter Martial (42-102 n. Chr.), der gern die Großen umschmeichelte, -um von ihnen zur Tafel geladen zu werden, in einem seiner Xenien, auf -Deutsch Gastgeschenke, d. h. Epigramme, die als Aufschriften zu den -an den Saturnalien verteilten Gastgeschenken gedacht waren: „Fette -Drosseln sind mir lieber als andere Leckerbissen.“ An einer anderen -Stelle meint er: „Ein Kranz von Drosseln gefällt mir besser als ein -aus Rosen und Narden geflochtener“, und fernerhin: „Unter den Vögeln -gebührt der Drossel, unter den vierfüßigen Tieren dem Hasen der Preis.“ -Auch der Feinschmecker Horaz (65-8 v. Chr.), der sich durch alle -„Rehrücken der Saison“ aß und das Genießen zur Kunst ausbildete, so -daß er sich selbst humorvoll als „ein fettes Schweinchen aus der Herde -Epikurs“ bezeichnet, meint in einer seiner Episteln: „Nichts ist besser -als die Drossel.“ Die frisch Gefangenen wurden für die Feinschmecker -noch besonders gemästet. So schreibt Plinius um die Mitte des 1. -Jahrhunderts n. Chr. in seiner Naturgeschichte: „Cornelius Nepos, -der unter dem Kaiser Augustus lebte, schrieb, man habe erst kürzlich -angefangen, Drosseln zu mästen. Dazu bemerkt er, nach seinem Geschmack -geben (junge) Störche ein besseres Gericht als Kraniche. In unserer -Zeit wird der Kranich als Leckerbissen geschätzt, den Storch aber will -niemand anrühren.“ - -Sein Zeitgenosse Columella berichtet: „Auf Drosseln verwendet man viel -Mühe und Geld. Sind sie frisch gefangen, so muß man zahme zu ihnen -tun, die ihnen Gesellschaft leisten, sie aufheitern und im Fressen und -Saufen mit gutem Beispiel vorangehen. In den Vogelhäusern, die sie -bewohnen, sind Sitzstangen für sie angebracht, jedoch nicht höher, als -daß man sie bequem erreichen kann. Das Futter wird, damit es reinlicher -bleibt, so gestellt, daß keine Stange darüber ist; es wird im Überfluß -gereicht und besteht aus einer Mischung von zerstampften Feigen mit -Mehl. Manche geben dieses Futter, nachdem sie es vorher gekaut haben. -Aber bei einer großen Zahl von Vögeln unterläßt man dies lieber; denn -Leute, die zum Kauen gemietet werden, verlangen zu hohen Tagelohn -und verschlucken auch von der süßen Speise zu viel. Viele geben den -Drosseln auch Samen und Beeren, die sie im Freien gern fressen. Das -Wasser wird wie bei Hühnern in Gefäßen hingestellt.“ - -In seinem Buche über die Landwirtschaft schreibt der gelehrte Varro -(116-27 v. Chr.) eingehend über die von den reichen Römern seiner -Zeit angelegten Vogelhäuser (_aviarium_ von _avis_, Vogel). Er -sagt darüber: „Unsere Vorfahren hatten vorzugsweise zwei Arten von -Vogelbehältern; am Erdboden befand sich der Hühnerhof, in welchem -Hühner gehalten wurden und Ertrag von Eiern und Küchlein gaben. In -der Höhe stand der Taubenschlag. Heutzutage nennt man einen Behälter -Ornithon (nach dem griechischen _órnis_ -- Stamm, _ornith_ -- Vogel), -und diese werden mitunter von Gutsbesitzern, die gern gute Bissen -verzehren, so angelegt, daß nur die für Pfauen und Drosseln (wohl -besonders Krammetsvögel) bestimmten größer sind, als ehemals die ganzen -Landhäuser. -- Lucullus hatte ein großes Vogelhaus, in das er einen -Speisesaal so hineinbaute, daß er während des Schmauses und während -gebratene Vögel aufgetragen wurden, auch die lebendigen herumfliegen -sah. - -Übrigens soll hier ein solches Vogelhaus beschrieben werden, das nicht -dazu bestimmt ist, in ihm Vögel zu verschmausen, sondern aus ihm Vögel -zum Verschmausen und zum Verkaufen zu nehmen. Man baut das Haus so -groß, daß einige tausend Drosseln und Amseln drin Platz haben, setzt -auch wohl andere Vögel hinein, die gut bezahlt werden, wie Ortolane -und Wachteln. Die Tür muß niedrig und schmal sein. Die Fenster sind -so angelegt, daß die Gefangenen nirgends Bäume oder freie Vögel sehen -können; denn ein solcher Anblick erregt in ihnen die Sehnsucht nach -Freiheit und macht sie mager. Es darf überhaupt ins ganze Vogelhaus -nur so viel Licht fallen, daß die Vögel ihren Sitz, ihr Futter und ihr -Wasser sehen können. Es ist ferner alles so einzurichten, daß weder -Mäuse noch andere gefährliche Tiere hinein können. Zum Sitzen sind -entweder überall an den Wänden Stäbe angebracht oder Stangen lehnen -schräg an die Wand und sind stufenweise mit Querstäben verbunden. Auf -dem Boden ist ferner ein Wasserbehälter aufgestellt. Die Fütterung -besteht vorzugsweise aus Kügelchen, die aus einem aus Feigen und Mehl -bereiteten Teig bestehen. An das beschriebene Haus ist ein kleines, -helles angebaut, in das man die Vögel treibt, die geschlachtet werden -sollen. Beim Schlachten selbst wird die Tür, durch welche die Vögel -hereinkommen, geschlossen; denn die noch lebenden dürfen es nicht -sehen.“ Auch Vogelhändler besaßen solche Vogelhäuser. So bemerkt -derselbe Autor: „Die Stadtmetzger haben eigene Vogelbehälter und mieten -auch welche auf dem Lande.“ Und fernerhin sagt er: „Aus dem Vogelhaus -einer Villa bei der Stadt Reate wurden einst in einem Jahre 5000 -Drosseln (Krammetsvögel) zu je 3 Denaren (= 1,80 Mark) genommen, so daß -dieses Vogelhaus allein mehr eintrug als manches schöne Landhaus.“ - -In seiner Naturgeschichte berichtet Plinius: „Vogelhäuser hat zuerst -der römische Ritter Marcus Laenius Strabo angelegt und alle möglichen -Vögel darin eingesperrt. Seitdem ist die Sitte, Tiere, denen die Natur -den freien Himmel angewiesen hat, in den Kerker zu sperren, allgemein -geworden. Der Schauspieler Äsopus ließ einmal eine Schüssel auftragen, -deren Inhalt auf 100000 Sesterzien (= 15000 Mark) geschätzt wurde; sie -war nämlich mit gebratenen Vögeln gefüllt, welche sich durch Gesang -oder durch Sprechen menschlicher Worte ausgezeichnet hatten und von -denen jeder 6000 Sesterzien (= 900 Mark) gekostet hatte. Äsopus hielt -es für ein großes Vergnügen, diese Tierchen zu essen, welche gleichsam -Menschen waren, weil sie sangen und sprachen, und bedachte nicht, daß -er erst durch Singen und Sprechen seine Reichtümer erworben hatte. -Über seinen Sohn durfte er sich wenigstens nicht beklagen; denn dieser -verschlang sogar Perlen (wie Kleopatra bei der Bewirtung des Antonius -in Essig aufgelöst)“. Dieser Äsop, der tragische Rollen ausgezeichnet -gut spielte und damit sein Vermögen gemacht hatte, war ein Zeitgenosse -und Freund Ciceros (106-43 v. Chr.). Trotz seiner Verschwendung -hinterließ er seinem Sohne ein ungeheures Vermögen, das dieser in -derselben Weise, wie sein Vater, durchbrachte. So berichtet Valerius -Maximus von ihm: „Der Sohn des Schauspielers Äsopus war ein toller -Verschwender; so kaufte er z. B. ausgezeichnet gut singende Vögel -zu ungeheuren Preisen und ließ sie für sich und seine Gäste braten. -Dazu gab er Getränke, worin sich die kostbarsten Perlen, in Essig -aufgelöst, befanden.“ Wie wir Papageien, so richteten die Römer Stare -und ausnahmsweise auch Drosseln zum Sprechen ab. So berichtet Plinius, -daß Agrippina, die Gemahlin des Kaisers Claudius (geb. 9 v. Chr. in -Lyon, ward 41 n. Chr. nach Caligulas Ermordung von den Prätorianern zum -Kaiser ausgerufen, wurde 54 durch seine zweite Gemahlin Agrippina mit -einem Schwammgericht vergiftet), eine zum Sprechen abgerichtete Drossel -besaß, was früherhin unerhört gewesen sei. Nebst solchen dressierten -Vögeln sah man nach Varro in Rom gelegentlich auch Papageien, weiße -Amseln und ähnliche Merkwürdigkeiten. Solche Drosselalbinos sollten -nach dem Bädecker des Altertums, Pausanias, im 2. Jahrhundert n. Chr. -auf dem Berge Kyllene im Peloponnes vorkommen. Nach dem älteren -Plinius soll eine weiße ~Nachtigall~ „eine große Seltenheit“ für 6000 -Sesterzien (= 900 Mark) verkauft worden sein, um sie der vorgenannten -Agrippina, zweiten Gemahlin des Kaisers Claudius, zum Geschenk zu -machen. Bei dieser Gelegenheit bemerkt er in seiner Naturgeschichte: -„Durch ihre Vorzüge (im Gesang) sind die Nachtigallen (_luscinia_) so -teuer wie Sklaven geworden, ja teurer als ehemals die Waffenträger -waren. Man hat oft welche gesehen, die auf Befehl sangen und, indem -sie miteinander abwechselten, ein Konzert gaben, so wie man auch -Menschen gehört hat, welche in ein aus Rohr gemachtes Querpfeifchen, -worin sich Wasser befand, durch ein Loch bliesen, und indem sie -die Zunge etwas vorhielten, den Gesang der Nachtigall täuschend -nachahmten. -- Während ich dies schreibe, besitzen die kaiserlichen -Prinzen einen Star und Nachtigallen, welche die griechische und -lateinische Sprache lernen, täglich gründlicher studieren und immer -etwas Neues und mehr Zusammenhängendes sprechen. Wenn sie lernen, sind -sie ganz abgeschieden und hören nur die Stimme dessen, der ihnen die -Worte vorsagt und ihnen dabei mit Leckerbissen schmeichelt.“ Älian -schreibt: „Charmis aus Massalia (dem heutigen Marseille) sagt, die -Nachtigall sei ruhmbegierig, singe in der Einsamkeit ganz einfach, in -der Gefangenschaft und vor Zuhörern aber kunstreich und schmelzende -Melodien wirbelnd.“ Dem fügt er später von sich aus hinzu: „Wenn eine -erwachsene Nachtigall gefangen und eingesperrt wird, so will sie weder -fressen noch singen; daher behalten die Liebhaber von den gefangenen -nur die jungen und lassen die älteren wieder frei.“ Von diesen Vögeln -sagt Oppian: „Die Natur hat den Nachtigallen einen wunderlieblichen -Gesang gegeben. Sie verpflegen auch diejenigen ihrer Jungen, welche -musikalisches Talent zeigen, aufs allerbeste, hacken dagegen die -stummen tot. Sie impfen auch ihren Jungen eine so große Liebe zur -Freiheit ein, daß sie in der Gefangenschaft nie einen Laut von sich -geben.“ Letzteres ist allerdings eine Behauptung, die nicht widerlegt -zu werden braucht und wohl auch im Altertum nur wenige Nachbeter hatte. - -Außer den vorhin erwähnten wurden auch andere Vögel im Rom der Cäsaren -zum Sprechen dressiert, so vor allem auch ~Raben~, ~Elstern~ und -~Eichelhäher~. So schreibt Plinius: „Die Elster ist weniger berühmt -als der Papagei, weil sie nicht ausländisch ist, spricht aber noch -ausdrucksvoller. Die Worte, welche sie spricht, hat sie ordentlich -lieb. Sie lernt nicht bloß, sondern lernt auch mit Freuden, und man -bemerkt, wie sie für sich mit Eifer, Anstrengung und Nachdenken -studiert. Es ist eine bekannte Sache, daß Elstern gestorben sind, -weil es ihnen unmöglich war, ein Wort auszusprechen. Sie vergessen -auch Worte, wenn sie dieselben nicht öfters hören, versinken dann in -Nachdenken und werden ganz entzückt, wenn sie währenddem das vergessene -Wort zufällig wieder hören. Sie haben eine ziemlich breite Zunge und so -alle Vögel, welche die menschliche Stimme nachahmen lernen, was jedoch -die meisten tun.“ - -Später fährt er fort: „Auch den Raben gebührt Ehre; denn wir werden -sogleich sehen, in welchem Grade sie sich die Gunst des römischen -Volkes zu erringen wußten. Unter der Herrschaft des Tiberius flog ein -junger Rabe aus einem Neste, das auf dem Kastortempel stand, in die -gegenüberliegende Werkstatt eines Schusters und wurde von diesem mit -Ehrfurcht aufgenommen. Hier lernte er bald sprechen, flog jeden Morgen -auf die Rednerbühne, wendete sich dem Markte zu und grüßte namentlich -den Kaiser Tiberius, dann den Germanicus und Drusus und bald darauf das -vorbeigehende Volk, worauf er in seine Schusterwerkstatt zurückkehrte. -So erntete er mehrere Jahre lang Bewunderung. Endlich schlug ihn der -zunächstwohnende Schuster tot, entweder aus Neid oder, wie er zum -Schein behauptete, aus Rachsucht, weil er ihm einen Klecks auf einen -Schuh gemacht hatte. Über die Ermordung seines Lieblings ward das Volk -so aufgebracht, daß es den Schuster erst wegjagte, dann sogar totschlug -und dem Vogel ein überaus feierliches Leichenbegängnis bereitete. Die -Bahre wurde von zwei Mohren getragen; ein Flötenspieler ging voraus -und Kränze aller Art wurden bis zum Scheiterhaufen getragen, welcher -rechts an der Appischen Straße errichtet war. Das Genie eines Vogels -schien also dem römischen Volke ein hinlänglicher Grund zu einem -feierlichen Leichenbegängnis und zur Ermordung eines römischen Bürgers -in derselben Stadt, in der kein Mensch dem Begräbnis der vornehmsten -Leute beigewohnt hatte und niemand den Tod des Scipio Ämilianus, der -Karthago und Numantia zerstört, gerächt hatte. Dies geschah unter dem -Konsulat des Marcus Servilius und Gajus Cestius am 28. März. Auch -während ich dies schreibe, besitzt ein römischer Ritter in Rom eine -Krähe aus Baetica (Südspanien), die sich durch dunkelschwarze Farbe -auszeichnet, mehrere zusammenhängende Worte ausspricht und immer neue -dazu lernt. Neuerdings hat man auch vom Kraterus Monoceros gesprochen, -der in der ericenischen Gegend Asiens mit Hilfe der Kolkraben jagt. Er -trägt sie in den Wald, dort suchen sie und jagen das Wild, und weil -es oft geschieht, so schließen sich selbst wilde Raben der Jagd an. -Einige Schriftsteller erwähnen auch, daß ein Rabe bei großem Durste -Steine in ein tiefes Gefäß warf, worin sich Regenwasser befand, das er -sonst nicht hätte erreichen können, und es dadurch so weit in die Höhe -trieb, daß er sich satttrinken konnte.“ - -Von einem Eichelhäher berichtet der griechische Geschichtschreiber -Plutarch folgendes: „Viele Römer und Griechen sind Zeugen folgenden -Vorfalls: Auf dem sogenannten Griechischen Markt in Rom wohnte -ein Barbier, der einen Eichelhäher besaß, welcher mit wunderbarer -Geschicklichkeit die Stimme der Menschen, der Tiere und die Töne der -Instrumente, und zwar ganz aus freiem Antrieb, nachahmte. Einst wurde -ein reicher Mann begraben. Der Leichenzug ging mit Trompetenschall über -den Griechischen Markt. Die Trompeten bliesen ganz vorzüglich schön -und verweilten ziemlich lange auf dem Platze. Von diesem Augenblick an -war der Häher plötzlich still und stumm. Man faßte den Argwohn, der -Vogel sei von einem andern Barbier, der auf ihn neidisch war, behext -worden. Andere meinten jedoch, der Trompetenschall sei dem Tiere zu -stark gewesen; daher sei es von jener Zeit an verblüfft. Alle diese -Vermutungen waren aber falsch. Der Vogel studierte in aller Stille -für sich, übte in Gedanken die Trompetenmusik ein und ließ sie dann -plötzlich in ihrer Vollkommenheit hören.“ - -Sonst galten schon im Altertum die ~Papageien~ als die besten Nachahmer -der menschlichen Sprache. So schreibt der Grieche Älian: „In Indien -gibt es sehr viele Papageien (_psittakós_), aber kein Inder ißt einen -solchen Vogel; denn die Brahmanen halten ihn für den heiligsten, weil -er die menschliche Sprache am geschicktesten nachahmt.“ Aristoteles -und Plinius berichten, der Papagei stamme aus Indien und ahme die -menschliche Stimme nach. Letzterer fügt hinzu, er werde durch den Genuß -von Wein lustig und führe ordentliche Gespräche. „Er begrüßt den Kaiser -und spricht die Worte nach, die er hört. Sein Kopf ist so hart wie -sein Schnabel. Soll er sprechen lernen, so schlägt man ihm mit einem -eisernen Stäbchen auf den Kopf, weil er sonst die Schläge nicht spürt.“ -Wir haben noch ein nettes Gedicht auf den Tod eines Papageien von Ovid -und ein ähnliches von Statius. - -Was für Papageien dies waren, wird sich wohl nicht so leicht -feststellen lassen. Jedenfalls kannten weder die Ägypter, noch -Babylonier, noch die älteren Griechen irgend welche Papageien. Erst -auf dem Zuge Alexanders des Großen nach Indien lernten letztere diesen -Vogel als gezähmten Hausgenossen des Menschen kennen und brachten -die ersten solchen nach Griechenland mit. Aber erst in der römischen -Kaiserzeit wurden diese Vögel etwas häufiger von Indien her importiert. -Doch hat schon der strenge Zensor Marcus Porcius Cato (234 bis 149 v. -Chr.) sich darüber beklagt, daß sogar römische Männer mit diesen Tieren -in der Öffentlichkeit erschienen. „O unglückliches Rom“, rief er aus, -„in welche Zeiten sind wir verfallen, da die Weiber Hunde auf ihrem -Schoße ernähren und die Männer Papageien auf der Hand tragen!“ Man -setzte sie ihrer Kostbarkeit entsprechend in silberne und elfenbeinerne -Käfige und ließ sie von besonderen Lehrern unterrichten, die ihnen -vor allem das Wort „Cäsar“ beizubringen hatten. Der Preis eines -sprechenden Sittichs überstieg oft den Wert eines Sklaven. Der halb -verrückte Kaiser Heliogabalus glaubte seinen Gästen nichts Köstlicheres -vorsetzen zu können als Papageiköpfe. Was diese bei der Kostbarkeit -der seltenen Vögel gekostet haben werden, das kann man sich leicht -ausmalen. Um die Zeit der Kreuzzüge kamen dann aus dem Morgenlande -auch Papageien nach Mitteleuropa, um in den Käfigen reicher Adeliger -und Städter zur Kurzweil gehalten und gelegentlich auch zum Sprechen -abgerichtet zu werden. Erst im 15. Jahrhundert kam mit den Fahrten der -Portugiesen nach Westafrika der von der Goldküste bis nach Benguela -heimische ~Graupapagei~ (_Psittacus erithacus_), der gelehrigste -aller Papageien, direkt nach Europa. Hier bewohnt der aschgraue Vogel -mit scharlachrotem Schwanz, dessen Verbreitungsgebiet mit demjenigen -der Ölpalme zusammenfällt, in Scharen die Wälder und wird überall -von den Eingeborenen gefangen, gezähmt und zum Sprechen abgerichtet, -auch als Tauschgegenstand oder Handelsware verwertet. Er ist einer -der beliebtesten aller Stubenvögel und verdient die Gunst, die er -genießt; denn er besitzt Sanftmut, Gelehrigkeit und Anhänglichkeit -an seinen Herrn, die Bewunderung erregen. Sein Ruhm wird sozusagen -in allen Sprachen verkündet, von ihm ist in zahlreichen Schulbüchern -und in allen Naturgeschichten manches Interessante zu lesen. Schon -Levaillant erzählt ausführlich von einem dieser Papageien, der in der -Gefangenschaft eines Kaufmanns in Amsterdam lebte, und rühmt die guten -Eigenschaften des Vogels. Er schreibt: „Karl, so hieß dieser Papagei, -sprach fast so gut wie Cicero; denn ich würde einen ganzen Band mit -den schönen Redensarten anfüllen können, die er hören ließ und die er -mir, ohne eine Silbe zu vergessen, wiederholte. Dem Befehle gehorsam, -brachte er die Nachtmütze und die Pantoffeln seines Herrn und rief -die Magd herbei, wenn man sie im Zimmer brauchte. Sein bevorzugter -Aufenthalt war der Kaufladen, und hier erwies er sich nützlich; denn er -schrie, wenn in Abwesenheit seines Herrn ein Fremder eintrat, so lange, -bis jemand herbeikam. Er hatte ein vortreffliches Gedächtnis und lernte -ganze Sätze und Redensarten des Holländischen vollkommen genau. Erst im -60. Jahre seiner Gefangenschaft wurde sein Gedächtnis schwach und er -vergaß täglich einen Teil von dem, was er schon konnte. Er wiederholte -nie mehr als die Hälfte einer Redensart, indem er selbst die Worte -versetzte oder die eines Satzes mit denen eines andern mischte.“ - -Vielleicht der ausgezeichnetste aller Graupapageien lebte jahrelang -in Wien und Salzburg und starb nach dem Tode seines letzten Herrn aus -Sehnsucht nach ihm. Wer über die hohe Intelligenz und das verblüffende -Sprachverständnis dieses Jako genannten Vogels Näheres zu erfahren -wünscht, der lese den betreffenden Abschnitt in Brehms Tierleben -nach. Er wird dort noch weitere solche, für ein Tier ganz unglaublich -klingende Geschichten finden, die von durchaus glaubwürdigen Autoren -berichtet werden. - -In den feuchten Niederungen des Amazonenstroms und seiner Zuflüsse -werden die größten Vertreter der dort vorzugsweise heimischen -Keilschwanzsittiche, die prächtig buntgefärbten ~Araras~, von den -Indianern in und um ihre Hütten gezähmt gehalten. Es geschah dies -schon lange vor der Ankunft der Weißen in diesem Lande. Schomburgk -berichtet, daß die Indianer noch heutigentags die Papageien frei -fliegen lassen, ohne ihnen die Flügel zu stutzen. „Ich sah mehrere“, -schreibt er, „die sich des Morgens unter die Flüge der wilden mischten, -die über das Dorf hinwegflogen und bei der Rückkehr am Abend sich -wieder auf die Hütte ihres Herrn niederließen.“ Nach diesem Autor -gehören zu den indianischen Niederlassungen im Walde die Papageien, -wie zu unsern Bauernhöfen die Hühner. „Auffallend ist die Zuneigung -der zahmen Papageien und Affen gegen Kinder. Ich habe selten einen -Kreis spielender Indianerkinder bemerkt, dem sich nicht auch Affen und -Papageien beigesellt gehabt hätten. Diese lernen bald alle Stimmen -ihrer Umgebung nachahmen, das Krähen der Hähne, das Bellen der Hunde, -das Weinen und Lachen der Kinder usw.“ Manche lernen sogar die -Indianersprache sprechen und bringen es darin zu großer Vollkommenheit. -Bekannt ist die Geschichte jenes sprechenden Papageis in einer der -Niederlassungen an einem Zuflusse des Orinoko, von dem Alexander -von Humboldt berichtet. Er war alt und sprach die Sprache eines -ausgestorbenen Indianerstamms, so daß ihn niemand mehr verstand. In -der Tat ein rührendes Bild der Vergänglichkeit alles Irdischen! - -Von allen Papageien ist nur der ~Wellensittich~ (_Melopsittacus -undulatus_) zum eigentlichen Haustier des Menschen geworden, indem er -sich seit 57 Jahren in der Gefangenschaft des Menschen ohne großen -Nachschub aus seiner Heimat enorm vermehrt hat und hier bereits -bedeutende Farbenvarietäten zeigt. Bald wiegen die gelben, bald die -grünen, bald die blauen Farbentöne seines ursprünglich sehr gemischten, -allerdings vorwiegend grüngelben Farbenkleides vor, ja es gibt nach -Ed. Hahn schon welche, bei denen das ihnen ursprünglich fremde Weiß -eine ziemliche Rolle spielt und die selbst rote Augen haben, also -eigentliche Albinos sind. Erst im Jahre 1794 lernte man in Europa -diesen kleinen Papagei kennen, der in großen Scharen die mit Gras -bewachsenen Ebenen von Inneraustralien bewohnt und sich hier von -den Samen der Gräser ernährt. Als der Ornithologe Gould zu Anfang -Dezember die Ebene des Innern Australiens besuchte, sah er sich von -Wellensittichen umgeben und beschloß längere Zeit an derselben Stelle -zu verweilen, um ihre Sitten und Gewohnheiten zu beobachten. Sie -erschienen in Flügen von 20 bis 100 Stück in der Nähe einer kleinen -Wasserlache, um zu trinken, und flogen von hier zu regelmäßigen Zeiten -nach den Ebenen hinaus, um dort die Grassämereien, ihre ausschließliche -Nahrung, aufzunehmen. Am häufigsten kamen sie frühmorgens und abends -vor dem Dunkelwerden zum Wasser. Während der größten Tageshitze saßen -sie bewegungslos unter den Blättern der Gummibäume, deren Höhlungen -damals von brütenden Paaren bewohnt wurden. Solange sie ruhig auf den -Bäumen saßen, waren sie schwer zu entdecken; erst wenn sie zur Tränke -fliegen wollten, sammelten sie sich in Scharen und setzten sich auf die -abgestorbenen oder zum Wasser niederhängenden Zweige der Gummibäume. -Ihre Bewegungen sind wundervoll, ihr Flug ist gerade und falkenartig -schnell, den andern Papageien kaum ähnelnd, der Gang auf dem Boden -verhältnismäßig gut, ihr Klettern im Gezweige wenigstens nicht -ungeschickt. Im Fluge lassen sie eine kreischende Stimme vernehmen. -Im Sitzen unterhalten sich die sehr geselligen Vögel mit kosendem -Gezwitscher. Wenn sie abends zur Tränke eilen, werden sie in Menge in -großen Beutelnetzen gefangen, in rohe Kistenkäfige gesperrt und so -den Händlern übermittelt. Aufmerksamere Vogelhändler setzen sie zur -Weiterbeförderung in Australien gesellschaftsweise in kleine Käfige, -deren Sitzstangen wie Treppenstufen hinter- und übereinander liegen, -damit auf möglichst wenig Raum die größtmöglichste Zahl von Vögeln -Platz finden kann. - -Der Wellensittich gehört in der Gefangenschaft nicht zu denjenigen -Papageien, die aus Trauer über den Verlust ihres Gefährten oft -dahinwelken und sterben, verlangt aber Gesellschaft, und zwar natürlich -am liebsten die des entgegengesetzten Geschlechts seiner eigenen Art. -Im Notfall findet er auch in einem verschiedenartigen kleinen Papagei -einen Ersatz. Niemals aber behandelt er einen andersartigen Vogel mit -jener liebenswürdigen Zärtlichkeit, welche er gegen seinesgleichen an -den Tag legt. Es ist deshalb notwendig, ihn immer paarweise zu halten; -erst dann gibt er seine ganze Liebenswürdigkeit, die ihm sofort die -Gunst des Menschen erwarb, kund. Er ist äußerst genügsam im Futter -und nimmt in Ermangelung der Grassamen seiner australischen Heimat -mit Hirse, Kanariensamen und Hanf vorlieb; daneben frißt er gern -grüne Pflanzenblätter, verschmäht zunächst Früchte, läßt sich aber -mit der Zeit auch daran gewöhnen. Er wird mit seiner sanften Stimme -dem Menschen niemals lästig wie andere Papageien, die einem mit ihrem -nicht unterdrückbaren Bedürfnis nach Gekreisch oft genug zur Last -fallen und auf die Nerven gehen. Er unterhält mit seinem plaudernden -Gezwitscher, lernt auch ein Liedchen und in einzelnen Fällen sogar -Worte nachsprechen. - -Paarweise gehaltene Wellensittiche, denen man Nistgelegenheit in -einem hohlen Stamm verschafft, schreiten auch in der Gefangenschaft -fast ausnahmslos zur Fortpflanzung. Das Männchen ist das Muster von -einem Gatten, das sich ausschließlich mit seinem erwählten und nie -mit andern Weibchen abgibt, die etwa zugleich in demselben Raume sein -mögen. Gleicherweise ist das Weibchen das Muster einer Mutter; es baut -ausschließlich das Nest aus, bebrütet darin seine 4-8 weißen Eichen, -die es in Zwischenräumen von zwei Tagen legt, eifrig während 16-20 -Tagen und atzt die Jungen, die etwa 30-35 Tage im Neste verweilen und -letzteres erst dann verlassen, wenn sie ganz befiedert sind. Derweil -wird das Weibchen vom Männchen gefüttert, das ihm zugleich, auf einem -Zweige vor der Öffnung des Nestes sitzend, seine schönsten Lieder -vorsingt. Wenn die erste Brut selbständig geworden ist, schreitet das -Pärchen alsbald zur zweiten, ja zur dritten und selbst zur vierten vor. -Ums Jahr 1848 wurde er durch die Beschreibung des Ornithologen Gould -in seinem Buche _Birds of Australia_ in weiteren Kreisen bekannt und -scheint bald nach England gekommen zu sein. 1854 pflanzte er sich nach -Delon in England und Frankreich in Käfigen fort und wurde seit 1855 -auch in Berlin gezogen. Damals nannten ihn die Händler nach seinem -lateinischen Artnamen den „Undulatus“. Als aber die spanische Tänzerin -Pepita von sich reden machte und geradezu einen Begeisterungstaumel -hervorrief, hielten es die Händler für vorteilhaft, von ihm als -„Andalusier“ zu reden, eine Bezeichnung, die sich allerdings, weil -vollkommen unberechtigt, bald wieder verlor. Eine Zeitlang schien es, -als sei ihm neben dem Kanarienvogel eine größere Rolle als Stubenvogel -bestimmt; doch ist er neuerdings gegenüber dem letztgenannten mehr -und mehr in den Hintergrund getreten. Auch nach Neuseeland wurde er -eingeführt und verwilderte dort, wie gelegentlich auch bei uns. - -Neben den Wellensittichen gehören die ebenfalls Australien, daneben -auch Ozeanien bewohnenden ~Kakadus~ zu den liebenswürdigsten Papageien, -die sich gern und innig mit dem Menschen befreunden und dankbar -seine Liebe erwidern. Ihre geistige Begabung ist außerordentlich -entwickelt und ihre Neugier ebenso groß wie ihr Gedächtnis, so daß sie -empfangene Beleidigungen schwer oder gar nicht vergessen. In bezug -auf Gelehrigkeit wetteifern sie mit den begabtesten aller Papageien, -den Jakos oder westafrikanischen Graupapageien, lernen bald mit -Fertigkeit verschiedene Worte sagen und in sinngebender Weise verbinden -und lassen sich zu allerlei Kunststücken abrichten. Ihre natürliche -Stimme ist ein abscheuliches Kreischen, mit dem sie in ihrer Heimat -von den Kronen hoher Bäume, ihrem Nachtquartier, die aufsteigende -Sonne begrüßen. Dann fliegen sie zu ihren Futterplätzen, um Früchte -und Sämereien zu naschen. Auch sie leben gesellig in großen Scharen -und nisten in Baumhöhlen. Des Schadens wegen, den sie den menschlichen -Kulturen verursachen, werden sie in ihrer Heimat eifrig verfolgt und -zu Hunderten erlegt und ihr Fleisch, weil ziemlich wohlschmeckend, -gegessen. Namentlich wird die aus ihnen bereitete Suppe sehr gerühmt. -Sie lassen sich leicht fangen und dauern auch in Europa in der -Gefangenschaft viele Jahre lang aus. Man kennt Beispiele, daß ein -Exemplar dieser Vogelart länger als 70 Jahre im Käfig lebte. Ihre -Erhaltung erfordert wenig Mühe; denn sie gewöhnen sich nach und nach an -alles, was der Mensch ißt. - -Als eigentlicher Schädling für die Schafzucht hat sich der in -Neuseeland heimische, ziemlich große, olivengrüne ~Gebirgspapagei~ -(_Nestor notabllis_), der ~Kea~ der Eingeborenen, erwiesen. Der -in einem zwischen 1500 und 2000 _m_ Höhe gelegenen Gürtel lebende -Vogel hat sich angewöhnt, sich in den wolligen Rücken der Schafe -einzukrallen und mit seinem scharfen Hakenschnabel ganze Löcher darein -zu bohren, um sich so Fleisch, das ihm sehr zu schmecken scheint, zu -verschaffen. Viele dieser dummen Vierfüßler, die sich der Angriffe -dieser frechen Burschen nicht zu erwehren vermochten, gingen infolge -davon ein, so daß die Ansiedler diese lästigen Quälgeister ihrer -Herden eifrig zu verfolgen und abzuschießen begannen. Jetzt haben sie -sich gewöhnt, ihre gemeinschaftlichen Raubzüge nachts zu machen und -müssen sich vielfach mit dem Abfall geschlachteter Schafe oder mit Aas -begnügen. - - - - -XIX. Kormoran und Strauß. - - -Der Kormoran ist als Haustier ausschließlich eine Errungenschaft der -chinesischen Kultur. Die Betriebsamkeit und die Geduld dieses alten -Kulturvolkes hat damit einen Vogel zum nützlichen Gehilfen des Menschen -gemacht, der bei uns als gefährlicher Konkurrent von jeher eifrig -verfolgt wird und im wesentlichen in Mitteleuropa auf dem Aussterbeetat -steht. Freilich wären auch unsere durch die gedankenloseste -Raubwirtschaft und die Verunreinigung der Flüsse durch die giftigen -Abwässer der chemischen Fabriken an Fischen verarmten Gewässer kein -günstiges Gebiet für die Tätigkeit dieses ausgezeichneten Fischfängers, -der sich uns bisher nur als Fischräuber verhaßt gemacht hat. - -Der ~Kormoran~ (_Phalacrocorax carbo_), auch Baumscharbe oder -Wasserrabe genannt, ist ein sehr gefräßiger und deshalb vom Menschen -überaus gehaßter Fischräuber. Vom mittleren Europa an trifft man ihn in -ganz Mittelasien und Nordamerika, von hier aus bis Westindien, von dort -aus bis Südasien wandernd. Er bewohnt je nach Gelegenheit die kahle -Meeresküste und die bewaldeten Ufer der Binnengewässer; dabei scheut er -sich gar nicht, in unmittelbarer Nähe von Ortschaften, ja gelegentlich -in diesen selbst, z. B. auf Kirchtürmen, sich anzusiedeln. Er liebt -die Geselligkeit und hält sich deshalb in größeren oder kleineren -Scharen mit seinen Artgenossen zusammen, nistet auch gewöhnlich in -größeren Gesellschaften auf Bäumen, hohen Felsen, in Gebüschen oder -im Schilf. Dabei kehren die Vögel mit großer Zähigkeit zu ihren alten -Brutplätzen zurück, so lange sie nicht gewaltsam davon vertrieben -werden. Gern nimmt der Kormoran von den verlassenen Nestern anderer -Vögel, so besonders von Reiher- und Krähennestern, Besitz, um so -mühelos die erste Unterlage für sein eigenes Nest zu erhalten, das aus -Pfanzenstoffen errichtet und inwendig immer naß und sehr schmutzig -ist. Zweimal im Jahre werden 3-4 Junge aus den grünlichweißen Eiern -ausgebrütet und großgezogen. - -[Illustration: - - Tafel 53. - - (_Copyright by M. Koch, Berlin._) - -Kormorane auf einem Felsen bei Monterey in Kalifornien.] - -[Illustration: - - Tafel 54. - -Eingefahrener Strauß auf Karl Hagenbecks Straußenfarm in Stellingen.] - -Der Kormoran ist 81 _cm_ lang und der Hauptsache nach glänzend -grünschwarz gefärbt, an Rücken und Flügeln kupferbraun, die Backen -weiß, Schnabel und Füße schwarz. Er schweift außer der Brutzeit gern -umher, ist auf dem Lande sehr schwerfällig, fliegt auch nicht besonders -gut, zeigt sich aber im Wasser äußerst beweglich und flink. Mit -geräuschlosem Ruck taucht er in bedeutende Tiefen und kann wenigstens -zwei Minuten unter Wasser bleiben, wobei er mehr oder weniger tief -hunderte von Metern zurückzulegen vermag. Pfeilschnell schießt er auf -der Jagd nach Fischen mit weitausholenden Flügelschlägen so gewandt -unter Wasser dahin, daß ihm auch der flinkste Schuppenträger nicht -zu entgehen vermag. Aus einer Tiefe von 40 _m_ holt er Schollen vom -Meeresgrunde herauf, und Fische bis zu 7 _cm_ Breite und 30 _cm_ Länge, -Aale, die er besonders liebt, selbst wenn sie 60 _cm_ lang sind, -verschlingt er mit Leichtigkeit. - -Der vorsichtige, am Brutplatze zwar minder scheue Vogel, entzieht sich -jeder nahenden Gefahr. Kann er nicht tauchen, so erhebt er sich über -Schußweite in die Luft. Am liebsten aber verschwindet er bei Verfolgung -im Wasser, streckt, um rasch zu atmen, nur Kopf und Hals etwas über die -Oberfläche und verschwindet alsbald wieder in der Tiefe, wo er sich -geborgen fühlt, bis die Gefahr verschwunden ist. Gegen andere Vögel ist -er heimtückisch und sucht gern ihre Nester auszurauben oder gar die -alten Vögel wegzuschnappen. So sah man im früheren Zoologischen Garten -in Wien die Kormorane sich der Länge nach aufs Wasser legen und die -hart am Wasserspiegel auf Insekten jagenden Schwalben mit beispielloser -Gewandtheit wegfangen, ohne jemals fehlzugreifen. - -Während der Morgenstunden fischen sie mit regem Eifer; nachmittags -pflegen sie der Ruhe und der Verdauung. Gegen Abend unternehmen sie -nochmals einen Fischzug und gegen Sonnenuntergang gehen sie schlafen. -Dabei wählen sie im Binnenlande zur Nachtruhe hohe Bäume, an der -Meeresküste dagegen hohe felsige Inseln, die ihnen Umschau nach allen -Seiten gewähren. Von ihnen bewohnte Inseln erkennt man schon von -weitem an dem weißen Kotüberzug, mit dem die Vögel sie bedeckt haben, -und sie würden schließlich auch bei uns zu Guanolagern werden, hätten -wir in unsern Breiten weniger Regen und die tropische Sonne, die den -Vogeldünger unter dem Himmel Perus rasch trocknet. Bei ihrer ungemeinen -Gefräßigkeit und raschen Verdauung ist der Kot sehr ausgiebig. Sie -fressen solange sie können und stürzen selbst mit gefülltem Magen auf -eine Beute, wenn sie ihnen gerade vor die Augen kommt. Weil sie bei -solchen Eigenschaften der Fischerei sehr bedeutenden Schaden zufügen, -können sie in Ländern, in denen der Mensch zur Herrschaft gelangte, -nicht geduldet werden. Sie werden deshalb überall in zivilisierten -Ländern als gefährliche Fischräuber verfolgt. Nur vorübergehend -sind einzelne Exemplare der Gattung im 17. Jahrhundert an den Höfen -Englands und Frankreichs zum Erbeuten von Fischen zahm gehalten worden, -wie für die Reiherbeize Falken gehalten wurden. Dazu benutzte man -jedenfalls jung aus dem Nest genommene Tiere; und zwar gaben vielleicht -Jesuitenmissionare, die in China solche Verwendung kennen gelernt -hatten, Veranlassung zu solchem Sporte, da diese gezähmten Kormorane -ausdrücklich als aus dem katholischen Flandern bezogen erwähnt -werden. So berichtet Pennant, daß König Karl I. von England, der von -1625-1649 regierte, einen Mr. Wood als _master of the corvorants_ -hielt. Dieser habe die Kormorane so gezähmt, daß er sie ganz wie -Falken habe gebrauchen können. Um 1628 sah dann Puteus als Sekretär -des Kardinals Barberini in Fontainebleau am Hofe Ludwigs XIII. solche -Tiere, die vom König von England als Geschenk an seinen Schwager dahin -gelangt waren. Jedenfalls ist die Verwendung des Kormorans in Europa -damals ganz vereinzelt geblieben und haben sich die Vögel nicht in der -Gefangenschaft fortgepflanzt, sind also nicht zu Haustieren geworden, -wie dies seit alter Zeit in China der Fall ist. - -Über die Kormoranzucht der Chinesen hat uns der französische Missionar -Armand David 1875 eingehend berichtet. Dort ist dieser Vogel -vollständig Haustier geworden und pflanzt sich in der Gefangenschaft -regelmäßig fort; doch läßt man gewöhnlich die von den Weibchen gelegten -Eier durch Hühner ausbrüten. Die Jungen werden schon beizeiten mit -auf das Wasser genommen und sorgsam unterrichtet, so daß sie bald auf -den Befehl ihres Herrn ins Wasser tauchen, um die erhaschte Beute -nach oben zu bringen und sie ins Boot zu apportieren. Ein um den Hals -gelegter lederner Ring verhindert den Kormoran am Hinunterschlingen des -erbeuteten Fisches. So schwimmt er auf das Boot seines Herrn zu, wo ihm -seine Beute sofort abgenommen wird. Zur Belohnung wird ihm nach Abnahme -des Halsrings etwas Bohnenteig als das übliche Futter verabreicht. -Hierauf läßt man den Vogel am Rande des Bootes kurze Zeit ruhen und -schickt ihn dann wieder an die Arbeit. Lässige Vögel werden bestraft, -wie fleißige am Schlusse des Fischens einen Fisch zum Fressen erhalten. -Wie groß muß noch der Reichtum der chinesischen Gewässer an Fischen -sein, daß sich ein solches Verfahren so gut rentiert, daß ein gezähmter -Kormoran den für chinesische Verhältnisse sehr hohen Preis von 12000 -Käsch (= 30 Mark) einträgt. Übrigens haben die Japaner den Chinesen -den Fischfang mit Kormoranen abgeguckt und wenden ihn gelegentlich -ebenfalls in ihren fischreichen Gewässern an. Da der treffliche -Vogelkenner Naumann mit gutem Grund den Kormoran als schwer zu zähmen -und bissig bezeichnet, ist die große Geduld und Ausdauer der Chinesen -bei der Gewinnung dieses Haustiers doppelt anzuerkennen. Für uns aber -sind die Zeiten endgültig vorbei, da ein solcher Gehilfe des Menschen -existenzberechtigt wäre; denn wie lange müßte der arme Geselle in den -meisten unserer Gewässer tauchen, bis er endlich ein paar Gründlinge -oder Weißfische aufgetrieben hätte! - -Dagegen hat die Kulturmenschheit noch in elfter Stunde einen anderen -Vogel zu zähmen verstanden, der an zahlreichen Orten seines einstigen -Verbreitungsgebietes bereits ausgerottet ist und nur noch in einigen -Steppen Südafrikas häufiger angetroffen wird. Es ist dies der -afrikanische ~Strauß~ (_Struthio camelus_), der einst auch die Steppen -Westasiens wie sämtliche des schwarzen Erdteils bewohnte. So sah -Xenophon in der vorderasiatischen Steppe wilde Strauße, die von den -sie verfolgenden Reitern nicht eingeholt zu werden vermochten, und -Diodoros Siculus berichtet von Straußen in Arabien, die mit solcher -Gewalt Steine mit ihren Füßen gegen ihre Verfolger schleudern, daß -letztere oft schwer getroffen werden. Damit meint er die bei ihrem -schnellen Laufe unabsichtlich nach hinten fliegenden Steine. Wie dieser -schreibt auch der ältere Plinius, er sei so dumm, daß er sich geborgen -glaube, wenn er nur den Kopf in einen Busch gesteckt habe. Man suche -seine Eier als etwas Kostbares auf und gebrauche die Schale derselben -wegen ihrer Größe zu Gefäßen. Mit den Federn der Strauße verziere man -die Helme. Älian sagt: „Der Strauß legt viele Eier, bebrütet aber nur -die fruchtbaren, legt dagegen die unfruchtbaren gleich auf die Seite -und setzt sie später den ausgekrochenen Jungen als Futter hin.“ Aus -Libyen und Mauretanien, also Nordafrika, das schon längst keine Strauße -mehr besitzt, kamen diese Tiere auch zu den Zirkusspielen nach Rom. -So ließ Kaiser Gordianus nach Julius Capitolinus bei den Jagdspielen -nebst vielen anderen Tieren auch 300 mit Mennige rot gefärbte Strauße -auftreten, die ausdrücklich als aus Mauretanien stammend bezeichnet -werden. Bei den Jagdspielen, die Kaiser Probus in Rom gab, erschienen -unter anderen wilden Tieren gar 1000 Strauße „und wurden dem Volke -preisgegeben.“ Und Älius Lampridius berichtet von Kaiser Heliogabalus, -daß er einmal bei einem Schmause die Köpfe von 600 Straußen auftragen -ließ, deren Gehirn verzehrt werden sollte. „Mehrmals gab er auch bei -Gastereien Straußen- und Kamelbraten und behauptete, den Juden sei -vorgeschrieben, solche Braten zu verzehren.“ Wenn damals der Strauß in -solcher Menge gefangen und nach Rom gebracht wurde, ist es kein Wunder, -daß diese Tiere mit der Zeit dann gänzlich aus Nordafrika verschwanden. - -Gewöhnlich lebt der Strauß in Gesellschaften von 10-20 Stück, in -Südafrika gern mit Antilopen-, besonders Gnu- und Hartebeestherden -vergesellschaftet. Mit hocherhobenem Kopf vermag er mit seinen -außerordentlich scharfsichtigen Augen überaus weit zu sehen und ist -so ein willkommener Warner für die wohl mit gutem Geruch, aber nur -mit mäßig scharfen Augen begabten Antilopen. Er liebt das Wasser und -sucht es zum Trinken und Baden gern auf. Wenn es sein muß, kann er -dasselbe aber auch lange entbehren, macht auch keine weiten Wege, um -es aufzusuchen. Außer Kraut, Früchten und Sämereien aller Art frißt er -gelegentlich auch kleine Tiere, schlingt auch Steine, die zum Zerreiben -der harten Pflanzennahrung im kräftigen Muskelmagen dienen sollen, -hinunter. - -Während junge Strauße schweigsam sind, stoßen die alten Männchen meist -am frühen Morgen ein Gebrüll aus, kämpfen zur Fortpflanzungszeit auch -mit Schnabel und Füßen miteinander, um eine Anzahl Weibchen für sich -zu gewinnen. Durch allerlei tanzende Balzbewegungen vermag jedes meist -drei bis vier Weibchen an sich zu fesseln. Diese legen nun ihre Eier -in ein einziges, nur aus einer vom Männchen in den Sandboden gewühlten -Mulde bestehendes Nest, das oft 20 Eier enthält und von anderen, -nicht zum Ausbrüten, sondern als Nahrung für die ausgeschlüpften -Jungen dienenden Eiern umgeben zu sein scheint. Die dickschaligen, -glatten, mit Poren zum Atmen für die Jungen versehenen gelblichweißen -Eier werden fast ausschließlich vom Männchen bebrütet, das während -der ganzen Nacht daraufsitzt und auch während des Tages sie nur zur -Nahrungsaufnahme für kurze Zeit verläßt. Nur in ganz heißen Gegenden -überläßt es sie während des Tages, mit Sand bedeckt, sich selbst. Nach -etwa 50 Tagen entschlüpfen ihnen die Jungen, die alsbald vom sorgsam -um sie bemühten Vater in Obhut genommen und gefüttert werden. Sie -sind zunächst von stachelartigen Horngebilden umgeben, die nach zwei -Monaten dem grauen Federkleide Platz machen, das bei den Weibchen nur -wenig verändert das ganze Leben hindurch bestehen bleibt, während bei -den Männchen vom zweiten Jahre an alle kleinen Federn des Rumpfes -kohlschwarz, die langen Flügel- und Schwanzfedern aber blendend weiß -werden. Diese gekräuselten Federn sind ein sehr beliebter Schmuck schon -der unkultivierten Wilden, ganz besonders aber des danach lüsternen -Kulturmenschen. - -Das hauptsächlichste Ziel der Jagd des Straußes sind diese Federn, die -überall willige Abnehmer finden. Ihr Preis ist je nach dem Wechsel -der Mode erheblichen Schwankungen unterworfen, ist aber dadurch -bedeutend im Wert hinuntergegangen, daß der Vogel jetzt auch gezähmt -gehalten wird und ihm die Federn abgeschnitten werden können, ohne -daß er, wie früher der wilde, getötet zu werden braucht. Einst wurde -die Straußenjagd zur Gewinnung der Federn von den berittenen Beduinen -Nordafrikas mit Leidenschaft betrieben und galt als eine der edelsten -Vergnügungen, umsomehr sie sehr schwierig war und ein Zusammenarbeiten -mehrerer Jäger erforderte. Diese zogen auf flüchtigen Pferden oder -Reitkamelen in die Steppe hinaus, wobei ihnen in einiger Entfernung -Wasser in Schläuchen tragende Lastkamele folgten. Die Treiber dieser -letzteren hatten sich auch während der Jagd in möglichster Nähe der -Verfolger zu halten. Sobald die Jäger einen Trupp Strauße trafen, -suchten sie ein Männchen von der Herde zu trennen und ritten im -gestreckten Galopp hinter ihm her. Während einer von ihnen dem Vogel -auf allen Krümmungen seines Laufes folgt, sucht ein anderer diese -abzuschneiden, übernimmt, wenn es ihm gelang, die Rolle des ersteren -und läßt diesen die kürzere Strecke durchreiten. So wechseln sie -miteinander ab, bis sie den mit möglichster Schnelligkeit dahineilenden -Strauß ermüdet haben. Gewöhnlich sind sie schon nach Verlauf einer -Stunde dicht hinter ihm her, zwingen ihre Reittiere, meist Pferde, zu -einer letzten Anstrengung und versetzen dem Vogel schließlich einen -heftigen Streich über den Hals oder auf den Kopf, der ihn sofort zu -Boden streckt. Unmittelbar nach dem Falle des Wildes springt der Jäger -vom Pferde, schneidet ihm unter Hersagen des üblichen -- da allerdings -sehr unpassenden -- Spruches: „Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen! -Gott ist groß!“ die Halsschlagader durch und steckt, um Beschmutzung -der Federn durch das Blut zu verhüten, den Nagel der großen Zehe eines -Fußes in die Wunde. Nachdem sich der Strauß verblutet hat, zieht ihm -der Jäger das Fell ab, dreht es um und benutzt es gleich als Sack, -um in ihm die Schmuckfedern aufzubewahren. Vom Fleische schneidet er -so viel ab als er braucht, um seinen Hunger zu stillen; das Übrige -hängt er an einen Baum zum Trocknen und für etwa vorüberziehende -Wanderer auf. Mittlerweile sind die Kamele mit dem Wasser nachgekommen -und die Jäger erquicken sich und ihre Pferde nach der anstrengenden, -heißen Jagd mit dem kühlenden Naß, ruhen einige Stunden aus und kehren -alsbald mit ihrer Beute beladen nach Hause zurück. Hier sortieren sie -die Federn nach ihrer Güte, binden die kostbaren weißen, deren ein -vollkommen ausgebildeter Strauß höchstens 14 besitzt, in einzelne -Bündel zusammen und bewahren sie zu gelegentlichem Verkauf in ihren -Zelten auf. Der Händler muß, um die Federn zu bekommen, sich selbst -zum Jäger begeben und erlangt von diesem die gesuchte Ware erst nach -längeren Verhandlungen. Man begreift diese Zurückhaltung sehr wohl, -wenn man bedenkt, daß alle Fürsten und Regierungsbeamten Nordafrikas -noch heute, wie zur Zeit der alten Ägypter, von ihren Untertanen -Straußenfedern als Königstribut verlangen und sich kein Gewissen daraus -machen, diesen durch ihre Unterbeamten gewaltsam eintreiben zu lassen. -Der Beduine vermutet daher in jedem, der ihn nach Federn fragt, einen -Abgesandten seines Oberherrn und rückt mit seinem Schatze erst dann -heraus, wenn er sich durch eingehendes Ausforschen von den reellen -Absichten des Käufers überzeugt hat. - -In der Kulturgeschichte der Menschheit hat die Straußenfeder seit der -ältesten Zeit eine so wichtige Rolle gespielt, daß wir hier etwas näher -darauf eintreten müssen. Schon die Naturvölker Afrikas schmückten sich -einst und schmücken sich heute noch damit. Auf einer höheren Stufe -waren es vornehmlich die Häuptlinge, die sich ihre Abzeichen daraus -schufen, worunter auch aus ihnen zusammengesetzte, an langen Stielen -getragene Fächer waren. Im alten Ägypten war eine Straußenfeder das -Abzeichen von Maat, der Göttin der Wahrheit und Gerechtigkeit, der -Gemahlin von Thot, dem Gotte der Zeit, der Geschichte, Schrift, Magie -und des Mondes. Das Bild der Göttin Maat, die eine Straußenfeder als -Zier auf dem Kopfe trug, war das kostbarste Weihgeschenk für die -Götter; der Oberrichter trug es an einer Kette um den Hals. In der -Folge bedeutete die Straußenfeder in der Hieroglyphik Wahrheit und -Gerechtigkeit. Als später die Abzeichen der verschiedenen Rangklassen -im Zeremoniell am Hofe durch Übereinkommen fixiert waren, war die -Straußenfeder das Symbol des Fürsten und das Tragen derselben -nur diesen und den Prinzen königlichen Geblüts gestattet. Diese -Straußenfedergezierten sind auf den Monumenten als „Fächerträger zur -Linken des Königs“ bezeichnet. Auch die Prinzessinnen trugen Fächer -aus Straußenfedern. So wurde im Grabe der Königin Aa hotep (um 1703 v. -Chr.) ein solcher aus vergoldetem Holz gefunden, an dessen Halbkreis -noch die Löcher zu sehen sind, in denen die inzwischen zu Staub -aufgelösten Straußenfedern steckten, die einst den Wedel bildeten. -Auch am persischen Hofe spielte der Staatsfächer mit Straußenfedern -eine große Rolle. Gleicherweise zierten sich die vornehmen Griechinnen -und Römerinnen mit Straußenfedern, wie die Männer sie als Schmuck -gelegentlich auf ihre Helme steckten. - -[Illustration: Bild 50. Links gefangener Strauß, rechts ein Mann mit -Federn und Eiern vom Strauß. (Nach Wilkinson.)] - -Im Mittelalter war die Straußenfeder aus Nubien über den Orient -nach Europa gekommen, blieb aber zunächst zu teuer, als daß sich -weitere Kreise mit ihr zu schmücken vermocht hätten. Erst am Ende des -Mittelalters wurde dieser Artikel häufiger auf den Markt gebracht, -so daß er weitere Verbreitung und Anwendung fand. Seit dem Anfang -des 15. Jahrhunderts liebten es die vornehmen Kavaliere des in -Europa tonangebenden, an Reichtum und der damit in Zusammenhang -stehenden Prachtentfaltung alle andern überstrahlenden burgundischen -Hofes, 3-4 Federn zunächst des Reihers als _aigrette_ vorn an der -Kappe oder am Stirnband zu befestigen. Als dann auf ihre höfische -Zierlichkeit und Eleganz der schwerfällige Prunk des Ritters aus der -Zeit Kaiser Maximilians folgte, wurde die zierliche Aigrette durch -den wallenden Federbusch aus Straußenfedern ersetzt. Aber nicht nur -der adelige Ritter, sondern auch der gewöhnliche Landsknecht suchte -mit diesem teuren Schmucke zu prunken. Bald fand er auch Eingang in -der wohlhabenden Bürgerschaft, so daß die Obrigkeit es für nötig fand, -Gesetze gegen diesen unerhörten Luxus zu erlassen. So wurde in einer -Kleiderordnung einer reichen Stadt am Rhein aus dem 16. Jahrhundert -den Handwerkern das Tragen von Straußenfedern auf ihrem Barett als -übertriebene Verschwendung gänzlich untersagt. - -In der Folge nahm diese Straußenfedermanie in Europa ziemlich ab. -In Deutschland sorgte die Not des 30jährigen Krieges dafür, daß den -Leuten solcher Tand gleichgültig wurde. Als dann Spanien in der -zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Welt beherrschte, wurde die -Strenge seiner Etikette und die Form seiner Kleidung tonangebend für -die vornehmen Kreise. Bald trugen die Damen und Herren nur noch die -kleine toque, welche höchstens noch ein kleiner Federstutz garnierte. -Als dann Europa nach dem Tode Philipps II. (1598) die steife Grandezza -Spaniens abgeschüttelt hatte, stülpte sich der französische Ritter den -respondent genannten ungeheuren Filzhut auf seine jetzt absichtlich -ungepflegten Locken; diesen schmückte er mit einigen kühn aufgesteckten -Straußenfedern. Von da an herrschte das ganze 17. Jahrhundert hindurch -in verschiedenen Variationen der mit Straußenfedern gezierte große -Filzhut. Am üppigen Hofe des Sonnenkönigs umhüllte die Straußenfeder -wieder in verschwenderischer Fülle den Hut des Elegants, wie den Helm -des Offiziers. Erst mit dem Beginne des Rokoko änderte sich dieses -Verhältnis, indem jetzt die Damen siegreich das Feld behaupteten und -ihre zu immer gewaltigerer Höhe emporgetürmte Coiffüre mit wallenden -Straußenfedern krönten. - -Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Straußenfeder auch -zu höfischen Festdekorationen gebraucht, so zur Ausschmückung des -Thronbaldachins und später auch der Prunkbetten des Rokoko. Sie -erschien damals als ein unumgängliches Erfordernis der feierlichen -Aufmachung, der Galamontur und des Paradekleides. Wie zum erstenmal -der Stifter König Friedrich I., so trägt heute noch der König von -Preußen als Großmeister des hohen Ordens vom Schwarzen Adler einen -Hut mit vier Reihen übereinandergetürmter weißer Straußenfedern. -Einen ähnlichen Federbusch trägt nicht nur der Vorsitzende, sondern -tragen auch die Ritter des 1730 gestifteten englischen Bath-Ordens, -wie auch die Mitglieder des höchsten englischen Ordens überhaupt, des -Hosenbandordens. Daß auch die strenge Empirezeit nicht ohne diesen -pompösen Schmuck auskommen konnte, sobald es sich um die höchste -Prachtentfaltung handelte, ersieht man aus dem Kupferstich des kleinen -Krönungsornats Napoleons I., dessen berühmter Dreispitz hier unter -einer Wolke duftiger weißer Straußenfedern fast verschwindet. - -Bis dahin hatte Europa den Bedarf an dieser kostbaren Ware mit seiner -Einfuhr aus Afrika decken können. Genuesische und französische Schiffe -hatten schon im ausgehenden Mittelalter den Import derselben aus -der Berberei und der Sahara vermittelt. Im 17. Jahrhundert wurden -dann Ägypten und Syrien wichtige Ausfuhrländer für diese teilweise -auch aus Arabien bezogene wertvolle Ware. Die jahrhundertelang in -der schonungslosesten Weise zur Erbeutung der Federn betriebene -Straußenjagd ließ aber trotz der Fruchtbarkeit des Riesenvogels mehr -und mehr in empfindlicher Weise nach, so daß Livorno und Wien, die -von alters her die Stapelplätze für die Straußenfedern gewesen waren, -zu Beginn des 19. Jahrhunderts die verlangten Mengen derselben nicht -mehr liefern konnten. Als ums Jahr 1830 wieder große Hüte getragen -wurden, zahlte man schon 40 Mark für eine hübsche Feder. Wie Gold- und -Silberschmuck waren sie eine Zeitlang die beliebtesten Brautgeschenke -und wurden in großer Menge verbraucht. - -Einen Umschwung brachte erst die um die Mitte des vorigen Jahrhunderts -angeregte künstliche Straußenzucht. Um dem fortwährenden Rückgang des -wertvollen Tieres zu steuern, stellte auf Anregung des Genfer Arztes -Gosset der Pariser Kaufmann Chagot der _société d’acclimatisation_ -eine Summe von 2000 Franken zur Verfügung, um dieses Tier künstlich -zu züchten. Vom Jahre 1857 an wurde dieser Gedanke von Hardy mit -Ausdauer verfolgt und es gelang ihm, in Algier die Strauße zum Brüten -zu bringen, so daß er bereits 1860 die zweite Generation zu erziehen -vermochte. Gleichzeitig wurden auf Anregung des Fürsten Demidoff in San -Donato bei Florenz Zuchtversuche mit Straußen vorgenommen und hatten -Erfolg. Dabei ergab sich die bemerkenswerte Tatsache, daß das Weibchen -in einem Falle das Brutgeschäft vollständig dem Männchen überließ, -das andere Mal abwechselnd mit diesem brütete. Aus zwei Bruten gingen -von 1859 bis 1860 acht Nachkommen hervor. Gleicherweise wurden im -Tiergarten von Marseille durch Suquet Strauße gezüchtet; auch in -Grenoble und Marseille erlangte man günstige Resultate, so daß es sich -nur noch um eine Übertragung der Versuche in die Praxis handeln konnte. - -Nachdem 1866 die künstliche Ausbrütung der Straußeneier geglückt -war, ging die Sache rasch vorwärts. In Algier freilich, wo die -ersten Versuche stattfanden, vermochte sich die Straußenzucht nicht -einzubürgern; dagegen hatten die Farmer im Kaplande überraschende -Resultate. Schüttelte man auch dort anfänglich die Köpfe über den -Versuch, Strauße zu züchten, so kamen doch einzelne Farmer dadurch zu -Vermögen. Die Straußenfarmen wuchsen bald wie Pilze aus dem Boden, -und die Kaufpreise der Vögel stiegen rasch in die Höhe. Während noch -im Jahre 1865 im Kaplande nicht mehr als 80 zahme Strauße gezählt -wurden, hielt man zehn Jahre später schon 21751 Stück. Im Jahre 1886 -schätzte man den dortigen Bestand an gezähmten Straußen auf 150000 -Stück und später stieg er gar auf 200000 Stück, so daß man sehr -wohl begreift, wie heute die Straußenzucht einen der wichtigsten -Erwerbszweige Südafrikas bildet, soweit es von Europäern bevölkert -ist. Vom Jahre 1865-1885 hob sich die Ausfuhr von 1500 auf 90000 _kg_ -Federn jährlich, was einen Wert von etwa 20 Millionen Mark darstellt. -In neuerer Zeit ist der Preis der Federn und damit auch der Vögel stark -gesunken; doch ist die Straußenzucht gleichwohl immer noch lohnend. -Die allzugroße Inzucht der Tiere scheint aber die Qualität der Federn -verschlechtert zu haben, so daß eine nicht künstlich verstärkte Feder -heute tatsächlich eine Seltenheit geworden ist. Eine Auffrischung der -Zuchten mit Wildmaterial ist wegen des starken Rückganges freilebender -Strauße bedeutend erschwert. - -Kleinere Farmer lassen die Strauße den Tag über im Felde herumlaufen -und treiben sie abends in die Gehöfte, wie es übrigens die Somali -schon vor den Europäern machten, um die Straußenfedern leichter als -durch die mühevolle Jagd auf jene so überaus schnellaufenden Tiere -zu erlangen. Viel häufiger als solche kleine sind große Zuchten, in -denen etwa 100 Vögel auf einem Raum von 250 _ha_, von Drahtzäunen -oder Steinmauern umgrenzt, gehalten werden. Die Nahrung besteht -aus Gras und Laubwerk; daneben wird auch Mais verfüttert. Die -Straußenhenne legt im dortigen Frühjahr im Laufe von 14 Tagen 12-16 -ihrer elfenbeinfarbenen, dickschaligen Eier, deren Ausbrütung, wie wir -sahen, fast ausschließlich das Männchen besorgt. Sie wird aber auch -sehr häufig im Incubator genannten Brutapparat vorgenommen, wodurch -eine gleichmäßigere Erwärmung und infolgedessen auch eine größere Zahl -von ausschlüpfenden Jungen erzielt wird. Im Laufe des Jahres erfolgen -2-3 Bruten, so daß die Vermehrung eine sehr starke ist. Im Brutapparat -bedarf das Ei zu seiner völligen Bebrütung durchschnittlich 43 Tage. -Die Jungen werden mit kleingeschnittenem Grünfutter, besonders Luzerne, -dann in Wasser eingeweichter Brotkrume und Kleie aufgezogen, was einige -Vorsicht und in der ersten Zeit Trennung von den Alten erfordert, da -diese gegen die auf diese Weise gewonnenen Jungen sehr bösartig zu -sein pflegen. Sobald die Tiere drei Jahre alt sind, werden ihnen zum -erstenmal Federn entnommen, nicht ausgerissen, sondern an der Wurzel -mit der Schere abgeschnitten. Der Stumpf fällt dann aus und an seiner -Stelle entwickelt sich eine neue Feder. Alle acht bis zehn Monate wird -dieser Prozeß, bei welchem man die Vögel vielfach in ein bewegliches -Holzgestell einspannt, wiederholt, und 15 Jahre lang kann man bei einem -gesunden Tier auf Rentabilität rechnen. Bei einem jährlichen Unterhalt -von 80 Mark pro Vogel erzielt man eine Ernte von 1 _kg_ Federn im Werte -von 260-1200 Mark. Es ist dies also eine sehr schöne Verzinsung des -Anlagekapitals. - -Die Straußenzucht gedeiht nur in Steppengegenden und sandigen Gebieten. -Der Wind hat wenig Einfluß auf das Wohlbefinden der Tiere; dagegen -sind die Strauße sehr empfindlich gegen Nässe und Kälte. Starke -Verheerungen richten leicht übertragbare Wurmparasiten unter ihnen -an. Es wird angegeben, daß die jungen Strauße mit Vorliebe Exkremente -von Trappen und Feldhühnern aufpicken und auf diese Weise die Keime -von parasitischen Würmern in sich aufnehmen, die sie im wilden -Zustande nicht in sich haben. Ferner brechen sich die Tiere in ihrer -Ungeschicklichkeit leicht die Fußknochen und gehen dann meist zugrunde. -Noch schlimmer aber ist es, daß der Absatz des Produktes ganz von -den Launen der unberechenbaren Mode abhängt und die Preise mit dem -zunehmenden Angebot sinken. - -Trotzdem die Kapregierung einen hohen Ausfuhrzoll auf lebende Vögel -und Eier festsetzte, hat sich die Straußenzucht, außer der blühenden -Zucht von Matarieh bei Kairo in Ägypten, auch außerhalb Afrikas -eingebürgert, vor allem in Kalifornien und Argentinien. Auch Neuseeland -züchtet diesen Schmuckvogel mit Erfolg; in Australien dagegen -vermochte er bis jetzt nicht zu gedeihen. Seit kurzem ist man auch in -Deutsch-Südwestafrika dem Beispiele der Engländer gefolgt. So ist in -Otjkondo ein Gebiet von 8200 _ha_ ganz für die Aufzucht dieser Vögel -reserviert worden. Da diese, wenn sie rationell betrieben wird, nur -einen Verlust von 10 Prozent verursacht und die Vögel sehr fruchtbar -sind, d. h. zwei- bis dreimal jährlich 10-16 Eier legen, so kann die -Zucht sehr lukrativ sein. - - - - -XX. Die Nutzfische. - - -Noch mehr als für die fluß- und seenbewohnenden Binnenländer ist -für die Küstenbewohner der Fischfang eine wichtige Erwerbs- und -Nahrungsquelle. Und mit dem immer besser eingerichteten Versand der -Fische sind auch die meisten Städte im Innern vorzüglich mit diesem -ebenso nahrhaften als billigen Nahrungsmittel versorgt, das in den -weitesten Schichten der Bevölkerung eine zunehmende Bedeutung gewinnt. -Nach vielen Milliarden Mark belaufen sich die Werte, die von den -verschiedenen Völkern dem Meere, der Mutter alles Lebens, in Form von -Fischen entnommen werden. So hat auch in Deutschland nicht nur die -Küsten-, sondern besonders auch die Hochseefischerei immer größere -Bedeutung erlangt, nachdem hierin England vorbildlich vorangegangen -war. Vom überreichen Erntesegen, der lange Zeit vorzugsweise den -Briten zufloß, kommt nun ein stets wachsender Teil auch den Deutschen -zugute. Werden doch jährlich allein für 40 Millionen Mark Heringe nach -Deutschland eingeführt. - -Unter den zahlreichen Meerfischen haben besonders die Schellfische -mit Einschluß der Kabeljaus oder Dorsche, daneben die Heringe durch -ihr gehäuftes Auftreten in der Laichzeit in manchen Gegenden eine -große Bedeutung erlangt. Diese suchen seichtere Stellen des Meeres -zur Ablage ihrer Eier auf und werden dann in großen Netzen in Menge -gefangen, teilweise auch mit der Grundschnur erbeutet, die etwa 2000 -_m_ Länge hat und gegen 1200 Angelschnüre mit köderbewehrten Haken -besitzt. Letztere wird ausgeworfen und alle sechs Stunden emporgeholt, -der Fang ausgelöst, die verbrauchten Köder ersetzt und die Schnur neu -gelegt. Währenddem beschäftigen sich die Fischer mit Handangeln, von -denen sie je eine in die Hand nehmen, rasch emporziehen, wenn sie -merken, daß sich etwas gefangen hat, und sofort wieder in die Tiefe -versenken. Letzteres geschieht besonders beim ~Schellfisch~, ~Kabeljau~ -und ~Merlan~ (_Gadus morrhua_, _aeglefinus_ und _merlangus_), von -denen ein Mann täglich 300 bis 400 Stück zu erbeuten vermag. Am besten -schmecken alle diese Fische frisch verzehrt. Durch das Trocknen -verlieren sie an Geschmack, doch bleibt bei ihrer ungeheuren Menge -gleichwohl nichts anderes übrig, als den größten Teil auf diese Weise -zu konservieren, außerdem eine beträchtliche Menge davon in Fässern -einzusalzen. - -Der ~Kabeljau~ -- jung Dorsch genannt -- bewohnt den nördlichen Teil -des Atlantischen Ozeans und die angrenzenden Gebiete des Eismeeres, -hat seine Hauptverbreitung zwischen dem 50. und 75. Breitegrad, kommt -nicht südlicher als im 40. Breitegrad vor, wird 1-1,5 _m_ lang und bis -40 _kg_ schwer. Zur Laichzeit zieht er in gewaltigen Zügen, die über -100 _km_ breit und 30 _km_ lang sein können, dicht gedrängt an die zur -Eiablage geeigneten flachen Stellen des Meeres, an den Lofoten, dann -an der Doggerbank in der Nordsee (_dogg_ heißt im Altholländischen der -Kabeljau), besonders aber an der Neufundlandbank, wo allein alljährlich -etwa 1300 Millionen Kilogramm Kabeljaus gefangen werden. Die -Neufundlandbank ist heute noch die wichtigste Fangstelle des Kabeljaus -und wurde seit Anfang des 16. Jahrhunderts von Engländern, Holländern, -Franzosen, Portugiesen und Spaniern aufgesucht und fleißig ausgebeutet. -Schon im Jahre 1615 waren 250 englische Schiffe dort beschäftigt. -Heute sind es deren 1800 mit 17000 Matrosen, während die Amerikaner -noch mehr senden, um den hier gebotenen Reichtum aus dem Meere zu -schöpfen. Die meisten Kabeljaus werden mit beköderten Angeln an der -Grundschnur oder an Angelschnüren, die von den Booten herabhängen, -gefangen und sofort geköpft und ausgenommen. Sie werden dann meist -halbiert und die einzelnen Teile auf Stangen getrocknet. So liefern -sie den „Stockfisch“, während sie mit Salz bestreut und auf Felsen -getrocknet als „Klippfisch“, und in Fässern eingesalzen als „Laberdan“ -in den Handel gelangen. Beim Ausweiden der Fische kommt die Leber in -ein besonderes Faß, der Rogen in ein anderes, die übrigen Eingeweide -werden als Köder verwendet. Die abgeschnittenen Köpfe dienen vielfach -als Viehfutter. Die Lebern läßt man in großen Bottichen stehen und in -Zersetzung übergehen, wobei sich in ihnen ein Öl an der Oberfläche -sammelt. Es ist dies der Lebertran, der von Zeit zu Zeit abgeschöpft, -durch Seihen gereinigt und, seiner Güte entsprechend, in verschiedene -Fässer gefüllt wird. Am besten ist natürlich der wenige Tage nach -Beginn der Fäulnis gewonnene Lebertran, am schlechtesten der Rest, den -man durch Auskochen erlangt. - -Kein Meerfisch gewöhnt sich rascher an die Gefangenschaft auch in -engem Raum, keiner geht leichter ans Futter, keiner frißt mehr und -wächst rascher als der Kabeljau. Nur muß das Wasser seines Beckens -kühl gehalten werden, da er, wie gesagt, ein nordischer Fisch ist. -Geschieht dies und reicht man ihm genügend Nahrung, so gedeiht er -nicht nur vortrefflich, sondern dauert auch mehrere Jahre selbst in -einem offenbar für ihn zu engen Gewahrsam aus. In neuerer Zeit hat die -Fischkommission der Vereinigten Staaten von Nordamerika den Versuch -unternommen, mit Hilfe der künstlichen Fischzucht den Kabeljau, der im -nordatlantischen Gebiete heimisch ist, auch in südlicheren Gebieten, -z. B. in der Chesapeakebai, heimisch zu machen. - -Noch mehr als der stattliche Kabeljau und seine Verwandten ist der -~Hering~ (_Clupea harengus_) ein Speisefisch des Volkes, der, auch dem -Dürftigsten noch käuflich, in gar vielen Haushaltungen, besonders der -nordischen Länder Europas, die Stelle des zu teuer gewordenen Fleisches -vertreten muß. Von ihm werden jährlich über 10 Milliarden Stück -gefangen, von denen Deutschland etwa 500 Millionen Stück konsumiert, -während die nordischen Völker weit mehr verbrauchen. Bei ihnen ist er -vielfach mit Brot zusammen die tägliche Nahrung. Dieser nur 30 _cm_ -lange, stark zusammengedrückte Fisch lebt weder wie die vorgenannten -vorzugsweise im Polarmeere, noch macht er wie diese weite Reisen. Er -bewohnt vielmehr die Tiefen der Meere, an deren Küsten er laicht, -wird dort zu allen Zeiten vereinzelt gefangen, namentlich mit solchen -Gerätschaften, die in größere Tiefen reichen, und steigt nur zur -Laichzeit aus diesen Tiefen empor, um der Küste zuzusteuern, an der er -seine Eier wie die vorigen zur Winterszeit absetzt. - -Betrachtet man eine Tiefenkarte der Nordsee, so überzeugt man sich -leicht von der Tatsache, daß Großbritannien auf einer geräumigen -Hochebene liegt, die nirgends tiefer als 200 _m_ ist, so daß bei einer -Senkung des Meeresspiegels um diesen Betrag ganz Großbritannien in das -europäische Festland einbezogen wäre. Diese Untiefe der Nordsee stellt, -außer den Westküsten Großbritanniens und Skandinaviens, den Laichplatz -des Herings dar, wohin außer den Scharen fortpflanzungslustiger -Individuen alljährlich auch große Heere noch nicht völlig erwachsener -sogenannter Jungfern- oder, wie die Holländer sagen, Matjesheringe aus -der heimatlichen Tiefe emporsteigen. Der von kleinen Spaltfußkrebsen -lebende Fisch macht an der Küste Norwegens vom Februar bis April seine -Laichzüge. In der dem Laichen vorausgehenden Zeit entwickeln sich bei -ihm Rogen und Milch als wasserreiche und deshalb leichtere Stoffe so -stark auf Kosten von Fett und Eiweiß der Muskulatur, daß das Gewicht -des Fisches geringer wird und er sich getrieben fühlt, um seine -Gleichgewichtslage wieder herzustellen, Plätze aufzusuchen, an denen -die Temperatur höher und daher das spezifische Gewicht des Wassers -geringer ist. Danach richten sie ihre Wanderungen und wählen deshalb -nicht immer dieselben Laichplätze. - -Die älteren Heringe laichen früher als die jüngeren und beginnen -damit teilweise schon im Herbst, und zwar vermutlich an denselben -Stellen, an denen sie geboren wurden. Doch können verschiedene -Ursachen, wie Witterungseinflüsse und Strömungsänderungen, bewirken, -daß sie in manchen Jahren an bestimmten Orten, an denen sie früher in -Masse erschienen, gänzlich ausbleiben; ebenso zeigen sie sich gegen -Veränderungen ihrer Laichplätze höchst empfindlich, meiden insbesondere -solche Plätze oft jahrelang, an denen der Überzug von Tangen zerstört -oder ihrer zu viele weggefangen wurden. Doch sind die Ursachen, welche -Richtung und Ziele der Heringswanderungen bestimmen und zeitweilig -ändern, noch nicht völlig erkannt. Immerhin scheint es heute schon -zweifellos, daß innerhalb gewisser großer Zeiträume die Heringszüge -sich von den bis dahin regelmäßig besuchten Gebieten ab- und anderen -zuwenden. - -Erscheinen irgendwo die Heringe zum Laichen, so treiben sie sich -zwei bis drei Tage hindurch nahe der Oberfläche des Meeres umher, -drängen sich, namentlich bei stürmischem Wetter, zu dichten Haufen, -eilen vorwärts und lassen währenddem die Eier ins Wasser fallen, -die gleichzeitig von dem von den männlichen Fischen entlassenen -Samen befruchtet werden. Dabei werden sie von zahlreichen Feinden -verfolgt und dezimiert. Solange sie sich in den oberen Wasserschichten -umhertreiben, nähren sich alle hier lebenden Raubfische, alle -Meervögel, besonders Möwen, und fast sämtliche Meersäugetiere -ausschließlich von ihnen. So erkennen die Norweger ihre Ankunft an -den sich um sie sammelnden Zahnwalen. Aber alle Verluste, die die -zahlreichen Räuber der See den Heringszügen zufügen, sind verschwindend -gegenüber denjenigen, die der Mensch ihnen mit seinen großen Netzen -beibringt. Um die Heringe im großen zu fangen, bedient man sich der -sogenannten Driftnetze, die 40 _m_ lang und 10 _m_ tief sind. Größere -Fischerboote führen bisweilen so viele dieser Netze mit sich, daß sie -auf 2,5 _qkm_ das Wasser bestellen können. Gegen Abend werden die Netze -eingesenkt, mit Gewichten teilweise in die Tiefe gezogen, teilweise -aber durch Korkstücke und leere Fässer oben gehalten, so daß sie je -nach der Meerestiefe höher oder niedriger zu stehen kommen. Die Maschen -sind genau so weit, daß ein junger Hering durchzuschlüpfen vermag, -während der erwachsene beim Bestreben, sich durchzuzwängen, mit den -Kiemendeckeln darin hängen bleibt und so gefangen wird. Mit Tagesgrauen -beginnt man die Netze auszulösen und schafft dann die gefangenen -Fische so eilig als möglich an den Strand und in den Arbeitsraum des -Einsalzers, da sie um so besser werden, je eher sie ins Salz kommen. -Hier werden sie alsbald ausgenommen und gelangen, mit Salz bestreut und -in Tonnen festgepreßt, zum Versand. - -Sichere Kunde von der Heringsfischerei reicht bis ins frühe Mittelalter -zurück. Altenglische Urkunden erwähnen sie und alte Gesetze regeln sie. -Bis zu Ende des 14. Jahrhunderts befand sich die Fischerei, obschon -sie damals durchaus nicht unbedeutend war, erst in den Anfängen. Da -lernte man den Fisch durch Einsalzen vor dem Verderben zu schützen -und so transportfähig zu machen. Dadurch erst gewann der Hering -als Volksnahrungsmittel die allergrößte Bedeutung. Zuerst waren es -die Holländer, die den Heringsfang in großartiger Weise betrieben; -später nahmen auch die Hanseaten und Norweger an ihm teil. Erst seit -200 Jahren begannen die Briten eine größere Anzahl Schiffe auf den -Heringsfang auszusenden und überflügelten darin bald alle anderen -Völker Europas. Da aber der Wanderzug der Fische sich nicht im voraus -feststellen läßt, so spielt der Zufall eine große Rolle dabei, ob man -Erfolg hat oder nicht. In der Gefangenschaft geht der erwachsene Hering -in wenigen Stunden, der junge in wenigen Tagen ein, so daß von einer -künstlichen Aufzucht bei ihnen niemals die Rede sein kann. - -Die nächste Verwandte des Herings ist die ~Sprotte~ (_Clupea -sprottus_), die nur 15 _cm_ lang wird. Sie lebt wie jener in -bedeutender Meerestiefe und erscheint alljährlich im Frühling in -unermeßlichen Scharen in der Nähe der Küste, um zu laichen. Zu ihrem -Fange wendet man entsprechend feinmaschige Netze an. An der britischen -Küste, wie auch an derjenigen der Ostsee wird diese Fischerei stark -betrieben. Geräuchert kommen sie von Eckernförde aus als „Kieler -Sprotten“, in Salz eingemacht dagegen aus Norwegen unter dem Namen -„Anchovis“ (franz. _anchois_) in den Handel. - -Etwas größer, nämlich 20-25 _cm_ lang, ist die ~Sardine~ (_Clupea -sardina_), die vom Süden Englands längs der ganzen französischen und -nordspanischen Küste bis Portugal bald in tieferem, bald in seichterem -Wasser vorkommt, sehr gefräßig ist und vorzugsweise von kleinen -Garneelen lebt, die sie am Meeresboden aufnimmt, um damit den Magen -prall zu füllen. Sie laicht vorzugsweise in den Herbstmonaten und -wird dann in großen Mengen gefangen, doch wird sie zumeist außerhalb -der Laichzeit mit dem Grundnetz erbeutet. Viele derselben werden -eingesalzen, die große Mehrzahl aber, nachdem sie kürzer oder länger in -der Sülze gelegen, in Öl gekocht, mit diesem in kleinen Blechbüchsen -eingeschlossen und als Sardinen in den Handel gebracht. - -Etwas kleiner, nämlich nur 15 _cm_ lang, d. h. so groß wie die -Sprotte, wird die ~Sardelle~ oder der echte ~Anchovis~ (_Engraulis -encrasicholus_). Dieser an der Oberseite bräunlichblaue Fisch bewohnt -besonders das Mittelländische Meer, ist aber durch die Meerenge von -Gibraltar längs der europäischen Küste bis in den nördlichen Teil der -Nordsee, ja sogar in die Ostsee gedrungen. Für die nördlichen Teile -des Verbreitungsgebietes hat der Fang dieses geschätzten Fisches -keine besondere Bedeutung, wohl aber in den südlichen Gegenden. -Schon in der Bretagne bringt die Sardellenfischerei Millionen ein. -Im Mittelländischen Meer zählt das Fischchen zu den geschätztesten -Speisefischen. Es lebt in tieferen Schichten und kommt an die Küsten -zum Laichen, wobei es in so dichten Scharen auftritt, daß oft mit -einem einzigen Zuge mit dem Netz viele Tausend aus dem Wasser gehoben -werden. Schon die Alten schätzten es hoch. In Aristophanes „Rittern“ -wird uns ein Wursthändler vorgeführt, der durch den billigen Verkauf -dieses Speisefisches, zu dem er gratis die Zukost an Zwiebeln gab, -besondere Popularität erlangte. Aber nicht nur die Armen, auch die -Reichen Griechenlands aßen den Fisch gern, besonders in siedendem -Olivenöl zubereitet. Der Grieche Oppianos schreibt in seinem um 200 n. -Chr. in Hexametern verfaßten Gedicht über den Fischfang: „Die Sardellen -(_engraulis_) sind furchtsame, schwache Fische, welche von anderen -hart verfolgt werden und sich daher, um sicherer zu sein, in so dichte -Scharen zusammendrängen, daß sie oft Schiffe in ihrem Laufe, Ruder in -ihrem Schlage hemmen. Die Massen sind so dicht, daß man sie nicht mit -dem Beile auseinander zu hauen vermag und daß man mit der Hand so viele -nehmen kann als man will. Die Fischer ziehen sie mit Netzen heraus -und man sieht oft große Haufen derselben, die den Strand bedecken.“ -Man schneidet ihnen nach dem Fange die Köpfe ab, nimmt die Eingeweide -heraus und salzt sie oder macht sie in Olivenöl ein. In ersterem Falle -kommen sie als „Sardellen“, in letzterem dagegen als „Anchovis“ in den -Handel. - -Ebenfalls im Mittelmeer heimisch und von da der Küste entlang nach -Norden vorgedrungen sind die ~Rotbarben~ (_Mullus_), von denen vor -allem der ~Rotbart~ (_Mullus barbatus_), ein 30-40 _cm_ langer -karminroter Fisch mit gelben Flossen, von den Alten überaus geschätzt -war. Nach Plinius, der von ihm bemerkt, daß er in Fischbehältern nicht -gedeiht, soll der Konsular Asinius Celer zur Zeit des Kaisers Caligula -einen solchen für 8000 Sesterzien (= 1200 Mark) gekauft haben und fügt -bei: „Sonst klagte man darüber, daß Köche teurer seien als Pferde; -jetzt kostet ein Koch soviel wie ein Triumph, ein Fisch soviel wie -ein Koch, und fast kein Mensch wird so hoch geschätzt wie ein Koch, -obgleich seine Hauptkunst darin besteht, seinen Herrn durch Kochen -um Hab und Gut zu bringen.“ Seneca erzählt in einer seiner Episteln, -Kaiser Tiberius habe einen 4½ Pfund schweren Rotbart auf den Markt -geschickt und dafür von Publius Octavius 5000 Sesterzien (= 750 Mark) -erhalten. Martial sagt, ein reicher Römer habe einen Sklaven für 1300 -Sesterzien (= 195 Mark) verkauft und für diese Summe einen 4 Pfund -schweren Rotbart eingehandelt. Juvenal berichtet, es habe jemand einen -6 Pfund schweren Rotbart für 6000 Sesterzien (= 900 Mark) gekauft, und -Älius Lampridius erzählt, der verschwenderische Kaiser Heliogabalus -habe Schmausereien gegeben, bei denen ungeheure Massen von Eingeweiden -der Rotbärte aufgetragen wurden, auch habe er ganze Schüsseln und -Teller, die nur mit Bartfäden der Rotbärte gefüllt waren, aufgetischt. - -In größeren Wassertiefen leben die ~Makrelen~ (_Scomber_), die -ebenfalls bei den Alten als Speisefische sehr geschätzt waren. Ihr -köstliches Fleisch muß so rasch als möglich gegessen werden. Eine sehr -pikante Sauce, _garum_ genannt, gewannen die Römer durch Faulenlassen -von deren Fleisch, nebst Blut und Eingeweiden. Riesenmakrelen sind die -~Thunfische~ (_Thynnus_), die für die Bewohner der Mittelmeerküsten -von besonderer Bedeutung sind. Sie erreichen 3-4 _m_ Länge und ein -Gewicht von 300-400 _kg_ und werden ihres wohlschmeckenden Fleisches -wegen eifrig verfolgt. Ihre wahre Heimat ist das Mittelländische Meer, -während sie im Atlantischen Ozean spärlicher vorkommen und durch andere -Arten ersetzt werden. Zwar behauptete man im Altertum und glauben -die Fischer heute noch, daß sie alljährlich in Menge vom Weltmeere -aus durch die Meerenge von Gibraltar nach dem Mittelländischen Meere -ziehen. So schreibt der vorhin genannte Oppian: „Die Thunfische kommen -vom Weltmeer ins Mittelländische, wenn sie im Frühjahr Eier legen -wollen. Sie gehen erst an Spanien, dann an Gallien und Sizilien hin. -Zu dieser Zeit werden Wächter auf die Felsen am Strande gestellt, -welche den Zug und die Zahl der kommenden Fische beobachten. Sehen sie -die Scharen herannahen, so werden die Netze gestellt, welche Kammern -bilden, die mit Vorhallen und Eingängen versehen sind. In diese dringen -dann die Thunfische in Menge ein und gewähren einen überreichen Fang.“ -Nur muß diese Anschauung von der Herkunft der Thunfische aus dem -Atlantischen Ozean dahin abgeändert werden, daß sie für gewöhnlich in -größeren Tiefen des offenen Mittelländischen Meeres leben und sich erst -gegen die Laichzeit den Küsten nähern. Statt wagrechte Wanderungen, -wie man früher glaubte, vollführen sie vorzugsweise senkrechte, um -sich in den flacheren Gewässern der Küste zu tummeln. Hier hält er -allerdings -- vermutlich durch unterseeische Täler bewogen -- bestimmte -Straßen ein, in denen er oft in Herden von Tausenden fortzieht, um -sich im Frühling im seichten Wasser der Küste fortzupflanzen. Seit dem -frühesten Altertum sind gewisse Fangplätze durch ihre Ergiebigkeit -berühmt. Dort wird der Fang der Thunfische durch dieselben gekammerten -Netze, wie sie vorhin aus dem Jahre 200 nach Chr. beschrieben wurden, -bewerkstelligt. Sobald die auf erhabenen Stellen beobachtenden Wächter -die Ankunft der Thunfische melden, stechen eine Menge bereit gehaltener -Boote in die See, bilden unter Befehl eines Anführers einen weiten -Halbmond, werfen ihre _tonnare_ genannten Fangnetze, wahrhaftige -Gebäude aus Stricken und Maschen aus und schließen die Fische -ein. Indem sie den Kreis mehr und mehr verengern, zwingen sie die -Thunfische, gegen das Land hin zu schwimmen. Im seichten Wasser breitet -man dann das letzte Netz aus und zieht es mit allen innerhalb desselben -befindlichen Thunfischen ans Land, um sie alle abzustechen, so daß -sich das Meer weithin mit ihrem Blute rotfärbt. Die Ausbeute wird oft -an Ausländer, die sich als Käufer eingefunden haben, frisch verkauft -und von diesen in Tonnen eingesalzen. Von den Einheimischen wird der -Thunfisch vielfach auch gekocht, in Öl konserviert und so in den Handel -gebracht. Jedem Italienfahrer ist solcher _tonno in oleo_, der ganz gut -schmeckt, sehr wohl bekannt. - -Für die Nordsee sehr wichtig sind die am liebsten im Sande der Flachsee -halb in den Boden eingegraben auf Beute lauernden ~Flachfische~ oder -~Seitenschwimmer~, die verschiedenen Arten von ~Schollen~, ~Flundern~, -~Seezungen~, ~Heil-~ und ~Steinbutte~. In der Fähigkeit, sich zu -verstecken, werden sie in hohem Maße durch die Begabung gefördert, -die eine pigmentierte und mit beiden Augen versehene Seite je nach der -Farbe des Untergrundes verschieden zu färben. Sie laichen im Frühling -und Vorsommer zwischen Tangen, an die sie die Eier mit Vorliebe -festkleben. Ihr sehr wohlschmeckendes Fleisch zeichnet sich durch -seine große Haltbarkeit aus und wird deshalb weithin verschickt. Außer -englischen sind es besonders holländische und dänische Fischer, die -sich mit deren Fang abgeben und sie besonders nach London verhandeln. -Sie lassen sich wie im Meerwasser, so auch im Süßwasser lange Zeit -halten, haben überhaupt eine außerordentliche Lebenszähigkeit. - -Besonders geschätzt war bei den alten Römern das Fleisch eines -Aalfisches, der ~Muräne~ (_Muraena helena_), die sie in eingedämmten -Meeresarmen oder Salzwasserteichen hielten, um stets den nötigen Bedarf -für ihre Schwelgereien bei der Hand zu haben. Plinius berichtet über -sie in seiner Naturgeschichte: „Bloß für Muränen bestimmte Fischteiche -hat zuerst Gajus Hirrius angelegt; aus diesen lieh er dem Diktator -Cäsar zu den Triumphschmausereien 6000 Muränen unter der Bedingung, daß -er ebensoviel zurückerhalte; denn für Gold und andere Kostbarkeiten -waren sie ihm nicht feil. Kurz darauf wurde sein Landgut verkauft, und -der Preis desselben betrug wegen der darauf befindlichen Fischteiche -4 Millionen Sesterzien (= 600000 Mark). Von da an begann man mit -einzelnen Individuen dieser Fischart Liebhaberei zu treiben. Bei Bauli -in der Nähe (des damals sehr beliebten Badeortes) von Bajae hatte der -Redner Hortensius einen Fischteich, worin sich eine Muräne befand, -die er so liebte, daß er sie nach ihrem Tode beweint haben soll. Auf -demselben Landsitze schmückte Antonia, die Tochter des Drusus, eine -geliebte Muräne mit Ohrringen, und manche Leute gingen nur nach Bauli, -um das berühmte Tier zu sehen.“ Später, um 220 n. Chr., berichtet -Älian: „Berühmt ist die Muräne des Crassus, welche Ohrringe und mit -Steinen besetzte Halsbänder trug, auf den Ruf des Crassus herbeikam und -ihm aus der Hand fraß. Sie wurde nach ihrem Tode von ihm beweint und -begraben.“ - -Bekannt ist, daß diese gierigen Raubfische gelegentlich mit -Menschenfleisch gefüttert wurden. So erzählt Plinius: „Die Gefräßigkeit -der Muränen hat dem römischen Ritter Vedius Pollio, einem Freunde des -Kaisers Augustus, Gelegenheit zur Erfindung einer neuen Grausamkeit -gegeben; denn er ließ in die mit diesen Fischen besetzten Teiche -verurteilte Sklaven werfen, nicht weil er sie von Löwen, Tigern und -dergleichen nicht hätte zerfleischen lassen können, sondern weil er -sein Vergnügen daran fand, zuzusehen, wie der ganze Mensch zu gleicher -Zeit von allen Seiten her durch Feinde zerfleischt wurde, das andere -Raubtiere nicht gewähren konnten.“ In zahlreichen Lesebüchern wird die -Geschichte erzählt, wie er in Gegenwart des bei ihm zu Gast weilenden -Kaisers Augustus einen Sklaven, der ein kostbares murrhinisches Gefäß -zerbrach, als Strafe dafür mit dem Ausdrucke: _ad muraenas_ d. h. zu -den Muränen! lebend diesen Tieren vorwerfen ließ. Vorzüglich sollten -sie nach Plinius wütend werden, wenn man ihnen Essig zu schmecken gab. - -Wie für Muränen hatten die Römer auch für andere von ihnen wegen ihres -wohlschmeckenden Fleisches geliebte Meerfische besondere Teiche, die -oft mit großem Aufwand hergestellt wurden. So berichtet der vorgenannte -Plinius: „Zu derselben Zeit, da Sergius Orata die Austernparks erfand, -erfand Licinius Muraena die Fischteiche, und berühmte Männer, wie -Philippus und Hortensius, haben ihn darin nachgeahmt. Lucullus ließ -sogar bei Neapel einen Berg mit größeren Kosten, als er auf sein -Landgut verwendet hatte, abtragen und leitete das Meerwasser ins Land, -weshalb ihn Pompejus der Große den römischen Xerxes nannte. Nach seinem -Tode wurden die dort befindlichen Fische für 4 Millionen Sesterzien -(= 600000 Mark) verkauft.“ Daß es den in solchen Fischteichen -installierten Fischen vorzüglich erging und sie gelegentlich ein sehr -hohes Alter erreichten, können wir aus einer Notiz desselben Autors -entnehmen, worin es heißt: „Wie alt ein Fisch werden kann, das haben -wir erst neulich an einem merkwürdigen Beispiel gesehen. Pausilypum -ist ein nicht weit von Neapel gelegenes kampanisches Landhaus. Dort -wurde von Vedius Pollio ein Fisch in Cäsars Fischteiche gesetzt, der, -wie Annäus Seneca schreibt, erst 60 Jahre später starb, während zwei -ebenso alte derselben Art noch lebten.“ In solchen Teichen zu fischen -war ein besonderes Vergnügen der vornehmen Herrn. Dazu wurden oft -auserlesen kostbare Geräte gebraucht. So fischte Kaiser Nero nach den -Angaben seines Biographen Suetonius mit Netzen, deren Fäden purpur- und -scharlachfarbig und mit Gold verziert waren. Außer mit Netzen fischte -man im Altertum nach Oppian auch mit dem an einer Rute an einer Schnur -aus Pferdehaar befestigten Angelhaken, dem Dreizack und durch Anbringen -von Reusen. Durch letztere wurden besonders auch Aale gefangen. So -schreibt Aristoteles: „Um Aale zu fangen, setzt man ein irdenes Gefäß -mit Pökelfleisch hin und befestigt an dessen Mündung eine Reuse. Mit -dem Geruch von gebratenem Fett kann man alle Fische leicht anlocken.“ - -Von den ~Aalen~ (_énchelys_ der Griechen und _anguilla_ der Römer) -blieb die Fortpflanzung bis in unsere Tage unbekannt. Aristoteles -ließ sie aus Regenwürmern entstehen, welche sich von selbst aus -Schlamm und feuchter Erde erzeugen und fügt zur Bekräftigung seiner -Aussage bei: „Man hat auch gesehen, wie sich Aale von Regenwürmern -loslösten, teils werden sie auch bei Zerreißung derselben sichtbar.“ -Spätere Autoren sahen Eingeweidewürmer der Aale für die junge Brut -an. Heute wissen wir, daß alle Süßwasseraale Weibchen sind, die in -allen Gewässern Europas vom 64.-65. Grade nördlicher Breite, auch -im Mittelländischen Meer, nicht aber in den Zuflüssen des Schwarzen -und Kaspischen Meeres, also auch nicht in der Donau, vorkommen. Sie -lieben vor allem tiefes Wasser mit schlammigem Grunde und liegen -den Winter über im Schlamme verborgen, bis sie wieder mit Beginn -der warmen Jahreszeit ihr bewegliches Räuberleben aufnehmen. Sie -wachsen sehr rasch, haben in 2-3 Jahren eine Länge von 50-60 _cm_, -in 4-5 dagegen eine solche von 70-80 _cm_ und ein Gewicht von 1,5 -_kg_ und darüber erreicht. Ihre Geschlechtsreife erlangen sie aber -nur im Meere. Alle Weibchen, die in geschlossenen Gewässern leben -und deshalb nicht ins Meer gelangen können, wachsen bis zu 1,5 _m_ -Länge bei einem Gewicht von 10 _kg_ heran und sterben schließlich, -ohne sich fortgepflanzt zu haben. Die in offenen Gewässern lebenden -Weibchen dagegen wandern, sobald sie erwachsen sind, in stürmischen -Herbstnächten in Trupps von 20-40 Stück flußabwärts dem Meere zu, wo -die bedeutend kleineren, nur etwa 40 _cm_ langen männlichen Aale, die -zeitlebens an den Meeresküsten verbleiben, ihrer harren. Gemeinsam -ziehen dann beide Geschlechter langsam der Tiefsee zu, wobei ihre bis -dahin unentwickelten Geschlechtsdrüsen auswachsen und sie für das -Dunkel der Meerestiefe geeignete große Augen von 1 _cm_ Durchmesser -erhalten. Hier pflanzen sie sich fort und sterben dann vermutlich -ab, wenigstens kehren sie nicht mehr an die Küsten zurück. Die junge -Aalbrut steigt im Frühjahr aus der Meerestiefe von 1000 _m_ und mehr -allmählich gegen die Küsten, wobei die durchsichtigen, schmalen Larven, -die man früher als Leptocephalen, d. h. Schmalköpfe, beschrieb und -für eine besondere Tierart hielt, weil sie den eigentlichen Aalen -vollkommen unähnlich sind, schließlich Aalgestalt erhalten. Weil diese -Aallarven um so kleiner sind, je weiter nach Süden sie im Atlantischen -Ozean gefischt werden -- die kleinsten fing man südlich von den Azoren --- glaubt Hjort annehmen zu dürfen, daß die Laichplätze des Aales im -südlichen, zentralen Teil des Mittelländischen Ozeans sich finden und -die Aallarven durch Meeresströmungen und schließlich den Golfstrom an -unsere Küsten geführt werden. Im April und Mai wandern dann die jungen -Weibchen dicht aneinandergeschmiegt in langem Zuge, kein Hindernis -achtend, ins Süßwasser ein. Sie überkriechen Wehre und Stromschnellen, -überwinden sogar den Rheinfall bei Schaffhausen, was für diese Tierchen -in Anbetracht der Höhe des Falles eine erstaunliche Leistung ist, um -überall ins Quellgebiet der Flüsse zu gelangen. Im Verlaufe von 4-5 -Jahren wachsen sie dann aus und vollziehen dann ihren Abstieg ins Meer -und die Tiefsee. - -Überall wird auf dem Festlande die Aalfischerei eifrig betrieben, -da das Fleisch dieser Tiere äußerst wohlschmeckend ist und frisch, -geräuchert oder eingemacht einen nicht unwichtigen Handelsartikel -bildet. Von Holland aus wird speziell London mit dieser Ware versehen. -In Oberitalien sind in den Lagunen von Comacchio an der Pomündung -große Aalfischereien, die jährlich über 1 Million _kg_ dieses fetten -Fischfleisches liefern. Zum Zwecke des Aalfanges sind dort ganze -Systeme von Schleusen, Kanälen und Rinnen angelegt. Diese letzteren, -die mit kleinen Querleisten versehen und innen mit Kies und Sand belegt -sind, dienen der Einwanderung der Aale, die dann, wenn sie erwachsen -zum Meere zurückwandern, abgefischt werden. - -Umgekehrt wie beim Aal, der seine Heimat in der Tiefsee hat und sich -wenigstens in den weiblichen Vertretern im Süßwasser großfrißt, verhält -es sich mit dem ~Lachs~ oder ~Salm~ (_Salmo salar_), der von seiner -einstigen Heimat, dem Süßwasser, sich an die Meeresküste begibt, um -hier zu erwachsen, wobei er bis 1,5 _m_ lang und 45 _kg_ schwer wird. -An dem im Meere reichgedeckten Tisch frißt er sich rasch groß, um zur -Fortpflanzung im Herbst in seinen Heimatfluß zurückzuwandern und an -sandigen Stellen der Quellzuflüsse zu laichen. Wie die Eier des Aals -für ihre Entwicklung die Ruhe der Tiefsee verlangen, so ist umgekehrt -bewegtes kaltes Wasser die Vorbedingung für die normale Entwicklung der -Lachsbrut. Ihm zuliebe legen deshalb diese Wanderfische mit Aufwand -einer Unsumme von Kraft den weiten Weg vom Meer in das Quellgebiet -der heimatlichen Ströme zurück, dabei die größten Widerstände, wie -Wehren und Wasserfälle, zu überwinden suchend. Die paar Monate, -die sie im Süßwasser verweilen, fressen sie überhaupt nicht und -benutzen das Fleisch besonders ihrer Seitenmuskeln zur Bildung der -Geschlechtsprodukte, die im Oktober und November zur Ablage reif -sind. Zum Laichen sucht das stets von mehreren Männchen begleitete -Weibchen seichte Stellen mit reinem Sand- und Kiesgrund auf. Oft -sind diese Stellen an den Quellbächen so wasserarm, daß darin nicht -einmal die Rückenflossen der laichenden Tiere ganz vom Wasser bespült -werden. In verschiedene mit dem Schwanz aufgewühlte flache Mulden -legt das Weibchen die alsbald von den Männchen besamten und dadurch -befruchteten Eier, die dann leicht mit Kies oder Sand bedeckt werden. -Nach Beendigung des Laichgeschäftes wandern die Lachse, von der -bedeutenden Kraftabgabe stark abgemagert, mit weichem, weißem Fleisch -zum Meere zurück. In diesem geringwertigen Zustande bezeichnet man -sie im Rhein als Lachs, während sie dort im frischgemästeten Stadium -vor der Ausbildung der Geschlechtsprodukte mit festem, rötlichem -Fleisch als „Salm“ bezeichnet werden. Abwärts matt und willenlos sich -mehr von der Strömung treiben lassend als eigentlich schwimmend, -erreichen sie das Meer, um sich darin nach so langem Fasten durch -reichliches Fressen wieder festes, rötliches Fleisch anzumästen. -Im Laufe des Sommers haben sie sich wieder so weit gekräftigt und -Reservematerial für die spätere Ausbildung der Geschlechtsprodukte in -ihren Seitenmuskeln aufgespeichert, daß sie abermals zur Fortpflanzung -in die Quellflüsse aufzusteigen vermögen. Hier wächst die Brut rasch -heran, um im zweiten Jahre, wenn die jungen Lachse bis 0,5 _m_ lang -geworden sind, ihren Eltern nach dem Meere zu folgen. Bevor sie sich in -die salzige Flut begeben, halten sie sich in großen Scharen wochenlang -an den Flußmündungen auf und gehen erst allmählich vom Brackwasser -ins Salzwasser des Meeres über. Dieser gewiß für das weichhäutige -Tier nicht gleichgültige Übergang vom Süß- ins Salzwasser wurde für -diesen einst in den kalten Flüssen des Nordens heimischen Fisch -durch die starke Aussüßung der den Flußmündungen zunächstliegenden -Meeresabschnitte durch die gewaltigen Schmelzwässer der Eiszeit -erleichtert und damit die Änderung seiner Lebensweise angebahnt und -überhaupt ermöglicht. - -Der Fang der Lachse geschieht in der verschiedensten Weise mit -mancherlei Garnen, in großen eisernen Reusen und Lachsfallen und durch -Speeren der durch Feuer herbeigezogenen Fische vom Boote aus. Früher -war dieser ausgezeichnete Speisefisch so häufig, daß er ein billiges -Volksnahrungsmittel bildete. Ja, er war so gemein auf den Tischen der -Bürgerhäuser, daß in den Städten am Rhein, z. B. in Basel, sich die -Mägde im Mittelalter ausbedangen, nicht mehr als sechsmal in der -Woche Salm essen zu müssen. Heute wäre man froh, wenn er billiger zu -bekommen wäre. Daß dies in diesen Gebieten nicht mehr geschieht, dafür -sorgen die mit Dampf betriebenen Fischereien der Holländer an den -Rheinmündungen, die den größten Teil der Salme direkt beim Einwandern -in den Fluß im besten Ernährungsstadium abfangen. Was nützt es auch -unter diesen Umständen, künstlich ausgebrütete Junglachse in die -Oberläufe des Rheins auszusetzen, wenn andere die Früchte all dieser -Bemühungen einheimsen! Nichtsdestoweniger hat in vielen Flüssen diese -künstliche Versorgung mit Lachsbrut gute Erfolge erzielt, so daß der -Fang dieses Edelfisches neuerdings wieder ausgiebiger geworden ist, -zumal wenn freundnachbarliche Abkommen sein zu ausgiebiges Wegfangen -schon an den Flußmündungen verhindern. In Nordamerika ist der Lachs -durch nahe Verwandte, im Gebiete der in den Stillen Ozean mündenden -Flüsse durch die schöngefärbte ~Regenbogenforelle~ vertreten, die -neuerdings auch bei uns mit Erfolg eingeführt wurde. Dort und in den -Flüssen Sibiriens spielen die Lachse volkswirtschaftlich eine große -Rolle und werden von einigen Orten der Weststaaten der Union in Menge -zur Herstellung einer geschätzten Fischkonserve verwendet. - -Im Donaugebiet vertritt die Stelle des Lachses ein naher Verwandter, -der ~Huchen~ (_Salmo hucho_), der eine Länge von 1,5-2 _m_ bei einem -Gewicht von 20-50 _kg_ erreicht. Im Gegensatz zu jenem geht er -aber nicht ins Meer, um sich dort großzufüttern, sondern bleibt im -Hauptstrom, um von Ende März bis Mai zum Laichen in die Quellflüsse und -Bäche hinaufzusteigen. Wie der Lachs sucht er seichte, kiesige Stellen -auf, wühlt dort mit dem Schwanz seichte Gruben auf und ist während des -Eierlegens so mit sich selbst beschäftigt, daß man mit einem Kahne über -ihn hinwegfahren kann, ohne ihn zu verjagen. Sein weißliches Fleisch -steht an Wohlgeschmack demjenigen des Lachses merklich nach. Der Fang -geschieht mit großen Garnen oder mit der Angel, auch sticht man ihn, -wenn er ruhig in der Tiefe steht. Da er weniger kaltes Gebirgswasser -als der Lachs zu seinem Gedeihen bedarf und in Teichen, die beständigen -Zufluß haben, gut gedeiht, würde er sich im Gegensatz zu jenem Wanderer -für die Teichwirtschaft eignen, wäre er nicht ein so gefräßiger -Raubfisch und erläge er nicht so leicht einer bei Fischen häufigen -Hautkrankheit. - -Neben dem Lachs spielen auch die andern zeitlebens im Süßwasser -verbleibenden Verwandten, die verschiedenen ~Forellenarten~, eine -wichtige Rolle beim Ertrag der einheimischen Gewässer. Noch mehr als -der Lachs werden sie, besonders die ~Bachforelle~ (_Salmo fario_), in -den verschiedenen Fischzuchtanstalten zu Jungbrut erzogen und dann in -die verschiedenen Bäche, die man wieder zu bevölkern sucht, ausgesetzt. -Vielfach werden sie auch in besonderen Teichen mit kühlem Quellwasser -durch Füttern mit gehackter Leber und Lunge zu verkaufsfähigen -„Portionenfischen“ von 250 _g_ Gewicht auferzogen. Dabei ist man -bestrebt, durch künstliche Zuchtwahl eine möglichst raschwüchsige Rasse -zu erhalten, die schon in zwei statt wie bisher meist erst in drei -Jahren die gewünschte Größe erreicht. Ließe man sie länger leben, so -würden sie schließlich ein Gewicht von 5-10 _kg_ und darüber erreichen. -Solche Riesen sind aber in unsern Gewässern äußerst selten, da sie bei -ihrer enormen Freßgier viel früher dem Menschen zur Beute fallen. - -Da die Bachforelle klares, sauerstoffreiches fließendes Wasser liebt, -findet sie sich in allen Gebirgswässern bis zum Alpengürtel hinauf. Sie -laicht von Mitte Oktober bis zu Anfang Dezember in seichtem Wasser auf -Kiesgrund oder hinter größeren Steinen, da, wo eine rasche Strömung -sich bemerkbar macht, in eine seichte, durch lebhafte Bewegungen mit -dem Schwanze erzeugte Vertiefung und bedeckt nachher die gleich nach -dem Legen vom Männchen befruchteten Eier durch weitere Bewegungen mit -dem Schwanze mit Sand und feinem Kies, um sie dann ihrem Schicksal zu -überlassen. Nach ungefähr sechs Wochen entschlüpfen die Jungen der -Eihülle, verweilen mehr oder weniger regungslos auf der Brutstätte, bis -sie ihren angehängten Dottersack aufgezehrt haben und ein Bedürfnis -nach Nahrungszufuhr verspüren, dem sie zunächst durch kleine und später -durch immer größere Wassertiere zu genügen suchen. - -Viel größer als die Bachforelle wird die ~Seeforelle~ (_Salmo -lacustris_), von der gelegentlich gewaltige Riesen gefangen werden. -Während Forellen gelegentlich auch sehr groß werden -- so hat man nach -einem Zeitungsbericht als die größten bisher in europäischen Gewässern -beobachteten in der Etsch bei Meran zwei Exemplare gefangen, von denen -das größere 99 _cm_ lang war und 32 Pfund wog, das kleinere immer noch -27 Pfund schwer war -- ist dies bei der Seeforelle weit häufiger der -Fall. So hat Prof. Lunel in Genf solche aus dem Genfer See gesehen, die -15 _kg_ Gewicht und 110 _cm_ Länge besaßen. Im Museum von Genf wird das -Skelett einer Seeforelle aufbewahrt, die 131 _cm_ lang ist und im Leben -jedenfalls bedeutend über 15 _kg_ gewogen haben muß. Ein anderer Genfer -Gelehrter, Jurina, schrieb 1815, daß seit Beginn des 18. Jahrhunderts -keine Seeforellen von einem Gewicht über 17,6 _kg_ gefangen worden -seien. Er gibt gleichzeitig das Maximalgewicht dieser Tiere zu 19,8 -_kg_ an. Gregor von Tours spricht von bis 1 Zentner schweren Forellen, -und der Züricher Naturforscher J. J. Wagner meldet in seiner _Historia -naturalis helvetica curiosa_ von 1680, daß Anno 1663 eine 62 Pfund -schwere Forelle von Genf nach Amsterdam verschickt wurde. Vor wenigen -Jahren wurde eine 40pfündige Forelle von Fischern bei St. Gingolph im -Genfer See gefangen. Allerdings gehören heute Exemplare von annähernd -30 Pfund auch im Genfer See zu den Seltenheiten. Auch die Seeforelle -steigt im Herbst zum Laichen aus den Seen in die betreffenden -Quellflüsse hinauf. Ihr Fang ist bedeutend und ihr Fleisch wird sehr -geschätzt. Ihr ähnlich ist die ~Lachsforelle~ (_Salmo trutta_), die -noch etwas größer, nämlich statt 80 _cm_ bis 1 _m_ Länge und ein -Gewicht von 15 _kg_ erreicht. Sie geht wie der Lachs ins Meer, um dort -heranzuwachsen und dann im Frühsommer in die Flüsse aufzusteigen, -um darin im November und Dezember zu laichen. Da sie nicht so weit -flußaufwärts geht wie der Lachs, wird sie im Oberlauf der Ströme nicht -mehr angetroffen. - -Ein Relikt der Eiszeit ist der ~Saibling~ oder die ~Rotforelle~ (_Salmo -salvelinus_) der Gebirgsseen, die in der Regel nicht einmal während der -Laichzeit in den einmündenden Flüssen emporsteigt und wie die ~Renken~ -oder ~Blaufelchen~ (_Coregonus wartmanni_) mit nicht minder geschätztem -Fleisch sich in den tiefen Gründen der betreffenden Seen aufhält, um -sich im November zu seichteren Uferstellen zu erheben und ihren Laich -dort abzusetzen, wobei sie dann durch Fischen mit Netzen gefangen wird. - -In denselben Seen, die die Blaufelchen beherbergen, lebt die -~Bodenrenke~ (_Coregonus fera_), die größer als jene, nämlich 60 _cm_ -lang wird und ein Gewicht von über 3 _kg_ erreicht. Sie gehört zu den -besten Süßwasserfischen und ist um so wichtiger, als sie das ganze -Jahr hindurch, selbst mitten im Winter, wenn die Blaufelchen nicht zu -haben sind, gefischt werden kann. Man fängt sie im Winter mit Garnen, -im Sommer aber an der Angel; doch stirbt sie, sobald sie aus dem Wasser -gezogen wird. Ein mit ihr fast identischer, die Tiefen der großen Seen -Norddeutschlands bewohnender Salmonide ist die ~Maräne~ (_Coregonus -maraena_), die zum Laichen Mitte November nach den seichten Stellen -unweit der Ufer kommt und hauptsächlich im Winter mit großen Netzen -gefangen wird. Auch diese Fische sterben außerhalb des Wassers sofort -ab, lassen sich aber doch, in Eis verpackt, ziemlich weit versenden -oder werden, wie die Bodenrenke, eingesalzen und geräuchert in den -Handel gebracht. - -Am tiefsten unter allen Renken, nämlich wenigstens in 70-90 _m_ -Tiefe, lebt in unsern Seen der ~Kilch~ (_Coregonus hiemalis_), auch -~Kropffelchen~ genannt, weil diesem kleinen, höchstens 40 _cm_ lang -werdenden Fisch beim Heraufgezogenwerden im Netz aus so großer Tiefe -die von mehr als 7,5 auf 1 Atmosphäre versetzte Schwimmblase so stark -ausgedehnt wird, daß er trommelsüchtig wird. Nur gegen Ende September -kommt er in höhere Schichten, um hier zu laichen. - -Eine für gewöhnlich im Meere lebende Renke, die im Mai aus der Nord- -und Ostsee in die Flüsse hinaufsteigt, um darin zu laichen, ist der bis -60 _cm_ lange und 1 _kg_ schwere ~Schnäpel~ (_Coregonus oxyrhynchus_), -im Rhein, wo er früher häufig war, aber jetzt sehr selten geworden ist, -~Maifisch~ genannt. Er steigt aber lange nicht so weit in die Ströme -hinauf als der Lachs und kehrt gleich nach dem erst von September bis -Dezember erfolgenden Laichen ins Meer zurück. Dahin folgen ihm auch die -Jungen, wenn sie 8 _cm_ Länge erreicht haben, und kehren nach erlangter -Reife zur Fortpflanzung wieder in diejenigen Flüsse hinauf, in denen -sie ihre Jugend verbrachten. Ihr zartes, schmackhaftes Fleisch wird -sehr geschätzt und frisch wie eingesalzen und geräuchert gegessen. -Dieser Fisch bildet in ganz Norddeutschland einen wichtigen Gegenstand -des Fanges. - -In denselben Gewässern wie die Forelle, obschon sie ein weniger großes -Sauerstoffbedürfnis als diese hat, findet sich in allen Flüssen des -nördlichen Europa und Asiens die schön rot gefärbte, bis 60 _cm_ lange -und 1,5 _kg_ schwere ~Äsche~ (_Thymallus vulgaris_). Ähnlich der -Forelle schwimmt sie ungemein rasch und springt nach vorüberfliegenden -Kerfen über den Wasserspiegel empor, so daß sie gleich jener mit der -künstlichen Fliege an der Angel gefangen werden kann. Sie laicht im -April und Mai, wobei die Tiere auf sandigem Grunde wie ihre Verwandten -mit der Schwanzflosse seichte Gruben auswerfen, die nach der Ablage -des Laichs wieder mit Sand zugedeckt werden. Ihr Fleisch wird dem der -Forelle an Güte gleichgeschätzt, ist aber weniger haltbar als jenes, -weshalb sie weniger auf den Markt gebracht wird, auch bis jetzt nicht -zur Zucht in Fischteichen benutzt wurde, obschon sie sich so gut als -die Forelle dazu eignen würde. - -Gleich dem Lachs und Schnäpel aus der Familie der Salmoniden treibt es -der zur überaus altertümlichen Familie der Schmelzschupper gehörende -~Stör~ (_Accipenser sturio_), der 2-6 _m_ lang wird und im Atlantischen -Ozean, in der Nord- und Ostsee und im Mittelländischen Meer, wie -auch an der Ostküste Nordamerikas, nicht aber im Schwarzen Meer in -mittleren Tiefen lebt, um sich von den verschiedensten Kleintieren zu -ernähren, die er vermittelst seiner spitzen Schnauze aus dem Schlamme -aufwühlt und mit den vorstreckbaren Lippen erfaßt. Erst zur Laichzeit -im Frühjahr kommt er in höhere Wasserschichten herauf und zieht von -da den Flußmündungen zu, in welche er eindringt und weit aufwärts -schwimmt, um im Quellgebiet zu laichen und dann alsbald wieder dem -Meere zuzustreben. Im Schwarzen und Kaspischen Meer und deren Zuflüssen -wird der Stör durch die beiden nahe verwandten Arten, den ~Sterlet~ -(_Accipenser ruthenus_) und den ~Hausen~ (_Acc. huso_) ersetzt. -Ersterer wird selten größer als 1 _m_ lang bei einem Gewicht von 12 -_kg_, während letzterer -- von den Russen _belúga_ genannt -- bis 15 -_m_ lang und 1000-1600 _kg_ schwer wird. Weil ihr Fleisch, besonders -das des Sterlet, sehr wohlschmeckend ist, wird von jeher eifrig Jagd -auf sie gemacht. - -Plinius sagt in seiner Naturgeschichte, die Störe seien bei den alten -Griechen und Römern überaus geschätzt gewesen, wurden aber zu seiner -Zeit wenig geachtet, obwohl sie selten seien. Nach dem Griechen -Athenaios, um 200 n. Chr., kostete ein Fisch dieser Art 1000 attische -Drachmen (= 7500 Mark), was ein unerhörter Preis ist. Man aß ihn -unter Flötenspiel, wobei nicht nur die Gäste, sondern auch die Diener -bekränzt waren. In Deutschland hat der Störfang nur noch geringe -Bedeutung. An der Elbe und Weser erbeutet man jährlich höchstens -einige tausend Störe, auch in der unteren Donau, die früher Ungarn und -Österreich mit Störfleisch und Kaviar versorgte, empfindet man schwer -die Folgen der bisherigen sinnlosen Fischerei, so daß eine Schonzeit -eingeräumt werden sollte, damit sich der Fisch wieder erholen kann. -Noch sehr ausgiebig ist der Störfang in Rußland, wo an allen in das -Schwarze und Kaspische Meer einmündenden Flüssen Fangplätze liegen, die -jährlich über 4 Millionen Rubel eintragen. Außer dem wohlschmeckenden -Fleisch gewinnt man aus den Eiern ~Kaviar~ und aus der Schwimmblase -einen trefflichen Leim. Den besten Kaviar liefern die kleineren Arten. -Die Eierstöcke, aus welchen man Kaviar gewinnen will, werden zuerst -mit Ruten gepeitscht und dann durch Siebe gedrückt, um die Eier von -den sie umgebenden Häuten des Eierstocks zu lösen. Dann werden sie -gesalzen, wobei das Salz mit den Händen in die Masse hineingeknetet -wird. In Fässern verpackt, kommt dann der Kaviar in den Handel, um -wegen seiner Güte überall willige Abnehmer zu finden. Der Name Kaviar -kommt übrigens von der italienischen Bezeichnung für den ähnlich -eingesalzen genossenen Rogen des Thunfischs _caviale_ und wurde auf -den eingesalzenen Rogen der Störarten übertragen, der russisch _ikrá_ -genannt wird. - -Unter den Edelfischen nehmen die verschiedenen Karpfenarten eine -wichtige Stellung im Haushalte des Menschen ein. Der ~Teichkarpfen~ -(_Cyprinus carpio_), der bei uns dank den Fastengeboten der -katholischen Kirche ganz wesentlich durch die Bemühungen der -Klostergeistlichen geradezu zu einem Haustier erhoben wurde und -in allerlei Farben- und Schuppenvarietäten in besonderen Teichen -gezüchtet wird, war ursprünglich dem Kaspischen und Schwarzen Meer und -deren Zuflüssen eigentümlich. Er findet sich dort und weiter gegen -Mittelasien hinein noch in beträchtlicher Menge wild, während er in den -Gewässern Europas westlich und nördlich davon offenkundig eingeführt -ist und in ihnen teilweise verwilderte. In seiner Heimat hält er -ebensogut wie im Süßwasser auch in den salzreichsten Sümpfen aus. Im -Sommer trifft man ihn vorzugsweise in den seichten Küstengewässern; -im Herbst steigt er dann vom Meere aus die Flüsse hinauf, um hier -zu überwintern. Seine hauptsächlichste Nahrung besteht vorwiegend -aus allerlei kleinem Getier, besonders Würmern, daneben auch aus -vermodernden Pflanzenstoffen. Er laicht am liebsten in stehendem oder -ruhigfließendem Wasser mit schlammigem Grund und gedeiht nur dann, wenn -das von ihm bewohnte Wasser viel den Strahlen der Sonne ausgesetzt -ist und Zuflüsse weichen Wassers hat. Bei genügender Nahrung wird -er schon im dritten Lebensjahre fortpflanzungsfähig. Sobald er sein -Hochzeitskleid anlegt, wird er wanderlustig und versucht, soweit -es ihm möglich ist, flußaufwärts zu steigen und überwindet dabei -bedeutende Schwierigkeiten. Zum Laichen sucht er mit Wasserpflanzen -dicht bewachsene Stellen aus, und zwar legt das Weibchen im fünften -Jahre bereits gegen 300000 Eier; später kann sich diese Anzahl noch -verdoppeln. Er erreicht die Länge von 1 bis 1,5 _m_ und ein Gewicht von -15-20 _kg_. - -Die erste sichere Erwähnung des Karpfens finden wir bei Kassiodor, -dem Geheimschreiber des großen Ostgotenkönigs Theodorich (475 bis -526), der in einem scharfen Rundschreiben an die verschiedenen -Provinzialstatthalter ihnen vorwirft, sie sorgten durchaus nicht -angemessen dafür, daß des Königs Tisch auch königlich beschickt -werde. Die Stelle lautet wörtlich: „Der Privatmann mag essen, was ihm -die Gelegenheit bietet; auf fürstliche Tafeln aber gehören seltene -Delikatessen, wie z. B. der in der Donau lebende Fisch _carpa_.“ -Vermutlich wird dieser Fisch auch in den im mittelalterlichen Latein -_vivaria_ genannten Süßwasserteichen mit Fischen der Landgüter Karls -des Großen in erster Linie gehalten worden sein. Jedenfalls ist in -einem Glossar des 10. Jahrhunderts mehrfach von ihm als _karpho_ die -Rede. Im 13. Jahrhundert spricht der Geistliche Vincentius von Beauvais -im _Speculum naturale_ vom Fisch _corpera_, womit nur der Karpfen -gemeint sein kann, und der Mönch Cäsarius von Heisterbach sagt in -seinen _Dialogi miraculorum_, „Bruder Simon habe den Teufel gesehen und -dieser habe Helm und Panzer getragen, beide mit Schuppen, wie die des -Fisches _carpo_.“ Olaus Magnus sagt um 1530 ausdrücklich, es gebe im -Norden keine Karpfen außer vom Menschen eingeführte und in künstlichen -Teichen gehaltene. In Schweden würden sie wie die Karauschen auch mit -eingeweichten Erbsen und dergleichen gefüttert. - -Überall bei Neugründungen von Klöstern sorgte man dafür, daß die Patres -für die Fastentage einen wohlgefüllten Karpfenteich zur Verfügung -hatten. So ist dieser Fisch durch menschliche Hilfe überall durch -Europa gewandert und in der Folge an vielen Orten verwildert. Besondere -Wichtigkeit hatte die Karpfenzucht schon im 15. Jahrhundert in Böhmen, -Polen und Holstein erlangt. Nach dem Zeugnis des Johannes Dubravius, -Bischofs von Olmütz, trieb man in Polen den Luxus so weit, daß man in -der Nähe der Karpfenteiche besondere Eishäuser besaß, um das Wasser -derselben bei zu großer Erhitzung kühlen zu können. Daß solches -geschah, beweist, daß neben den Karpfen wohl auch Forellen, die nur -in kaltem Wasser gedeihen, darin gehalten wurden. Wenn Bock in seiner -1782 in Dessau erschienenen Naturgeschichte Ost- und Westpreußens -berichtet, daß erst Kurt von Nostiz 1589 den Fisch nach Ostpreußen -gebracht habe, so kann es sich wohl nur um eine lokale Neueinführung -handeln; denn Voigt spricht schon um 1440 von Karpfenteichen in jenem -Lande. Eher will Ed. Hahn die Möglichkeit zugeben, daß der dänische -Staatsmann und große Ökonom Peter Oxe den Karpfen von Deutschland aus -in Dänemark einführte. Der Fisch geht auch jetzt kaum über Südschweden -hinaus, wird auch nur im Süden Norwegens angetroffen, wo er infolge -der ungünstigen Lebensbedingungen überhaupt kleiner bleibt. Jedenfalls -ist auch die vielfach zitierte Angabe falsch, daß der Karpfen erst -1514 durch Leonard Mascall von Plumstead nach England gekommen sei. -Während allerdings der Dichter Chaucer in seinen um 1375 geschriebenen -_Canterbury tales_ nur _breme and luce in stew_, also Brassen und -Hechte im Vorratsteiche kennt, so kommt der Karpfen schon 1504 bei -Bischof Washam unter Heinrich VII. vor. Nach Irland sollen die Karpfen -durch Jakob I., den despotischen, dabei schwachen und eitlen Sohn Maria -Stuarts und Darnleys (geboren 1566, nach der erzwungenen Abdankung -seiner Mutter 1567 zum König von Schottland gekrönt, von 1603-1625 -König von England) gekommen sein. In Schottland gedeihen sie nicht -recht und bleiben oft unfruchtbar, jedenfalls infolge des zu kalten -Wassers. Deshalb werden sie in jenem Lande noch heute nur selten -gehalten. Erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts kam der -Karpfen nach Frankreich und Spanien, wo er als willkommene, leicht zu -haltende Fastenspeise in dem klerikalen Lande bald größere Bedeutung -erlangte. - -Am Schwarzen und Kaspischen Meer findet sich der Karpfen, wie gesagt, -immer noch zahlreich; er ist aber dort, trotz den Bemühungen Peters -des Großen (geb. 1672, reg. 1676-1725), wild geblieben und wird vom -Menschen nicht gezüchtet. Auch nach dem Innern Rußlands hat er sich -nicht als Zuchtfisch verbreitet. Hingegen wird er in Ungarn und -Galizien vielfach gezogen. In den 1840er Jahren wurde er von Frankreich -her nach den Neu-Englandstaaten Nordamerikas gebracht, als der dort -ursprünglich vorhandene Fischreichtum durch die den Amerikanern leider -bisher eigentümliche Raubwirtschaft arg gelitten hatte und man sich -nach leicht zu haltenden Ersatzfischen umsah. Nach Kalifornien kam -er erst 1872 und wird dort mit Vorliebe verwendet, um die riesigen -Staubecken für die Bewässerungs- und Bergwerksanlagen mit Nutzfischen -zu bevölkern. Nach dem katholischen Südamerika kam er viel früher, hat -sich aber infolge der Indolenz der Bevölkerung nur an wenigen Orten -eingebürgert. Neuerdings ist er wieder mehrfach eingeführt worden, -so auch in Chile und Argentinien. Allerdings sollen die sogenannten -Karpfen der Musterfarm der argentinischen Republik nach Philippi in die -braune Urform zurückgeschlagene Goldfische, also Karauschen und nicht -echte Karpfen sein. - -[Illustration: - - Tafel 55. - -Der Lachs (_Trutta salar_). Oben das Weibchen, unten das Männchen. - -(Nach Prof. B. Hofer, Die Süßwasserfische Mitteleuropas.)] - -[Illustration: - - Tafel 56. - -Der Hecht (_Esox lucius_).] - -[Illustration: Der Flußbarsch (_Perca fluviatilis_). - -(Unretuschierte Naturaufnahmen von W. B. Johnson.)] - -[Illustration: - - Tafel 57. - -Der Aal (_Anguilla vulgaris_). - -(Unretuschierte Naturaufnahme von W. B. und S. C. Johnson.)] - -[Illustration: Der Schmetterlingsfisch (_Pantodon buchholzi_), ein -beliebter Zierfisch unserer Aquarien. - -(Aus den Blättern für Aquarien- und Terrarienkunde.)] - -[Illustration: - - Tafel 58. - -Der Stör (_Accipenser sturio_).] - -[Illustration: Der Spiegelkarpfen (_Cyprinus carpio_).] - -[Illustration: Abfischen eines künstlich angelegten Karpfenteiches in -Böhmen. - -Im Herbst werden die seichten Gewässer abgelassen, so daß die Karpfen -gezwungen sind, sich an der tiefsten Stelle zu sammeln. Dort können sie -leicht gefangen werden. Die großen werden als Speisefische verkauft, -die kleinen in sogenannten Hälterteichen überwintert.] - -Bei uns und in den Gewässern Nordamerikas, wie auch anderer -Kulturländer, in denen sich Europäer in größerer Zahl niederließen, -wird der Karpfen heute als einer der beliebtesten Speisefische -in großer Menge gezüchtet. Da man erkannt hat, daß er um so -wohlschmeckender ist, je rascher er wächst, so haben die Fischzüchter, -nach dem Vorgange des Schlesiers Dubisch, ein Verfahren gefunden, nach -welchem die Karpfen in kürzester Zeit den höchsten Nutzungswert -erreichen. Dabei wird die Karpfenbrut schon eine Woche nach dem -Ausschlüpfen aus den Eiern mit feinen Gazenetzen aus dem sogenannten -Streichteich herausgefischt und in besondere Teiche gebracht, die -Streckteiche heißen. In ihnen gibt man etwa 25000 der winzigen -Fischchen auf einen Hektar Wasserfläche. Schon nach vier Wochen werden -die Fische aus diesem Wasser herausgenommen und in geringerer Zahl -- -etwa 1000 Stück pro Hektar -- in andere Teiche übertragen, in denen -sie bis zum folgenden Frühjahr bleiben, um dann wieder umgesetzt zu -werden, und zwar 500 Stück pro Hektar. Nachdem sie hier ein ganzes Jahr -verblieben sind, kommen sie in den letzten Teich, den Abwachsteich, in -welchem man nur 200 Stück auf den Hektar rechnet. Aus diesem Teiche -werden sie im Herbst als marktfähige Ware herausgefischt, und zwar -wiegen sie dann durchschnittlich 1 _kg_ und darüber. Sie bringen also -einen ziemlichen Ertrag, da der Preis für sie etwa 2 Mark pro _kg_ -beträgt. Durch die fortgesetzte Züchtung sind verschiedene Spielarten -des Fisches entstanden, so der Lederkarpfen, der gar keine Schuppen -mehr trägt, der Spiegelkarpfen, der an jeder Körperseite nur eine Reihe -sehr großer Schuppen besitzt, dann der durch einen rötlichen Schimmer -und lachsfarbenes Fleisch ausgezeichnete Goldkarpfen, der Blaukarpfen -u. a. In den Gewässern von Schwaben, Bayern und Böhmen wird mit -Vorliebe die als Karpfenkönigin bezeichnete Abart, im Donaugebiet und -den ungarischen Seen dagegen der Spitzkarpfen gezogen. - -In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Karpfen auch in -Australien angesiedelt. Schon längst ist er dagegen ist in Ostasien -heimisch, und zwar als uraltes einheimisches Zuchtprodukt der Chinesen, -von dem, wie von der Karausche, mehrere buntfarbige Kulturrassen -existieren. Die Fischzucht in Teichen ist in China uralt und wird schon -im Schi-king, d. h. dem Buch der Lieder, einer von Konfutse (550-478 -v. Chr.) veranstalteten Sammlung von Liedern, die teilweise in das 18. -Jahrhundert v. Chr. zurückreichen, erwähnt. Genauere Aufzeichnungen -über die Art der Fischzucht sind allerdings auch in den Annalen dieses -uralten Kulturvolkes erst späteren Datums. So wird uns als der älteste -Fischzüchter Tao-tsu-kung genannt. Dieser lebte im 5. Jahrhundert -v. Chr. und verfuhr dabei folgendermaßen. Er grub einen Teich, der -die Größe eines Morgens (gegen 30 Ar) besaß und neun kleine Eilande -umfaßte. Darein setzte er 20 Karpfenweibchen von 3 Fuß Länge und 4 -Karpfenmännchen gleicher Größe aus, und zwar im März. Ein Jahr darauf -waren schon 5000 Fische von einem, 10000 von zwei und 15000 von drei -Fuß Länge im Teiche. Im dritten Jahre hatte sich ihre Zahl bereits -verzehn- und verzwanzigfacht. Die neun Inselchen, die der Fischzüchter -Tao-tsu-kung im Teiche gebaut hatte, sollten den Fischen vortäuschen, -sie befänden sich in einem großen Meere und schwämmen an Festländern -vorbei. Noch heute werden Karpfen und andere Süßwasserfische in Menge -in China gezüchtet. Man füttert die Brut mit Eidotter, feingestoßener -Kleie und pulverisierten Bohnen. Wenn die Fische eine bestimmte Größe -erreicht haben, werden sie in flache Teiche gesetzt, deren Ufer von -ganz bestimmten Bäumen und Sträuchern bepflanzt werden. So glaubt man -beispielsweise, daß der am Morgen nach kühler Nacht von den Blättern -der Platane in den Teich tropfende Tau von heilsamer Wirkung für -das Fischvolk sei. Mancher Europäer, der im Innern und besonders im -Süden Chinas einen idyllisch gelegenen und von prächtigen Bäumen und -Sträuchern eingefaßten Fischteich bewundert, spendet dem Schönheitssinn -der naturfrohen Chinesen unwillkürlich Lob, ohne zu wissen, daß die -reizvolle Umgebung des Teiches nur abergläubischen Gründen ihre -Entstehung verdankt. - -Ebenso alt oder vielleicht noch älter als der Teichkarpfen ist in China -die ~Teichkarausche~, die man als hochgezüchteten Zierfisch auch bei -uns unter dem Namen ~Gold-~ oder ~Silberfisch~ (_Carassius auratus_) -eingeführt hat. Für die Deutschen gab zuerst Kämpfer in seiner 1777 -herausgegebenen Beschreibung Japans eine Schilderung dieses von den -Japanern King-jo genannten, meist roten, am Schwanze aber leuchtend -goldgelben Zierfisches, der in Japan und China viel in Teichen gehalten -und gewissermaßen als Haustier betrachtet wird. Er ist aber nicht in -Japan, sondern in dem viel früher zu hoher Kulturblüte emporgestiegenen -China zum Kulturfisch erhoben und nicht nur in bunten Farben, sondern -auch in den bizarrsten Formen mit gedrängtem Körper, dickem Kopf, -weit hervorquellenden großen Glotzaugen und stark verlängerten und -verbreiterten Flossen gezüchtet worden. Meist wird die Provinz -Tsche-Kiang am östlichsten Zipfel Chinas, südlich vom Jang-tse-kiang -und der Stadt Schang-hai, als Ursprungsgebiet der chinesischen -Karauschenzucht angesehen, seitdem der Holländer Nieuhof in seiner -1665 in Amsterdam publizierten beschryving von Sina bei Gelegenheit -der Gesandtschaft an den Kaiser von China, an der er teilnahm, solche -Behauptung aufgestellt hat. Doch ist dies keineswegs sicher. Wir wissen -nur, daß sie am frühesten im eigentlichen Herzen Chinas gezüchtet -wurden; und zwar finden wir sie nach chinesischen Quellen zuerst im -Jahre 540 n. Chr. erwähnt. Ums Jahr 960 war ihre Zucht im ganzen Reiche -der Mitte verbreitet und gelangte dank den regen Kulturbeziehungen -frühe auch nach dem Sonnenaufgangslande Nippon, d. h. Japan, wo sie -bald ebenso populär als in ihrer ursprünglichen Heimat wurde. Die -schätzenswerte Eigenschaft der Karauschen, in sehr kleinen Wasserbecken -gut zu gedeihen und darin sogar zur Fortpflanzung zu schreiten, -begünstigte ganz wesentlich ihre rasche Ausbreitung und ihre Haltung in -den von den Japanern so geliebten Miniaturgärtchen in vielfach geradezu -winzigen Wasserbehältern. - -Nach Brehm gelangte der Goldfisch aus China wahrscheinlich zuerst -nach Portugal und verbreitete sich, nachdem er hier eingebürgert war, -allmählich weiter über Europa. Das Jahr der Einführung desselben wird -von den Schriftstellern verschieden angegeben. Einzelne nennen 1611, -andere 1691, wieder andere 1728. Diese Zahlen wären sehr wohl möglich, -da sich die Portugiesen schon um 1522 um Makao festsetzten und in regen -Tauschverkehr mit den Chinesen traten. Da lag es ja sehr nahe, diesen -leicht in kleinen Behältern in wenig durchlüftetem Wasser zu haltenden -Zierfisch auf ihren Schiffen weithin zu befördern. Eduard Hahn aber ist -in seinem Haustierbuche anderer Meinung. Er hält die von Markus Bloch -in seiner 1782 erschienenen Naturgeschichte der Fische Deutschlands -angegebene Jahreszahl 1611 als Termin der Einführung nach Europa für -einen Druckfehler, statt des richtigeren 1691. Die Zahl 1611 sei auch -viel zu früh für die Ankunft des Goldfisches in Europa; denn bei der -langsamen und mühseligen Schiffahrt, wie sie damals bestand, sei wohl -an einen Transport von China bis Europa ohne Zwischenstation nicht zu -denken. Als eine solche Zwischenstation ergebe sich naturgemäß Batavia, -dessen reiche chinesische Kaufleute es ebenso wie die Holländer, die -sich 1594 nach Verdrängung der seit 1579 dort ansässig gewordenen -Portugiesen auf Java festsetzten, allerdings erst 1677 bedeutende -Gebiete des Landes eroberten und schließlich die ganze Insel unter -ihre Botmäßigkeit brachten, liebten, sich mit dem Glanze und Luxus -ihrer einheimischen Kultur zu umgeben. In seinem 1726 in Dordrecht -erschienenen Buche über Niederländisch Indien erwähnt Valentijn den -Fisch als in Batavia gezogen. Die nächsten Stationen von dort her -auf dem Wege nach Europa seien wohl Mauritius und dann St. Helena -gewesen. Von hier seien dann nach Pennant die ersten Goldfische 1691 -nach England gekommen; doch scheinen sie sich hier nicht fortgepflanzt -zu haben. Nachher kamen sie von dorther öfter nach England, so nach -Petiverius mehrfach zwischen 1711 und 1718. Die ersten Goldfische, die -zur Fortpflanzung zu bringen waren, gelangten 1728 nach London, wohin -sie eines der Schiffe des damaligen Lordmajors, Sir Decker, brachte. -Auch von diesen Fischen wird ausdrücklich bezeugt, sie seien von St. -Helena gekommen. Diese Goldfische scheinen dann den ersten Grundstock -des englischen und später auch des allgemein europäischen Bestandes -abgegeben zu haben. - -Die Goldfische, die in der Folge durch Decker in England verteilt -wurden, dann durch seine Vermittlung auch nach seiner Heimat Holland, -z. B. in den berühmten Cliffordschen Garten in der Universitätsstadt -Leiden, an dem einst Karl von Linné seine ersten botanischen Studien -gemacht hatte, gelangten, schritten an ihrem neuen Wohnorte ganz -ausnahmsweise zur Fortpflanzung. Nur diejenigen, die ein naturkundiger -Arzt in Harlem bekommen hatte, pflanzten sich anfangs spärlich, dann -aber reichlicher fort. Von ihm erhielt Baster in Harlem 1758 junge -Goldfische, die er mit großer Sorgfalt großzog. Als er 1775 starb, -verkaufte die Witwe den Bestand um einen hohen Preis; denn diese Tiere -waren damals noch sehr selten und kaum bei Privatleuten zu finden. -Deshalb glaubte auch die französisch-ostindische Handelsgesellschaft -ein wertvolles Geschenk zu machen, als sie der allmächtigen Maitresse -Ludwigs XV. von Frankreich, der Marquise de Pompadour, um 1760 einige -Goldfische überreichen ließ. Diese Fische scheinen aus dem botanischen -Garten gekommen zu sein, den die Compagnie in ihrem Hafenplatz Lorient -im Departement Morbihan in der Bretagne besaß. Allmählich verbreiteten -sich ihre Nachkommen über Frankreich und die angrenzenden Länder des -europäischen Kontinents. - -Nach der wissenschaftlichen Beschreibung, die Linné von ihnen gab, -scheinen die ersten Goldfische, die nach Leiden gelangten, sogenannte -Straußschwänze gewesen zu sein. Auch die Fische Basters gehörten zu -dieser Rasse, die in der Folge bald in ganz Holland Mode wurde. Um 1750 -sagt der Engländer Edwards in seiner Geschichte der Vögel, daß alle aus -St. Helena nach Europa fahrenden Schiffe Goldfische mit sich führen. -1749 bezog die schwedisch-ostindische Compagnie eine Sendung lebender -Goldfische aus Kanton. Damals waren sie nicht nur in Schweden, sondern -selbst in England noch eine solche Neuigkeit, daß Naturforscher, -wie Gilbert White, der Verfasser einer sehr guten Naturgeschichte, -stundenlang vor sie hinsitzen konnten, um sie zu beobachten. Noch -John Bell of Antermony hatte sie, als er 1763 seinen Reisebericht in -Glasgow publizierte, nur in China gesehen, wo er 1720 gewesen war. -1808 sah sie der französische Naturforscher Bory de St. Vincent bei -Gelegenheit der Besetzung Spaniens durch die Franzosen in einem Teiche -des Schlosses Alcazar bei Sevilla. Sonst sind keine Nachrichten über -diesen Zierfisch aus früherer Zeit aus jenem Lande auf uns gekommen. - -Gegenwärtig hat sich der Goldfisch über die ganze Erde verbreitet, -soweit sie von gebildeten Menschen bewohnt wird. Überall ist er in -den warmen Teilen der gemäßigten Zone wirklich heimisch geworden und -an vielen Orten verwildert, besonders auf Inseln, auf denen ihm nur -eine schwache Konkurrenz an Süßwasserfischen gegenüberstand. So bildet -er heute den wichtigsten Süßwasserfisch auf den Azoren und belebt in -großer Zahl die Gewässer von Madeira, Réunion und Mauritius; dann ist -er auch in Algerien, Portugal, auf Java, den Philippinen und Hawaii -verwildert. Hier ist er überall mehr oder weniger goldig gefärbt -geblieben; nur in Chile, wo er ebenfalls verwilderte, ist er in die -braune Urform zurückgeschlagen. - -In ihrer Heimat China ist der Goldfisch durchaus nicht bloß Zierfisch, -sondern vor allem auch Nutzfisch, der eine respektable Größe erreicht -und sehr wohlschmeckendes Fleisch aufweist. So berichtet der Franzose -Courcy in seinem 1867 in Paris erschienenen Buche: „Das Reich der -Mitte“ von bis 10 Pfund schweren Goldfischen. Bei uns werden sie -in größeren Teichen nur 25-30, höchstens 40 _cm_ lang, während sie -in kleinen Behältern ganz winzig bleiben. Sie werden in letzteren -mit Semmelkrumen oder Oblatenstücken und zerriebenen Ameisenpuppen -gefüttert, doch darf die Menge derselben nur ganz gering sein, -da ein Übermaß von Futter einen selbst diesen genügsamen Fischen -unerträglichen Schleim erzeugt. Bei sorgfältiger Pflege gewöhnen sie -sich bald an den Menschen und sind schließlich so weit zu bringen wie -in ihrer Heimat China, wo sie gelegentlich das vorgehaltene Futter aus -der Hand nehmen. - -Der Stammvater des Goldfisches ist die ~chinesische Karausche~, ein -dem nahe verwandten Karpfen ähnelnder Fisch von dunkelbrauner Farbe. -Diese ihre Abstammung bekunden sämtliche Varietäten des Goldfisches, -indem sie stets als Reminiscenz an die Färbung der Ahnen in der Jugend -dunkelbraun gefärbt sind und erst später die durch Zucht erzielte -definitive Färbung erlangen, die bald goldgelb und metallisch glänzend, -bald schön rot, bald schwarz und gelb oder schwarz und rot, auch rot -und silberweiß gescheckt, manchmal auch ganz silberweiß oder schwarz -ist. Die Goldfarbe entspricht einer der Stufen zwischen dem Leucismus -und Melanismus und kommt durch Zuchtauslese außer beim Goldfisch -auch bei andern Fischen vor, so bei Schleie und Orfe, die dann als -Goldschleie und Goldorfe unterschieden werden. Letztere sind nun -allerdings als erst kürzlich in Zucht genommene Varietäten lange nicht -so schön gefärbt wie der Goldfisch; doch wird letzterer einst, als die -Chinesen begannen ihn in Zucht zu nehmen, auch nicht schöner gefärbt -gewesen sein. - -Auch der bedeutendste Fischkenner unserer Zeit, _Dr._ Günther in -London, ist der Ansicht, daß der Goldfisch eine durch Zucht fixierte -Farbenvarietät der chinesischen Karausche ist, die von unserer -~europäischen Karausche~ (_Carassius carassius_) kaum verschieden -ist. Solche goldfarbige Varietäten kommen auch bei unserer Karausche -vor, die von Europa über ganz Mittel- und Nordasien verbreitet ist. -Der deutsch-russische Reisende Pallas erwähnt eine solche goldfarbige -Varietät aus der Steppe am Ural. Wahrscheinlich würde also auch aus -unserer Karausche, deren Farbe oft wechselt und häufig sehr bunt ist, -sich mit der Zeit eine ganze Reihe hübscher Abarten ziehen lassen, -wenn man sich darauf verlegen wollte. Bei uns begnügt man sich eben -mit ihrer Zucht als Speisefisch, da sie außerordentlich genügsam ist -und auch noch in moderigem Wasser gedeiht, wo die Karpfenzucht ganz -unmöglich ist, weil das Fleisch des Karpfens dadurch fast ungenießbar -wird. Solches Wasser schadet dem Geschmack des Fleisches der Karausche -durchaus nicht. - -Die Karausche liebt schon im Wildzustand stehendes Wasser, namentlich -Seen mit versumpften Ufern und Altwässer, wie man die vom aktiven Strom -abgetrennten Flußarme nennt. Sie kommt aber auch in Teichen, Sümpfen -und Mooren vor, ist überhaupt befähigt, in dem verschiedenartigsten und -unreinsten Wasser auszuhalten und bei der schmutzigsten, schlammigsten -Nahrung zu gedeihen. Sie nährt sich wie der Karpfen hauptsächlich von -Würmern, Larven, faulenden Pflanzenstoffen und Schlamm, hält sich -dementsprechend fast stets am Grunde auf, verweilt hier auch während -der kalten Jahreszeit in Erstarrung, kann sogar in Eis einfrieren -und wieder aufleben. Sie hat überhaupt ein sehr zähes Leben, kann -stundenlang außer Wasser leben und läßt sich, in Schnee oder feuchtes -Laub verpackt, in jeder Jahreszeit weithin versenden. Nur während der -Laichzeit, die in Südeuropa in den Juni, in Nordeuropa dagegen in -den Juli fällt, erscheint sie öfter an der Oberfläche des Wassers, -insbesondere an seichten, mit Pflanzen bewachsenen Stellen, tummelt -sich hier in Scharen umher und spielt, mit den Lippen schmatzend, an -der Oberfläche, bis das Eierlegen beginnt. Obschon das Weibchen nur -gegen 100000 Eier legt, vermehrt sich die Karausche stark und wird mit -Erfolg nicht nur in moderigen Teichen, sondern auch in Forellenteichen -gezüchtet, in denen sie als Futter für diese Raubfische dient. -Sehr geschätzt ist die Karausche besonders in Rußland, wo sie alle -Steppengewässer in großer Menge bevölkert und von den Umwohnern als -willkommene Speise genossen wird. Sie läßt sich mit dem Karpfen kreuzen -und liefert dann die ~Karpfkarausche~ (_Cyprinus kollari_), die aber -keine besonderen Vorzüge vor den Stammeltern hat und deshalb nur selten -gezogen wird. - -Wie der Karpfen ist auch die ihm verwandte kleinschuppige ~Schleie~ -(_Tinca tinca_), die eine Länge von 70 _cm_ und ein Gewicht von -3-4, in seltenen Fällen wohl auch 5-6 _kg_ erreicht, ihres zarten, -wohlschmeckenden Fleisches wegen als Speisefisch sehr geschätzt. Sie -gehört unter den europäischen Karpfenarten zu den verbreitetsten -und bewohnt den größten Teil Europas, überall zu den gemeinsten -Teichfischen gehörend. Auch sie ist mehr ein Fisch der Ebenen, obschon -sie bis zu 1000 _m_ Höhe emporsteigt. Sie liebt Flüsse weniger als -stehende Gewässer und unter diesen Seen, Teiche und Sümpfe mit -schlammigem oder lehmigem Grund mit spärlichem Röhricht. In den Flüssen -zieht sie sich stets nach solchen Stellen zurück, in denen das Wasser -langsam fließt und ziemlich viel Schlamm abgesetzt hat; denn aus ihm -bezieht sie ihre Nahrung. Ganz besonders soll sie in abgebauten und -mit Wasser angefüllten Lehmgruben gedeihen. Träge hält sie sich fast -beständig nahe dem Boden auf und steigt bloß bei sehr gutem Wetter -und während der Fortpflanzungszeit an die Oberfläche herauf. Wie -der Schlammbeißer findet sie sich noch in Gewässern wohl, in denen -andere Fische und selbst Karpfen absterben, weil ihr Sauerstoffbedarf -außerordentlich gering ist. Sie liebt wie alle andern Karpfenarten -warmes Wasser und frißt wie diese allerlei Gewürm und vermodernde -Pflanzenstoffe mit der darin lebenden Kleintierwelt. Ihre Laichzeit -fällt von Mai bis Juli, wobei ein etwa 2 _kg_ schweres Weibchen -300000 Eier legt. Die Vermehrung ist also eine sehr starke. Die -Jungen wachsen ziemlich schnell heran, doch vergehen immerhin meist 4 -Jahre, bevor sie fortpflanzungsfähig werden. Ihr Fleisch erzielt kaum -einen höheren Preis als dasjenige der Karausche, übertrifft aber das -der letzteren unzweifelhaft an Güte. Weil nun die Schleie, die sich -während des Winters nach Art anderer Familienverwandten in den Schlamm -einwühlt, um die kalte Jahreszeit in einem halb bewußtlosen Zustande zu -verbringen zu den anspruchslosesten Fischen des Erdballs zählt, eignet -sie sich -- abgesehen vom Aal -- wie kein anderer Fisch zur Besetzung -sumpfiger, sonst höchstens der geringwertigen Karausche preisgegebener -Gewässer. Schon aus diesem Grunde verdient ihre Zucht die wärmste -Empfehlung. Von ihr züchtet man in einzelnen Gegenden, besonders in -Böhmen und Oberschlesien, eine prachtvolle Spielart, die unbedingt zu -den schönsten aller europäischen Fische gezählt werden muß. Es ist dies -die vorhin erwähnte Goldschleie. - -Außer der Schleie eignet sich unter den Karpfenarten vor allem auch -die ~Barbe~ (_Barbus vulgaris_), die das Gebiet aller deutschen -Ströme bevölkert, insofern zur Teichwirtschaft, als sie den Hecht -im Karpfenteich ersetzt, d. h. die trägen Karpfen aufrüttelt und -durch den dadurch bei ihnen angeregten Stoffwechsel günstig auf -deren Entwicklung wirkt. Sie erreicht eine Länge von 60-70 _cm_ -und ein Gewicht von 4-5 _kg_, ist gestreckt gebaut und durch die -vier als Tastorgane dienenden Bartfäden an der oberen Kinnlade des -unterständigen Maules ausgezeichnet. Sie meidet stehendes Wasser, sucht -dagegen strömendes Wasser mit sandigem oder kiesigem Untergrund auf. -Während des Sommers hält sie sich gern zwischen Wasserpflanzen auf, -am Tage mehr ruhend, nachts dagegen Futter suchend, das aus Würmern, -kleinen Fischen, Schlamm und winzigen Tieren aller Art besteht. Sobald -die Wasserpflanzen im Herbste absterben, an denen sie ihr Futter -sucht, begibt sie sich an tiefere Stellen im Flusse und sucht sich -hier Zufluchtsorte unter und an Steinen, in Höhlungen und dergleichen, -wühlt sich auch wohl am Uferrande ein. Hier hält sie, oft haufenweise -angesammelt, eine Art Winterschlaf. Zur Zeit der Fortpflanzung, die in -die Monate Mai und Juni fällt, bilden die Barben Züge von hundert und -mehr Stück, die in langer Reihe hintereinander herschwimmen, so daß -die alten Weibchen den Zug eröffnen, die alten Männchen ihnen folgen, -minder alte sich ihnen anreihen und die Jungen den Schluß bilden. - -Durch ihre Massenversammlungen zur Laichzeit gibt auch die ~Nase~ -(_Chondrostoma nasus_) Veranlassung zu reichem Fang. Sie bevölkert -im Donau- und Rheingebiet fast alle Seen, lebt meist gesellig und -hält sich fast stets am Grunde auf, sich von Pflanzen, namentlich -Wasseralgen aller Art, ernährend, die sie mit den harten Kieferrändern -leicht von der Unterlage abzulösen vermag. Um sich fortzupflanzen, -zieht sie im April und Mai in Scharen vom Hauptstrom in die -Nebenflüsse und von diesen in die Bäche. Hier legt sie die Eier an -kiesigen Stellen ab, über die das Wasser rasch hinwegströmt. Ihr -Fleisch ist seines Grätenreichtums wegen nicht sonderlich geschätzt. - -Einer unserer häufigsten Flußfische ist der ~Barsch~ (_Perca -fluviatilis_), dessen gedrungener, seitlich zusammengedrückter, gelber -bis grünlicher Leib mit 5-9 vom Rücken gegen den Bauch verlaufenden -dunkeln Querbinden versehen ist. Seine Länge übersteigt bei uns selten -25 _cm_, das Gewicht 1 _kg_; doch kommen in manchen Seen Stücke von -1,5 bis 2 _kg_ Gewicht vor. Er ist überall im Norden der Alten Welt -verbreitet und gedeiht am besten in Seen mit klarem Wasser; doch fehlt -er auch Flüssen und tiefen Bächen nicht, geht auch ins Brackwasser und -selbst in schwach salzige Meeresteile, wie beispielsweise die Ostsee. -In den Flüssen zieht er die Uferseiten und die Stellen mit geringerem -Strome der Mitte und dem lebhaften Strome vor, ist auch fähig, in den -Seen in größere Tiefen, von etwa 80-100 _m_, hinabzusteigen und dort -zu leben, so daß ihm, mit dem Netz von dort heraufgezogen, infolge -des verminderten Luftdrucks durch Ausdehnung der Schwimmblase der -umgestülpte Magen blasenförmig zum Munde hervorquillt. Mit Vorliebe -jagt er zu kleinen Trupps vereinigt, lauert auch gern in Höhlungen des -Ufers auf seine Beute. Seine Freßgier ist so groß, daß er nach jedem -Köder schnappt und, auch gefangen, bald das Futter aus der Hand seines -Pflegers nimmt. Er läßt sich sehr leicht fangen, dauert auch außerhalb -des Wassers längere Zeit aus, läßt sich daher weit versenden, wenn -er nur unterwegs von Zeit zu Zeit zur Erfrischung in Wasser getaucht -wird. Auch hält er sich Tage und Wochen im engen Fischkasten, was ein -weiterer Vorzug ist. Aus der Haut der zum Essen nicht geschätzten -jüngeren Fische wird ein der Hausenblase ähnlicher, sehr haltbarer -Leim bereitet; die älteren Fische dagegen dienen als wohlschmeckende -Speise. Seine Laichzeit fällt von März bis Mai. Im dritten Lebensjahre, -wenn er eine Länge von etwa 15 _cm_ erreicht hat, ist er bereits -fortpflanzungsfähig und legt bis zu 300000 Eier. Doch vermehrt er sich -gleichwohl nicht in größerer Zahl, da Fische und Wasservögel zahlreiche -Eier fressen, auch die jungen Fische zahlreichen Feinden ausgesetzt -sind. - -Den Barsch übertrifft an Wohlgeschmack bedeutend sein Verwandter, der -durch ein köstliches schneeweißes Fleisch ausgezeichnete ~Zander~ -(_Lucioperca sandra_), der die Ströme und größeren Flüsse Nordost- und -Mitteleuropas, in Norddeutschland die Elbe-, Oder- und Weichselgebiete -und benachbarten Seen, in Mitteleuropa das Donaugebiet bewohnt, -dagegen dem Rhein- und Wesergebiet, ebenso ganz Westeuropa fehlt, -auch innerhalb seines Verbreitungsgebietes alle schnellfließenden -Flüßchen meidet. Er liebt langsamfließende Gewässer, in deren Tiefe er -sich für gewöhnlich aufhält, und erscheint nur während der zwischen -die Monate April und Juni fallenden Laichzeit an seichteren, mit -Wasserpflanzen bewachsenen Uferstellen, um hier seine Eier zu legen. -Als ein außerordentlich raubgieriger Fisch, der alle kleineren Fische -auffrißt und seine eigene Brut nicht verschont, wächst er ungemein -schnell und erreicht im ersten Jahre bereits ein Gewicht von 0,75, -im zweiten ein solches von 1 _kg_. Auch seine Vermehrung ist eine -bedeutende. Sein Fleisch ist wie bei allen Fischen am besten und -fettesten vor der Laichzeit, also im Herbst und Winter, muß aber -frisch zubereitet werden, da es geräuchert oder gesalzen sehr an -Schmackhaftigkeit verliert. An der unteren Elbe wird es demjenigen -des Lachses gleichgeschätzt und ist fast eben so teuer. Im Rhein- und -Wesergebiet, wo er, wie gesagt, ursprünglich nicht heimisch war, ist -er in den letzten Jahren mit so gutem Erfolge eingesetzt worden, daß -der Zanderfang für die dortigen Fischer heute schon ein bedeutender -Faktor geworden ist. In größeren, an schlecht schmeckenden Weißfischen, -Plötzen, Rotaugen, Stinten, Gründlingen und anderen minderwertigen -Fischen, die ihm zur Nahrung dienen könnten, reichen Gewässern, -kleineren Seen oder Teichen würde sich die auf die Zucht gerade dieses -Fisches verwandte Mühe reichlich lohnen. - -Ebenfalls sehr empfehlenswert für die Teichwirtschaft ist der den -beiden vorigen verwandte, nur 25 _cm_ lang und 250 _g_ schwer -werdende ~Kaulbarsch~ (_Acerina cernua_), der überall in Deutschland -gefunden wird, nur im Oberrheingebiet fehlt, weil er den Rheinfall -von Schaffhausen nicht zu überwinden vermag. Seine Lebensweise ähnelt -derjenigen des Flußbarsches. Er zieht klare, tiefe Seen seichteren -Gewässern vor, besucht aber letztere während der Laichzeit im April -und Mai und wandert dann gewöhnlich truppweise, während er sich sonst -mehr einzeln hält. In den Flüssen und Bächen verweilt er bis gegen -den Herbst hin; zum Aufenthalt im Winter aber wählt er sich tiefere -Gewässer und kehrt deshalb wieder zu den Seen zurück. Seine Nahrung -besteht aus kleinen Fischen, Würmern und Kerfen. Der Laich wird auf -Steinen abgesetzt. Seinen Fang betreibt man mit der durch einen -Regenwurm geköderten Angel oder mit feinmaschigen Netzen. Sein Fleisch -wird als sehr schmackhaft geschätzt. - -Ihres köstlichen Fleisches wegen wird, wie die verschiedenen -Karpfenarten, auch die ~Schmerle~ oder ~Bartgrundel~ (_Nemachilus -barbatulus_) in manchen Gegenden, so besonders in Böhmen, in kleinen, -reichlich mit Schafmist zur Entwicklung von ihr zur Nahrung dienenden -Kerbtierlarven beschickten Teichen gezüchtet. Sie lebt darin lange Zeit -und zeichnet sich durch ungeheure Gefräßigkeit aus. Ihr Wohngebiet ist -Mitteleuropa nördlich der Alpen und reicht im Osten bis zum Ural. In -Schweden wurde sie durch Friedrich I., der von 1751 bis 1771 regierte, -aus Deutschland eingeführt. Sie hält sich besonders in Flüssen und -Bächen mit raschfließendem Wasser auf und verbirgt sich tagsüber unter -hohlliegenden Steinen. Erst gegen Sonnenuntergang beginnt ihre die -ganze Nacht hindurch währende Jagdzeit. Ihre Laichzeit fällt in die -ersten Frühlingsmonate. Das Männchen gräbt mit dem Schwanz ein Loch in -den Sand, in welches das Weibchen die Eier legt; dann hält es bis zum -Ausschlüpfen der Jungen Wacht am Neste. - -Häufiger als die Schmerle findet man in Fischteichen den ~Hecht~ -(_Esox lucius_) angesiedelt, der nicht mit Unrecht der „Hai der -Binnengewässer“ genannt wird, da er der gefürchtetste Räuber der -europäischen Seen und Flüsse ist. Er scheint sich in seichtem, -sumpfigem Gewässer ebenso wohl zu fühlen wie in einem tiefen, klaren -See und erreicht gelegentlich eine Länge von 2 _m_ und ein Gewicht -bis zu 35 _kg_. Wie ein Pfeil schießt er durch das Wasser auf seine -Beute zu, sobald er sie mit seinen scharfen Augen erspäht hat. Seine -Gefräßigkeit übertrifft die aller anderen Süßwasserfische. Dabei ist -ihm alles recht, von dem er glaubt, daß er es bewältigen könne, bis -hinauf zu größeren Vögeln und Säugetieren. Bei solcher Unersättlichkeit -ist es kein Wunder, daß das Wachstum dieser Tiere ungemein rasch ist -und sie im ersten Jahr 1 _kg_, im folgenden 2 _kg_, bei genügender -Nahrung sogar 4 und 5 _kg_ an Gewicht erreichen. Ihre Laichzeit fällt -in den März und April. Die Eier werden auf seichten, mit allerlei -Wasserpflanzen bewachsenen Stellen abgelegt und sind schon nach wenigen -Tagen gezeitigt. Von den Jungen findet ein großer Teil im Magen älterer -Hechte sein Grab, ein anderer, kaum geringerer, fällt den Geschwistern -zum Opfer, die um so rascher heranwachsen, je mehr sie Nahrung finden. - -Im Altertum stand das Fleisch der Hechte bei Römern und Griechen nur -in geringem Ansehen. Nördlich der Alpen jedoch wurde es von jeher vom -Menschen sehr geschätzt und galt besonders in England für teilweise -noch besser als dasjenige des Lachses. Auch heute noch ist er als -Braten geschätzt und wird schon aus diesem Grunde, nicht nur des -Schadens wegen, den er anrichtet, eifrig verfolgt. Außer Netz und -Reuse wird besonders die Schmeißangel zu seinem Fange benutzt. Zur -Teichwirtschaft eignet er sich vorzüglich, vorausgesetzt, daß man ihn -da unterbringt, wo er nicht schaden kann, oder ihm genügenden Vorrat -an Fischen gewährt. Er verträgt hartes wie weiches Wasser, darf aber -nicht während der Laichzeit eingesetzt werden, weil er zu dieser Zeit -leicht absteht. Um die trägen Karpfen in Bewegung zu erhalten, wird er -in kleinen Exemplaren, die weiter nicht schaden, auch in Karpfenteichen -gehalten. - -[Illustration: Bild 51. Ägypter mit dem Landungsnetz fischend. - -Auf einem Grabgemälde in Theben. (Nach Wilkinson.)] - -Nicht in der Teichwirtschaft verwendet, aber gleichwohl meist gern -gegessen wird die ~Brachse~ (_Abramis brama_), die 50-70 _cm_ Länge und -ein Gewicht von 4-6 _kg_ erreicht. Nördlich der Alpen wird sie überall -in den tieferen Süßwasseransammlungen, meist in starken Gesellschaften, -gefunden, wo sie den Sommer über im Schlamme nach Nahrung wühlt. Um zu -laichen, was stets zur Nachtzeit an seichten, grasreichen Stellen in -der Nähe des Ufers geschieht, vereinigt sie sich im Frühjahr zu großen -Zügen und wird dann in Menge gefangen. Wenige Tage nach dem Abzuge der -Fische wimmeln die seichten Uferstellen von Millionen ausgeschlüpfter -Jungen, die sich noch eine Zeitlang auf der Stätte ihrer Geburt -umhertreiben und dann ihren Eltern in die Tiefe der Gewässer folgen. - -Von den ihres minderwertigen Fleisches wegen nicht besonders -geschätzten Süßwasserfischen soll hier nicht die Rede sein. Nur die -~Lauben-~ oder ~Weißfische~ (_Alburnus_) mögen noch genannt werden, -da man sie regelmäßig fängt, um sie als Köder für andere Fische zu -benutzen, und aus ihren feinzerstoßenen Schuppen eine Masse gewinnt, -die Glasperlen täuschend das Aussehen echter Perlen zu geben vermag. -Die letztere Erfindung wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts -von einem französischen Rosenkranzverfertiger gemacht und lange -geheimgehalten. Der ölartig dicke Saft kam als _Essence d’Orient_ in -den Handel und wurde zum Bestreichen des Innern von Glaskügelchen -benutzt, die dann vollkommenen Perlglanz aufweisen. Zur Gewinnung von -500 _g_ Silberglanz sollen gegen 20000 Weißfische nötig sein. Wegen -ihrer unermüdlichen Regsamkeit und unterhaltenden Spiellust eignen sich -diese Fischchen vorzüglich, wie die Goldfische in engerem Gewahrsam -gehalten zu werden. - -[Illustration: Bild 52. Fischer im alten Ägypten 1. mit der Grundangel, -2. mit der Angelrute fischend. (Nach Wilkinson.) Der hier gefangene -Fisch heißt _shilbeh_ oder _arabrab_.] - -Hierzu verwendet man neuerdings bei uns mit Vorliebe die von den -Chinesen zur Kulturrasse erhobenen ~Großflosser~ (_Polyacanthus -viridi-auratus_), die von europäischen Liebhabern auch als -~Paradiesfische~ bezeichnet werden. Es ist dies eine Art Vieldorner -mit gestrecktem und seitlich zusammengedrücktem Leib mit sehr großer, -halbmondförmiger, zweilappiger Schwanzflosse. Besonders die Männchen -sind bunt mit farbigen Querbinden geziert. Die Länge beträgt bloß 8-9 -_cm_. Über das Freileben dieses Zierfischchens fehlt jede Kunde. Wir -wissen nur, daß es in China schon recht lange gezähmt worden sein muß -und die Chinesen durch sein munteres Wesen erfreute. Deshalb wird es -in China allgemein gefangengehalten und wie der Goldfisch behandelt, -nur pflanzt es sich auch in engem Raume viel leichter als letzterer -fort und ist zudem durch seine Brutpflege interessant. Das Männchen -errichtet nämlich mit dem Mund aus von Schleim überzogenen Luftblasen -ein Nest, in das es die vom Weibchen gelegten Eier trägt und sorgsam -bewacht. Auch nach dem Ausschlüpfen der Jungen hütet es dieselben mit -derselben aufopfernden Fürsorge wie das Stichlingsmännchen, das eine -analoge Brutpflege in einem Nest aus Pflanzenfasern ausübt. Erst wenn -die Jungen seiner Hülfe nicht mehr bedürfen, überläßt es dieselben -ihrem Schicksal und frißt sie auch gelegentlich, wie es das Weibchen -zu tun pflegt, auf. Die Jungen ernähren sich anfänglich vom Schleim -des Schaumnestes, später von kleinen Aufgußtierchen, dann von allerlei -winzigem und zuletzt größerem Gewürm wie die Eltern. Ein einziges -Paar dieser Fische soll in einem Sommer nicht weniger als sechsmal -gelaicht und dabei jedesmal 400 bis 600 Junge erzielt, also zusammen -3000 Nachkommen ins Leben gesetzt haben. Ihr überaus zierliches Wesen, -ihre große Fruchtbarkeit und ihre leichte Fortpflanzung in noch so -kleinen Behältern empfehlen sie allen Aquarienfreunden aufs wärmste, -so daß sie berufen sind, zum großen Teile, wenn nicht ganz, die viel -langweiligeren Goldfische zu verdrängen. - -Von China kamen die Großflosser schon zu Ende des 18. Jahrhunderts in -Spiritus nach Europa. Erst 1867 werden die ersten lebenden Exemplare -in Berlin erwähnt, doch wird nicht mitgeteilt, ob sie sich dort auch -schon fortpflanzten. Im Jahre 1869 erhielt Dumeril eine Sendung dieser -Zierfische, die der französische Konsul Simon in Ningpo mit Sorgfalt -ausgesucht und gesandt hatte. Diese pflanzten sich anstandslos fort und -auf sie dürfte wohl die größte Zahl unserer europäischen Großflosser -zurückzuführen sein. - -Zum Schlusse seien noch einige Bemerkungen über die Fischerei der -alten Deutschen beigefügt. Zunächst konnte jedermann da fischen, wo -es ihm beliebte, bis mit der Ausbildung des Privateigentums an Grund -und Boden auch das Recht der Fischerei, wie der Jagd, immer mehr unter -Bann getan wurde. Wer in solchen Banngewässern fischen wollte, mußte -eine Erlaubnis dazu vom betreffenden Besitzer haben. Der Fischfang -geschah vorzugsweise mit Reusen und Netzen verschiedener Art, von welch -letzteren die größte _sagina_, kleinere _barsa_ und _tegum_ hießen, -daneben auch mit Angeln, die im Mittelalter bei uns Hamen genannt -wurden. Man errichtete mit Pfählen und Rutengeflecht dazwischen -sogenannte Vennen (lat. _venna_), in denen sich die Fische beim -Stromaufwärtsschwimmen verfingen und keinen Ausweg mehr fanden. Da die -Errichtung und Unterhaltung solcher Vennen viel Holzwerk erheischte, -wurde bei Verleihung derselben durch Könige meist auch ein Wäldchen -geschenkt, so vom Frankenkönig Arnulf, dem Sohne Karlmanns (regierte -887-899) an ein Kloster. Vor ihm erlaubte Karl der Große 777 dem -Kloster Lorch zu ihrer Venne auf dem Rhein aus einem Walde, der keine -Fruchtbäume hatte, das nötige Holz zur Unterhaltung und Ausbesserung -derselben zu holen. - -Außer der Fischerei wurde schon bei den alten Franken auch eine -Teichwirtschaft getrieben, indem vor allem die Klöster in Nachahmung -der römischen Vivarien ebenso genannte Fischteiche errichteten. -Karl der Große befahl seinen Verwaltern auf allen Höfen (_villa_) -Fischteiche zu halten und Fische für den Bedarf des Hofhaltes in -Holzkästen bereit zu halten. Nur was nicht gebraucht wurde, durfte -verkauft werden. - -[Illustration: Bild 53. Fischer mit Netz und Reusen. - -(Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann 1539-1591).] - -Als mit der Zunahme der geistlichen Stiftungen die Zahl der zu den -kirchlichen Fasten eine Menge von Fischen gebrauchenden Mönche wuchs, -wurden von den Hörigen, die Fischfang trieben, die Abgaben in Gestalt -von Fischen gefordert; diese wurden meist frisch, seltener eingesalzen -oder geräuchert gegessen. Erst später wurden die Abgaben an Fischen -teilweise in Geld verwandelt. Mit der fortschreitenden Einschränkung -der natürlichen Freiheit gehörte der Fischfang im Mittelalter den -jeweiligen Grundbesitzern, die das Recht dazu gegen Entschädigung -verleihen oder verbieten konnten. Mit Vorliebe wurde von den Königen -und Fürsten das Recht des Fischens an Laien und Klöster verliehen; -solche Fischenzen oder Fischereien kommen in den Urkunden häufig -vor. Den Stadtbürgern wurde erlaubt, in dem zur Stadt gehörenden -Wasser zu ihrer eigenen Speise, aber nicht zum Verkaufe, mit einem -Hamen, ausnahmsweise auch mit Netzen, zu fischen. Unbefugte Fischerei -wurde sehr streng bestraft. Fische aus einem Teiche stehlen, war ein -größeres Verbrechen, als wenn solches aus gemeinem Wasser geschah; -denn solche Fische gehörten nach altem Rechte zum Besitzstand, weil -Arbeit darangewendet worden war. Nach dem berühmtesten Rechtsbuch des -Mittelalters, dem ums Jahr 1230 aufgezeichneten Sachsenrecht, dem -„Sachsenspiegel“, gab derjenige, der in gegrabenen Teichen fischte, 30 -Solidi oder Goldschillinge im Goldwerte von etwa 10 Mark (tatsächlich -aber viel mehr) Strafe, d. h. zehnmal mehr als in gemeinem Wasser, und -ward zudem gepfändet, wenn man ihn in „handhafter Tat ergriff“. - - - - -XXI. Die Nutztiere unter den Wirbellosen. - - -Gegenüber der großen Menge von Fischen spielen die an Arten und -Individuen sehr viel spärlicheren Krebse als Speise des Menschen eine -sehr unbedeutende Rolle. Unter den Krabben ist eine Art ~Bogenkrabbe~ -(_Carcinus maenas_) die weitaus die gemeinste der europäischen Meere. -Große Mengen davon im Wert von ½ Million Lire werden von Venedig aus, -wo sie als Leckerbissen gelten, in Fäßchen verpackt, nach dem Festlande -ausgeführt. Ebenfalls zu vielen Tausenden wird meist in großen, locker -geflochtenen Körben die ~große Meerspinne~ (_Maja squinado_) auf die -Fischmärkte der Küstenstädte am Mittelmeer zum Verkauf gebracht. Sie -wird besonders in den Garküchen für das niedere Volk zubereitet und -bildet, in ihrer eigenen Schale geröstet, eine schmackhafte Zukost zu -Brot und Wein. Von ihr wußte man im Altertum allerlei wunderbare Dinge -zu erzählen. Sie sollte außerordentlich klug und eine Musikfreundin -sein. Auf verschiedenen Münzen findet sie sich verewigt und prangte als -Halsschmuck der Diana von Ephesus. - -Weniger häufig im Adriatischen und Mittelmeer, dafür aber um so -bekannter an den Nordseeküsten ist der ~große Taschenkrebs~ (_Cancer -pagurus_). Er zieht felsigen Grund dem sandigen Strande vor und wird -seines Wohlgeschmacks wegen namentlich in England viel gefangen und -verzehrt. Ebenfalls auf felsigem Grund lebt die ~gemeine Languste~ -(_Palinurus vulgaris_). Dieser in einzelnen Riesenexemplaren 6-8 -_kg_ schwere Panzerkrebs ist im Mittelmeer viel häufiger als der -~Hummer~ (_Homarus vulgaris_), welch letzterer in der Nordsee seine -eigentliche Heimat hat. Dort findet er sich mit den Schollen und vielen -anderen Meerestieren überall auf der sandigen Doggerbank und der -weiterhin Britannien mit Norwegen verbindenden Untiefe, von welcher -dann weiter nördlich ein jäher Absturz in den Ozean erfolgt. Von -den rund 6 Millionen Hummern, die Nordeuropa jährlich verbraucht, -werden weitaus die meisten in England konsumiert. Vermittelst -kleiner, schnellsegelnder Schiffe mit doppeltem, als Hummerbehälter -dienendem Boden werden von den drei Millionen Stück, die jährlich -an der Südwestküste Norwegens gefangen werden, eine Million nach -London geliefert. Bei Helgoland fängt man jährlich 20-30000 Stück. -Der Wert der jährlichen Ausbeute an der Ostküste Schottlands stellt -sich ungefähr auf 6 Millionen Mark. Wie in London ist auch in Paris -Hummer ein sehr beliebtes Gericht, das in allen feineren Restaurants -zu haben ist. Der weibliche Hummer legt über 12000 Eier und trägt -dieselben bis unmittelbar vor dem Auskriechen der Jungen am Hinterleib -und seinen Anhängen angeheftet mit sich herum. Auch späterhin flüchtet -sich wenigstens ein Teil der Jungen unter den Schwanz der Mutter, -während die große Mehrzahl ausschwärmt und von zahllosen Feinden -dezimiert wird, so daß nur ein kleiner Bruchteil derselben das -fortpflanzungsfähige Alter erreicht. - -Sein nächster Verwandter, der ~Flußkrebs~ (_Astacus fluviatilis_), -wird nur 20, in seltenen Fällen 25 _cm_ lang und pflanzt sich im -Herbst fort, wobei die befruchteten Eier an die Haare der mütterlichen -Schwimmfüße festgeklebt werden. Erst im folgenden Frühjahr oder -zu Beginn des Sommers schlüpfen die Jungen aus, die dann rasch -heranwachsen, so daß sie am Ende des ersten Jahres schon 4,5 _cm_ lang -sind. Nach der ersten Häutung beginnen sie zwar ein selbständiges -Leben, kehren aber doch öfter schutzsuchend unter den Schwanz der -Mutter zurück. Erst nach der zweiten Häutung -- etwa am 28. Tage -nach dem Ausschlüpfen -- machen sie sich völlig selbständig und -zerstreuen sich nach und nach. Die Flußkrebse sind Allesfresser, sie -fressen auch frisches totes Fleisch, aber kein eigentliches Aas. Was -sie zu bewältigen vermögen, dient ihnen als willkommene Beute. Neben -tierischer Kost sind ihnen auch Wasserpflanzen, namentlich saftige -Wurzeln und Armleuchter, letztere wohl ihres Kalkgehaltes wegen, ein -Bedürfnis. In der Gefangenschaft lassen sie sich gern mit Mohrrüben -und Kürbisschnitzen füttern. Man unterscheidet unter ihnen den ruhiges -Wasser bevorzugenden Edelkrebs als eine Form der Niederungen und -den raschströmendes Wasser bevorzugenden Steinkrebs als Bewohner -der Berggegenden. Letzterer ist die einzige Art für die Iberische -Halbinsel und Britannien. Beide Arten können an geeigneten Orten -nebeneinander vorkommen. Eine dritte schmächtigere Form (_Astacus -leptodactylus_) bewohnt das Einzugsgebiet der in das Schwarze und -Kaspische Meer mündenden Ströme. Durch Kanalverbindungen mit der -Wolga und andern Flüssen ist er neuerdings in das Stromgebiet des -Finnischen und Weißen Meeres gelangt und beginnt dort den Edelkrebs zu -verdrängen. In Nordamerika befindet sich östlich vom Felsengebirge eine -verwandte Form, die ebenfalls gern gegessen wird. Bei uns ist heute der -Edelkrebs viel seltener als früher, da er in großer Menge alle Gewässer -bevölkerte und in großen Mengen gefangen und verspeist wurde. Seit aber -vor 35 Jahren die Krebspest von Frankreich her nach Deutschland kam -und im Laufe von 10 Jahren bis nach Rußland vordrang, wurde an vielen -Orten der gesamte Krebsbestand vernichtet, so daß viele Gewässer, die -früher reich an Krebsen waren, nunmehr völlig daran verödet sind. Statt -seiner wurde mehrfach der allerdings in bezug auf Wohlgeschmack des -Fleisches minderwertige, schmächtige galizische Krebs mit bedeutend -dünneren Scheren zur Wiederbevölkerung der Gewässer mit Krustentieren -in Deutschland eingeführt. - -Die artenreichste Familie unter den langschwänzigen Zehnfüßlern -sind die ~Garneelen~, von denen die beim Kochen farblos werdende -gewöhnliche, bräunliche ~Sandgarneele~ (_Crangon vulgaris_) -- die -_crevette_ der Franzosen und _shrimp_ der Engländer -- und die beim -Kochen rotwerdenden ~Granaten~ (_Palaemon serratus_ und _P. squilla_) --- die sogenannten Krabben der Ostseefischer -- zum Verspeisen die -beliebtesten sind. Sie werden an den Küsten in oft von Pferden -gezogenen feinmaschigen Schleifnetzen mit länglichem Rahmen aus -Eisen gefangen und korbweise auf den Markt gebracht. Die meisten -der so erbeuteten 8 _cm_ und mehr langen Garneelen sind Weibchen, -die ihre Eier zwischen den Afterfüßen des Hinterleibs tragen. Sie -liegen ganz in Sand eingegraben vor Feinden sicher und geraten ins -Netz, indem die untere eiserne Lippe des Schleppnetzes den Sand -aufwühlt, in welchem sie ruhig liegen und auf Beute lauern. In den -Küstenstädten des Mittelmeers wird auch der bis 18 _cm_ lange gemeine -~Heuschreckenkrebs~ (_Squilla mantis_) viel gefangen und verzehrt. Hier -überall geben auch die ~Kopffüßler~ oder ~Tintenfische~ als _frutti di -mare_ eine geschätzte Speise für das gemeine Volk. Besonders beliebt -sind die gemeine ~Sepia~ (_Sepia officinalis_) und der ~Kalmar~ -(_Loligo vulgaris_), von denen die mittelgroßen Exemplare, weil -wohlschmeckender, den größeren vorgezogen werden. Sie wandern vielfach -mit den kleinen Fischen, von denen sie sich ernähren, und werden in -besonderen Fallen und Netzen gefangen. - -An den Küsten des Mittelmeers werden auch allerlei ~Meerschnecken~ wie -auch alle Sorten von ~Landschnecken~ gern verzehrt. Die Mitteleuropäer -dagegen essen von den 1600 Arten der auf dem europäischen Festlande -lebenden Gattung Helix, den Schnirkelschnecken, fast ausschließlich -die ~Weinbergschnecke~ (_Helix pomatia_). Sie ist die größte aller -einheimischen Landschnecken und ihr hellrötliches bis gelblichbraunes -Gehäuse erreicht eine Höhe bis zu 5 _cm_. Diese Tiere sind Zwitter und -befruchten sich gegenseitig. Ihre 60-80 johannisbeergroßen Eier legen -sie im Frühjahr haufenweise in Löcher, die sie in lockere, feuchte -Erde gewühlt haben und nach der Eiablage wieder zudecken, so daß das -Eiernest kaum gefunden werden kann. Die Entwicklung nimmt etwa 26 -Tage in Anspruch; dann kriechen die jungen Schnecken aus dem Boden -hervor, um sich vorzugsweise von weicher Pflanzenspeise zu ernähren. -Doch fressen sie gelegentlich auch tierische Kost, so das Fleisch -etwa von einem Wagen überfahrener oder von Menschen zertretener -Genossinnen. Dabei wachsen sie verhältnismäßig rasch heran und graben -sich im Herbst am liebsten unter einer Moosdecke 20-30 _cm_ tief in -die lockere Erde ein und verschließen ihr Gehäuse mit einem soliden -Kalkdeckel. Letzterer ist porös und läßt die Luft für die übrigens -während des Winterschlafes stark herabgesetzte Atmung ungehindert -hindurchtreten. Wenn im April und Mai die zunehmende Bodenwärme die -Lebenstätigkeit des etwa 6 Monate im Winterschlaf verharrenden Tieres -aufs neue weckt, so wird der Deckel mit dem Fuß leicht abgestoßen. Nur -in diesem gedeckelten Winterzustande gilt die Weinbergschnecke als -ein tafelfähiger Leckerbissen. Da sie zum Aufbau ihres Kalkgehäuses -viel Kalk benötigt, findet sie sich nur in Gegenden, wo der Erdboden -genügend von diesem Stoff enthält. Sie lebt außer in Weinbergen auch in -Gärten, Hainen und lichten Laubwäldern mit viel Unterholz. Von alters -her wird sie zur Sommer- und Herbstzeit gesammelt, um in besonderen -Gehegen aus Brettern oder aus engem Drahtgeflecht mit Salat, Mohrrüben -und Fallobst mit Beigabe von Kalk gefüttert zu werden. Bei solchem -Futter wird sie besonders zart und fett. Berühmt in ganz Frankreich -und Süddeutschland sind wegen ihres Wohlgeschmacks die aus Burgund -bezogenen Schnecken. Hier ist die Zubereitung derselben in der Schale -_à la bourgignonne_ sehr beliebt, so daß diese Tiere ein eigentliches -Volksgericht geworden sind. - -Schon die reichen Römer zu Ende der Republik und zur Kaiserzeit, jene -Erzschlemmer, wußten die gemästeten Weinbergschnecken als leckere -Speise zu würdigen und zogen sie in besonderen Schneckengärten. Der -gelehrte Varro beschreibt uns um die Mitte des letzten vorchristlichen -Jahrhunderts die Anlage und den Betrieb eines solchen Cocleariums. Es -sollte unter freiem Himmel liegen und von Wasser umgeben sein, weder -zu sonnig, noch zu stark dem Tau ausgesetzt sein. Hier wurden die -gesammelten Schnecken mit Kleie und mit Honig eingekochtem Weinmost -gemästet. Von besonderen Verkäufern wurden sie dann in den Straßen -ausgeboten und vom Volke gern gekauft. Nach Plinius legte Fulvius -Lupinus auf dem Gebiete von Tarquinii kurz vor dem Ausbruch des -Bürgerkrieges, den Cäsar 49 v. Chr. mit Pompejus zu führen begann, die -ersten Coclearien an. Er trennte die verschiedenen Schneckensorten -und erfand die Mästung derselben mit Mehl und mit Honig eingekochtem -Traubenmost. Nach Varro wurden in den verschiedenen Gebieten des -römischen Reichs verschiedene Schneckenarten gemästet. Er sagt, daß -die kleinen weißlichen aus der Umgebung von Reate im Sabinerlande (dem -heutigen Perugia), die großen aus Illyrien, die mittelgroßen aber aus -Afrika nach Rom gebracht und an vielen Orten auf großen, künstlich zu -einer Insel gemachten Strecken gezüchtet würden. Man mäste sie auch in -Töpfen, in die durch Löcher Luft eintreten gelassen werde; inwendig -seien diese mit Honigmost und Mehl ausgestrichen. - -Von den Römern übernahmen im Mittelalter die Klöster die Zucht -von Weinbergschnecken als beliebte Fastenspeise und führten sie -nördlich von den Alpen ein. Aus den Klostergärten übernahmen später -auch Laien diese Zucht. So gab es später an verschiedenen Orten -Frankreichs, Süddeutschlands, der Schweiz und Österreichs größere -Schneckenzüchtereien, die die benachbarten Städte mit ihren Produkten -versorgten. Schneckenbauern in der Gegend von Ulm führten einst -jährlich über 4 Millionen gedeckelte Schnecken zu je 10000 Stück -im Winter auf der Donau hinunter bis jenseits Wien aus. Sie werden -meist in der Weise zubereitet, daß man sie in einem Salzsud kocht, -dabei quellen die Tiere stark auf, so daß das sie abschließende -Kalkdeckelchen von selbst abfällt. Die fast gargekochten Leiber lassen -sich dann leicht mit einer Gabel aus dem Gehäuse ziehen, werden geputzt -und zwei bis dreimal in warmem Wasser gewaschen, um allen Schleim -daraus zu entfernen. Mit Fleischbrühe und Wein weichgekocht, werden -sie fein gehackt, mit Petersilie und Sardellenbutter vermischt und -schließlich in die sauber geputzten Gehäuse gefüllt. Die auf solche -Weise zubereiteten Schnecken sollen wie Krebspastetchen eine wirkliche -Delikatesse sein. Von Paris aus werden sie in solcher Zubereitung -weithin exportiert und haben sich sogar in Norddeutschland, das sich -bisher gegen solche Leckerbissen ablehnend verhielt, viel Freunde -erworben. Während in Nordfrankreich _Helix pomatia_ gezogen wird, -züchtet man in Südfrankreich vorzugsweise _Helix aperta_ und _H. -nemoralis_, außer letzterer in Italien auch _Helix pisana_. In Spanien -dagegen ißt man _Helix alonensis_ und _lactea_, in Griechenland -_H. parnassea_. Sie, wie auch die rotbraunen bis schwarzen ~roten -Wegschnecken~ (_Limax rufus_) ohne Gehäuse werden zur Gewinnung einer -sehr wohlschmeckenden Fleischbrühe gekocht, die früher besonders -Lungenleidenden als Heilmittel gegeben wurde. - -Von den Schnecken haben sonst nur die ~Purpurschnecken~ -kulturgeschichtlich eine größere Bedeutung erlangt, indem sie im -Altertum zur Gewinnung der überaus geschätzten Purpurfarbe eine -sehr wichtige Rolle spielten. Es sind dies Vertreter der Gattungen -_Murex_ und _Purpura_, die an den Küsten des Mittelmeers auf felsigem -Grunde sehr häufig vorkommen und an den Orten der Purpurfabrikation, -die in Phönikien ihren Ausgang nahm, in großen Mengen gesammelt und -verarbeitet wurden, so daß aus ihren weggeworfenen Schalen mächtige -Ablagerungen hervorgingen. Wie an der syrischen Küste ließen sich auch -an manchen Orten Griechenlands und Italiens einstige Purpurfabriken an -solchen Schalenhaufen nachweisen. - -Die den Purpurfarbstoff liefernde kleine Drüse mündet in eine -Umschlagsfalte des Mantels und liefert ein anfänglich farbloses -Produkt, das an der Sonne zuerst gelb, dann grünlich und zuletzt -violett wird und um so dunkler, bis schwärzlich erscheint, je mehr -davon auf dem betreffenden Stoff aufgetragen und je länger er nachher -den Sonnenstrahlen ausgesetzt wurde. So hatte der geschickte Färber -alle Grade von einem matten bis dunkeln Violett in der Hand. Zur -Gewinnung von 1,5 _g_ Purpursaft sind die Drüsen von nicht weniger -als 12000 Purpurschnecken nötig; so läßt es sich begreifen, daß -damit gefärbte Gewänder außerordentlich hoch zu stehen kamen und -nur den Fürsten und Reichen zugänglich waren. Noch zur Zeit des -Kaisers Diokletian im Jahre 301 n. Chr. kostete das Pfund der besten -Purpurwolle 950 Mark unseres Geldes. Und doch war die Farbe ein -ziemlich unreines, rotstichiges Violett, das sich in keiner Weise weder -an Glanz, noch an Echtheit der Färbung mit den modernen, synthetisch -gewonnenen Teerfarbstoffen vergleichen läßt. Übrigens dienten nach dem -römischen Dichter Martial die Purpurschnecken außer zum Färben auch -zum Essen. Sie wurden nach den antiken Autoren in mit Miesmuscheln -beköderten kleinen Reusen gefangen, die kleinen Arten samt den Schalen, -die größeren dagegen ohne diese zerstampft, mit Wasser ausgelaugt -und auf mäßigem Feuer in bleiernen Gefäßen eingekocht. Je nach der -Mischung der verschiedenen Purpurschneckenextrakte wurden verschiedene -Nuancen erzielt. So schreibt Plinius in seiner Naturgeschichte: -„Die Purpurschnecke (_buccinum_) ist allein nicht brauchbar, weil -ihre Farbe nicht hält, wird sie aber mit dem Saft der Murexschnecke -(_purpura_) vermischt, so wird sie dauerhaft und gibt jener dunkeln -Farbe eine Beimischung, welche ein schönes Scharlachrot hervorbringt. -Je nach der Mischung beider wird die Farbe bald heller bald dunkler. -Um eine herrliche Amethystfarbe zu haben, nimmt man auf 50 Pfund Wolle -200 Pfund Purpurschnecke (_buccinum_) und 110 Pfund Murexschnecke -(_purpura_). In Tyrus taucht man die Wolle erst in Murex- und dann -in Purpuraschneckensaft. Am beliebtesten ist der tyrische Purpur, -wenn er die Farbe geronnenen Blutes hat, von vorn gesehen schwärzlich -aussieht und von der Seite gesehen schimmert. Auch Homer nennt -das Blut purpurfarbig. -- Färbt man bloß mit Murexschnecken oder -Purpuraschnecken, so setzt man Wasser und Menschenurin zu und erlangt -dadurch die beliebte blasse Farbe, welche desto schwächer ist, je -weniger durstig die Wolle war.“ - -Weiter sagt Plinius: „Das Kleid der römischen Konsuln und freigeborenen -Knaben wird mit einem Purpursaum geschmückt. Purpur unterscheidet den -Senator vom Ritter, versöhnt die Götter, gibt den Kleidern seinen Glanz -und mischt sich beim Triumphzuge unter das Gold.“ Von Anfang an war der -Purpur in Rom gebräuchlich; Romulus trug ihn an der _trabea_, Tullus -Hostilius an der _praetexta_ (verschieden gestalteten Röcken). Nepos -Cornelius, der unter der Regierung des Augustus starb, sagte: „Als ich -noch jung war, schätzte man den veilchenfarbenen Purpur am höchsten, -wovon das Pfund 100 Denare (60-70 Mark) kostete, bald darauf zog man -den roten tarentinischen vor und später den doppelgefärbten tyrischen, -wovon man das Pfund nicht unter 1000 Denaren (600-700 Mark) kaufen -konnte. Der Ädil Publius Lenthulus Spinther, der diesen tyrischen -Purpur zuerst trug, wurde darob getadelt; jetzt aber hat jedermann -bei Schmausereien mit tyrischem Purpur gefärbtes Tischzeug. Spinther -war im Jahre 691 der Stadt (62 v. Chr.) Ädil, (d. h. Hilfsbeamter der -beiden Volkstribunen und als solcher mit der Straßen- und Baupolizei, -wie auch mit der Überwachung des Marktverkehrs betraut), da Cicero -Konsul war, und damals nannte man den tyrischen Purpur doppelt gefärbt -(_dibapha_) und betrachtete ihn als eine sehr kostspielige Sache; jetzt -aber ist jeder gute Purpur doppelt gefärbt.“ Und Plutarch schreibt -in seiner Biographie Alexanders des Großen: „Als Alexander die Stadt -Susa in Persien erobert hatte, fand er daselbst Geld und Kostbarkeiten -in unsäglicher Menge; dabei sollen auch 5000 Talente (= 301000 _kg_) -hermionischen Purpurs (Hermione war eine Stadt in Argolis) gewesen -sein, den man 190 Jahre lang aufbewahrt hatte und der noch so glänzend -aussah, als ob er neu wäre.“ - -Jedenfalls hat die Wertschätzung des Purpurs von der syrischen Küste -aus schon im hohen Altertum ganz Vorderasien erobert, lange bevor -die Griechen durch die phönikischen Kaufleute mit ihm bekannt wurden -und die Bekanntschaft damit den Römern übermittelten. In Babylonien -und Assyrien war der purpurgefärbte Mantel das Abzeichen des Königs -und wurde als besondere Auszeichnung auch an Private verliehen, wie -dies Nebukadnezar (_Nabûkuduriussur_), der von 604-561 über Babylon -herrschte, nach Daniel 5, 16 dem Juden Daniel tun wollte. Wie im -alten Rom die _purpurati_ die höchste Adelsklasse darstellten, haben, -durch sie beeinflußt, auch die Nachbarvölker von ihnen eingehandelte -Purpurgewänder als königliches Abzeichen benutzt. Erst mit dem -Untergang der antiken Kultur verlor sich im Abendlande mehr und mehr -die Kenntnis von der Bereitung des Purpurs. Nur im byzantinischen -Reiche blieb sie das ganze Mittelalter hindurch erhalten. Auch dort -durfte nur der Herrscher sich mit Purpurstoffen bekleiden, so daß der -Ausdruck den Purpur nehmen, wie bei den Römern der Kaiserzeit, so -viel als sich der Herrschaft bemächtigen bedeutete und der Beiname -_Porphyrogenetos_, d. h. der in Purpur Geborene, den bei der Geburt -schon mit der Kaiserwürde Bekleideten bezeichnete. Die letzte Erwähnung -von Purpurgewändern als Galatracht des _basileus_ in Byzanz datiert -vom Jahre 1440, 13 Jahre vor der Eroberung durch die Osmanen. Mit der -Invasion der Türken ging auch im byzantinischen Reiche die Kenntnis der -Gewinnung des Purpurs verloren, bis in der Neuzeit der französische -Zoologe Lacaze-Duthiers durch Zufall sie wieder entdeckte. Als er -nämlich im Sommer 1858 im Hafen von Mahon auf der spanischen Insel -Menorca mit Hilfe eines Fischers allerlei Seetiere aufsuchte, bemerkte -er, daß sein Schiffer sein Hemd mit der schleimigen Absonderung einer -Meerschnecke, die sich alsbald als _Purpura haemastoma_ entpuppte, -zeichnete. Die mit einem Stückchen Holz aufgetragenen Buchstaben -und Figuren erschienen bald gelblich und der Fischer sagte, sie -würden rot werden, sobald die Sonne eine Zeitlang darauf geschienen -habe. Der Zoologe ließ auch sein Hemd mit diesem schleimigen Safte -zeichnen und machte alsbald die Entdeckung, daß bei der Einwirkung der -Sonnenstrahlen sich ein höchst unangenehmer durchdringender Geruch -entwickelte und eine immer intensiver werdende Violettfärbung auftrat. -Dies war die Veranlassung zur Wiederentdeckung der Herstellung des -Purpurfarbstoffs, von dem wir heute wissen, daß er aus Dibromindigo -besteht, d. h. aus Indigo, in welchem zwei Wasserstoffatome durch -zwei Bromatome ersetzt sind. Außer _Purpura haemastoma_ ermittelte -Lacaze-Duthier auch die im Mittelmeer sehr gemeinen _Murex brandaris_ -und _Murex trunculus_ als Träger des Purpurfarbstoffs. Übrigens haben -die nordamerikanischen Indianer von sich aus, unabhängig von den -Europäern, den Saft der einheimischen Purpurschnecken zum Rotfärben -benutzt. So färbten sie einst, wie heute noch die Indianer von -Tehuantepec, mit dem Safte von _Purpura patula_ ihre Frauenröcke -purpurrot. - -[Illustration: Bild 54. Der Tuchfärber. - -(Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann 1539-1591.)] - -Von den großen Meeresschnecken des Mittelmeers hat wahrscheinlich -die große ~Tonnenschnecke~ (_Dolium galea_) das Vorbild für das -Spiralornament der jonischen Säule gegeben. Als Prof. Troschel bei -seinen zoologischen Studien in Messina sie lebend zur Untersuchung -erhielt, ließ sie, gereizt, aus ihrem einen halben Fuß weit -ausgestülpten Rüssel einen Strahl einer wasserklaren Flüssigkeit -einen Fuß weit hervorspritzen. Zu seinem höchsten Erstaunen nahm -Troschel wahr, daß der Kalkstein des Fußbodens von der Flüssigkeit -stark aufbrauste, der vermeintliche Speichel also eine scharfe Säure -war. Die genaue chemische Untersuchung des von einer dicht neben der -Speicheldrüse gelegenen besonderen Drüse abgesonderten Saftes ergab -darin die Anwesenheit von 3-4 Prozent freier Schwefelsäure und 0,3 -Prozent freier Salzsäure. Sie dient dem Tiere dazu, die Kalkgehäuse der -Schnecken und Muscheln, von denen sie sich ernährt, im Bereiche des -Mundes aufzulösen, damit sie dann mit der Zunge ins Innere eindringen -kann, um die Weichteile aufzufressen. - -Die großen ~Tritonshörner~ dagegen, besonders das _Tritonium nodiferum_ -des Mittelmeers, die _buccina_ der alten Römer, diente mit einer -künstlich gemachten Öffnung an der Spitze der gewundenen Schale, in -welcher das Tier einst seinen Eingeweidesack trug, als Kriegstrompete. -Deshalb sagt der Dichter Vergil: „Die _buccina_ zwang schon die alten -Quiriten zu den Waffen.“ Teilweise schon im Altertum, mehr aber noch -in der Rokokozeit, wurden ihre Schalen nicht nur als Signaltrompete, -sondern auch mit dem Delphin als eigentliches dekorativ ausgestaltetes -Attribut der Meeresgötter immer wieder auf Statuen und Reliefs -angebracht. Man gab ihnen später bei den Deutschen, die sie zur -Zierde als Nippsache in ihren besseren Stuben aufstellten, den Namen -Kinkhörner, weil sie kinken, d. h. klingen oder sausen, wenn man ihre -Mündung an die Ohren hält. Man wollte darin das Brausen des Meeres -hören. Dies ist natürlich unrichtig. Alle Muschelschalen sind vielmehr -natürliche Resonanzböden für bestimmte schwache Geräusche, die sie so -verstärken, daß sie uns hörbar werden. Bei absoluter Stille lassen sie -kein Brausen hören. Diese und andere große Schneckenschalen dienen -auch zum Einschneiden von allerlei bildlichen Darstellungen oder zur -Herstellung von Kameen, wobei durch Benutzung verschieden gefärbter -Schichten die Figuren eine andere Farbe als der Grund erhalten. Mit -prächtig perlmutterartig glänzenden Stücken von Kreiselschnecken -der Gattung _Turbo_ stellen die Chinesen allerlei Einlegearbeiten -in ihre lackierten Möbel und Schränke her, während bei uns die -durch Interferenz schön irisierenden inneren Schichten auch anderer -Schneckenschalen und Muscheln, vor allem der alsbald zu besprechenden -Perlmuschel dazu benutzt werden, wie auch zur Herstellung von Knöpfen, -Zahlmarken usw. Die zum Schutze gegen das Weggeschwemmtwerden von -seiten der Brandung außerordentlich fest an der felsigen Unterlage -haftenden ~Napfschnecken~ der Gattung _Patella_ sind, wie auch manche -der größeren Meeresschnecken, ein nicht besonders wohlschmeckendes, -aber von den ärmeren Klassen der europäischen Küstenbewohner viel -gesuchtes und gern gegessenes Nahrungsmittel. - -Außerordentliche volkswirtschaftliche Bedeutung besitzen unter allen -Meerschnecken heute nur die ~Porzellanschnecken~ in ihrem wichtigsten -Vertreter, der ~Kaurischnecke~ (_Cypraea moneta_). Diese Schnecke -mit 1,5-2 _cm_ langer, breiteiförmiger, weißlicher oder gelblicher -Schale kommt in großen Mengen auf den Malediven im Indischen Ozeane -vor, wo sie, nach älteren Angaben, zweimal im Monat, drei Tage nach -Voll- und Neumond, eingesammelt wird, um nach dem Ablaufenlassen der -Weichteile die Gehäuse teils nach Bengalen und Siam, vorzugsweise aber -nach Afrika zu verschiffen, wo sie als Schmuck und Münze zugleich -dienen. In Indien, wo sie als Verkehrsmittel seit dem 6. Jahrhundert -n. Chr. nachweisbar sind, gelten etwa 24-36, in Afrika etwa 6 Stück -gleich einem deutschen Pfennig, früher überall mehr wegen der -größeren Transportkosten. Der Hauptstapelplatz für den ausgedehnten -afrikanischen Kaurihandel ist Sansibar. Von dort und anderen Orten der -Ostküste Afrikas gehen seit vielen Jahrhunderten große Karawanen mit -diesem Artikel, der zugleich Geld und Ware ist, nach dem Innern des -Kontinentes ab. Ganze Schiffsladungen wiederum werden von europäischen -Schiffen von dort, besonders von Sansibar, abgeholt und an der -Westküste gegen die dortigen Produkte: Goldstaub, Elfenbein, Palmöl -und neuerdings auch Gummi eingetauscht, soweit die Stämme noch nicht -den Gebrauch der europäischen Münzen angenommen haben. In Gure hatten -einst 700000 Stück den Wert von 990 Mark, also etwa 2120 denjenigen -von 3 Mark, und es beliefen sich die Einkünfte des Herrschers auf -30 Millionen Kaurischneckenschalen. Ihr Wert ist natürlich dem Kurs -unterworfen und hängt von der Zufuhr und der Entfernung ab. Gewöhnlich -sind sie zu Hunderten auf Schnüre gereiht, um das Zahlgeschäft zu -erleichtern. An manchen Orten ist dies aber nicht Sitte und müssen -die Tausende einzeln abgezählt werden. Solange die Holländer Ceylon -besaßen, war diese Insel der wichtigste Stapelplatz für die Kauris, -von wo sie in Körben oder Ballen von je 12000 Stück oder für Guinea in -Fässern versandt wurden. Eine Zeitlang wurde vermittelst der Kauris -der ganze afrikanische Sklavenhandel betrieben, indem für 12000 -Pfund 500-600 Sklaven eingekauft werden konnten. Gegen die Mitte des -18. Jahrhunderts hatte sich der Preis bereits verdoppelt. Als dann -aber die Küstendistrikte Westafrikas mit dem Kaurigelde überschwemmt -waren, traten andere Tauschobjekte an dessen Stelle, und heute wird -überall in den Kolonialgebieten mit der betreffenden Münze bezahlt. -Noch Henry Stanley bestritt auf seiner berühmten ersten Reise quer -durch Afrika auf der Suche nach dem verschollenen David Livingstone -mit 6 Kauris die Tageskost eines Trägers und erhielt von den kein -anderes Tauschmittel kennenden Eingeborenen für 3 ein Huhn und für 2 -zehn Maiskolben. In Angola werden kleine, scheibenförmig geschnittene -Stückchen einer großen Landschnecke (_Achatina monetaria_) als Geld -verwendet, in Neuguinea die kleine _Nassa camelus_ und _globosa_, an -der Nordwestküste Nordamerikas noch vor kurzem ein _Dentalium_, das -deshalb _pretiosum_ heißt, und die große _Haliotis splendens_; es gab -eine Zeit, da man für ein einziges Stück der letzteren im Binnenland -ein Pferd bekommen konnte. - -Keine andere Konchyliengattung genießt so alte und allgemeine -Beliebtheit als Schmuck des Menschen als die größeren Arten von marinen -Porzellanschnecken. In allen Erdgegenden, selbst bei unkultivierten -Völkern, trifft man sie vermöge ihres glänzenden, buntgefärbten Äußern -als Zierat der Wohnungen oder der Personen. - -Als menschliche Speise übertreffen aber die ~Muscheln~ an Bedeutung -weit die Schneckenarten. Schon dem vorgeschichtlichen Menschen Europas -wie Südamerikas und anderer Küsten waren die am Strande oder in wenig -tiefen Meeresbuchten gesammelten Muscheln eine willkommene Speise, -die sie gern verzehrten. So treffen wir zu Beginn der neolithischen -Zeit an den Küsten Dänemarks eine vorzugsweise von Muscheln lebende -Bevölkerung, die uns ganze Hügel von weggeworfenen Schalen mit -ihren Herdstellen dazwischen hinterließ. Unter Knochenresten der -verschiedensten Landtiere und Hochseefische finden sich darin besonders -Schalen der Auster, Miesmuschel, Herzmuschel, Gehäuse von allerlei -Strandschnecken und anderen Weichtieren. Auch späterhin haben die -Küstenbewohner gern solche Muschelspeise gegessen, wenn sie auch nicht -die Schalen dieser Weichtiere zu derartigen Haufen aufstapelten wie -sie uns in den Kjökkenmöddings Dänemarks und den Sambaquis Brasiliens -entgegentreten. - -Unter allen Muscheltieren ist heute noch die gemeine ~Auster~ (_Ostrea -edulis_) die geschätzteste zum Verspeisen. Sie kommt an allen ihr -zusagenden Küstengebieten, wo grober Sand oder Steine liegen und kein -Schlick sie zu überdecken und so zum Ersticken zu bringen vermag, -gesellig in sogenannten Austernbänken vor. Wie alle Muscheln ist sie -ein ausgesprochener Küstenbewohner, der im Flachwasser von Diatomeen, -Infusorien und kleinen Krebschen lebt, welche ihm die Wimperströmung -zuträgt. Trotz ihrer ausgiebigen Fortpflanzung vermehrt sich die Auster -nur schwach, weil die Jungen viel Feinden ausgesetzt sind. Sie ist -zwar zwitterig, doch reifen die Eier und Samen nicht gleichzeitig, so -daß gleichwohl keine Selbstbefruchtung eintreten kann. Höchstens 30 -Prozent, oft aber nur 10 Prozent der Austern sind trächtig und ältere -Exemplare liefern über 1 Million Eier. Die Zeit der Fortpflanzung -fällt in den Sommer. Die Jungen entwickeln sich zunächst in der -Mantelhöhle der Mutter und schwärmen später aus, um sich rasch irgendwo -festzusetzen. Am Ende des ersten Jahres messen sie etwa 3 _cm_, sind -aber erst mit 4 bis 6 Jahren so groß, daß sie auf den Markt gebracht -werden können. - -Nach Plinius hat zuerst der Römer Sergius Orata zur Zeit des Lucius -Crassus vor dem Marsischen Krieg (91-88 v. Chr.) im Gebiet von Bajae -Austernparks (_ostrearum vivarium_) errichtet. „Er zog aus ihnen große -Gewinne und behauptete, die lukrinischen Austern von der kampanischen -Küste seien die besten. Damals dienten freilich die Küsten Britanniens -den Römern noch nicht mit ihren Austern. Man holt jetzt auch welche -von Brundisium (dem heutigen Brindisi am Adriatischen Meer) in die -Austernteiche am Lukrinersee und mästet sie in letzterem nach der -langen Seereise. -- Die Austern genießen bei reichen Leuten den Vorzug -vor anderen Speisen. Sie lieben das süße Wasser der sich ins Meer -ergießenden Ströme und sind in Farbe verschieden: rot in Spanien, -braun in Illyrien, schwarz an Fleisch und Schale zu Circeji. Für die -besten gelten allerwärts die derben, nicht durch ihren eigenen Schleim -schlüpfrigen; auch verlangt man, daß sie sich durch Dicke, nicht durch -Breite auszeichnen. Man liebt die auf festem Boden, nicht auf Schlamm -oder Sand gefundenen. Sie lassen sich auch leicht in fremde Gewässer -versetzen. Als Arznei sind die Austern sehr wichtig. Für den Magen sind -sie wahrhaft erquickend. Schwelger bedecken sie auch mit Schnee, um sie -kühler zu erhalten, und vermischen so gleichsam die Bergspitzen mit der -Meerestiefe. In ihrer Schale, geschlossen wie sie angekommen, gekocht, -wirken sie kräftig gegen den Schnupfen. Asche von Austerschalen dient -mit Honig gegen Geschwulst des Zäpfchens und der Mandeln.“ - -Außer den lukrinischen Austern aus der Umgebung von Neapel liebten -die Römer besonders auch diejenigen vom Golf von Tarent und von -Kyzikos in Mysien. Heute gelten in Italien außer den noch jetzt sehr -geschätzten tarentinischen die Triester Pfahl- und die venezianischen -Arsenalaustern als die besten Sorten. In Frankreich sind diejenigen -von Marennes und La Tremblade, in Belgien die von Ostende, in Holland -die seeländischen von Vlissingen und Middelburg besonders berühmt. In -England gelten außer den Austern aus den Zuchtteichen von Whitstable -diejenigen von Essex und die von Colchester kommenden sogenannten -Grünbärte (d. h. solche mit durch Einlagerung von winzigen Algen -grünen Kiemen) als die vorzüglichsten. In Norddeutschland werden -meist holsteinische oder Flensburger Austern von der Westküste, -der Strecke von Husum bis Tondern, verzehrt. Weniger schmackhaft -als sie sind die dickschaligen Austern von Helgoland, Friesland, -Schottland und Skandinavien. Außerdem werden sehr viele amerikanische -eingeführt. In der Ostsee gedeihen die Austern heute nicht mehr, da -ihnen das Meerwasser dort zu süß ist. Das Minimum von Salzgehalt, das -sie zu ihrer Existenz bedürfen, ist etwa 17 pro Mille. Am fettesten -und schmackhaftesten werden sie bei 20 bis 30 pro Mille, daher -man, abgesehen von denen des Mittelmeers, auch an den Küsten des -Atlantischen Ozeans und der Nordsee die beliebtesten Austern an Stellen -findet, wo der Salzgehalt des Meeres durch in die Buchten einmündende -Flüsse gemildert wird. - -Seit der römischen Kaiserzeit scheint die Austernzucht nie ganz -verloren gegangen zu sein. Sie erhielt sich besonders bei den -Byzantinern am Hellespont und um Konstantinopel, aber auch im -Abendland, obschon uns aus dem Mittelalter nur wenige Nachrichten -darüber erhalten sind. Daß die Austernzucht auch im Westen Europas nie -ganz aufgehört hat, geht aus einem im Jahre 1375 erlassenen Gesetze -hervor, das verbot, Austernbrut zu einer anderen Zeit als im Mai zu -sammeln und zu versetzen. Besonders scheint die Hegung und Aufzucht -dieser Schaltiere in Teichen an der Themsemündung geübt worden zu -sein, da es sich fand, daß bei Milderung des Meerwassers durch mäßigen -Zutritt von Flußwasser die Austern den Kennern noch besser mundeten. -Diese Austernparks erfüllen einen doppelten Zweck, indem sie Mastställe -und Magazine zugleich sind. Man gibt darin der Brut Gelegenheit, sich -vor Feinden geschützt ruhig zu entwickeln. Es sind gewaltige, durch -Schleusen mit dem Meere verbundene gemauerte Bassins, in denen das -Wasser monatlich zweimal erneuert wird. Die Parks von Marennes und La -Tremblade werden nur zur Zeit der Springfluten, bei Neu- und Vollmond, -mit frischem Wasser versehen. Dreijährig kommen dann die Austern -zum Verkauf. So liefern die drei Parks von Ostende jährlich etwa 15 -Millionen Austern. In den großen Städten werden sie mit Vorliebe von -den Reichen konsumiert, da sie immerhin kein billiges Essen sind. -Paris verbraucht deren jährlich etwa 75 Millionen und London gar 1 -Milliarde. In den Städten der Vereinigten Staaten werden jährlich über -5 Milliarden gegessen und außerdem noch 120 Millionen nach Europa -abgegeben. In der Chesapeakebay, wo sich die größten Austernparks -finden, werden ganze Wagenladungen verdorbener Pfirsiche, mit denen man -sonst nichts anzufangen weiß, zu ihrer Fütterung ins Meer geworfen. -In Virginien gibt es zahlreiche Austernkonservenfabriken, die die -Vereinigten Staaten mit ihren Produkten versorgen. - -Auch die mit der Auster nahe verwandte ~Kammmuschel~ (_Pecten_) wird -gern gegessen und besonders zu feinen Ragouts verwendet, während sich -mit ihren Schalen die aus dem Morgenlande heimkehrenden Pilger Hut -und Kleid zu schmücken pflegten. Ebenso beliebt als Speise ist die -~eßbare Miesmuschel~ (_Mytilus edulis_), die am besten in der Nordsee -und den nordeuropäischen Meeren gedeiht. Sie gehört zu den wenigen -Meerestieren, die aus den Meeren mit normalem Salzgehalt, wie aus der -Nordsee, in die ziemlich stark ausgesüßten Binnenmeere, wie die Ostsee, -eindringt und hier ganz gut gedeiht. Hier wird sie in manchen Gegenden -ähnlich der Auster gezüchtet. Hierzu benutzen die Fischer von Ellerbeck -bei Kiel abgehauene Bäume, mit Vorliebe Erlen, denen die feineren -Zweige abgeschnitten wurden. Sie spitzen sie unten zu und versenken -sie mit Hilfe eines Taues und einer Gabel in die Region des lebenden -oder toten Seegrases in 3,6-5,5 _m_ Tiefe fest in den Grund. Das -„Setzen“ der Muschelbäume geschieht zu jeder Jahreszeit, herausgezogen -werden sie aber nur im Winter, am häufigsten auf dem Eise, da dann die -Muscheln am besten schmecken und ungefährlich sind, welch letzteres -in wärmeren Jahreszeiten nicht immer der Fall ist. Den Stand ihrer -„Muschelpfähle“, wie sie diese Bäume nennen, wissen die Fischer durch -Merkzeichen am Lande, die sie aus der Ferne fixieren, aufzufinden. Wenn -sie über einem Baum angekommen sind, treiben sie eine Stange in den -Grund, um den Kahn daran festzubinden; dann schlingen sie ein Tau um -einen Haken, führen dieses unter Wasser um den Stamm des Muschelbaums -herum und winden denselben damit in die Höhe. In ganzen Klumpen hängen -dann nebst anderen Meerestieren die Miesmuscheln daran, die sich mit -vom Fuß ausgeschiedenen Fäden, dem Byssus, an ihnen fest verankert -haben, damit sie nicht von der Strömung weggerissen werden. In der -Kieler Bucht werden jährlich wenigstens 1000 Muschelpfähle gesetzt und -ebensoviel gezogen, nachdem sie 3 bis 5 Jahre gestanden haben. Auf -den Kieler Markt kommen den Winter hindurch über 4 Millionen Stück -solchermaßen geernteter Miesmuscheln und finden willig Abnehmer, da sie -recht gut schmecken. - -Während die haarähnlichen Fäden, mit denen sich die Miesmuscheln am -Boden verankern, grob und steif sind, sind sie bei manchen Arten, wie -bei der langgestreckten ~Steckmuschel~ (_Pinna_) fein, geschmeidig und -seidenglänzend, so daß sie hier und da, allerdings mehr als Kuriosität -für die Fremden und nicht zum täglichen Gebrauch, zu Geweben versponnen -werden. So werden in Unteritalien, besonders in Tarent und Reggio, -fein anzufühlende goldbraune Handschuhe aus solchen Byssusfäden -gewoben. Eine solche Verwendung geht mindestens bis in die späteren -Zeiten des Römerreiches zurück, da schon der 220 n. Chr. verstorbene -Kirchenvater Tertullian sie erwähnt. Zu diesem Zwecke werden die -in ruhigen Meerbusen mit Schlammgrund wenige Meter tief in großen -Mengen aufrecht beieinander sitzenden Steckmuscheln mit einem eigenen -Instrument gefischt. Es besteht aus zwei gebogenen, an beiden Enden -miteinander verbundenen dünnen Eisenstangen und wird so an der Muschel -herabgelassen, daß es an beiden Seiten des breiteren Teiles derselben -hinabgleitet und dann durch Drehung um einen rechten Winkel dieselbe -festhält und herauszieht. Früher wurde diese ~Muschelseide~ besonders -im Neapolitanischen hergestellt. Außer zur Gewinnung des Byssus werden -die Steckmuscheln, von denen _Pinna squamosa_ des Mittelmeers 56 _cm_ -lang wird, auch ihres zwar weniger guten Fleisches wegen erbeutet. -Schon die Alten hatten beobachtet, daß die Steckmuschel in ihrer -Mantelhöhle einen rundlichen Krebs beherbergt, den sie -- wie uns -Plinius und Älian berichten -- _Pinnotheres_ oder _Pinnophylax_, d. h. -Wächter der Steckmuschel (_pinna_) nannten. Dieser sollte in der Weise -für die Ernährung der blinden Muschel sorgen, daß er letztere, die -ihre Schalen öffnet, um ihren Fuß als Köder für Fische auszustrecken, -kneift, wenn sich einige Fischchen in sie hineinbegeben haben. Die -Muschel schließe dann ihre Schalen und verzehre gemeinsam mit ihrem -Genossen, dem Krebschen, die so gemachte Beute. Selbstverständlich ist -dies ein, wenn auch recht anmutig erdachtes, Märchen. - -Die größte aller Muscheln ist die in den Korallenriffen des Indischen -Ozeans lebende ~Riesengienmuschel~ (_Tridacna gigas_), die ein -Gewicht von 100-200 _kg_ erreicht, ohne die Schale allerdings nur -bis zu 10 _kg_ schwer wird. Ihr Fleisch wird zum Essen benutzt, ihre -ungemein massiven Schalen mit gewulsteten Rippen aber nicht selten in -katholischen Kirchen als Weihwasserbecken aufgestellt oder zu Wasch- -oder Springbrunnenschalen benutzt. Jedenfalls fehlen sie als imposante -Schaustücke keinem größeren Museum mariner Tiere. Weniger auffallend -aber kulturgeschichtlich unvergleichlich wichtiger als sie ist die -ebenfalls dem Indischen Ozean angehörende ~echte Perlmuschel~ (_Avicula -margaritifera_), deren bis 30 _cm_ lange, rauhe, äußerlich meist von -Moostierchen und Kalkalgen überzogene, flache Schalen auf grünbraunem -Grunde weiße Strahlen und nach außen zu immer stärker werdende -Schuppen tragen und mit einem grünlichen grob-faserigen Byssus fest -an der steinigen Unterlage befestigt sind. Wie sie inwendig von einer -unverhältnismäßig dicken Perlmutterschicht bedeckt sind, so scheidet -der dieselbe ausscheidende Mantel auch um alle unter ihn gedrungene -Fremdkörper, vornehmlich Parasiten der verschiedensten Art, dieselbe -Perlmuttermasse ab, wodurch die in Sage und Geschichte so berühmten -~Perlen~ entstehen. Sie liegen nicht immer frei zwischen Mantel und -Schale, sondern sind häufig mit letzterer verwachsen, haben auch -oft statt der kugeligen eine unregelmäßige Form. Außer der Gestalt -bestimmen Größe, Farbe, Glanz und die sogenannte Klarheit oder das -Wasser ihren Wert. Wegen ihrer Größe sind die sehr unregelmäßigen, -eckigen Beulen- oder Brockenperlen, wegen ihrer gleichmäßigen, schönen -Rundung die Stückperlen teuer. Was die Färbung betrifft, werden -in Europa die weißen, auf Ceylon die rosenfarbigen, im Orient die -ins Gelbliche spielenden Perlen am meisten geschätzt. Sind schöne -Perlen auch noch groß, wie die größte in Europa bekannt gewordene, -die taubeneigroße Perle König Philipps II. von Spanien, des Sohnes -Kaiser Karls V. und Isabellas von Portugal (1527-1598), so haben sie -einen ungeheuren Wert. An Papst Leo X., den zweiten Sohn Lorenzo il -Magnificos von Medici, der 1513 Papst wurde und, um seinen Finanzen -aufzuhelfen, den bekannten, schließlich zur Reformation der Kirche -führenden Ablaßhandel besonders schamlos in Szene setzte, verkaufte -ein Venezianer eine Perle für 264000 Mark unseres Geldes. Den Wert der -großen Perle, die Kleopatra in Essig aufgelöst trank, um dem Antonius -zu imponieren, schätzte man auf 1½ Millionen Mark. Außer den schön -runden Stück- und den eckigen Brockenperlen unterscheidet man noch die -auf einer Seite flachen Kartenperlen und die nicht gut anbohrbaren, -nur zur Einfassung von Schmuckgegenständen dienenden Staubperlen. Man -spricht auch von Zahl-, Unzen- und Lotperlen und sortiert sie für -den Handel durch 5-10 verschiedene Siebe mit engeren und weiteren -Löchern. Außer den Perlen werden auch die als ~Perlmutter~ in ganzen -Schiffsladungen nach Europa kommenden Schalen der Perlmuscheln vielfach -zur Anfertigung von Knöpfen, Messergriffschalen und dergleichen -verwendet. 1 _kg_ derselben repräsentiert einen Wert von 3 Mark. Die -schlechteren Stücke werden in manchen Gegenden Südasiens gelegentlich -auch als Dachziegel verwendet. Aus dem Schloßband der Perlmuschel -schneidet man den wie Labradorstein schillernden ~Pfauenstein~, der zur -Herstellung von allerlei Schmuck dient. - -Die echte Perlmuschel ist an den Küsten des Indischen und Stillen -Ozeans weit verbreitet und lebt gesellig in Tiefen von 6-45 _m_, -am meisten zwischen 8 und 16 _m_, und wird, wo sie häufig ist und -erfahrungsgemäß öfters Perlen birgt, von Tauchern auf gut Glück -heraufgeholt. Diese können, durch lange Übung dazu befähigt, 2-3 -Minuten unter Wasser bleiben. Sie tauchen, den Fuß durch eine Schlinge -mit einem schweren Stein gesteckt und mit einem Messer zur Abwehr der -Haie bewaffnet, wie auch von den Mantras -- den Zaubersprüchen -- -des mit hinausfahrenden Priesters begleitet, vom Boot aus ins Meer, -reißen oder schneiden die mit einem Byssus an den Grund gehefteten -Perlmuscheln ab, stecken deren etwa 50 in ein von ihnen über den -Nacken getragenes Netz, geben dann den Leuten im Taucherboot durch -Rütteln des an ihnen befestigten Strickes ein Zeichen, werden von -diesen heraufgezogen und beginnen die Arbeit nach kurzer Pause von -neuem. Etwa 40 bis 50mal können sie an einem Tage nacheinander auf den -Meeresgrund tauchen, dann aber sind sie so erschöpft, daß sie einer -längeren Ruhe zu ihrer Erholung bedürfen. Nicht selten werden sie bei -ihrem nicht ungefährlichen Berufe die Beute der gefürchteten Haifische -oder von den Sägehaien verletzt. Weit häufiger aber werden sie ein -Opfer ihrer ungesunden Lebensweise; denn nicht selten stürzt ihnen, -nachdem sie einige Male getaucht sind, ein Blutstrom aus Nase und -Mund. Sie leben während der Fischzeit von Datteln, Fischen und Reis, -den ihnen die Engländer liefern, und setzen sich während des Tauchens -nach Perlmuscheln ein Stück elastisches Horn über die Nasenöffnung, -welche dadurch fest zusammengehalten wird. Die gefischten Muscheln -läßt man, damit sie ihre Klappen öffnen und die Perlen herausgesucht -werden können, eine Zeitlang am Ufer faulen, was im Sommer bei einer -Hitze von oft 50° _C._ einen furchtbaren Gestank verursacht, so daß der -Aufenthalt an diesen sonst paradiesischen Gestaden nichts weniger als -ein Genuß ist. Oft findet man in 20 Muscheln nicht eine einzige Perle, -ausnahmsweise aber auch wohl 20 Perlen in einer einzigen Muschel. -Neuerdings hat man vorgeschlagen, die Röntgenstrahlen zur Prüfung -der frischgefischten Perlmuscheln auf Perlen zu verwenden und alle -perlenfreien ins Meer zu werfen, um sie gelegentlich später wieder auf -etwaige Bildung von Perlen zu untersuchen. Es ist dies natürlich eine -sehr rationelle und humane Neuerung, so daß die unzähligen Stücke, die -bisher nutzlos ihr Leben lassen mußten, geschont werden könnten. - -Die Zeit der Perlenfischerei sind an den Küsten des Indischen Ozeans -die Monate März-April und August-September, weil alsdann in der Zeit -zwischen dem Ost- und Westmonsun Windstille zu herrschen pflegt, was -sowohl für die Sicherheit der die Taucher begleitenden Fahrzeuge, als -für das bessere Sehen unter Wasser von Wichtigkeit ist. In dieser -Zeit belebt sich der sonst so öde Strand der Perlmuschelgegenden -nicht nur durch die Perlenfischer selbst, sondern durch die -Lebensmittelverkäufer, Unterhändler und allerlei Gesindel, die in -der Regel noch einen sichereren Gewinn machen als die Perlenfischer -selbst, die miserabel bezahlt sind, nämlich außer einem kleinen Anteil -an den erbeuteten Muscheln nur 30 Cent (= 41 Pfennige) Lohn im Tag -erhalten. Die Taucher stehen im Dienst größerer Unternehmer, die an die -Regierung des Landes, an deren Küste sie fischen, entweder eine feste -Pachtsumme oder einen bestimmten Teil des Ertrages bezahlen. Dieser ist -sehr verschieden in den einzelnen Jahren. In der Regel wird dieselbe -Perlmuschelbank erst nach 5 bis 7 Jahren wieder befischt, um sie nicht -so sehr zu erschöpfen. Zuweilen werden vor Beginn der eigentlichen -Fischerei Proben genommen und da, wo 1000 Muscheln nicht Perlen im -Werte von 1½-3 Mark ergeben, die Fischerei ganz unterlassen. Ein -anderthalbfach größerer Ertrag gilt schon für recht günstig. - -Die wichtigsten Perlmuschelbänke liegen um die Dahlakinseln im Roten -Meer, um die Bahreininseln und die Insel Ormus im Persischen Meerbusen. -Von der letzteren sagt ein persisches Sprichwort: Wäre die Erde ein -Ring, so wäre Ormus der Edelstein darin. Gegen 30000 Menschen sollen -den Sommer hindurch im Persischen Meerbusen mit der Perlfischerei -beschäftigt sein und dabei einen Gesamtgewinn von jährlich etwa 80 -Millionen Mark erzielen. Andere wichtige Perlmuschelbänke liegen an -der Westküste Ceylons, im Golf von Manaar in der Bai von Kondatschi -und in der Meerenge zwischen Ceylon und der Küste von Madura, an -der sogenannten Perlküste, wo die englische Regierung das Recht zur -Perlfischerei besitzt und regelmäßig ausübt. Dabei läßt sie jedes Jahr -nur bestimmte Perlbänke und diese erst wieder nach 6-7 Jahren absuchen -und erzielt einen jährlichen Gewinn von ½-4 Millionen Mark. Hier sind -die Perlbänke an die _Ceylon Company of Pearl Fishers_ vermietet, die -die Tagesernte von Muscheln in Säcken von 1000 Stück gleich an Ort und -Stelle öffentlich versteigern lassen, während die Taucher ihren Anteil -in Partien von ungefähr 6 Muscheln auf dem Fischmarkt von Colombo -verhökern lassen. Bei den Auktionen erzielt der Sack von 1000 Austern -durchschnittlich 30 Rupies (= 58 Mark). Sowie aber in einem von diesen -eine besonders kostbare Perle gefunden wurde, schnellen die Preise -der nächsten Säcke plötzlich in die Höhe und erzielen zwischen 100 -und 200 Rupies (= 192 und 386 Mark), bis der Eifer der aus der ganzen -Welt zusammengeströmten Perlenhändler verrauscht ist. Die Muscheln -der ersteigerten Säcke werden von den mehr oder weniger glücklichen -Besitzern sofort geöffnet und auf etwaige Perlen untersucht. -Diejenigen, die keine Perle enthalten, werden einfach fortgeworfen. - -Außer bei Ceylon wird auch bei den Suluinseln zwischen Borneo und -den Philippinen schon seit langem Perlfischerei getrieben, ebenso -neuerdings bei Japan, an einigen Stellen der Nordküste Australiens und -in Polynesien. In Amerika und an seinen tropischen Küsten, wo die echte -Perlmuschel des Indischen Ozeans durch eine ihr sehr nahe verwandte Art -vertreten ist, betreibt man im Meerbusen von Kalifornien, im Meerbusen -von Mexiko und an den Küsten Westindiens Perlfischerei, namentlich aber -bei den Perlasinseln im Meerbusen von Panama und bei der Karaibeninsel -Margarita, die Kolumbus so, d. h. Perleninsel benannte. Hier wurden sie -von den Indianern schon vor der ersten Ankunft der Europäer geschätzt -und gesammelt. So traf Kolumbus auf seiner dritten Reise 1498 in der -Nähe der Orinokomündungen Indianerinnen, welche Perlschnüre als Arm- -und Halsbänder trugen und gab der in der Nähe befindlichen Insel, an -deren Küste die Eingeborenen nach Perlen fischten, eben den Namen -Margarita. Ebenso erhielt Vasco Nuñez de Balboa 1513, da er als erster -Europäer am Golf von Darien die Landenge von Mittelamerika überstiegen -und den Stillen Ozean erreicht hatte, von einem dortigen Häuptling an -der Küste 240 Perlen als Geschenk. Später wurden die Halbinseln Guajiro -und San Marta, an der Mündung des Magdalenenstroms, sowie La Paz am -Meerbusen von Kalifornien berühmte Stellen für Perlfischerei. Die -„okzidentalischen“ Perlen sollen durchschnittlich größer, aber weniger -glänzend als die orientalischen sein. - -Der Gebrauch der letzteren als Schmuck ging offenbar von Indien -aus, von wo bis in die späte römische Kaiserzeit nach dem Bericht -der griechischen und römischen Autoren die meisten Perlen in die -Mittelmeerländer gelangten. Im Heldengedichte Ramajána werden sie -als etwas Bekanntes mehrfach erwähnt. Von der Sanskritbezeichnung -dafür, _mangara_, dürfte sich die griechisch-lateinische Bezeichnung -_margaros_, später _margarita_, ableiten. Auch das romanische Wort für -Perlmutter, französisch _nacre_, stammt von einem orientalischen Worte -ab. Das hochdeutsche „Perle“ dagegen ist wahrscheinlich ursprünglich -nur eine vergleichende Bezeichnung, vom lateinischen _pirula_, d. h. -kleine Birne. Homer kannte die Perlen und deren Verwendung als Schmuck -noch nicht. In der griechischen Literatur werden sie zuerst von -Theophrast, einem Schüler des Aristoteles, erwähnt, nachdem durch -Alexanders des Großen Eroberungen die Griechen mit dem Orient in engere -und mit Indien zuerst in direkte Verbindung gekommen waren. Nach -Athenaios sagt Theophrast in seinem Buche über die Steine folgendes -über die Perle: „Unter den bewunderten Steinen gehört auch die Perle; -sie ist von Natur durchscheinend und dient zu verschiedenartigen -Halsbändern. Sie kommt aus Muscheln, welche der Steckmuschel ähnlich, -jedoch kleiner sind, und hat die Größe großer Fischaugen.“ - -Androsthenes sagt in der Beschreibung seiner Schiffahrt entlang der -Küste Indiens: „Es gibt dort eine eigentümliche Muschel, welche -die Eingeborenen _berberi_ nennen und aus welcher der Perlstein -(_margarítis líthos_) kommt. In Asien werden sie hoch geschätzt und -nach Persien und weiter hinauf verhandelt. Die Muschel sieht der -Kammuschel ähnlich, ist aber nicht gefurcht, sondern glatt und rauh; -sie hat auch die zwei ohrförmigen Hervorragungen nicht, welche die -Kammuschel hat, sondern nur eine. Die Perle entsteht im Fleische des -Tieres und ist entweder so goldfarbig, daß man sie vom Gold kaum -unterscheiden kann, oder silberfarbig, oder vollkommen weiß wie -(gekochte) Fischaugen.“ - -Chares von Mitylene schreibt im siebenten Buche der Geschichte -Alexanders: „Im Indischen Meere werden Muscheln gefangen, aus denen -man weiße Knöchelchen nimmt, die Perlen genannt und, an Schnüren -aufgereiht, zu Schmuck für Hals, Hände und Füße verwendet werden. -Sie werden in Persien, Medien und (Klein-) Asien höher geschätzt als -aus Gold gemachte.“ Isidoros von Charax in Susiana sagt in seiner -Beschreibung Parthiens: „Im Persischen Meere liegt eine Insel, woselbst -es sehr viele Perlen gibt. Deswegen befinden sich bei der Insel viele -aus Rohr geflochtene Kähne, aus welchen Taucher ins Meer springen, bis -zur Tiefe von 20 Ellen hinabsteigen und die Muscheln heraufbringen. -Die meisten und besten Perlen sollen in den Muscheln entstehen, -wenn Donnerschläge und Platzregen fallen. Im Winter verstecken sich -die Muscheln im Abgrund, im Sommer aber öffnen sie sich bei Nacht, -schwimmen hin und her, schließen aber bei Tag die Schalen. Diejenigen -aber, die an Klippen festwurzeln, erzeugen daselbst die Perlen. Die im -Abgrunde wohnenden Muscheln erzeugen die glänzendsten, reinsten und -größten Perlen; bei den herumschwimmenden und in der Höhe lebenden sind -sie dagegen an Größe und Farbe geringer.“ - -Sehr eingehend behandelt Plinius in seiner Naturgeschichte die Perlen. -Er sagt dort von ihr: „Unter allen Kostbarkeiten sind die Perlen -(_margarita_) das Kostbarste. Man bezieht sie vornehmlich aus dem -Indischen Meere, wo sie mitten unter den schrecklichen Seeungeheuern -gedeihen, von wo man sie aus jenem glühenden Himmelsstriche, mitten -durch so viel Länder und Meere, bis zu uns schafft. Die meisten werden -bei der Insel Taprobane (Ceylon) und Stoidis, sowie beim indischen -Vorgebirge Perimula (Kap Komorin) gefunden. Vorzüglich gelobt werden -diejenigen aus dem bei Arabien liegenden Persischen Meerbusen. Die -Entstehung und Fortpflanzung der Perlmuschel unterscheidet sich von -der der Auster nicht sehr bedeutend. Im Frühjahr öffnen sich die -Perlmuscheln, saugen den Tau ein, werden dadurch befruchtet, und Perlen -sind die daraus hervorgehende Frucht, deren Reinheit sich nach der -Reinheit des empfangenen Taues richtet. Geschah die Befruchtung bei -stürmischem Himmel, so werden die Perlen bleich; denn sie stammen vom -Himmel und nicht vom Meere, werden daher wolkig oder rein, je nachdem -der Himmel es war. Sättigen sich die Muscheln frühzeitig am Tau, so -werden die Perlen groß; blitzt es, so schließen sich die Muscheln, und -je länger sie dann fasten, um so kleiner werden die Perlen. Donnert -es aber noch dazu, so schließen sie sich im Schrecken ganz fest und -bringen nur eine hohle Blase statt einer Perle hervor. Vollkommene -Perlen bestehen aus vielfachen, gleichsam häutigen Lagen und bilden -sozusagen eine Schwiele, weshalb sie auch von Sachverständigen erst -gereinigt werden. Da sie den Himmel so sehr lieben, wunderts mich, daß -sie nicht auch mit der Sonne in freundschaftlicher Verbindung stehen; -denn von letzterer werden sie rot gefärbt und verlieren ihre weiße -Farbe gleich der menschlichen Haut. Das reinste Weiß zeigen daher -diejenigen, welche so tief im Meere stecken, daß die Sonnenstrahlen -sie nicht erreichen. Doch auch diese werden im Alter gelb und runzlich -und glänzen nur solange sie rund sind. Im Alter werden sie auch dick -und hängen so fest an der Muschelschale, daß man sie nur mit der Feile -trennen kann. Übrigens sind die Perlen im Wasser weich, werden aber -augenblicklich hart, wenn man sie herausnimmt. - -Wenn die Perlmuschel die Hand des Menschen bemerkt, so schließt sie -sich und versteckt ihren Schatz, weil sie weiß, daß man danach strebt. -Packt sie die Hand zwischen ihren Schalen, so schneidet sie sie zur -gerechten Strafe ab; jedoch ist dies nicht die einzige Gefahr, welche -den Fischer bedroht; denn sie wohnt meist zwischen Klippen, und im -hohen Meere ist sie von Haifischen umgeben. Aber das alles kümmert die -Damen nicht, deren Ohren Perlen zieren. Manche Leute erzählen, die -Perlmuscheln haben gleich den Bienen einen König, der sich durch Alter -und Größe auszeichne und Nachstellungen äußerst schlau zu entgehen -wisse. Diesen König suchen die Taucher vor allem zu erhaschen, die -übrigen würden dann leicht in Netzen gefangen. Man tut sie dann in -irdene Gefäße, bestreut sie tüchtig mit Salz. Wenn dann das Fleisch -verfault ist, fallen die Perlen zu Boden. - -Es ist gewiß, daß die Perlen durch den Gebrauch abgenutzt werden und -die Farben verlieren, wenn man sie nicht sorgfältig behandelt (Tatsache -ist, daß sie in häufiger Berührung mit der menschlichen Haut sich -besser halten als in den Schmuckkästchen aufbewahrt). Ihr Wert richtet -sich nach der hellen Farbe, nach Größe, Rundung, Glätte und Gewicht, -Dingen, die so selten vereinigt sind, daß man nie zwei ganz gleiche -Perlen findet. Auch in der Farbe zeigt sich ein großer Unterschied. Im -Roten Meere haben sie ein helleres Weiß, die indischen dagegen sehen -aus wie Marienglas, sind aber vorzüglich groß. Das größte Lob für eine -Perle ist, wenn man sie alaunfarbig nennen kann. Auch die länglichen -Perlen sind beliebt. Die Damen halten es für einen großen Ruhm, an -Fingern und Ohren Perlen zu tragen, welche die Gestalt einer langen, -unten dicken Birne haben. An jedes Ohr hängen sie deren sogar zwei bis -drei. Verschwendungssucht und üble Sitten haben auch für dergleichen -Schmuck eigene Namen erfunden; denn man nennt solche Ohrgehänge -Klappern (_crotalia_), weil sie ein für die Eitelkeit ganz liebliches -Geklapper hervorbringen. Selbst die Ärmeren wollen jetzt solchen -Schmuck, und ihre Frauen möchten auch auf der Straße ihre Anwesenheit -durch Perlengeklapper anzeigen. Ja sie zieren sogar ihre Füße damit, -und zwar nicht bloß die Schuhbänder, sondern die ganzen Schuhe. Es ist -ihnen nicht genug, Perlen zu tragen; sie wollen sogar auf Perlen gehen -und sie mit Füßen treten. - -Daß die Perlen eine dichte Masse bilden, sieht man daraus, daß sie -beim Fallen nicht zerbrechen. Nicht immer findet man sie mitten im -Fleische der Muschel, sondern bald hier, bald dort; ja, ich habe welche -schon ganz am Rande gesehen, als ob sie herausfallen wollten, und in -manchen Muscheln 4-5. Bis jetzt hat man nur sehr wenige gefunden, -die um ein Skrupel schwerer gewesen wären als zwei Lot (=35 _g_). -Auch in Britannien müssen Perlen, jedoch kleine und nicht sonderlich -schöngefärbte, wachsen, weil Julius Cäsar den Brustharnisch, den -er der Venus weihte, für eine aus britannischen Perlen gemachte -Seltenheit ausgab. (Es sind dies, wie wir alsbald sehen werden, von der -europäischen Flußperlmuschel gewonnene Perlen.) - -Ich habe die Gemahlin des Kaisers Gajus (Caligula, dritter römischer -Kaiser 37-41 n. Chr.), Lollia Paulina, gesehen, wie sie bei einem ganz -gewöhnlichen Verlobungsschmause, wobei keineswegs ein großer Aufwand -an Pracht verlangt wurde, mit Smaragden und Perlen bedeckt war, die in -wechselnden Reihen schimmerten. Am ganzen Kopfe, auf den Haaren, der -Kopfbinde, den Ohren, dem Halse, dem Halsbande, den Fingern befanden -sich so viel, daß sich der Wert derselben auf 40 Millionen Sesterzien -(= 6 Millionen Mark) belief, was sie selbst aus ihren Quittungen zu -beweisen bereit war. Diese Herrlichkeiten waren nicht einmal Geschenke -des verschwenderischen Kaisers, sondern ererbte, durch Plünderung -der Provinzen zusammengescharrte Reichtümer. Das ist der Erfolg von -Räubereien und Geschenken, die Marcus Lollius schändlicherweise im -ganzen Orient von den Königen erpreßte, weswegen ihm Gajus Cäsar, der -Sohn des Augustus, die Freundschaft aufsagte, so daß er sich in der -Verzweiflung vergiftete. Das also hat er durch sein Leben und durch -seinen Tod erlangt, daß seine Enkelin mit einem 40 Millionen kostenden -Schmucke beim Scheine der Lichter glänzen konnte. - -Nun wollen wir einmal den Schmuck des Curius und Fabricius (sehr -einfach lebender Römer der guten, alten Zeit) bei Triumphzügen und -ihre (sehr bescheidenen) Mahlzeiten einerseits und die schmausende -Lollia andererseits vergleichen. Wäre es nicht besser gewesen, sie -wären von ihren Triumphwagen hinuntergeworfen worden, als daß sie -für solche Nachkommen gesiegt hätten? -- Doch das ist nicht einmal -das ärgste Beispiel der Verschwendung. Die zwei größten Perlen, die -man seit Menschengedenken gefunden hat, besaß Kleopatra, die letzte -ägyptische Königin; sie hatte sie von orientalischen Königen geerbt. -Als sie nun täglich von Antonius mit den ausgesuchtesten Leckerbissen -gemästet wurde, spottete sie doch stolz, frech und übermütig über alle -seine Herrlichkeiten, und als er fragte, wie er denn noch kostbarere -Sachen herbeischaffen könne, gab sie die Antwort, sie wolle bei einer -einzigen Mahlzeit 10 Millionen Sesterzien (= 1½ Millionen Mark) -vertun. Antonius hielt die Sache für unmöglich, war aber doch begierig, -zu erfahren, was sie tun würde. Es kam zur Wette. Am folgenden Tag, -dem Tage der Entscheidung, gab Kleopatra, um den Tag nicht ungenossen -vorübergehen zu lassen, ein glänzendes, übrigens ganz alltägliches -Mahl, und Antonius machte sich darüber lustig und fragte nach der -Rechnung. Das ist nur eine kleine Zugabe, antwortete Kleopatra; die -Mahlzeit wird den bestimmten Preis kosten, und ich selbst will allein -die 10 Millionen verschlucken. Sie befahl nun, den Nachtisch zu -bringen. Auf Befehl stellten die Diener nichts vor sie hin als eine -Schale mit Essig, dessen Säure die Perlen auflöst. Sie trug jenes -herrliche und wahrhaft einzige Geschenk der Natur als Ohrschmuck. -Während nun Antonius voller Erwartung dasaß, nahm sie die eine Perle -vom Ohr, warf sie in den Essig, und trank sie, nachdem sie sich -aufgelöst hatte (was allerdings nur sehr langsam vor sich gegangen sein -wird). Eben war sie im Begriff, mit der andern Perle (dem Ohrgehäng -der andern Seite) ebenso zu verfahren, als Lucius Plancus, der -Schiedsrichter bei dieser Wette, ihre Hand zurückhielt und den Antonius -für besiegt erklärte. Die damals gerettete Perle hat sich später -ebenfalls einen Namen gemacht; denn sie wurde nach der Gefangennahme -der Kleopatra in zwei Teile zerschnitten, deren jeder ein Ohr der Venus -(der angeblichen Ahnfrau des julischen Geschlechtes) im Pantheon zu Rom -geziert. - -Doch Antonius und Kleopatra brauchen mit ihrer Verschwendung nicht so -gar groß zu tun; denn sie können sich darin kaum mit einem Schauspieler -messen. Dieser war Clodius, der Sohn des Tragikers Äsop und Erbe -seiner unermeßlichen Reichtümer. Dieser Clodius nahm noch vor der Zeit -des Antonius Perlen von großem Werte, löste sie auf und trank sie, -nicht, um in einer Wette zu siegen, sondern nur um zu wissen, wie sie -schmecken. Und wie sie ihm nun herrlich mundeten, gab er auch jedem -seiner Gäste eine zu verschlucken.“ - -Diese Sucht nach Perlengeschmeide, die Plinius an den Römerinnen seiner -Zeit (nach der Mitte des 1. Jahrh. n. Chr.) rügt, so daß sie diese Zier -nicht nur in den Ohren, sondern auch als Halsschmuck in 1-3 Reihen und -danach in Anlehnung an die betreffenden griechischen Bezeichnungen als -Mono-, Di- und Trilinum bezeichnet, dann sogar an den Schuhen trugen, -war durch Beeinflussung der Orientalen zuerst bei den alexandrinischen -Griechen aufgekommen und wurde bei den reichen Römern erst nach -den asiatischen Feldzügen des Pompejus Mode. Erst in der späteren -Kaiserzeit, wie auch bei den Byzantinern, wurde ein übermäßiger Luxus -damit getrieben, wie dies die morgenländischen Herrscher, speziell die -persischen und indischen, das ganze Mittelalter hindurch bis in die -Gegenwart taten, indem sie nicht nur die Kopfbedeckung und die ganze -Gewandung, sondern auch ihre Waffen und übrigen Gebrauchsgegenstände -mit Perlen wie auch Edelsteinen überzogen. Manche römische Kaiser -suchten allerdings dem Perlenluxus entgegenzutreten. So der -sittenstrenge Alexander Severus, von dem uns sein Biograph Älius -Lampridius folgende Geschichte berichtet: „Dem Kaiser Alexander Severus -brachte einstmals ein Gesandter für seine Gemahlin zwei ausgezeichnet -große und schwere Perlen zum Geschenk. Der Kaiser bot sie zum Verkauf -aus, und da sich kein Käufer dafür fand, so ließ er sie in die Ohren -der Venus (auf dem Kapitol) hängen und sagte: ‚Trüge die Kaiserin -solche Perlen, so würde sie andern Damen ein böses Beispiel geben, -indem sie Schmuck von so hohem Werte trüge, daß niemand ihn bezahlen -könnte.‘“ - -Der um 180 n. Chr. lebende griechische Sophist Claudius Älianus aus -Präneste erzählt uns mancherlei von der, wie er sich ausdrückt, „von -unverständigen Männern gepriesenen und von den Weibern bewunderten -Perle“ und fügt hinzu, daß durch den Perlenhandel gar manche Leute -reich geworden seien. Er nennt als Herkunftsort der besten Perlen das -Rote Meer und die Küste zwischen Ceylon und Indien. Dort würden die -Perlmuscheln, in denen die Perlen dadurch entstehen sollten, daß ein -Blitz in die geöffneten Muscheln leuchte, an heitern Tagen bei ruhigem -Meere mit großen Netzen gefischt. Sie schwämmen herdenweise umher und -hätten Führer, wie die Bienen ihre Könige haben. „Diese Führer sollen -sich durch Farbe und Größe auszeichnen. Ist nun ein solcher gefangen, -so fällt die ganze verwaiste Herde in die Hände des Tauchers; deswegen -sind letztere auf den Fang des Führers sehr erpicht. Solange der -Führer noch lebt, weiß er die Herde mit klugen Schwenkungen zu lenken -und zu retten; ist er aber verloren, so rührt sich die Herde nicht -vom Fleck, wie eine Schafherde, die ihren Hirten verloren hat. Die -gefangenen Muscheln werden, wie man sagt, in Fässern eingesalzen; wenn -dann das Fleisch verzehrt ist, bleiben die Perlen zurück. Man kann in -den größten Muscheln kleine Perlen finden und in den kleinen große. -Manche Muschel hat gar keine, manche nur eine; in vielen aber sind sie -zahlreich. Ja, man sagt, es können in einer Muschel 20 Perlen sein. Die -Perle wächst im Fleische der Muschel wie ein Dorn; öffnet also jemand -die Muschel, ehe sich Perlen in ihr erzeugt haben, so findet er keine. -Es ist auch bekannt, daß Perlmuscheln, denen man die Perlen genommen -hatte und die man wieder freiließ, neue erzeugten, als wüßten sie, daß -sie sich mit diesem Schatze loskaufen könnten. Die Perle gleicht einem -Steine und enthält in sich nicht die geringste Feuchtigkeit. Sie ist -von Natur glatt und rund. Will jemand eine Perle, deren Gestalt ihm -mißfällt, durch Kunst abändern, so gelingt dies nicht; sie wird rauh -und verrät dadurch den Betrug. Die ganz weißen und großen gelten für -die vollkommensten.“ - -Bis auf den heutigen Tag hat sich die Perle in der ganzen Kulturwelt -ihre Schätzung als Schmuckstein erhalten. Besonders Halsgeschmeide -von großen, gleichmäßig runden Stücken sind auch zu unserer Zeit sehr -beliebt. Berühmt ist der Perlenschmuck verschiedener europäischer Höfe, -auch derjenige der deutschen Kaiserin, die eine besondere Vorliebe -für Perlen hat. Manche dieser Geschmeide sind berühmt und haben ihre -Geschichte wie einzelne hervorragende Diamanten. - -Das zunehmende Seltnerwerden der wertvollen Perlmuschel gab -Veranlassung, sie künstlich in abgeschlossenen Meeresbecken zu züchten -und ihr Fremdkörper unter den Mantelraum zu schieben, damit sie Perlen -daraus bilde. Die Erfolge sind nun auch ganz günstig. Schon lange vor -den Europäern haben die Chinesen sich mit der künstlichen Erzeugung -von Perlen und dem Überziehen von allerlei kleinen Figürchen mit einem -Perlmutterüberzug durch Schieben von Vorlagen zwischen Schale und -Mantel der bei ihnen heimischen Flußperlmuschel erfolgreich bemüht. -Auch bei uns stammt ein Teil der Perlen von der durch dicke Schalen -ausgezeichneten ~Flußperlmuschel~ (_Margaritana margaritifera_). -Sie lebt auf sandigem bis steinigem Boden klarer Gebirgsbäche der -nördlichen Hälfte Europas vom Böhmerwald, Fichtel- und Erzgebirge an -bis ans Eismeer, von den Flüssen des Ural bis zur Westküste Irlands, -und in den reißenden Bächen der Pyrenäen. Von solchen Muscheln -Britanniens brachte Julius Cäsar, wie wir hörten, einen Perlenschmuck -mit nach Rom, also muß die Ausbeutung der Perlen in denselben von -den Kelten schon vor Ankunft der Römer praktiziert worden sein. -Die deutschen Perlen werden in der Literatur zuerst 1514 erwähnt. -Gegenwärtig werden diese Flußperlen hauptsächlich im sächsischen -Vogtland und im Amtsbezirk Vilshofen in Niederbayern von Unternehmern, -die das Regal von der Regierung in Pacht genommen haben, ausgebeutet, -noch mehr aber in der Moldau zwischen Rosenberg und Moldautein. Hier -werden jährlich für 8000 bis 12000 Gulden Perlen gefischt, die als -böhmische Perlen in den Handel gelangen. Bei diesem Perlenfang werden -die lebenden Muscheln sorgfältig geöffnet und, wenn sie keine Perlen -enthalten, wieder möglichst unverletzt ins Wasser zurückversetzt. -Stellenweise rechnet man auf 100 Muscheln eine Perle, zuweilen findet -man auch bedeutend mehr, doch meist nur kleine von geringem Wert. -Äußere Unebenheiten und Unregelmäßigkeiten an der Schale geben einige -Hoffnung, eine Perle zu finden. Im allgemeinen ist der Ertrag nur ein -geringer, da die Flußperlen in der Regel weniger schönen Glanz haben -als die orientalischen, doch gibt es einzelne glänzende Ausnahmen; -solche findet man z. B. im Grünen Gewölbe in Dresden. - -Auch in der Mandschurei und in China gibt es Flußmuscheln, welche -glänzende Perlen liefern. Die chinesischen werden schon in der -Geschichte eines der frühesten Kaiser, namens Yü, angeblich aus dem -22. Jahrhundert v. Chr., erwähnt. Schon seit vielen Jahrhunderten sind -in verschiedenen Gegenden der Provinz Tschekiang hunderte von Familien -damit beschäftigt, systematisch Perlen und perlartigen Schmuck von den -dort einheimischen Flußperlmuscheln zu gewinnen. Diese, die _Anodonta -plicata_, werden in großen Mengen gesammelt und die größten Exemplare -davon ausgesucht, um ihnen Körner oder Matrizen aus der Schale der -echten Meerperlmuschel oder aus Blei -- letztere stellen meist kleine -Figürchen von Buddha in sitzender Stellung dar -- reihenweise unter -den Mantelüberzug beider Schalen zu schieben. Durch diese Fremdkörper -gepeinigt, drückt sich das Tier krampfhaft an die Schalen, und dadurch -bleiben die Formen auf ihrem Platze. Hierauf legt man die Muscheln -eine nach der andern in 10-15 _cm_ Abstand in Kanäle oder Teiche -in einer Tiefe von 0,7-1,7 _m_ unter Wasser, zuweilen 50000 Stück. -Nach 10 Monaten bis 3 Jahren werden sie wieder aufgefischt und die -betreffenden Gegenstände, die sich inzwischen mit einer ausgiebigen -Perlmutterschicht überdeckt haben, herausgenommen, um sie zu einem -billigen Preise in den Handel zu bringen. Sie werden von den Juwelieren -zu Schmuck der verschiedensten Art verarbeitet und sind durch ganz -China sehr verbreitet. - -Auch in den Flüssen Nordamerikas gibt es Perlmuscheln, deren Perlen -von den Eingeborenen lange vor der ersten Ankunft der Europäer -gesammelt und als Schmuck getragen wurden. Solche fand Fernando Soto -1539 bei seinen Zügen durch das heutige Florida, Georgia und Alabama -im Besitze der Eingeborenen und an ihren Kultstätten angehäuft. Weiße -Perlen liefern die Flußmuscheln _Unio rectus_ und _U. complanatus_, -gelbe dagegen _U. dromas_. Außerdem gibt es auch fleischfarbene, -rote, purpurne und schwarze Flußperlen; himmelblaue aber sind seltene -Ausnahmen. Eine solche brachte in London 13200 Mark ein. Bereits im -vorigen Abschnitte wurde erwähnt, daß künstliche Perlen, die wie -die Nachahmungen von Edelsteinen sehr häufig getragen werden, aus -hohlen Glaskugeln gemacht werden, deren Innenwand mit einer aus den -Schuppen des ~Uklei~ (_Alburnus lucidus_), eines unseres gemeinsten -Süßwasserfisches aus der Sippe der Weißfische, bereiteten Masse -ausgekleidet wird. - -Übrigens sei hier bemerkt, daß es auch Perlen pflanzlicher Abstammung -gibt, die von den Malaien, die sie als _mestica_ bezeichnen, von -alters her als wertvolle Amulette an einer Halsschnur oder am -Waffengehänge getragen werden. Sie kommen im Holz der Kokospalme -und der Kasuarinenbäume, ferner in den Früchten der Brotfrucht und -Arekapalme vor. Die betreffenden, im Zellgewebe entstandenen Perlen -sind rund bis länglich und erreichen in seltenen Fällen die Größe eines -kleinen Taubeneies. Die meisten von ihnen sind weiß gefärbt, ohne -jedoch den Glanz der echten Perlen aus der Perlmuschel zu besitzen. -An einer Seite besitzen sehr viele derselben eine kleine leuchtende -Zone, ein „Sönnchen“, wie es der deutsche Gelehrte in holländischen -Diensten, Rumphius, der gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Tier- -und Pflanzenwelt Indonesiens erforschte, sinnig nennt. Manche -Pflanzenperlen sind mehr gelblich oder bräunlich, ja bis schwärzlich. -Alle Mesticas funkeln im Dunkeln, wenn man sie, wie beim bekannten -Feuerschlagen, mit einem harten Steine zusammenschlägt. Es sind dies -Konkrementbildungen aus fast reiner Kieselsäure. - -Weiterhin haben wir von den Menschen nützlichen Weichtieren die -~Holothurien~ oder ~Seegurken~ zu nennen, die bei den als Feinschmecker -berühmten Chinesen wie die eßbaren Vogelnester der Salangane als sehr -gesuchte Leckerbissen teuer bezahlt werden. In den malaiischen Meeren -beschäftigen sich Tausende von Fahrzeugen ausschließlich mit dem Fang -der Seegurken, die, auf die verschiedenste Weise zubereitet, unter -dem Namen ~Trepang~ (franz. _biche de mer_) nach China ausgeführt -werden. Es sind dies wurmartig verlängerte Stachelhäuter mit einer -bis auf kleine Reste zurückgebildeten Verkalkung der Außenschicht. -Sie benutzen zur Fortbewegung nur drei Füßchenreihen wie die ~eßbare -Seegurke~ (_Holothuria edulis_), haben vom Wassergefäßsystem der -Seeigel nur die Fühler bewahrt und sind Zwitter. Die Geschlechtsdrüsen -liegen nicht radiär wie bei den übrigen Stachelhäutern, sondern sind -als lange Schläuche nur in einem der fünf Interradialräume vorhanden. -Sie leben im sandigen Schlamm des Meergrundes, wo sie von allerlei -tierischer und vegetabilischer Nahrung leben, die sie sich mit Hilfe -ihrer Fühler zum Munde führen. - -Die Zahl der Seegurkenarten, die im Handel unterschieden werden, ist -eine ziemlich große, und ihre Namen wechseln je nach der Mundart der -chinesischen Stadt, wohin sie ausgeführt werden. Sie werden von den -Eingeborenen der Molukken, Philippinen, Neuguineas, ganz besonders -aber der Inseln des Stillen Ozeans in großen Mengen erbeutet und -für den Verkauf an die Händler präpariert, indem man sie zuerst -in Meerwasser kocht und dann auf hölzernen Gestellen an der Sonne -trocknet. Dabei schrumpfen sie gewaltig ein. In der Folge werden sie -zur vollständigen Auslaugung des Meerwassers noch einige Male in etwas -Süßwasser gedünstet und in großen, eigens dazu erbauten Schuppen an -rauchenden Feuern getrocknet. Erst kurze Zeit vor der Verladung in -die Schiffe werden sie, in Säcke verpackt, an die Händler verkauft, -die in kleinen Küstenfahrzeugen von selten mehr als 100-120 Tonnen -Gehalt die Ansiedelungen der Eingeborenen anlaufen, um von diesen den -Trepang gegen allerlei Tauschartikel einzuhandeln. Wollen die Chinesen -sie verspeisen, so reinigen sie den Trepang gründlich und lassen ihn -24-38 Stunden im Süßwasser aufquellen, wobei er eine schmutziggraue -Farbe annimmt. Nach mehrmaligem Waschen und sorgfältiger Entfernung -der Eingeweide werden sie in kleine Stückchen geschnitten und in -starkgewürzten Suppen oder mit verschiedenen anderen Speisen gegessen. -Sie erscheinen dann als milchig aussehende Gallertklumpen und sind sehr -leicht verdaulich. Sie sollen reizend auf die Genitalsphäre wirken, -weshalb sie von den sinnlich veranlagten Chinesen so überaus geschätzt -werden. - -Auch von den an den Meeresküsten verbreiteten ~Seeigeln~, so in den -Mittelmeergegenden von dem überall gemeinen ~Steinseeigel~ (_Echinus -saxatilis_), werden wenigstens die Geschlechtsdrüsen als leckere -Speise gern gegessen. Besonders schmackhaft sollen die fünf gelben -traubenförmigen Eierstöcke der Weibchen sein. Von ihnen sollen allein -in Marseille 100000 Dutzend auf den Markt gebracht und das Dutzend -zu 20-60 Centimes verkauft werden. Schon die alten Griechen und -Römer aßen die Seeigeleierstöcke gern und man fand Schalenreste des -~eßbaren Seeigels~ (_Echinus esculentus_) in Küchen des einst vom -Vesuv verschütteten Pompeji. Diese Art erwähnt schon Aristoteles unter -dem Namen _echínos_ als eßbar und sagt, daß man von ihr die großen -sogenannten Eier genieße. Älian um 180 n. Chr. meint: „Der Seeigel -bietet eine vorzüglich gesunde Speise und stärkt den geschwächten -Magen. Bestreicht man Leute, welche an Krätze leiden, mit ihm, so -werden sie geheilt; samt der Schale verbrannt, dient er zum Reinigen -der Wunden.“ Und Palladius um 380 n. Chr. sagt: „Den ganzen Winter -hindurch wird das Fleisch der Seeigel eingesalzen.“ - -Endlich haben wir noch die für den Menschen nützlichen Korallen und -Schwämme kurz zu erwähnen. Von ersteren kommt nur die ~Edelkoralle~ -(_Corallium rubrum_) in Betracht, deren Vorkommen auf das Mittelmeer -und das Adriatische Meer nördlich bis Sebeniko, die Nordwestküste -von Afrika und die Küsten der Kapverdischen Inseln beschränkt ist. -Sie lebt in Tiefen von 40-240 _m_, meistens aber in solchen von -80-180 und ist gewöhnlich in abwärts gerichteter Stellung an Felsen, -namentlich an der Unterseite überhängender Vorsprünge festgewachsen. -Die mehr oder weniger verzweigten, bis zu 30 _cm_ langen Stöcke -besitzen ein rotes, rosenfarbenes bis fast weißes Kalkskelett, in -dessen roter bis orangefarbiger Rinde die kleinen weißen, völlig in -die Rinde zurückziehbaren Einzelindividuen oder Polypen stecken. Die -Stöcke tragen meist entweder nur männliche oder nur weibliche, bloß -ganz ausnahmsweise zwitterige Individuen. Ihre wichtigsten Standorte -liegen an der Küste von Algerien und Tunis, bei den Balearen, bei -Sardinien und Sizilien, wobei besonders von Torre del Greco bei Neapel -aus alljährlich hunderte von Barken zu dem mühseligen Betrieb der -Korallenfischerei hinausfahren. Die Fahrzeuge variieren von 6-12 Tonnen -Gehalt und 4-12 Mann Besatzung; danach richtet sich auch die Größe -und Schwere des Gestells und Netzes, womit die Korallen vom felsigen -Grunde, an dem sie fest angewachsen sind, abgelöst werden. Dieses -besteht aus zwei übers Kreuz gelegten und stark verfestigten, bis 3 -_m_ langen Balken, die an der Kreuzungsstelle mit einem großen Steine -oder besser noch mit einem Eisen beschwert werden. Daran hängen 34-38 -Bündel grobmaschiger Netze in Form von Beuteln oder Wischern, wie sie -auf Schiffen zum Reinigen des Bodens gebraucht werden. Dieser an einem -starken Seile befestigte Apparat wird nun vor dem Winde geschleppt -und je nach der Größe von Hand oder mit einer auf dem Hinterteil des -Fahrzeugs befindlichen Winde heraufgezogen und auf den Grund gelassen. -Da die Edelkorallen nur auf sehr unebenem Felsboden, am liebsten unter -Vorsprüngen, unter welche die Arme des Kreuzes eindringen sollen, -wachsen, so gehört das Festsitzen des Schleppapparates zu den täglichen -und stündlichen Vorkommnissen und das fortwährende Flottmachen -desselben zu den anstrengendsten und aufreibendsten Arbeiten, zumal die -Fischerei der Edelkoralle unausgesetzt während der heißen Jahreszeit -betrieben wird. - -Die von den vorzugsweise italienischen Korallenfischern erbeuteten, -einen jährlichen Erlös von mehreren Millionen Franken darstellenden -Korallen werden zunächst von der dünnen lebendigen Rinde gereinigt, -nach der Farbe sortiert und namentlich in Neapel, Livorno und Genua, -aber auch in Marseille zu allerlei Schmuck verarbeitet. Die von den -Felsen abgerissenen, oft von Würmern und Schwämmen durchbohrten -Basisstücke kosten 5-20 Franken das _kg_. Der Preis der guten Ware ohne -solche Beschädigungen schwankt zwischen 45 und 70 Franken das _kg_. Für -das _kg_ ausgewählter dicker und besonders rosenrot gefärbter Stücke, -die man _als peau d’ange_ bezeichnet, werden 400, ja 500 und mehr -Franken bezahlt. Die Stücke, welche entweder nur bis zu einer gewissen -Tiefe oder durch und durch schwarz sind und als „schwarze Korallen“ -gesondert zu 12-15 Franken das _kg_ verkauft werden, kommen nicht -etwa von einer besondern Art, sondern sind Edelkorallen, die einst -abgerissen wurden, versanken und längere Zeit vom Schlamm bedeckt in -der Tiefe lagen, wobei die rote Farbe durch einen chemischen Vorgang -in eine schwarze verändert wurde. Im Indischen Ozean und im Roten Meer -gibt es aber eine von Hause aus mit schwarzem Kalkskelett versehene -Art Rindenkoralle. Es ist dies die ~schwarze Koralle~ (_Plexaura -antipathes_). Sie hat einen dickwurzeligen, buschig verzweigten, -schwarzen, nur an den dünnen Endreisern braunroten, bis zu 35 _cm_ -hohen, an der knolligen Wurzel 3 bis 5 _cm_ dicken Stock mit graugelber -Rinde, der im Orient zu allerlei Schmuckgegenständen verarbeitet, -auch zu Amuletten als Schutz gegen Verzauberung getragen wird. Schon -Plinius kannte beide Arten, glaubte aber irrtümlicherweise, daß die -aus den Korallen gearbeiteten Perlen, die man schon damals an Schnüren -aufgereiht als Schmuck trug, Früchte des am Meeresboden wachsenden -Korallenstrauchs seien und erst an der Luft von Weiß in Rot übergingen. -Daß die Koralle ein Tier und keine Pflanze sei, diese Erkenntnis blieb -ja erst unserer Zeit vorbehalten. Wenn auch bereits im Jahre 1723 von -Peyhsonel ihre tierische Natur erkannt wurde, so dauerte es doch bis -zum Beginn des 19. Jahrhunderts, bis diese Tatsache allgemein anerkannt -wurde. - -Der römische Dichter Ovid gibt uns die landläufige Ansicht des -Altertums über diese Wesen in folgendem Ausspruche: „Die Koralle -ist, solange sie im Wasser lebt, ein weiches Kraut, wird aber im -Augenblicke hart, wie sie an die Luft kommt.“ Und Plinius schreibt über -sie in seiner Naturgeschichte: „Die Korallen des Roten Meeres sind -schwärzlich; die im Persischen Meer heißen _jace_. Die beliebtesten -Sorten finden sich im Gallischen Meerbusen bei den Stöchadischen -Inseln (jetzt Iles d’Hyières bei Marseille), im Sizilischen Meere -bei den Äolischen Inseln (im Norden Siziliens) und bei Drepanum (dem -heutigen Trapani, der bekannten Stadt an der Westküste Siziliens); sie -kommen auch bei Graviscä (an der etrurischen Küste) und an der Küste -Kampaniens bei Neapel vor. Die von Erythräa (einer Stadt Kleinasiens -gegenüber der Insel Chios) sind vorzüglich rot, aber weich und daher -wertlos. Die Korallen haben die Gestalt eines Strauches und eine -grüne Farbe. Ihre Beeren sind unter dem Wasser schneeweiß und weich; -herausgenommen werden sie sofort hart und rot und gleichen an Ansehen -und Größe den Früchten des Kornelkirschbaums. Schon durch bloße -Berührung sollen sie, wenn sie noch frisch am Stamme hängen, zu Stein -werden. Man fischt die Korallen mit Netzen oder haut sie mit einem -scharfen eisernen Werkzeug ab. Am liebsten hat man die vollkommen -roten und recht ästigen Korallenstämme, nur dürfen sie nicht rauh oder -mit Wurmgängen besetzt oder hohl sein oder vertiefte Stellen haben. -In Indien werden die Korallenbeeren so hoch geschätzt wie bei uns -die Perlen; ihre Priester halten sie, wenn sie getragen werden, für -ein Schutzmittel gegen Gefahren. Sie werden dort demnach als Schmuck -und Amulett zugleich getragen. Ehe man sie nach Indien zu verkaufen -wußte, schmückten die Gallier (Kelten) ihre Schwerter, Schilde und -Helme damit. Jetzt aber ist solcher Mangel an verkäuflichen Korallen, -daß man sie selbst da, wo sie gefunden werden, nur selten sieht. Man -hängt übrigens die kleinen Zweige den Kindern als Schutzmittel an, -braucht sie auch innerlich und äußerlich als Arznei.“ Jedenfalls sind -die Korallenhalsbänder unserer Kinder und Erwachsenen aus Amuletten -hervorgegangen, wie sie noch die gebildeten, aber sehr abergläubischen -Römer trugen. Noch Solinus schreibt: „Man arbeitet aus Korallen -mancherlei Schmuck; denn sie enthalten, wie Zoroastres (der Gesetzgeber -im medisch-baktrischen Reich, der Verfasser des Zend-Avesta) sagt, -eine heilsame Kraft. Gewöhnlich nennt man sie _curalium_, Metrodoros -(ein Schüler des athenischen Philosophen Epikur, der von 342-270 v. -Chr. lebte) nennt sie _gorgonia_ und behauptet, sie widerständen den -Wirbelwinden und Blitzen.“ Noch viel üppiger als im Altertum schossen -im Mittelalter solche abergläubische Ansichten über die Korallen ins -Kraut; doch können wir hier nicht näher darauf eingehen. Wenden wir uns -vielmehr zu den Schwämmen. - -Bei den Schwämmen, deren tierische Natur noch schwerer als bei den -Korallen nachzuweisen war, kommt als schon im Altertum wie heute -verwendetes Nutztier des Menschen einzig der allbekannte ~Badeschwamm~ -(_Spongia usitatissima_) in Betracht. Das Netzwerk von elastischen -Hornfasern, das wir als Schwamm benutzen, ist ja nur das skelettartige -Gerüst, das übrigbleibt, wenn man den frisch aus dem Meere genommenen, -wie die Koralle mit einem lebenden Überzuge versehenen Schwamm so lange -knetet und drückt, bis er von den die Maschen ausfüllenden und die -Poren und Auswurfsöffnungen bekleidenden weichen Zellen befreit ist. -Solche Hornschwämme finden sich in der kalten Zone gar nicht. Auch in -der nördlichen Hälfte der gemäßigten Zone trifft man sie nur vereinzelt -und verkümmert; dagegen ist schon das Mittel- und Adriatische Meer -reich an verschiedenen Sorten, von den feinsten bis zu den gröbsten -Schwämmen. Eine Einteilung derselben in gute Arten ist sehr schwer. Die -Schwammhändler nehmen nach der gröberen oder feineren Beschaffenheit -des elastischen Netzwerks 16 Sorten nutzbarer Schwämme an, die von -verschiedenen Gegenden des Mittelmeers stammen. - -Die durch ganz besondere Weichheit und häufige Becherform -ausgezeichnete, schön blaßgelbe Sorte des Badeschwamms wird an der -syrischen Küste erbeutet. Fünf andere Sorten der sog. _éponge fine_ -werden im östlichen Teile des Mittelmeers, bei Tripolis und an der -Ostküste des Adriatischen Meeres in Tiefen von 2-180 _m_ gefischt. -Sie sind etwas dunkler gelb und weniger fein als die erstgenannte -Sorte. Noch dunkler, nämlich dunkelbraungelb, und gröber in der Textur -ist der mehr flache und dichtere Zimokkaschwamm, der im Griechischen -Inselmeer, an der Küste der Berberei und in der Adria gewonnen wird. -Er wird im Handel als _éponge dure_ bezeichnet. Die _éponge commune_ -des Handels, die geringste Schwammsorte, ist der einer andern Gattung -angehörende ~gemeine Pferdeschwamm~ (_Hippospongia equina_), der meist -brotlaibförmig ist und besonders von der afrikanischen Mittelmeerküste -kommt. - -Im Griechischen Meere und an der Küste Syriens gewinnt man die Schwämme -aus einer Tiefe von 20-50 _m_ durch Taucher, deren gewöhnlich vier -außer dem Gehilfen in einem Boote sind. An einem Seile, das der Taucher -in einer Hand hält, wird er, sobald er ein Zeichen gegeben hat, schnell -mit seiner in einem Netze geborgenen Beute zur Oberfläche des Wassers -emporgezogen. An der istrischen und dalmatinischen Küste werden die -oberflächlicher liegenden Schwämme nicht durch Taucher, sondern von -einem langsam fahrenden Boote aus mit einer langen vierzinkigen Gabel, -wie wir sie auf alten Bildwerken als Wahrzeichen des Meergottes Neptun -erblicken, vom Grunde heraufgeholt. In den starken Barken, die während -der guten Jahreszeit die zerrissene und inselreiche Küste absuchen, -befinden sich in der Regel nur zwei Mann. Am Vorderdeck, der einen -viereckigen Ausschnitt hat, stellt sich der die Gabel führende Mann -auf, um, über Bord gebeugt, den Oberkörper sicher balancieren zu -können. Der zweite Mann führt die Ruder, deren Stützpunkte auf einem -die Bordseite überragenden Balken liegen, wodurch die notwendigen -feinen Bewegungen des Bootes leichter und sicherer werden. Während er -nun das Boot hart am Felsenufer über einem Grunde von 4-13 _m_ Tiefe -langsam dahintreibt, späht jener scharfen Auges nach den durch ihre -schwarze Farbe sich verratenden Schwämmen. Am günstigsten ist natürlich -der Fang bei völliger Windstille, da dann die Schwämme am besten -gesehen werden können. Bei mäßig bewegtem Meer wird die Oberfläche -des Wassers mit Öl geglättet. Zu diesem Zwecke liegt stets auf der -Spitze des Bootes ein Haufen glatter Kiesel und daneben steht ein Gefäß -mit Öl. Will nun der Schwammfischer die unruhige Meeresoberfläche -glätten, so taucht er einige der Steine mit der Spitze in das Öl, -meist Olivenöl, und wirft sie einzeln in einem Halbkreise um sich. -Alsbald breitet sich von den getroffenen Stellen eine feine Ölschicht -aus, die die kleinen Wellen besänftigt, so daß das Auge nicht mehr -durch die sich kreuzenden Brechungen und Spiegelungen geblendet und -im Sehen gestört wird. Der Schwammfischer muß aber die Schwämme nicht -bloß mit den Augen erspähen; da sie am liebsten unter Felsenvorsprüngen -gedeckt wachsen, muß er mit seiner 7-14 _m_ langen Gabel zwischen und -wenn möglich unter die Felsen tasten und sie nach dem Aufspießen durch -Drehen der Gabel von der Unterlage loszulösen versuchen. Kehren die -Boote mit Beute beladen zurück, so werden die Schwämme am Ufer so lange -getreten, dann mit den Händen geknetet und ausgedrückt und wiederholt -gewaschen, bis die schwarze Oberhaut und alle zwischen den Hornfasern -gelegene lebende Substanz abgegangen ist. Bevor sie in Gebrauch -genommen werden können, müssen sie dann nochmals in lauem süßem Wasser -gereinigt werden. Der Sand, den man stets in den gekauften Schwämmen -findet und den man vor deren Ingebrauchnahme zu entfernen hat, wird -erst nachträglich zu betrügerischen Manipulationen von den Händlern -hineingetan, da die Schwämme nach Gewicht verkauft werden. Zu diesem -Zwecke werden die ganz rein aufgekauften Schwämme in den Magazinen -der Großhändler mit Sand durcheinandergeschaufelt, um sie künstlich -zu beschweren und so mehr daraus zu lösen. Ganz so wie diese weniger -feinen adriatischen Badeschwämme werden übrigens auch die feinen -syrischen und griechischen Schwämme von den dortigen Fischern behandelt. - -Es leuchtet ein, daß bei der in der oben geschilderten Weise -betriebenen Schwammfischerei der Fang immer weniger ergiebig wird. Es -ist daher ein großes Verdienst von Prof. Oskar Schmidt, daß er bei -seinen von 1863-1872 zur Hebung der Schwammfischerei an der Küste -Dalmatiens angestellten Studien dazu kam, die Schwämme künstlich zu -züchten. Bei der ungemein großen Regenerationsfähigkeit dieser Tiere -war das Verfahren ein sehr einfaches. Er zerschnitt den frischen -Badeschwamm in kleinere Stücke und befestigte diese auf hölzerne -Gestelle, die er an geschützten Orten ins Meer versenkte. Er hatte die -Freude, daß die Anlagen gut gediehen und die Schwämme vortrefflich -wuchsen. Leider scheiterte der Versuch trotzdem, da einmal unzählige -Pfahlwürmer das Holzwerk der Anlage zerstörten, andererseits aber die -Küstenbewohner und Schwammfischer selbst sich nicht nur vollkommen -gleichgültig gegen die Neuerung, die ihnen doch nur Nutzen bringen -sollte, verhielten, sondern sogar die Anlagen zu zerstören suchten. -So scheiterte in diesem Falle wie so oft das redlichste und Erfolg -versprechende Unternehmen an der Beschränktheit und Indolenz der -Menschen, die schließlich, wenn ihre Schwammgründe bei ihrer unsinnigen -Methode abgefischt sein werden, was in absehbarer Zeit der Fall sein -wird, doch zu der Neuerung der künstlichen Schwammzucht gezwungen sein -werden; denn trotz der außerordentlichen Vermehrung des Badeschwammes -werden die Schwämme immer seltener, da die unvernünftigen Fischer -schon im Frühjahr, wenn der Schwamm mit jungen, bald ausschwärmenden -Larven angefüllt ist, Schwämme stechen und auf diese Weise ungezählte -Millionen junger Tiere vernichten. Vielleicht wird man aber in späterer -Zukunft sich mit künstlichen Schwämmen aus porösem Gummi behelfen und -so nach und nach das natürliche Produkt entbehren können. - -Neuerdings hat der Lyoner Physiologieprofessor Raphaël Dubois durch -seine vieljährigen Versuche in Tamaris der künstlichen Aufzucht von -Badeschwämmen neue Wege gewiesen. Da er mit dem Wachstum in kleine -Stücke geschnittener Schwämme, die er auf allerlei Gegenständen mit -einer Schnur befestigte und, vor zu greller Sonne geschützt, in 2-3 _m_ -Tiefe heranwachsen ließ, keine besonders günstigen Resultate erzielte, -begann er mit der Aufzucht der in großer Menge von den Mutterschwämmen -gewonnenen Larven, die von sehr gutem Erfolg war und für die -systematische Aufzucht besonders feiner Schwammarten große Vorteile -bietet, so daß wohl diesem Verfahren die Zukunft gehört. Damit dürfte -es nicht schwer fallen, die durch vieljährigen Fang von Schwämmen -entvölkerten Küsten wieder mit neuem gutem Material zu bevölkern. - -Schon das Altertum kannte die heute bei uns übliche Verwendung des -Badeschwammes bei den Mittelmeervölkern. Plinius berichtet uns, daß -er durch Taucher gewonnen werde, die Taucher aber großen Gefahren, -besonders von seiten der Haifische, ausgesetzt seien. Er schreibt -darüber wörtlich: „Den Tauchern, welche Badeschwämme am Meeresgrunde -holen, werden Haifische gefährlich, die sich oft in Menge einfinden. -Die Taucher erzählen, es zeige sich oft über ihrem Kopfe eine wie -ein flacher Fisch aussehende Wolke, welche sie niederdrücke und am -Auftauchen hindere; deshalb führten sie spitze Dolche bei sich, weil -die Wolke nicht Platz mache, wenn sie nicht durchstochen werde. Das -alles mag wohl nur Wirkung der Dunkelheit und Furcht sein; aber -jedenfalls setzt es mit den Haifischen einen harten Kampf ab und kann -man sich nur dadurch retten, daß man mutig auf sie losgeht und sie auf -diese Weise in Schrecken versetzt. In der Tiefe ist der Vorteil von -beiden Seiten gleich; kommt aber der Taucher an die Oberfläche, so ist -die Gefahr für ihn groß, weil er nun das Wasser verlassen will und -daher dem Haifisch nicht mehr entgegengehen kann. In diesem Falle muß -er sich ganz auf die Hilfe seiner Kameraden verlassen, welche ihn an -einem unter den Armen hindurchgezogenen Seil aufwärtsziehen. Sobald der -Kampf unter dem Wasser beginnt, schüttelt der Taucher mit der Linken -am Seile und zeigt dadurch die Gefahr an, seine Rechte aber kämpft -mit dem Dolche. Man zieht ihn nur langsam in die Höhe; sobald er aber -dem Schiffe nahe ist, muß er schnell durch einen starken Ruck auf das -Schiff geschleudert werden, sonst wird er doch noch verschlungen. -Oft wird er vom Ungeheuer noch aus der Luft geschnappt, wenn er sich -nicht in eine Kugel zusammenzieht. Aus dem Schiffe hält man zwar dem -Haifisch dreizackige Gabeln entgegen, allein er weiß ihnen pfiffig -genug auszuweichen, indem er sich unter dem Schiffe verbirgt und von -da aus, ohne sich einer Gefahr auszusetzen, angreift. Am sichersten -kann man übrigens da tauchen, wo man platte Fische sieht; denn wo diese -sind, findet man niemals Raubtiere. Deshalb werden die ersteren heilige -Fische genannt.“ - -Drei Menschenalter nach Plinius berichtet uns der griechische Sophist -Oppian über die Schwammfischerei: „Am schlimmsten sind diejenigen Leute -dran, die nach Badeschwämmen (_spóngos_) tauchen. Zu ihrem Geschäfte -bereiten sie sich dadurch vor, daß sie wenig essen und trinken, wodurch -der Atem freier wird, auch schlafen sie viel. Bevor sie ans Werk gehen, -bitten sie die Götter, ihnen Schutz gegen gefährliche Seetiere zu -verleihen. Sehen sie irgendwo den Kallichthys (d. h. Schönfisch), so -sind sie frohen Mutes und wissen, das kein gefährliches Tier in der -Nähe ist. Wollen sie tauchen, so haben sie ein Seil um den Leib, in -der linken ein Bleigewicht, in der rechten eine Sichel, im Munde Öl. -Das Blei bringt sie schnell auf den Grund, das Öl spucken sie aus, wo -sie einen Schwamm sehen; denn Öl macht das Wasser durchsichtig. Die -Schwämme sind an Felsen angewachsen. Der Taucher schneidet eiligst -ab, was er erreichen kann, zuckt dann schnell am Seil, damit ihn die -Kameraden wieder hinaufziehen. Kommt er glücklich an die Oberfläche, so -ist er doch vor Angst und Anstrengung ganz elend; oft aber wird er in -der Tiefe von den Ungeheuern verwundet oder ganz zerrissen.“ Daß alle -Autoren so einstimmig über die großen Gefahren von seiten der Haie bei -der Schwammfischerei berichten, beweist, daß diese Tiere im Altertum -in den Mittelmeergegenden viel häufiger waren als heute, da man diesen -gefährlichen Raubfischen mit allen Mitteln entgegentritt und sie so -viel als möglich auszurotten sucht. - -Hier könnten noch die ausschließlich das Meer an der Oberfläche oder in -größeren Tiefen als Plankton lebenden einzelligen ~Radiolarien~ erwähnt -werden, deren Kieselschalen als ~Kieselgur~ oder ~Infusorienerde~ als -eine farblose oder gefärbte mehlartige Masse oft mächtige Lager bildet -wie in der Lüneburger Heide, am Vogelsberg bei Franzensbad, in Ungarn, -Toskana, Schweden, Finnland, Virginia usw. Sie dient zur Bereitung von -Dynamit, indem das Nitroglyzerin damit getränkt wird, von Wasserglas, -Ultramarin, von Tonwaren aller Art, Papiermaché, Siegellack, zum -Kitten, als Formsand und Poliermittel, zur Umhüllung von Dampfkesseln -und feuerfesten Schränken als schlechter Wärmeleiter statt Asbest -usw. In Schweden und Finnland wird sie sogar dem Brote beigemischt. -Bei vielen unkultivierten Völkern bildet sie als ~eßbare Erde~, rein -oder mit andern Stoffen vermischt, eine nicht nur in Zeiten von -Hungersnot, sondern auch sonst beliebte Speise. Es sei hier nur an die -südamerikanischen Erdesser, die Otamaken, erinnert, über die Alexander -von Humboldt in seinem Buche: Reise in die Äquinoktialgegenden des -neuen Kontinents eingehend berichtet. Dort sind alle bis dahin -bekannten Erde essenden Stämme zusammengestellt, so daß wir alle -Interessenten darauf verweisen können. Zu dieser sind im Laufe des 19. -Jahrhunderts noch zahlreiche neue hinzugekommen, so daß wir heute sagen -können, daß diese Sitte fast über die ganze Erde verbreitet ist und -eine größere Rolle spielt, als man bis dahin glaubte. Außer dem mageren -Kieselgur werden auch die verschiedensten fetten Erden, besonders -Tonarten, mit Behagen und ohne irgend welche Nachteile verspeist, -vorausgesetzt, daß die Gesamternährung durch allzugroße Zufuhr dieses -natürlich nicht nahrhaften Balastes nicht leidet. - - - - -XXII. Die Honigbiene. - - -Unter allen Insekten ist zweifellos die gemeine ~Honigbiene~ (_Apis -mellifica_) das weitaus nützlichste und seit Urzeiten dem Menschen -durch ihre süßen Vorräte von Honig dienstbar. Soweit überhaupt -historische Urkunden zurückreichen, wissen wir, daß alle Völker -von jeher den in hohlen Baumstämmen oder Felslöchern von wilden -Bienenkolonien zusammengetragenen Honig aufsuchten und als äußerst -geschätzte Speise oder -- mit Wasser verdünnt -- als überaus beliebtes -Getränk genossen. Von den heute noch auf niedriger Kulturstufe lebenden -Volksstämmen wissen wir, daß dem Naturmenschen der Begriff Honig den -höchsten denkbaren Gaumengenuß bedeutet, den er sich so häufig als -möglich zu verschaffen sucht. Alle Jägerstämme schauen auf ihren -Streifereien durch die Natur mit Eifer nach etwaigen Kolonien wilder -Bienen aus, und manche Stämme, wie z. B. die Australier, ergreifen gern -reich mit Pollen zum Neste zurückkehrende Bienen, um ihnen mit Harz -eine Flaumfeder anzukleben, so daß sie gerade noch wegfliegen können. -Den so gezeichneten Bienen folgen sie raschen Laufes, bis sie den -Bienenstock mit dem ersehnten Honigvorrat ausgekundschaftet haben. Dann -wird derselbe ausgeplündert und der Honig, wohl weil er konzentriert zu -süß ist und in größeren Mengen widersteht, mit Wasser in der Vertiefung -eines Felsens verdünnt und ausgetrunken. Blieb irgendwo eine solche -Honiglösung in Wasser in einem Gefäße stehen, so entstand von selbst -durch die hineingefallenen allgegenwärtigen Hefepilze das älteste -berauschende Getränk des Menschen, der Met, der bei allen Völkern der -Vorläufer von Bier und Wein war, wie wir im 15. Abschnitte des ersten -Bandes der Kulturgeschichte der Nutzpflanzen eingehend besprachen. - -Wie dem Jäger ist auch dem Viehnomaden der Honig ein ersehntes Labsal, -und als das Höchste, was Jahve seinem Volke, den Kindern Israels, auf -ihrem vieljährigen Zuge durch die Wüste versprechen konnte, war ein -Land, in welchem „Milch und Honig“ fließt. Das sollten sie im Lande -Kanaan finden. Aber schon zur Zeit der großen Propheten Judas fanden -die Nachkommen dieser Viehzüchter israelitischen Stammes, daß ein -Land voll Honig ein Land der Unkultur sei. So war auch dem gebildeten -Griechen, wie wir in Platons Schrift Kritias lesen, ein Land voll -Honig ein Land der Wüste; denn vor der intensiveren Kultur durch den -Menschen flüchten sich die wilden Bienen gern in Einöden zurück, wo sie -ohne Beunruhigung durch jenen der unermüdlichen Arbeit zum Wohle ihres -Gemeinwesens obliegen können. - -Nach den Veden und den Gesetzen Manus war der zunächst immer noch -von wilden Bienen gesammelte Honig bei den Indern nicht nur ein -wertvolles Geschenk für die Menschen untereinander, sondern auch -eine geschätzte Opfergabe für die Götter. Auf den Märkten des Landes -bildete er einen begehrten Handelsartikel, von dem die Könige, die -seit den ältesten Zeiten mit Honigwasser gesalbt wurden, den sechsten -Teil als ihnen gebührende Abgabe beanspruchten. Auch bei den alten -Babyloniern und Ägyptern fand der Honig als Tauschmittel, Opfergabe -und Arznei ausgiebige Verwendung. In der späteren Zeit mögen hier -überall die Bienen auch als Haustiere gehalten worden sein, indem man -gelegentlich einen Schwarm der wilden Biene abfing und in einem hohlen -Baum ansiedelte, um sich dann des von ihnen gesammelten Honigvorrats -zu bemächtigen. Gleicherweise liebten die alten Juden den Honig als -leckere Speise, doch verwandten sie ihn in der uns überlieferten Zeit -nicht als Opfergabe. Der Prophet Hesekiel berichtet uns, das die -Bewohner von Juda und Israel nebst Wein, Öl und Balsam auch Honig nach -der alten phönikischen Handelsstadt Tyrus brachten. Aus dem Talmud -erfahren wir, daß der Honig zu Geschenken beliebt war, um sich die -Gunst jemands zu erwerben. Man benutzte ihn bei den Juden wie bei den -zuvor genannten Völkern zur Verbesserung des Weines, zur Herstellung -von heilenden Salben und Heiltränken. Damals (um 200 n. Chr.) wurden -die Bienen jedenfalls schon gezüchtet; denn in der Mischna, dem -ersten Teile des Talmuds, finden wir verschiedene Angaben über die -Bienenwirtschaft und das Bienenrecht. Die Bienen wurden meist in aus -Stroh oder Rohr geflochtenen Körben gehalten und die Völker bei der -Entnahme des Honigs durch Räuchern getötet. An einer Stelle des Talmuds -wird sogar von einer Bienenwohnung gesprochen, die mit Fensterchen -versehen war. - -Auch in Arabien war der Honig von alters her als Genußmittel sehr -geschätzt. Im Koran heißt es von den Bienen: „Aus ihren Leibern kommt -eine Flüssigkeit, die verschieden an Farbe ist und Arznei für den -Menschen enthält.“ Nach der schon vor Muhammed geltenden Anschauung -der Araber fließt im Paradiese ein Fluß voll Honig. Muhammed selbst -teilte die Vorliebe seiner Landsleute für Süßigkeiten und pflegte gern -Honigwasser zu trinken. Frühe wurde dort auch der Honigbau eingeführt, -den schon der um 25 n. Chr. verstorbene griechische Geograph Strabon -aus Amasia in Pontos als in Arabien sehr ergiebig erwähnt. - -In den homerischen Gedichten wird der Honig als beliebtes Genußmittel -der Helden erwähnt. Außer der direkten Anführung des Honigs in Ilias -und Odyssee werden ziemlich oft Vergleiche mit seiner Flüssigkeit -gemacht. So haben die Sirenen eine honigsüße Stimme, und Nestors Rede -fließt dahin süßer als Honig usw. Wie von Honig ist bei Homer von -Bienen die Rede, doch sind bei ihm stets wilde Bienen gemeint. So heißt -es im zweiten Buche der Ilias, daß die Achäer sich sammelten „wie die -Bienen aus einer Felsenhöhlung herausfliegen“. Damit ist deutlich -erkennbar ein frei in der Wildnis und nicht in einem Bienenstocke unter -der Obhut des Menschen stehender Schwarm gemeint. Von zahmen Bienen -spricht erst im 8. Jahrhundert v. Chr. der böotische Dichter Hesiod -an einer Stelle seiner Theogonie, wo er auch besondere Behälter aus -vermutlich ausgehöhlten Baumstämmen als Herberge von Bienenvölkern -erwähnt. Den späteren Griechen galt Aristaios, der angeblich die -Kultur des Ölbaums aufgebracht haben sollte und den die Nymphen die -Bienenpflege gelehrt hatten, als erster, der, um eine regelmäßige -Honiggewinnung zu erzielen, die Bienen in Stöcke einschloß, aus denen -er dann im Herbste die Honigwaben ausschnitt. Honig war angeblich -die erste Nahrung des Göttervaters Zeus gewesen, der dann in seiner -kretischen Heimat in einer Höhle des Berges Ida von der Ziege Amalthea -gesäugt wurde. Zum Dank für ihre Dienste wurde sie dann als Capella -unter die Gestirne versetzt, und eines ihrer Hörner gab Zeus den -Töchtern des Melisseus, die Alles, was sie wünschten, darin fanden. -Dieses Horn der kretischen Ziege Amalthea ist das Urbild des späteren -Füllhorns. - -Bei allen Opferhandlungen der Griechen war Honig von großer Bedeutung. -Nach Platon opferte man in den ältesten Zeiten den Göttern mit Honig -bestrichene Früchte. Platons Schüler Aristoteles, der von 343 v. Chr. -an Lehrer Alexanders des Großen war, spricht sehr eingehend über das -Leben der Bienen, die unter mehreren Anführern (_hégemṓn_ -- er meint -damit die Bienenkönigin) leben sollten, die sich niemals aus dem Stocke -entfernen als wenn sie ausschwärmen. Dann scheinen sich alle Bienen -an sie heranzudrängen. „Will ein Stock schwärmen, so hört man schon -einige Tage lang vorher einen eigenen eintönigen Laut (das „Tüten“), -und zwei bis drei Tage lang fliegen nur wenige Bienen (_mélitta_) um -den Stock; ob aber unter diesen auch ein Anführer ist, hat man noch -nicht gesehen, weil dies nicht leicht zu beobachten ist. Haben sie sich -endlich versammelt, so fliegen sie aus und teilen sich in Haufen, die -sich an die einzelnen Anführer anschließen. Trifft es sich, daß ein -kleiner Haufen neben einen großen zu sitzen kommt, so schließt er sich -an diesen an und tötet den Anführer, dem er untreu geworden ist, wenn -er ihm folgt.“ - -Nach Aristoteles sind also die Anführer im Bienenstaate Männchen. Er -sagt von ihnen, sie übertreffen die Arbeitsbienen an Größe um die -Hälfte, besonders sei ihr Hinterleib doppelt so lang als bei jenen. Daß -aber seine Ansicht nicht allgemein geteilt wurde, geht aus dem Zusatze -hervor: „Manche nennen aber den Anführer Mutterbiene (_mḗtēr_) und -behaupten, daß, wenn sie nicht im Stocke sei, man zwar Drohnenbrut, -aber keine Arbeitsbienenbrut finde. Andere sagen, die Drohnen seien -Männchen, die Arbeitsbienen aber Weibchen. Die andern Bienen werden in -den Wachszellen erzeugt, die Anführer aber entstehen in Zellen, welche -größer sind und unten an den Waben hängen. Die Anführer besitzen zwar -einen Stachel, stechen aber nicht, weshalb sie Viele für stachellos -halten.“ Die Drohnen nennt er von allen am größten, aber stachellos -und faul. Er beschreibt das Leben und Treiben im Bienenstock so genau, -daß er unbedingt dasselbe aus eigener Anschauung gekannt haben muß. Er -schreibt über die Lebensweise der Bienen: „Bei Trockenheit beschäftigen -sich die Bienen mehr mit Einsammeln des Honigs, bei Regenwetter dagegen -mehr mit der Brut. Zuerst verfertigen sie die Waben, dann legen sie -die Brut in die Zellen, und zwar, wie einige sagen, mit dem Munde, und -nun erst tragen sie zur Ernährung im Sommer und Herbste Honig (_méli_) -ein. Der Herbsthonig ist der beste. Das Wachs sammeln sie aus Blumen, -das Vorwachs aber tragen sie aus den ausschwitzenden Säften der Bäume -zusammen; der Honig hingegen fällt aus der Luft nieder (er meint damit -den Honigtau und glaubt, wie der viel später lebende Plinius anführt, -daß auch der Nektar der Blüten vom Himmel herab in sie hineingefallen -sei), zumal beim Aufgang der Gestirne und beim Regenbogen. Der Honig -ist anfangs wie Wasser und einige Tage lang flüssig, nach 20 Tagen -aber wird er dick und ist dann auch süßer. Die Biene sammelt von allen -Blumen, welche einen Kelch haben, leckt auch an allen andern süßen -Dingen, beißt aber keine Früchte an. Wachs und Bienenbrot tragen sie -an den Schenkeln, Honig aber speien sie in die Zellen. Auf den Eiern -brüten sie wie die Vögel. Die Made liegt, solange sie noch klein ist, -schief in der Zelle; späterhin richtet sie sich auf, frißt und hängt -mit dem Wachse weiter nicht zusammen, so daß man sie herausnehmen kann. -Die Eier der Arbeitsbienen und Drohnen sind weiß, aus ihnen kommen -Maden; diese verwandeln sich in Arbeitsbienen und Drohnen. Die Eier -der Anführer aber sind rötlich und so zart wie dicker Honig, sie haben -sogleich den Umfang des aus ihnen hervorgehenden Tieres und verwandeln -sich, wie man sagt, nicht erst in eine Made, sondern gleich in eine -Biene. Die Puppe bekommt erst Füße und Flügel, wenn ihre Zelle durch -einen Deckel geschlossen ist; sobald sie aber Flügel hat, durchbricht -sie den Deckel und steigt heraus. Die Bienen leben sechs, einige auch -sieben Jahre; wenn daher ein Stock 9-10 Jahre bestanden hat, so hat -er sich gut gehalten. Ihre Nahrung besteht aus Honig und sogenanntem -Bienenbrot, welch letzteres aber von geringerem Werte und etwa so -süß wie Feigen ist. Den Bau der Waben zur Aufspeicherung der Nahrung -beginnen sie an der Decke des Stockes und führen dann deren viele auf -bis zum Boden herunter. Sowohl Honig- als Brutzellen haben nach beiden -Seiten hin eine Öffnung, weil, wie bei den Doppelbechern, in der Mitte -ein gemeinschaftlicher Boden ist. Einige behaupten, daß die Drohnen mit -den Arbeitsbienen gemeinschaftlich an den Waben bauen, jedoch keinen -Honig eintragen, sondern sich und ihre Jungen von jenen füttern lassen. -Meist bleiben die Drohnen im Stocke; wenn sie aber einmal ausfliegen, -so erheben sie sich in hellen Haufen gen Himmel, treiben sich im Kreise -herum und scheinen sich zu üben. Sind sie fertig, so kehren sie in den -Stock zurück und lassen sichs wohl sein. Die Anführer fliegen weder um -Futter zu suchen, noch aus andern Gründen; sie tun es nur, wenn der -Stock schwärmt. Wenn sich der Schwarm vom Anführer verloren hat, so -soll er ihm solange nachspüren, bis er ihn vermittelst des Geruches -wieder aufgefunden hat. Kann der Anführer nicht fliegen, so soll er -vom Schwarm getragen werden, und kommt er um, so soll auch der ganze -Schwarm verloren gehen; und hält er sich auch noch kurze Zeit, so -trägt er nur Wachs, aber keinen Honig mehr ein. Das Wachs sammeln die -Bienen, indem sie an den Blüten herumkriechen, mit den Vorderbeinen, -von da bringen sie es an die mittleren und von diesen wieder an die -Hinterbeine. Beladen mit der Beute fliegen sie dann fort und man sieht, -daß die Last sie drückt. Bei jedem Ausfluge besucht die Biene niemals -verschiedenartige Blüten, sondern fliegt nur z. B. von Veilchen zu -Veilchen. Im Stocke entledigen sie sich dann ihrer Bürde und werden -dabei jedesmal von 3 oder 4 andern bedient. Was diese ihnen abnehmen, -kann man nicht wohl sehen, sowie man auch noch nicht beobachtet hat, -wie sie es verarbeiten.“ - -Weiter sagt Aristoteles: „Unter den Bienen ist eine jede zu einer -bestimmten Arbeit angewiesen, so z. B. sammeln die einen von den Blüten -Honig, die andern holen Wasser und wieder andere bauen und glätten -die Waben. Wasser tragen sie, wenn die Brut gefüttert wird. Ist das -Wetter gut, so arbeiten sie rastlos, und selbst die Jungen beginnen, -wenn sie Nahrung haben, schon am dritten Tage nach dem Auskriechen die -Arbeit. Kräftige Stöcke haben das ganze Jahr Brut mit Ausnahme der 40 -auf die Wintersonnenwende folgenden Tage. Sind die Jungen in den Zellen -herangewachsen, so setzen ihnen die Bienen nochmals Speise vor und -schließen dann die Zelle durch einen Deckel; diesen zerbrechen aber die -Jungen und kommen hervor, sobald sie stark genug sind. Alle Tierchen, -welche sich in Bienenstöcken erzeugen und das Wachs zerstören, werden -von guten Bienen herausgeschafft, von schlechten aber zu allgemeinem -Schaden geduldet. Überhaupt sind die Bienen sehr reinlich; tote -schaffen sie gleich aus dem Stock. Üble Gerüche und Wohlgerüche sind -ihnen zuwider; daher sind Leute, die sich parfümieren, ihren Stichen -ausgesetzt. Die Bienen kämpfen öfters gegeneinander, auch gegen Wespen. -Auswärts lassen sie sich zwar in keinen Streit irgend welcher Art ein, -aber bei ihrem Stocke erstechen sie alles, was sie überwältigen können. -Eine Biene, die gestochen hat, muß sterben, weil sie ihren Stachel -nicht ohne Verletzung der Eingeweide aus der Wunde zurückziehen kann; -drückt aber der Gestochene den Stachel sorgfältig heraus, so kann -sie am Leben bleiben. Selbst große Tiere können durch Bienenstiche -umkommen; sogar ein Pferd ist schon einmal daran gestorben. Am -wenigsten Neigung zum Zorn und zum Stechen haben die Anführer. Den -meisten Schaden fügen den Bienen die Wespen, Meisen, Schwalben und -Bienenfresser zu. Auch die Frösche lauern ihnen beim Wasser auf, -weswegen sie denn auch von den Bienenwärtern (_melitturgós_) in den -Gewässern, in welchen die Bienen trinken, verfolgt werden. Wespen-, -Schwalben- und Bienenfressernester zerstört man ebenfalls in der Nähe -der Bienenstöcke.“ - -Wir haben hier auszugsweise Aristoteles Meinung wiedergegeben, ohne -Richtigstellung der zahlreichen von ihm vertretenen Irrtümer, indem wir -annehmen, daß die Leser von sich aus dieselben korrigieren werden. Uns -lag nur daran zu zeigen, wie weit man damals schon in der Erkenntnis -des Bienenstaates und seiner Mitglieder gediehen war. - -Aristoteles kennt und beschreibt aber auch die verschiedenen -Krankheiten der Bienenvölker, die Faulbrütigkeit und die Schädigungen -durch die Wachsmotte und den Bienenwolf. Er sagt, daß man beim -Schneiden der Honigwaben den Bienen noch welche als Winternahrung -übriglassen müsse, sonst stürben sie bei schlechtem Wetter an -Futtermangel, bei gutem aber flögen sie davon. Sturm und Regen merkten -sie im voraus; die Bienenwärter bemerkten es gleich, daß sie Unwetter -erwarten, wenn sie bei heiterem Himmel nicht fliegen wollen und zu -Hause bleiben. Wenn sie sich im Stocke klumpenweise zusammenhängen, so -sei dies ein Zeichen, daß sie schwärmen wollen. Sobald die Bienenwärter -solches bemerken, spritzen sie mit Honig eingekochten Traubensaft -in die Stöcke. Manche Bienenwärter bestreuen ihre Bienen mit Mehl, -um sie im Freien erkennen zu können. Tritt das Frühjahr spät ein, -entsteht Dürre oder fällt Mehltau, so machen die Bienen nur wenig Brut. -Er gibt genaue Anweisung über die beste Art der Einrichtung eines -Bienenstandes. Ein solcher dürfe weder im Sommer der großen Hitze, noch -im Winter der Kälte ausgesetzt sein. Eine vorzügliche Futterpflanze für -die Bienen sei der Thymian. Weil der Berg Hymettos in Attika reich an -Thymian war, galt der von dorther stammende Honig im ganzen Altertum -als besonders fein und gewürzhaft. In Attika soll es schon zur Zeit des -Perikles, um die Mitte des 5. vorchristlichen Jahrhunderts, etwa 20000 -zahme Bienenvölker gegeben haben, was auf eine reiche Imkertätigkeit -der alten Griechen hinweist. - -Auch die alten Römer trieben, wohl weitgehend von den Griechen -beeinflußt, ausgedehnte Bienenzucht. Der gelehrte Varro (116-27 v. -Chr.) schreibt in seinem Buche über den Landbau, er kenne einen Mann, -der seinen Bienenstand für eine Abgabe von jährlich 5000 Pfund Honig -verpachtet habe. Und ein Verwandter von ihm habe in Spanien zwei -Soldaten mit Namen Vejanus in seiner Armee gehabt, die von ihrem Vater -nur ein ganz kleines Gütchen geerbt hätten. Diese hätten ihre Wohnung -ganz mit Bienenstöcken umgeben und das Feld darum herum mit Thymian, -Melisse und anderem Bienenfutter bepflanzt, so daß sie in der Regel -jährlich 10000 Sesterzien (= 1500 Mark) aus dem Honig lösten. Er gibt -genaue Anweisung, wie ein Bienenstand, der tüchtige Einkünfte gewähren -soll, angelegt werden muß und rät als beste Bienenweide Thymian zu -pflanzen, der den besten und reichlichsten Honig gebe. Deswegen sei -auch der sizilische Honig der berühmteste, weil dort der Thymian gut -und häufig sei. Der Honig, der von verschiedenen Pflanzen gesammelt -werde, sei verschieden. Von den Blüten der Baumheide sei er flüssiger, -vom Rosmarin dicker, vom Feigenbaum komme ein schlecht schmeckender, -vom baumförmigen Schneckenklee ein guter, der beste aber vom Thymian. -Die Bienenstöcke stelle man meist aus in runder Gestalt geflochtenen -Weidenruten, die innen und außen mit Kuhmist verstrichen würden, -oder aus Holz oder Rinde her. Manche nehmen dazu hohle Baumstämme -oder große Tonkrüge. Am besten seien die aus Baumrinde gefertigten -Stöcke, am schlechtesten dagegen die irdenen, da durch sie Hitze und -Kälte am stärksten eindringe. Jeder Stock bekomme in seiner Mitte -links und rechts einen Eingang für die Bienen und habe oben einen -Deckel, damit man die Honigwaben herausnehmen könne. Im Bienenhaus -stelle man die Stöcke reihenweise nebeneinander, doch so, daß sie -sich nicht gegenseitig berühren. Man könne auch zwei oder drei Reihen -übereinander stellen, eine vierte aber würde beschwerlich sein, da man -ohne Leiter nicht gut zu ihr hinaufreiche. „Im Frühjahr und Sommer -hat der Bienenwärter (_mellarius_ von _mel_ Honig) jeden Stock etwa -dreimal monatlich zu untersuchen, wobei er ein wenig Rauch gibt und -Unreinigkeiten und Würmchen (Larven des Bienenwolfs und der Wachsmotte) -entfernt. Außerdem hat er darauf zu sehen, daß nicht mehrere Könige -(_regulus_, d. h. kleiner König oder Weisel) in einem Stocke sind; denn -sonst entsteht darin schädlicher Aufruhr. Manche behaupten, es gäbe -dreierlei Könige bei den Bienen, nämlich schwarze, rote und bunte.“ -Menekrates aber sagt, es gebe nur zweierlei, schwarze und bunte. (Auch -Aristoteles kannte deren nur zwei, eine rötliche Art, die er für besser -hielt, und eine dunkelfarbige und bunte.) „Die bunte Art ist jedenfalls -die beste, und so tut denn der Bienenwärter gut, den schwarzen König -zu töten, wenn er neben einem bunten im Stocke ist und darin Unfug -stiftet. Von den Arbeitsbienen sind diejenigen die besten, welche -klein, bunt und rund sind. Die Drohnen sind schwarz und haben einen -breiten Leib. -- Beim Kauf hat der Käufer darauf zu achten, ob die -Bienen gesund oder krank sind. Gesunde Bienen schwärmen fleißig, sind -glänzend, bauen gleiche, glatte Waben. Die kränklichen sind haarig, -struppig, staubig; doch können auch gute Bienen bei angestrengter -Arbeit struppig und mager werden. - -Da die Bienen nicht zu jeder Zeit auf Nahrung ausfliegen können, -füttert man sie in der bösen Zeit, damit sie nicht von bloßem Honig -zu leben brauchen oder die Stöcke verlassen. Das Futter besteht aus -Feigen, die mit Wasser gekocht und zu Klumpen geknetet sind. Andere -verfüttern Honigwasser (_aqua mulsa_), das sie in kleine Gefäße tun, -worin Wolle liegt; diese hindert die Bienen, nicht zuviel zu saugen -und ins Wasser zu stürzen. Manche stampfen getrocknete Weinbeeren und -Feigen, gießen mit Honig eingekochten Traubensaft darauf und machen -daraus Klümpchen. -- Will man einen Bienenstock an eine andere Stelle -versetzen, so muß es mit Vorsicht und zur rechten Zeit geschehen. Zum -Versetzen ist der Frühling günstiger als der Winter, denn in der kalten -Jahreszeit verlassen die Bienen gern den neu angewiesenen Standort. -Ebenso entweichen sie gern, wenn man sie aus einer reiche Nahrung -bietenden Gegend in eine daran arme versetzt. Man darf auch nicht -sorglos verfahren, wenn man sie an einer Stelle, wo sie bleiben sollen, -aus einem Stock in einen anderen versetzt. Man muß dann den neuen -Stock für sie mit Melisse ausreiben, die sie sehr gern haben; auch muß -man mit Honig gefüllte Waben darein einsetzen, damit sie nicht von -vornherein Mangel leiden müssen. - -Haben die Bienen sich stark vermehrt, so pflegen sie eine Kolonie -auszusenden. Man bemerkt ihre Absicht im voraus an zwei Zeichen: 1. -einige Tage lang hängen sie in einer traubenförmigen Masse am Flugloch; -2. wenn sie eben ausziehen wollen oder schon begonnen haben es zu -tun, summen sie heftig und der Lärm gleicht einigermaßen dem, welchen -eine Armee macht, wenn das Lager abgebrochen wird. Einige bilden die -Vorposten, fliegen im Angesicht des Stockes auf und nieder und warten -ab, ob der Schwarm sich in Bewegung setzt oder nicht. Sieht das der -Bienenwärter, so wirft er Staub nach ihnen, klingelt mit ehernen -Instrumenten und bringt sie dadurch wohin er will. Nicht weit vom alten -Stock bestreicht er einen neuen Stock mit Vorwachs und Melisse oder -anderen Dingen, die den Bienen angenehm sind. Haben sich nun die Bienen -angesetzt, so bringt der Bienenwärter einen Stock herbei, welcher -inwendig mit den genannten lockenden Dingen ausgestrichen ist, setzt -ihn in die Nähe des Schwarms, räuchert diesen ein wenig und zwingt ihn -so zum Einzug. Hat die neue Kolonie den Stock bezogen, so bleibt sie -gern darin und zieht auch dann nicht aus, wenn er ganz nahe an den -alten gestellt wird. - -Ist der Stock schwer, so kann man ihm Honig entnehmen. Die mit Honig -gefüllten Zellen sind mit einem dünnen Wachsdeckel geschlossen. Einige -sagen, man müsse den Bienen 9/10 nehmen und ⅒ lassen, weil sie den -Stock verlassen, wenn man ihnen alles nimmt. Schneidet man die Stöcke -nicht alle Jahre oder wenigstens nicht zu stark aus, so sind die Bienen -fleißiger und tragen mehr ein. Die erste zum Schneiden der Bienenstöcke -(zur Honigernte) taugliche Zeit ist die, da die Vergilien (die Plejaden -oder das Siebengestirn) aufgehen, die zweite zu Ende des Sommers, die -dritte zur Zeit, da die Vergilien untergehen. Ist zu dieser Zeit der -Stock schwer, so nimmt man ihm doch nicht über ⅓ des Honigs und läßt -ihm ⅔ für den Winter. Sind Waben, die man den Bienen genommen, leer -oder schmutzig, so schneidet man solche Stellen mit dem Messer weg. - -Ist ein Volk so schwach, daß es von anderen überwältigt wird, so -vereinigt man es heimlich mit einem stärkeren. Entstehen unter den -Bienen häufig Raufereien, so bespritze man sie mit Honigwasser, worauf -sie sich freundlich lecken, statt die Zänkerei fortzusetzen. Nimmt -man statt des Honigwassers flüssigen Honig, so lecken sie sich noch -eifriger und sind ganz entzückt über die herrliche Leckerei. Fliegen -sie spärlich aus dem Stock und bleibt ein Teil darin, so räuchert man -ihn etwas von unten und legt in seine Nähe wohlriechende Kräuter, -vorzüglich Melisse und Thymian. Vor allzu großer Hitze und Kälte hat -man den Stock sorgfältig zu beschützen. Sind die Bienen auf Nahrung -ausgeflogen und dabei plötzlich von einem Platzregen oder von Kälte -überfallen worden (was jedoch selten geschieht, da sie jedes Wetter im -voraus merken), so sammelt man sie und setzt sie an einen lauen Ort. -Bei gutem Wetter nimmt man sie aus diesem, bestreut sie mit warmer -Asche von Feigenholz, schüttelt sie, ohne sie mit der Hand zu berühren, -gelinde und bringt sie an die Sonne. Sind sie auf solche Weise warm -geworden, so leben sie wieder auf. Bringt man sie nun in die Nähe der -Stöcke, so kehren sie dann an ihre Arbeit und in ihre Wohnung zurück.“ - -Es ist erstaunlich, wie groß auch bei Barro die Erkenntnis in der -Beurteilung der Lebensweise der Bienen ist, wenn auch er, wie -Aristoteles, noch gar vielen Irrtümern huldigte, worunter auch dem, -daß die Bienen aus dem Aase von Rindern, wie die Wespen aus solchem -von Pferden und die Mistkäfer aus solchem von Eseln hervorgehen. Am -ausführlichsten behandelt der römische Dichter Vergil die vermeintliche -Entstehung der Bienen aus dem Aase von Rindvieh im 4. Buche seiner -Georgica, das mit seinen 566 Versen ganz den Bienen gewidmet ist. Er -sagt, daß wenn durch irgend ein Unglück der Bienenstand ausgestorben -sei und man keine bevölkerten Stöcke kaufen könne, so wende man die -höchst merkwürdige Kunst an, die der arkadische Hirt Aristäus erfunden -habe und die noch jetzt in Ägypten mit großem Gewinn angewendet werde. -Einem zweijährigen Stiere verstopfe man trotz allem Sträuben Mund und -Nase und prügle ihn so lange, bis, ohne daß die Haut verletzt wird, -inwendig alles zu Brei geschlagen sei. So lasse man den Kadaver ruhig -liegen, nachdem man ihm Thymian und Zimt untergelegt habe. Bald komme -das Innere desselben in Gärung, man sehe darin ein wunderbares Gewimmel -fußloser Tiere (Maden), bis zuletzt geflügelte Bienen hervorkämen und -die Menge wachse und ganze Wolken davon herumschwirren. Tatsächlich -sind das aber aus Eiern entstandene Schweißfliegen und keine Bienen. - -Im ganzen Altertum war die Anschauung von solcher Urzeugung gang und -gäbe. Es sei hier nur an das uns allen geläufige Rätsel erinnert, das, -wie im 14. Kapitel des Buches der Richter erzählt wird, vom Helden -Simson bei seiner Hochzeit mit der Philisterin zu Thimnath den 30 um -ihn weilenden Gesellen aufgegeben wurde, wobei er ihnen 30 Hemden und -30 Festkleider versprach, falls sie es lösen sollten. Könnten sie es -aber nicht erraten, so sollten sie ihm 30 Hemden und 30 Festkleider -geben. Das Rätsel lautete: „Speise ging aus von dem Fresser und -Süßigkeit von dem Starken.“ Er meinte damit den Bienenschwarm im -Kadaver des jungen Löwen, den er einige Tage zuvor am Wege durch die -Weinberge zu Thimnath mit seinen starken Armen zerrissen hatte, „wie -man ein Böcklein zerreißet“. Dieser Bienenschwarm sollte aus dem Aase -des Löwen hervorgegangen sein und hatte bereits Honig gesammelt, den -Simson in die Hand nahm und von dem er unterwegs aß; „und er ging zu -seinem Vater und zu seiner Mutter und gab ihnen, daß sie auch aßen. Er -sagte ihnen aber nicht, daß er den Honig von des Löwen Aas genommen -hatte.“ - -Mehrfach berichten Livius in seiner Geschichte Roms und Cicero in -seinem Buche _de divinatione_ von Wundern, die durch das merkwürdige -Verfliegen von Bienenschwärmen angezeigt worden seien. Es galt als -unglückbringend, wenn sich ein solcher vor einer geplanten Unternehmung -irgendwo einfand. So berichtet Livius: „Als die Römer am Flusse -Ticinus (dem heutigen Ticino) dem Hannibal gegenüberstanden, war ihnen -nicht ganz wohl zumute und ihre Furcht nahm zu, als ein Wolf ins Lager -drang und unversehrt wieder hinauslief, und als sich ein Bienenschwarm -auf einem Baume niederließ, der das Zelt des Befehlshabers beschattete. -Man suchte dem üblen Erfolg dieser Unglückszeichen dadurch vorzubeugen, -daß man den Göttern Sühnopfer darbrachte. -- Im Verlaufe desselben -Krieges ereigneten sich zur Zeit, da Quintus Fulvius und Appius -Claudius Konsuln waren, neue Wunderzeichen: In Campanien wurden zwei -Tempel und einige Gräber vom Blitze getroffen, zu Cumä benagten -die Mäuse im Tempel des Jupiter das Gold, zu Catinum ließ sich ein -ungeheurer Bienenschwarm auf dem Markte nieder, zu Caere flog ein -Adler auf den Tempel des Jupiter. Wegen dieser drohenden Zeichen wurde -ein allgemeiner Bettag angesagt und einige Tage lang mit ungünstigem -Erfolge geopfert. Endlich verhießen die Opfer Glück, und der Erfolg -zeigte, daß das Unglück die Konsuln traf, der Staat aber ohne Schaden -davonkam.“ Nach dem griechischen Geschichtschreiber Dio Cassius -(155-229 n. Chr.) soll dem Pompejus seine Niederlage bei Pharsalus im -voraus verkündet worden sein, indem Blitze in sein Lager schlugen, -Bienen sich auf seine Fahnen setzten und viele Opfertiere vor dem -Altar die Flucht ergriffen. Die Niederlage, die Varus im Jahre 14 n. -Chr. in Germanien erlitt, sei den Römern durch Zeichen prophezeit -worden, indem der Blitz in den Tempel des Mars auf dem Marsfeld schlug, -viele Heuschrecken in die Stadt Rom flogen und dort von den Schwalben -weggeschnappt wurden und Bienen an römischen Altären Wachszellen -bauten. Auch des Kaisers Claudius Tod sei durch einen Kometen, einen -blutigen Regen, die freiwillige Öffnung des Tempels des Jupiter Victor -und auch dadurch voraus verkündet worden, daß sich ein Bienenschwarm im -Lager festsetzte. Und Plinius (23-79 n. Chr.) meint: „Bienenschwärme -geben einzelnen Menschen und ganzen Staaten wichtige Vorbedeutungen, -wenn sie sich an Häuser oder Tempel hängen, worauf schon oft -schrecklicher Jammer erfolgt ist. Als Plato noch ein Kind war, setzten -sich Bienen auf seinen Mund und deuteten dadurch auf das Liebliche -seiner zukünftigen Beredsamkeit. Im Lager des Feldherrn Drusus ließ -sich ein Schwarm während der glücklichen Schlacht von Arbalo (in -Germanien) nieder, woraus man sehen kann, daß die Wissenschaft der -Zeichendeuter, welche eine solche Begebenheit immer für ein Unglück -erklärt, nicht untrüglich ist.“ - -Auch Plinius behandelt die Bienen sehr ausführlich in seiner -Naturgeschichte. Er sagt von ihnen: Wir müssen ihnen die höchste -Bewunderung zollen und ihnen den Vorzug vor allen Insekten geben, -sind sie doch die einzigen bloß um des Menschen willen geschaffenen. -Man braucht sich deshalb nicht zu wundern, wenn man hört, daß -manche Menschen ganz verliebt in ihre Bienen gewesen seien. So habe -Aristomachos von Soli sich 58 Jahre lang mit nichts anderem als mit -ihnen beschäftigt, und Philiskos aus Thasos habe mit seinen Bienen -einsam in einer Einöde gelebt. Beide haben über sie geschrieben. Dann -fährt er fort: „Den Winter über verbergen sich die Bienen, denn woher -sollten sie auch die Kräfte nehmen, um der Kälte, dem Schnee und den -Nordstürmen zu widerstehen? Aber ehe noch die Bohnen blühen, kommen -sie heraus, um zu arbeiten, und wenn das Wetter günstig ist, geht -kein Tag verloren. Zuerst bauen sie die Waben, dann erzeugen sie die -Brut, sammeln Honig und Wachs von den Blüten, wie auch Vorwachs aus -den klebrigen Abscheidungen der Bäume. Mit letzterem streichen sie -erst inwendig den Stock aus, und weil sie wohl wissen, daß ihr Honig -ein Leckerbissen ist, so mischen sie zur Abhaltung kleiner Schmarotzer -dem Vorwachse noch bittere Säfte bei. Mit derselben Masse verengern -sie auch den Eingang, wenn er allzu weit sein sollte. -- Bei ihren -Geschäften beobachten die Bienen eine bestimmte Ordnung: Am Tage -steht eine Schildwache am Eingang; nachts ruhen sie, bis der Morgen -anbricht und bis eine durch zwei- oder dreimaliges Sumsen gleich einem -Trompeter das Zeichen zum Aufbruche gibt. Jetzt fliegen alle hinaus, -wenn ein heiterer Tag bevorsteht. Ist aber Wind und Regen in Aussicht, -so bleiben sie zu Hause, denn sie wissen im voraus, wie das Wetter -sich gestalten wird. Sind sie zur Arbeit ausgezogen, so tragen die -einen Blütenstaub mit den Füßen ein, andere Wasser im Munde und an -den Haaren, womit ihr ganzer Leib bedeckt ist. Die Jungen fliegen aus -und tragen ein, die Alten dagegen besorgen die häuslichen Arbeiten. -Diejenigen, welche Blütenstaub sammeln, bedienen sich der Vorderfüße, -welche behaart sind, und des Rüssels, um die Vorderfüße zu beladen, und -so kehren sie denn endlich, von der schweren Last gebeugt, nach Hause -zurück. Hier kommen ihnen sogleich drei bis vier entgegen und nehmen -ihnen die Last ab, denn auch im Stocke sind die Arbeiten verteilt. Die -einen bauen, die andern glätten, andere tragen den Baustoff herbei, -andere bereiten aus dem, was eingetragen wird, die Speisen; denn sie -halten gemeinschaftliche Mahlzeiten ab, damit die allgemeine Ordnung -der Geschäfte nicht gestört wird. Den Bau beginnen sie oben an der -Decke des Stockes und bauen nun die Waben abwärts so, daß dabei zwei -Wege offen bleiben, auf deren einem sie herbei-, auf dem andern aber -weggehen können. Die Waben hängen oben und auch ein wenig an der Seite -fest; bis auf den Boden aber gehen sie nicht herab. Bald haben sie eine -längliche, bald eine mehr runde Gestalt, wie es gerade die Form des -Stockes mit sich bringt. Wollen die Waben fallen, so setzen sie Stützen -darunter, wölben sie aber vom Boden aus so, daß ein Zugang für neue -Ausbesserung übrig bleibt. Etwa die drei ersten Zellenreihen bleiben -leer, damit nicht so leicht Diebe angelockt werden; die hintersten -werden am meisten mit Honig gefüllt, und deswegen schneidet man den -Stock auch von hinten aus. - -Die Honig eintragenden Arbeitsbienen (_gerula apis_) sehen sehr auf -günstigen Wind; beginnt ein Sturm, so nehmen sie ein Steinchen als -Balast zu sich (wie schon Aristoteles geglaubt hatte), welches sie, wie -einige behaupten wollen, auf den Schultern tragen. Geht ihnen der Wind -entgegen, so fliegen sie an der Erde hin und weichen den Dornbüschen -aus. Man ist erstaunt, wenn man ihre Arbeit beobachtet. Die Faulen -werden getadelt, gestraft, ja sogar getötet. Sie sind äußerst reinlich. -Jeder Unrat, der sich irgendwo im Stocke vorfindet, wird sogleich -hinausgeschafft. Sobald der Abend kommt, nimmt allmählich der Lärm -im Stocke ab, bis endlich eine Biene herumfliegt und durch dasselbe -Sumsen, womit die Schar morgens geweckt wird, das Zeichen zur Ruhe -gibt, worauf alle augenblicklich schweigen.“ - -Auch Plinius glaubt, daß der Honig aus der Luft herabfalle. Er sagt -darüber: „Der Honig kommt aus der Luft, und zwar gegen Tagesanbruch, -weshalb man auch mit dem Erscheinen der Morgenröte die Blätter der -Bäume von Honig betaut findet und Menschen, die sich zufällig im -Freien aufhalten, ihre Kleider und Haare mit Honig gesalbt fühlen. -Mag nun der Himmel den Honigtau ausschwitzen, oder mögen ihn die -Sterne ausspucken, oder mag er eine Reinigung der Luft sein, so wäre -nur zu wünschen, daß er so rein, flüssig und echt sein möchte, wie er -anfänglich herabträufelt. So aber fällt er aus der unermeßlichen Höhe -herab, wird im Fallen durch schmutzige Beimischungen verunreinigt, vom -Hauche der Erde vergiftet, außerdem von den Blättern abgeleckt, in den -Magen der Bienen geschluckt, obendrein durch Blumensaft vermischt, im -Bienenstocke geknetet, und dennoch behält er noch ein gutes Teil seiner -himmlischen Eigenschaften bei. - -„Der Honig ist immer da am besten, wo er in den Behältern der besten -Blumen aufbewahrt wird. Am berühmtesten sind in dieser Hinsicht der -Berg Hymettus in Attika, der (Berg) Hybla auf Sizilien und die Insel -Kalydna (bei Kleinasien). Anfangs ist der Honig flüssig wie Wasser, -gärt die ersten Tage wie Most und reinigt sich; am 20. beginnt er -dick zu werden. Bald überzieht er sich mit einer Haut, welche sich -aus dem durch Gärung entstehenden Schaume bildet. Der beste und am -wenigsten nach Laub schmeckende wird von den Blättern der Linden, -Eichen und der Rohrarten entnommen. Die Güte des Honigs hängt zwar von -der Beschaffenheit der Gegend ab; übrigens zeigt sich aber doch noch -ein Unterschied; denn z. B. im Lande der Peligner (in Italien) und in -Sizilien zeichnet sich das Wachs aus, in Kreta, Zypern und Afrika der -Honig, im Norden die Größe, so daß man in Germanien schon eine acht Fuß -lange Wabe gesehen hat, deren Höhlungen schwarz waren. Allerwärts gibt -es dreierlei Honig: - -„1. Den ~Frühlingshonig~, von Blüten gesammelt, deshalb auch -Blütenhonig genannt, den man nicht wegnehmen darf, weil sonst die Brut -nicht kräftig wird. Manche Bienenwärter nehmen aber gerade von diesem -den meisten, weil bald darauf, beim Aufgang der großen Gestirne, großer -Überfluß erfolgt. Übrigens sind im Sommer, wenn Thymian und Weinstock -zu blühen beginnen, die Zellen am besten gefüllt. Man muß aber beim -Schneiden der Stöcke eine gehörige Einteilung treffen; denn wenn man -zuviel Honig wegnimmt, so überlassen sich die Bienen der Verzweiflung, -sterben oder zerstreuen sich. Dagegen werden sie aber auch durch allzu -großen Vorrat faul und fressen dann reinen Honig statt Bienenbrot. -Vorsichtige Bienenwärter lassen ihnen daher von dieser Ernte den -zwölften Teil. Der Tag, an welchem diese Ernte gehalten wird, ist -gleichsam durch ein Naturgesetz bestimmt, und zwar ist es der 30. nach -dem Auszuge des Schwarms, also meist im Monat Mai. - -„2. Den ~Sommerhonig~, welchen man auch reifen Honig nennt, indem -er zur günstigsten Jahreszeit gesammelt wird, etwa 30 Tage nach -der Sonnenwende, während der Sirius glänzt. Dieser Honig würde die -herrlichste Gabe der Natur sein, wenn nicht der Betrug des Menschen -alles verschlechterte und verdürbe; denn was sich beim Aufgang der -Gestirne, vorzüglich deren vom obersten Range, oder beim Regenbogen, -wenn kein Platzregen folgt, sondern der Tau vom Sonnenstrahl erwärmt -wird, bildet, ist kein Honig, sondern ein himmlischer Balsam für die -Augen, für Geschwüre und für die Eingeweide. Sammelt man ihn beim -Aufgang des Sirius, wenn zufällig der Aufgang der Venus, des Jupiter -oder Merkur auf denselben Tag fällt, so ist seine Kraft, Menschen zu -heilen und selbst vom Tode zu erretten, nicht geringer als die des -göttlichen Nektars. Beim Vollmond ist die Honigernte reichlicher, bei -reinem Himmel aber fetter. Vorzüglich gut ist der rötliche, zumal für -Krankheiten des Ohres. Der vom Thymian gesammelte ist goldfarbig, von -köstlichem Geschmack und sehr geschätzt. Was sich in den Behältern -der Blumen bildet, ist fett, was vom Rosmarin kommt, ist dick. Honig, -welcher gerinnt, wird nicht gelobt. Honig von Thymian gerinnt nicht; -berührt man ihn, so zieht er sehr feine Fäden, und dies ist der beste -Beweis seiner Schwere. Trennt er sich leicht, so daß die Tropfen -fallen ohne Fäden zu ziehen, so gilt das für einen Beweis von geringem -Werte. Man verlangt ferner, daß der Honig wohlriechend, süßlichsauer, -klebrig und durchsichtig sei. Bei der Sommerernte soll man nach Cassius -Dionysius den Bienen den zehnten Teil lassen, wenn der Stock voll ist; -ist er es aber nicht, so soll man nach Verhältnis schneiden. Ist er -leer, so soll man ihn gar nicht anrühren. Diese Ernte hält man anfangs -Juli ab. - -„3. Den ~wilden Honig~, den man auch Heidehonig nennt und wenig -schätzt. Die Bienen sammeln ihn nach dem ersten Herbstregen, während -im Walde nur die Heide (Baumheide, _Erica carnea_) blüht, weswegen er -auch gleichsam sandig ist. Diesen Honig schneidet man im November, -und die Erfahrung lehrt, daß man davon den Bienen zwei Drittel und -jedenfalls den Teil der Waben lassen muß, der das Bienenbrot enthält. -Vom kürzesten Tage an bis zum Aufgang des großen Bären schlafen die -Bienen sechzig Tage lang, ohne Nahrung zu sich zu nehmen; von da an -bis zur Frühlingsnachtgleiche wachen sie zwar, da die Luft schon lauer -ist, bleiben aber gleichwohl im Stocke und zehren von den vorhandenen -Vorräten. In Italien schlafen sie bis zum Aufgang des Siebengestirns. - -„Manche Bienenwärter wiegen beim Schneiden die Stöcke und bestimmen -dann, wieviel Honig darin bleiben soll. Auch gegen die Bienen muß man -billig sein; denn die Stöcke sollen aussterben, sobald man ungerecht -gegen sie handelt. Vorzüglich empfiehlt man denen, welche schneiden, -sich vorher zu baden und zu reinigen. Vor Dieben haben die Bienen -einen eigenen Aberwillen. Während man den Honig herausnimmt (nach dem -zu Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr. lebenden Nonnos schützte sich -der Bienenwärter dabei mit einem aus feinen Leinenfäden geflochtenen -schleierartigen Gewand, das ihn vom Kopf bis zu den Zehen verhüllte), -müssen die Bienen durch Rauch vertrieben sein, damit sie nicht wütend -werden oder auch selbst sich über den Honig hermachen. Gibt man ihnen -öfters Rauch, so werden sie arbeitsamer, durch allzuhäufigen aber -leiden sie und der Honig wird dann bei der leisesten Berührung des -Taues sauer.“ - -Über die Gewinnung des Wachses gibt Plinius ausführliche Auskunft -und sagt, das beste komme von Karthago. Am schönsten weiß werde es, -wenn man es nur einmal kocht. Man brauche es zu unzähligen Dingen und -färbe es auf verschiedene Weise; oft benütze man es auch, um Wände und -Waffen gegen Nässe zu schützen. Die besten Bienenstöcke mache man aus -Baumrinde, und zwar aus Kork der Korkeiche; die aus Ruten geflochtenen -seien nicht so gut. Viele ließen sie aus Marienglas herstellen, um die -Bienen bei der Arbeit beobachten zu können. Man stelle sie am besten -so auf, daß das Flugloch nach der Gegend gerichtet sei, wo die Sonne -während der Tag- und Nachtgleiche aufgehe. Im Winter müsse man sie -mit Stroh bedecken und oft räuchern, am besten mit Rindermist. Diesen -Rauch lieben die Bienen wegen der Verwandtschaft (bezieht sich auf -die vermeintliche Entstehung der Bienen aus totem Rindvieh) und er -tötet zugleich das Ungeziefer, von dem sie geplagt werden wie Spinnen, -Würmer (Larven des Bienenwolfs und der Wachsmotte) und Schmetterlinge -(Wachsmotte und Totenkopf), muntert dagegen die Bienen auf. Am -schlimmsten sind die Schmetterlinge; man kann sie aber im Frühjahr, zur -Zeit, da die Malve reift, nachts bei Neumond bei heiterem Himmel töten, -indem man Feuer vor den Bienenstöcken anzündet, in welches sie sich -dann hineinstürzen.“ - -Auch nach Plinius „leben die Bienen, wenn ihnen kein Unglück zustößt, -sehr lange, nämlich sieben Jahre. Nie sollen aber Bienenstöcke über -10 Jahre gedauert haben.“ Tatsächlich aber lebt nur die Königin, das -fruchtbare Weibchen, 3-5 Jahre, ist aber höchstens 3 Jahre recht -fruchtbar. Sie vermag nach den angestellten Versuchen jährlich 50 -bis 60000 Eier zu legen, in den letzten Jahren bedeutend weniger. -Die unfruchtbaren Weibchen, die Arbeiterinnen, leben im Sommer nur -6-8 Wochen und sterben, von der rastlosen Arbeit verbraucht oder von -Bienenfeinden getötet. In der Haupttrachtzeit währt das Leben dieser -unermüdlichen Arbeiterinnen nur 6 Wochen. Das konstatierte man durch -Einführung der italienischen Bienen in Deutschland. Gibt man nämlich -einem deutschen Volke eine befruchtete italienische Königin, so ist -nach 6 Wochen bis auf vereinzelte Exemplare jenes völlig verschwunden -und durch ein Volk italienischer Bienen ersetzt. Nur die im August -und September ausgeschlüpften Arbeitsbienen leben, wenn der Stock -normal ist und ihnen nichts zustößt, bis in den April hinein, bis -eine neue Brut sie in der Arbeit abzulösen vermag. Ein starkes -Volk zählt im Sommer 30-80000 Arbeitsbienen. Die Drohnen genannten -Männchen aber, die dicker und länger als die Arbeitsbienen sind und im -Gegensatz zu sämtlichen Weibchen stachellos sind und nicht arbeiten, -auch von jenen leicht am dröhnenden Tone ihres Fluges erkannt werden -können, haben keine andere Aufgabe, als die jungen Königinnen, die -beim Schwärmen mit einem Teil des Bienenvolkes ausziehen, um eine -neue Kolonie zu gründen, zu befruchten. Sie entstehen im Frühjahr -aus unbefruchteten Eiern, während die Weibchen aus befruchteten -hervorgehen, im Falle sie Königinnen werden sollen, durch bessere -Ernährung ihre Geschlechtsorgane voll ausbilden, im Falle sie aber nur -Arbeiterinnen abgeben sollen, trotz der längeren Entwicklungsdauer von -3 Tagen gegenüber den Königinnen, in bezug auf ihre Geschlechtsorgane -verkümmern. Gegen Ende April erscheinen die ersten Drohnen, deren es -in einem starkgewordenen Volke über 1000 geben kann. Von diesen sind -nur einige wenige auserwählt, die jungen Königinnen beim Hochzeitsfluge -in der Luft zu begatten, wobei sie sofort sterben. Die befruchtete -Königin aber füllt dabei ihre Samentasche für die Zeit ihres Lebens -mit Samen, von dem sie willkürlich ein Samenfädchen zu dem den -Eileiter passierenden Ei gelangen läßt oder nicht. In ersterem Falle -entstehen daraus Weibchen, im letzteren dagegen Männchen. Deshalb -kann ein unbefruchtetes Weibchen durch Jungfernzeugung nur Männchen -hervorbringen, und man nennt in diesem Falle das betreffende Volk -drohnenbrütig. Die nicht beim Hochzeitsflug umgekommenen Drohnen aber -werden, sobald eine Trachtpause anbricht, als überflüssige Schmarotzer, -die nur bei warmem Sonnenschein und windstillem Wetter den Stock -zwischen 10 Uhr morgens und 4 Uhr nachmittags verlassen, um im Freien -hin und her zu fliegen, aber keinen Nektar oder andere Nahrung suchen, -sich aber am Nahrungsvorrat des Stockes sättigen, durch die Bienen von -den Honigvorräten weggedrängt, nicht mehr gefüttert und, wenn sie dem -Verhungern nahe sind, zum Stocke hinausgedrängt und ihrem Schicksal -überlassen oder umgebracht. Es ist dies die von Mitte August bis -Ende September sich alljährlich einmal ereignende „Drohnenschlacht“. -Pfarrer Schönfeld hat nun nachgewiesen, daß die Drohnen ohne -Futtersaftfütterung, d. h. ohne Zufuhr stickstoffhaltiger Nahrung, -nicht länger als drei Tage leben können. Sobald nun die Arbeitsbienen -die Darreichung des Futtersaftes einstellen, ermatten die Drohnen schon -am zweiten Tage so sehr, daß sie sich leicht überwältigen lassen oder -von selbst an Entkräftung zugrunde gehen. Findet in einem Stocke keine -Drohnenschlacht statt, so ist der Stock weisellos, d. h. ohne Königin. -Sind im Sommer die Drohnen in einem Stocke zu zahlreich, so steckt -der Imker eine sogenannte Drohnenfalle ins Flugloch, um die müßigen -Honigfresser darin zu fangen. Die Arbeitsbienen, welche nicht so dick -sind, schlüpfen durch die Löcher hindurch, während dagegen die Drohnen -darin stecken bleiben. - -In Beziehung auf die Fortpflanzung der Bienen sagt Plinius: „Wie sie -ihre Jungen erzeugen, ist eine wichtige und schwierige Aufgabe für -Gelehrte; denn man hat sie nie in der Paarung angetroffen. Viele Leute -sind der Meinung, sie entständen aus einer zu diesem Zwecke geeigneten -Zusammensetzung von Blütensäften. Andere glauben, es geschehe durch -Paarung des Königs mit den andern Bienen. Es befindet sich in jedem -Stock nur ~ein~ König; er ist weit größer als die andern Bienen und -soll das einzige Männchen sein. Ohne ihn soll es keine Brut geben, -und die übrigen Bienen sollen ihn wie Weibchen ihren Mann und nicht -wie ihren König begleiten. Das Vorkommen der Drohnen ist ein Beweis -gegen diese Behauptung; denn wie können von denselben Eltern teils -vollkommene, teils unvollkommene Wesen abstammen? Die erstere Meinung -würde wahrscheinlich sein, wenn nicht eine andere Schwierigkeit -dagegen spräche. Es entstehen nämlich zuweilen am äußersten Ende -der Wachstafeln größere Bienen, welche die übrigen vertreiben; man -nennt sie _oestrus_. (Ob hier Drohnen oder in den Stock eingedrungene -Raubbienen gemeint sind, ist ungewiß.) Aber wie könnten sie entstehen, -wenn die Bienen sich selbst erzeugten? - -Gewiß ist, daß die Bienen wie Hühner brüten. Zuerst kriecht bei ihnen -ein kleines weißes Würmchen aus, der König aber hat gleich eine -Honigfarbe, als wäre er aus einer auserwählten Blume entstanden; auch -ist er nicht erst ein Würmchen, sondern gleich geflügelt. Reißt man -den Larven der andern Bienen den Kopf ab, so sind sie für ihre Mütter -ein wahrer Leckerbissen. Werden die Würmchen größer, so träufeln ihnen -die Bienen Speise ein und bebrüten sie, wobei sie ein starkes Gemurmel -erheben, wahrscheinlich um die zum Brüten erforderliche Wärme zu -bewirken. Endlich zersprengt jeder Wurm die Hülle, in welche er gleich -einem Ei in seiner Schale eingewickelt ist, und nun kriecht der ganze -Schwarm aus den Zellen hervor. Diese Tatsache ist bei Rom auf dem -Landgute eines Konsularen beobachtet worden, wo man aus durchsichtigem -Horn verfertigte Bienenstöcke aufgestellt hatte. Die Brut bedarf 45 -Tage, bis sie zur Vollkommenheit gelangt ist. (In Wahrheit ist die -Zeit viel kürzer und bedarf eine Königin zu ihrer Entwicklung nur 15, -eine Arbeiterin 21 und eine Drohne 24 Tage.) Sind die Jungen glücklich -ausgekrochen, so arbeiten sie sogleich unter der Aufsicht ihrer -Mütter, und eine Schar junger Bienen begleitet den König. Es werden -mehrere Könige erzogen, damit es nicht daran fehlen kann. Sind sie -aber erwachsen, so werden die schlechtesten mit allgemeiner Zustimmung -getötet, damit sich der Schwarm nicht um ihretwillen teilt. Es gibt -zweierlei Art Könige, wovon die bessere Art schwarz und bunt ist. Alle -Könige haben stets eine sie auszeichnende Gestalt und sind doppelt -so groß als die übrigen Bienen; ihre Flügel sind kürzer, ihre Beine -gerade, ihr Anstand erhabener und auf der Stirn haben sie einen weißen -Fleck, der einem Diadem ähnlich sieht. Auch durch Glanz zeichnen sie -sich vor dem gemeinen Volke aus. Sie haben einen Stachel, aber sie -bedienen sich desselben nicht. Es ist wunderbar, welchen Gehorsam das -Volk seinem Könige erweist. Geht er herum, so zieht ein ganzer Schwarm -mit ihm, nimmt ihn in die Mitte, beschützt ihn und verhindert, daß man -ihn sehen kann. Während der übrigen Zeit, wenn das Volk arbeitet, geht -er im Stocke umher, besichtigt die Arbeiten, scheint zu ermahnen und -ist allein müßig. Um ihn herum sind einige Leibgardisten, die seine -Würde allerwärts aufrecht erhalten. Er verläßt den Stock nur, wenn ein -Schwarm ausziehen will. Dies bemerkt man schon lange vorher, indem -einige Tage lang sich inwendig ein geräuschvolles Murmeln hören läßt, -ein Zeichen, daß sie Vorbereitungen treffen und nur auf gutes Wetter -warten. Schneidet man dem König einen Flügel ab, so zieht der Schwarm -nicht aus. Sind sie aber ausgezogen, so drängt sich jede an den König -und will sich durch Diensteifer auszeichnen. Ist er müde, so stützen -sie ihn mit den Schultern; kann er nicht weiter, so tragen sie ihn -ganz. Ist eine Biene vor Ermattung zurückgeblieben oder hat sie sich -zufällig verirrt, so zieht sie dem Schwarme nach, indem sie dem Geruche -folgt. Wo sich die Hauptmacht niederläßt, da versammelt sich das ganze -Heer.“ - -Im Gegensatz zu den älteren Autoren war man also zu Plinius’ Zeit -glücklich dazu gelangt, statt mehrerer nur ~einen~ Anführer in jedem -normalen Bienenstocke anzunehmen. Über dieses Wissen ist man das ganze -Mittelalter hindurch nicht hinausgekommen. Erst im 17. Jahrhundert -entdeckte dann der in Amsterdam erst 43 Jahre alt verstorbene -holländische Gelehrte Jan Swammerdam (1637-1680) durch Sezieren der -Bienen unter dem Vergrößerungsglas, wobei er deren Eierstöcke und -Eileiter fand, daß der bis dahin allgemein als Männchen betrachtete, -deshalb auch im Deutschen als der Weisel bezeichnete Anführer oder -König des Stockes tatsächlich ein Weibchen und der Bienenstaat auf der -Mutterschaft begründet sei. - -Nach Swammerdam hat der Franzose R. A. de Réaumur die wissenschaftliche -Bienenkunde durch zahlreiche Beobachtungen und Versuche in seinem -Garten in Charenton gefördert. Noch weit mehr tat dies der 1750 in Genf -geborene François Huber, durch Réaumurs Experimente angeregt. Sein -Werk „_Nouvelles observations sur les abeilles_“, von dem der erste -Band im Jahre 1789 in Form von Briefen an einen andern Bienenforscher -Charles Bonnet erschien -- der zweite folgte erst 25 Jahre später --- ist klassisch und enthält die Grundlage unseres heutigen Wissens -über die Bienen. In der Folge hat der 1811 in Lobkowitz in Schlesien -geborene katholische Pfarrer Johann Dzierzon die Bienenkunde am meisten -gefördert, indem er zuerst die jungfräuliche Zeugung, welche zur -Entstehung von Drohnen führt, bei den Bienen feststellte. Es geschah -dies auf seiner Pfarrei Karlsmarkt bei Brieg in Schlesien, wo er auch -1861 den ersten Kastenstock mit beweglichen Waben erfand, wodurch der -Imker erst befähigt wurde, seinen Anteil an der Honigernte zu gewinnen, -ohne nutzlos seine besten Völker zu vernichten und die Arbeit eines -ganzen Jahres in einem Augenblicke zu zerstören. Dieser zunächst noch -sehr unvollkommene Kastenstock wurde dann vom Amerikaner Langstroth -bedeutend vervollkommnet, indem er den eigentlichen beweglichen Rahmen -erfand, der zunächst in den Vereinigten Staaten weite Verbreitung fand -und außerordentliche Erfolge erzielte. Dann erfand Mehring, um den -Bienen Arbeit und Wachs, also auch viel Honig und Zeit zu ersparen, -die Herstellung von Kunstwaben, die sie alsbald benutzten und ihren -Bedürfnissen anpaßten. Und Major von Hruschka endlich konstruierte -die Honigschleuder, wodurch die Waben ihres Inhalts entleert werden -konnten, ohne zerstört werden zu müssen. Damit eröffnete sich eine neue -Periode der Bienenzucht, die erst die Biene zum eigentlichen Haustier -des Menschen erhob. - -Kehren wir indessen von diesen allerdings äußerst wichtigen -theoretischen Betrachtungen zur Praxis zurück, wie sie die alten -Römer und Griechen betrieben. Plinius sagt in seiner Naturgeschichte, -daß auf jedem Landgute Bienenstände zu finden seien. Jedenfalls war -der Verbrauch von Honig und Wachs in den Kulturländern am Mittelmeer -bereits im Altertum ein sehr großer. Wissen wir doch vom griechischen -Geschichtschreiber Strabon, daß in Norditalien die einheimische -Erzeugung derselben nicht genügte, sondern daß diese Produkte von -verschiedenen Volksstämmen der Alpentäler, die sich dieselben von -Wildbienen verschafften, gegen Landesprodukte eingetauscht wurden. Erst -durch die Römer kam dann die Bienenzucht in die von ihnen unterjochten -Länder nördlich der Alpen. - -Dort hatte die keltische und germanische Bevölkerung ausschließlich -den wilden Honig verwendet, um damit den als Getränk höchst beliebten -Met zu erzeugen, den schon der kühne griechische Seefahrer Pytheas -aus Massalia (dem heutigen Marseille), ein Zeitgenosse Alexanders -des Großen, der eine Entdeckungsreise in die Nordsee nach dem -Bernsteinlande machte, als ein an der Nordküste Germaniens gemeines -Getränk bezeichnet. Jedenfalls darf man annehmen, daß es im waldreichen -alten Germanien viele wilde Bienenvölker in den durch Spechte oder -Pilzinvasion hohlgewordenen Bäumen gab. So zeigen uns die Bestimmungen -der germanischen Volksrechte nach der Völkerwanderung, vom 5.-8. -Jahrhundert, daß unter den Nebennutzungen des Waldes die wilden Bienen -eine nicht unwichtige Rolle spielten. Nach den Gesetzen der Bajuvaren -gehörten nicht nur die wilden Bienen dem Waldeigentümer, sondern auch -ein Schwarm der damals schon gehaltenen Hausbienen, der sich verflogen -und in einen hohlen Baum verzogen hatte. Jedoch konnte der bisherige -Eigentümer eines solchen Schwarms mit Vorwissen des Waldeigentümers -versuchen, denselben durch Rauch oder Anschlagen gegen den Stamm, aber -ohne Schaden für den Baum, auszutreiben und wieder zu fassen. Tat -er dies ohne Vorwissen des Waldeigentümers mit Erfolg, so mußte er -auf Andringen des letzteren mit sechs Eideshelfern schwören, daß der -eingefangene Schwarm wirklich der seinige und ihm entflogen war. Bei -den Langobarden wurde es mit den wilden Bienen gehalten wie mit dem -Ausnehmen der Vögel. Nur im Gehege des Königs war das Ausbeuten eines -wilden Bienenstocks unbedingt verboten, während in einem sonstigen -Wald nur dann eine Bestrafung eintrat, wenn der Baum zum Beweis der -Entdeckung des Schwarmes bereits gezeichnet war. War aber der Baum -nicht gezeichnet, so konnte der Finder den Stock ungestraft ausnehmen -und mußte bloß, wenn der Waldeigentümer dazu kam, ihm den Honig -überlassen. Ähnliche Bestimmungen weist das Volksrecht der Westgoten -auf. Dieses schrieb vor, daß, wer immer einen Schwarm fand, es mochte -im eigenen Walde oder in Felsen und hohlen Bäumen des Gemeindewaldes -sein, er drei Zeichen, welche „Charaktere“ genannt werden, dort -anzubringen hatte, damit nicht durch ein einziges Betrug entstehen -könne. Wer ein fremdes Zeichen der Besitzergreifung verletzte, wenn -er es antraf, der mußte dem Geschädigten doppelten Ersatz leisten und -überdies 20 Streiche erdulden. - -Die Bienenzucht der alten Germanen war wesentlich eine -~Waldbienenzucht~ und wurde das ~Zeideln~ oder die ~Zeidelweide~ -genannt. Nach den zahlreichen auf uns gekommenen Urkunden war sie -sehr ausgebreitet und beruhte auf Gewohnheiten, Verträgen und später -Gesetzen, die niemand bei strenger Strafe verletzen durfte. Überall -in den Wäldern waren Zeidelbäume eingerichtet, die als Privateigentum -besonders gezeichnet waren. Wer einen solchen ausbeutete, der bezahlte -6 Solidi (d. h. Goldschillinge von etwa 12 Mark Metallwert, tatsächlich -aber viel höher bewertet, da man damals für einen solchen eine -erwachsene Kuh kaufen konnte) Strafe. Jeder Zeidler hatte ein eigenes -Revier, in welchem er seine Bienen hielt; dabei durfte er nicht seinem -Nachbarn und dieser nicht ihm zu nahe kommen. Wenn nun ein Schwarm -sich in den Zeidelbezirk des Nachbars verflogen hatte, so durfte ihm -sein Eigentümer nach den Gesetzen der Bajuvaren dahin folgen, mußte es -aber dem Nachbar melden. Dann mußte er die Bienen aus dem Baume, in -dessen Höhlung sie sich festgesetzt hatten, ausräuchern und dreimal mit -umgekehrter Axt an den Baum schlagen. Kamen sie dann heraus, so durfte -er sie mitnehmen; was nicht folgte, verblieb dem Nachbar. - -Daneben wurde seit der Völkerwanderungszeit auch eifrig die eigentliche -von den Römern übernommene Hausbienenzucht getrieben. Man hielt -ordentliche Bienenhäuser (in den lat. Urkunden und Gesetzen _apile_, -_aprarium_, _apiculare_ oder _apicularium_ genannt), die eingedeckt -waren und verschlossen werden konnten. Doch durften sie, wie auch -einzelne Stöcke, nicht in den Dörfern und Ansiedelungen gehalten -werden, sondern mußten an abgelegene Orte geschafft werden, damit -sie nicht jemandem Schaden zufügten. Man hatte dreierlei Arten von -Bienenstöcken (_vasculum_), nämlich aus Holz, aus Baumrinde oder von -Ruten geflochten. Um die Schwärme im Wald oder bei den Bienenhäusern -zu fassen, standen stets dergleichen Behälter bereit. Legte sich ein -Schwarm bei Nachbars Bienenhaus in ein solches Gefäß, so mußte es -nach dem Volksrechte der Bayern diesem gemeldet und versucht werden, -ob der Schwarm herauszutreiben sei oder nicht. Doch durfte das Gefäß -nicht geöffnet werden. War es von Holz, so bewarf es derjenige, dem -der Schwarm fortgeflogen war, dreimal mit Erde, war es aus Rinde oder -Ruten, so schlug er dreimal mit der Faust darauf. Was dann herausging, -erhielt er wieder zu eigen, was zurückblieb, gehörte dem Besitzer des -Gefäßes. - -Die Beraubung der Zeidelbäume, Bienenhäuser und Stöcke wurde streng -geahndet. Selbst der Versuch, etwas rauben zu wollen, wenn man auch -nichts erhielt, ward nach dem Volksrechte der Westgoten bitter -bestraft. Der Freie gab in solchem Falle 3 Solidi Strafe und erhielt -50 Prügel; wenn er aber etwas genommen hatte, so mußte er es neunfach -ersetzen und bekam noch die Schläge dazu. Der Leibeigene erhielt im -ersteren Falle 100 Hiebe, im letzteren dagegen mußte er den sechsfachen -Schadenersatz leisten. Bezahlte der Herr nicht für ihn, so mußte er ihn -dem Bestohlenen zum Eigentume ausliefern. Das Volksrecht der Sachsen -setzte, wie auf gewöhnlichen Diebstahl, so auch auf das Stehlen eines -Bienenstockes aus dem Verschluß die Todesstrafe; er ward aber nur -neunfach ersetzt, wenn er außer demselben im Freien gestanden hatte. -Wer bei den Langobarden aus einem Bienenhause ein oder mehrere Stöcke -stahl, der bezahlte 12 Solidi Strafe. - -Unter der Herrschaft der Frankenkönige fand die Hausbienenzucht neben -der Zeidelweide zunehmende Bedeutung. Karl der Große bestimmte, daß auf -jedem seiner Güter ein erfahrener Bienenwärter zur rationellen Pflege -der dort gehaltenen Bienenvölker angestellt sein solle. In seinem Gute -Stefanswert befanden sich 17, in Grisenweiler sogar 50 Bienenstöcke. -Honig und Wachs mußten reinlich gewonnen und an die königliche -Hofhaltung abgeliefert werden. Von den Besitzern der Mansen und Hufen -wurde Honig und Wachs als Zins gegeben. - -In dem Maße, als unter den sächsischen und fränkischen oder salischen -Kaisern im 10.-12. Jahrhundert die Wälder den Gemeinden entzogen -und unter Bann getan wurden, traten die vorher freien Zeidler -(_cidelarii_) in die Dienstbarkeit der Fürsten. So werden sie 990 in -einer Urkunde Ottos II. nach den Manzipien als Dienstleute angeführt, -und 959 schenkte Otto der Große der Kirche zu Salzburg die Ortschaft -Grabestatt und die Zeidler daselbst. Mit der Übertragung eines -Bannforstes gingen auch die Zeidelweiden an den neuen Besitzer über. -So übergab 1025 Konrad II. an das Kloster Freising einige Ländereien -nebst Zubehör, worunter auch Zeidelweiden. Der Zins wurde in Honig -und Wachs abgeliefert. Ersterer hatte zur Herstellung des immer noch -sehr volkstümlichen Metes große Bedeutung, während letzterer seit -der Einführung des Christentums zur Verarbeitung zu Kerzen für die -Kirchen in immer größerer Menge gebraucht wurde. Allerdings hielten die -meisten Klöster eigene Bienenstände, oft in größerer Zahl. So kommen -beispielsweise im Verzeichnis der Schenkungen an das Kloster Fulda -40 Bienenstöcke (_epiastrum_) vor, welche ein einzelner Privatmann -dahin gestiftet hatte. Doch genügten meist deren Erträge nicht, um den -großen Bedarf der Kirche an Wachs zu decken. Deshalb suchten sich die -Klöster von ihren zinspflichtigen Leuten eine regelmäßige Lieferung -von Wachs zu sichern. Neben den Wachszinsen, deren Maß in den meisten -betreffenden Urkunden genau nach dem Gewichte bestimmt ist, wurde auch -eine entsprechende Abgabe an Honig und der Zehnten von den bevölkerten -Bienenstöcken, die Schwärme inbegriffen, gefordert. - -Unter den Hohenstaufen im 12. und 13. Jahrhundert und den folgenden -Kaisern wurde in Deutschland die Zeidelweide neben der Hausbienenzucht -in reger Weise weiterbetrieben. In einer Urkunde von 1288 bekennt eine -Frau, daß sie vom Bischofe von Eichstätt die Bienennutzung (_fructus -apium_), welche gewöhnlich Cidelwaid genannt wird, aus bloßer Gnade -für die Lebenszeit in zwei Wäldern erhalten habe. Man hatte zu diesem -Behufe wie ehemals so damals und teilweise bis auf den heutigen Tag -besondere Bäume durch künstliches Aushöhlen eingerichtet. Solche nannte -man ~Beuten~. Die Bienenschwärme, welche man in den Wäldern fand, -gehörten dem Gutsherrn und nicht dem, der sie fand. In Frankreich hieß -dieses Recht _abeillage_ (in einer Urkunde von 1311 als _abellagium_ -erwähnt). Über die Bienenfolge gab es besondere Verordnungen. So -bestimmten die Schonischen Gesetze von 1163, daß derjenige, dem seine -Bienen in einen andern Wald flogen, sie dort holen und auch diejenigen -mitnehmen dürfe, die er daselbst antraf, vorausgesetzt, daß sie niemand -sonst ansprach; den Baum aber durfte er ohne besondere Erlaubnis -des Herrn nicht fällen. Nach dem Schwabenspiegel (1276) durfte man -noch nach drei Tagen seinen Bienen folgen, wenn sie auf eines andern -Baum, Zaun oder Haus flogen. Man mußte aber den Eigentümer des Ortes -mitnehmen, alsdann in seiner Gegenwart daranschlagen und bekam -diejenigen, welche herabfielen; die andern aber gehörten jenem. - -Zu Ende des Mittelalters gelangte die Imkerei in den deutschen -Landen zu höchster Blüte. In den dem Reich gehörenden Bannforsten -und auch sonst wurde noch eifriger als bis dahin die Zeidelweide -oder Waldbienenzucht getrieben, und die Zeidler taten sich neben -den Hausbienenzüchtern zu Genossenschaften zusammen, die manche -Privilegien genossen. Die bedeutendsten Zeidelplätze waren zu Muskau -und Hoyerswerda in der Oberlausitz, in der Kurmark, auf der großen -Görlitzer Heide, in Pommern und im Nürnberger Reichswald. Vom -Zeidlerwesen an letzterem Orte, wo die Einwohnerschaft der Umgegend -nach den diesbezüglichen Urkunden ausgedehnte Waldnutzungsrechte besaß, -haben wir ausführliche Kunde. Die Zeidelordnung Kaiser Karls IV. vom -Jahre 1350 bestätigte die Rechte der Zeidler im Laurenzer Wald und -gibt uns ein klares Bild von der Ausdehnung des bienenwirtschaftlichen -Betriebes der damaligen Zeit und der Bedeutung, welche man demselben -beilegte. Die Gerichtsbarkeit in „des Reiches Bienengarten“ stand unter -einem besonderen Zeidelmeister, dem die Besetzung der Zeidelgüter oblag -und der dafür zu sorgen hatte, daß dem Kaiser und Reich an seinem Gute -und Dienste nichts abgehe. Die Zeidler aber waren freie Leute und -freizügig. Jeder konnte von seinem Gute „abfahren“ (wegziehen), wenn -es ihm beliebte, und war beim Abgange dem Zeidelmeister nur 13 Heller -zu geben schuldig. Wollte dieser dieses Absagegeld nicht annehmen, so -konnte der Zeidler dasselbe auf die Übertür seines Hauses legen und als -ein Gerechter abfahren. Wer danach „auffuhr“, hatte dem Zeidelmeister -einen Schilling und einen Heller zu entrichten und dieser sich damit -zu begnügen. Die Zeidler hatten das Erbrecht an ihrem Gute und waren -allein befugt, im Bannforste Bienen zu halten. Niemand durfte, so weit -der „Bienkreis“ reichte, einen Schwarm aufheben. Wer einen „Peuten“ -(Bienenbaum) umhieb, war dem Zeidelmeister 10 Pfund Heller und einen -Heller schuldig. Das nötige Holz bekamen die Zeidler umsonst aus dem -Reichswald und genossen manche Privilegien, so waren sie zollfrei -in allen Städten des Reichs, dafür aber mußten sie Kaiser und Reich -dienen „zwischen den vier Wäldern“, d. h. Böhmer-, Schwarz-, Thüringer- -und Scharnitzwald. Der Dienst sollte mit sechs Armbrüsten geschehen; -Pfeile, Wagen und Kost erhielten sie vom Reich. Außerdem hatte jeder -Zeidler dem Kaiser das herkömmliche Honiggeld zu geben. Ursprünglich -wurde zweifellos eine bestimmte Menge Honig abgeliefert. - -Ähnlich wie im Laurenzer Wald war es im Sebalder Wald bei Nürnberg. In -einem Salbuche des 13. Jahrhunderts über die Reichsgüter bei Nürnberg -wird u. a. gesagt: „Das Amt Heroldsberg soll setzen dem Reich einen -Pingarten hintz dem Eynch, da 72 Immen inne seyen, die untötlich -seyen.“ Diese Stöcke waren also nur zur Zucht bestimmt und durften -nicht zur Honigentnahme getötet werden. Die aus ihnen hervorgehenden -Schwärme ließ man offenbar frei in den Wald fliegen, wo sie sich in die -vorbereiteten „gewipfelten und gelochten“ Bäume zogen. In verschiedenen -Urkunden jener Zeit ist von der Zeidelweide (_sidelweide_) und von -Zeidlern (_cidelarius_) die Rede. Wo keine Zeidelwirtschaft bestand, -teilten sich der Grundherr oder Waldeigentümer und der Finder meist -in das Erträgnis eines gefundenen wilden Bienenstockes. Gelegentlich -aber, so im Wildbanne von Altenaer an der Ahr, erhielt der Finder -eines wilden Biens denselben gegen Erlegen eines Geldbetrags allein. -Nach Aussage der Erbwildförster im Jahre 1617 mußte der Finder -eines herrenlosen Biens den Ort alsbald zeichnen und beim nächsten -Wildförster gegen Bezahlung von 9 Hellern „Urlaub heischen, den Bien -als sein eigen Gut abzuholen“, wogegen niemand etwas tun durfte, auch -der Waldeigentümer nicht. - -Ihren Glanzpunkt erreichte die Zeidelweide im Zeitalter der -Zeidlerinnungen im 14. und 15. Jahrhundert. Damals gab es in allen -deutschen Gauen Bestimmungen in den Weistümern betreffs des Fundrechts -an den „imben“, d. h. an den in den Wald verflogenen Bienenschwärmen, -die sich in hohlen Baumstämmen eingenistet hatten. Diese hohlen Bäume, -in denen die sich selbst überlassenen Bienenschwärme sich ansiedelten, -gaben das Vorbild zu den im Mittelalter für die Hausbienen meist -gebräuchlichen Klotzbeuten. Diese bestanden aus einem ausgehöhlten -4-5 Fuß langen Baumstamm, der mit einem abnehmbaren Deckel und einem -Flugloche versehen war. Daneben mögen auch schon kunstlos aus Stroh -geflochtene Körbe verwendet worden sein, die später jene mehr und mehr -verdrängten. Als in späteren Zeiten die Wälder mehr und mehr ausgeholzt -und einem regelrechten Forstbetrieb unterworfen wurden, verkümmerte -nach und nach die Zeidelweide und die seit Jahrhunderten neben ihr -betriebene zahme oder Hausbienenzucht trat an ihre Stelle und wurde -gesetzlich geschützt. Wo aber ausgedehntere Waldstrecken dem neuen -Betriebe nicht unterworfen wurden, da blieben die alten Zeidelweiden -bestehen. Damals gab es gutbesuchte Honigmärkte in allen größeren -Städten, so besonders in Köln, Nürnberg, Breslau und Prag. - -Seit dem 16. Jahrhundert machte sich in Mitteleuropa ein merklicher -Niedergang der Bienenzucht geltend, indem die Reformation viele -Klöster, welche bis dahin die Hüter so vieler Bienenstöcke gewesen -waren, verdrängte und die Kerzen in den Kirchen überflüssig machte. -Als später auch noch der verheerende Dreißigjährige Krieg ausbrach, da -war es begreiflich, daß in der allgemeinen Drangsal sehr zahlreiche -Bienenstöcke eingingen, da sie nicht mehr die nötige Pflege erhielten. -Ein weiteres ungünstiges Moment war das Aufkommen des Rohrzuckers, der -dem bis dahin als alleinigem Süßstoffe gebrauchten Honig durch seine -größere Billigkeit bedenkliche Konkurrenz machte und ihn bald zum -größten Teil in der Küche verdrängte. Kurze Zeit nach der Entdeckung -Amerikas war das ursprünglich in Südasien heimische Zuckerrohr dort -eingeführt worden und wurde durch die gleichfalls bald in großer Masse -aus Afrika importierten Negersklaven in solcher Menge angebaut, daß -der viel wohlfeiler zu produzierende und stärker süßende Rohrzucker so -billig zu haben war, daß der Honig bald als zu teuer in den Hintergrund -trat. Er wurde schon noch als Leckerbissen gegessen, aber zum Süßen -der Speisen, vor allem der verschiedenen Kuchen und süßen Platten, -fiel er gänzlich in Wegfall, und nur altertümliche Gebäckarten, wie -Lebkuchen, Leckerli usw., behielten ihn bei. Als dann zum Rohrzucker -noch die großartige Sirupfabrikation aus Kartoffeln und vollends noch -der billige Rübenzucker dazu kam, so war es um den Honig als Süßstoff -in den Haushaltungen vollends geschehen. - -In Deutschland suchten die einsichtsvollen Fürsten, vor allem Friedrich -der Große, die sehr heruntergekommene Bienenzucht wieder zu heben. -Jener Preußenkönig zog in der Bienenzucht erfahrene Kolonisten aus -Polen und Preußen in die Mark Brandenburg und interessierte sich in der -Folge sehr auch für diesen Zweig der Landwirtschaft. Mehrfach spricht -er sich in Briefen erfreut über die Fortschritte der Imkerei in seinem -Lande aus, so unter anderem auch in einem Briefe an Voltaire vom 5. -Dezember 1775, in welchem er die bis dahin erfolgte Vermehrung der -Bienenvölker um ein Drittel hervorhebt. Um die Bienenzucht möglichst -zu schützen, verlieh er den Bienenzüchtern manche Erleichterungen und -legte einen hohen Einfuhrzoll auf den fremdländischen Rohrzucker. -In Österreich war die Kaiserin Maria Theresia in hohem Maße für die -Landwirtschaft besorgt und erließ am 8. April 1775 einen Schutzbrief -für die Bienenzüchter. In Süddeutschland und der Schweiz interessierte -man sich mehr und mehr in den ökonomischen Gesellschaften und -landwirtschaftlichen Vereinen für die Bienenzucht, die man immer -rationeller durchzuführen bestrebt war. Große Fortschritte darin -wurden erst seit der Einführung des Mobilbaues möglich. Haben darin -die praktisch veranlagten Nordamerikaner zuerst Großes geleistet, -so sind ihnen heute die Deutschen vollständig ebenbürtig geworden. -In allen deutschen Landen wird die Bienenzucht durch eine reiche -Vereinstätigkeit gefördert. Von größeren Vereinen oder vom Staate -angestellte Wanderlehrer halten an vielen Orten regelmäßige Kurse für -Anfänger ab. Daneben gibt es eigentliche Imkerschulen, von denen die -von Date, Eystrup in der Provinz Hannover und Durlach im Großherzogtum -Baden hervorzuheben sind. Österreich besitzt eine solche in Wien und -Ungarn in Gödöllö. Gegenwärtig gibt es über 3 Millionen Bienenvölker -in Deutschland. Von dem jährlichen Verbrauch von über 20 Millionen -_kg_ Honig erzeugt Deutschland etwa 18 Millionen kg im Werte von 30 -Millionen Mark. - -Baron von Ehrenfels nannte die Bienenzucht mit vollem Recht die Poesie -der Landwirtschaft. Sie ist aber nicht nur das, sondern eine eminente -Förderin des Nationalwohlstandes und ihre Zucht ein wesentlicher Hebel -zur Veredlung und Bildung des Volkes. Neben dem großen materiellen -Nutzen gewährt sie Belehrung, Unterhaltung und Erholung nach des -Tages Arbeit; denn sie wird meist als Nebenbeschäftigung betrieben, -da sie nur einen geringen Aufwand an Zeit und Mühe beansprucht und -die meisten dabei erforderlichen Hantierungen in den Mußestunden -verrichtet werden können. Wer auch nur 25-50 Stöcke beweglichen Baues -hat, kann von denselben eine jährliche Einnahme von 150-300 Mark und -darüber erzielen. Dabei ist der Stock durchschnittlich zu 5 _kg_ -Honigertrag und das _kg_ zu 1.20 Mark gerechnet. Guter Schleuderhonig -wird aber gern mit 2 Mark und Wabenhonig mit 3 Mark bezahlt. Dabei -ist nicht einmal die Einnahme für Wachs und etwa verkaufte Schwärme -oder Völker in Anrechnung gebracht, ebensowenig, daß man nicht selten -einem einzigen Stock 30 _kg_ Honig und darüber entnehmen kann. Tritt -auch einmal ein Fehljahr ein, so hat das nichts zu sagen, da ein -einziges gutes Jahr nicht nur ein, sondern zwei und drei schlechte -Jahre einbringt. Dabei ist zu bedenken, daß die Gewinnung von Honig -und Wachs nicht einmal der größte Nutzen ist, den wir von den Bienen -haben, daß eigentlich der Vorteil, den wir daraus ziehen, daß sie die -Befruchtung sämtlicher Obstbaumblüten besorgen, noch viel wichtiger -ist. Wenn sie nicht im April und Mai von Baum zu Baum und von Blüte zu -Blüte flögen, um die Befruchtung zu vollziehen, sollten wir sehen, wo -unsere Obsternte bliebe. Überall, wo ein Natur- und Tierfreund einen -Bienenstand errichtet, um sich eine angenehme und zugleich nützliche, -jedermann zu empfehlende Nebenbeschäftigung zu verschaffen, sollten -ihn die Nachbarn nicht scheel ansehen, sondern als großen Wohltäter -der ganzen Gegend und Beförderer des Obstbaues mit Freuden begrüßen -und ihm in seinem Unternehmen alle nur denkbaren Erleichterungen -verschaffen. Es gibt ja nicht nur im deutschen Sprachgebiet, sondern -in allen Kulturländern eine vortreffliche Literatur über Bienenzucht -und deren rationelle Handhabung, so daß sich jedermann daraus Rat holen -kann. Dann schließe er sich älteren Imkern an, die ihm gern mit Rat und -Tat an die Hand gehen werden, trete einem Bienenzüchtervereine bei, -aus dessen Zusammenkünften er reichen Gewinn für die beste Art der -Behandlung seiner Schützlinge empfangen wird. - -Es kann nicht unsere Aufgabe sein, hier die Grundzüge der rationellen -Bienenzucht an Hand der Lebensweise der Bienen und der Einrichtung -ihres Staatshaushaltes, die als jedem Gebildeten geläufig vorausgesetzt -werden darf, zu geben. Wir möchten nur alle Interessenten auf das -von Ulrich Kramer, dem Präsidenten des Vereins schweizerischer -Bienenfreunde in Zürich, in dritter vermehrter Auflage herausgegebene, -reichillustrierte Buch: Die Rassenzucht der Schweizer Imker und die -amerikanischen Zuchtmethoden (für Deutschland und Österreich zu -beziehen durch die Buchhandlung Paul Watzel in Freiburg i. Breisgau). -Darin wird in allgemeinverständlicher Weise gezeigt, wie die -Weiselzucht der Zukunft sich gestalten soll. Jedenfalls hat sie schon -mit eintägigen Larven zu beginnen, die man nach amerikanischer Methode -in künstliche Weiselzellen bringt, oder noch besser durch Ausstechen -einzelner Brutzellen und Anfügen an die Wabenkanten der zu veredelnden -Stöcke; denn begreiflicherweise kommt es für die Erlangung guter -Bienenvölker vor allem auf die Gewinnung guter Königinnen an. Und diese -zu erlangen, hat man so völlig in der Hand. Wir haben nämlich außer den -Naturrassen auch verschiedene Kulturrassen der Honigbiene, auf die wir -noch kurz einzutreten haben. Sie werden durch Kreuzung verschiedener -Naturrassen gewonnen. Von letzteren haben wir anzuführen: - -Die ~nordische~ oder ~deutsche Biene~ (_Apis mellifica_ im eigentlichen -Sinne des Wortes). Sie ist dunkelbraun mit gelblichbraunen Säumen -an den Leibesringen und erscheint an älteren haarlos gewordenen -Exemplaren schwarz. Sie ist über ganz Mitteleuropa verbreitet und -geht nordwärts bis zum 60. Grad nördlicher Breite (Helsingfors in -Finnland). Sie findet sich aber auch in Nordspanien, Dalmatien, -Griechenland, Kleinasien und Nordafrika, gelangte nach dem Kap der -Guten Hoffnung und Nordamerika, wo sie heute sehr verbreitet ist. Sie -ist fleißig und ausdauernd und liefert bei guter Frühlingstracht 2-3 -Schwärme. Eine Abart von ihr ist die ~Heidebiene~, die sich durch ihre -große Schwarmlust auszeichnet, aber geringeren Honigertrag liefert. -Zur Beförderung des Brütens und Schwärmens wird sie gern mit der -vorigen gekreuzt. Eine andere Abart, die in der Behaarung weißlicher -als die nordische Biene ist und mehr graue Hinterleibsringe hat, ist -die ~Krainer Biene~. Sie ist auch sehr fruchtbar und schwarmlustig, -bestiftet mehr Drohnenzellen als die nordische und die italienische -Biene, ist eine gute Honigsammlerin und viel gutmütiger als die -nordische und italienische Biene, so daß man gewöhnlich ohne Rauch -und Schleier mit ihr umgehen kann. Wegen ihrer sanften Gemütsart ist -sie besonders Anfängern zu empfehlen. Sie eignet sich besonders zur -Kreuzung, da, wo man den Bruttrieb zu steigern begehrt. - -Die ~italienische Biene~ (_Apis ligustica_). Sie ist so groß wie die -vorigen, aber heller gefärbt, und die beiden ersten Hinterleibsringe -sind bei ihr rotgelb. Ihr Verbreitungsgebiet ist Italien von den Alpen -bis Sizilien. Sie ist fruchtbarer als die nordische Biene, beginnt -im Frühjahr früher mit dem Eierlegen und Schwärmen, stellt dafür die -Vermehrung im Nachsommer auch eher ein. Bei der Rückkehr von der Tracht -verfliegt und verirrt sie sich öfter als die schwarze Biene und ihre -Völker sind um so schwächer, je heller sie gefärbt sind. Im Auffinden -neuer Honigquellen sind sie besser als die nordischen Völker, auch sind -sie sanfter und weniger stechlustig; doch verteidigen sie ihren eigenen -Stock mit viel Mut und Geschick. Im Bruttrieb sind sie den schwarzen -nordischen Bienen überlegen, im Sammeltrieb mindestens ebenbürtig. -Die durch Kreuzung von ihnen mit den schwarzen nordischen Bienen -entstandenen Bastardvölker übertreffen in bezug auf Geruchsinn und -Sammeltrieb, aber auch in Stechlust ihre beiden Eltern. Die Einführung -der italienischen Biene in Mitteleuropa hat viel dazu beigetragen, -die einheimische Bienenrasse durch Blutauffrischung zu heben und zu -verbessern. Ein Schweizer, Thomas Konrad von Baldenstein auf Schloß -Baldenstein in Graubünden, hat die deutsche Imkerwelt zuerst auf die -italienische Biene aufmerksam gemacht, worauf der verdiente Pfarrer -Dzierzon sie 1853 in Deutschland einführte. Sie wurde durch die -Europäer nach China gebracht und 1862 auch in Australien angesiedelt. - -Noch stechlustiger als sie sind die ~cyprische~ und ~syrische Biene~, -die bei uns ebenfalls eingeführt wurden, aber sich wegen dieser -großen Stechlust nicht dauernd einzubürgern vermochten. Ebenfalls -ungeeignet für unsere Gegenden ist die über Ägypten, Arabien, Syrien -bis nach China verbreitete ~ägyptische Biene~ (_Apis fasciata_), -von kleiner Gestalt, mit rotem Schildchen und weißer Behaarung. Sie -ist im Gegensatz zu den vorigen wärmebedürftig und hält bei uns den -kalten Winter nicht aus. Ihr nahestehend, aber an Brust und Hinterleib -graugelb behaart, ist die mit Ausnahme von Algerien und Ägypten über -ganz Afrika verbreitete ~afrikanische Biene~ (_Apis adansoni_). Sie -ist nach Konrad Keller in den Somaliländern, namentlich längs der -Flüsse, häufig und wird wohl am stärksten in Abessinien gezüchtet, das -eine Menge Honig produziert und Wachs nicht nur im Inland verwendet, -sondern auch in ziemlicher Menge ausführt. Ebenfalls kleiner als -unsere nordische Biene, stark behaart und einfarbig schwarz ist die -auf der großen Insel Madagaskar und den ihr vorgelagerten vulkanischen -Eilanden Bourbon und Mauritius heimische ~madagassische Biene~ -(_Apis unicolor_). Außerdem beherbergt Asien die drei vom Menschen -in Kultur genommenen Bienenarten _Apis dorsata_, _A. florea_ und _A. -indica_, die für uns nicht in Betracht kommen, aber in Südasien von -Wichtigkeit sind. In Kaschmir und im Pandschab hält fast jeder Landwirt -Bienenstöcke, welche er in seine Wohnung einbaut. - -Nordamerika entbehrte der stacheltragenden altweltlichen Honigbiene, -als die Europäer die Ostküste desselben besiedelten. Erst im Jahre 1675 -wurde sie aus Europa dort eingeführt und in Newbury, (Massachusetts) -der erste Bienengarten eingerichtet. Unsere Honigbiene fühlte sich -in der Neuen Welt recht wohl, sie flog in entronnenen Schwärmen dem -Ansiedler immer weiter nach Westen voran, und die Indianer nannten sie -die „Fliege des weißen Mannes“. Im Jahre 1779 hatte sie den Mississippi -noch nicht überschritten, aber 1811 war sie bereits 900 _km_ über -ihn hinaus in wildlebenden Völkern verbreitet. Heute gibt es in den -Vereinigten Staaten über 700000 Imker, und der Wert des jährlich von -ihnen geernteten Honigs beläuft sich auf etwa 80 Millionen Mark, der -des gesammelten Wachses dagegen beträgt 8 Millionen Mark. Kalifornien -erzeugt den besten Honig der Union, und als beste Biene wird die -Palästinabiene gerühmt, die im Jahre 1884 dort eingeführt wurde. - -In Mittel- und Südamerika war wenigstens der Honig den Eingeborenen -vor der Ankunft der Spanier sehr wohl bekannt. In Mexiko fand man -in alten Ruinen aus der Zeit der Azteken mit ihm gefüllte hermetisch -verschlossene Gefäße. Er stammte von den in Mittel- und Südamerika -einheimischen stachellosen Bienen von den Gattungen _Melipona_ und -_Frigona_. Diese Bienen, von den Einwanderern „_angelicos_“, d. h. die -engelgleichen, weil nicht stechend, genannt, liefern auch heute noch -einen großen Teil des in Mexiko gewonnenen Honigs. In wirtschaftlicher -Bedeutung werden sie aber mehr und mehr von der europäischen Honigbiene -verdrängt, die im letzten Jahrhundert überall, auch in den Republiken -Südamerikas, eingeführt wurde. Sie kam 1764 von dem damals noch -spanischen Florida zuerst nach der Insel Kuba, warf sich dort aber mit -solcher Intensität als Zuckerräuber auf die Siedereien von Rohrzucker, -daß die Zuckerpflanzer sie alsbald in ihrem Lande ausrotteten. Von Kuba -aus kam sie durch die Spanier nach Haiti, wo sie bald verwilderte. Erst -1839 kam sie nach Brasilien, 1848 nach Chile und 1857 nach Argentinien. -Während die Bienenzucht neuerdings in Brasilien so gewachsen ist, -daß das Land Honig und Wachs exportieren kann, wovon ein Teil auch -nach Deutschland geht, liefert seit einigen Jahrzehnten besonders -Chile sehr viel davon. Das milde Klima und der Reichtum des Landes -an Honigpflanzen förderten die Bienenzucht ungemein. Ein Bienenstock -ergibt hier durchschnittlich 25 _kg_ Honig jährlich; doch sind Fälle, -in denen gegen 40 _kg_ gewonnen wurden, nicht selten. Von den 2½ -Millionen _kg_ Honig, die aus Chile exportiert werden, geht etwa die -Hälfte nach Deutschland. Die Insel Kuba, auf der erst neuerdings die -Bienenzucht wieder eingeführt wurde und mit größtem Erfolge betrieben -wird, führt gegen 1½ Millionen _kg_ Honig aus, von denen wiederum die -Hälfte nach Deutschland geht. So verzehren wir nicht so selten in -unseren Lebkuchen Honig, den die Bienen in fernen Ländern jenseits des -Atlantischen Ozeans eingetragen haben. Es ist dies kein Wunder; denn -von den 300 Millionen _kg_ Honig, die jährlich auf der ganzen Welt -gewonnen werden, erzeugt Amerika mehr als die Hälfte. Im Jahre 1840 -kam die Honigbiene nach Neuseeland. Schon vorher war sie in Australien -eingeführt worden, wo ihre Zucht von 1865 an einen besondern Aufschwung -nahm. - - - - -XXIII. Der Seidenspinner. - - -Außer der Honigbiene kommt unter allen Insekten wirtschaftlich nur noch -der ~Maulbeer-Seidenspinner~ (_Bombyx mori_) als wichtiges Nutztier -des Menschen in Betracht. Und zwar steht er in Ostasien schon so lange -unter der Fürsorge des Menschen, daß er im Gegensatz zur Biene sich -im Laufe der Zeit zu einem echten Haustier umbildete und deutliche -Einwirkungen der Domestikation erkennen läßt. Ja, er ist unter der -Pflege des Menschen so unselbständig geworden, daß seine Raupe nicht -mehr ihr Futter selbst findet, wenn sie nicht von jenem daraufgesetzt -würde. Raupen, die im Freien aufgezogen werden und vom weißfrüchtigen -Maulbeerbaum (_Morus alba_), ihrer ausschließlichen Futterpflanze, -herunterfallen, finden den Weg zu den beblätterten Zweigen nicht -mehr. Sie klettern nicht wie andere Raupen den Stamm hinauf, um zu -ihrem Futter zu gelangen, sondern irren planlos umher und verhungern -schließlich. So sehr sind sie durch ungezählte Generationen hindurch -gewöhnt worden, von ihrem Pfleger auf die beblätterten Zweige gesetzt -zu werden, daß sie den angeborenen Instinkt der wildlebenden Vorfahren -verloren haben. Die lange Dauer der Domestikation und namentlich -die Aufzucht in geschlossenem Raume ist auch anderweitig nicht ohne -Einfluß auf den Seidenspinner gewesen. Das Geschlechtsstadium, der -Schmetterling, hat viel von seinem Flugvermögen eingebüßt; er schwirrt -mehr statt zu fliegen, während die meisten Verwandten sehr fluggewandt -sind. Neben größeren Formen sind auch Zwergformen gezüchtet worden -und solche mit einer doppelten Generation im Jahr, während das Tier -ursprünglich nur eine Generation jährlich aufwies. Auch zeigen die -Kokons sowohl in der Größe wie in der Färbung erhebliche Unterschiede; -es gibt unter ihnen weiße, goldgelbe und grüne Farbennuancen. - -Der unscheinbare Falter von 4-5 _cm_ Spannweite ist an Körper und -Flügeln schmutzigweiß mit drei gelbbraunen Wellenlinien über -letzteren und gekämmten schwarzen Fühlern in beiden Geschlechtern. -Die Vorderflügel erscheinen am Außenrand wie ausgeschnitten und haben -gegen die Spitze zu sichelartige Fortsätze. Die Neigung der Falter, -sich bald nach dem Ausschlüpfen aus der Puppe zu paaren, deutet -darauf hin, daß der kurzlebige Imagozustand lediglich die Aufgabe -hat, für die Erhaltung der Art zu sorgen. Nahrung wird in demselben -nicht aufgenommen, womit die geringe Entwicklung der Mundwerkzeuge im -engsten Zusammenhange steht. Das dickleibige, größere Weibchen läßt -sich unschwer vom schmächtigen Männchen unterscheiden. In ihm sind -die Eier in den paarigen, jederseits aus vier langen Eischläuchen -bestehenden Eierstöcken perlschnurartig aufgereiht. Im Herbst legt -das Weibchen durchschnittlich 500 mohnkorngroße Eier, von denen 1450 -auf 1 _g_ gehen. Sie sind erst strohgelb, verfärben sich später und -werden schiefergrau. In der Regel kommt jährlich nur eine Generation -zur Entwicklung. Aus den überwinterten Eiern schlüpfen im Frühjahr, -sobald der weißfrüchtige Maulbeerbaum junge Blätter treibt, die -kleinen nackten, anfangs dunkelbraunen, später weißlichgrauen Raupen -aus, welche am zweiten und dritten Ringe merklich aufgetrieben sind -und namentlich wegen ihres Hornes am Leibesende, am elften Ringe, -große Ähnlichkeit mit einer Schwärmerraupe haben. Sie verfügen wie -alle Raupen über einen sehr guten Appetit und fressen, wie die -Chinesen behaupten, an einem Tage das zwanzigfache ihres Gewichtes -an Maulbeerblättern. Man rechnet, daß 10000 Raupen während der 32 -Tage ihres Raupenlebens etwa 200 _kg_ Maulbeerblätter verzehren. Die -Nahrung wird rasch umgesetzt und außer zum Wachstum zur Aufspeicherung -von Reservestoffen für die Verwandlung in den Falter verwendet. Die -rasch wachsende Raupe wechselt ihr Chitinkleid wiederholt, und bis zur -Verpuppung erfolgen fünf Häutungen. Die erste Häutung erfolgt nach -fünf, die zweite nach weiteren vier, die dritte nach weiteren sechs -und die vierte nach weiteren sieben Tagen. Die letzte Hülle wird erst -innerhalb des Gespinstes vor der Verpuppung abgestreift. Jedesmal vor -der Häutung setzt sie mit dem Fressen aus und gibt sich der Ruhe hin; -nach absolvierter Häutung beginnt sie wieder zu fressen und setzt diese -Arbeit so lange fort, bis ihr das Kleid zu eng geworden ist und sie -eines weiteren bedarf, was durch erneute Häutung bewerkstelligt wird. - -Die Raupe des Seidenspinners ist wohl die vollendetste aller Spinner. -Die außerordentlich entwickelten Spinnschläuche liegen neben dem -Darm und bilden das Hauptorgan in der Leibeshöhle. Im spinnreifen -Zustande schimmern sie durch die dünne Chitindecke des Leibes hindurch -und erreichen im ausgestreckten Zustand eine Länge von ¾ _m_. -Die fein ausgezogenen Spinnschläuche münden auf der Unterlippe und -ermöglichen es der Raupe aus ihrem zähflüssigen, gelblichen Inhalt -einen feinen Seidenfaden von etwa 3000 _m_ Länge zu spinnen. Derselbe -ist völlig strukturlos und besteht aus 66 Prozent stickstoffhaltiger -Seidensubstanz, Fibroin genannt, und 33 Prozent Bast, einer Sericin -genannten leimartigen Substanz, die die Farbe enthält und die Seide -rauh, hart und steif macht. Beginnt die Raupe das Gespinst anzulegen, -so drückt sie die Unterlippe gegen eine Unterlage, etwa einen -dargereichten Zweig, und zieht mit eigentümlichen Kopfbewegungen -den zähen, an der Luft sofort erhärtenden Spinnstoff aus den Röhren -heraus, wobei der Faden natürlich doppelt wird. Erst wird ein lockeres -Gespinst von sogenannter Flockseide angelegt, später der feste Kokon -in regelmäßigen Achtertouren gesponnen. Die braune Puppe ruht in der -seidenen Hülle, die sie zum Schutze gegen Feinde und schädigende äußere -Einflüsse in etwa 3½ Tagen um sich herum gesponnen hat, 14-18 Tage -lang, um sich während dieser Zeit zum geflügelten Geschlechtstier, -der Imago, zu entwickeln. Sobald der Schmetterling fertig ausgebildet -ist, reißt er an einem Pol die vorher durch ein verdauendes Ferment -aufgeweichte Puppenhülle durch, schlüpft aus und läßt die Flügel -erstarren, ohne aber Flugversuche zu unternehmen. Doch so weit -läßt es der Mensch in der Regel gar nicht kommen, außer wenn er -die Gewinnung von Eiern, sogenannten Grains, zur Fortpflanzung des -Seidenspinners beabsichtigt. Da die Kokons abgehaspelt werden müssen, -um die Seidenfäden, auf die es der Mensch abgesehen hat und deretwegen -er das Tier überhaupt in Pflege genommen hat, zu gewinnen, so wird -das Ausschlüpfen des Falters verhindert, indem man die Puppe durch -Anwendung von Hitze oder dem giftigen Schwefelwasserstoff tötet. - -Bevor der Mensch die Seidenspinnerraupe zur Gewinnung von Seide -selbst züchtete, sammelte er deren Kokons auf den Bäumen, von deren -Blättern sie sich ernährte. Später trieb er eine wilde Zucht, indem -er die Raupen auf bestimmten, in der Nähe seiner Wohnung zu diesem -Zwecke gepflanzten Bäumen ansiedelte und hegte, um dann nach deren -Einpuppung Ernte zu halten. Diese wilde Zucht wird noch im Norden -Chinas, besonders aber in Indien betrieben, in welch letzterem Lande -sie noch wichtiger als die häusliche Zucht ist, bei welcher die -Raupen in geschlossenen Räumen gehalten und mit vom Maulbeerbaume -gepflückten Blättern gefüttert werden. Diese engere Zucht ist in China -zuerst eingeführt worden und hat sich von da über zahlreiche Länder -der Erde verbreitet. Sie ist jedenfalls in jenem Lande eine uralte, -da dort schon im hohen Altertum vom Kaiser und seinem Hofe wie auch -von den Vornehmen seidene Gewänder neben den älteren wollenen und -leinenen getragen wurden. Nach der Sage soll die Gattin des Kaisers -Huang-li im 26. Jahrhundert v. Chr. als erste die Seidenraupe genährt -und nach deren Einpuppung mit ihren Fingern, d. h. ohne Zuhilfenahme -einer Maschine, die Seidenfäden von den Kokons abgehaspelt haben. In -Peking ist ihr ein innerhalb des verbotenen, vom Kaiser und seinem -Hofe bewohnten Stadtteils gelegener Tempel geweiht und dort werden -ihr alljährlich einmal von der Kaiserin und ihrem ganzen Hofstaat -Opfergaben dargebracht. In feierlichem Aufzuge begiebt sie sich -dahin. Im Tempelgarten schneidet sie eigenhändig mit einer goldenen -Schere Blätter des weißfrüchtigen Maulbeerbaums ab, während die sie -begleitenden Hofdamen dies mit silbernen Scheren besorgen. Damit werden -dann die Seidenraupen im Innern des Tempels gefüttert. Dann werden der -Kaiserin und deren Hofdamen von den Priestern Kokons dargereicht, von -denen sie mit den Fingern die Seide abzuwickeln versuchen. Und wie in -der Hauptstadt durch die Kaiserin, so wird in den Provinzialstädten -durch die Frauen der betreffenden Mandarine, die der Stadt vorstehen, -ein solches Fest zu Ehren der vergöttlichten Gattin des Kaisers -Huang-li, der Schutzgöttin der Seidenraupenzucht, gefeiert. Bis -vor kurzem zog auch die Kaiserin mit ihren Hofdamen, wie auch die -Prinzessinen, Seidenraupen. Heute geschieht dies allerdings nicht mehr. -Gleichwohl ist bis auf den heutigen Tag die Aufzucht der Seidenraupe -überall in China eine Beschäftigung der Frauen, während der Ackerbau -Sache der Männer ist. - -Die beste chinesische Seide wird in der Provinz Tsche-kiang -hergestellt. Die Hauptstadt derselben, Hang-tschou, ist gleichzeitig -das Handelszentrum für Seidenbau und Fabrikation von Seidenstoffen, wie -heute Lyon für Europa. Die Seidenraupenzucht wird dort von den Bauern -im kleinen betrieben. Wie unsere Bauern ihre eigenen Kartoffeln und -Rüben auf ihren Äckern pflanzen, so pflanzt auch jeder Bauer in der -Provinz Tsche-kiang seinen Reis und Tee und zieht seine Seidenraupen, -die ihm nicht nur zur Lieferung von Seide, sondern auch zur Nahrung -dienen. Sind nämlich die Kokons abgebrüht und die Seidenfäden -abgewickelt, so werden die durch das Brühen getöteten Puppen als -leckere Speise verzehrt. Für die Zucht der Seidenraupe werden natürlich -immer nur die größten und vollkommensten Kokons verwendet. Schon am -ersten Tage, nachdem sich der Falter durch die seidene Hülle des Kokons -gebohrt hat und ans Tageslicht getreten ist, legt er nach erfolgter -Paarung -- oft aber auch ohne diese -- auf einen großen Bogen groben -Papiers, auf den man ihn gesetzt hat, seine gegen 500 winzige Eier ab. -Diese Papierbogen werden nun sorgfältig in reines Wasser getaucht und -auf horizontalen Bambusstangen zum Trocknen aufgehängt. Dort bleiben -sie den Sommer und Herbst über bis zum Dezember und werden dann in -einem reinen, staubfreien, sonnigen Zimmer auf den Boden gelegt. Im -Februar werden die Eierbogen nochmals dadurch gewaschen, daß man sie -eine Zeitlang mit warmem Wasser übergießt. Dies geschieht wohl auch -deshalb, um ein möglichst gleichzeitiges Auskriechen der Raupen zu -erzielen. Sobald die jungen Räupchen ausgekrochen sind, bekommen sie -Maulbeerblätter, die alle 2-3 Stunden neu gestreut werden. Sie dürfen -aber weder vom Regen noch vom Tau naß sein. In den Raupenzimmern legt -man die Blätter auf Papierbogen oder Matten auf Hürden, wobei man nach -der ersten Häutung das Lager mit den Exkrementen und unverbrauchten -Blattresten täglich entfernt. Zu dem Zwecke legt man Netze oder -durchlöchertes Papier auf die Raupen. Sehr bald kriechen sie hervor und -können auf neue, saubere Hürden übertragen werden. Das alte Lager wird -aufgerollt und hinausgeschafft. Mit dem Größerwerden der Raupen müssen -ihnen natürlich immer größere Räume zur Verfügung gestellt werden. Am -32. Tage nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei, wenn die Raupen aufhören zu -fressen und man sieht, daß sie sich zum Verpuppen vorbereiten, hängt -man in den Raupenhäusern lose Strohbündel auf und setzt auf jedes -derselben 70-80 Raupen. Die Strohhalme geben ihnen den nötigen Halt, -um sich einzuspinnen. Nach spätestens fünf Tagen haben sie sich aus -den zarten Seidenfäden ihre Kokons gesponnen. Alsbald werden diese von -den Strohhalmen abgelöst, auf Bambusmatten gelegt und der Hitze von -Kohlenfeuern ausgesetzt, welche die Puppen tötet. In großen Betrieben -benutzt man dazu backofenartige Kammern, in denen die erhitzte Luft das -Töten der Puppen besorgt. Nun werden die Kokons sorgfältig sortiert und -in flachen Körben in heißes Wasser gelegt, um das Seidengespinst zu -lockern und die Fäden abhaspeln zu können. Nach dem Erweichen in Wasser -von 90-100° _C._ bringt man sie in solches von 60-70° und schlägt sie -mit einer von Hand oder in größeren Betrieben in Europa durch einen -Exzenter auf und ab bewegten Bürste, um die oberflächliche Flockseide -zu lösen und die Anfänge des Seidenfadens zu gewinnen. Hierauf gelangen -sie in einen Trog mit Wasser von 50-60° und werden nach Vereinigung -mehrerer Fäden zu einem Rohseidenfaden abgehaspelt. Während in China -die Seidenfäden mit den primitivsten Mitteln gewonnen werden, benutzt -man dazu in den Kulturländern Europas, die sich mit Seidenzucht -abgeben, großartige maschinelle Einrichtungen. Die Rohseide wird dann -auf besonderen Maschinen gezwirnt, indem man mehrere, meist 5-7 Fäden -durch Zusammendrehen vereinigt. Von den 3000 _m_ Seidenfaden, aus denen -ein ganzer Kokon besteht, gewinnt man nur etwa 300-600, ausnahmsweise -auch 900 _m_ brauchbare Seide. Dabei wiegen 500-600 Kokons 1 _kg_ -und etwa 10 _kg_ derselben liefern 1 _kg_ gesponnene Seide, die an -Haltbarkeit jede Pflanzenfaser übertrifft. Da nun aber diese Rohseide -hart, steif und ohne Glanz ist, wird sie durch Kochen mit Seifenlauge -zur Entfernung des Bastes „entschält“; dadurch wird sie nicht nur -glänzend und weiß, sondern auch leichter und besser färbbar. - -Von allen Städten Chinas ist das in einer tief sich ins Land hinein -erstreckenden Bucht an der Küste südlich von Schang-hai gelegene -Hang-tschose durch seine Seidenindustrie am berühmtesten. Ganze -Quartiere werden hier von Seidenwindern und -spinnern eingenommen, die -Tag für Tag ohne Unterbrechung ihrem Gewerbe obliegen und sich nur an -3 oder 4 Tagen im Jahr, am Neujahrsfest, Ruhe gönnen. Der größte Teil -der Erzeugnisse dieser Stadt wird im Inlande abgesetzt, da die reichen -und vornehmen Chinesen sich von jeher mit Vorliebe in Seidengewänder -kleiden, die sehr kunstvoll mit prächtigen Stickereien hergestellt -werden. Die gesamte Ausfuhr der Provinz Tsche-kiang beläuft sich nur -auf 400 Pikuls (= 25000 _kg_) jährlich im Werte von ¼ Million Taels -(= 1½ Millionen Mark). Am meisten Seide wird aus Han-kau, im Herzen -Chinas am Yang-tse-kiang oder blauen Flusse gelegen, ausgeführt. -Hier erreicht ihr Wert etwa 24 Millionen Mark im Jahr. Ebenso viel -exportiert Kau-tau, dann folgen der Reihe nach Tschi-fu und I-schang. -Der Gesamtexport Chinas beträgt im Jahre etwa für 150-160 Millionen -Mark. - -In den nördlichen Provinzen Chinas sowie in der Mandschurei werden die -Seidenraupen nicht mit Maulbeerblättern, sondern mit Eichenlaub, bei -uns in Europa auch mit den Blättern der Schwarzwurzel (_Scorzonera -hispanica_), großgezogen. Man läßt dort die Raupen auf den Bäumen, wo -sie sich selbst ernähren. Hier bleiben sie ohne Pflege und besonderen -Schutz, bis sie sich eingesponnen haben. Die Frühjahrkokons werden -nicht eingeheimst; man läßt aus ihnen die Falter auskriechen und -sich vermehren. Erst die Herbstkokons werden geerntet und auf Seide -verarbeitet. In diesen nördlichen Provinzen, wie auch im Stromgebiet -des Yang-tse-kiang, sind die Krankheiten der Seidenraupe, welche in -Frankreich und Italien so große Verheerungen anrichten, unbekannt; -dagegen sind sie in Tsche-kiang schon aufgetreten. Trotzdem liefert -China unzweifelhaft auch heute noch die meiste Rohseide; und wollten -die Chinesen endlich die bewährten europäischen Erzeugungsmethoden -annehmen, so würde es ihnen leicht werden, den sich in letzter Zeit -äußerst stark geltend machenden japanischen Wettbewerb aus dem Felde zu -schlagen und ihre schon jetzt so großen Einnahmen zu verdoppeln. Daß -dies in verhältnismäßig naher Zukunft der Fall sein wird, daran ist -nicht im geringsten zu zweifeln. - -Wie die Chinesen den Seidenspinner zum eigentlichen Haustier -erhoben, haben sie auch die Seidenraupenzucht im Altertum als ihr -ausschließliches Monopol eifersüchtig gehütet. Dieses Monopol wurde -zum erstenmal, soweit wir wissen, im Jahre 140 v. Chr., durch eine -chinesische Prinzessin durchbrochen. Solche wurden schon damals als -Opfer der Politik zur Einleitung freundschaftlicher Beziehungen oder -zur Befestigung bestehender Bündnisse gewissermaßen als Ehrengeschenke -Fürsten der angrenzenden Länder gegeben. Eine solche brachte die Zucht -der Seidenraupe aus dem Herzen Chinas nach der uralten Kulturoase -Chotan am nördlichen Abhange des Kuen-lün oder Himmelsgebirges. Von -Kind auf mit der Aufzucht dieses Tieres vertraut, wollte sie es als -teure Erinnerung an die ferne Heimat mitnehmen. Das durfte sie aber nur -ganz im Verborgenen tun, und so schmuggelte sie Eier des Seidenspinners -in ihrem Kopfputz verborgen über die Grenze. - -Schon lange vorher waren Kleidungsstücke und Stoffe von in China -bereiteter Seide als wertvolle Tauschmittel nach dem Auslande gebracht -worden, zumal nach dem reichen Indien, wo solche früher schon an den -Höfen und bei den Vornehmen einen beliebten Schmuck bildeten. Über den -Umweg Indien oder auch direkt kam solcher Seidenstoff schon im Altertum -auch in die Kulturländer am Mittelmeer, wo man sich allerdings von -dessen Gewinnung teilweise sehr abenteuerliche Vorstellungen machte. So -spricht der römische Dichter Vergil (70-19 v. Chr.) in seiner Georgica -„von den Wäldern des Negerlandes, die weißgraue Wolle tragen -- er -versteht darunter offenbar die Baumwolle -- und von der feinen Wolle, -welche die Serer von Blättern kämmen“. Unter der Bezeichnung Serer -verstand das klassische Altertum die Chinesen im fernsten Asien, und -deshalb kann unter dieser von Blättern gekämmten Wolle nur die Seide, -die bereits damals bei den Vornehmen Roms gebräuchlich war, verstanden -worden sein. Auch der ältere Plinius (23-79 n. Chr.) sagt in seiner -Naturgeschichte: „Die Serer sind berühmt durch die Wolle ihrer Wälder -(also die Seide); sie begießen die weißgrauen Haare der Blätter und -kämmen sie ab. Unsere Weiber müssen die Fäden wieder abwickeln und von -neuem weben. So mühsam ist die Arbeit, durch die unsere Damenkleider -hergestellt werden, so weit her holt man ihren Stoff“. - -[Illustration: - - Tafel 59. - -Seidenraupenzucht in Japan. 1. Die aus den Kokons ausgeschlüpften -Schmetterlinge werden auf Papierbogen ausgebreitet, auf denen sie ihre -Eier legen.] - -[Illustration: 2. Fütterung der Seidenraupen mit Blättern des -weißfrüchtigen Maulbeerbaums.] - -[Illustration: - - Tafel 60. - -3. Eingesponnene Seidenraupen (Kokons).] - -[Illustration: 4. Die Seide wird von den Kokons abgehaspelt.] - -Die Behauptung, daß die Seide in Form von Haaren auf Blättern wachse, -ist zweifellos daher entstanden, daß man eine dunkle Ahnung davon -hatte, daß gewisse Blätter zu deren Gewinnung nötig seien. Daß aber -eine Raupe von diesen Blättern lebt und aus der Blattsubstanz Seide -erzeugt, das wußte man noch nicht allgemein. Doch hatten schon -einige besser unterrichtete Griechen Kunde davon. So spricht schon -der gelehrte Erzieher Alexanders des Großen, Aristoteles (384-322 v. -Chr.), von der Gewinnung einer Art Seide durch einen in Griechenland -einheimischen Spinner. Er schreibt nämlich in seiner Naturgeschichte: -„Aus einem großen Wurme, der eine Art Hörner hat und sich von andern -unterscheidet, wird zunächst durch Verwandlung eine Raupe, dann ein -_bombylios_ (Kokon) und später eine Puppe; alle diese Verwandlungen -macht er in sechs Monaten durch. Von diesem Tiere haspeln manche -Weiber das Gespinst (_ta bombýkia_) ab und weben es dann. Pamphila, -die Tochter des Plates, soll zuerst auf der Insel Kos (in der Nähe -der Karischen Küste) diese Webekunst ausgeübt haben.“ Diese Stelle -des Aristoteles bringt der ältere Plinius mit geringen Veränderungen -und sagt dann, daß aus den Kokons eines Spinners (_bombyx_) als -_bombycine_ bezeichnete Gewebe verfertigt würden, aus denen man -Kleider für prachtliebende Damen mache. Die Kunst, diese Fäden -abzuhaspeln und dann zu weben, habe eine Frau von Koos, Pamphila, -erfunden. Späterhin fährt er fort: „Auch auf der Insel Koos soll -eine Art Spinner (_bombyx_) entstehen, indem sich die vom Regen -abgeschlagenen Blüten der Cypressen, Terebinthen, Eschen und Eichen -durch den Hauch der Erde beleben. Zunächst sollen daraus kleine, -nackte Schmetterlinge (_papilio_) entstehen, welche bald gegen die -Kälte einen schützenden Haarüberzug erhalten und sich dann gegen die -Rauhigkeit des Winters eigene Kleider verfertigen, indem sie mit den -Füßen den feinen Haarüberzug (_lanugo_) der Blätter abkratzen. Diesen -krämpeln sie dann mit den Nägeln, breiten ihn zwischen den Ästen aus -und ordnen ihn wie mit einem Kamme, worauf sie sich in das Ganze wie -in ein bewegliches Nest einhüllen. Hierauf nimmt man sie ab, legt sie -in lauwarme irdene Geschirre und füttert sie mit Kleie. Daraufhin -bekommen sie Federn (_pluma_). Nun läßt man sie wieder frei, damit sie -ihre Arbeit aufs neue beginnen können. Die schon begonnenen Gewebe -werden in der Feuchtigkeit zähe und werden dann mit einer aus Binsen -gemachten Spindel in dünne Fäden gezogen. Selbst Männer tragen solche -leichte Kleider während der Sommerhitze, denn vom Panzer wollen unsere -Weichlinge, die kaum noch ein leichtes Kleid zu tragen vermögen, -nicht mehr viel wissen. Doch den assyrischen Bombyx überlassen wir -noch den Damen“. Unter letzterem scheint die echte Seide verstanden -worden zu sein, die vorzugsweise von den vornehmen Damen Roms zur -Kaiserzeit getragen wurde; denn der römische Geschichtschreiber Tacitus -(54-117 n. Chr.) schreibt in seinen Annalen, der Senat habe unter -der Regierung des Kaisers Tiberius (14-37 n. Chr.) beschloßen den -Aufwand einzuschränken und verbot Speisen in Gefäßen von massivem Gold -aufzutragen, wie auch den Männern das Tragen seidener Kleider. Unter -dem Gespinst von Kos muß aber das Erzeugnis eines anderen Spinners, -der dort vielleicht in wilder Zucht kultiviert wurde, verstanden -worden sein, wenn man nicht annehmen will, daß die aus gekrämpelten -Fäden hergestellte Floretseide irrtümlicherweise von einer auf Kos -lebend angenommenen Bombyxart abgeleitet wurde. Letzteres scheint sehr -wahrscheinlich zu sein, denn man sollte doch denken, daß, wenn auf -der Insel Kos tatsächlich eine Art Seidenspinner gezogen worden wäre, -man über diese Zucht noch weitere Angaben bei antiken Schriftstellern -finden sollte, was aber durchaus nicht der Fall ist. - -Weit besser als die bisher genannten Autoren war der griechische -Geschichtschreiber und Geograph Pausanias, der zwischen 160 und 180 n. -Chr. einen Reiseführer durch die Kulturländer am Mittelmeer schrieb, -über die Herkunft der chinesischen Seide orientiert. Allerdings war -auch sein Wissen mit zahlreichen Irrtümern gespickt. Er schreibt -nämlich in seiner Periegesis: „Im Lande der Serer lebt ein Tierchen, -welches die Griechen _sér_ nennen, während es bei den Serern selbst -anders heißt. Es ist doppelt so groß wie der größte Käfer, übrigens -den Spinnen gleich, hat auch acht Beine. Diese Tiere halten die Serer -in eigenen Gebäuden, die für den Sommer und Winter eingerichtet sind. -Das Gespinst dieser Tiere ist zart und sie wickeln es mit ihren Füßen -um sich herum. Vier Jahre lang werden sie mit Hirse gefüttert; im -fünften aber, und man weiß, daß sie nicht länger leben, bekommen -sie grünes Rohr (_kálamos_) zur Nahrung. Dieses schmeckt ihnen -unvergleichlich gut; sie fressen sich davon so dick und voll, daß sie -platzen und sterben. Man findet alsdann in ihrem Innern noch viele -Fäden.“ - -Wenn nun auch die alten Römer nicht recht wußten, was für ein Erzeugnis -die Seide sei, so wußten sie doch, daß die von ihnen Serer genannten -Chinesen im fernen Osten Asiens diesen kostbaren Stoff gewannen und -in den Handel brachten. Der römische Geschichtschreiber Ammianus -Marcellinus (geboren 330 zu Antiochia in Syrien, diente zuerst im Heer, -lebte später in Rom, wo er in lateinischer Sprache eine „Römische -Geschichte von 96-378“ in 31 Büchern schrieb und nach 390 starb) weiß -uns zu erzählen: „Die Serer sind ruhige, sich nie mit Waffen und -Krieg befassende Leute. Sie leben in einer gesunden Gegend, die reich -an ziemlich lichten Wäldern ist, holen von den Bäumen, nachdem sie -dieselben tüchtig mit Wasser bespritzt haben, eine Art Wolle, die, mit -der Flüssigkeit gemischt und dann gekämmt, einen äußerst feinen Stoff -liefert, der gesponnen die Seide gibt. Früher trugen nur vornehme -Leute solche Kleider, jetzt tragen sie selbst die gemeinsten ohne -Unterschied. -- Kommen Fremde zu den Serern, um Fäden (d. h. Seide) zu -kaufen, so legen sie ihre Ware aus und der Handel wird geschlossen, -ohne daß ein Wort dabei gewechselt wird.“ - -Wenn auch nach diesem Autor im 4. Jahrhundert n. Chr. selbst die -gemeinen Leute seidene Kleider trugen, so war dies zu Ende der Republik -und zu Anfang der Kaiserzeit durchaus noch nicht der Fall. Damals waren -Seidenstoffe etwas überaus Kostbares, deren Anschaffung sich nur sehr -Reiche leisten konnten. So schreibt der römische Geschichtschreiber Dio -Cassius: „Um einen Begriff von der verschwenderischen Pracht zu geben, -welche der Diktator Julius Cäsar (es war in den Jahren 46-44 v. Chr.) -entfaltete, so bemerke ich, daß er, wie einige Schriftsteller erzählen, -im Theater seidene Stoffe zum Schutze gegen die Sonne über den -Zuschauern ausbreiten ließ. Die Seide ist ein für Üppigkeit bestimmtes -Gewebe, das eigentlich zum Gebrauche vornehmer Damen eingeführt wird. -Die Zuschauer im Theater, welche bis dahin bei jeder neuen Szene laut -über unvernünftige Verschwendung Cäsars geschrieen hatten, ließen sich -die seidenen Tücher (Velarien) zur Abhaltung der Sonne ruhig gefallen; -die Soldaten aber, welche sich ärgerten, daß das Geld nicht lieber für -sie selbst verwendet worden war, machten einen entsetzlichen Lärm und -konnten nicht eher zur Ruhe gebracht werden, als bis Cäsar einen von -ihnen mit eigener Hand packte und hinrichten ließ.“ - -Außer zu Kleidern für vornehme Damen und Velarien für Theater und -später auch Zirkus, wurde für alle möglichen Zwecke ein ausgedehnter -Gebrauch von Seidenstoffen gemacht. So spricht Properz (45 v. bis 22 -n. Chr.) in seinen Elegien von mit Seide geschmückten Wagen, von in -arabischer Seide glänzenden Mädchen, von bunten Seidengeweben, die -gegen Kummer nicht helfen. Horaz (65-8 v. Chr.) schreibt in einer -seiner Epoden von „Büchern, die auf seidenen Kissen liegen.“ Ovid -(43 v. bis 7 n. Chr.) sagt in seinem Amores, die über den Rücken -herabwallenden Haare der Geliebten seien so zart wie Seide und so fein -wie Spinnengewebe. Quintilian berichtet von einer aus Seide gewebten -Toga, also dem Männerüberwurf. Martial spottet: „Galla ist alt und -häßlich, schmückt sich aber mit seidenen Kleidern.“ Und der ältere -Plinius schreibt in seiner Naturgeschichte: „Kränze sind schon seit -langer Zeit bei den Römern im Gebrauch; jetzt aber hat es die Üppigkeit -der Weiber so weit gebracht, daß man diejenigen Kränze für die besten -hält, die mit bunten Seidenbändern durchflochten sind und von Salben -triefen.“ - -In der späteren Kaiserzeit wurde der Luxus mit den kostbarsten Dingen, -darunter auch mit Seidengeweben, immer weiter getrieben. Stark darin -war der halbverrückte Kaiser Commodus. Nach dessen Ermordung im -Jahre 192 fand der zum Imperator ausgerufene Stadtpräfekt in Rom, -Pertinax, nach dem Berichte des Julius Capitolinus die Finanzen in -einem verzweifelten Zustande, der durch die unsinnige Verschwendung -seines Vorgängers Commodus verursacht worden war. Er sah sich daher, -um hierin Ordnung zu schaffen, genötigt, alles zu verkaufen und zu -Geld zu machen, was derselbe an verkäuflichen Dingen hinterlassen -hatte, so z. B. Hofnarren, liederliche Dirnen, zahlreiche kostbare -Kleider, deren Aufzug aus Seide, der Einschuß aber aus Goldfäden -bestand, dann Waffen und Schmuck aller Art aus Gold und Edelsteinen, -zahlreiche Gefäße, die aus Gold, Silber, Elfenbein oder kostbarem -Holz der Sandarakzypresse aus dem Atlasgebirge (_citrus_) gearbeitet -waren, Prunkkarossen usw. Bis dahin waren die Gewebe meist noch nicht -ganz aus Seide hergestellt, sondern nur der Aufzug war von Seide, -der Einschuß aber aus Wolle, Leinen, Baumwolle oder Gold, wie sie -Commodus trug. Erst nach seiner Zeit ist von ganzseidenen Gewändern -(_stola holoserica_ -- Stola war das bei den Römern über der Tunika -getragene lange Frauengewand, das unter der Brust zu einem weiten -Faltenbausch aufgegürtet wurde) die Rede, die als besonders üppig, weil -sehr teuer, galten. Und Älius Lampridius schreibt in seiner Biographie -des Kaisers Heliogabalus: „Kaiser Heliogabalus (regierte von 218-222 -n. Chr.) soll der erste Römer gewesen sein, der ein ganzseidenes Kleid -(_holoserica vestis_) trug; bis dahin hatten römische Männer nur -halbseidene (_subserica_) getragen. -- Er ließ sich Stricke aus purpur- -und scharlachroter Seide flechten, um sich damit erhängen zu können, -wenn sein letztes Stündlein geschlagen hätte. Um die Wahl zu haben, -hielt er auch in hohlgeschliffenen Edelsteinen Gifte vorrätig, baute -auch einen sehr hohen Turm und ließ an dessen Fuß den Boden mit Gold -und Edelsteinen pflastern, um sich gegebenenfalls recht großartig auf -dieses Prachtpflaster zu stürzen und so ganz glorreich den Hals brechen -zu können. Aber alle diese schönen Plänchen wurden vereitelt; denn -Hofnarren und Soldaten jagten ihn in einen Abtritt, schlugen ihn da -tot, schleiften ihn durch allen möglichen Dreck und warfen ihn zuletzt -mit einem Stein am Halse, damit er nicht begraben werden könne, in den -Tiberstrom.“ - -Im Gegensatz zu diesem an den größten orientalischen Luxus gewöhnten -Kaiser sagt der Geschichtschreiber Flavius Vopiscus von Kaiser Aurelian -(ward 270 nach Claudius II. Tod von den Truppen in Mösien zum Kaiser -ausgerufen, machte 272 der Herrschaft der Zenobia in Palmyra ein -Ende, besiegte den gallischen Gegenkaiser Tetricus, fiel aber 275 -auf dem Zuge gegen die Perser durch Meuchelmord): „Kaiser Aurelian -hatte weder selbst ein ganzseidenes Kleid, noch schenkte er jemandem -eins. Als ihn seine Gemahlin um die Erlaubnis bat, wenigstens ein -pupurfarbiges seidenes Kleid tragen zu dürfen, antwortete er: „Nein, -bewahre! Die Seide darf nicht mit Gold aufgewogen werden.“ Damals -aber stand ein Pfund Gold einem Pfund Seidenstoffes an Wert gleich.“ -Und vom Kaiser Tacitus, der 275, im Alter von 75 Jahren vom Senat zum -Imperator gewählt, treffliche Absichten hatte, aber schon 276 auf -einem Zug gegen die Goten in Kleinasien von seinen eigenen Soldaten -ermordet wurde, hebt sein Biograph Flavius Vopiscus rühmend hervor, -er habe allen Männern das Tragen ganzseidener Kleider verboten, da -er solche Sitte als allzu verweichlichend für unpassend fand. Sein -Verbot hatte aber nur vorübergehend Geltung und wurde unter seinen -Nachfolgern bald aufgehoben. Ungescheut trugen auch die Männer jene -üppigen Seidenstoffe aus dem fernen Asien. Erst später, als das Tragen -solcher Gewandung in breitere Volksschichten überging, kamen die -einsichtsvolleren Männer Roms wieder davon ab. Und der ums Jahr 400 n. -Chr. lebende Schriftsteller Claudius Claudianus berichtet, daß es zu -seiner Zeit Stutzer gab, denen selbst das seidene Kleid zu schwer war. -Derselbe Autor spricht in seiner Lobschrift über den Vandalen Stilicho, -der 395 Vormund des Kaisers Honorius und Regent des weströmischen -Reiches ward, von seidenen Zügeln. Als dieser Stilicho 408 von einem -Römer ermordet worden war, drang der Westgotenkönig Alarich mit seinem -Heere, das jener 403 bei Pollentia und Verona geschlagen hatte, -abermals plündernd in Italien ein und eroberte die Stadt Rom am 24. -August 410. Bei der Übergabe dieser Stadt stellte dieser Germanenfürst, -der bereits auf seinem Raubzuge durch Griechenland 395 die -Annehmlichkeit des Tragens seidener Kleidung kennen gelernt hatte, nach -dem Berichte des Geschichtschreibers Zosimus die Bedingung auf, daß ihm -die Römer außer andern Kostbarkeiten 4000 seidene Gewänder abliefern -sollten, was denn auch geschah. Daß dies möglich war, beweist, daß die -Seide damals in jener üppigen Hauptstadt des weströmischen Reiches -etwas ziemlich Gewöhnliches war. - -In jener Zeit hatte die Zucht der Seidenraupe vom Gebiet von Chotan aus -durch ganz Turkestan so weite Verbreitung gefunden, daß um die Mitte -des 6. Jahrhunderts n. Chr. Dizabul, ein Herrscher der Turkvölker, -mit Umgehung des dazwischenliegenden Reiches der Sassaniden mit dem -oströmischen Kaiser Justinian I., der 527 seinem Onkel Justinus I. -in der Herrschaft folgte und bis 565 regierte, Unterhandlungen über -die Einfuhr von Seidenstoffen anknüpfte. Dieses Anerbieten Dizabuls -lehnte aber Justinian ab, da inzwischen die Oströmer selbst die -Seidenraupenzucht erhalten hatten. Im Jahre 551 hatten nämlich nach dem -Geschichtschreiber Procopius zwei syrische Mönche die ersten Eier des -Seidenspinners und eine gründliche Kenntnis der ganzen Zucht desselben -von Turkestan nach Konstantinopel gebracht. Da die Todesstrafe auf -der Ausfuhr von Eiern der Seidenraupe stand, schmuggelten sie diese -in hohlen Stöcken auf oströmisches Gebiet hinüber, wo man mit diesem -kostbaren Geschenk sehr wohl zufrieden war. Dort lernte man bald die -Seide selbst gewinnen und daraus Seidengewebe herstellen. So konnte -Justinian mit Umgehung der in Syrien ansässigen Seidenhändler aus der -Seide in seinem eigenen Lande ein Monopol machen. Und dieses wurde in -der Folge bis ins 12. Jahrhundert streng aufrecht erhalten. Späterhin -wurde besonders die Insel Kos durch ihre Seidenkultur berühmt. - -Erst als man die Seidenraupenzucht im eigenen Lande hatte, korrigierte -man die falschen Anschauungen, die bis dahin über die Herkunft dieser -Art Gewebe im Abendlande geherrscht hatten. Doch gab es gleichwohl -noch genug Leute, die darin nicht recht Bescheid wußten und bei den -althergebrachten falschen Ansichten blieben. So schreibt noch der 636 -als Bischof von Hispalis (Sevilla) verstorbene Isidorus in seiner -Biographie des Origines: „Die Seide heißt _sericum_, weil sie zuerst -aus dem Lande der Serer kam. Dort sollen Würmchen (_vermiculi_) leben, -welche die Fäden auf Bäumen ziehen; solche Würmer (_vermes_) werden von -den Griechen _bómbykes_ genannt.“ - -In Persien, Syrien und Kleinasien war die Seidenzucht schon zu -Muhammeds Zeiten (571-632) stark verbreitet, und obschon dieser -einflußreiche Prophet seinen Anhängern drohend zurief: „Wer hier Seide -trägt, wird dort keine tragen,“ konnte der seit dem Altertum hier -getriebene orientalische Luxus an kostbaren Webereien und Stickereien -unmöglich auf dieses neue hervorragende Material verzichten. So -erdachten sich die schlauen Anhänger des Propheten einen Kompromiß -zwischen den allzustrengen Geboten Muhammeds und den Bedürfnissen -des täglichen Lebens, und erklärten nur reinseidene Gewänder und -Gewebe für verboten, während Seide, die in anderes Gewebe eingewebt, -eingestickt oder eingenäht wurde, erlaubt sein sollte. Jedenfalls ist -die Seidenzucht in allen muhammedanischen Ländern bald zu großer Blüte -gelangt und hat besonders auch unter den gewerbetüchtigen Mauren in -Spanien eine große Bedeutung erlangt, indem der Export von kostbaren -Seidenstoffen von dort nach Europa ein nicht unwichtiger war. Aber -nicht von Spanien, wo die Mauren nur Seidenstoffe, nicht aber die -Seidenraupe selbst außer Land gaben, sondern von Sizilien aus wurde -die Seidenzucht zunächst nach Italien und dann nach Südfrankreich -verbreitet. In Siziliens Hauptstadt Palermo hatten die Araber seit -dem 10. Jahrhundert eine auch von ihren Nachfolgern, den Normannen, -nach der Eroberung der Insel im Jahre 1072 beibehaltene staatliche -Fabrik für Seidengewebe, die unter anderm auch die normannischen -Krönungsgewänder lieferte. Diese kamen durch Konstantia, die Erbin -des sizilischen Königs Wilhelm II., mit der sich Kaiser Friedrichs -I. Barbarossas Sohn Heinrich IV. 1186 vermählte, in den Besitz der -Hohenstaufen und wurden durch sie zu den deutschen Reichskleinodien -gemacht. Daher kommt es, daß der Mantel und die Strumpfbänder, mit -denen der Kaiser des heiligen römischen Reichs deutscher Nation bei -der feierlichen Krönung bekleidet wurde, arabische Inschriften von -Goldstickerei auf purpurfarbiger Seide tragen. Ersterer, der im Jahre -1133 für Roger II. hergestellt wurde, welcher sich drei Jahre zuvor in -Palermo zum Könige von Sizilien und Apulien, das er 1127 erbte, hatte -krönen lassen, trägt außerdem das echt arabische Motiv der Darstellung -eines Löwen, der unter einer Dattelpalme ein Kamel würgt. - -In Italien breitete sich dann in begünstigten Gebieten die Seidenzucht -ziemlich rasch aus. So empfingen die Fabriken Norditaliens ein -wichtiges Produkt für ihre Weberei. Besonders zeichnete sich Lucca, -Bologna und Florenz aus; aber auch sie suchten daraus ein Monopol zu -ihren Gunsten zu machen, indem sie die Ausfuhr des Seidenspinners -und seiner Nährpflanze, des weißfrüchtigen Maulbeerbaumes, aus ihrem -Gebiete aufs strengste untersagten. Solches Verbot mußte aber nur -umsomehr die Begehrlichkeit der Nachbarn reizen. So ließ Ludwig -XI., der von 1461 an Frankreich regierte, in seinem Lieblingssitze -Plessis-les-Tours durch einen Kalabresen eine Seidenzucht einrichten, -die aber erfolglos blieb. Erst einem seiner Räte gelang diese -Einführung, indem er zuerst die Nährpflanze der Seidenraupe, den -weißfrüchtigen Maulbeerbaum, in Südfrankreich anpflanzte und dann erst -Eier des Seidenspinners zur Aufzucht der Raupe einführte. In der Folge -wurde die südfranzösische Seidenzucht von den Königen Frankreichs in -hohem Maße begünstigt, so daß schon unter Heinrich IV. der Altmeister -der französischen Landwirtschaft, Olivier de Serres, sie als blühend -hervorhob. Seit der Zeit des prachtliebenden Ludwigs XIV. nahm dann -Lyon in der Fabrikation aller Seidenstoffe eine führende Stellung ein, -gegen die die oberitalienischen Städte, selbst Mailand, wohin sie 1550 -eingeführt wurde, zurücktreten mußten. - -Während in Süditalien und Sizilien die vormals blühende Seidenweberei -im 14. Jahrhundert verschwand, behielten diese Länder in der Folge nur -die Erzeugung des Rohmaterials, während sich die dem damals überaus -mächtigen und reichen Herzogtum Burgund angegliederten Niederlande -einen großen Teil der Herstellung der allerkostbarsten Seidenzeuge, -speziell Brokate, aneigneten. In Deutschland bildete sich im Jahre -1670, und zwar in Bayern, die erste Seidenbaugesellschaft. Von 1764 -an bis zu seinem 1786 erfolgten Tode führte König Friedrich II., der -Große, den Seidenbau in Preußen ein und begünstigte ihn in so hohem -Maße, daß Krefeld versuchen konnte, es mit Lyon aufzunehmen. Doch -verfiel in der Folge die ganze Unternehmung, weil es der Seidenraupe -hier zu kalt war, so daß Krefeld, um weiter bestehen zu können, das -Rohmaterial aus überseeischen Ländern, wie auch später Lyon infolge der -Muscardine, beziehen mußte. Dadurch erhielt die Zucht der Seidenraupe -im subtropischen Gebiet einen neuen Anstoß, zugleich aber wurde -die Seidenindustrie des Orients, die sich bis dahin, wenn auch in -geringerem Maße, in alter Weise erhalten hatte, durch die Entziehung -des Rohmaterials aufs empfindlichste betroffen. Jetzt ziehen Persien, -Kleinasien und Mazedonien die Seide für die französischen Fabriken, und -China und Japan exportieren zunehmend rohe Seide. Auch die indische -Seide geht jetzt fast ganz in die europäische Fabrikation über. -Rußland hat die alte Seidenkultur Zentralasiens an sich gerissen, wie -Frankreich diejenige Algeriens. - -Am Kap der Guten Hoffnung wurden im Jahre 1730 ohne Erfolg Seidenraupen -gezogen; auch in Mexiko, Argentinien und Chile blieben die -diesbezüglichen Versuche bedeutungslos. Asien dagegen ist heute noch -die Hochburg der Seidenzucht. Während in Indien bis nach Indo-china -hinein die wilde Zucht die zahme weit überwiegt, wurde letztere von -China aus schon frühe weiter ostwärts verbreitet. So kam sie zu Beginn -des 2. Jahrhunderts in Korea auf und im Jahre 195 wurde sie durch -den Prinzen Koman, einen Sproß des chinesischen Kaiserhauses, nach -Japan, wo er sich niederließ, eingeführt. Sein Sohn ließ dann eine -große Schar aus China herübergebrachter Seidenweber über das ganze -Land verteilen, um das japanische Volk in dieser Kunst zu unterweisen. -Man erzählt sich, das 50 Jahre später der damalige japanische Kaiser -seine Gemahlin veranlaßt habe, die Häuser der Seidenraupenzüchter und -Seidenweber zu besuchen, um sie in ihrer Tätigkeit zu ermutigen. Ja, im -Jahre 462 ließ Kaiser Yurgake als ermunterndes Beispiel für das ganze -Volk seine Gemahlin höchst eigenhändig Seidenraupen züchten und sie -mit den Blättern des Maulbeerbaums füttern. Von dieser Zeit an wurde -die Seidenkultur nach dem Berichte der japanischen Annalen, wie in -China, ein Gegenstand von größter nationaler Bedeutung, so daß wie dort -Seidenstoffe von allen besser Situierten getragen und an Stelle anderer -Bezahlung als Steuer auch von den Staatsbeamten angenommen werden. - -Heute werden alljährlich 24 Milliarden Kokons des Seidenspinners zur -Gewinnung von Seide verbraucht, obschon neuerdings auch Kunstseide -aus nitrierter Cellulose oder Schießbaumwolle hergestellt wird. -Durch die vielhundertjährige Zucht in geschlossenen Räumen zeigen -die Seidenraupen eine verminderte Widerstandsfähigkeit gegen -Infektionen und sind den verschiedensten Krankheiten ausgesetzt, die -große Verheerungen unter ihnen anrichten. Von den durch Spaltpilze -angerichteten Krankheiten, den sogenannten Mykosen, ist zunächst die -Schlaffsucht hervorzuheben, von den Franzosen _flacherie_ und den -Italienern _flaccidezza_ genannt. Sie trat in der zweiten Hälfte -des vorigen Jahrhunderts mit ungewöhnlicher Heftigkeit auf und -vernichtete einen starken Prozentsatz der Zuchten. Die Krankheit -macht sich meist kurz vor der Verpuppung bemerkbar und nimmt einen -sehr raschen Verlauf. Die Raupen zeigen dann verminderte Freßlust, -werden schlaff und verenden schließlich. Das Innere derselben -verfließt schon nach 1-2 Tagen zu einer schwarzbraunen Jauche, in -welcher sich viele Spaltpilze befinden. Eine andere Mykose verursacht -die Kalksucht, von den Franzosen _muscardine_, von den Italienern -dagegen _calcino_ genannt. Sie wird durch den Pilz _Botrytis bassiana_ -hervorgerufen, dessen Mycel das Innere des Raupenkörpers durchsetzt, -wobei die absterbende Raupe zuerst wachsartig, später aber wie -mit Kalk begossen erscheint, indem sie sich über und über mit den -Sporenträgern bedeckt, die durch Verstreuen der rasch in die gesunden -Raupen eindringenden Sporen andere Individuen anstecken. Die Seuche -ist seit 1763 bekannt und gewann zu Beginn des vorigen Jahrhunderts -besonders in Frankreich eine große Ausdehnung, ist aber seit 50 Jahren -fast ganz verschwunden. Die Fleckenkrankheit oder Pebrine zeigt sich -zuerst in verminderter Freßlust, dann erscheinen auf der Haut dunkle -Flecken und das Schwanzhorn der Raupe verschrumpft meist. Doch können -schwach infizierte Raupen noch einen Kokon spinnen und sich zu einem -Schmetterling entwickeln. Der Erreger dieser Fleckenkrankheit ist ein -_Nosema bombycis_ genannter Spaltpilz, der ebenfalls leicht übertragen -wird und großen Schaden anrichtet. Ebenfalls verderblich sind die Fett- -oder Gelbsucht und die Schwind- und Schlafsucht. - -Wie der Mensch Schläge der Seidenraupe mit strohgelbem, goldgelbem, -grünlichem oder weißem Kokon gezüchtet hat, hat er auch größere und -kleinere Rassen, wie auch solche mit ein und zwei Generationen im Jahr -gezogen. Ganz verwildert ist dieses Haustier nirgends, immerhin gab es -nach Aldrovandi im Jahre 1623 eine halbverwilderte Zucht in Kalabrien, -indem man dort die Raupe auf dem Maulbeerbaume selbst ansiedelte und -von diesen die Kokons sammelte. Der Haupthinderungsgrund des Gedeihens -einer solchen Zucht im Freien sind vor allem die insektenfressenden -Vögel, gegen die auch die Südasiaten ihre halbwilde Zucht durch Netze -schützen müssen. Wahrscheinlich sind auch diese Feinde der wehrlosen -Raupe die Ursache gewesen, daß man die Zucht dieses Tieres mehr und -mehr ins Haus zog. Da in allen zur Seidengewinnung verwendeten Kokons -die Tiere getötet werden müssen, wird die Seidenzucht nur durch die -große Fruchtbarkeit des Schmetterlings ermöglicht. Durch Ausziehen des -klebrigen, dickflüssigen Inhalts der Spinndrüsen kurz vor dem Verpuppen -erzielt man in China und Japan ein sehr festes Material zum Anbringen -der Angel an der seidenen Schnur. - -Als wilde Stammform des Seidenspinners hat man den in dem östlichen -Himalajagebiet vorkommenden _Bombyx huttoni_ ansehen wollen, den der -Engländer Hutton wildlebend auf dem wilden weißfrüchtigen Maulbeerbaum -antraf. Jedenfalls muß er dem echten Seidenspinner sehr nahe verwandt -sein, da er sich mit ihm kreuzen läßt, wobei die Nachkommen einer -solchen Kreuzung fruchtbar sind. Ist dieser wilde Seidenspinner -tatsächlich die Stammform des zahmen, so muß früher sein Vorkommen, das -jetzt auf das östliche Himalajagebiet beschränkt ist, weiter östlich -über Yünnan nach Südchina gereicht haben, wo eben der Wildling durch -Zähmung zum Verschwinden gebracht wurde. - -Doch ist dieser Spinner durchaus nicht der einzige, der verspinnbare -Seide liefert. So beherbergt Ostasien noch einige andere Spinner, deren -Kokons ebenfalls eine für den Menschen brauchbare Seide erzeugen. -Als zu Beginn der 1850er Jahre unter den Seidenraupenzüchtern -Südfrankreichs die als Pebrine erwähnte verheerende Epidemie ausbrach, -deren parasitäre Natur Louis Pasteur feststellte, sah man sich, als -sie den Züchtern schwere Verluste beibrachte und ihre ganze Existenz -in Frage stellte, nach andern Spinnern um, die sich in Europa züchten -ließen. Schon 1740 hatte der Missionar Pater d’Incarville über einen -südasiatischen Spinner berichtet, der 20 Jahre später von Daubanton -als „Halbmond“ in seinem Atlas abgebildet wurde und 1773 von Drury -seinen wissenschaftlichen Namen erhielt. Es war der ~Ailanthusspinner~ -(_Saturnia cynthia_), in Assam Erya genannt, der als Ersatz des -Maulbeerspinners 1856 von Pater Fantoni aus China nach Frankreich -eingeführt wurde. Seine Raupe, die auf dem Götterbaum (_Ailanthus -glandulosa_) und der Rizinusstaude (_Ricinus communis_) lebt, -entwickelt sich so rasch, daß in einem Jahre bequem dreimal frische -Kokons erzielt werden können, die eine vorzügliche Seide liefern. Ja, -Sir W. Neid, der Gouverneur von Malta, züchtete in der Zeit vom 2. -Dezember bis zum folgenden November sogar viermal vollkommen gesunde -Falter. Durch die künstlichen Zuchtversuche ist der schöne gelbbraune -Schmetterling in Italien, Südfrankreich, bei Straßburg im Elsaß, wo er -1878 ausgesetzt wurde, bei Frankfurt am Main, im Tessin, bei Trient, in -Istrien, bei Laibach, bei Wien und im östlichen Nordamerika heimisch -geworden. Leider treiben die beiden genannten Futterpflanzen, die sonst -in Deutschland ganz gut gedeihen, zu spät Blätter, um eine Zucht im -großen ohne Treibhaus lohnend erscheinen zu lassen. Daher sahen die -Akklimatisationsvereine sich nach anderen Seidenspinnern um, die mit -einheimischen Pflanzen gefüttert werden können. - -Bald wurden aus China und Japan zwei große Falter eingeführt, die in -ihrer Heimat schon längst ihrer vortrefflichen Seide wegen gezüchtet -wurden und allen Wünschen zu entsprechen schienen. Beide lassen sich -bei uns leicht mit Eichenblättern ernähren. Es sind dies erstens der -~chinesische Eichenseidenspinner~ (_Saturnia pernyi_). Dieser in seiner -Grundfarbe ledergelbe Schmetterling liefert in China zweimal jährlich -Kokons, nämlich im Juni und Oktober. Drei Tage nach der Paarung, die -40-50 Stunden dauert, werden 150 bis 230 große, braune Eier gelegt, die -nach etwa acht Tagen die anfangs schwarzen, nach der ersten Häutung -aber grünen Raupen liefern. Setzt man ihnen saftiges Eichenlaub vor -und bespritzt man dieses samt den Raupen einige Male mit Wasser, so -gedeihen sie sehr gut und spinnen sich nach 50 Tagen zwischen den -Blättern ihrer Futterpflanze ein. Die im Herbst erzielten Kokons -überwintert man im Keller, damit die Raupen im April nicht früher -auskommen, als frisches Eichenlaub zu ihrer Fütterung vorhanden ist. In -China zieht man diese Raupen im Freien auf Eichengebüsch unter Aufsicht -von Wärtern, die die Vögel zu verscheuchen und die Raupen von einem -kahl gefressenen auf einen belaubten Busch zu setzen haben. Die großen, -braunen Kokons werden zuerst auf Bambushürden über dem Feuer geröstet, -um die darin befindlichen Puppen zu töten, dann zehn Minuten lang in -kochendes Wasser gelegt, dem man einige Hände voll Buchweizenasche -hinzufügt. Dadurch löst sich der das Gespinst verbindende Klebestoff -auf, so daß sich die Seide bequem abhaspeln läßt. Diese ist fester und -billiger als diejenige des Maulbeerspinners und bringt den Chinesen -reichen Ertrag. - -Zweitens der ~japanische Eichenseidenspinner~ (_Saturnia yama mayu_, -d. h. Bergkokon). Dieser ist dem chinesischen sehr ähnlich, jedoch -hat der Falter mehr goldgelbe Flügel mit rötlichen Rändern. Auch -die Raupen sind fast gleich, doch haben diejenigen dieser Art einen -grünen, die der andern dagegen einen braunen Kopf. Bis 1856 war -die Ausfuhr seiner Eier in Japan mit der Todesstrafe bedroht; doch -gelang es Duchesne de Bellecourt, dem französischen Generalkonsul -und Bevollmächtigten in Tokio, Eier desselben an die _Société -d’acclimatisation_ in Paris zu schicken. Trotz sorgfältigster Pflege -lieferten aber die mit Eichenlaub gefütterten Raupen nur einen einzigen -Kokon. Nun wurde Eugène Simon, der landwirtschaftliche Kommissar der -französischen Republik für China und Japan, beauftragt, Eier dieses -Eichenseidenspinners zu beschaffen, und mit Hilfe seines Freundes, des -holländischen Marinearztes Pompe van Meerdervoort, wurden heimlich -wieder einige Eier nach Europa gebracht. Mit diesen erzielten die -französischen Raupenzüchter guten Nachwuchs und konnten 1863 die -Fachausstellung in Paris mit Kokons und gehaspelter Seide beschicken. -Marquis de Riscal züchtete diesen Falter mit Erfolg im Freien, doch -ist er in Europa nirgends heimisch geworden. Die Aufzucht dieser -empfindlichen Raupe ist übrigens auch nicht so lohnend, da aus den -überwinternden Eiern nur eine Brut im Jahre zu erzielen ist. Sie spinnt -je einen großen, hellgrünen Kokon. - -Auch der in China und Ostindien heimische ~Atlasspinner~ (_Saturnia -atlas_), der größte Schmetterling der Erde, der 25 _cm_ breit und 18 -_cm_ hoch wird und rotbraun, mit wie Atlas glänzenden weißen, schwarz -umsäumten Flecken verziert ist, liefert einen großen Kokon reich an -Seide. Seine Raupe ähnelt derjenigen des Ailanthusspinners, häutet sich -aber einmal mehr als die meisten Spinnerraupen, nämlich fünfmal. Sie -wird bei uns am besten mit Berberitzenlaub gefüttert, doch ist ihre -Aufzucht in Europa zu schwierig, um für die Seidengewinnung irgendwie -in Betracht zu kommen. Wie der Leib dieses riesigen Falters nur etwa -4 _cm_ lang ist, sind auch Raupe, Gespinst und Puppe verhältnismäßig -klein. Die Zucht der schwerfälligen Raupe, die sich nur bewegt, wenn -sie frißt, ist sehr langweilig. Diese Trägheit hat aber das Gute -für sich, daß sie niemals, wie andere Raupen, von der Futterpflanze -herabfällt. Ihre ganze Entwicklung nimmt bei uns etwa 40 Tage in -Anspruch. - -Endlich ist in Südchina der Spinner _Saturnia pyretorum_ heimisch, -dessen Raupe sich von den Blättern des Kampfer- und Amberbaums ernährt -und dessen Gespinst zur Herstellung von Angelschnüren gebraucht wird. -Letztere kommen auch nach Japan in den Handel und werden dort unter -dem Namen tegusu seit langer Zeit von den Fischern als sehr dauerhaft -benutzt. Neuerdings ist dieser Spinner durch die Japaner auf Formosa -eingeführt worden, wo die große Häufigkeit der Kampferbäume Gelegenheit -zur Zucht ihrer Raupe gibt. Die Seide wird dadurch künstlich von ihr -gewonnen, daß sie nach der Reife in Essig getaucht wird, worauf man aus -ihrem Körper goldgelbe Fäden von 2 bis 2,5 _m_ Länge zieht. - -Auch Nordamerika hat drei Seidenspinner, die für die Seidengewinnung -benutzt werden könnten. Der wichtigste derselben ist die schön -braunrote _Saturnia polyphemus_ mit auffallendem, schwarzgelbem -Augenfleck. Deren prächtig grüne Raupen sind fleischfarbig gestreift -und nach ihrer letzten Häutung mit 48 silber- und 8 goldglänzenden -Flecken geschmückt. Von der Sonne beschienen erscheinen sie wie mit -Diamanten übersät. Ihre schöne starke Seide ist schneeweiß, so daß -sie zu der lichtgrünen von _S. yama mayu_ und der hellbraunen von -_S. pernyi_ einen prächtigen Gegensatz bildet. Etwa gleich groß ist -_Saturnia promethea_, deren beide Geschlechter auffallend verschieden -gefärbt sind. Das Männchen ist schwärzlich und das Weibchen rotbraun. -Die Raupe ist aber nicht leicht zu züchten, da sie in bezug auf -Futter sehr wählerisch ist. Sie frißt in ihrer Heimat die Blätter des -Benzoe-, Sassafras- und Tulpenbaums, also von Bäumen, die bei uns nicht -überall angepflanzt werden. Bedeutend größer und schöner ist _Saturnia -cecropia_, die an Schönheit noch den Atlasspinner übertrifft. Die -ebenfalls wunderschöne Raupe ist leicht zu ziehen, da sie fast jedes -Laub annimmt. Sie braucht 7 bis 9 Wochen zu ihrer Entwicklung und -liefert einen recht großen Kokon, dessen Seide technisch gut verwendbar -ist. Ebenfalls hervorragend schön ist die bedeutend kleinere _Saturnia -ío_ aus Nordamerika, die zwar keine Seide liefert, aber wegen ihrer -Schönheit mit Vorliebe gezüchtet wird. Die auf Eichenzweigen leicht -zu ziehenden Raupen sind dicht mit grünen Härchen überzogen, die -beim Anfassen ärger brennen als Nesseln. Sie häuten sich fünfmal und -brauchen 10-15 Wochen zu ihrer Entwicklung. - -Außer in Ostasien wird nur noch auf Madagaskar seit alter Zeit eine -Seide gewonnen und zu Geweben verarbeitet. Hier ist der Lieferant der -starken Seide der Spinner _Bombyx rhadama_, der in manchen Dörfern -in größerer Menge gezogen wird und dessen Gespinst zu den durch ihre -Schönheit ausgezeichneten und sehr dauerhaften Seidenlambas verarbeitet -wird, die nicht nur von den wohlhabenden Eingeborenen als Überwürfe -getragen werden, sondern auch einen Exportartikel von allerdings -beschränkter Bedeutung bilden. Dann stellt auch in einzelnen Teilen -von Nigeria die Bevölkerung aus den Kokons von _Anaphe infracta_ einen -_somyan_ genannten Seidenstoff her. Die davon gewonnene Rohseide -ist braun oder gelblichbraun. Daneben gibt es dort auch eine rein -weiße Seide, die aus den Distrikten Bauchi und Bornu im Innern nach -dem Handelsplatz Ibadan gebracht wird. Man nennt sie Gambari- oder -Haussaseide. Offenbar ist sie ein Fabrikat gleichen Ursprungs mit -der gelblichen Rohseide, nur daß sie von anders behandelten Kokons -hergestellt wird. Die Eingeborenen sammeln die betreffenden Raupen von -den Bäumen, wenn sie gerade im Begriffe sind, sich einzuspinnen. Ein -Londoner Züchter hat Versuche mit der Züchtung dieser Raupe gemacht -und gefunden, daß, wenn man sie im Dunkeln aufzieht, sie stets rein -weiße Kokons statt der braunen hervorbringt. Da nun die Eingeborenen -beim Einsammeln der Raupen zum Zwecke der Gewinnung von Gambariseide -die Gewohnheit haben, die Tiere in ihren dunkeln Hütten aufzubewahren, -erklärt es sich leicht, daß dieses Produkt von rein weißer Farbe ist. - - - - -XXIV. Die Geschichte der Jagd. - - -So lange es Menschen gibt, die ihren Hunger nicht völlig an den von -der Natur gebotenen Früchten und anderer Pflanzennahrung stillten, -sondern auch noch zu tierischer Beute, zunächst noch roh, wenn auch -lebendwarm, später gekocht, ihre Zuflucht nahmen, so lange schon hat -es eine Jagd gegeben. Ihre Geschichte schreiben hieße die Geschichte -der menschlichen Kulturentwicklung darstellen. So wissen wir, daß schon -der vorgeschichtliche Eiszeitjäger, dessen ganze Kultur auf die Jagd -abgestellt war, ganz raffinierte Jagdmethoden anwandte und sich nicht -nur mit Wurfspeer und Keule, sondern auch mit Fallgruben, Fallen und -Schlingen sich der tierischen Beute, auf die er zu seinem Unterhalte -angewiesen war, zu bemächtigen suchte. Zudem nahm er wie alle -Primitiven zu Zauberprozeduren der verschiedensten Art seine Zuflucht, -als deren Niederschlag wir die mancherlei Darstellungen von Jagdwild an -den einst von den Mammut- und Renntierjägern der letzten Eiszeit und -frühen Nacheiszeit bewohnten Höhlen anzusehen haben. - -In der Folge entwickelte sich die Jagd bei den verschiedenen -Volksstämmen in verschiedener Weise, je nach den vorhandenen Anlagen -und gegebenen Verhältnissen. Über die Jagd der alten Assyrer, -Babylonier und Ägypter geben uns manche bildliche Darstellungen -Kunde, doch sind wir daneben nur auf Vermutungen angewiesen, so daß -wir außerstande sind, auf so spärlichem Beweismaterial fußend, eine -Geschichte ihrer Jagd zu schreiben. Schon reichlicher fließen die -diesbezüglichen Urkunden von den alten Griechen, deren Jagdarten uns um -400 v. Chr. Xenophon, ein Schüler und Freund des Sokrates, in seinem -Buche über die Jagd und wiederum etwa im Jahre 130 v. Chr. Flavius -Arrianus aus Nikomedien in seiner Kynegetika beschrieben. Über das -römische Jagdwesen gibt es so gut wie keine Literatur. Anders verhält -es sich mit der Jagd unserer germanischen Vorfahren seit der Zeit -der Völkerwanderung. Da haben wir zunächst aus Gesetzesbestimmungen, -dann aus eigentlichen Jagdanweisungen ein so überreiches Material von -Tatsachen, daß wir uns hier mit einer kurzen Übersicht begnügen müssen. -Und zwar soll im folgenden als am nächsten liegend vorzugsweise die -Geschichte der Jagd unserer Vorfahren, so weit sie urkundlich bezeugt -ist, behandelt werden. - -[Illustration: Bild 55. Ägyptischer Jäger mit zwei zusammengekoppelten -Jagdhunden. Auf den Schultern trägt er eine erlegte Oryxantilope. (Nach -Wilkinson.)] - -[Illustration: - - Tafel 61. - -Der Assyrerkönig Assurbanipal (668-626 v. Chr.) auf reich angeschirrtem -Streitpferd auf der Löwenjagd. - -(Nach einer Photographie von Mansell & Cie. in London.)] - -[Illustration: - - Tafel 62. - -Berittene Jäger des Khans von Chiwa in Begleitung von Jagdhunden.] - -Die ältesten Bewohner Deutschlands waren Kelten, die auf Einzelhöfen -lebten, Landwirtschaft und Viehzucht trieben und sich einer -verhältnismäßig hohen Kultur erfreuten. Das Andenken an ihr einstiges -Vorhandensein ist besonders in Deutschland westlich von der Weser -und südlich vom Main in zahlreichen Ortsnamen erhalten geblieben. -Sie wurden nach und nach von den von Osten und Norden heranrückenden -Germanen zurückgedrängt und unterjocht. Diese nahmen die alten -Keltenhöfe in Besitz, machten die früheren Bewohner zu Knechten -und führten nun als Herren die Wirtschaft auf den Einzelhöfen -weiter. Dazu wurden neue gebaut, das umgebende Land aber wurde zu -gemeinschaftlichem Eigentum an die verschiedenen Sippen verteilt und -bildete die Allmende, d. h. das Gemeindeland. Die Gesamtheit der freien -Hofbesitzer eines Gaues tat sich zu einer Hundertschaft -- so genannt, -weil wenigstens hundert Familien umfassend -- zusammen und bildeten -eine Markgenossenschaft, welche die gemeinschaftlichen Angelegenheiten -beriet. An ihre Stelle stellte sich als der tüchtigste der Markgenossen -ein Graf, dessen Amt nicht erblich war, zum Unterschied vom Königtum, -das der Gesamtheit der das Volk bildenden Markgenossenschaften vorstand -und dessen Amt sich in derselben Familie forterbte. - -Da der Viehstand vorerst noch bescheiden war und nur ausnahmsweise zum -Schlachten diente, so war damals die Jagd in den wildreichen großen -Waldgebieten, wie in der Vorzeit, eine wichtige Nahrungsquelle zur -Beschaffung von Fleisch als Zukost zu der von den Frauen und Hörigen -gewonnenen Pflanzenspeise in Form von hauptsächlich Brot oder Brei. Ihr -wie dem Kriege lag der Freie ob, dem jede andere Arbeit als schimpflich -galt. Die Jagd galt als beste Vorschule für den Krieg, wurde aber -nicht weidmännisch in unserem Sinne betrieben. Man jagte ohne irgend -welche Schonzeit das ganze Jahr hindurch und berücksichtigte weder -Alter noch Geschlecht. Man folgte dem weidwund geschossenen Wild nicht -wie heute, um seine Qualen zu verkürzen, sondern weil man den Braten -nicht verlieren wollte. Zur Jagd benutzte man nach den Bestimmungen der -vom 5. bis 8. Jahrhundert n. Chr. schriftlich fixierten Volksrechte -der deutschen Stämme verschiedene ~Jagdhunde~, deren freventliche -Tötung mit 3-15 Solidi gebüßt wurde. Nun war damals ein Solidus ein -Goldschilling im Metallwert von 12 Mark, der aber tatsächlich einen -viel höheren Wert repräsentierte, da dafür eine erwachsene Kuh zu -kaufen war. Demnach waren die Bußen, die die Volksrechte verfügten, -ganz anständige Strafen. Das alamannische Recht bestrafte die Tötung -oder den Diebstahl eines Leithundes doppelt so hoch als diejenige eines -Pferdes, nämlich mit 12 Solidi, während letztere nur 6 Solidi galt. -Eine besondere Art der Strafe hatten die Burgunder, die dem Diebe -freistellten, sich mit 6 Solidi auszulösen oder dem gestohlenen Hunde -in Gegenwart des ganzen Volkes einen Kuß auf den Hintern zu geben. - -Vom Jagdhund der germanischen Stämme, dem _canis sagax_ oder _segutius_ -auch _sëusis_ oder _sëusis_, unterschieden die Gesetze der Bajuvaren -drei verschiedene Arten, nämlich außer dem freilaufenden Triebhund -die beiden an der Leine die Spur des Wildes verfolgenden Hunde, -den Spürhund und den Leithund. Letztere standen bei Totschlag oder -Diebstahl mit je 6 Solidi Buße doppelt so hoch im Wert als ersterer, -für dessen Verlust nur 3 Solidi Buße zu entrichten waren. Mit dem -Leithund, der vornehmlich als _canis segutius_ bezeichnet ist, wurde -die Beute aufgespürt und verfolgt. Worin sich der Spürhund der alten -Bayern von diesem Leithund der Alamannen, salischen Franken und -Burgunder unterschied, ist nicht klar; vielleicht war er eine als -Schweißhund dressierte Unterart des _segutius_. Wenigstens hatte man im -späteren Mittelalter eigene Hunde zur Verfolgung des mit der Armbrust -angeschossenen Wildes, die man als Bracken bezeichnete. Außerdem besaß -man einen starken Schlag von Hunden, die man auf Wildstiere, Bären und -Wildsauen hetzte, für welche in den Volksrechten weder eine lateinische -noch eine deutsche Bezeichnung vorkommt, sondern nur eine Beschreibung -ihres Gebrauches. Später nannte man sie lateinisch _molossus_, deutsch -rudo, woraus Rüde wurde. Daneben wurde eine als _canis veltris_ -oder _veltrus_ (im Deutschen später wint, d. h. Windspiel genannt) -bezeichnete leichte Hundeart gehalten, die den Hasen nicht nur -verfolgte, sondern ihn auch vermöge ihrer Schnelligkeit ergriff. Das -ganze Mittelalter hindurch spielten diese als Jagdhunde eine wichtige -Rolle und werden in vielen Weistümern erwähnt. - -Sehr interessant ist die Erwähnung eines Hapuch-, d. h. Habichtshundes -im Volksrecht der Bayern, der uns als _canis acceptoritius_ im Gesetze -der Friesen begegnet. Über dessen Gebrauch wird nichts mitgeteilt; doch -dürfen wir zweifellos annehmen, daß er zur Aufsuchung des Federwildes -diente, das damals nicht geschossen, sondern gebeizt, d. h. durch -gezähmte Falken und Habichte gefangen wurde. Noch in den Weistümern -des Mittelalters wird öfter der „Vogelhund“ genannt, und zwar stets -in Gesellschaft des „Habk“ (d. h. Habichts). Zur Verfolgung kleineren -Wildes diente bei den Burgundern der schon von den Römern gebrauchte -_petrunculus_, der „Steinbracke“, der seinen Namen von den harten -Fußsohlen ableiten soll, vermöge welcher er anhaltend auf felsigem -Terrain zu jagen imstande war. Bei den Friesen wird er _braco parvus_ -oder Barmbracke genannt. Im Volksrecht der Bajuvaren ist noch vom -„unter der Erde jagenden“ Biberhund die Rede, dessen freventliches -Töten mit 16 Solidi gebüßt wurde, während die ebendort erwähnten -Hirtenhunde, die es mit dem damals noch sehr häufigen Wolf aufnahmen -und ihm das geraubte Vieh entrissen, auch, wenn ein Geschrei wegen -eines Wolfes erhoben wurde, weithin zu Hilfe eilten, und die sehr -geschätzten Hofhunde (Hofwart der alten Bayern) nur mit 3 Solidi -bezahlt werden mußten. Diese Biberhunde dienten zur Erbeutung des -damals noch überall in Mitteldeutschland häufigen Bibers, waren größer -als unsere Dachshunde und gingen gern ins Wasser. Dachshunde, die ihren -Namen vom früher von ihnen mit Vorliebe gejagten Dachse haben, während -sie heute bei Abnahme jenes häufiger gegen den Fuchs gebraucht werden, -kamen erst im späteren Mittelalter auf. - -Diejenigen Hunde des Frankenkönigs, die nicht am Hofe verblieben, -wurden zum Unterhalt in die Provinzen verteilt, wie es schon an den -Höfen der morgenländischen Fürsten des Altertums gehalten wurde. Den -darübergesetzten Beamten befahl Karl der Große genaue Aufsicht, daß -sie von den betreffenden Untertanen richtig gehalten und das nötige -Futter erhielten. Wahrscheinlich waren die königlichen Hunde auf -der rechten Seite gezeichnet; wenigstens scheint ein Befehl Karls -des Großen vom Jahre 803, daß diejenigen Leute, die auf der rechten -Seite geschorene Hunde haben, mit denselben vor dem Könige erscheinen -sollten, nur so erklärt werden zu können, daß dies zu tun niemandem -außer dem Könige gestattet war. Die Hunde hatten schon damals eigene -Namen, mit denen man sie rief. So spricht Hrabanus Maurus von einem -Hunde Fax, und anderswo ist von einer Hündin Zoba die Rede. Übrigens -waren die Jäger und Förster der Frankenkönige Leibeigene, von denen es -außer dem obersten Falkner (_falconarius principalis_) in Neustrien, -Austrien, Burgund und Aquitanien je einen Oberjägermeister (_venator -principalis_) gab. Diese hatten die nötige Zahl von Ministerialen, -_venatores_ und _falconarios_, unter sich, welche abwechselnd, -teils bei Hofe, teils in den _villis_ beschäftigt wurden. Der in -der karolingischen Zeit lebende Bischof Hinkmar nennt in seinen -Briefen über die Ordnung des karolingischen Hofes dreierlei Arten von -Jägern: _bersarii_ (vom spätlateinischen _bersare_, d. h. mit Pfeil -und Bogen schießen = birsen der mittelalterlichen Urkunden, woraus -schließlich pürschen wurde. Erst seit etwa hundert Jahren hat sich -diese ursprüngliche Bedeutung des Wortes birschen dahin verändert, daß -man darunter ein Anschleichen an das Wild verstand), Waldjäger mit -Gebrauchshunden, _veltrarii_ Feldjäger mit Windspielen und _beverarii_, -d. h. Biberjäger mit den Biberhunden für die Wasserjagd auf Biber. - -Außer Hunden waren von alters her auch gezähmte ~Falken~, ~Habichte~ -und ~Sperber~ sehr geschätzte Jagdgenossen der Deutschen, deren Verlust -mit 1-45 Solidi gebüßt wurde. Auch hier hat das Recht der salischen -Franken, die ihren Namen vom Flusse Isala oder Yssel haben und sich -über das nördliche und mittlere Gallien ausbreiteten, das damals in -höherer Kultur stand als die deutschen Gaue, die höchsten Strafsätze. -Vielleicht hatte das Geld dort geringeren Wert. Die Burgunder leisteten -sich auch bei diesen Strafen ein besonderes Vergnügen, indem der Dieb -eines Jagdhabichts 2 Solidi Strafe und 6 Solidi Entschädigung an den -Besitzer bezahlen oder den Habicht 6 Unzen Fleisch von seinen eigenen -Hoden fressen lassen mußte. - -In den Strafbestimmungen der Volksrechte der Deutschen führen die -größeren Beizvögel den Namen _accipiter_ oder _acceptor_ (meist wohl -Habicht), die kleineren dagegen _sparawarii_ (also Sperber). Deutsche -Benennungen finden sich nur in den Gesetzen der Bayern, die sogar -viererlei Jagdraubvögel unterscheiden, nämlich 1. als vornehmsten, -den Kranichar (_chranohari_), einen auf Kraniche abgerichteten großen -Raubvogel, wenn auch keinen Adler, da diese Vogelgattung nicht den für -die Beize dieser Vögel erforderlichen raschen Flug besitzt. Damals -müssen die bayerischen Moore und Sümpfe reich an Kranichen gewesen -sein, die nach der _lex salica de furtis avium_ damals auch in den -Höfen vornehmer Leute zahm gehalten wurden. Es waren dies vermutlich -Wanderfalken. Solche aus Island kamen erst im späteren Mittelalter nach -Deutschland. Wandte sich doch im 8. Jahrhundert König Ethelberth von -England an den heiligen Winfrid (Bonifazius) um zwei Falken, welche -geschickt und kühn genug wären, um Kraniche zu ergreifen und zu Boden -zu werfen, wobei er ausdrücklich seine Anerkennung der trefflichen -Naturanlagen der in Deutschland vorkommenden Raubvögel aussprach. - -Die im Mittelalter so gern geübte Reiherbeize fand wahrscheinlich -erst dann recht Eingang bei den Deutschen, als der edlere Kranich -durch die leidenschaftliche Verfolgung mit Beizvögeln schon seltener -geworden war. 2. den Gänsehabicht, einen _hapuch_, der Wildgänse, -3. einen solchen, der Wildenten fing, also einen Entenhabicht, und -4. einen Sperber für Rebhühner und kleinere Vögel. Die Entwendung -eines dieser Vögel wurde mit dem neunfachen Wertbetrage wie andere -Diebstähle gesühnt. Dabei konnte eine sehr schwere Strafe herauskommen. -Nimmt man den Wertsatz des Volksrechtes der ripuarischen Franken -für den _commorsus gruarius_ in Anwendung auf den _chranohari_, so -ergibt sich eine Geldbuße von 54 Solidi, was an Geldwert 54 Kühen -entsprach. Im Falle der Tötung war ein gleicher Vogel als Ersatz -zu geben und außerdem noch zur Sühne für einen Kranichar 6 Solidi, -für einen Gänsehabicht 3 Solidi, für einen Entenhabicht und einen -Sperber je 1 Solidus. Dabei verstand man unter _hapuch_ außer dem -Hühnerhabicht auch die größeren Arten der einheimischen Edelfalken, -welche in späterer Zeit als Beizvögel erwähnt werden, nämlich den Würg- -und Wanderfalken, und unter _sparawarius_ nicht nur den Sperber oder -Finkenhabicht, sondern auch den Baum- oder Lerchenfalken. - -Im Volksrecht der Alamannen werden nur zweierlei Beizvögel genannt, -einer auf Kraniche und einer auf Gänse. Das Eigentum an ersterem war -durch eine Strafe von 6, an letzterem von 3 Solidi geschützt. Bei den -Langobarden wurde im Falle der Tötung eines Beizvogels eine Sühne von -6 Solidi bezahlt, im Falle des Diebstahls aber der achtfache Betrag -an den Beschädigten erlegt. Wer nun bei diesem Volke aus dem Gehege -des Königs solche Vögel vom Neste nahm, mußte 12 Solidi Buße bezahlen. -Geschah dies im Privatwalde eines andern von einem gezeichneten -Baume, so betrug die Sühne 6 Solidi. Hatte der Baum kein Zeichen, so -konnte man die Vögel ungestraft aus dem Neste nehmen. Wenn aber der -Waldeigentümer dazu kam, durfte er sich dieselben aneignen. - -Falls Beizvögel an Zahlungs Statt anzunehmen waren, so betrug die Taxe -bei den ripuarischen Franken für einen ungezähmten 3 Solidi, für einen -auf Kraniche abgerichteten 6 Solidi, für einen _acceptor mutatus_ 12 -Solidi. Wo solche Taxen nicht bestanden, konnte der Zahlende den Wert -beschwören. Weil aber der Wert solcher Vögel zu hoch beschworen wurde, -verbot Kaiser Ludwig der Fromme deren Hingabe an Zahlungs Statt. Die -sehr hohe Bewertung dieser Vögel läßt die große Vorliebe für die Beize -bei den alten Deutschen ahnen. Übrigens stellte das Gesetz der Bayern -auch andere gezähmte Waldvögel, die auf den Höfen der Freien gehalten -wurden, unter seinen Schutz. Die Entwendung solcher Vögel, „die durch -Kunst und menschlichen Fleiß aus wilden zahm und zutraulich gemacht -werden, so daß sie auf den Höfen der Adeligen herumfliegen und singen“, -wurde mit 1 Solidus gebüßt, außerdem mußte der Übeltäter beschwören, in -Zukunft keinen Vogel mehr zu stehlen. - -Außerdem sprechen die Volksrechte der alten Deutschen von ~gezähmtem -Rotwild~ -- vornehmlich Hirschen -- und ~gezähmtem Schwarzwild~ -- -speziell Wisent und Ur -- die zur Jagd gebraucht wurden. In welcher -Weise dies geschah, darüber wird nichts gesagt, doch scheint es sich -um Schießhirsche oder Schießbüffel gehandelt zu haben, d. h. solchen, -die sich vom Jäger leiten ließen, der hinter ihnen gedeckt sich unter -dem Winde dem gesuchten Wild so weit näherte, daß er mit Erfolg den -Pfeil auf dasselbe entsenden konnte (_sagittare_). Man scheint damals -mit Rotwild nicht nur an anderes Rotwild, sondern auch an Schwarzwild -herangeschlichen zu sein. Dann mußte das gezähmte männliche Wild in -der Brunst auch schreien, und zwar sowohl die Hirsche als auch die -Büffel. Vermutlich begab sich der Jäger mit seinem gezähmten Tier -vor Tagesanbruch auf einen der ihm bekannten Brunstplätze, um sein -Tier schreien zu lassen oder abzuwarten, bis die freien Tiere schrien -und sein Tier ihnen antwortete. Vielleicht waren die zahmen Tiere in -kleinen Gehegen gehalten und dienten dem Jäger dazu, wilde Verwandte -herbeizulocken, damit er sie dann, wenn sie nahe genug herangekommen -waren, abschießen konnte. Der Römer Columella erwähnt in seinem zweiten -Buche über Landwirtschaft, daß in Gallien zahmes Wild dazu diene, -das frischgefangene Wild, das in einen der Riesenparks jenes Landes -gesetzt war, an die Futterstellen zu gewöhnen. Möglicherweise dienten -solche zahme Tiere auch als solche Schlepper, um ihre Verwandten an -Futterstellen zu locken, wo sie abgeschossen zu werden vermochten. - -Diese gezähmten Tiere wurden mit einem _treudis_ oder _triutis_ -genannten Zeichen versehen, wodurch sie Frieden erlangten, so daß sie -nicht erlegt werden durften. Dabei stieg ihr Wert in dem Maße, als sie -sich bei der Jagd bewährt hatten. Dementsprechend richtete sich auch -der Betrag der Sühne im Falle der Entwendung oder Tötung. Wer bei den -salischen und ripuarischen Franken einen auf der Jagd erprobten zahmen -Hirsch entwendete oder tötete, der mußte zur Sühne 45 Solidi bezahlen. -War der Hirsch noch nicht auf der Jagd gebraucht worden, so betrug die -Sühne bei den salischen Franken 35, bei den ripuarischen dagegen nur -30 Solidi. Im alamannischen und langobardischem Volksrecht wurde bei -Entwendung eines zahmen Hirsches der neun- bezw. achtfache Betrag, -d. h. die gebräuchliche Diebstahlsstrafe gefordert. Dabei galt eine -zahme Hirschkuh nur als halb so wertvoll wie ein gezähmter Hirsch. -Doppelt war die Strafe, wenn der getötete Hirsch zu seiner Zeit -brunstete gegenüber einem solchen, der dies nicht tat. - -Für den Jäger damaliger Zeit war ein gutes ~Reitpferd~ ein notwendiges -Erfordernis, um den Hunden bei der Hetzjagd auf Rot- und Schwarzwild -und auf Hasen zu folgen und zur Erlegung oder Abnahme des betreffenden -Wildes rechtzeitig an Ort und Stelle zu sein, oder die das Federwild -verfolgenden Beizvögel im Auge zu behalten. Zum Reiten dienten, wie es -scheint, vorwiegend Hengste, _caballi_ genannt, daher _caballicare_ -reiten. Außerdem hatte man aber auch eigene Zuchthengste und solche -Hengste, die zum Ziehen von Wagen benutzt wurden. Auch ist in den -Volksrechten von Wallachen die Rede (_caballi spadati_), welche -geringeren Wert hatten. Die Stuten hießen _jumenta_, weil sie außer zur -Nachzucht vorzugsweise als Zugtiere benutzt wurden. Bei den Alamannen -konnte in Fällen von Diebstahl der Wert eines Zuchthengstes bis zu -12 Solidi beschworen werden, und die Strafe betrug das Neunfache des -Wertes; ebensohoch war der Wert eines Pferdes, das man _marach_ hieß. -Der Wert eines gewöhnlichen _caballus_ und einer säugenden Stute -dagegen betrug nur 6 Solidi, einer gewöhnlichen Stute, die noch nicht -trächtig war, 3 Solidi, wie für einen Zuchtstier, während eine Kuh bloß -bis zu 1 Solidus gewertet wurde. - -Man war in jener Zeit sehr heikel in bezug auf seine Reitpferde. So -mußte bei den Franken einer, der ein fremdes Roß eigenmächtig ritt, zur -Sühne an den Eigentümer 30 Solidi Strafe bezahlen, während die Strafe -für die Entwendung des wertvollsten Pferdes eines Privatmannes nur die -Hälfte mehr, nämlich 45 Solidi, betrug. - -Abgesehen von den für die Jagd reservierten Forsten hielt der König -besonders in Niederungen, Brüchen und Sümpfen von einem Hag von Bohlen -eingefriedete Tierreservationen, deutsch Brühl, lateinisch _bersa_ -genannt. Ihnen standen Leibeigene vor, die _bersarii_ genannt wurden -und bei der Jagd Hilfe leisten mußten. Solche Brühle konnten einen -großen Umfang haben. In einem solchen bei Frankfurt am Main stürzte -Ludwig der Deutsche 864 bei einer Hirschhatz mit dem Pferde und -beschädigte sich eine Hüfte erheblich. - -Der Franke Angilbert, Abt von St. Riquier, der mit Zustimmung Karls -des Großen, der ja selbst ein uneheliches Kind gewesen war, mit dessen -Tochter Berta in freier Liebe lebte und zwei Knaben von ihr hatte, -beschreibt uns in einem höfischen Gesang nach der Art Vergils eine -Parkjagd Karls in dem großen von Mauern umgrenzten Brühl bei Aachen. -Dieser Tierpark war vom Flüßchen Wurm durchflossen, an dessen Ufer -sich grüne Wiesen ausbreiteten, auf denen sich Sumpf- und Wasservögel -tummelten. An andern Stellen waren die Ufer steil. Auch zwischen den -Gehölzen, in denen „Wild von jeglicher Art“ stand, erstreckten sich -Wiesenflächen, auf denen König Karl zu lagern liebte. Mit ihm brachen -morgens in aller Frühe auch die Königin und die Töchter, goldene -Reifen im Haar und in schöner Gewandung, auf prächtigen Pferden auf. -Im Tale des Parkes wurde von den Jägern ein Keiler hochgemacht und -von kräftigen Hunden gehetzt. Die Reiter folgten, bis der Keiler -gedeckt und von Karl abgefangen war; währenddem schauten die Damen vom -Berge aus zu. In der Zwischenzeit hatte ein Teil der Jägerei die Jagd -auf zusammengetriebene Rudel von Sauen vorbereitet. Zu diesem Zwecke -war ein großes Netz ausgespannt worden, gegen welches die Wildsauen -getrieben wurden, um dort von Karl und seinen Begleitern mit dem -Wurfspeer abgestochen zu werden. Nach diesem Massenmord wendete sich -Karl langsam den Zelten zu, die von der Dienerschaft am frischen Quell, -dicht am Gehölz im Schatten hoher Buchen aufgeschlagen worden waren. -Hier erwarteten ihn die Damen, die dann mit den Jägern an vor den -Zelten aufgestellten Tischen das schmackhafte Mahl einnahmen. Mit dem -Eintritt der Nacht begab sich die Gesellschaft in den Zelten zur Ruhe, -um am folgenden Tage zu neuem Weidwerk gestärkt aufzuwachen. - -Wie in der Urzeit bedingte die Unvollkommenheit der Schußwaffen noch -im frühen Mittelalter die weitgehende Verwendung von ~mechanischen -Fangvorrichtungen~ zur Erbeutung des Wildes. So wurden an den Wechseln -desselben Fallgruben, _foveae_ oder _fossae_, errichtet, in Form großer -viereckiger Gruben, die unten weiter waren als oben und mit Zweigen, -Laub und Erde bedeckt und unsichtbar gemacht waren, so daß jedes Tier, -das die trügerische Decke betrat, hinunterstürzen mußte und leicht -erbeutet werden konnte. - -Schon Cäsar erzählt in seinem Buche über den gallischen Krieg, daß -die Germanen häufig den Ur in solchen Fallgruben fingen. Auch Wisent, -Hirsch, Damhirsch, Reh und Bär, wie der Elch, der nach einer Urkunde -König Ottos I. vom Jahre 943 noch in den Niederlanden häufig war, -wurden mit Vorliebe auf solche Weise gefangen, oder dadurch, daß man -ihnen Netze stellte, in denen sie sich verfingen. Eine andere Art -der Fangjagd war das Legen von Fallen (_taliolae_) und Fußschlingen -(_pedicae_) zum Festhalten des Wildes, dann das Aufhängen von -Halsschlingen (_laquei_) an den Wechseln. Außerdem werden in den -Volksrechten noch Selbstgeschosse in Gestalt von gespannten Bögen -(_arcus_), die bei Berührung einer Schnur selbsttätig einen starken -Pfeil (_sagitta_) entsandten, der das Wild -- besonders das Raubwild, -wie Wölfe und Bären -- erschoß. Die Gesetze damaliger Zeit bestimmen, -daß das Anlegen solcher gefährlicher Fangapparate den Nachbarn -mitgeteilt werden müsse, um möglichst etwaiges Unglück zu verhüten. -Dabei mußten Schutzvorrichtungen für Menschen angebracht werden. -Unterblieb dies und ereignete sich eine Tötung oder Beschädigung, so -mußte je nach Beschaffenheit der betreffenden Person das volle Wehrgeld -derselben wie bei einer absichtlichen Verletzung beziehungsweisen -Tötung bezahlt werden. Wenn aber ein Fremder Schaden erlitt oder -getötet wurde, war der Jäger nur ein Drittel der gesetzlichen Sühne -schuldig. - -Außer Wurfspieß dienten als Fernwaffen vor allem Pfeil und Bogen. Erst -im späteren Mittelalter, vom 11. Jahrhundert an, kam die Armbrust auf -und verdrängte mehr und mehr letztere. Als unerwünschter Räuber und -Wildschädling wurde besonders der Wolf verfolgt, ihm Fußangeln und -vergiftete Köder gelegt. Unter Karl dem Großen war die systematische -Wolfsjagd eine Aufgabe der Landespolizei. Jeder Unterbeamte des Grafen -sollte in seinem Amtsbezirke zwei Wolfsjäger haben, die vom Heerbann -befreit waren und die öffentliche Gerichtsversammlung des Grafen nur -dann zu besuchen brauchten, wenn Anklagen gegen sie erhoben wurden. -Jeder Gerichtseingesessene war ihnen eine Abgabe an Getreide schuldig. -Auch das kleine Weidwerk des Vogelfangs wurde mit allerlei Schlingen -und Fallen geübt. - -Für alle Freien bildete die Jagd eine Lieblingsbeschäftigung, so daß -sie oft andere wichtige Geschäfte hintan setzten. So erließ Karl der -Große 789 eine Verordnung, wonach die Grafen an den Gerichtstagen nicht -auf die Jagd gehen sollten. Von den Fürsten erfahren wir, daß sie fast -ausnahmslos mit Leidenschaft die Jagd liebten. König Guntram, der -Enkel des Gründers des Frankenreichs, Chlodwigs, ließ nach dem Bericht -Gregors von Tours einen seiner vornehmsten Hofbeamten, den Kämmerer -Chundo, wegen unberechtigter Erlegung eines Urs im Vogesenwald, welche -Handlung nicht einmal unzweifelhaft erwiesen war, erbarmungslos -steinigen. Ein anderer Enkel Chlodwigs, Theodebert, fand seinen Tod -im Kampfe mit einem gewaltigen Wildstier durch einen von diesem -abgeschlagenen Baumast, der an des Königs Kopf heftig anschlug. Von -König Dagobert I. wird gesagt, daß er durch beständige Übungen mit den -Waffen und in der Jagd eine unvergleichliche Gewandtheit und Rüstigkeit -erlangt hatte. Ebenso gewandt war Karl der Große, der sich noch im -hohen Alter gern mit der Jagd befaßte. Er erließ mehrmals scharfe -Verordnungen über den Jagdschutz in den königlichen Forsten; denn -kraft des Eigentumsrechts hatte er wie jeder andere Eigentümer eines -geschlossenen Grundbesitzes das ausschließliche Jagdrecht auf seinen -Landgütern. - -Das Wort _forestum_ oder _forestis_, woraus das deutsche Forst und das -französische _forêt_ wurde, bedeutet in den lateinischen Urkunden stets -den Sonderwald, im Gegensatz zum Markgenossenschafts- und Allmendewald. -Es wird im Deutschen mit Bannwald bezeichnet. Der _forestarius_ -(woraus Förster entstand) der karolingischen Zeit war ein höriger -Jagdbediensteter, denn eine Forstwirtschaft in unserem Sinne gab es -damals noch nicht. Dürres und gefallenes Holz konnte jedermann auch im -Bannwald holen, aber ohne Erlaubnis keine Bäume darin fällen und seine -Schweine nicht ungefragt darin auf die Eichelmast treiben. Wer die -Erlaubnis zu letzterem erhielt, mußte den Zehnten als Entschädigung für -die Mastnutzung bezahlen. - -Der oberste Verwaltungsbeamte eines königlichen Landgutes (_judex -villae_, d. h. Hofrichter) hatte auch den Wald und das darin -befindliche Wild zu überwachen, für Jagdhunde und Beizvögel für den -königlichen Dienst zu sorgen, die Umzäunungen der eingeparkten Orte in -gutem Stande zu halten, die Wölfe vertilgen zu lassen und sollte eigene -Ministerialen zur Anfertigung von Netzen für Jagd- und Vogelfang, wie -auch für den stets dabei verstandenen Fischfang halten. Hatte jemand -aus dem Volke einen Wilddiebstahl in den königlichen Forsten begangen, -so mußte er unnachsichtlich die gesetzliche Strafe von 60 Solidi -- -eine sehr harte Strafe -- bezahlen. Niemand sollte beim Huldigungseide, -den damals das ganze Volk zu leisten hatte, einen Wilddiebstahl -verhehlen. - -Zur Zeit des Frankenreichs erhielten auch die Kirchen von den Königen -und Fürsten, ebenso reichen Privaten, die sich mit dem Himmel -gutstellen wollten und ein böses Gewissen wegen Verbrechen und -Gewalttat der verschiedensten Art hatten, mit den geschenkten Gütern -und Waldungen auch das Recht darin zu jagen zu alleinigem Eigentum. -Die Geistlichen sollten aber wegen ihres kirchlichen Amtes nicht -selbst jagen, sondern ihr Jagdrecht durch ihre Ministerialen ausüben -lassen. Doch hielten sie sich vielfach nicht an diese Vorschrift und -gingen selbst zu Pferd zur Jagd. So haben die Könige je und je dagegen -einschreiten müssen. Im Jahre 759 erließ Karl der Große das Gebot, -wonach sich die Diener Gottes alles Herumschweifens mit Hunden, auch -Sperbern und Falken, enthalten sollten. 789 ward das Gebot erneuert: -Bischöfe, Äbte und Äbtissinnen sollten weder Kuppeln Hunde noch -Jagdfalken oder Habichte halten. Karl überließ zwar 774 Geistlichen -eines Klosters einen Wald mit der Vergünstigung, darin Hirsche und -Rehe zu jagen, aber nur deshalb, damit sie vom Leder dieser Tiere -die zum Gottesdienst gehörenden Bücher und mit dem Fleische die -Körper der kranken Brüder stärken und herstellen könnten. Auf die -nämliche Art erlaubte er 789 einem andern Kloster, die Mönche dürften -in ihren eigenen Waldungen jagen, um Leder zu Büchereinbänden und -Handschuhen zu gewinnen. Man sieht daraus, daß Karl den Geistlichen -teilweise nachgeben mußte, die ihrem kirchlichen Amte die Jagd als -nationalen Sport nicht opfern wollten. Er überließ auch wirklich dem -Stifte Osnabrück einen Wald ohne alle Einschränkung der Jagd auf -wilde Schweine, Hirsche, Vögel, Fische und was sonst zum Bannforste -gehörte. Übrigens benutzten die Beamten oder Meier der Klöster, z. B. -des Klosters St. Gallen, wie uns der jüngere Ekkehard berichtet, den -Umstand, daß die Mönche selbst nicht jagen durften, und versicherten -ihren Herren, daß die Jagd ihnen als Männern gehöre. Später wurde den -Geistlichen die Jagd wenigstens zu gewissen Zeiten erlaubt. So überließ -König Arnulf 890 dem Erzbischof Dietmar von Salzburg die Jagd auf Bären -und Schweine drei Wochen vor Herbstnachtgleiche bis zum Feste des -heiligen Martin (11. Nov.). - -Nach dem römischen Schriftsteller Arrian, der in der Mitte des 2. -Jahrhunderts starb, hatten schon die keltischen Jäger, die mit -Vorliebe Hetzjagden auf Hirsche und Hasen abhielten, in Nachahmung -der römischen, ihre geselligen Vereine, die unter dem Schutze einer -weiblichen Gottheit standen, welche er, da er griechisch schrieb, mit -dem Namen Artemis bezeichnet, und es bestand der löbliche Gebrauch, -dieser Artemis zu Ehren alljährlich ein Liebesmahl zu feiern. Die -Gelder dazu wurden im Laufe des Jahres gesammelt, und zwar in Form -einer Spende, welche die Jäger in die Klubkasse zu geben hatten. Die -Spende belief sich für einen erlegten Hasen auf zwei Obolen, für einen -Fuchs auf eine Drachme, für ein Reh aber auf vier Drachmen. Je nach -dem Kassenstand wurde dann am Jahresfest eine Ziege, ein Schaf oder -ein Rind gekauft und der Göttin der Jagd geopfert, d. h. zu Ehren -derselben von den Mitgliedern verschmaust, wobei auch die Hunde ihr -Teil erhielten. - -Etwa 400 Jahre nach Arrian treffen wir anscheinend ähnliche Zustände. -So läßt der Bischof Gregor von Tours einen Diakonus Vulfelaich von -einer Klostergründung erzählen, die sich im Jahre 585 zugetragen -hatte. Vulfelaich hatte bei Trier ein Bild der römischen Jagdgöttin -Diana gefunden, „das das abergläubische Volk abgöttisch verehrte“. Nun -kam dieser sonderbare Heilige auf die verrückte Idee, sich bei jenem -Heiligenbilde als Säulenheiliger zu produzieren und auch im Winter -auszuhalten, obschon ihm die Zehen erfroren. Wenn er nun von Ferne -einen Menschen zu Gesicht bekam, fing er an zu predigen: „Es sei nichts -mit der Diana, nichts mit den Bildern, nichts mit dem Götzendienst, -unwürdig seien jene Lieder, die sie beim Weine und den schwelgerischen -Gelagen sängen. Würdig sei es allein, dem allmächtigen Gotte, der -Himmel und Erde erschaffen habe, Opfer des Dankes zu bringen.“ Als -Vulfelaich sich einen Anhang erworben hatte, stieg er von seiner -Säule und veranlaßte die Menge, die Bildsäule der Diana mit Stricken -umzuwerfen und mit Hämmern in kleine Stücke zu zerschlagen. - -Über die jagdlichen Verhältnisse des Mittelalters geben uns wiederum -die verschiedenen Rechtsbücher jener Zeit Kunde, von denen die -berühmtesten das um das Jahr 1230 aufgezeichnete Sachsenrecht, -der „Sachsenspiegel“, und der bald nachher, um 1276, verfaßte -„Schwabenspiegel“ sind. Vom 10. bis zum 13. Jahrhundert dehnten -sich die Bannforste immer mehr aus und die Jagd in ihnen war ein -Reservatrecht dessen, dem der Wildbann gehörte. Nicht nur der Kaiser, -sondern auch die Grafen hatten den Königsbann, der sich auf die hohe -Jagd bezog, während nur die Jagd auf Raubwild, zu dem auch der Bär -gehörte, freigegeben war. So wurde durch den Wildbann das alte Recht -gebrochen, wonach die Jagd ein Zubehör auf Grund und Boden war. Schon -im 9. Jahrhundert schenkten die Könige an Klöster Liegenschaften, -ohne das Recht der Jagd. Die Gemeinfreiheit schwand immer mehr dahin. -Diesen Vorgang beschleunigte ein grausames Schuldrecht durch die immer -mächtiger werdenden Grafen. Der wirtschaftliche Kampf wurde noch -erschwert durch die gewaltsame Art, wie der Heerbann zusammengebracht -wurde. Um nun der Willkür der Grafen zu entgehen, stellten sich die -meisten der freien Markgenossen unter den Schutz des Königs oder der -Kirche. Nun konnten sie, da der Heeresdienst nur den freien Männern -oblag, nicht mehr willkürlich ausgehoben werden. Als Vasallen des -Königs und der erstarkten Geistlichkeit mußten sie als Gegenleistung -für den gewährten Schutz fronen und zinsen. - -Die ersten nachweisbaren Spuren von Frondienst, welche die unfreie -Bauernschaft im Interesse der Jagd zu leisten hatte, betraf die -Instandhaltung der Brühle oder Tierparke, deren Instandhaltung -ausschließlich der unfreien Bevölkerung oblag. Schon Ludwig der -Fromme verordnete im _Capitulare_ vom Jahre 820, daß kein freier Mann -gezwungen werden sollte, an den herrschaftlichen Brühlen (_brolii -dominici_) zu arbeiten. Die Ausübung der Jagd war im ganzen noch -dieselbe wie zur Zeit der Stammesherrschaft, nur wandte der neue große -Grundbesitz natürlich einen größeren Apparat an, er hatte eigene -Jagdbediente, eine vermehrte Anzahl Hunde und einen großen Vorrat von -Netzen und andern Fangvorrichtungen. Die zur Jagd gebrauchten Hunde -waren dieselben wie früher. Es wurden besonders starke und scharfe -Fanghunde (_molossus_ oder Rüde) gehalten, die den Kampf mit Bären -und Wildstieren ehrenvoll bestanden. Ausgedehnte Jagdbezirke wurden -mit lose auf Stellstangen liegenden Fallnetzen umstellt und durch die -Hörigen das Wild hineingetrieben. Hier fing es sich in den Maschen der -herabfallenden Netze und wurde von den in der Nähe versteckten Jägern -abgestochen. - -Die Jagd wurde immer mehr eine beliebte Zerstreuung der Grundherrn, -und ein weites, wildreiches Jagdrevier, in welchem zu Ehren der Gäste -Jagden abgehalten wurden, gehörte zu jedem großen Grundbesitz. So gab -es an den Fürstenhöfen keine große Festlichkeit ohne Jagdvergnügen, -wobei auch die Damen mit dem Falken auf der Faust der Reiherbeize oder -der Hetzjagd mit den flinken Federspielen oblagen. Dem jungen Brun -de Montagne wurden, als er noch Säugling war, junge Hunde und Falken -verehrt. Das war damals das vornehmste Spielzeug des Adeligen. - -Da man sich oft ganze Wochen hindurch dem Jagdvergnügen hingab, führte -man Zelte mit sich, mit denen das ganze Mittelalter hindurch ein -großer Aufwand getrieben wurde. Mit ihnen und dem nötigen Proviant -beladene Pferde wurden an bestimmte Plätze, an denen man zusammenkommen -wollte, vorausgesandt. Die Landesherren aber bauten sich schon frühe -Jagdschlösser, die mehr Bequemlichkeit als solche Zelte boten, -inmitten ihrer größeren Jagdforste. Schon Karl der Kahle ließ sich das -vermutlich an der Isar gelegene Jagdschloß Bacivum bauen, das er oft -besuchte. Und sein Enkel Karlmann starb daselbst 884 an einer auf der -Jagd durch unglücklichen Zufall erhaltenen Verwundung. Heristallum war -ein Jagdschloß der Frankenkönige, an der Mosel gelegen und schon zu -Karls des Großen Zeiten als solches berühmt; es ging noch auf Heinrich -I. den Vogler (876 bis 936), den 919 von den Franken und Sachsen in -Fritzlar zum König gewählten Sohn Ottos des Erlauchten, Herzogs von -Sachsen, den eigentlichen Gründer des deutschen Reiches, über, wurde -aber dann von den plündernd die Flüsse herauffahrenden Normannen -zerstört. Ein solches Jagdschloß wird im mittelhochdeutschen Gedicht -aus dem Ende des 12. Jahrhunderts Biterolf und Dietlieb jeithove oder -gejeithof genannt, im Erek des Hartmann von Aue (1170-1215), der an -den Kreuzzügen von 1189 und 1197 teilnahm, wird es jagehûs genannt, im -Epos Parzival Wolframs von Eschenbach (gest. um 1225) dagegen weidehûs. -Das Jagdhaus im Erek liegt an einem See, zwei Meilen rundherum ist der -Wald von einer Mauer umgeben und innerhalb der Mauer sind drei Gehege -angelegt, von denen das eine Rotwild, das andere Schwarzwild und das -dritte „kleinen Klunder“, d. h. Füchse, Hasen u. dgl. enthält. Es sind -Hunde da zur Hirschhatz und Windhunde für die Hasen, gegen Schweine und -Bären „breite, starke Spieße“; und im Jagdhaus sind allerlei Fangnetze -und „gutes Geschütz“ vorhanden. - -Im späteren Mittelalter waren solche Jagdschlösser etwas ganz -Gewöhnliches. So besaß Kaiser Maximilian I. (geb. 1459, reg. von -1486-1519) ein Jagdschloß bei Augsburg, Wellenburg genannt, westlich -davon dasjenige von Wellersberg, noch weiter entfernt das von -Dillingen; ferner nennt er selbst Jagdhäuser in Günzburg, Weißenhofen, -Pfaffenhofen, Angelberg und Oberndorf. Wo solche Jagdhäuser fehlten, -wird wohl die Gastfreundschaft der Untertanen in Anspruch genommen -worden sein, namentlich die der Klöster. In Verbindung damit -entwickelte sich dann die Pflicht der Atzung und Hundelege. - -Die Häute des erlegten Wildes wurden unter anderem auch zu Anzügen -und Handschuhen verarbeitet. So kleidete sich Karl der Große mit -Vorliebe in Wildleder und noch im 16. Jahrhundert war die Jägertracht -aus Tierfell keine Seltenheit. Auf der Jagd Verunglückte und andere -Tote wurden zur Beförderung in frisch abgezogene Hirschhäute genäht, -und es scheint sogar allgemein Sitte gewesen zu sein, die Könige von -Frankreich nach ihrem Tode in eine solche einzuwickeln. Für gewöhnlich -bestand die Kleidung des Jägers aus einem Hemd mit halblangem Wams, -das im Winter grau, im Sommer grün sein sollte. Bei den Vornehmen war -das Winterwams mit Pelz gefüttert. Gegürtet wurde das Wams mit einem -Ledergurt, der das Jagdschwert und das Weidmesser trug. Die Beine -steckten in strumpfartigen Hosen, die Füße waren mit Schuhen oder -Stiefeln bekleidet und auf dem Kopf saß ein Filzhut oder eine Kappe. - -Als Waffen benützte man außer dem Schwert den Ger als Wurfspeer und -Stoßwaffe zugleich. War er besonders für letzteren Zweck bestimmt, -so trug er vielfach einen Querriegel. Mit ihm, dem _espieu_ der -Franzosen, im Gegensatz zur geworfenen _lance_, ließ der Jäger die -Wildsau auflaufen und ging er dem Bären zu Leibe. Der Riegel war -fest oder beweglich und in letzterem Falle mit ledernen Riemen -angebunden, die um den Schaft gewickelt und daselbst festgenagelt -waren. Man benützte aber auch den espieu, die Saufeder, zum Werfen. -Als Fernwaffe diente der mit dem Bogen entsandte Pfeil. Dieser sollte -acht Handbreiten lang, seine eiserne Spitze aber fünf Finger lang und -vier Finger breit sein. Abgeschnellt wurde er mit dem vorzugsweise -aus Eibenholz hergestellten Langbogen, dessen Sehne besser aus Seide -denn aus Hanf angefertigt sein sollte. Der Bogen sollte, an der Sehne -gemessen, 20 Handbreiten lang und so biegsam sein, daß ihn der Jäger -längere Zeit gespannt halten konnte, wenn er sich dem Wild langsam -und sichernd näherte. Zum Langbogen kam jetzt noch der Kreuzbogen, -die Armbrust, hinzu. Schon im Jahre 1048 wird die Armbrust in einer -Urkunde Tirols erwähnt, es dauerte aber Jahrhunderte bis sie in -Deutschland den Langbogen verdrängte. In Frankreich war dies noch -später der Fall. In den französischen Artus- und Abenteuerromanen -wird die Armbrust als Waffe noch nicht erwähnt; dagegen geht in dem -nach französischem Vorbilde um 1210 vom mittelhochdeutschen Dichter -Gottfried von Straßburg gedichteten Epos „Tristan und Isolde“, Tristan -mit ihr bürschen. Als Kriegswaffe wurde die Armbrust früher heimisch -denn als Jagdwaffe. So wurde in Paris im Jahre 1359 die Gesellschaft -der Armbrustschützen gegründet, aber als Jagdwaffe soll die Armbrust -in Frankreich erst seit 1554 nach einer Verbesserung durch Andelot -allgemein benützt worden sein. Kaiser Maximilian I. führte mit Vorliebe -die Armbrust, mit einem Bogen aus Stahl, bei Frostwetter dagegen -benutzte er eine solche mit Bogen aus Horn. Das Weidmesser wurde im 12. -und 13. Jahrhundert in Frankreich _quenivet_ bezeichnet, ein Ausdruck, -der sich im französischen _canif_, im englischen _knife_ und im -norddeutschen Knif bis auf den heutigen Tag erhielt. Als die Schwerter -für den Krieg, die bis dahin eine runde Endigung gehabt hatten, seit -dem 12. Jahrhundert spitz ausliefen, wurde auch das Jagdschwert nach -vorne zu gleichmäßig spitz hergestellt, um zum Stechen zu dienen. Das -Jagdpersonal trug kein Schwert, dafür aber das Weidmesser, franz. -_escorcheor_, deutsch Weidener. An einem Band trug der Jäger um die -Schultern das Horn, zuerst aus dem Horn von Wildbüffeln, später von -Hausrindern angefertigt; war es ausnahmsweise aus dem kostbaren -Elfenbein hergestellt, so hieß es _oliphant_. Damit gab man die -Signale, durch welche nicht nur die Jäger benachrichtigt, sondern auch -die Hunde gelenkt und die ganze Jagd geleitet wurde. _Huer et corner_, -d. h. Schreien und Hornen waren das unerläßliche Mittel der Hetzjagd -im freien Revier, welche die beliebteste Jagdart des Mittelalters war. -Man nannte sie in Deutschland das Überlandjagen, in Frankreich die -_chasse à courre_. Die Entwicklung dieser Jagdart zu einer eigenen -Kunst vollzog sich mit dem Aufkommen der großen Vasallen in Frankreich, -wo diese Jagdart durch die fränkischen Eroberer von den unterworfenen -Kelten übernommen wurde. Letztere haben nach der Überlieferung Arrians -schon die Hetzjagd auf Hirsche und Hasen geübt. - -Der Grundbesitz hatte in Frankreich schneller als in Deutschland und -England zu einem mächtigen und selbständigen Vasallentum geführt, das -Ludwig II. und Suger, Philipp der Schöne, Ludwig XI. und Richelieu -erst brechen mußten, bevor eine staatliche Einheit möglich war. Dieses -reiche, vornehme Vasallentum hat die Hetzjagd geschaffen, begünstigt -durch die Überlieferung solcher Jagdweise aus keltischer Vorzeit -und die verhältnismäßig hohe Kultur, die schon Julius Cäsar an den -Galliern rühmte und die in der Folge Frankreich jenen großen Vorsprung -vor Deutschland und England in materieller und geistiger Hinsicht -verschaffte. Die Vasallen besaßen ein ausgedehntes Jagdrevier und -bezogen aus dem ausgedehnten Grundbesitz die Mittel, ein geschultes -Jagdpersonal und zahlreiche Meuten zu unterhalten. In der Mitte des -14. Jahrhunderts schätzt Gace de la Bigne die Meuten in Frankreich auf -20000 Stück. Nach Frankreich bildete das vom Normannen Wilhelm eroberte -und an seine Vasallen aufgeteilte England diese vornehme französische -Jagdart bei sich aus, während in Deutschland der Mangel an materiellem -Reichtum und das Fehlen des keltischen Blutes im Jäger wie im Hund -solche noble Passion erst spät und zögernd aufkommen ließ. - -Wie in Frankreich war auch in Deutschland das ganze Mittelalter -hindurch der Gebrauch des an einem Riemen geführten Leithundes (franz. -_liëmier_) allgemein üblich. Mit ihm wurde der Hirsch oder sonstiges -Wild „bestätigt“ und dann von den Jägern zu Pferd mit den Laufhunden -gehetzt, bis es gestellt und abgestochen zu werden vermochte. Dabei -suchte man ihm die Flucht über Land, wo man ihm weniger leicht zu -folgen vermochte, zu verwehren und ihn im Walde festzuhalten, indem -man den zu bejagenden Waldbezirk durch Knechte und Bauern umstellte, -die den Auftrag hatten, das Ausbrechen des Wildes aus dem Walde zu -verhindern. Dabei wurde der einzelne Posten als Warte bezeichnet. -Dieser sollte durch Schreien und Lärmen das auszubrechen versuchende -Wild zurückjagen; geschah dies nicht und brach das Wild aus, so wurde -der betreffende Bauer nach dem Weistum von Rode mit der Wegnahme des -besten Ochsen bestraft. In Tristan und Isolde des Meisters Gottfried -von Straßburg und in den Nibelungen des unbekannten ritterlichen -Dichters aus dem Beginne des 12. Jahrhunderts ist mehrfach von solchen -Warten bei der Jagd die Rede. Auch bei der Jagd im Meleranz sind drei -Warten mit Hunden aufgestellt. Man ließ nämlich nicht von Anfang -an die ganze Meute, sondern immer nur einen Teil derselben auf den -Hirsch (oder anderes Wild) los, da die Hunde nicht ausdauernd genug -waren, um ihn mattzuhetzen und nach einiger Zeit der Ablösung durch -frischgebliebenes Material bedurften. So wurde ein Teil der Meute -auf die Warten gegeben und später angehetzt, wenn der Hirsch gerade -vorüberflüchtete. - -Wenn ein hoher Herr „über Land“ jagte, dann legte die vorsichtige -Jägerei Windhundwarten weit hinaus auf Feld, die auf den halb -mattgehetzten Hirsch (oder anderes Wild) losgelassen wurden und ihn in -der Regel bald stellten. War das Revier von einem Fluß begrenzt, so -wurden auch Schiffswarten aufgestellt. Die Meute bestand aus wenigstens -12 Laufhunden und einem Leithund. Im Nibelungenlied hat Gunther zwei -Meuten, also zweimal 12 gleich 24 _ruore_ (= Bracken) zur Verfügung. -Als Siegfried gleichfalls auf die Jagd reiten will, schlägt ihm Hagen -vor, das Jagdpersonal und die Hunde zu teilen. Da nimmt Siegfried wohl -das Personal an, verzichtet aber auf die Meute und bittet sich nur den -Leithund aus. Im Meleranz besteht die Meute aus 13 _ruor_hunden und -diese ziehen „in die _ruore_“, d. h. auf die Jagd, und im Weistum des -bei Trier gelegenen Spurkenburger Waldes heißt es, der Förster soll -zweimal im Jahre den Vogt und einen Ritter nebst Knechten und einen -Jäger mit 12 Hunden und einem Leithund bei sich aufnehmen. In der -Meute wurden junge Hunde mit den alten gemischt, damit sie von diesen -angelernt würden. Namentlich auf gute Leithunde wurde großer Wert -gelegt, da die Vorsuche sehr wichtig war. Ja, in Frankreich verlangte -jeder Seigneur vor der Jagd einen Bericht über Beschaffenheit, Alter -und Geweihstärke des zu jagenden Hirsches. Die deutschen Fürsten waren -in ihren Ansprüchen bescheidener, und sie mußten es sein, weil sie -selbst nicht die Voraussetzungen einer guten Vorsuche erfüllen konnten -und nicht immer im Besitz eines guten Leithundes waren. So treffen -wir in zahlreichen Briefen von deutschen Fürstlichkeiten des 15. -Jahrhunderts Bitten um gute Leithunde. - -Aus diesem Überlandjagen hat sich zuerst in Frankreich die klassische -Parforcejagd -- _à force de chiens_ -- entwickelt, welche uns fertig -zum erstenmal in dem vermutlich in der zweiten Hälfte des 13. -Jahrhunderts verfaßten Gedicht _la chasse du cerf_ entgegentritt. Darin -wird ein wissensdurstiger Laie über diese Jagdart von einem Jäger -unterrichtet. Sie erscheint dort ums Jahr 1200 fertig ausgebildet, war -bei der im 14. Jahrhundert zuerst auftretenden jagdlichen Literatur -in Prosa auf der Höhe, auf welcher sie sich bis ins 16. Jahrhundert -hinein hielt. Nach der Angabe des Roy Modus jagte man zehn Arten Wild -_à force_. Von diesen waren fünf rot: Edelhirsch, Hinde, Damwild, Reh, -Hase, und fünf schwarz: Wildsau, Bache, Wolf, Fuchs und Fischotter. -Es galt aber für ebenso weidgerecht, das schwarze Wild im Netz zu -fangen. Jagdbar hieß der Hirsch, wenn er ein Geweih von wenigstens 10 -Enden trug. Die Fußspur eines solchen, die einen längeren Tritt und -breitere Ballen als die einer Hinde hat, wird, wenn möglich, von dem -am Riemen vom Jäger geführten Leithund in der Morgenfrühe des zur Jagd -bestimmten Tages ausgemacht. Findet der Jäger auch noch die Losung -(Kot) eines solchen, so tut er dieselbe in sein Horn, um sie als -Wahrzeichen zur Versammlung mitzunehmen und dort vorzulegen. In der -Hand darf er sie nicht tragen, weil sie dabei die charakteristische -Form verlieren würde. Ist der Hirsch durch Verfolgung der Fährten bis -zu feinem vermutlichen Lager ausgemacht, so erhält der inzwischen -mit der Jagdgesellschaft am Versammlungsorte eingetroffene Grundherr -davon Bericht durch die Besuchknechte. Die an gedeckten Tischen sich -an kalter Küche und Wein zum bevorstehenden Jagdritt erfrischende -Gesellschaft läßt auch die Besuchknechte sich sättigen und durch einen -Trunk laben; dann bricht sie auf, nachdem inzwischen die Warten dort -aufgestellt sind, wohin der ausgemachte Hirsch nicht flüchten sollte. -Besonders gefährdete Stellen, wie die Ufer breiter Ströme, in die -sich der geängstigte Hirsch gern flüchtet, wurden mit Vorliebe durch -Windhunde gesichert. Auch waren zuvor die Relaishunde verteilt, die dem -flüchtig vorbeieilenden Wild nachjagen sollten. - -Der Seigneur erhebt sich zum Zeichen des Aufbruchs, die Jäger steigen -zu Pferd und die Jagdgesellschaft folgt dem Besuchknecht, der den -Hirsch bestätigt hat, zu der Stelle, da dieser am Morgen die Fährte -verließ. Die Gesellschaft bleibt im Hochwald vor der Dichtung, in -der sich der Hirsch befinden muß, halten, während der Besuchknecht -seinem Leithund auf der Fährte folgt, bis er ihn zum Lager des -Hirsches geführt hat. Ist dieses noch warm, als Zeichen dafür, daß -der Hirsch es eben verlassen hat, so gebärdet sich der Leithund wie -toll an der Leine und gibt freudig laut. Durch Hornsignal wird nun -die Meute mit den Jägern avisiert und unter lautem Gebell beginnt das -Jagen. Besonders nach dem Lautgeben oder Schweigen der alten Hunde -wird beurteilt, ob man bei der Verfolgung des flüchtig gewordenen -Hirsches auf richtiger Fährte ist oder nicht. Signale und Rufe leiten -die Teilnehmer nach der jeweiligen Richtung der Flucht des Hirsches, -bis dieser, der vergeblich alle Schliche und Finten anwandte, endlich -vom weiten Laufe erschöpft und um sein Leben bangend von den Hunden -gestellt und dann vom herbeigeeilten Jagdherrn durch einen Stich ins -Herz abgetan wird. Sein Tod wird von allen Jägern durch das Signal -„Hirsch tot“ verkündigt. Hierauf wird ihm das Fell abgezogen und sein -Körper zerlegt und verteilt, wobei auch die Hunde ihren Anteil an den -Eingeweiden erhalten. - -In ähnlicher Weise wurde mit den nötigen Abänderungen das übrige Wild -_par force_ gejagt, wobei sich ein ganz bestimmtes Zeremoniell, auf -das wir nicht eintreten können, herausbildete. Besonders an Wildsauen -wurde eine Massenschlächterei ohnegleichen vollzogen, da solche damals -noch sehr zahlreich vorhanden waren und wegen ihrer Schädlichkeit für -den Landbau rücksichtslos verfolgt wurden. So schrieb z. B. Kurfürst -Albrecht von Brandenburg 1480 an seinen Sohn: „Wir haben beiläufftig -30 und 100 swein ‚gefangen‘. Und ist noch Swein und ander Wildpert, -gott seis gelobt, genug hie außen und gutter frid: gott geb’ lang!“ -Vierzehn Tage darauf meldete er ihm abermals, er habe „32 und 100 -swein“ gefangen; es seien aber 200 da. Der französische Verfasser -des Roy Modus hält das Treiben des Wildes zu den Netzen für die -beste Jagdart und das schönste Vergnügen mit Hunden, dem sich die -großen Grundbesitzer auch häufig hingaben. Der Graf von Foix dagegen -erklärt diese Netzjagd nicht für ritterlich, ebenso verurteilen sie -verschiedene deutsche und englische Autoren, die sich darüber äußerten. -Nicht auf die Beute komme es an, sondern auf die Art, sie kunstgerecht -zu erjagen. Auch Treibjagden wurden von den großen Herren veranstaltet, -indem die hörigen Bauern Treiberdienste leisten mußten und das Wild -mit großem Lärm gegen die mit grünem Laub verkleideten Stände mit den -vornehmen Jägern trieben, die es mit der Armbrust und später mit der -Büchse erlegten. Zuerst wurde das kleine Wild durch Harriers genannte -kleine Hunde rege gemacht und dann erst das Rotwild durch Hirschhunde -gehetzt. Um das Wild zwangläufig zu führen, waren außer den den Wald -umstellenden Warten mit Windhunden auch solche im Treiben aufgestellt. -Je näher zu den Ständen, um so dichter standen sie. Eine der ältesten -Mitteilungen über die Treibjagd finden wir in der am Ausgang des 12. -Jahrhunderts gedichteten Eneide des Heinrich von Veldecke. Darin wird -von Askanius eine Treibjagd in der Weise ausgeübt, daß Schützen mit -Pfeil und Bogen sich vor die Bäume stellen und sich Wild zutreiben -lassen. Auf die Fährte des verwundeten Hirsches wurden dann die Hunde -gehetzt. - -[Illustration: Bild 56. Die Abrichtung des Jagdfalken durch den Falkner. - -An der Wand befindet sich ein Federspiel. (Holzschnitt von Jost Ammann -in „Das Neuw Jag und Weydwerck Buch“, Frankfurt 1582.)] - -Gern birschte sich der Einzeljäger in die grüne Farbe des Waldes -gekleidet gegen den Wind, den Bogen in der Hand, Schritt für Schritt -an das Wild heran. Dazu benutzte er entweder natürliche Deckungen oder -künstliche, indem er einen Schirm aus grünen Zweigen oder ein Schild -mit aufgemalten Ochsen vor sich hielt. Nach dem Schuß ließ man das -getroffene Tier durch Bluthunde verfolgen. Für solche Jagd empfiehlt -Roy Modus einen leichten und biegsamen Bogen zu verwenden, den der -Schütze längere Zeit gespannt halten konnte, während er sich dem Wilde -näherte. - -[Illustration: Bild 57. Reiherbeize mit dem Falken und dem Windspiel. - -Im Hintergrunde Hasenjagd mit Laufhunden. (Holzschnitt von Jost Ammann -in „Das Neuw Jag und Weydwerck Buch“, Frankfurt 1582.)] - -Neben diesen Jagdarten spielte die von alters her geübte Beize mit -dem Jagdfalken das ganze Mittelalter hindurch eine sehr große Rolle. -Man schrieb damals die Einführung dieser Jagdart fälschlicherweise -dem sagenhaften König Dankus von Armenien zu. Tatsache ist, daß sie -allerdings durch die Kreuzzüge mancherlei Beeinflussung aus dem -Orient, wo sie ebenfalls mit großer Leidenschaft ausgeübt wurde, -erfuhr, besonders von seiten des im 10. Jahrhundert lebenden Arabers -Mohammed Tarkani, der ein verbreitetes Buch über die Jagd mit dem -Falken schrieb. Unabhängig von ihm schrieb der gelehrte Albertus Magnus -(als Graf von Bollstädt 1193 zu Lauingen in Schwaben geboren, wurde -Dominikaner und starb, nachdem er Bischof von Regensburg gewesen, -1280 in Köln) und fast gleichzeitig Kaiser Friedrich II., der Enkel -Friedrichs I. Barbarossas (1194-1250), eine allerdings erst im Jahre -1596 in Augsburg gedruckte Abhandlung über das Federspiel. Das Buch des -von einer sizilianischen Mutter geborenen und mit Vorliebe in Palermo -residierenden Fürsten, der zahlreiche Beziehungen zu den Arabern -unterhielt und selbst einen Harem besaß, handelt eigentlich nur von -der Zähmung des Falken und nicht von der Jagd mit ihm, obschon es den -Titel trägt: _de arte venandi cum avibus_ (über die Kunst mit Vögeln -zu jagen). Dieser Fürst war selbst ausübender Falkenjäger und ließ -zu seiner Belehrung vor der Abfassung des Buches über die Falknerei -Falkner aus dem Oriente kommen, wo die Kunst mit dem Falken zu jagen -in hoher Blüte stand. Auch in Byzanz war die Falkenbeize ein beliebtes -Vergnügen der großen Herren. Dort schrieb Demetrios, wahrscheinlich -Arzt des griechischen Kaisers Michael Palaeologus, in griechischer -Sprache ein Buch über Falknerei, das im Jahre 1612 ins Französische -übersetzt in Paris gedruckt wurde. - -Zur Kreuzfahrerzeit und später kamen die gesuchtesten Jagdfalken aus -Island und Norwegen und wurden neben den von unsern Altvordern von -jeher gezähmten Habichtarten, dem Hühnerhabicht und Sperber, als -sehr geschätzte Jagdgehilfen gehalten. Diese hellfarbigen nordischen -Falken waren auch bei den vorderasiatischen Völkern die gesuchtesten. -So schlug Sultan Bajazet I., nachdem er am 28. September 1396 bei -Nikopolis das abendländische Kreuzheer unter König Siegmund besiegt -hatte, alles Lösegeld aus, das ihm für die dabei gefangen genommenen -Herzog von Nemours und zahlreiche andere französische Edelleute -angeboten wurde, gab sie aber sofort frei, als ihm statt des Geldes -zwölf weiße isländische, zur Beize abgerichtete Falken vom Herzog von -Burgund geschickt wurden. Und Philipp August, König von Frankreich, dem -bei der Belagerung von Akkon ein prächtiger weißer Falke wegflog, bot -den Türken für dessen Rückgabe vergeblich 1000 Goldstücke. - -Wie gute Jagdhunde waren abgerichtete Falken das ganze Mittelalter -hindurch die beliebtesten Geschenke zwischen hohen Herren. Namentlich -war Preußen eine dankbare Quelle für Falken. So sandte der Hochmeister -Heinrich von Richtenberg im Dezember 1471 acht Falken an den Kurfürsten -Albrecht von Sachsen, und Albrecht von Brandenburg machte Maria, der -Katholischen, ein ähnliches Geschenk. Lange Zeit übte die dänische -Regierung den Brauch, alljährlich eine Anzahl Falken durch ein -besonderes Schiff aus dem Norden holen zu lassen und sie geschenkweise -an die europäischen Fürsten zu verteilen. Brabanter Kaufleute brachten -Falken aus dem Norden nach Frankreich und Spanien. Im Weißkunig wird -von Kaiser Maximilian gesagt, er habe Falken gehabt aus der Tartarei, -aus der Heidenschaft, aus Rußland, Preußen und von der Insel Rhodus. -Lopez von Ayala, kastilischer Gesandter bei Karl V. und Karl VI., -erzählt, daß der Preis eines Falken mit hohem Flug 40 Franken in Gold -und derjenige eines speziell auf den Reiher abgerichteten Falken 60 -Goldfranken betrug. Das sind nach unserem Gelde 472 und 708 Mark, also -in Berücksichtigung des damaligen hohen Geldwertes ganz anständige -Preise. - -Eingehend wird die Abrichtung des meist aus dem Horst genommenen und -in einem künstlichen Horst mit rohem Fleisch, Käse, Eiern und Milch -aufgezogenen jungen Falken geschildert. Der Akt der Zähmung ging in -der Weise vor sich, daß ihm die Klauen geschnitten und die Fangschuhe -aus leichten Riemen mit einer kleinen Schelle, bei deren Klang man -später den Falken leichter wieder zu finden vermochte, angelegt -wurden, damit er auf der Faust gehalten werden konnte. Durch Blenden -mit losem Zusammennähen der Augenlider und Hungernlassen, wobei sie -24 Stunden in einen dunkeln, stillen Raum auf der durch einen dicken -Handschuh aus Hirschleder geschützten Faust umhergetragen wurden -- -dabei löste ein Falkner den andern ab -- wurden die Tiere abgemattet -und zunichte gemacht. Gern sah man, wenn die übermüdeten Vögel während -des Umhertragens einschliefen, denn gerade das Schlafen auf der Faust -machte nach Roy Modus den Falken vertraut. Nach dieser Frist bekam -der Vogel zu „ätzen“, d. h. zu fressen, und zwar stets auf der Faust. -Einige Tage später trug man ihn an hellere, belebtere Orte und lockerte -allmählich den Faden, mit dem die Augenlider zusammengenäht waren, -daß er etwas zu sehen vermochte; schließlich zog man ihn ganz heraus. -War der Vogel im Hause zahm geworden, so trug man ihn ins Freie und -gewöhnte ihn an Hund und Pferd. Wenn der Falkner das erstemal mit dem -Vogel das Pferd bestieg, um auszureiten, hatte er gern einen leichten -Regen, weil der Vogel dann weniger unruhig war. Dann bekam der Falke in -stiller Gegend auf einem Federspiel genannten, mit Leder überzogenen -Stiel, an dem flatternde Bänder und Vogelschwingen befestigt waren, zu -fressen. Er wurde nun daran gewöhnt, auf diesem gefüttert zu werden; -dadurch gelang es, ihn herbeizulocken, wenn er verflogen war, indem -man ihm den Federspiel zeigte und die Bänder im Winde flattern ließ. -Das erweckte in dem hungrigen Tiere das Bewußtsein, er werde dort zu -fressen bekommen, und kam herbei, um sich daraufzusetzen. Deshalb -mußte der Falke stets hungrig sein, wenn es zur Jagd ging, sonst -riskierte der Falkner, daß er nicht wiederkam. - -War der Falke so weit zahm, daß er auf den Ruf herbeigeflogen kam, -ruhig auf der Hand stand und darauf fraß, so begann man damit, ihm -lebenden Raub zu zeigen. Meist benutzte man dazu Tauben, denen man die -meisten Schwungfedern ausgerissen hatte, so daß sie mehr flatterten als -flogen, so daß sie vom Falken leicht zu schlagen waren. Dann durfte der -Falke von der Taube fressen. Später nahm man sie ihm ab und bot ihm -dafür das Ziget oder den kalten Flügel. Die ersten Stoßübungen machte -der Falke an einer langen Schnur, und erst wenn der Falkner des Vogels -sicher zu sein glaubte, wurde ihm die Fessel abgenommen. Nach und nach -brachte man den Vogel an größeres Wild und allmählich lernte er Enten, -Gänse, Fasanen, Hasen, Trappen, Weiher, Kraniche und Reiher schlagen. - -In zahlreichen mittelalterlichen Gedichten ist vom Falken die Rede; -denn damals war die Reiherbeize das Hauptvergnügen der großen Herren -weltlichen und geistlichen Standes. Überallhin, selbst zur Messe nahmen -sie wie ihren Hund, so auch den Falken mit sich. Die Beize konnte nur -bei gutem Wetter und am besten im Herbst geübt werden, da die Falken -im Frühjahr mauserten und dann äußerst empfindlich waren, im Winter -aber durch den Schnee geblendet wurden. In der Zeit der Hohenstaufen -war der Gebrauch der Lederhaube durch die Araber aufgekommen und wurde -an Stelle der Blendung durch Zusammennähen der Augenlider nicht nur -bei der Dressur, sondern auch später zu Hause und unterwegs öfter -aufgesetzt, um das Tier ruhig zu halten. Der Falke wurde vom Jäger oder -der Jägerin in der Weise auf der behandschuhten rechten Hand gehalten, -daß er mit den Fängen zwischen das Handgelenk und die gebogenen Finger -griff. Nie durfte die Schelle erklingen, wenn der Vogel richtig -getragen wurde. Die Fessel war um den kleinen Finger geschlungen; an -ihr wurde der Falke gehalten. Beim Ausritt mußte der Falke stets gegen -den Wind gerichtet sein und erst wenn er jagen sollte, nahm man ihm -die Haube ab. Eine solche Falkenbeize erforderte sichere Pferde, die -kein Hindernis scheuten, da man beim Dahinsausen in Verfolgung des -von den Stöberhunden aufgescheuchten Reihers die Augen mehr gegen den -Himmel zur Beobachtung der interessanten Flugkünste von Raubvogel und -Wild, als auf die Erde richtete und deshalb leicht stürzte. Besonders -war dies bei den in Seitensitz reitenden Damen der Fall, die im -Mittelalter das rechte Bein nicht um das Sattelhorn gelegt hatten, -sondern seitwärts im Sattel saßen, die Füße auf ein Brett gestellt. -Da konnte denn freilich der Halt kein sicherer sein. Auf einer -Reiherbeize verunglückte denn auch durch einen Sturz vom Pferd am 27. -März 1482, erst 25jährig, die immens reiche Tochter und Erbin Herzogs -Karl des Kühnen von Burgund, seit 1471 die Gemahlin des Erzherzogs -Maximilian von Österreich, des späteren Kaisers Maximilian I., dem sie -zwei Kinder, Philipp den Schönen und Margarete, geboren hatte. Auch -Maximilians zweite Gemahlin verunglückte auf einer solchen Jagd durch -Sturz vom Pferde. - -In Frankreich wurde die Beize auch vom Mittelstand geübt. Ritter, -Domherren, Bürger und Junker taten sich zusammen und ließen ihre Falken -und Sperber auf Rebhühner und Lerchen fliegen. Der Anblick des zu -Tode gehetzten Wildes bot diesen noch wenig feinfühligen Menschen die -schönste Augenweide und war ihre höchste Lust. In Tirol war schon seit -dem Jahre 1414 dem Adel verboten, Fasanen und Rebhühner auf eine andere -Art zu fangen als mit dem Federspiel. Kaiser Maximilian I. hat dann die -Reiherbeize in den österreichischen Erblanden neu belebt und an vielen -Orten auch Enten, zum Teil unter Aufwendung von erheblichen Kosten, -als Jagdwild hegen lassen. Auch auf seinen Reisen und Feldzügen übte -er die Jagd und das Beizen aus, ersteres am Vormittag und letzteres am -Abend. Allgemein wurde die abendliche Beize bevorzugt, weil dann der -Falke den größten Hunger hatte und die geringste Neigung zeigte, sich -zu verfliegen. - -[Illustration: Bild 58. Jäger mit Hund und Jagdfalk. - -(Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann.)] - -Noch im späteren Mittelalter wurde gezähmtes Edelwild gelegentlich zur -Jagd gebraucht, ebenso war der Fang vermittelst Antrieb gegen mitten -im Wald errichtete künstliche grüne Hecken beliebt, die im Zickzack -verliefen und an den offenen Winkelspitzen Netze in Beutelform -aufwiesen, in denen sich das hier auszubrechen versuchende Wild fangen -mußte, während die einspringenden Winkel durch Reisig geschlossen -wurden. War das Tier wie eine Fliege im Netz gefangen, so eilten die in -der Nähe versteckten Wachen herbei, um es zu töten. Dieses Jagen mit -_hag_ war ebenso bequem als ergebnisreich, wenn es gelang ein Rudel -Wild dagegen zu treiben. Nach und nach wurden die feststehenden Hecken -durch die beweglichen Netze und hohen Tücher verdrängt, denen schon -Roy Modus und Foix im 13. Jahrhundert den Vorzug gaben. Ein Hauptgrund -für die Aufgabe der Hecken war auch die Wilderei, der dadurch Vorschub -geleistet wurde. - -Außer in solchen Hecken wurde das Wild wie früher auch in Fallgruben -gefangen. Diese waren unten weiter als oben und mit Zweigen verdeckt. -Von der Fallgrube gingen zwei oder vier Hecken in schräger Richtung -ab, welche das nahende Wild zwangläufig nach der Grube führten, in die -es hineinstürzen mußte. Die Gruben für Schwarzwild und Raubzeug wurden -im Walde, die für Rotwild dagegen im Freien angelegt. Auch Fallen und -Schlingen wurden noch gelegt, besonders für die kleineren Tiere und -Vögel. Letztere wurden außerdem auch mit Netzen und Leimruten gefangen, -wobei allerlei Lockvögel zu Hilfe genommen wurden. Habichte und Falken -köderte man mit einem Huhn und fing sie in Schlingen. Sperber dagegen -lockte man durch einen andern Sperber, der in einem Bauer saß. Auch -solche ältere Vögel wurden zur Jagd abgerichtet. Wenn sie dabei dem -Falkner auch mehr zu schaffen gaben als die jungen, aus dem Nest -genommenen Vögel, so lohnten sie andererseits die vermehrte Mühe durch -größere Kühnheit und waren daher sehr beliebt. - -Bären und Wölfe wurden mit Selbstschüssen zu erlegen versucht; man -fing sie auch in der Schlinge und in Schlagfallen und jagte sie mit -Spürhunden vielfach in mit Netzen eingehegten Revieren. Die noch immer -zahlreichen Wölfe suchte man in Fallgruben und an Luderplätzen mit -vergiftetem Fleisch unschädlich zu machen. In ähnlicher Weise wurde den -Füchsen nachgestellt, die im Altfranzösischen _gupil_ und erst später -_renard_ -- wohl eine Nachbildung von Reinecke -- genannt wurden. Die -Fischotter wurden wegen des Schadens, den sie in den Fischteichen -anrichteten und wegen des gesuchten Pelzwerks, das nach Albertus Magnus -zur Verbrämung anderer Pelzarten gebraucht wurde, in Schlingen, Netzen -und Fallen gefangen oder mit Spürhunden gejagt. Ihr Fleisch galt wie -das des Bibers als Fastenspeise und wurde als solche in den Klöstern -gern gegessen. - -[Illustration: Bild 59. Hetzjagd auf Wölfe mit Netzen. (Holzschnitt von -Jost Ammann 1582.)] - -Wie das Rotwild wurden auch die Gemsen von Kaiser Maximilian I., den -man gern als letzten Ritter bezeichnet, durch Treiber mit Hunden zu -Tal gehetzt und an Engpässen in Netzen gefangen oder durch Hecken und -Netze zwangläufig vor die Armbrust oder den Wurfspieß des hohen Jägers -und seiner Gäste geführt. Der Kaiser erzählt selbst im Weißkunig durch -die Feder seines Hofschreibers, M. Treizsaurwein, daß er im Tal Smyeren -in Tirol eine Jagd hatte, bei der 600 bis 1000 Gemsen ins Jagen kamen, -und daß einmal 183 Stück gefangen worden seien. Als erster hat er -seinen Untertanen gegenüber behauptet, ohne es allerdings beweisen zu -können, daß die Jagden „Kaiserliche Regalia“ seien. Nur er wollte die -Jagd in seinen Erblanden, die durch Fälschung von Freiheitsbriefen von -den Habsburgern zu einem selbständigen Herzogtum gemacht worden waren, -ausüben und bestrafte jeden Jagdfrevel der Bauern, die gerade in Tirol -auf ihr altangestammtes Recht der Jagd pochten, aufs strengste, ja -nicht selten mit den Tode. So ließ er auch den Bauern Mathäus Sailler -von Zirl, der unbefugt auf der Pirsch angetroffen wurde, kurzerhand -an den Galgen hängen. Schon im Jahre 1414 war in Tirol verordnet -worden, daß niemand ohne landesfürstliche Erlaubnis Hirsche, Rehe, -Bären, Gemsen oder graue Hasen jagen oder fangen dürfe; ausgenommen -war der Adel, der auf seinen Besitzungen die Jagd behielt. Schon auf -dem Landtage zu Bozen im Herbst des Jahres 1478 klagten die beim -Jagdvergnügen der Herren zur Fron gezwungenen Bauern über Wildschaden. -Aber es wurde ihnen versagt, sich dagegen selbst zu helfen. Erst -bei Maximilians Tode am 12. Januar 1519 in Wels ließ sich der lange -verhaltene Grimm der Bauern nicht mehr dämpfen und sie begannen alsbald -einen rücksichtslosen Vernichtungskrieg gegen alles Wild, das der -Kaiser für seine Jagden in den Tiroler Bergen gehegt hatte. - -Das ganze Mittelalter hindurch wurde keinerlei Schonzeit für das Wild -gehalten und mit Vorliebe wurden auch trächtige Tiere gejagt. So findet -es der Verfasser des Roy Modus sehr unterhaltend, die säugende Hinde -zu hetzen. Am besten jagt man nach seiner Auffassung das Tier, wenn -es hochträchtig ist, wegen der schönen Jahreszeit im Mai und Juni. -Ist aber das Hirschkalb schon gesetzt, dann kehrt die Mutter auf der -Flucht oft zu ihm zurück, wenn es nicht rasch genug folgen kann, -und wagt nicht, es zu verlassen. Solches zu beobachten gewähre ein -besonderes Vergnügen. Zuweilen sei das Tier mit Kalb feister als ein -geltes Tier. „Findest du also ein Tier mit Kalb, gib dir Mühe, es mit -dem Leithund zu bestätigen und laß die Hunde danach jagen.“ Führwahr, -Mitleid kannten die Menschen jener Zeit nicht! Sie ergötzten sich an -dem Anblick, wenn die vom Jagdsperber verfolgte Lerche, die bei den -Menschen Schutz suchend sich unter sie warf, vom Raubvogel erwürgt -wurde. Roy Modus sagt von einer solchen Schilderung: „Wenn der Sperber -sie dann fängt, das ist ein köstliches Vergnügen!“ Der feingebildete -Albertus Magnus, Bischof von Regensburg, sagt, daß der Gerfalke mit -frischem, noch warmem Fleisch gefüttert werden müsse. Deshalb ließ -man ihn vom noch lebenden Tiere fressen. Darum rissen etliche Falkner -einer lebenden Henne einen Schenkel aus und am nächsten Tag den andern, -um dem Falken ein schmackhaftes Gericht zu bieten. Der große Albert -tadelt zwar solches, aber nur deswegen, weil am zweiten Tage das -Fleisch nicht mehr gut sein könne „von wegen der hitz, so der schmertz -erwegt“. Die unmenschliche Grausamkeit, der solche Handlung zugrunde -liegt, empfindet der fromme Graf von Bollstädt nicht als solche. Der -große Weidmann Maximilian I., der sich schon als Herzog von Österreich -den Rang eines Kurfürsten anmaßte und sich „des heiligen Römischen -Reichs Erzjägermeister“ nannte, ließ sich mit Vorliebe das gehetzte -Wild in einen See treiben, um es dort gemächlich vom Schiff aus zu -töten. Einmal schoß er eine hochträchtige Hirschkuh, die alsbald nach -der schweren Verwundung ein Kalb gebar, „bevor Er noch die Pluetthundt -daran hat gehetzt“, wie er uns selbst in seinem geheimen Jagdbuch -erzählt. Das Wort Edelmann, das damals von solch großer Bedeutung -war, kommt vom angelsächsischen _ead_ oder _ed_, dem altdeutschen -_ôd_ Besitz und heißt nur der (an Grundbesitz) reiche Mann; mit edler -Gesinnung und Edelmut hatte es durchaus noch nichts zu tun. Solcher -Erwerb ward erst einer späteren, feiner fühlenden Zeit vorbehalten, -die nicht mehr unter Umständen ein Menschenleben geringer achtete als -dasjenige eines aus purem Egoismus gehegten Wildes. Derselbe fürstliche -Kerl, den sein Leibeigener, der rechtlose Bauer, mit seinen zahlreichen -Dienern und der oft hunderte von Hunden umfassenden Meute ohne Entgelt -füttern mußte, hing ihn kurzerhand an den Galgen, wenn er sich dessen -weigerte, und niemandem hatte er ob solcher Schurkerei Rechenschaft -abzulegen. - -Was diese Edelleute im Mittelalter an dem ihnen untergebenen rechtlosen -gemeinen Volke gesündigt haben, ist zu bekannt, als daß hier weiter -darauf eingegangen werden mußte. Der fromme Cyriacus Spangenberg -sagt in seinem 1561 erschienenen Jagdteuffel: das Sprichwort sage, -ein Edelmann solle vor dem 60. Jahr nicht wissen, daß er eine Seele -und ein Gewissen habe, sonst könne er nicht zu Geld kommen. Die Jagd -wurde immer mehr zu einem Hoheitsrechte, die der Landesfürst allein -sollte ausüben dürfen. Der Grundbesitz des Landesherrn umfaßte außer -dem _allodium_, dem ererbten Familienbesitz, und dem _beneficium_, -den Bodenflächen, mit denen ihn einst der Kaiser belehnt hatte, noch -allerlei eingezogene Güter. Auf diesen übte er allein die Jagd aus, wie -auch in den Bannwäldern, die sein Haus sich mit der Zeit zu verschaffen -gewußt hatte. Beständig suchte die fürstliche Jägerei ihre Rechte zu -erweitern und auf alle Reviere auszudehnen, in denen noch ein Rudel -Wild stehen konnte. Schon im Jahre 1499 beschwerte sich beispielsweise -die Ritterschaft in Landshut, daß die fürstliche Jägerei auf den -Lehen die hohe Jagd ausübe und auch mit der kleinen Jagd sich viel zu -schaffen mache. Im Jahre 1516 wurde zwar Prälaten, Edelleuten und -den Geschlechtern in den Städten, „da sy es von alter hergebracht -haben“, die Jagd auf Rehe, Wildschweine und Bären eingeräumt sowie die -Niederjagd ausdrücklich zugewiesen, aber das Hochwild behielt sich -der Herzog selber vor. Er setzte damit den tatsächlich schon vorher -bestehenden Unterschied zwischen hoher und niederer Jagd gesetzlich -fest. Und die von ihm angestellten Pfarrer mußten von der Kanzel herab -dem Volke verkünden, daß die Jagd allein der hohen Obrigkeit gebühre, -die Luther als von Gott eingesetzt und deshalb schon an sich göttlich, -d. h. gottähnlich, bezeichnet hatte. - -Je mehr die großen Grundbesitzer in ihrer Eigenschaft als Landesherren -erstarkten, um so despotischer traten sie auf, um so weniger nahmen -sie Rücksicht auf das Wohl ihrer Untertanen. Sie dehnten den Wildstand -möglichst aus, um so ausgiebig wie möglich dem Jagdvergnügen zu frönen -und die Jagdküche stets reichlich mit Wildbret zu versehen. Mochte -dabei auch das Wild die Äcker der Untertanen verwüsten und oft in -einer einzigen Nacht die Früchte von des Bauern vielmonatlichem Fleiß -vernichten. Es war ihm nicht einmal erlaubt, auf eigene Kosten seine -Felder gegen die Verwüstungen von seiten des herrschaftlichen Wildes zu -schützen, indem ihm die Errichtung von Zäunen untersagt war. Erst wenn -er nachweisen konnte, daß seine Hufe von Urväter Zeiten her eingezäunt -waren, wurden ihm solche erlaubt. Aber diese mußten so niedrig sein, -daß das Hochwild darübersetzen konnte, so daß also auch sie keinen -Schutz der Flur gewährten. - -Wenn irgendwo von einem Herrn ein Wildstand herangezüchtet werden -sollte, so nannte man das „ins Gehege legen“, weil man einst im -Mittelalter die Bannforste durch eine Hecke einzuschließen pflegte, -damit das Wild nicht auswechsle. Mit dem Erstarken der fürstlichen -Macht, die niemand außer sich selbst zu jagen gestattete, hielt man -die Einhegung nicht mehr für erforderlich, da die Untertanen ja doch -kein Wild erlegen durften und es dem Landesherrn willkommen war, wenn -es auf den dem Wald benachbarten Feldern Äsung suchte; dann brauchte -er es nicht zu füttern und sparte sein Geld. Die Besitzer der vom -Fürsten ins Gehege gelegten Felder durften diese nicht bebauen, wie -sie wollten, die Wiesen nicht abmähen und kein Vieh auf sie treiben, -ja in der Satzzeit sie nicht einmal betreten. Half sich etwa ein Bauer -selbst gegen den ihm zugemuteten Wildschaden oder ließ er es sich -gar in den Sinn kommen zu wildern, so wurde er aufs grausamste an -Leib und Gut bestraft. Wie der bereits erwähnte Cyriakus Spangenberg -1561 schreibt, wurden „etlichen unterthanen umb eines Hasen willen -die Augen ausgestochen, hende oder füsse abgehauen, nasen und ohren -abgeschnitten und dergleichen unmenschlichkeiten an inen begangen. -Aber es wolt lang werden, solch’s alles zu erzehlen.“ Und der -Konsistorialrat M. Rebhan in Eisenach meint: „Wie mancher Fürst oder -Edelmann straffet denjenigen härter, der ein Wild umbbracht, als der -einen Menschen ermordet hat.“ Im Jahre 1537 entkam dem Erzbischof -Michael von Salzburg ein angeschossener Hirsch und flüchtete sich in -das Kornfeld eines Bauern, wo er verendete. Statt ihn an seinen Herrn -abzuliefern, behielt ihn der Bauer, der arm war und viele Kinder zu -ernähren hatte. Als der Erzbischof davon erfuhr, ließ er den Mann -sofort fesseln und ins Gefängnis abführen und befahl seinem Richter, -Gericht über ihn zu halten und ihn zum Tode zu verurteilen. Da aber der -Richter, der menschlich mit dem armen Manne fühlte, das Todesurteil -nicht fällen wollte, ließ der Erzbischof den Bauern stracks in das Fell -des vorgefundenen und verzehrten Hirsches nähen und ihn dann vor allem -Volk auf dem Marktplatz von seinen englischen Doggen zerfleischen und -zerreißen, wobei er selbst ins Jägerhorn stieß und sich am Anblick -der Qualen des armen Mannes ergötzte. Gehängt und gevierteilt werden -war sonst die gewöhnliche Strafe für Jagdfrevel. Nur adelige Wilderer -kamen mit sehr hohen Geldstrafen davon. Natürlich hatten die Bauern -dem Herrn schwer zu fronen und ohne Entschädigung nicht nur die -Jagdangestellten, sondern auch deren Pferde und die große Hundemeute -zu füttern und Treiberdienste bei der Jagd zu tun, wobei ihnen in der -grimmigen Winterkälte oft genug die Zehen erfroren. Nach Wagner war im -Herzogtum Württemberg die Jägerei die Hälfte des Jahres unterwegs in -einer Zahl von 30-40 Mann mit ebensoviel Pferden und einem Heer von -Hunden, das sich auf 600 bis 800 Stück belief. Dieser Schwarm legte -sich mit Vorliebe in die Klöster, wo solche noch vorhanden waren, -oder auf die großen Gutshöfe, aus dem einzigen Grunde, weil er sich -da besser aufgehoben wußte als bei den Bauern, die selber nichts zu -beißen hatten und eben für gut genug geachtet wurden, die Hunde für den -Herrn aufzuziehen. Dabei waren diese herrschaftlichen Jagdangestellten -durchaus nicht bescheiden in ihren Ansprüchen und erzwangen sich oft -unter Anwendung von Gewalt eine bessere Bewirtung. So hatte zwar die -Württembergische Jagdordnung bestimmt, daß die Jäger des Morgens eine -Suppe und Brot und des Mittags wie des Abends vier Gerichte, dazu an -Wein 1¼ bis 2 Maß pro Mann, der Herr Windmeister aber 5 Maß erhalten -sollten; als aber diese Jagdbediensteten im Kloster Bebenhausen 1607 -nur ein Vorgericht, dann Suppe und Fleisch mit süßen Kirschen und -Äpfelschnitzen, nachher gesalzenes Fleisch und Bratwurst und zum -Nachtisch Käse aus Münster, Lebkuchen aus Nürnberg und frisches Obst in -Form von Äpfeln und Birnen zu essen bekamen, beklagten sie sich schwer -bei ihrem Herrn und bekamen in der Folge auch Recht. Künftighin mußten -sie besser bewirtet werden. - -Ursprünglich hatte der Königsdienst die Pflicht der Herberge und -Speisung des Gebieters mit seinem ganzen Anhang und Troß mit umfaßt, -weil noch keine Gasthäuser vorhanden waren. Diese Königsrechte gingen -dann auf die Stellvertreter, die Grafen, und in der Folge auf die -Landesherren über, die sich das Recht anmaßten, die Leistungen der -Untertanen selbst zu regeln. Auch alle Steuern gingen einst aus dem -alten Königsdienst hervor und hafteten ursprünglich auf dem Boden und -nicht auf der Person. Erst im 15. Jahrhundert fingen die Landesherren -an, die Steuer auf die fahrende Habe umzulegen. Mit dem Recht der -Steuer übernahmen sie zugleich auch das am Boden haftende Recht der -Atzung und Herberge, das sie dann auf ihr Jagdbedientenpersonal -übertrugen. In Hessen-Kassel ward 1681 noch bestimmt, daß die Städte -und Dörfer, welche durch die Jagden berührt wurden, für das gesamte -Jagddienstpersonal und deren Pferde sorgen sollten. Erst als diese -Gastlichkeit infolge der Begehrlichkeit des Jagdbedienstetenpersonals -zur wahren Landplage wurde, entschloß man sich im 17. Jahrhundert zur -Ablösung derselben durch eine jährliche Zahlung, die beispielsweise für -das Stift Kaufungen seit 1629 500 Taler betrug. - -[Illustration: - - Tafel 63. - -Reste einer Reihe alternierender, im anstehenden Kreidekalk -ausgehauener Wildfanggruben der Solutréenzeit bei Laugerie haute in -der Dordogne (Südfrankreich). (Eigene Aufnahme des Verfassers, der in -der vordersten steht, um die noch jetzt vorhandene Tiefe derselben zu -zeigen.)] - -[Illustration: Fürstliche Wasserjagd im 18. Jahrhundert. Nach einem -Stich von J. E. Ridinger (1695-1767).] - -[Illustration: - - Tafel 64. - -Hirschjagd mit Leithunden. Nach einem Stich von J. E. Ridinger -(1695-1767).] - -[Illustration: Vogeljagd mit Leimruten und Lockvogel. Nach einem Stich -von J. E. Ridinger (1695-1767).] - -Aus reinem Egoismus und nicht aus moralischen Bedenken kam es im -16. Jahrhundert an den aufgeklärteren Höfen zur Aufstellung einer -Schonzeit, wenigstens so lange das Wild minderwertig war. So kamen 1521 -Hessen und Henneberg mit unter den ersten überein, die Jagd auf Rotwild -„in der Kalbung“ ruhen zu lassen, und diese Einschränkung wurde zehn -Jahre später auf die Zeit von Anfang März bis Anfang Juli erweitert. -Für Mecklenburg ward 1562 eine geschlossene Jagdzeit festgesetzt -und bald folgten ihm darin auch andere Staaten. Aber erst im 17. -Jahrhundert gelangte man allgemein zur gesetzlichen Aufstellung einer -Schonzeit und zur moralischen Verurteilung vor allzu groben Verstößen -gegen weidgerechtes Jagen, wie solches heute als selbstverständlich -geübt wird. Sonst stand die Jagd auch damals noch in sittlicher -Beziehung auf einer recht tiefen Stufe, wie die Herren, die sie übten, -denen das täglich geübte Sichbesaufen die wichtigste Beschäftigung war. -Mit den geistlichen Herren stand es auf katholischer Seite selbst -nach der Reformation nicht besser als mit den weltlichen. Wie der Adel, -so nahm auch die hohe Geistlichkeit noch immer Jagdfalken und Hunde -mit in die Messe, so daß der Gang der gedankenlos heruntergeleierten -heiligen Handlung und der eintönige Gesang der Priester vom Bellen -der Hunde unterbrochen wurde. Auch die Geistlichkeit brachte die -Feiertage mit Jagen zu und hatte oft mehr Jagdhunde als die weltlichen -Landesherrn. Der Übermut der Herren und des von ihnen geschützten -Jagdpersonals kannte keine Grenzen und erlaubte sich gegen die Bauern -und deren Weiber und Kinder Eingriffe, die sich hier nicht wiedergeben -lassen. - -Die allgemein geübte Jagdart in Deutschland war das „Jagen am -Zeug“, wobei der betreffende Bezirk so gut wie möglich umgrenzt und -abgeschlossen war, um ein Entweichen des Wildes zu verhindern. Während -aber im Mittelalter außer den Warten vorzugsweise lebende grüne Hecken -mit Schlingen und beutelförmigen Netzen in den Durchgangsöffnungen -Verwendung fanden, wurden im 16. und 17. Jahrhundert neben solchen -vorzugsweise Fallnetze benutzt, die den großen Vorzug hatten, beweglich -zu sein und nach Bedarf an verschiedenen Orten aufgestellt werden zu -können. Nachdem der betreffende Bezirk morgens mit Berücksichtigung -des Windes in aller Stille mit Fallnetzen und Wachen umstellt -war, wurde die Hundemeute auf die vorher bestimmte Fährte gesetzt -und die Treibjagd ging los, indem die Treiber das eingeschlossene -Wild mit den hinter ihm herstürmenden Hunden den Hecken und Netzen -zutrieben. Letztere schlugen als Fallnetze über dem angstvoll einen -Ausweg suchenden Wilde zusammen und hielten es fest, bis die in der -Nähe versteckten Warten es abstechen konnten. Die früher geübte -kunstgerechte Spurjagd war jetzt ausgeschlossen. Die Hunde jagten -nicht mehr nach der Nase, sondern nach den Augen und verfolgten jedes -Wild, das ihnen begegnete, in gleicher Weise, so daß es innerhalb des -sich gegen die scheinbar offene, tatsächlich aber mit Netzen umstellte -offene Seite verengernden Treibergürtels ein wüstes Durcheinander von -einzelnen bellenden, jagenden Hunden und angstvoll flüchtendem Wild -gab. Die Warten waren hinter grünen Schirmen aus Laub innerhalb des -Triebes vor den Fallnetzen versteckt und hetzten, sobald das flüchtende -Wild auf die Netze zukam, ihre Windhunde hinter ihm her, so daß es aus -Schrecken vor diesen und dem Geschrei der Warten in die Netze lief -und hier alsbald abgestochen werden konnte. Um dem Grundherrn, seinen -Damen und Gästen Gelegenheit zu geben, diesen kritischen Moment der -Jagd zu beobachten und sich am Abstechen des wehrlosen Wildes höchst -eigenhändig zu beteiligen, waren neben den Schirmen der Warten mit den -Windhunden auch solche für die hohen Herrschaften errichtet. Stellte -sich ein Hirsch den Hunden, so suchte man ihn zu schießen, wenn er sich -nicht von der Seite her, während ihn die Hunde beschäftigten, erstechen -ließ. Das getötete Wild wurde auf der Stelle zerlegt, das Fleisch -verteilt oder auf bereitstehende Wagen für die Hofküche verladen und -den Hunden die nicht vom Menschen beanspruchten Eingeweide überlassen. - -Ein Überlandjagen in Form von Verfolgung des Hirsches zu Pferd -im freien Revier ohne Hecken und Netze war damals in Deutschland -eine große Ausnahme und kam erst im darauffolgenden Zeitalter auf, -während solches in Frankreich noch immer üblich war. Das klassische -französische Werk des 16. Jahrhunderts über die Hetzjagd mit Spürhunden -ist die _venerie_ von Fouilloux. Dieser Autor rechnet zur venerie nur -die Hetzjagd von Hirsch, Reh und Hase, nicht aber die des Wildschweins, -weil letzteres mit Rüden gehetzt werde. Fuchs und Dachs dagegen wurden -statt mit _chiens courants_ mit _chiens de terre_ gejagt. - -Bevor die Jagdgesellschaft zur Hirschhetze aufbrach, hatte sie -gut gespeist und so reichlich getrunken, daß die ganze Jagd in -angeheitertem Zustande vor sich ging. Sie verlief ähnlich der bereits -geschilderten des 14. Jahrhunderts, ebenso die Sauhatz, zu welcher -zahlreiche Hunde bereit gehalten wurden. So erschien 1592 Herzog Julius -von Braunschweig zur Sauhatz an der Oberweser mit nicht weniger als 600 -Jagdhunden, Saurüden oder Hatzhunde genannt. Man schätzt die Zahl der -alljährlich den Saujagden zum Opfer fallenden Rüden für Deutschland -allein auf 20000 Stück. Die Schäfer waren in den meisten Gegenden -dazu verpflichtet -- natürlich ohne irgend welche Entschädigung -- -jährlich je einen Hund zu stellen. Taten sie es nicht, so wurden sie -mit der Wegnahme von fünf Hammeln gestraft. Da man so billig zu den -Hunden kam, wurden sie auch nicht geschont und mit Vergnügen wütenden -Ebern geopfert. Landgraf Philipp von Hessen, der von jedem Untertan -„so Schafe und einen Pferch hat“ alljährlich einen Rüden verlangte und -ihm im Falle des Nichtleistens das Recht zur Schäferei nahm, erlegte -im Jahre 1561 auf den Sauhetzen, an denen er persönlich teilnahm, 1714 -Sauen. Der Reinhardtswald allein lieferte ihm 1563 1072 Wildsauen, und -sein Nachfolger, Landgraf Wilhelm, fing 1584 in einem einzigen Jagen -daselbst 133 Sauen. Welch eine Metzelei setzte es ab, eine solche Menge -von Tieren in den Netzen abzustechen, und wie mögen die armen Bauern -geseufzt haben, wenn ihnen diese so zahlreich auftretenden Borstentiere -ihre Äcker verwüsteten. In der Jagd auf die Wildsau war insofern eine -Verfeinerung vom Mittelalter bis zum 16. Jahrhundert eingetreten, als -die Bracke, die damals auch zur Sauhatz verwendet wurde, als zu edel -dafür galt und man sich dabei meist mit minderwertigen Hunden behalf. -Eine wichtige Rolle spielte auch die Jagd auf den Wolf, für dessen -Vertilgung die Bauern ihrem Herrn eine besondere Steuer bezahlen mußten. - -[Illustration: Bild 60. Sauhatz. Der Mann zu Fuß bedient sich der -Saufeder zum Abstechen des Ebers. (Nach einem Holzschnitt von Jost -Ammann in „Das neuw Jag und Weydwerck Buch“, Frankfurt 1582.)] - -Die Hatzjagd auf Hasen wurde von dem deutschen Adel mit Windhunden -geübt, während in Frankreich die allerdings feinere Jagd mit Spürhunden -bevorzugt wurde. Sie machte im allgemeinen auch mehr Freude als -die Hirschhetze, da man die Hunde besser sah und diese auch mehr -zusammenhielten. Die Hasenmeute betrug 12 bis 16 Hunde und war -gewöhnlich zahlreicher als die Hirschmeute. Sie arbeiten zu sehen -war wie im Mittelalter das Entzücken derer, die sich den echten -jägerischen Geist bewahrt hatten, wie er im 12. bis 14. Jahrhundert in -Frankreich wie in Deutschland herrschte. Die Technik dieser Jagd war -ebenfalls ähnlich derjenigen des Mittelalters. - -Um die Mitte des 16. Jahrhunderts verdrängte die Büchse die Armbrust, -besonders seitdem 1517 in Nürnberg das Radschloß erfunden worden war, -das die Lunte überflüssig machte. Sie hieß auch Pirschrohr und danach -nannte man die Jagd, bei welcher man sich ihrer bediente, im Gegensatz -zum Hetzen Pirschjagd. Doch war sie im allgemeinen wenig beliebt und -galt nicht für weidmännisch. Nichtsdestoweniger brach sie sich mehr und -mehr Bahn, weil sie billiger war als die mit jagenden Hunden. So fand -sie besonders an kleineren Höfen zuerst Eingang. Landgraf Wilhelm von -Hessen erlegte 1582 durch Pirschen 345 Stück Wild und nur 307 durch -Jagen. Auch der Schrotschuß taucht bereits im 16. Jahrhundert auf; 1556 -wird er zuerst erwähnt. - -Beim Pirschen auf Rotwild trat alsbald nach dem Schusse der Bluthund in -Aktion, indem er, von der Leine gelöst, das Wild verfolgte und, wenn -er es eingeholt hatte, zu packen und niederzureißen versuchte. Da in -dem vom deutschen Geistlichen Johannes Colerus um 1600 in Wittenberg -herausgegebenen lateinischen immerwährenden Kalender Leit- und Bluthund -stets zusammen genannt werden, muß man annehmen, daß der Leithund -damals auch zur Blutarbeit verwendet wurde. Wegen dieser Bestimmung -sollte er groß und stark sein, damit er das Wild niederreißen konnte. -So wurde er wie die Jagdhunde im allgemeinen mit Windhund- und -Doggenblut gekreuzt, und so entstand eine starke Spürhundrasse wie -sie mit zuerst das Neue Jagd- und Waidwerkbuch von Feyerabend 1582 -auf Seite 11 zeigt. Auch die Bilder von Jost Ammann zeigen uns solche -durch Kreuzung erzielte auffallend große Jagdhunde. Aus diesen schweren -Spürhunden entstand dann der schwere Typ der deutschen Vorstehhunde, -wie er sich an manchen Orten bis in die zweite Hälfte des 18. -Jahrhunderts erhielt. - -In dem Maße wie der Adel durch das Regal des Landesfürsten das Recht -der Jagd verlor, schwand auch die Falkenbeize, die sich im Mittelalter -durch die Begeisterung des Ritterstandes so hoch erhoben hatte. Solange -das Kornfeld, das der Reiterzug bei der Falkenbeize durchjagte, dem -Bauern gehörte, hatte der Adel keinen Anstoß an dieser Art Jagd -genommen; nun aber das Korn sein eigen war und durch die Leibeigenen -gepflanzt wurde, wurde er andern Sinnes und wollte seine Felder -geschont wissen. Er hatte auch keine Lust mehr dazu, den Tag am Hofe -zu verbringen und mit seinen Falken zu vertändeln, mußte vielmehr auf -seinem Gute nach dem Rechten sehen und seine Hörigen beaufsichtigen, -damit sie gehörig für ihn arbeiteten. Auch hatte die Küche wenig Nutzen -von der Falkenbeize, die viel Geld kostete, nicht nur für die Zähmung -und den Unterhalt der Falken, sondern auch für die selten gewordenen -Reiher, die künstlich im Reiherhaus aufgezogen werden mußten, wenn bei -Bedarf kein Mangel daran vorhanden sein sollte. - -An Stelle der deutschen Ordensherrn von Marienburg hatten die Könige -von Dänemark die Lieferung von Falken übernommen, mit denen sie die -meisten Höfe, die sich diesen Luxussport noch leisteten, zu versorgen -pflegten. Alljährlich sandten sie ein Schiff nach Island und ließen -von dort die geschätzten weißen Wanderfalken holen, die sie durch ihre -Falkner an die Höfe verteilen ließen, wobei diesen für jeden Falken -eine Gabe von 12-16 Talern ausgehändigt wurde. Die hessischen Fürsten -erhielten jedes Jahr durchschnittlich sechs Falken zu ihrem ziemlich -großen Bestand, für dessen Unterhalt die Falkner ungefragt auf den -Dörfern die erforderlichen Hühner und Tauben selbst nehmen durften. -In andern Herrschaftsgebieten war der Taubenzehnte eingeführt, der in -Hessen im Jahre 1703 in eine feste Abgabe von 400 Tauben umgewandelt -wurde. Landgraf Moritz von Hessen-Darmstadt untersagte 1593 seinen -Untertanen ganz die Jagd mit den Falken, „dass wir selbsten unsere -Lusten damit gern haben wollten.“ Auch am Hofe zu Kassel wurde die -Falkenjagd nach dem Dreißigjährigen Kriege wieder eingeführt; sie -hielt sich dort bis ins 18. Jahrhundert. In Württemberg dagegen -ging die Beize schon mit dem 17. Jahrhundert zu Ende und ward 1714 -gänzlich abgeschafft. Der Reiher wurde nicht mehr gehegt, sondern zum -Raubvogel erklärt, und 1726 wurde ein Preis auf seinen Kopf gesetzt. So -kehrte die Jägerei zur alten Jagdweise der Markgenossen, zum Habicht -und Sperber der Volksrechte zurück. Sie kaufte die Beizvögel von -umherziehenden Falknern, fing sie wohl auch selber mit Schlaggarnen -am Finkenherd ein, wenn sie auf die Lockvögel stießen, selten zog -sie selbst Nestlinge auf, weil dies sehr beschwerlich war. Allgemein -im Brauch war noch die Hasenbeize. Dabei suchten 2-3 Stöberhunde das -Feld nach Hasen ab, während der Jäger mit dem Vogel auf der Hand zu -Pferde folgte. Am Riemen wurden einige Windspiele mitgeführt, die dann -dem ergriffenen Hasen, dem vom Raubvogel zuerst die Augen ausgehackt -wurden, den Garaus machten. Auch auf das Feldhuhn wurde der Habicht -gern geworfen. Wie ein Pfeil schoß er hinter der Hühnerkette her und -griff ein Huhn heraus. Die andern ließen sich vor Schreck zu Boden -fallen und lagen nun so fest, daß der Hund sie greifen oder der Jäger -mit der Hand sie aufheben konnte. - -Im 18. Jahrhundert besaß der große Grundbesitz unbeschränkte Macht. -Mit Verachtung sah er auf alle Bürgerlichen und noch vielmehr auf -die leibeigenen Bauern herab, mit denen er in der gewissenlosesten -Weise verfuhr und sie auf das schamloseste ausbeutete. Zäune zur -Abhaltung des sich stark vermehrenden Wildes von den Äckern waren -verboten oder, wo sie, wie beispielsweise in Sachsen von 1775 an „aus -Landesmütterlicher Vorsorge“ den Untertanen gestattet waren, durften -sie nur um Kohl- und Obstgärten gezogen werden und mußten so nieder und -die einzelnen Pfähle oben stumpf sein, daß das Rotwild darübersetzen -und sich dabei nicht verletzen konnte. Einzig das Schwarzwild wurde -dadurch abgehalten. Im Jahre 1718 erließ der Herzog von Württemberg -das Reskript, daß alle Zäune seines Landes mit Ausnahme der Zäune -an der Landesgrenze niedergelegt werden sollten. Den Bauern wurde -untersagt, auf ihren eigenen Gütern das Laub zusammenzurechen und die -Eicheln aufzulesen, damit sie dem Wilde als Lagerstatt und Futter -dienen konnten. Auch Hunde durfte der Bauer nicht fortlaufen lassen -oder gar zum Verscheuchen des Wildes von seinen Äckern verwenden. In -ganz Württemberg war während des 18. Jahrhunderts das Halten von Hunden -überhaupt verboten. So blieb dem Bauern, der etwas ernten wollte, -nichts anderes übrig, als selbst oder durch seine Familienangehörigen -den ganzen Tag und die Nacht hindurch die Felder zu bewachen, damit -das Wild, besonders die Sauen, dieselben nicht verwüsteten. So mußten -allein in Sachsen Nacht für Nacht 4000 Menschen wachen, damit der -despotische Landesvater gelegentlich auf die Jagd gehen konnte. Auf das -heutige Deutschland übertragen, mußten für die Bewachung der Felder in -der Nacht wenigstens 68000 Menschen allnächtlich ihren Schlaf opfern, -und diesen schweren Dienst mußten die größtenteils von der Fronarbeit -am Tage ermüdeten Leute vielfach bei Regen und Kälte verrichten. Das -Rotwild, dessen Bestand von Seckendorf 1656 für Sachsen auf 3000 -Stück geschätzt wurde, durchstreifte truppweise die Felder, wenn -das Getreide reifte, und machte sich daselbst bequeme Lagerstätten. -Von den Sauen aber, deren Sachsen nach derselben Schätzung damals -etwa 6000 aufwies, lag etwa ein Drittel beständig auf den Feldern, -unbeachtet der niederen Zäune, die sie mit Leichtigkeit zu überspringen -vermochten. So schreibt ein anonymer Sachse 1799 in einer Schrift -über die Schädlichkeit der Jagd: „Wer die Gegenden an der Elbe, z. B. -von Dresden bis Wittenberg, von Torgau bis Wurzen, wie auch die Gegend -von Colditz, Annaberg usw. durchreitet, der wird in den dortigen -Feldern, wenn er die von diesen Tieren vernichtete Hoffnung des armen -Landmannes sieht, sich selbst zum Jammer und Mitleid gerührt fühlen -und die Stimme der fröhlichen Jäger vor den Klagetönen der über ihren -Verlust Jammernden nicht hören können. -- Im Jahre 1777 reisete ich in -das Erzgebirge nach Elterlein, einem Städtchen, welches unweit Annaberg -liegt. Hier sprach ich unter andern Einwohnern auch den Stadtrichter. -Dieser Mann zeigte mir eine schriftliche Taxe, welche einen Verlust -von 5000 Talern betrug, den die wilden Schweine nur diesem kleinen -Städtchen zugefügt hatten.“ Und Franz Philipp Florinus schreibt in -seinem 1751 in Nürnberg erschienenen _Oeconomus prudens_ vom Rotwild: -„Im Sommer liegt es bei nächtlicher Weile im Getreide und läßt sich von -den Wachfeuern und dem Geheul der Bauern fast wenig abschröcken, maßen, -sobald es aus einem Samen herausgetrieben wird, gleich in den nächsten -und besten hineingehet.“ - -In Württemberg war es nicht anders. Schon im 17. Jahrhundert wollten -die Klagen über den Wildschaden nicht aufhören. Wenn diese zu laut -wurden, ließ der Herzog etwa eine Hetze abhalten und zwang die Bauern, -ihm das Wildbret, für das er keine Verwendung hatte, zu teurem Preise -abzukaufen und selbst zu essen. Der Wildstand im damaligen Württemberg -betrug rund 9000 Stück Edelwild und 2000 Sauen. In der Zeit von -1770-1790 wurden durchschnittlich 3300 Stück Rotwild und 1100 Sauen -jährlich bei den Hofjagden erlegt. Die Hofküche aber brauchte (nach -einer Berechnung vom Jahre 1679) nur etwa 300 Stück Rotwild und 350 -Sauen. Setzen wir auch den Bedarf für den oben erwähnten Zeitabschnitt -auf 1000 Stück, so blieben immer noch 3400 Stück für den Zwangsverkauf -an die Untertanen übrig, der für eine flüssige Rente galt. Die Zustände -in Württemberg zur Zeit des Herzogs Karl Eugen, der 1744 die Regierung -übernahm, schildert der Prälat Johann Gottfried Pahl. Vom Gelde der -von den Höflingen mißhandelten und ausgesaugten Bauern ließ der -Herzog kostspielige Bauten herstellen, Opern aufführen, zu denen die -Vorbereitungen einen Aufwand von 100000 Gulden erforderten, glänzende -Geburtstagsfeste in Form von „Festinjagden“ veranstalten, die bald -in dieser, bald in jener Gegend des Landes veranstaltet wurden und -300-400000 Gulden verschlangen. „Da erschien alles im höchsten Glanze, -es wurden die prächtigsten Schauspiele und Ballette gegeben; Veronese -brannte Feuerwerke ab, die in wenigen Minuten eine halb Tonne Goldes -verzehrten. Der ganze Olymp war versammelt, um den hohen Herrscher -zu verherrlichen, und die Elemente und die Jahreszeiten brachten ihm -ihre Huldigungen in zierlichen Versen dar. Der Herzog liebte diese -Art von Vergnügen ebenso leidenschaftlich, als er andererseits der -kostspieligen Baukunst frönte. Ein zahlreiches Korps von höheren und -niederen Jagdbedienten stand ihm zu Gebote. Seiner Nachsicht gewiß, -durften sie sich die rohesten Mißhandlungen und die schreiendsten -Ungerechtigkeiten gegen den seufzenden Landmann erlauben. Man zählte -in den herrschaftlichen Zwingern und auf den mit dieser Art von -Dienstbarkeit belasteten Bauernhöfen über tausend Jagdhunde. Das Wild -ward im verderblichsten Übermaße gehegt. Herdenweise fiel es in die -Äcker und Weinberge, die zu verwahren den Eigentümern streng verboten -war, und zerstörten oft in einer Nacht die Arbeit eines ganzen Jahres; -jede Art von Selbsthilfe ward mit Festungs- und Zuchthausstrafe gebüßt, -nicht selten gingen die Züge der Jäger und ihres Gefolges durch -blühende und reifende Saaten. Wochenlang wurde oft die zum Treiben -gepreßte Bauernschaft, mitten in dem dringendsten Feldgeschäfte ihren -Arbeiten entrissen, in weite, entfernte Gegenden fortgeschleppt. Ward, -was nicht selten geschah, eine Wasserjagd auf dem Gebirge angestellt, -so mußten die Bauern hierzu eine Vertiefung graben, sie mit Ton -ausschlagen, Wasser aus den Tälern herbeischleppen und so einen See -zustande bringen. -- Um den Glanz zu vermehren, hatte man eine große -Menge fremden Adels ins Land gezogen. Es wimmelte von Marschällen, -Kammerherren, Edelknaben und Hofdamen; mehrere von ihnen genossen -große Gehalte. In ihrem Gefolge erschien ein Heer von Kammerdienern, -Heiduken, Mohren, Läufern, Köchen, Lakaien und Stallbedienten in den -prächtigsten Livreen. Zugleich bestanden die Korps der Leibtrabanten, -der Leibjäger und der Leibhusaren, deren Uniformen mit Gold, Silber und -kostbarem Pelzwerke bedeckt waren...“ Diese Gesellschaft benahm sich -den für halbe Tiere gehaltenen Bauern gegenüber skandalös und verführte -mit Vorliebe deren Töchter, ohne an das Bezahlen von Alimenten für die -nicht ausbleibenden Kinder zu denken. Allein für die von ihm selbst -gestifteten Kinder bezahlte der Herzog Karl Eugen großmütig „ein für -allemal“ 50 Gulden, und seine Geliebten hatten das viel beneidete -Vorrecht, blaue Strümpfe tragen zu dürfen. - -Auch der fromme Herzog Ernst Ludwig von Hessen hatte, wie alle Fürsten -Mitteleuropas, sein Land in einen Wildpark verwandelt, um der Jagdlust -zu frönen, mochten auch die fronenden Bauern in Armut und Elend -verkommen. Von den vielen Nachtwachen, die die Leute jahraus, jahrein -leisten mußten, um das Wild von ihren Feldern abzuhalten, schliefen -sie beim Gottesdienst ein, worüber sich die Pfarrer beklagten. Das war -die Zeit, da die Fürsten, auch geistliche Herren, wie der Bischof von -Münster, ein Bernhard von Galen, ihre Untertanen für durchschnittlich -155 Mark an auswärtige Regierungen als Soldaten verkauften, damit diese -mit ihnen ihre Kriege führen konnten. Viele Tausende mußten so zwecklos -in fremdem Lande verbluten. Bei Culloden entschieden die Hessen den -Untergang der Stuarts, und Marlborough wie sein Gegner Villeroi fochten -meist mit deutschen Truppen gegeneinander. Der Erzbischof Karl hatte -dem Herzog Philipp mit Deutschen den spanischen Thron bestritten, und -bevor die Angelegenheit geregelt war, verbluteten 400000 Menschen auf -dem Schlachtfelde. - -Bei der unmenschlichen Behandlung und der Nutzlosigkeit aller Arbeit -infolge der Übergriffe des Landesfürsten kamen viele der Bauern aus Not -dazu, zu wildern, um sich überhaupt am Leben zu erhalten. Sie taten -dies aus Verzweiflung und Auflehnung gegen die grausame Herrschaft, -die ihnen beständig das größte Leid zufügte, obschon sie im Falle -des Erwischtwerdens mit den härtesten Strafen bedroht waren, so im -gelindesten Falle mit etlichen Jahren Zwangsarbeit in Ketten, bei -Wiederholung mit Abhauen der rechten Hand, beim dritten Male aber mit -dem Galgen zu büßen hatten. Oft wurden Bauern, wenn sie nur mit einer -Büchse in einem Gehege angetroffen wurden, ohne große Untersuchung -mit kurzem Prozeß binnen 24 Stunden gehängt. Wer dem Wilde verlarvt -nachging, wurde kurzerhand in der Verlarvung aufgehängt. Hessen hatte -1613, Preußen 1728 angeordnet, daß die überführten Wilderer ohne -Gnade aufzuknüpfen seien. Der Herzog von Württemberg bestimmte 1737 -als Strafe derer, „welche diebischer Weise Wild geschossen haben“, -das Abhauen der rechten Hand, mindestens aber öffentliche Arbeit „mit -aufgesetzter Wildererkappe auf Lebenszeit“, bei Rückfall Aufhängen am -Galgen. Diese Wildererkappe, die dem zur Schanzarbeit Verurteilten -an den Kopf geschlossen wurde, war ein grauenvolles Marterwerkzeug, -das aus einem eisernen Reifen mit einem schweren Hirschgeweih daran -bestand. Der Landesvater von Weimar verfügte 1751, „daß alle Wilderer -als offenbare Straßenräuber und Mörder angesehen und auf Betreten -sofort aufgehängt, deren Weiber gebrandmarkt und ins Zuchthaus -gesetzt werden sollen, daß ein Förster oder Jäger, der einen Wilddieb -totschießt, 50 Taler verdient, während seine Witwe, falls er selbst -totgeschossen wird, lebenslänglich 200 Taler Pension erhält, daß aber -ein Jäger, der den Wilddieben durch die Finger sieht, selbst aufgehängt -wird“. 1761 wurde in Württemberg eine Belohnung von 20 Gulden für einen -toten und 30 Gulden für einen lebenden Wilddieb, der alsbald aufgehängt -wurde, ausgeschrieben. Am findigsten waren die Fürsten, die das -einträgliche Geschäft des Menschenhandels trieben. So schloß der Herzog -von Württemberg 1716 einen Vertrag mit der Republik Venedig ab, wonach -alle Sträflinge, auch die Wilderer, die mit dem Leben davonkamen, auf -die Galeeren verkauft wurden. So brachten die Kerls noch Geld ein und -man war sie los! Das Reskript wurde in feierlicher Stunde nach dem -Gottesdienst mit salbungsvoller Stimme von den Kanzeln verkündet. - -Während die Bauern so unmenschlich strenge bestraft wurden, kam der -Adel beim Wildern mit Geldstrafen davon. Diese waren beispielsweise -in Preußen gepfeffert und betrugen 1720 500 Taler für einen Hirsch -oder für eine Wildsau; davon erhielt der Angeber den vierten Teil. In -dem Vertrage zwischen Hanau und Frankfurt a. M. vom Jahre 1787 wurde -die Denunziantengebühr auf den dritten Teil der Geldstrafe bemessen -und damit der Verrat zu einem einträglichen Gewerbe ausgebildet. In -der Jagdordnung Josefs II. von 1786 wurde dem „Entdecker eines -Wildschützen“ 12 Gulden und dem „Einbringer“ eines solchen 25 Gulden -Belohnung zugesichert. Diese Jagdordnung war übrigens als ein großer -Fortschritt zu begrüßen, indem darin die Vorrechte der Krone aufgehoben -wurden. Wenigstens das Schwarzwild wurde auf Tiergärten beschränkt und -das Recht zum Abschuß freier Sauen jedem Menschen zugesprochen. Für -den Fall, daß sich der Jagdinhaber diesem Abschuß widersetzen sollte, -verfiel er in eine Strafe von 25 Dukaten. Das Betreten angebauter -Grundstücke wurde verboten, die Einzäunung derselben dem Bauern -freigestellt, und zwar in jeder Höhe. Dem Jagdinhaber aber wurde das -Wild unter Abschaffung einer Schonzeit als sein unbeschränktes Eigentum -freigegeben, er aber zugleich für Wildschaden ersatzpflichtig gemacht. -Damit begann die Morgenröte einer neuen Zeit, die gerechter als die -vorhergehende die allgemeinen Menschenrechte, die die französische -Revolution proklamierte, vertrat. - -Am Ende des 18. Jahrhunderts waren aber sonst in keinem andern Staate -so vorsorgliche Bestimmungen getroffen, wie von dem edeldenkenden -Josef II. Dieses ganze Jahrhundert hindurch waren die Jagdfronen noch -im Steigen begriffen, denn statt 500-700 Mann wie im 17. Jahrhundert -wurden jetzt ebensoviel Tausende zum Zusammentreiben des Wildes aus -ihrer Häuslichkeit herausgerissen, um ganze Wochen hindurch ohne irgend -welche Entschädigung, ja unter Vorschrift der Selbstbeköstigung, im -Walde zuzubringen und das Vergnügen eines Tages für die Hofgesellschaft -vorzubereiten. Zur Massenschlächterei von Hochwild gesellte sich -diejenige von Hasen, wie denn zu Stammheim in Württemberg am 20. -November 1756 ein Kesseltreiben abgehalten wurde, das eine Ausdehnung -von 9½ Meilen hatte, drei Tage dauerte und gegen 4600 Mann in Anspruch -nahm. Zu den Treiberdiensten kamen die Jagdfuhren, der Wegebau, die -Zaunarbeit, das Futtersammeln und der Wildfang. Zu letzterem gehörten -auch die Wolfsjagden, die am schwersten auf dem Volke lasteten und -wofür auch die Städter zu bezahlen hatten. Es kam oft vor, daß die -Bedienten des Landesherrn einerseits die Geldabgabe bezahlen ließen -und andererseits die Leute trotzdem zwangen, bei der Wolfsjagd zu -erscheinen, ansonsten sie gebüßt wurden. Und wer von ihnen frühmorgens -beim Apell nicht anwesend war, der wurde als fehlend angesehen, auch -wenn er den ganzen Tag anwesend war und mithalf. Dabei mißhandelten die -übermütigen Dienstleute die Bauern in einer Weise, daß es einem heute -noch beim Lesen solcher Gemeinheiten die Schamröte ins Gesicht treibt. - -Die Pflicht der Untertanen, die fürstliche Jägerei zu beherbergen und -zu verpflegen, kam im 18. Jahrhundert mehr und mehr außer Übung, weil -der gesteigerte Verkehr Gasthäuser geschaffen hatte, in denen die -Jäger nächtigen und sich an Speise und Trank stärken konnten. Auch -hier hatte wie bei der Wolfsjagd eine Geldablösung stattgefunden. -So kam in Württemberg zwischen dem Fürsten und dem Kirchenrat 1777 -ein Vertrag zustande, wonach gegen eine jährliche Zahlung von 12002 -Gulden die Klöster von den Besoldungsbeiträgen für die Jägerei, von -Kostgeld und Pferdefutter, von der Pflicht, das Jagdzeug, die Seilwagen -und Jagdschirme zu unterhalten, die Hunde zu ernähren usw. befreit -wurden. Den Gemeinden ward 1714 die Verpflichtung auferlegt, beim -Dachsgraben die Hunde zu füttern, und, wo sie nicht abgelöst war, blieb -auch die Hundelege in Kraft, wie denn z. B. im Uracher Forst jeder -steuerpflichtige Untertan, der keinen Hund in Pflege hatte, zu einer -jährlichen Abgabe von 3 Gulden 20 Kreuzern gezwungen wurde. Vielfach -ließen die Jäger des Landesherrn aus eigener Machtvollkommenheit -ihre eigenen Hunde an Stelle der herrschaftlichen von den Untertanen -aufziehen; andere ließen sich heimlich die Pflicht der Hundelege gegen -bares Geld abhandeln und stellten den Hund bei einem Bürger ein, der -nicht bezahlen wollte. Wieder andere trieben einen heimlichen Handel -mit den Hunden ihres Landesherrn. Vielfach suchten die Forstbeamten die -Pflichten der Untertanen noch auszudehnen und die Strafen zu erhöhen. -Dabei nahmen sie den dritten Teil der Strafgelder als sogenannte -„Ruggebühr“ ein. Man kann sich denken, welchen Gebrauch sie von solcher -Vollmacht machten, um sich möglichst zu bereichern. Auch den Müllern -wurde am Ausgang des 17. Jahrhunderts an Stelle der Pflicht zur -Schweinemast die noch lästigere Pflicht des Fütterns der Jagdhunde des -Landesherrn aufgebürdet. Die Leineweber dagegen mußten die Leinewand -für das Jagdzeug zu einem billigen Preise anfertigen. Es handelte sich -dabei meist um große Beträge; allein das kleine Hessen-Kassel hatte -einen jährlichen Bedarf von 1600 Ellen. Außerdem mußte jeder Jude -alljährlich 1000 Federn für die Federlappen liefern. - -In dieser Zeit der unbeschränkten Macht des großen Grundbesitzes -ward der weidgerechten Ausübung der Jagd eine erhöhte Aufmerksamkeit -geschenkt. Vor allem wurde teilweise schon in der zweiten Hälfte des -17. Jahrhunderts, ziemlich allgemein aber im 18. Jahrhundert eine -Schonzeit des Wildes eingeführt. Dabei war der Gedanke maßgebend, daß -während einer solchen das Wild sich fortpflanzen, heranwachsen und -feist werden sollte, damit der jagdliche Ertrag ein möglichst großer -sei. Viele Landesherren aber, so vor allem derjenige von Württemberg, -hielten sich nicht an die von ihnen hierüber aufgestellten Bestimmungen -und arrangierten zu jeder Jahreszeit, wenn es ihnen gerade einfiel, -ihre mit Massenschlächtereien verbundenen Jagdfeste. In manchen -Territorien aber hielt man strenge auf die Einhaltung der Fristen. -So setzte Hessen-Darmstadt 1776 eine Strafe von 50 Dukaten für das -Erlegen eines Hirsches in der Schonzeit fest; beim zweitenmal ward -die Strafe verdoppelt und beim drittenmal das Recht zur Ausübung der -Jagd aberkannt. Weimar schloß die hohe Jagd am 1. Dezember, Magdeburg -Mitte, Hessen-Darmstadt Ende Februar, in Mainz dagegen hörte die -Hirschjagd schon Ende Oktober auf. Auch in der kleinen Jagd begann man -vielfach dem Wild eine kurze Ruhepause zu lassen, so in der Rheingauer -Forstordnung dem Hasen die Zeit vom 16. März bis 24. August, den -Rebhühnern vom 2. Februar bis 10. August. - -Trotzdem die von Frankreich übernommene Parforcejagd gerade im 18. -Jahrhundert an manchen deutschen Höfen zur Einführung gelangte, -tauchte andererseits als große Neuerung im Jagdbetrieb das mehrfach -wiederkehrende Verbot der Hetzjagd auf, hervorgerufen durch die -schärfere Ausbildung des Regals und die Ruhe des herrschaftlichen -Wildes. Um die jagenden Hunde den fürstlichen Revieren fernzuhalten, -wurden alle andern als die fürstlichen Jagdhunde „ein für allemahl -abgeschafft“ -- so im Rheingau 1737 --, bloß Schweißhunde gestattet, -und diese sollten nur am Riemen für verwundetes Wild Verwendung finden. -Nach wie vor war aber das Hetzen des Wildes quer über die Felder -der Bauern, auch im Frühjahr, dem Adel gestattet. Nur dieser durfte -überhaupt neben dem Landesherrn noch Hunde zur Jagd halten. - -Zu Anfang des 18. Jahrhunderts kamen die zünftigen Weidesprüche -außer Gebrauch und dafür wurden für die Jagdbediensteten Uniformen -eingeführt, für die Bürgerlichen mit Silber, für die Adeligen dagegen -mit Gold durchwirkt. - -Die Pirsch- und Parforcejäger, wie auch die Falkner, hatten ihre -besonderen Abzeichen. Neben dem Weidmesser kam der Hirschfänger auf. -Die alte Form des Hift- oder Jägerhornes hatte sich, seitdem es üblich -geworden war, es aus Metall zu verfertigen, in verschiedene Unterformen -gespalten. - -Der Großtuerei der Zeit entsprechend wurden die Jagden im größten -Maßstabe abgehalten. Am beliebtesten war das sogenannte Hauptjagen, -bei welchem eine Vorbereitung von einigen Wochen, ja Monaten nötig -war. Tausende von Bauern wurden für diese Zeit zum Zusammentreiben des -Wildes aus großem Umkreis ohne irgend welche Entschädigung, vielmehr -mit der Verpflichtung der Selbstbeköstigung, angestellt. Das Anlegen -der Treiberlinien leiteten die Besuchknechte, die frühmorgens mit -dem Leithunde den besten Wildstand, worunter namentlich jagdbare -Hirsche, d. h. solche von zehn und mehr Enden, ermittelten und nach -dem Ergebnisse ihrer Suche die nötigen Anordnungen zur Jagd trafen. -Das Wild wurde von allen Seiten her zusammengetrieben, bis das Revier -so klein geworden war, daß Lappen, Netze und Zeuge hinreichten, um es -einzustellen. Die Treiber hatten Tag und Nacht zu wachen, daß das Wild -nicht ausbrach, bis die nötige Arena zu seiner Abschlachtung durch den -Landesherrn von andern fronenden Bauern errichtet war. Diese bestand -aus drei Teilen, dem Zwangtreiben, der Kammer und dem Lauf. Es waren -breite, rings von hohen Tüchern eingefaßte Gänge. Mitten in der Arena -war den hohen Herrschaften ein mit grünem Laub und Girlanden verziertes -Bretterhaus gebaut, von dem aus sie dann das Wild ohne die geringste -Gefahr für sich selbst abschießen konnten. War dies alles errichtet, -so wurde der Landesherr davon benachrichtigt und kam mit großem Troß -zum Abstechen des Wildes, das immer wieder durch die Treiberlinien -durchzubrechen versuchte und deshalb seinen Hütern viel zu schaffen -machte. Aus dem ganzen Lande wurden die herrschaftlichen Hunde durch -die Rüdenknechte und Hundejungen aus ihren Pensionaten in den Dörfern -und Städten abgeholt und durch fronende Bauern nach der Stätte des -Hauptjagens gefahren oder in bequemen Tagemärschen zu Fuß dahin -geführt, um an der Jagd teilzunehmen. - -Der Hof fuhr an dem für das Hauptjagen bestimmten Tage mit großem -Gefolge auf den Laufplatz und verabschiedete hier die Wagen, um mit -ihren Gewehren die sichere Bretterhütte in der Arena zu besteigen. -Hinter derselben waren die Kammer- und Leibhunde aufgestellt, während -die andern Fanghunde vor dem die Kammer vom Lauf trennenden Quertuche -ihren Posten fanden. Vom Oberjägermeister und dessen Stellvertreter -wurde durch Öffnen des Quertuches nach Belieben Wild vor die -Herrschaften hereingelassen, damit sie es in aller Bequemlichkeit mit -Musikbegleitung abschießen konnten. Dabei wurden unterschiedslos junge -wie alte, weibliche wie männliche Tiere auf meist qualvolle Weise zu -Tode gebracht. Auf die krank Geschossenen und zu Tode Geängstigten -wurden zur Abwechslung Hunde gehetzt und Schwärmer unter sie geworfen. -Da sie sich nicht flüchten konnten, drängten sie sich zitternd in die -Winkel. Schließlich wurde zum Augenschmaus der Fürstlichkeiten durch -hineingelassene Jäger ein allgemeines Gemetzel unter ihnen angerichtet. -Einem ersten folgte ein zweites, drittes, ja oft viertes Gemetzel, -wobei viele hunderte von Tieren vorgetrieben und langsam abgetan -wurden. Zum Schluß fand ein prunkvolles Essen statt, das bis in die -Nacht dauerte und schließlich in Völlerei ausartete, wobei sehr grobe -Späße getrieben wurden. Am folgenden Tage wurde das zuvor aufgebahrte -Wild von den Jägern zerwirkt und in Fässern eingesalzen, um dann an die -Untertanen verkauft zu werden. Die fronenden Bauern aber brachen die -Tücher, Netze, Federlappen und Zelte ab und hatten die Hunde wieder -ihren Kostgebern zuzuführen. - -Weniger kostspielig als solche Hauptjagen waren ähnliche, aber nur -ebensoviel Tage als jene Wochen heischende, die man Bestätigungsjagen -nannte. Zu diesen wurden nur die Bauern der nächstliegenden Dörfer zum -Treiben aufgeboten. Die Hunde jagten das zusammengetriebene spärlichere -Wild in der Kammer und auf dem Lauf umher, bis die Herrschaften es -zusammengeschossen hatten. Noch einfacher und billiger waren die -eingestellten oder Kesseljagen, die in einem Tage bewerkstelligt -werden konnten, indem man einen Waldteil, in welchem Wild steckte, mit -Netzen umstellte. In den umstellten Bezirk begaben sich dann die hohen -Herrschaften mit den losgelassenen Hunden, um hier mit Schießen und -Stechen zu wüten und ein allgemeines Blutbad anzurichten. Wurden die -Netze fängisch gestellt, damit das Wild in die Netze fallen sollte, um -darin mit Flinten und Messern getötet zu werden, so nannte man solch -„ergötzliche Jagd“ Netzjagen. - -Zur Augenweide der hohen Herrschaften wurden auch, wie im alten Rom, -mit Vorliebe Tierkämpfe arrangiert, bei welchen man die Kampflust der -betreffenden Tiere durch Schrecken mit dazwischen geworfenen Schwärmern -zu wecken versuchte. Nutzte das nicht, so ließ man große Hunde unter -sie, um sie durcheinander zu jagen und zu neuem Kampfe zu reizen. - -Von berittenen Jägern mit 4-5 Meuten von je 8-10 Hetzhunden wurden die -Streifjagen auf Schwarzwild abgehalten, wobei die Herrschaften zu Wagen -gefahrlos zusehen konnten. Weniger beliebt war die alte Treibjagd, -wie auch Birsch und Anstand. Auch die an manchen deutschen Höfen -eingeführte Parforcejagd erfreute sich im allgemeinen nur geringer -Sympathie, da das angestrengte Reiten den bequemen Herrn nicht recht -paßte. Zudem erforderte sie einen großen Aufwand, den sich nur größere -Höfe leisten konnten. So kostete sie den Höfen von Hessen-Darmstadt -und Württemberg jährlich etwa 35-40000 Gulden, Summen, die neben der -kostspieligen Maitressenwirtschaft nicht überall leichterhand aus dem -ausgesogenen Lande aufgebracht werden konnten. Die Technik derselben -war seit dem Mittelalter ziemlich unverändert geblieben. Dabei wurde -auch in Deutschland der Leithund wie die Meute während des Jagens -mit französischen Worten geleitet. Hatte man im 16. Jahrhundert dem -gefangenen Hirsch die Schalen gespalten und den Lauf verletzt, um -die jungen Hunde an ihm arbeiten zu lernen, so war man im 18. nicht -mitleidiger gesinnt. Nur fing man es anders an, um denselben Zweck zu -erreichen. Der zu hetzende Hirsch wurde durch einen guten Schützen -leicht verletzt und die ganze Hundemeute zur Verfolgung der blutigen -Spur veranlaßt. Man nannte das Bilbaudieren. Es geschah nur zur Lust -der nachreitenden Herren und Damen; denn das Fleisch eines so gejagten -und zu Tode gequälten Hirsches war gar nicht zu genießen. - -Noch immer wurde der Hase zu Pferd mit schnellfüßigen Windhunden -gehetzt oder mit dem Habicht gebeizt. Mit letzterem jagte man mit -Vorliebe allerlei Federwild, besonders Rebhühner. Doch war die -Falkenjagd damals nicht mehr in Blüte; ihr war mit dem Untergange des -Rittertums der Lebensnerv abgeschnitten worden. Einer der letzten Höfe, -der solche noch aufrecht erhielt, war derjenige von Hessen-Kassel, an -welchem Landgraf Friedrich 1772 noch einen Oberfalkenmeister mit vier -Falkenknechten und einen Reiherwärter hielt. Doch wurde diese überlebte -Herrlichkeit nach seinem Tode von dessen Nachfolger aufgegeben. Auch -am Württembergischen Hofe wurde die Falkenjagd noch bis zur Mitte des -18. Jahrhunderts geübt. Damals pflegte man die Falkner aus Brabant -kommen zu lassen. Die Habichte dagegen fing man im Lande selbst und -ließ sie durch jene auf die Beize dressieren. Doch wurde ihre Hilfe mit -zunehmender Ausbildung des Schießens auf fliegendes Wild immer seltener -in Anspruch genommen und fiel schließlich ganz weg. In der Mitte des -18. Jahrhunderts überwog in Deutschland das Fangen der Rebhühner mit -Netzen weit das Schießen. Für diesen Netzfang benutzte man, wie einst -für die Habichtbeize, besondere „vorliegende“ Hunde, die mit dem -Aufkommen der Schießjagd zunehmende Bedeutung erlangten. So wurde aus -der Bracke der eigentliche Vorstehhund gezüchtet, der als Hühnerhund -schon am Ausgange des 16. Jahrhunderts erwähnt wird. Er diente damals, -wie auch im 17. und weit ins 18. Jahrhundert hinein, nur zum Aufspüren -und Vorstehen des Wildes, bis dann von Italien her die Aufgabe, das -geschossene Wild zu suchen und zu apportieren hinzutrat und als -unerläßlich für einen vollkommenen Vorstehhund betrachtet wurde. -Während die alte Bracke ihre Raubtiernatur auch beim Jagen beibehalten -und das aufgespürte Wild fangen durfte, nur auf Horn und Ruf Folge -zu leisten hatte, durfte der Vorstehhund dem gefundenen Wild nicht -folgen und es nicht greifen, sondern mußte davor stehen bleiben. Erst -wenn es geschossen war, durfte er es apportieren und bekam nicht wie -jener davon zu fressen oder das Blut zu trinken. Diese Überwindung der -angeborenen Instinkte und Unterordnung unter den menschlichen Willen -wurde dem Hunde vom Menschen in eiserner Zucht durch die Peitsche und -das Halsband mit eisernen Spitzen innen, an dem er vermittelst der -Leine auf die Jagd geführt wurde, beigebracht. Welch schweren Stand -die Dresseure dabei hatten, kann jeder sich vorstellen, der versucht, -eine Bracke oder einen Laufhund zum Vorstehhund heranzubilden, was -nach den zeitgenössigen Jagdschriftstellern im 17. und 18. Jahrhundert -noch oft vorkam. Diese Grausamkeit wurde geübt, um das Vergnügen des -Menschen zu erhöhen, weil der Jäger mehr Lust beim Schießen als beim -Fang der Hühner durch den Hund empfand. Mitgefühl mit der leidenden -Kreatur hatte auch der Mensch des 18. Jahrhunderts noch nicht; deshalb -wurde auch keine Nachsuche des angeschossenen Wildes gehalten; Lerchen, -Finken und andere Singvögel wurden in Massen gefangen und verzehrt, -die gefangen gehaltenen Singvögel zur Steigerung der Häufigkeit ihres -Gesanges in grausamer Weise wie früher geblendet. - -Wie im frühen Mittelalter legte man damals noch meist mit Palissaden -umgebene Tiergärten zur Lust des Landesherrn und seiner Hofgesellschaft -an. Darin standen außer dem Lusthaus, von dem die Wege strahlenförmig -sich weithin erstreckten, so daß das Wild gesehen werden konnte, sobald -es darüberging, noch allerlei andere Hütten und Gebäulichkeiten, nebst -dem Schießhaus, das am Äsungsplatze lag. Wurde dort auch das Wild -gefüttert und damit zutraulich gegen den Menschen gemacht, so hinderte -das dennoch die hohen Herren und Damen nicht, gemächlich vom im Winter -geheizten Schießhaus aus es zu erlegen. - -Dieser ganze feudale Plunder, wie überhaupt die regalistische -Auffassung des Jagdrechts erhielt ihren Todesstoß im Jahre 1789 durch -den Ausbruch der großen französischen Revolution, welche mit allen -Vorrechten und grundherrlichen Lasten, auch mit dem Jagdrecht auf -fremdem Grund und Boden gründlich aufräumte. In den linksrheinischen, -damals zu Frankreich gehörenden deutschen Gebieten wurden das -Jagdregal und die übrigen Feudallasten um 1800 aufgehoben und auch -nicht mehr hergestellt, als diese Gebiete wieder mit Deutschland -vereinigt worden waren. Dagegen erhielt sich das Jagdregal im -rechtsrheinischen Deutschland bis zum Revolutionsjahr 1848, das -seine völlige Beseitigung, sowie diejenige der übrigen Reallasten -herbeiführte. Mit dem Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden wurden -auch die Jagddienste und die Jagdfolge aufgehoben. Allgemein wurde dem -altdeutschen Grundsatze Geltung verschafft, wonach auf seinem Grund -und Boden ein Jeder jagdberechtigt ist. Allerdings verlieh erst ein -zusammenhängender Flächenraum von 300 Morgen dem Besitzer fortan -das Recht, die Jagd selbst auszuüben. Diese Bestimmung hat bis auf -den heutigen Tag ihre Giltigkeit behalten. Da nun aber im Deutschen -Reiche etwa 96 von 100 landwirtschaftlichen Betrieben eine Größe unter -300 Morgen aufweisen, sind ebensoviele der ländlichen Eigentümer und -Pächter vom Jagdrecht ausgeschlossen. Die ihnen gehörende Bodenfläche -beträgt mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebsfläche in -Deutschland. Auf diese Fläche ergießt sich nun im Herbst eine Schar -weidlustiger Kapitalisten, die reich genug sind, um sich diesen Sport -leisten zu können. Sie mieten das Jagdrecht von den Landgemeinden, die -dasselbe dem Meistbietenden zusprechen. So gibt es in Deutschland etwa -300000 Jäger auf rund 60 Millionen Einwohner. Diese sind aber auch -als Jagdberechtigte zum Ersatz des Wildschadens verpflichtet. Diese -Verpflichtung wurde zum erstenmal in der österreichischen Jagdordnung -von 1786 ausgesprochen und hat seither überall Anwendung gefunden. - -Hatten im 17. und 18. Jahrhundert die Fürsten und reichen Adeligen eine -rücksichtslose Wildhege und Jagdausübung auf Kosten der Allgemeinheit -ausgeübt, so befriedigten während den Revolutionen die Bauern in nicht -minder rücksichtsloser Weise ihren lange im Stillen genährten Haß gegen -das von jenen gehegte Wild, das jahrhundertelang ungestraft ihre Äcker -verwüsten durfte. Vor allem der Rotwildstand wurde damals bedeutend -dezimiert. Zugleich verdrängte mit Beginn des 19. Jahrhunderts die -Schieß- und Niederjagd die älteren Jagdarten, die immer weniger -weidgerecht gehandhabt worden waren. Das Perkussionsgewehr hatte -die Radschloßflinte verdrängt, aber erst 1820 wurde das Zündhütchen -erfunden, womit die Zündung unabhängig von den Regengüssen gemacht -wurde. Dieser Fortschritt war ein so außerordentlicher, daß die -Erfindung des Hinterladergewehrs durch den Franzosen Lefaucheux, die -schon 1835 erfolgte, lange bei uns unbeachtet blieb und erst in den -1850er Jahren anfing, die alten Vorderlader zu verdrängen. Neben der -durch die Vervollkommnung der Gewehre immer leichteren Schießjagd -verlor auch die früher so überaus wichtige Netzjagd auf kleineres Wild, -besonders Rebhühner, immer mehr an Bedeutung. Dabei wurde der Dressur -eines möglichst vollkommenen Vorstehhundes die größte Wichtigkeit -beigelegt. - -Bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts bestand der Frondienst -der Bauern bei der Jagd noch in Deutschland; erst durch die -Nationalversammlung im Jahre 1848 wurde er in Preußen abgeschafft -und müssen seither die nur noch bei den großen Kesseltreiben gegen -die Hasen in Dienst tretenden Treiber wie andere Arbeiter für ihre -Arbeit bezahlt werden. Das Jagdvergnügen der Herren bringt vielen -Leuten Verdienst und die Jagdpacht den betreffenden Gemeinden eine -schöne Einnahme. Man hat ausgerechnet, daß der Ertrag der letzteren -etwa 40 Millionen Mark jährlich beträgt. Außerdem betragen die Kosten -von Jagdverwaltung und Betrieb, Jagdschutz und Wildpflege weitere 15 -Millionen Mark jährlich, die ebenfalls zuguterletzt dem Volke zugute -kommen. - -Mit dem Aufschwung der weidgerecht gehandhabten modernen Jagd wurde der -Zucht und Dressur der Jagdhunde, besonders in den letzten 30 Jahren, -die größte Aufmerksamkeit geschenkt. Heute besitzen die deutschen -Jäger mindestens 200000 meist vortrefflich arbeitende Jagdhunde, -deren Fütterung, Dressur und Pflege jährlich etwa 17 Millionen Mark -erfordern, wozu noch der Betrag der Hundesteuer für dieselben in -der Höhe von 1 Million Mark zu rechnen ist. Rechnen wir hinzu den -gewaltigen Umfang der Fabrikation von Gewehren, Munition, Jagdgeräten, -Jagdkleidung, die Reisekosten der Jäger und die Transportkosten des -Wildes, so ergibt sich, daß die Jagd allein in Deutschland einen -Geldumsatz von 130 Millionen Mark jährlich erzeugt. Hiervon fallen -etwa 30 Millionen Mark auf die Verwertung des erbeuteten Wildes, -nämlich 25 Millionen Mark für die rund 25 Millionen _kg_ -Wildbret, 4 Millionen Mark für die Felle und 1 Million Mark für die -Geweihe von Rot- und Damhirschen und Rehböcken. Daraus läßt sich die -große volkswirtschaftliche Bedeutung der Jagd erkennen. Der Wert -des gesamten deutschen Wildstandes wird auf etwa 100 Millionen Mark -geschätzt und bildet einen nicht zu unterschätzenden Bestandteil des -Nationalvermögens, der bedeutende Zinsen abwirft. - - - - -XXV. Die wichtigsten Jagdtiere. - - -Nachdem wir nun mit den verschiedenen im Laufe der Jahrhunderte in -Europa geübten Jagdmethoden bekannt geworden sind, wollen wir einen -kurzen Überblick über die wichtigsten bei uns gejagten Tiere geben. -Dabei unterscheidet man eine hohe Jagd auf Rotwild, nämlich Hirsch, -Reh, Damhirsch, Elch und Gemse, dann Schwarzwild, d. h. Wildschwein, -ausnahmsweise auch auf den Bär, und eine niedere Jagd auf Hase, Biber, -Eichhörnchen, Murmeltier, Wolf, Fuchs, Dachs, Fischotter, Wildkatze, -Luchs, Marder, Iltis, Wiesel und das verschiedene Federwild, welch -letzteres im folgenden Abschnitt für sich besprochen werden soll. - -Seitdem Ur und Wisent bei uns ausgerottet sind, gilt der ~Rot-~ oder -~Edelhirsch~ (_Cervus elaphus_) als das edelste jagdbare Tier unserer -Wälder. Deshalb wurde auch die Jagd auf ihn mit größtem Gepränge ins -Werk gesetzt und besondere Methoden zu dessen weidgerechter Erlegung -ausgebildet. Diese haben wir der Hauptsache nach kennen gelernt, -so daß wir uns hier damit begnügen können, seine Besonderheiten -kurz aufzuzählen. Ein in der Weidmannssprache als jagdbar und gut -bezeichneter Hirsch muß bei der deutschen Jagd wenigstens 12 Enden an -den Stangen seines Geweihes haben und etwa 150 _kg_ wiegen. Er ist dann -sechsjährig, während ein sogenannter Kapitalhirsch in der Feistzeit -bei guter Äsung gegen 300 _kg_ wiegt und 20, ausnahmsweise auch bis zu -24 Enden an seinem Geweih aufweist. Dieses Geweih sitzt aufrecht auf -einem kurzen Rosenstock, ist vielsprossig einfach verästelt und wird -als sekundäres Geschlechtsmerkmal nur vom Männchen aufgesetzt, um die -grimmigen Kämpfe um den Besitz des Weibchens auszufechten. Im Februar -wird es abgeworfen und jeweilen in den folgenden Monaten mit wachsender -Endenzahl neu gebildet. Während dieser Geweihbildung leben die Männchen -zurückgezogen, bis sie im Juli oder August ihre stolze Kopfzier wieder -vollendet und „gefegt“, d. h. den lästigen Bastüberzug durch Reiben an -Bäumen entfernt haben. Dabei wird vielfach die ursprünglich weiße Farbe -des Gehörns beeinflußt, so z. B. sind Bruchhirsche, die an Erlen gefegt -haben, an der dunkelbraunen Farbe des Geweihs kenntlich. - -Erst im Miozän begann bei den ungehörnten Vorfahren der Hirsche -das erste bescheidene Geweih sich zu entwickeln, und zwar als -einfache, zunächst mit Haut bedeckte, später von der Haut entblößte -Stirnzapfen ohne jede Spur einer Rose. Darauf folgten chronologisch, -wie es das einzelne Hirschindividuum als kurze Rekapitulation der -Stammesgeschichte bei seiner Entwicklung durchmacht, zunächst das -Spießer-, dann das Gablergeweih mit meist unvollkommen entwickelter -Rose, die als Beweis dafür gelten kann, daß die Geweihe damals -begannen periodisch abgeworfen zu werden. Erst im Pliozän trat als -Weiterbildung des Hirschgeweihs der Sechsender auf, dem sich nach -und nach, durch die unbehinderte Verbreitungsmöglichkeit begünstigt, -Individuen mit noch weiter gegabelten Geweihen anschlossen. Damals -sind die Hirsche über die ganze Nordhemisphäre der Erde gewandert und -haben sich in zahlreiche Arten gespalten, von denen der Edelhirsch in -bezug auf die Geweihbildung die weitaus schönste Form entwickelte. Nach -neunmonatlichem Bestande lockert sich der Stirnzapfen durch Entstehung -gewisser vielkerniger Zellen, der sogenannten Knochenbrecher, bis sich -das Geweih in einer konkaven Fläche vom Stirnzapfen löst. - -Gutgenährte Hirsche im mittleren Lebensalter tragen die stärksten -Geweihe. Reiche Nahrung, unterstützt durch Salzlecken und Genuß von -Kalkphosphaten in assimilierbarer Form, ebenso Trennung von den -Hirschkühen kann die Geweihbildung so ungewöhnlich beschleunigen, -daß schon im dritten Lebensalter statt eines Sechsenders Zehn- und -Zwölfender entstehen, oder ein sonst sechsjähriger Zwölfender im -nächsten Jahre als Sechzehnender erscheint. Umgekehrt verringert -sich im hohen Alter bei Abnahme der Körperkräfte die Zahl der Enden -wieder. Mehr als 20 Enden sind schon sehr selten. Gemäßigtes und -Höhenklima, Sumpf- und Moorboden begünstigen, anhaltend heißes, -tropisches Klima und Ebenen hemmen die Geweihbildung. Auch die -Geweihe gefangener, auf Inseln oder in abgegrenzten Wäldern -lebender Hirsche zeigen, wie diese selbst, einen Rückgang in der -Entwicklung. Außer Erkrankungen der Stirnzapfen können Verletzungen -der Weichteile, insbesondere der Geschlechtsorgane und des Skeletts -die Geweihbildung teilweise oder ganz unterdrücken oder Mißbildungen -der Geweihe hervorrufen. Je schwerer die Verletzung oder je näher -die Zeit der Verletzung dem Beginn der Geweihbildung war, um so -größer ist die Abnormität in der Geweihbildung. Sonderbarerweise -deformiert die Verletzung einer Vorderextremität beide Geweihteile, -während die Verletzung einer Hinterextremität nur die Mißbildung -einer, und zwar der entgegengesetzten Geweihhälfte zur Folge hat. -Wahrscheinlich ist die letzte Ursache aller Abnormitäten in der -Geweihbildung die Ernährungsstörung, die die Hirsche infolge von -Verletzungen und Krankheiten erleiden. Auch mangelhafte Entwicklung der -Geschlechtsdrüsen spielt dabei mit. So bedingt eine Entwicklungshemmung -der Hoden Geweihlosigkeit. Bei kastrierten Hirschen steht, einerlei ob -sie bei der Kastration ein Geweih trugen oder nicht, die Geweihbildung -still, und einseitig kastrierte werfen das Geweih nur auf einer, und -zwar der Schädigung entgegengesetzten Seite ab und setzen es nur dort -wieder auf. - -Der Edelhirsch bewohnte ursprünglich ganz Europa bis zum 65. Grad -nördlicher Breite und Südsibirien bis zum 55. Grad nördlicher Breite. -Nach Süden hin bilden der Kaukasus und die Gebirge der Mandschurei -die Grenzen seines Verbreitungsgebiets. In allen stärker bevölkerten -Ländern hat er begreiflicherweise stark abgenommen oder ist, soweit -er nicht künstlich gehegt wird, verschwunden. Am häufigsten ist er -noch in Osteuropa und Asien, besonders im Kaukasus und im bewaldeten -südlichen Sibirien zu finden. Er liebt ausgedehnte ruhige Waldgebiete -oder dicht bewachsene Bruchgegenden, bewohnt aber auch, beispielsweise -in Schottland, unbewaldete Berge und findet dort nur in deren Tälern -und Schluchten Verstecke. Seinen Stand oder Wohnort ändert er in -ungestörten Gegenden nur in der Brunstzeit und beim Aufsetzen des -neuen Geweihs, ebenso bei Mangel an Äsung. Er lebt rudelweise nach -Alter und Geschlecht gesondert -- nur die Kapitalhirsche leben bis -zur Brunstzeit meist einzeln -- tagsüber versteckt, um sich erst -bei Sonnenuntergang auf regelmäßigen, nur infolge von Störungen -aufgegebenen Wechseln aus dem Dickicht nach seinen Äsungsplätzen auf -Feldern, Wiesen und andern lichten Plätzen zu begeben. Dort hält er -sich fressend die Nacht über auf, um sich mit der Morgendämmerung -wieder in sein Versteck zu begeben. Während die Hirsche in den aus -lauter männlichen Stücken bestehenden Rudeln selbst auf ihre Sicherheit -bedacht sein müssen, fällt in den aus männlichen Exemplaren gemischten -Rudeln die Pflicht der Wachsamkeit hauptsächlich den weiblichen -Stücken, den Tieren, zu. So steht an der Spitze solcher Rudel stets -ein Leittier, eine Hirschkuh, von der das Vordringen des ganzen -Rudels auch in der Brunstzeit so lange abhängt, als das Rudel nicht, -wie man sagt, vom Hirsche gepeitscht, d. h. getrieben wird. Zu Beginn -der in den September und Oktober fallenden Brunstzeit trennen sich die -Männchen, und zwar die älteren vor den jüngeren, von ihren Rudeln, um -die Weibchen aufzusuchen und, beim Rudel angekommen, die schwächeren -Hirsche von ihm zu entfernen. Mit im Nacken angeschwollenem Hals und -windhundartig eingezogenen Weichen geht der Hirsch den Tieren nach und -Nebenbuhlern entgegen, um sie von seinem Harem in grimmigem Kampfe zu -verdrängen. Unterliegt er dabei, so muß er denselben dem glücklicheren -Sieger überlassen; doch entfernt er sich erst, wenn alle Versuche zu -siegen erfolglos waren, unwillig das ihm abgejagte Rudel umkreisend. -Treffen aber gleichstarke Hirsche zusammen, so bekämpfen sie einander -so lange, bis der eine getötet ist oder beide Kämpfer mit den Geweihen -ineinander verschlungen sind und nicht mehr loskommen, wodurch sie -beide dem Hungertode verfallen. Oft bleibt der Streit stundenlang -unentschieden. Nur bei völliger Ermattung zieht sich der Besiegte -zurück. Abends und morgens ertönt der Wald vom Röhren der Hirsche, die -ihre Nebenbuhler zum Kampfe auffordern. - -Nach der Brunstzeit, die jeweilen nach vollkommener Entwicklung des -Geweihes und des Sommerhaares eintritt und mit dem Beschlagen der Tiere -endet, rudelt sich das Rotwild wieder friedlich zusammen. Es bildet -sich das dichtere, warme Winterhaar, und im Februar werfen die starken -Hirsche schon ihr Geweih ab, während die jüngern dieses oft erst im -Mai verlieren. Bei jenen ist es schon im Juni, bei diesen erst wieder -im August vollkommen ausgebildet. Nach dem Abstoßen des Geweihs bildet -sich auch das Sommerhaar aus; ist dieses entwickelt, so wirft die -Hirschkuh im Mai oder Anfang Juni nach einer Tragzeit von 40-41 Wochen -ein, selten zwei Kälber, die der Mutter schon nach wenigen Tagen folgen -und nur während der Brunst auf kurze Zeit von ihr abgeschlagen werden. -Das neugeborene Kalb liegt in einem Versteck zwischen hohem Heidekraut -oder anderem Gestrüpp, bleibt tagsüber sich selbst überlassen und wird -abends von der Mutter aufgesucht und genährt. Verläßt sie es wieder, -so drückt sie das Kleine mit der Schnauze in sein Lager nieder, wo es -zusammengekugelt, den Kopf nach Hundeart dicht beim Schwanze haltend, -den ganzen Tag über ruhig liegen bleibt, ohne auch nur den Kopf zu -erheben. Doch entfernt sich die Mutter nicht weit von ihm; an einer -Stelle unter dem aus der Richtung des Kalbes kommenden Winde ist sie -stets auf seine Sicherheit bedacht und vertreibt sofort alle sich -ihm nähernden Raubtiere. Bald folgt das Junge der Alten, wächst rasch -heran und trennt sich vor Jahresfrist von der Mutter. Bis zum ersten -Haarwechsel im Oktober trägt es ein weißgeflecktes Jugendkleid. -Im ersten Herbst wird das weibliche Kalb Schmaltier, im folgenden -Übergehendtier, später, wenn es zu tragen beginnt, Alttier genannt, -während das Hirschkalb im ersten Winter Spießer, im zweiten Gabler, -meist aber gleich Sechsender wird. Auch die Stufe des Achters wird -häufig übersprungen, sehr selten aber die des Sechsers und die des -Zehners. Im dritten Jahr ist das Hirschkalb erwachsen. - -Mit der Äsung wechselt der Edelhirsch nach der Jahreszeit ab; im -Herbst hält er sich gern an die Buchen- und Eichelmast, im Winter lebt -er von Baumrinde, Moos und Heidekraut. Dabei zwingt ihn hoher Schnee -aus den höheren Gebirgen auf Vorberge und in Ebenen hinabzusteigen, -wo er sichere, gegen den Wind geschützte Stellen aufsucht, um im -Frühjahr nach dem alten Standort zurückzukehren. In der Brunstzeit -nehmen die starken Hirsche nur wenig Futter zu sich, trinken aber um -so mehr und baden und suhlen mit Leidenschaft, wenn sie das Rudel in -die schützende Deckung gebracht haben. Regelmäßig werden vom Rotwild -in der Nähe seines Standortes angelegte Salzlecken aufgesucht. -Außer Wolf und Luchs ist sein größter Feind der Mensch, der es auf -dem Anstand oder Birschgang schießt, es zu Pferde, zu Wagen und zu -Schlitten beschleicht, es auf Treibjagden, nur noch ausnahmsweise -auf Parforcejagden erlegt und den Hirsch in der Brunstzeit durch das -Nachahmen seiner Stimme auf einer Schneckenschale oder einem besonderen -Instrument, dem Hirschruf, herbeilockt. Getriebenes Rotwild geht -ohne Umstände ins Wasser. Angeschossene, von Hunden heftig verfolgte -Hirsche suchen namentlich in bergigen Gegenden gerne die Bäche auf, -in denen die Hunde den wegen ihrer langen Beine begünstigteren Tieren -nur schwer folgen können. In die Enge getrieben, wehren sie sich, den -Rücken deckend, mit ihrem Geweih tapfer gegen eine ganze Hundemeute, -indem sie damit wuchtige Stöße austeilen. Selbst dem Menschen können -sie gefährlich werden. So wurde unter anderen auch der griechische -Kaiser Basilius im Jahre 886 von einem Hirsche, der ihm das Geweih in -den Leib stieß, getötet, nachdem er vorher schon einmal durch einen -solchen beinahe das Leben verloren hätte. Sonst wird das Edelwild auch -von Fliegen, Mücken und Bremsen in hohem Maße gepeinigt. Es läßt sich -leicht zähmen und zum Fahren und Reiten, wie auch zu verschiedenen -Kunststücken abrichten. So fuhr nach Pausanias die Priesterin der -Diana an deren Tempel zu Paträ in Achaia beim jährlich einmal prunkvoll -durch eine Prozession gefeierten Feste der Göttin auf einem von zahmen -Hirschen gezogenen Wagen. Nach Älius Lampridius fuhr auch Kaiser -Heliogabalus in Rom mit vier Hirschen, und nach Flavius Vopiscus führte -Kaiser Aurelian bei dem Triumphe, den er 273 nach Besiegung der Königin -Zenobia von Palmyra und des gallischen Gegenkaisers Tetricus in Rom -abhielt, einen einst dem Gotenkönige gehörenden Wagen mit, an den -vier Hirsche gespannt waren. Außerdem ließ er im Zuge 20 Elefanten, 4 -Königstiger, verschiedene zahme Löwen, 200 verschiedene Bestien aus -Syrien, Giraffen, Elche und andere Seltenheiten vorführen. Sehr beliebt -waren die Hirsche bei den Jagdspielen in der Arena. So ließ Kaiser -Probus bei solchen einmal tausend Hirsche auf einmal in die Arena -los. Wie reich müssen die Wälder damals noch an solchem Wild gewesen -sein, daß eine so große Zahl derselben auf einmal zur Augenlust des -Pöbels zu Tode gehetzt werden konnte. Daneben hielt man schon damals -in den Parks der Vornehmen zahmes Rotwild, worunter gelegentlich auch -als Rarität Albinos. So sah Pausanias um 160 n. Chr. in einem Park -in Rom weiße Hirsche, konnte aber nicht angeben, woher sie stammten. -Noch im Mittelalter waren sie an manchen Orten sehr zahlreich; so -wurden im Jahre 1619 auf einer Treibjagd in Preußen 672 Hirsche, 614 -Tiere und 179 Kälber erlegt, darunter ein Zwanzigender von über 360 -_kg_ Gewicht. Das Rotwildbret ist geschätzt, nur zur Brunstzeit -ist es wegen des ihm anhaftenden strengen Geschmacks unbeliebt; aus -seiner Haut verfertigt man ein starkes, weiches Leder und aus seinem -Geweih die verschiedensten Gegenstände. Leider ist der Schaden, den das -Rotwild anrichtet, viel größer als der Nutzen, den es bringt. Nur aus -diesem Grunde ist es in den intensiver bevölkerten Gegenden Europas -ausgerottet worden. - -Weit kleiner, deshalb auch viel weniger schädlich und infolgedessen -auch seine Haltung mit den modernen forstwirtschaftlichen Grundsätzen -besser vereinbar ist das ~Reh~ (_Capreolus caprea_), das schon nach -anderthalb Jahren ausgewachsen ist. Im Vergleich zum Edelhirsch ist -es gedrungener gebaut und sein Kopf kurz und abgestumpft. Das Gehörn -zeichnet sich durch breite Rosenstöcke und verhältnismäßig starke, -mit weit hervortretenden Perlen besetzte Stangen aus. Gewöhnlich -setzt die Hauptstange nur zwei Sprossen an, so daß das ganze Gehörn -nicht mehr als sechs Enden hat. Und diese Sechserstufe erreicht -das Reh so schnell, daß seine Altersbestimmung dadurch unmöglich -ist. Sein Alter, das auf 15-16 Jahre, in seltenen Fällen aber auch -bis 20 Jahre geht, ist nicht leicht, am sichersten noch am Gebiß zu -bestimmen. Das Gehörn steht wie beim Hirsch in innigstem Zusammenhang -mit der geschlechtlichen Reife des Rehes. So bekommen Rehböcke, die -in frühester Jugend ihrer Hoden beraubt wurden, kein eigentliches -Gehörn, sondern eine als Perückengehörn bezeichnete unförmliche -Wucherung, die auch entsteht, wenn die Hoden, etwa durch einen Schuß, -verkümmern. Falls aber die Böcke nach der Ausbildung des Gehörns -ihrer Hoden beraubt werden, werfen sie das Gehörn überhaupt nicht ab. -Auch hier macht sich die Entfernung oder Verletzung nur eines Hodens -am Gehörn der anderen Körperseite geltend. Die ersten Spieße werden -im Februar oder März gefegt, und in der Regel im darauffolgenden -Dezember abgeworfen. Auf diese sogenannte Kopfspießerstufe folgt -die Schmalspießerstufe, wobei die Spieße noch kein scharfes Ende -und auch keine eigentliche Rose, sondern an deren Stelle einen aus -Perlen besetzten Kranz haben. Sie werden im darauffolgenden Dezember, -wenn der Bock 2½ Jahre alt ist, abgeworfen. Erst auf der auf die -Schmalspießerstufe folgenden Gablerstufe zeigt das Gehörn zum erstenmal -wirklich scharf ausgebildete Enden, wodurch es erst zu einer Waffe -wird. Gleichzeitig damit tritt die Geschlechtsreife ein. Mit dem -ersten wahren Sechsergehörn ist der Rehbock vier Jahre alt. Die -hell- bis dunkelbraune Färbung des Gehörns hängt wesentlich von den -Holzarten ab, an denen es gefegt wurde. So färbt die gerbstoffreiche -Rinde der Eiche die Stangen dunkel, während sie an Kiefern ziemlich -hell bleiben. Fortpflanzungsfähige Rehgeißen erhalten nie ein Gehörn; -diese Abnormität in Form kleiner, zwar auf Rosenstöcken stehender, -aber keiner Fegung unterliegender Knöpfe, die nur ausnahmsweise zu -wohlgefegten Gehörnen auswachsen, entsteht nur bei unfruchtbaren Tieren -mit mehr oder weniger zwitterigen, bei alten auch mit entarteten -Geschlechtsorganen. Gelegentlich mag auch eine äußere Verletzung an der -Stirne Gehörnbildung bei Ricken veranlassen; denn bei einer Rehgeiß, -der ein Glassplitter an einer der Stellen, wo der Bock das Gehörn -trägt, eingedrungen war, bildete sich dort ein 11,6 _cm_ langer, ein -wenig gegabelter Auswuchs. Dieses pathologische Geißengehörn wird wohl -niemals abgeworfen, was bei den Böcken etwa Mitte Dezember geschieht. -Nach vier Monaten, etwa Ende April, ist das neue Gehörn gewöhnlich -fertig und gefegt, und zwar bei den stärkeren Böcken früher als bei den -schwächeren. - -In Farbe und Behaarung macht das Rehwild mit der Jahreszeit einen -ähnlichen Wechsel durch wie das Rotwild. Auf die dunkel rostrote, -dünne Sommerdecke, die wesentlich aus sprödem, brüchigem Grannenhaar -besteht, folgt eine braungraue, dichte Winterdecke, die reichlich -mit der weichen, warmen Unterwolle versehen ist. Davon hebt sich der -blendendweiße Spiegel ab, der dem gesellig lebenden Tier bei der Flucht -im Waldesdunkel die Richtung, in der seine Genossen flohen, verrät. -Merkwürdig sind die Haare des Spiegels durch ihre Beweglichkeit. -Der Spiegel kann nämlich zusammengezogen und ausgedehnt werden und -scheint beim sichernden, d. h. bei dem sich über seine Sicherheit -unterrichtenden Tiere viel größer als sonst; beim Äsen dagegen wird der -Spiegel zusammengezogen. Außer den gewöhnlich gefärbten Rehen kommen -auch albinotisch weiße, schwarze und gescheckte vor. Die schwarzen Rehe -werden bei der Umfärbung im Frühling so fahl, daß sie dann nur noch -durch den Kopf als solche gekennzeichnet sind. Zu ihnen rechnet man -auch die sogenannten Schwarzbuckel, Rehe, die im Sommer zwar rotbraun, -im Winter aber an Hals und Rücken, oft sogar bis mitten an den Leib -tiefschwarz gefärbt sind, im übrigen aber die gewöhnliche Färbung der -Rehe zeigen. Gleich der Weißfärbung tritt auch die Schwarzfärbung -plötzlich auf, doch scheint sie mehr oder weniger auf sumpfigem und -moorigem Boden, wie er sich in der norddeutschen Tiefebene vielfach -findet, vorzukommen. Bei Paarungen mit andersgefärbten Rehen vererbt -sie sich viel leichter als Weißfärbung. Wo sich ein schwarzes Reh -zeigt, gibt es in wenigen Jahren mehrere, so daß sich schwarzes Rehwild -leicht vermehren lassen würde. - -Das Verbreitungsgebiet des Rehs erstreckt sich mit Ausnahme der -nördlichsten Länder über ganz Europa und den größten Teil von Asien. In -der Schweiz und in Südeuropa ist es fast ausgerottet. Seinen liebsten -Stand bilden nicht die großen, zusammenhängenden Waldungen, wie sie der -Hirsch bevorzugt, sondern die gleich Inseln in den Feldern zerstreut -liegenden Wälder. Es zieht nicht die reinen Nadelholzgegenden, sondern -diejenigen vor, in denen Laubholz mit abfallenden Früchten, wie Eichen, -Buchen, Ebereschen, Elsbeeren usw. an blumenreiche Wiesen mit kräftigem -Graswuchs stößt. Das Strauchwerk des Untergrundes bietet ihm in den -jungen Trieben vorzügliche Äsung und zugleich ein geschütztes Lager. - -Niemals bildet das Reh so starke Trupps wie das Edelwild. Während des -größten Teils des Jahres lebt es familienweise zusammen ein Bock -mit einer, seltener zwei bis drei Ricken und deren Jungen; nur da, -wo es infolge starken Abschusses an Böcken fehlt, gewahrt man Rudel -von 12-15 Stück. Im Winter vereinigen sich bisweilen mehrere Familien -und leben längere Zeit miteinander. Die Kälber halten sich bis zur -nächsten Brunstzeit zu den Ricken, werden dann von diesen abgeschlagen -und bilden oft eigene Trupps für sich. Während des Tages hält sich das -Reh in einer ruhigen, geschützten Stelle des Walddickichts verborgen -und tritt gegen Abend, in Gegenden, wo es ungestört bleibt, bereits in -den späteren Nachmittagsstunden, auf junge Schläge, Wiesen oder Felder -mit saftigem Klee oder kräftig sprossender Saat, besonders Roggen, -heraus, um zu äsen. Dabei ist es wählerisch und nascht von allem nur -das Beste, bleibt auch beim Äsen nie lange an demselben Platz, sondern -sucht sich Abwechslung zu verschaffen. Es leckt gern Salz und scheint -in der Zeit des vollen Pflanzenwachstums nur dann zu trinken, wenn es -krank ist. Sein geringes Wasserbedürfnis deckt es von der Feuchtigkeit -der aufgenommenen Pflanzenteile und von dem in den Blattwinkeln -abgelagerten Tau oder Regen. - -Zuerst tritt die alte Geiß mit anbrechender Nacht vorsichtig aus -dem schützenden Walde heraus, um in der Nähe ihrer Kitze, die im -Dickicht ruhen, zu äsen. Auf den geringsten Klageton derselben kommt -sie angstvoll herbeigerannt, um jene zu beschützen und einen etwa -sich an sie heranschleichenden Fuchs mit den Vorderläufen in die -Flucht zu schlagen. Auf den ersten Warnungsruf der Mutter drücken -sich diese Tierchen, solange sie erst unbeholfen zu gehen vermögen, -mit vorgestrecktem Kopf fest in ihr Lager im dichten Unterwuchs oder -hohen Gras. Erst wenn sie 4-6 Wochen alt sind, folgen sie der Mutter -zu den Äsungsplätzen. Sie knuppern auch hier und da ein wenig am Gras -oder Klee, aber es schmeckt ihnen noch nicht, da ihre Verdauungsorgane -nur Milch zu bewältigen vermögen. Während der Nacht bleiben die Rehe -auf den Wiesen und Feldern, um mit der Morgendämmerung wieder ihre -Verstecke im angrenzenden Wald aufzusuchen. An gewitterigen Tagen sind -sie sehr unruhig, benutzen kaum die üblichen Wechsel und ist auch ein -Birschgang auf sie an den gewöhnlichen Äsungsplätzen erfolglos. - -Ende Juni schwellen den Rehböcken die Hoden an und beginnt die -Brunstzeit, die im Juli auf der Höhe ist und bis in den August hinein -andauert. Von Geilheit getrieben umwirbt der Rehbock ungestüm die -Geiß, die sich nicht gleich willfährig zeigt und sich lange im Kreise -herumdreht und sich dem Bocke, dessen sie sich kaum erwehren kann, zu -entziehen sucht. Der in voller Begierde hinter der brunstigen Geiß -herziehende Bock vergißt alle Vorsicht, stößt röchelnde Laute aus und -folgt in immer kleiner werdenden Bogen der Geiß, die sich schließlich -beschlagen läßt. Da der Bock in dieser ruhelosen, angestrengten Zeit -wenig frißt und häufig beschlägt, wird er immer matter. Trotzdem -springt er noch Wochen nach der Brunst auf den Ruf der Geiß und ist -seine Kampfbegier gegen Nebenbuhler noch größer als zuvor. Grimmig -kämpfen die Böcke um die Weibchen und können dabei mit ihrem Gehörn -so aneinander geraten, daß sie sich nicht wieder trennen können und -verfolkelt, wie der Jäger sagt, elend verhungern müssen. - -Das im Eileiter befruchtete Ei des Rehs verweilt ohne sich weiter -zu entwickeln bis nach Mitte Dezember, also volle 4½ Monate im -Fruchthalter, der auch keine Veränderung zeigt. Erst dann beginnt -es sich rasch zu entwickeln und die Gebärmutter auszudehnen, so daß -der Keimling nach etwa 25 Tagen sich nur noch zu vergrößern braucht. -Vierzig Wochen nach erfolgreichem Beschlage, also im Mai, setzt die -Rehgeiß an dem stillen Orte, an den sie sich zu ihrer Entbindung -zurückgezogen hat, ein bis zwei, selten drei Kitze, die der Mutter -schon nach wenigen Stunden, allerdings zunächst recht unbeholfen, -in spinnenhaften Bewegungen zu folgen vermögen. Nach der Brunstzeit -gehen die vorübergehend von der Mutter abgeschlagenen Kitze wieder -mit ihr und oft gesellen sich noch die zweijährigen hinzu. Bis zum -September ist der Sprung gesammelt und Ende September tun sich mehrere -derselben, aber selten mehr als 8-10 Rehe, zu Rudeln zusammen, die der -inzwischen wieder von den Strapazen der Brunst erholte Bock führt. Das -Verfärben beginnt jetzt wieder und schreitet je nach der Witterung -rascher oder langsamer vor. Mitte Oktober ist kaum mehr ein braunrotes -Reh anzutreffen. Um diese Zeit werfen schon einzelne starke Böcke ihr -Gehörn ab; die meisten aber verlieren ihr Gehörn erst im November, -manche sogar erst im Dezember oder gar im Januar. - -Einst waren außer dem Menschen, der mit Schlingenstellen und Schießen -ihm nachstellte, Bär, Wolf und Luchs die schlimmsten Feinde des Rehs. -In Mitteleuropa kommt nur noch der Fuchs in Betracht, der unabläßlich -den Rehkitzen und kranken älteren Rehen nachstellt. Angeschossenem -Rehwild folgt der Fuchs auf der schweißigen Fährte wie der beste Hund; -findet er es noch lebend auf dem Wundbett, so beschleunigt er den Tod -durch Zerreißen der Halsadern, ist es aber schon verendet, so beginnt -er es von der Wunde aus anzuschneiden. Auch Wildkatze, Baummarder -und Iltis stellen den Kitzen eifrig nach und kennen deren Fiepton und -Angstschrei genau. Von den mitteleuropäischen Vögeln wird nur der Uhu -den jungen Rehen gefährlich, im Hochgebirge und in Asien auch der -Adler. Eine besondere Klasse von Feinden, gegen die die Rehe vollkommen -machtlos sind, bilden die den Hirsch greulich peinigenden Dassel- oder -Bießfliegen und Bremsen, deren Larven entweder in den Schleimhäuten -der Nasenhöhle oder im Unterhautzellengewebe besonders des Rückens -schmarotzen und ihrem Träger arg zusetzen, ja ihn gelegentlich zugrunde -richten können. Lästig werden auch Zecken, Läuse und verschiedene -Eingeweidewürmer; ebenso sind ansteckende Krankheiten, worunter -besonders die Tuberkulose und Wild- oder Rehseuche, zu erwähnen. - -Wegen ihrer Anmut und ihres zutraulichen Wesens werden Rehe schon -seit alter Zeit als Hausgenossen gehalten. Der um die Mitte des 1. -Jahrhunderts n. Chr. in Rom lebende Spanier Columella schreibt in -seinem Buche über den Landbau: „Wilde Tiere, wie Rehe (_capreolus_), -Antilopen, Hirsche und Wildschweine, hält man entweder zu eigenem -Vergnügen, oder zum Verkauf und Gewinn. Im ersteren Falle genügt jeder -nahe am Wohnhaus gelegene umzäunte Platz und man füttert und tränkt -sie aus der Hand; im zweiten muß ein Stück Wald, der auch Wasser -enthält, für das Wild bestimmt und ummauert oder mit Latten umzäunt -werden.“ Plinius meint, die Rehe und Wachteln ernähren sich von Gift, -werden dabei dick und fett, sind aber gleichwohl die gutmütigsten -Tiere der Welt. Tatsächlich fressen Hirsche und Rehe in der Brunstzeit -mit Vorliebe Pilze, worunter auch giftige, die ihnen nicht schaden. -Merkwürdigerweise behauptet derselbe Plinius in seiner Naturgeschichte, -daß das „kleine, ästige Gehörn des Rehwilds“ nicht abfällt. Dies und -daß es von den antiken Schriftstellern kaum erwähnt wird, beweist, daß -es schon damals in den Mittelmeerländern fast ausgerottet war. - -Das eingefangene Rehkitzchen gewöhnt sich sehr rasch an seine Umgebung, -sowohl an Mensch als auch an Tier. Es spielt mit dem Hunde wie mit -seinesgleichen, legt bald alle Scheu ab, ist für Leckerbissen sehr -empfänglich, klettert auf Bänke und Tische und wird der verhätschelte -Liebling aller. Bei der Ricke kann diese Liebenswürdigkeit länger -anhalten und bleibt sie mit zunehmendem Alter ein angenehmer -Hausgenosse, aber es empfiehlt sich, zur Zeit der Brunst ein wachsames -Auge auf sie zu haben, falls Wald in der Nähe ist und Rehe dort stehen. -Ist ihr der Weg zum Walde abgeschnitten, dann bleibt sie dem Hause -treu. Der gefangen gehaltene Rehbock jedoch wird schon nachdem er -seine Spitzen gefegt hat, unangenehm, er gefährdet Kinder und Frauen -durch seine Stöße, tyrannisiert alle Haustiere, besonders die braven -Jagdhunde, die genau wissen, daß sie ihm nichts tun dürfen, und muß -regelmäßig früher oder später eingesperrt oder einem zoologischen -Garten geschenkt werden. Hier ist ihm in der Regel trotz sorgsamer -Pflege und vielfältiger Fütterung kein sehr langes Leben beschieden, -da der Aufenthalt in einem eingehegten, wenn auch noch so großer -Wildpark sein Gedeihen ungünstig beeinflußt. Er gehört in den Wald, -dessen Zierde er ist, und bildet die bevorzugte Beute des Weidmanns, -der ihn auf Anstand oder Ansitz, auf dem Birschgange, durch Blatten -oder Treiben mit Hunden erlegt. In Deutschland werden alljährlich etwa -200000 Rehe geschossen, die drei Millionen Kilogramm Wildbret geben und -einem Verbrauchswert von 3-4 Millionen Mark gleichkommen. Das Wildbret -vom Reh ist sehr kurzfaserig und liefert deshalb einen sehr zarten -Braten. Das Mark der Röhrenknochen gibt ausgelassen ein vorzügliches -Fett zum Schmieren von Gewehrschloß und anderen Stahlwerkzeugen. Die -Gehörne bilden Material zu allerlei Zierat, das Fell liefert Decken und -Leder, mit Haaren vom Winterfell werden feinere Reitsättel gefüttert. -Jedenfalls ist aber der Schaden, den das Reh in jungen Schlägen -anrichtet, größer als sein Nutzen. - -Im Gegensatz zu dem in der Gefangenschaft hinfälligen Reh, das sich -auch keineswegs regelmäßig im Zwinger fortpflanzt, ist der zwischen -Rotwild und Renntier stehende ~Damhirsch~ (_Dama vulgaris_) für das -Leben in Parks wie geschaffen. Man kann sich auch kaum eine größere -Zierde solcher großer Anlagen beschaffen als eben das Damwild, das -seinen Namen davon tragen soll, daß es das Wild der Damen ist. Es -ist weit weniger scheu als Hirsch und Reh, treibt sich an lichten -Waldstellen oft ungescheut am hellen Tage umher und wechselt weder so -regelmäßig noch so weit wie der Rothirsch. Im engeren Wildpark wird es -so neugierig-zutraulich, daß es den Namen Wild kaum mehr verdient und -es schon ein ganz schlimmer „Schießer“ sein muß, der am Niederknallen -eines so wenig scheuen liebenswürdigen Geschöpfes noch ein Vergnügen -findet. Mit seinen bunten Farben und seiner unruhigen Lebhaftigkeit -ist es zur Belebung einer Parklandschaft wie geschaffen, und -tatsächlich bevölkert es auch, besonders in England, die Umgebung aller -Sommerschlösser, für deren nicht selten gelangweilte vornehme Bewohner -es gewiß viel unterhaltender ist als das scheu sich zurückziehende -Rotwild. Nur muß man junge Bäume und Anpflanzungen gegen das Damwild -noch sorgfältiger schützen als gegen das Rotwild, da es noch mehr -wie dieses das Schälen, d. h. Abnagen der Rinde und Verbeißen, d. h. -Abfressen der sprossenden Zweige und Blätter, jene beiden großen -Verbrechen des Wildes in den Augen des Forstmanns und Gärtners, sich -zuschulden kommen läßt. Doch kann man diese Neigung, der zweifellos -bestimmte physiologische Bedürfnisse zugrunde liegen, dadurch ablenken, -daß man den verschiedenen, in der modernen Forstwirtschaft allerdings -streng verpönten Unterholzsträuchern im Park ihre Stelle läßt, außerdem -auch durch rationelle Fütterungs- und Leckeinrichtungen von Salz mit -Lehm und aromatisch bitteren Stoffen abschwächt. - -Was die geographische Verbreitung des Damhirsches betrifft, so hat -es, wie verschiedene Knochenfunde beweisen, vor der Eiszeit ganz -Mitteleuropa bis Norddeutschland bewohnt, wurde aber durch die -Klimaverschlechterung während derselben in die Länder am Mittelmeer bis -zur Sahara verdrängt. Von dort wurde er erst in der Neuzeit durch den -Menschen künstlich wieder in Mitteleuropa eingeführt, wo er im Altertum -und Mittelalter vollkommen fehlte. Heute ist er bis Südschweden und -Norwegen verpflanzt worden. Am frühesten kam er nach England, wo es -schon 1465 dunkelfarbiges Damwild im königlichen Park von Windsor gab. -Unter dem Großen Kurfürsten wurde er um 1680 nach der Mark Brandenburg -und unter Friedrich Wilhelm I. um 1730 nach Pommern gebracht. Hier -überall gedeiht der Damhirsch bei einiger Winterpflege recht gut, aber -er ist fast zu einem Haustier geworden, dessen Färbung manchem Wechsel -unterworfen ist. Gewöhnlich ist er loh- oder gelbbraun, auf dem Kopf -und obern Hals dunkler gefärbt und auf dem Rücken vom Nacken bis zum -Schwanzende mit einer dunklen Linie gezeichnet. An Rumpf und Hüften ist -er mehr oder weniger deutlich weißgefleckt und an der Unterseite des -Körpers weiß. Daneben gibt es aber auch fleckenlose braune, gelbe, fast -schwarze und ganz weiße Damhirsche mit allen Übergängen ineinander. -Im allgemeinen ist das Damwild im Sommer mehr rötlich gefärbt und -deutlicher gefleckt, im Winter dagegen mehr grau und fast fleckenlos. -Charakteristisch ist sein bei völliger Ausbildung unten drehrundes, -oben handförmig ausgebreitetes Geweih, das je einen Mittel- und -Augensproß nach vorn entsendet. - -Das Damwild liebt hügeliges Land, in welchem sanfte Täler mit niederen -Anhöhen abwechseln, ebenso lichte Laubwaldungen und Haine, deren Boden -mit kurzem Gras bewachsen ist. Es gleicht in seiner Lebensweise dem -Rotwild, ist nur unsteter und unruhiger, hält an seinem Standort und -seinem Wechsel im allgemeinen fester als jenes und pflegt auch stärkere -Rudel zu bilden. Seine Feistzeit fällt in den September, die Brunst -tritt im November ein und etwa einen Monat später als beim Edelhirsch -wirft das etwa acht Monate lang tragende Tier ein oder zwei bis zur -folgenden Brunstzeit von ihm gesäugte Kälber, die, falls es Männchen -sind, im zweiten Jahr runde, sich in jedem Frühling erneuernde und -sich allmählich zerteilende Geweihstangen erhalten, an denen zuerst -Augen-, dann Mittelsproß und zuletzt die schaufelförmig erweiterte, -nach hinten zerteilte Spitze auftritt. Die alten Damhirsche werfen im -Mai, die jungen Spießer im Juni ihr Geweih ab, das sich bis zum August -oder September erneuert. Das Damwild liefert zarteres Wildbret und eine -weichere und elastischere, aber auch schwächere Haut als das Rotwild -und wird ebenso gejagt und benutzt wie dieses. Seine Munterkeit bewahrt -es auch in engerer Gefangenschaft, an welche es sich leicht gewöhnt. - -Einst über ganz Mitteleuropa verbreitet, aber heute hier überall -ausgerottet ist der ~Elch~ (_Alces machlis_). Diese hochbeinige, -stattliche Hirschart mit plumpem Körper, großem Kopf, dicker Schnauze -und im männlichen Geschlecht mit Kehlbart und mächtigem, fast wagrecht -verlaufendem schaufelförmigem Geweih liebt moorreiche Waldungen. -Wenigstens tummelt sich der Elch vom April bis September fast -ausschließlich im Sumpf, über dessen Schlammboden ihn die großen, -breiten, tief gespaltenen Hufe leicht tragen. Früher war er westlich -bis Großbritannien und Frankreich, südlich bis in die Lombardei -verbreitet. In Norditalien scheint er bereits zur römischen Kaiserzeit -ausgestorben gewesen zu sein. Der Grieche Pausanias schreibt um 170 -n. Chr.: „Der Elch (_alkḗ_) sieht dem Hirsch und dem Kamel ähnlich, -bewohnt das Land der Kelten. Menschen können es nicht aufspüren und es -kann daher nur erlegt werden, wenn man große Strecken einkreist und -dann immer näher zusammenrückt.“ Um 208 schaffte Gordian als Konsul -nach Julius Capitolinus 10 Elche für die Jagdspiele nach Rom und 273 -ließ Kaiser Aurelian auch dieses Tier als Schaustück aus Gallien -in seinem Triumphzuge aufmarschieren. In Gallien verschwand der -Elch schon im 5. Jahrhundert n. Chr. Länger blieb er in Deutschland -erhalten. Im Walde Viergrund bei Nördlingen in Bayern erlegten zwei -Hofleute des Königs Pipin einen Elch, dessen riesenhaftes Geweih -sich im Original und in einer Abbildung bis heute erhielt. Im 10. -Jahrhundert lebte der Elch noch in Flandern, im 14. in Böhmen; im -16. war er schon in Mecklenburg und dem größten Teile Deutschlands -ausgerottet. In Sachsen wurde das letzte Exemplar dieser Tierart -1746, in Schlesien 1746, in Galizien 1760 erlegt. In Ungarn, wo -es noch im 17. Jahrhundert Elche gab, waren zu Ende des 18. keine -mehr vorhanden. Aus Westpreußen ist der Elch erst zu Anfang des 19. -Jahrhunderts verschwunden, in Ostpreußen wird er im kaiserlichen Forst -von Ibenhorst gehegt. In Skandinavien, Nordrußland und Sibirien kommt -er noch in inselartiger Verbreitung vor, verträgt sich aber nirgends -mit geordneter Forstwirtschaft, da er ein schlimmer Waldfrevler ist, -fast ausschließlich von Sträuchern und jungen Bäumen äst, und zwar -nicht bloß deren Blätter und junge Schößlinge, sondern namentlich -auch die Rinde und holzigen Zweige bis zu Fingerdicke. Im Februar und -März schält er die Rinde der Nadelholzgewächse, später diejenigen der -Laubbäume, und zwar ist für ihn als Sumpfhirsch das Lieblingsgesträuch -die Werftweide. Im Winter bilden Baumknospen seine Hauptnahrung. Wo -er sich sicher fühlt, zieht er Tag und Nacht, beunruhigt dagegen vor -Sonnenunter- und Aufgang seiner Nahrung nach, um die übrige Zeit im -Dickicht oder Moore zuzubringen. Nach der Sättigung legt er sich nach -Rinderart zum Wiederkauen nieder. - -Im allgemeinen friedfertig und gesellig lebt der Elch familienweise; -nur die starken Hirsche bleiben bis gegen die Brunstzeit allein. In -der Brunstzeit im August bis September verhalten sich die Männchen -ähnlich den Rothirschen, fordern auch durch Schreien ihre Nebenbuhler -heraus und kämpfen wütend mit ihnen um den Besitz der Weibchen. -Besiegte Elchhirsche, die keine Tiere zur Begattung finden, geraten -in eine Art Koller, der sie unaufhörlich herumschweifen, wohl gar in -bewohnte Gegenden laufen und ebenso abmagern läßt wie die glücklicheren -Geschlechtsgenossen. Das beschlagene Tier zieht sich gegen das Ende -der 40 Wochen betragenden Tragzeit in einsame Sumpfgegenden zurück, wo -es meistens zwei Kälber setzt, die es sorgsam beschützt und ernährt. -Nach drei Jahren sind die Weibchen erwachsen, die Männchen dagegen -erst im fünften Jahre, wobei sich bei ihnen das Geweih schaufelartig -auszubreiten beginnt. Ein ausgewachsener Elchhirsch wiegt 330 _kg_, -ein ausgewachsenes Elchtier dagegen nur 280 _kg_, während ein eben -gesetztes Elchkalb 10-12 _kg_ wiegt. Der Elch erreicht nur ein Alter -von 20 Jahren und hat besonders unter den Angriffen der rudelweise -jagenden Wölfe zu leiden, die ihn im Winter auf dem Eise leicht zu -Falle bringen. Gefährlich ist ihm auch der Bär, der gern einzelne -Elche beschleicht, ebenso der Luchs, der Elchkälbern auflauert und -sie bei Entfernung der Mutter überfällt und abwürgt. Bei mehrmaliger -Beunruhigung ändert der Elch seinen Stand, haßt überhaupt mehr als die -übrigen Hirsche alle Störungen aufs tiefste und verläßt eine Gegend, -in der er wiederholt behelligt wurde. Jung eingefangene Elche werden -leicht zahm und wurden früher in Schweden zum Ziehen von Schlitten -abgerichtet; doch bleiben sie in der Gefangenschaft nur verhältnismäßig -kurze Zeit am Leben und sterben an zunehmender Abmagerung vorzeitig -dahin. Das Zusammensein mit Vertretern lebhafter Hirscharten ist dem -Elch zuwider; nur mit den ruhigen, gelassenen Renntieren verträgt -er sich gut, eignet sich aber wegen seiner Hinfälligkeit in der -Gefangenschaft nicht zur Domestikation. - -Ein trefflich kletternder Bewohner des Hochgebirges ist die kluge -~Gemse~ (_Capella rupicapra_), die ein ausgesprochenes Tagtier ist -und durch ihr bei aller blitzartigen Entschlossenheit doch ruhig -überlegendes Wesen sich vorteilhaft von der kopflosen Scheu und -nervösen Schreckhaftigkeit der mehr nächtlichen hirschartigen Waldtiere -unterscheidet. Sie bewohnte früher das Vorland der Gebirge, bis sie -sich in harter Bedrängnis durch den Menschen auf das für ihn schwer -zugängliche Hochgebirge zurückzog. Aber auch da ist sie nicht wie -der Steinbock ein reines Felsentier, sondern eigentlich ein Bewohner -des obersten Waldgürtels, wo sie am liebsten weilt. Früh zieht -sie zur Äsung auf bekannte Weideplätze, um bis um 10 Uhr saftige -Kräuter allerlei Art und junge Triebe von Sträuchern, besonders -Alpenrosen, zu fressen, dann wandert sie einem Waldbestand oder einem -Legföhrendickicht zu, um hier wiederzukauen. Um 4 oder 5 Uhr wird -sie wieder rege, zieht auf den Äsungsplatz, wo sie bis zur Nacht, -bei Mondschein bis 10 oder 11 Uhr, frißt, um dann die Nacht über in -gedeckter Stellung teilweise wiederkauend zu ruhen. Auf der Flucht -entwickelt sie eine überraschende Sprungfertigkeit und Kletterkunst. -Mit ihren sehnigen langen Läufen mit starken, scharfrandigen Hufen -springt sie dann bis 7 _m_ weit und schnellt sich an senkrechten Wänden -bis 4 _m_ in die Höhe. Im Notfall rutscht sie mit zurückgestemmtem -Körper und scharf gegen das Gestein eingesetzten Hinterhufen schnurrend -die steilsten Wände hinunter und auch ein Absturz bis zu 100 _m_ soll -ihr nicht schaden, wenn sie nur unten auf weichen Schnee fällt. Droht -oben Gefahr, so eilt sie mit wilden Sätzen abwärts, wobei sie 10-15 _m_ -hohe Bergwände herunterspringt, um hart an der Wand zu entkommen. Im -Winter rutscht sie oft zum Vergnügen auf dem Bauch mit vorgestemmten -Füßen steile Schneehalden hinunter, wobei sie in hockender Stellung -so lange mit den Hinterbeinen sich abschnellt, bis sie ins Gleiten -gekommen ist. Ihre Sinne, besonders der Geruch, sind vortrefflich -ausgebildet; dabei ist sie in hohem Grade wachsam und unterscheidet -sehr wohl harmlose Menschen vom sich an sie heranschleichenden Jäger. - -Als höchst geselliges Tier vereinigt sich die Gemse zu ziemlich großen -Rudeln von 30-40 Stück, die die Geißen, deren Kitzchen und die jüngeren -Böcke bis zum zweiten, höchstens dritten Jahre umfaßt. Alte Böcke leben -außer der Paarungszeit für sich oder vereinigen sich nur vorübergehend -mit einigen wenigen ihresgleichen. Im Rudel übernimmt eine alte, -erfahrene Geiß die Leitung, doch wachen alle älteren Mitglieder -desselben abwechselnd für die Sicherheit des Trupps. Jede Gemse, die -etwas Verdächtiges gewahrt, drückt dies durch ein weithin vernehmbares, -mit Aufstampfen des einen Vorderfußes verbundenes Pfeifen aus, worauf -das Rudel, sobald es sich von der Tatsächlichkeit der Gefahr überzeugt -hat, sofort die Flucht ergreift. Gegen die Paarungszeit hin, welche -um Mitte November beginnt und bis Anfang Dezember währt, finden sich -die starken Böcke bei den Rudeln ein, indem sie sich dumpfgrunzend um -die Geißen bewerben. Bei ihrem Erscheinen stieben die jungen Böcke -erschreckt auseinander. Da die starken Böcke keinen Nebenbuhler bei dem -von ihnen mit Beschlag belegten Rudel dulden, setzt es unter den geilen -Gesellen grimmige Kämpfe ab, wobei der unterliegende Bock gelegentlich -einen Abgrund hinuntergestoßen oder ihm mit dem spitzen nach rückwärts -gebogenen Gehörn auch der Bauch oder eine andere Körperstelle -aufgerissen wird. Zuerst werden die jüngeren, dann die älteren Geißen -beschlagen. Dabei läßt der Bock von einer bei ihm viel stärker als -bei der Geiß anschwellenden Drüse hinter den Krickeln einen für uns -widrig duftenden, den Geißen aber angenehmen und sie sexuell erregenden -Duft ausströmen. Bei der Brunst, während welcher er beständig erregt -ist und kaum etwas frißt, magert der Gemsbock stark ab, um sich nach -Ablauf derselben allerdings rasch wieder zu erholen. Die Satzzeit fällt -auf Ende Mai oder Anfang Juni. Während jüngere Geißen stets nur ein -Kitzchen setzen, gebären alte deren zwei, ausnahmsweise auch drei, die -ungemein rasch heranwachsen, schon im dritten Monat Hörner erhalten und -bereits im dritten Jahr die volle Größe der Alten erreicht haben. - -Ungeachtet mancherlei Gefahren und der harten Bedrängnis schneereicher -Winter vermehren sich die Gemsen da, wo sie gehegt und nur in -vernünftiger Weise abgeschossen werden, ungemein rasch und sind eine -unvergleichliche Zier unseres Hochgebirges. Die Jagd auf sie ist -ein beschwerdereiches Vergnügen, das einen ganzen Mann verlangt. -Ihr Wildbret ist vorzüglich und übertrifft an Wohlgeschmack noch -dasjenige des Rehs, das als das beste der einheimischen Wildarten -gilt, bei weitem durch seinen würzigen Beigeschmack. Das Fell wird -zu einem vorzüglichen Wildleder verarbeitet, die Hörner zu allerlei -Zierat verwendet, während die 20-23 _cm_ langen, schwarzen Haare mit -gelb-weißer Spitze, die als eine Art Mähne dem Rücken entlanglaufen, -als „Gamsbart“ in Nachahmung einer Tiroler Sitte einen beliebten -Hutschmuck auch für die Städter im Reisekostüm bilden. Nur jung -eingefangene Gemsen lassen sich zähmen. Sie werden zunächst mit -Ziegenmilch, dann mit saftigen Kräutern, Kohl, Rüben und Brot ernährt -und einer gutartigen Ziege mit deren Zicklein zugesellt, in deren -Gesellschaft sie zu allerlei keckem Spiel aufgelegt sind. Zutraulich -drängen sie sich an ihren Pfleger heran, um sich Futter zu erbitten. -Erst in erwachsenem Zustande kommt bei ihnen meist eine gewisse -Wildheit zum Durchbruch, die sich durch nachdrücklichen Gebrauch ihrer -Hörner bekundet. In einem Stalle behagt es ihnen nicht. Auch im Winter -wollen sie Tag und Nacht im Freien zubringen und begnügen sich auch im -Schnee mit ein wenig Streu als Lager. Alt eingefangene Gemsen bleiben -immer furchtsam und scheu und pflanzen sich in der Gefangenschaft -kaum je fort. Von jung eingefangenen Gemsen hat man in verschiedenen -Tiergärten Junge gezüchtet. - -Häufiger als auf Gemsen findet sich für den deutschen Weidmann -Gelegenheit, auf Sauen zu jagen. Das ~Wildschwein~ (_Sus scrofa_) ist -der einzige Vertreter der Schweinefamilie in ganz Europa. Mit Vorliebe -wählt es sich feuchte, sumpfige Gegenden zu seinem Aufenthaltsort, -gleichgültig, ob diese bewaldet oder mit Sumpfwuchs bestanden seien. -Nur wo es verfolgt wird, zieht es sich in das Waldesdickicht zurück, -um darin unter tiefbeasteten Fichten oder im Gestrüpp tagsüber zu -ruhen, wobei es sich eine mit Moos und Farnen gepolsterte Vertiefung -im Boden zum bequemen Lager herrichtet. Mit einbrechender Dämmerung -erhebt es sich, um zunächst einer Suhle zuzustreben, in welcher es -sich ein halbes Stündchen wälzt. Wenn alles ruhig geworden ist, sucht -es mit Vorliebe die reifenden Getreidefelder und Kartoffeläcker auf, -um sich darin gütlich zu tun. Dabei frißt es weit weniger als es -verwüstet, weshalb es dem Landmanne begreiflicherweise so verhaßt ist. -Sonst sucht das Wildschwein in Wald und auf Wiesen Erdmast in Form von -Trüffeln, fleischigen Wurzeln, Kerbtierlarven, Würmern, Schnecken, aber -auch Mäusen und anderen kleinen Säugetieren nebst Leichen aller Art; -im Herbst und Winter ernährt es sich vorzugsweise von abgefallenen -Eicheln, Bucheln, Haselnüssen und Kastanien, verfolgt angeschossenes -und kränkelndes Wild, um ihm den Garaus zu machen, und frißt in der Not -die eigenen Jungen. Beim Fressen sichert es häufig mit emporgehaltenem -Rüssel, zumal wenn es aus einem Dickicht ins Freie und über einen Weg -wechselt. Fällt ihm etwas Verdächtiges auf, so entfernt es sich nach -Ausstoßen eines schnaubend-fauchenden Tons so geräuschlos, daß man -glauben könnte, es sei in die Erde verschwunden. Das unbedeutendste -verdächtige Zeichen genügt, das scheue Tier zu vertreiben. Geruch -und Gehör sind bei ihm seiner nächtlichen Lebensweise entsprechend -ausgezeichnet, während das Gesicht mangelhaft ist. Den Jäger erkennt es -an der Witterung, nicht an seiner Gestalt. Verfolgt stürzt es sich ohne -Bedenken in reißende Ströme, um sie zu überschwimmen, wobei es sehr -geschickt und ausdauernd schwimmt. - -Als sehr geselliges Tier pflegt sich das Wildschwein zu Rudeln -zusammenzutun, und zwar die stärkeren Keiler für sich, während die -Bachen genannten Weibchen mit den Frischlingen und geringen Keilern -gehen. Vom dritten Lebensjahre an leben die dann Hauptschweine -genannten Männchen als Einsiedler und schlagen sich erst zur -Paarungszeit, zur sogenannten Rauschzeit, zu den Rudeln der Weibchen, -um deren Besitz sie mit gleichstarken Keilern erbitterte Kämpfe -führen. Die geringeren Keiler werden vertrieben, wenn sie sich zur -Rotte, wie man eine Herde Wildschweine nennt, gesellen. Abgeschlagene -Wildschweine suchen ihren Geschlechtstrieb vielfach bei Herden von -zur Eichel- oder Buchelmast in den Wald getriebenen Hausschweinen zu -befriedigen, wodurch dann Blendlinge entstehen, die wegen ihres wilden -und scheuen, mit schlechter Mastfähigkeit gepaarten Temperaments dem -Zuchtsauenbesitzer wenig willkommen sind. Den Hauptschutz der Keiler -bei ihren grimmigen Kämpfen mit den Nebenbuhlern bildet ein an den -Schulterblättern zwischen Haut und Fleisch, oft bis zwei Finger dicker -„Schild“ aus hornartiger weißer Masse. Harnisch dagegen nennt man die -feste Kruste, die sich an Brust und Vorderschulter der Keiler durch -Reiben an den Stämmen Harz ausschwitzender Fichten bildet, deren Harz -die Borsten und die Unterwolle zu einer harten, schützenden Decke -zusammenklebt. - -Schon ehe das Wildschwein vollkommen ausgewachsen ist, wird es -fortpflanzungsfähig. Von Ende November bis in den Januar dauert die -Rauschzeit. Nach einer Tragzeit von 20 Wochen wirft die Bache, für sich -abgesondert, so lange sie noch jung ist 4-6, später 10-12 Frischlinge, -die auf gelbgrauem Grunde braune Längsstreifen aufweisen. Es ist -dies ein altmodisches Gewand, das die Vorfahren einst auch erwachsen -trugen. Die Frischlinge werden von der Bache aufmerksam bewacht -und im Falle eines Angriffs mutig verteidigt. Schon der geringste -Klagelaut eines Jungen ruft die Alte herbei, die sich wutschnaubend -auf den Friedensstörer wirft. Die Wildschweine werden 20-25 Jahre -alt, erreichen nur ausnahmsweise ein Gewicht von 225 _kg_ bei einer -Länge von 1,6 _m_ und einer Höhe von 0,5 _m_. Die einzige Seuche, die -bei ihnen auftritt und sie rasch dahinrafft, ist die Halsbräune. Sie -werden auf dem Anstand, namentlich auf der Saukanzel, dann auf der -Birsch und auf der Jagd mit Treibern und Hunden erlegt. Jedenfalls -ist der Schaden, den sie verschulden, nicht so bedeutend, daß er ihre -vollkommene Ausrottung rechtfertigen würde. Dadurch, daß sie durch -Aufwühlen weiter Bodenstrecken nach Engerlingen (Larven des Maikäfers) -diese Schädlinge ausrotten und gleichzeitig die natürliche Besamung -der Waldbäume erleichtern, sind sie dem Forstmanne geradezu nützlich. -Während sie heute auf freier Wildbahn bei uns selten geworden sind, -werden sie noch vielfach in eingehegten Waldbezirken als geschätzte -Jagdtiere gehalten. Die Jagd auf sie hat seit alten Zeiten als ein -ritterliches Vergnügen gegolten, war es aber nur solange der Jäger -mit der Saufeder ihnen direkt entgegentrat, um sie zu fällen. Heute -aber, wo man sie ohne alle Lebensgefahr auf weite Distanz mit den -weitreichenden Präzisionsgewehren schießt, ist alle Ritterlichkeit -dahin. Ihr Fleisch ist sehr geschätzt, weil es neben dem Geschmack -des Schweinefleisches den des echten Wildbrets hat. Das Gehirn der -Wildsau ist hoch entwickelt, weshalb sie sich leicht abrichten läßt. -Auf den britischen Inseln ist sie wie der Wolf schon seit längerer Zeit -ausgerottet. - -Nur ganz ausnahmsweise kommt ein mitteleuropäischer Jäger auf den -~braunen Bären~ (_Ursus arctos_) zu Schuß. Wer diesen in freier -Wildbahn kennen lernen will, der muß schon nach Siebenbürgen oder -Rußland gehen, wo er auch jetzt noch in gewissen Gegenden nicht selten -vorkommt. In Siebenbürgen bewohnt er die Legföhrenregion des Gebirges, -während er in den Rokitnosümpfen Rußlands ein echter Sumpfbewohner -ist, der sich nur zur Winterszeit in trockeneres Gelände zurückzieht. -Im allgemeinen liebt der Bär schwer zugänglichen oder doch wenig -besuchten, dichten Wald, in welchem ihm Höhlen unter Baumwurzeln oder -in Baumstämmen, im Felsengeklüfte, mit reichem Unterholz bewachsene -Inseln in Brüchen Obdach und Ruhe vor seinem Erzfeinde, dem Menschen, -gewähren. Er kann 2 _m_ Länge, 1 _m_ Höhe und ein Gewicht von 300 _kg_ -erreichen und trägt im Winter ein dichtes, zottiges, langhaariges -Fell, im Sommer dagegen ein viel kürzeres, dünneres und dunkleres von -brauner bis schwarzer Farbe. Trotz seines schwerfälligen Körperbaues -ist er ein gewandtes Tier, das im tiefen Schnee Sprünge von 3,5-5,5 -_m_ machen kann und auch beim Klettern eine große Gelenkigkeit zeigt. -Mit seiner urwüchsigen Kraft, die ihn einen 350 _kg_ schweren Hirsch -aus einer Grube zu ziehen und weit wegzuschleppen erlaubt, verbindet -er eine ungeheure Ausdauer und Zähigkeit im Ertragen von Strapazen -und im Aushalten von Verwundungen. Während sein Geruch und Gehör -ausgezeichnet sind, ist das Gesicht bei ihm nur schlecht entwickelt. -Seine geistigen Fähigkeiten sind sehr gute, doch ist er bei aller -Gutmütigkeit höchst falsch und mißtrauisch, liebt Behaglichkeit -ungemein, greift aber, sobald er gereizt wird, sofort an. Er ist seinem -Gebiß und der Beschaffenheit seiner Eingeweide nach Allesfresser, hält -sich im allgemeinen aber mehr an Pflanzen- als Fleischkost. Monatelang -kann er sich mit Früchten, besonders Eicheln, Bucheln und Haselnüssen, -dann Beeren aller Art, reifendem Mais, saftigem Hafer und anderem -Getreide neben Schnecken, Käfern und Insektenlarven ernähren. Wo ihm -aber Gelegenheit dazu geboten wird, ergreift er gern Wild oder größere -Haustiere des Menschen, besonders Rinder und Schafe, um sie zu fressen. -Kann er keine lebenden Tiere haben, so begnügt er sich auch mit Aas. -Meist schlägt er sein Opfer mit einer seiner kräftigen Vorderpranken am -Rücken, wobei die scharfen, langen Krallen tief ins Fleisch eindringen, -und beißt es dann am Halse tot. Beim Verzehren des gestreckten Tieres -reißt er ihm zuerst die Brust auf, um die Eingeweide zu verzehren. Was -er nicht fressen kann, wird notdürftig von ihm verscharrt oder mit -Reisig bedeckt und später wieder aufgewühlt. In Siebenbürgen sind außer -Haustieren, besonders Rindern, Wildschweine und Rehe seine gewöhnlichen -Opfer, während er in Rußland außerdem auch Elche erbeutet. Begieriger -als nach jeder anderen Nahrung ist er aber nach Honig. In den Bäumen, -in deren Höhlungen wilde Bienen wohnen und ihre Vorräte angelegt haben, -kratzt und beißt er Löcher, um zu der von ihm so geliebten süßen Speise -zu gelangen. Wasser kann er nicht längere Zeit entbehren. Solange -sein Standquartier wasserreich genug ist, um seinen Durst zu stillen, -verläßt er es nie. Erst wenn ein sehr heißer Sommer Wassermangel -herbeiführt, besucht er benachbarte, mit Wasser versehene Gegenden, -um sofort in sein Revier zurückzukehren, sobald dessen Wassermangel -vorüber ist. - -Bei der Eichel- und Buchelmast im Herbst hat er sich genug Fett -angemästet, um im geschützten Lager gekrümmt, mehr auf der Seite als -auf dem Bauche liegend über die für ihn schlimme Jahreszeit zu ruhen. -Ein Winterschlaf ist es kaum zu nennen; denn es ist mehr ein duselndes -Wachen, bei dem er niemals die angeborene Vorsicht außer acht läßt. -Kurze Zeit nach dem Lagern sind die Bären noch unruhig; besonders die -schlechtgenährten verlassen das Lager häufig, um sich, weil ihnen die -gegen Kälte schützende Fettschicht der feisten fehlt, durch Bewegung -zu erwärmen. Sobald sie beunruhigt werden, erheben sie sich, um ein -anderes Lager zu beziehen. Eingeschneite oder in Höhlen lagernde -Bären liegen am festesten. Bärinnen mit Jungen und alte, früher schon -einmal angeschossene Bären sind am ängstlichsten und erheben bei jedem -verdächtigen Geräusch den Kopf, um sich bei nahender Gefahr beizeiten -zu flüchten. - -Solange der Winter anhält, bleibt der Bär im Lager, wobei sich seine -Sohlen häuten. Sobald Tauwetter eintritt, erhebt er sich, reckt und -streckt und schüttelt sich und geht zunächst auf die Beerensuche, -wobei er mit seinen Pranken die die Moosbeerensträucher bedeckende -Schneeschicht beseitigt, um zu den roten Beeren zu gelangen. Im Mai -oder Anfang Juni suchen sich meist zur Nachtzeit, mitunter schon -in der Dämmerung, laut brummend Bär und Bärin, um sich zu paaren. -Indessen hält sich die Bärin nicht nur an einen Bären, so daß es unter -den Männchen nicht selten harte Kämpfe absetzt, die mit dem Tode des -schwächeren endigen können. Um die Mitte des Winters, im Dezember oder -Januar, wirft die Bärin in ihrem weich mit Moos, Gras und Blättern -ausgestopften Lager das erste Mal höchstens zwei, später drei, auch -wohl vier, im Alter aber schließlich nur ein Junges, um vom 16.-18. -Jahre an gelte, d. h. unfruchtbar, zu bleiben. Im Gegensatz zum Bären -wechselt sie häufig ihr Lager und spielt mit den Jungen auf dem Schnee, -den sie nicht selten vollständig festtritt. Sie bleibt aber länger im -Winterlager als das Männchen. Erst wenn die Jungen ihr folgen können, -verläßt sie es, um zunächst nur in der Nähe umherzustreifen und die -Jungen im Aufsuchen von Fraß, im Klettern und in andern Dingen zu -unterrichten. Können die Jungen einige Strapazen aushalten, so zieht -die Familie weiter, wobei die Bärin als Beherrscherin ihres Distrikts -jedes Vorkommnis mißtrauisch überwacht und sich dem Eindringen des -Menschen standhaft und mutig widersetzt, auch die Jungen tapfer -verteidigt, während sie nicht selten die unbeholfenen Säuglinge bei -Gefahr verläßt. Sind die Jungen so weit selbständig, daß sie sich -ernähren und erhalten können, so verteidigt sie dieselben fast gar -nicht mehr. Die Jungen beziehen auch, falls die Mutter nicht wieder -trächtig ist, immer denselben Distrikt zum Überwintern, aber besondere, -niemals weit von dem jener entfernte Lagerplätze. Ist die Bärin aber -trächtig, so duldet sie die Jungen unter keinen Umständen in ihrem -Distrikt, sondern vertreibt sie mit Beißen und Ohrfeigen. Von den -Jungen, die von diesem Zeitpunkte an selbständig sind, geht jedes im -nächsten Frühjahr seinen eigenen Weg. Erst im fünften oder sechsten -Jahre werden sie fortpflanzungsfähig. Vom Menschen aufgezogene Bären, -die selbständig fressen und ihren Fraß selbst aufsuchen können, sind -ungemein schwer auszusetzen und arten förmlich zu Haustieren aus, die -sich nicht mehr vertreiben lassen. - -Zur Jagd auf den Bären gehört persönlicher Mut, kaltes Blut und -vollständige Sicherheit in der Handhabung der Waffe; dann ist sie -ebenso ungefährlich wie die auf irgend ein anderes Raubtier. Sie wird -in verschiedenen Gegenden auf verschiedene Weise betrieben. Entweder -wird der Bär mit einer Treiberkette und einer Hundemeute aus dem zuvor -festgestellten Lager getrieben oder in diesem selbst geschossen. Im -Frühjahr und Herbst, wo er Aas am begierigsten annimmt, jagt man ihn -auf dem Anstand bei geschlagenem Vieh. Gewöhnlich besucht der Bär das -Aas erst nach eingetretener Dämmerung oder in der Nacht und ist in der -Dunkelheit schwer zu treffen. Auch durch Selbstschüsse auf den von ihm -begangenen Wechseln und in Tellereisen wird er gefangen. Sein Fleisch -ist wohlschmeckend, besitzt zwar durch Reichtum an Glycogen wie das -Pferdefleisch einen nicht jedermann zusagenden süßlichen Geschmack; -doch sind die Schinken gesalzen und geräuchert ausgezeichnet. Sein -weiches, kaum je ranzig werdendes Fett, das einen guten Ruf als ein den -Haarwuchs beförderndes Mittel besitzt, wird gut bezahlt und sein Fell -gilt 60-250 Mark. - -Das gemeinste Beutetier der mitteleuropäischen Jäger ist der ~Feldhase~ -(_Lepus vulgaris_), der ganz Mitteleuropa und einen Teil des westlichen -Asien bewohnt. Im Süden vertritt ihn der kleinere und rötlich gefärbte -Hase der Mittelmeerländer, im hohen Norden der Schneehase und im -Hochgebirge der Alpenhase, welch letztere im Sommer bräunlichgrau, -im Winter aber bis auf die schwarzen Ohrspitzen weiß gefärbt sind. -Die Nordgrenze der Verbreitung des Feldhasen geht von Schottland über -Südschweden zu den Gegenden am Weißen Meer; in Sibirien fehlt er. Er -hält sich am liebsten auf ausgedehnten, fruchtbaren Ebenen, auch an -lichten Waldrändern auf, kommt jedoch im Innern von großen, dichten -Wäldern selten vor, wird aber in Gebirgsgegenden noch regelmäßig in -der Laubholz-, seltener in der Nadelwaldregion angetroffen. In den -Alpen steigt er bis zu 1600 _m_ und im Kaukasus fast bis zu 2000 _m_. -Er ist im allgemeinen mehr ein Nacht- als ein Tagtier, obwohl man ihn -an heiteren Sommertagen schon vor dem Untergang der Sonne und noch am -Morgen im Felde, wo er seine Nahrung sucht, umherstreifen sieht. Für -gewöhnlich verläßt er sein Lager oder das ihn bergende Gehölz erst -bei Sonnenuntergang, vor Eintritt der Dämmerung, um sich zum Äsen und -Spielen ins Freie zu begeben. Bei Sonnenaufgang sucht er wieder sein -Lager auf, um tagsüber zu ruhen. Höchst ungern verläßt er den Ort, -an welchem er aufgewachsen und groß geworden ist. Er ernährt sich -von Gras, jungem Getreide und allerhand saftigen Kräutern, in harten -Wintern auch von saftiger junger Baumrinde, besucht aber zu allen -Jahreszeiten gern die Kohl- und Gemüsegärten. Er äst nachts und bringt -den ganzen Tag, das Auge auch im Schlaf weit geöffnet, schlummernd -in einem zwischen Erdschollen oder Gebüsch wohlversteckten, immer -gegen den Wind geschützten Lager zu, worin er sich bei stürmischem -Schneewetter gern vergräbt oder einschneien läßt. Nie geht er gerade -auf den Ort los, wo er ein altes Lager weiß oder ein neues machen will, -sondern läuft erst ein Stück über den Ort, wo er zu ruhen gedenkt, -hinaus, kehrt um, macht wieder einige Sätze vorwärts, dann wieder -einen Sprung seitwärts und verfährt so noch einige Male, bis er mit -dem weitesten Satz an den Platz gelangt, auf dem er bleiben will. Bei -der Zubereitung des Lagers scharrt er im freien Felde eine etwa 5-8 -_cm_ tiefe, am hintern Ende etwas gewölbte Höhlung in die Erde, welche -so lang und breit ist, daß der obere Teil des Rückens nur sehr wenig -sichtbar bleibt, wenn er die Vorderläufe ausstreckt, auf diesen den -Kopf mit anliegenden Löffeln ruhen läßt und die Hinterbeine unter den -Leib zusammendrückt. - -Der Feldhase verläßt sich mehr auf sein scharfes Gehör als auf -sein schlechtes Gesicht, erlaubt dem Menschen, den er weniger als -Hunde fürchtet, auf seine Schutzfärbung vertrauend, oft ganz nah -an ihn heranzukommen. Plötzlich aufgeschreckt, verläßt er sich -lediglich auf die Schnelligkeit seiner Beine, läuft jedoch selten -lange geradeaus und nähert sich, Winkel und Hacken schlagend, bald -wieder seinem Lager. Weit davon vertrieben, kehrt er, am folgenden -Tage anderswo aufgeschreckt, gern dahin zurück. Bei der eiligen -Flucht läuft er am liebsten ebenaus oder bergan, da er sich wegen -seiner kurzen Vorderbeine beim Laufen bergab leicht überschlägt. -Ist dem fliehenden Hasen ein Hund dicht auf den Fersen, so schlägt -er, um ihn an sich vorbeischießen zu lassen und einen Vorsprung in -umgekehrter Richtung zu gewinnen, einen plötzlichen Hacken; drängt -ihn die Not, so durchschwimmt er auch Teiche und Flüsse. Viermal -im Jahre setzt die Häsin nach einer Tragzeit von je 30 Tagen 2-4 -Junge, die sehr ausgebildet, mit offenen Augen zur Welt kommen. Nur -während der ersten 5-6 Tage verweilt sie bei ihren Kindern, dann aber -überläßt sie dieselben ihrem Schicksal, kehrt nur während 14 Tagen -von Zeit zu Zeit zum Ort zurück, wo sie die Brut verließ, lockt sie -mit einem eigentümlichen Geklapper mit den Löffeln herbei und läßt -sie saugen. Bei Annäherung eines Feindes verläßt sie freilich ihre -Kinder, obwohl auch Fälle bekannt sind, daß alte Häsinnen die Brut -gegen Raubvögel und Raben verteidigten. Die Geschwister entfernen -sich zunächst nur wenig voneinander, wenn auch jedes sich ein anderes -Lager gräbt. Abends rücken sie zusammen auf Äsung aus und morgens -gehen sie gemeinschaftlich nach dem Lager zurück. Erst wenn sie -halbwüchsig sind, trennen sie sich voneinander. Nach 15 Monaten sind -sie erwachsen, können sich aber schon im ersten Jahre fortpflanzen. -Ihre Lebensdauer schätzt man auf 8-10 Jahre; doch stirbt der Hase wohl -nie an Altersschwäche, sondern wird vor der Zeit von einem seiner -zahlreichen Feinde erbeutet und gefressen. Außer dem Menschen stellen -ihm alle kleineren Raubtiere und größeren Raubvögel, selbst der -Storch, nach. Vom Menschen wird er am häufigsten auf Treibjagden und -in Kesseltreiben erlegt, doch auch auf dem Anstand geschossen und mit -Hunden aufgesucht. Durch wiederholte Jagden gewitzigt, erhebt er sich -schon beim Vernehmen des Jagdlärms vom Lager, um sich an ihm bekannte -geschützte Orte zu flüchten. Gefangene Hasen werden leicht zahm, -gewöhnen sich ohne Weigerung an alle Nahrung, die man den Kaninchen -füttert, sind jedoch empfindlich und sterben leicht dahin. Bringt man -junge Hasen zu alten, so werden sie regelmäßig von diesen totgebissen. -Außer ihrem wohlschmeckenden Fleisch wird auch das Fell verwendet. Aus -der von Haaren entblößten und gegerbten Haut verfertigt man Schuhe und -eine Art Pergament oder benutzt sie zur Leimbereitung. - -Ein überaus seltenes Wild Mitteleuropas ist der ~Biber~ (_Castor -fiber_), der früher hier häufig war, aber dem Menschen und seiner -Kultur weichen mußte. Unablässig verfolgt, ist er in den meisten -Gegenden, am frühesten in den Mittelmeerländern, ausgerottet worden. -Die Griechen nannten ihn _kastor_ und die Römer _fiber_ und machten -Jagd auf ihn nicht sowohl seines geschätzten, weichen Felles wegen, als -besonders zur Erlangung des Bibergeils. Dieses befindet sich in Form -einer gelblichen, schmierigen, eigentümlich nach Karbolsäure riechenden -Masse in zwei birnförmigen, zu beiden Seiten der Geschlechtsöffnung -gelegenen Beuteln und spielt vor allem zur Brunstzeit zur gegenseitigen -Anlockung der Tiere eine große Rolle. Besonders beim Männchen sind die -Kastorbeutel stark entwickelt und wird ihr Inhalt an bestimmten Stellen -entleert. Die Anziehungskraft dieses Geils ist so groß, daß sich Biber, -die, dadurch angelockt, in eine Falle gerieten, aber entkamen, schon -nach wenigen Tagen in einer andern Falle fangen, darunter sogar Tiere, -die in Eisen Fußteile eingebüßt hatten. Dem Menschen diente es von -alters her als geschätzte Arznei. So sagt schon der ältere Plinius in -seiner Naturgeschichte: „Der Biber trägt einen Arzneistoff an sich, den -man _castoreum_ nennt. Bei drohender Gefahr beißt er sich den Teil, -worin jener Stoff enthalten ist, selbst ab, weil er wohl weiß, weshalb -man ihn jagt. Übrigens hat der Biber ein entsetzliches Gebiß, fällt, -wie mit Stahl, Bäume an den Flüssen; und hat er einen Menschen gepackt, -so läßt er nicht eher los als bis die Knochen zersplittert sind. Er -sieht aus wie ein Fischotter, hat aber einen Fischschwanz (d. h. einen -fischartig mit Schuppen bedeckten Schwanz). Sein Haar ist weicher als -Vogelflaum.“ - -Noch im Mittelalter war der Biber in allen Ländern nördlich von den -Alpen zu finden. In England kam er noch ums Jahr 1188 als seltener -Bewohner des Flusses Teify in Wales vor, wurde aber dann auch hier -ausgerottet. An einzelnen Flußgebieten Mitteleuropas hielt er sich in -kleinen Kolonien bis gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts. In Böhmen, -wo die Biber schon im 18. Jahrhundert ausgestorben waren, führte -man 1773 aus Polen wieder welche ein, die sich, aus ihrem Zwinger -gebrochen, so stark vermehrten, daß sich einmal über hundert Familien -um Wittingau vorgefunden haben sollen. Als sie jedoch begannen die -Dämme zu untergraben, begann man einen Vernichtungskrieg gegen sie, -der 1865 nur noch zehn übriggelassen hatte. Zur Gewinnung des noch -immer gesuchten Bibergeils fielen die letzten Tiere bald Wilddieben zur -Beute. Das allerletzte hatte man in einem Zwinger im Rosenberger Teiche -untergebracht, wo es im Januar 1883 starb. Auch in Österreich-Ungarn -kommen heute keine Biber mehr vor. Einzelne fanden sich indessen noch -im Jahre 1857 in Siebenbürgen, 1860 in Galizien und 1865 bei Semlin auf -den Inseln zwischen Donau und Sau. Bei Fischamend, an der Mündung der -Fischa in die Donau, wo noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts größere -Biberansiedelungen bestanden, wurden die beiden letzten Biber 1863 -erlegt. In Bosnien und der Herzegowina, wo, wie anderswo, verschiedene -Ortsnamen für das frühere Vorkommen des Bibers zeugen und Skelettfunde -es bestätigen, sind keine Biber mehr zu finden. - -Früher noch als aus Österreich-Ungarn verschwanden die Biber in -Livland. Noch im 18. Jahrhundert lebten sie dort in Ansiedelungen, -und 1724 begünstigten sie in hohem Maße durch ihre Dammbauten die -Überschwemmungen. Aber auch dort führte die große Wertschätzung des -Bibergeils noch mehr als ihr schönes Fell zu ihrer Ausrottung. Im -Jahre 1841 wurde im Quellgebiet der Aa der letzte Biber geschossen. -In Skandinavien, wo der Biber einst sehr häufig war, ist er heute -vielleicht nicht mehr vorhanden. In Mittelrußland scheint er schon -vor Ende des 18. Jahrhunderts ausgestorben zu sein. Nur an einem -Nebenfluß des Pripet im Westen und an der Petschora und Dwina im -Norden leben noch Biber, obschon ihnen wegen des Pelzes und des -vorzüglichen sogenannten moskovitischen Bibergeils stark nachgestellt -wurde. In der Schweiz lebten noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts Biber -an der Steinach bei St. Gallen, sind aber auch dort schon längst -ausgerottet worden. Unter den deutschen Bibern lebten die letzten des -Alpenvorlandes auf bayerischem Gebiet, und zwar an der Sur, einem in -die Salzach fließenden Bach. Auch in den auf österreichischem Gebiet -liegenden Antheringer Auen nordwestlich von Salzburg kam der Biber -noch 1867 vor. Am Rhein sollen die Biber schon vor über 300 Jahren -ausgestorben sein; im Gebiete der Möhne in Westfalen hielten sie sich -länger; dort wurde der letzte talabwärts durch die Ruhr nach dem Rhein -vertrieben und am 2. Oktober 1870 an der Werthausener Fähre erschlagen. - -Heute lebt der Biber auf deutschem Gebiet nur noch in einem -beschränkten Gebiet an der Saale und an der Elbe zwischen Wittenberg -und Magdeburg, wo er als große Seltenheit vom Menschen geschützt -wird, dennoch aber zusehends abnimmt. Nicht selten fängt er sich in -den Stellnetzen der Fischer oder in den für die Fischotter gelegten -Eisen. Hier lebt er meist paarweise, nur in den stillsten Gegenden zu -größeren Familien vereinigt und meist wie der Fischotter in einfachen -unterirdischen Uferhöhlen hausend. Nur wo er ungestört leben kann -errichtet er seine Burgen mit im Innern backofenförmigen Hütten, wobei, -wie bei den meisten Tieren, das Weibchen der eigentliche Baumeister -ist und das Männchen mehr Zuträger- und Handlangerdienst leistet. -Außerdem baut er nötigenfalls Dämme von bis 150 und 200 _m_ Länge -und 2-3 _m_ Höhe bei einem Durchmesser von 4-6 _m_ unten und 1-2 _m_ -oben, um das Wasser aufzustauen und in gleicher Höhe zu erhalten. Die -so aufgestauten Flüsse überschwemmen dann die Täler oft auf weite -Strecken, bringen dadurch die teilweise unter Wasser gesetzten Bäume -zum Absterben und nachträglichen Umstürzen und schaffen so künstliche -Teiche und Seen. Zum Bau seiner Dämme und Hütten benutzt der Biber -verschieden lange und dicke, der Rinde, von der er außer dem Blattwerk -vorzugsweise lebt, beraubte Knüttel, die er übereinander schichtet und -mit Steinen beschwert und mit Sand, Schlamm und Lehm verdichtet. Er -ist ein durchaus nächtliches Tier, das sich erst nach Sonnenuntergang -von seinem Lager erhebt, um mit anbrechendem Tag in seinen Bau -zurückzukehren. Bei Tage schläft er auf dem Bauch oder Rücken, nicht -aber auf den Seiten liegend, in seiner sehr rein gehaltenen Wohnung. Er -entleert sich seines Kotes wahrscheinlich nur im Wasser. Nur in kalten -Wintern hält er sich, ohne Winterschläfer zu sein, Tag und Nacht in -der Wohnung auf und verläßt sie nur bei Tauwetter auf kurze Zeit, um -neue Nahrung zu holen oder die Wohnung auszubessern. Schon Ende Februar -beginnt die Brunstzeit des in Einzelehe lebenden Tieres, die bis in -den März hinein dauert. Gegen das Ende der wahrscheinlich sechs Wochen -langen Tragzeit bleibt das Weibchen ungestört in der Wohnung, um 2-3, -höchstens 4 blinde, doch schon behaarte Junge zur Welt zu bringen, -die an den vier Brustwarzen der Mutter saugen, dem Schreien kleiner -Kinder ähnlich klingende Töne hören lassen, acht Tage nach der Geburt -die Augen öffnen und bei günstigem Wetter bald mit ins Wasser genommen -werden, wo sie sich gleich schwimmend und tauchend umhertummeln, auch -wohl an den Rücken der schwimmenden Mutter anklammern. Nach etwa vier -Wochen erhalten sie schon zur Milch Rinde von Espen, Pappeln, Weiden, -Erlen und Birken, die die Mutter ihnen zuträgt; nach weiteren 6-8 -Wochen gehen sie selbst in den Wald, um Rinden abzunagen und den Eltern -bei ihren Arbeiten zu helfen. In diesem Alter eingefangen, sind sie -sehr leicht zähmbar und können so zahm werden, daß sie ihrem Herrn -wie ein Hund überallhin folgen. Im dritten Lebensjahre werden sie -fortpflanzungsfähig und verlassen die Wohnung ihrer Eltern, um sich -selbständig zu machen und einen eigenen Hausstand zu gründen. Bäume mit -Hartholz benagt der Biber nur, um seine Zähne zu schärfen; sonst hält -er sich ausschließlich an solche mit weichem Holz, und zwar Laubholz. -Nadelholzbäume fällt er nur, wenn sie ihm im Wege stehen, verarbeitet -sie aber nicht weiter, jedenfalls des Harzgeschmackes wegen, der -ihrem Holze anhaftet. Leckerbissen sind ihm die saftigen Wurzelstöcke -mancher Sumpf- und Wasserpflanzen, wie Seerosen, Schilf, Kalmus und -Schachtelhalme. Vor Beginn des Winters sammelt er sich einen Vorrat, -wozu er meist berindete Knüttel seiner Lieblingsnahrung wählt, von -denen er, wenn er Hunger hat, gewöhnlich nur die Rinde und im äußersten -Notfall einen Teil des Holzes verzehrt. Solche Vorratshaufen werden -als falsche Hütten oder unechte Burgen bezeichnet. Besonders große -Vorräte trägt er dann zusammen, wenn ein strenger Winter bevorsteht. Er -erreicht ein hohes Alter, wurde selbst in der Gefangenschaft 50 Jahre -alt, und wird heute kaum je gegessen, da sein Fleisch tranig schmeckt. -Außer dem Menschen hat der freilebende Biber wenig Feinde. - -Ein anderes Nagetier von geringer Bedeutung ist das allbekannte -~Eichhörnchen~ (_Sciurus vulgaris_), das die bewaldeten Gegenden ganz -Europas und Nordasiens bewohnt. Meist ist es braunrot, nur in manchen -Gebirgen schwarz gefärbt, klettert vorzüglich von einem Baum zum -andern, ohne auf den Boden zu kommen, lebt von Haselnüssen, Bucheckern, -Eicheln, Nadelholzsämereien, jungen Vögeln und Eiern, im Notfall auch -von Knospen und Baumrinde, gelegentlich auch von Pilzen. Von seiner -Nahrung, die es, auf den Hinterbeinen sitzend, mit den beweglichen -Vorderfüßen zum Munde führt, legt es im Herbst in hohlen Bäumen -Wintervorräte an. Es hält keinen eigentlichen Winterschlaf, wenn es -auch bei unfreundlichem Winterwetter sein freistehendes, rundes, im -Innern weich gepolstertes, mit einem einzigen Eingangsloch versehenes -Nest, das es in Mehrzahl für sich erbaut, oft tagelang nicht verläßt. -Darin und auch in Baumlöchern wirft das Weibchen vier Wochen nach der -die Männchen zu erbitterten Kämpfen mit Nebenbuhlern veranlassenden, -von Ende Februar bis in den April dauernden Paarungszeit seine 3-7, -etwa neun Tage blind bleibenden Jungen, die es sorgsam nährt und nach -Störungen in ein anderes Nest trägt. Nachdem sie entwöhnt wurden, -schleppt ihnen die Mutter, vielleicht auch der Vater, noch einige Tage -lang Nahrung zu; dann werden sie ihrem eigenen Schicksal überlassen. -Doch bleiben sie, häufig spielend und gemeinsam Nahrung suchend, noch -längere Zeit beisammen, bevor sie sich zerstreuen. Im Juni wirft -die Alte das zweite Geheck, dessen Mitglieder sich später oft mit -denjenigen des ersten vereinigen, um in demselben Waldesteil ihr Wesen -zu treiben. Im Edelmarder hat das Eichhörnchen seinen furchtbarsten -Feind. Das muntere Tierchen ist eine der Hauptzierden unserer Wälder -und läßt sich, jung gefangen, leicht zähmen. Es gewöhnt sich bald an -seinen Herrn und wird wegen seiner Lebhaftigkeit in Verbindung mit -großer Reinlichkeit gerne gehalten. - -Wichtiger ist für die Alpenländer, die Pyrenäen und Karpaten das -~Murmeltier~ (_Arctomys marmotta_), das auf den höchsten Steinhalden -des Hochgebirges, wo kein Baum und Strauch mehr wächst, auf ringsum -von steilen Felswänden eingerahmten, der Sonne möglichst Zutritt -gewährenden Grasplätzen lebt und sich am liebsten von saftigen -Bergkräutern und deren Blüten ernährt. Es erreicht eine Leibeslänge -von 51 _cm_, außer der Schwanzlänge von 11 _cm_, bei einer Höhe von 15 -_cm_, ist dicht schwarzbraun behaart, lebt während des Sommers paar- -oder familienweise in nur 1, höchstens 2-4 _m_ langen Sommerwohnungen, -deren oft kaum das Durchzwängen einer Faust zulassender Gang in einen -erweiterten Kessel führt. Dieser ist bald einfach, bald in zwei Arme -geteilt, von denen der eine zum Wohn- und Schlafkessel, der andere -zum Abort führt. In letzterem Fall wird er auch im Winter benutzt und -hat dann einen geräumigeren Wohnkessel. Im ersteren Falle wird eine -besondere Winterwohnung bezogen, die 300-600 _m_ tiefer liegt und durch -eine 2-6, ja 8 _m_ lange, am Ende meist aufwärts gerichtete Röhre in -eine 1-2 _m_ im Durchmesser haltende, längliche oder runde Kammer -führt, die die Tiere schon im August mit abgebissenem und getrocknetem -Grase und Kraut beschicken. Die losgegrabene Erde der selten tiefer -als 1,5 _m_ unter dem Rasen liegenden Höhle wird nur zum kleinsten -Teile hinausgeschafft; das meiste wird festgetreten, wodurch die Gänge -fest und hart werden. Noch ehe sich die 5-15 Glieder starke Familie -zum Winterschlaf in den Bau begibt, wird dessen Winterbenutzung durch -davorliegende Heureste verraten. Nach den ersten rauhen Tagen gegen -Ende Oktober wird die Winterwohnung bezogen und ihr Eingang mit Heu, -Erde, Steinen verstopft, damit kein Raubtier eindringe. Hier ruht -die zuvor gemästete Gesellschaft zusammengerollt im Winterschlafe -unter stark verminderter Lebensintensität, wobei sie die geringe -Wärmeabgabe durch Verbrennen des zuvor angesammelten Fettes bestreitet. -Im April erscheinen sie dann stark abgemagert vor der Öffnung ihrer -Winterwohnung, um an schneefreien Stellen etwas verdorrtes Gras zur -Stillung ihres Hungers zu fressen. Dann verzehren sie wohl auch von -dem bis dahin nur als Lager dienenden, im Herbste eingetragenen Heu. -Sobald die Vegetation wieder zu sprossen beginnt, finden sie reichlich -Futter und erholen sich bald von ihrer Abmagerung, paaren sich, und -schon im Juni findet man die 4-6 zuerst aschgrauen, später gelbbraun -werdenden Jungen, die sich, ehe sie etwas herangewachsen sind, selten -vor dem Baue zeigen. Sie werden von der auf den Hinterbeinen sitzenden -und die Vorderbeine weit ausgespreizt haltenden Mutter lange gesäugt -und bleiben bis in den nächsten Sommer hinein bei den Eltern. Auch -die Familien, die keine höher gelegene Sommerwohnung beziehen, machen -oft weite Gänge auf blumenreiche Weideplätze, von denen sie den -unwillkommenen, unter erbärmlichem Geschrei fliehenden Artgenossen -durch tüchtige, mit den Vorderpfoten auf Kopf und Rücken ausgeteilte -Hiebe vertreiben. Dabei fressen, spielen und ruhen sie abwechselnd. -Alle Augenblicke sehen sie sich um und überwachen mit der größten -Aufmerksamkeit die Umgebung. Das erste, das etwas Verdächtiges bemerkt, -einen Raubvogel, Fuchs oder Menschen, pfeift tief und laut durch die -Nase, die übrigen wiederholen das Warnungssignal teilweise und im Nu -sind sie in die benachbarten Löcher verschwunden. Bei dieser ihrer -Wachsamkeit ist es für den Jäger sehr schwer, sie zu beschleichen. -Deshalb erbeutet man gerne die Murmeltiere durch das vielerorts -allerdings verbotene Ausgraben der Baue, auch wohl in Fallen, die -man oft nur für die alten Tiere einrichtet. Man sucht sie auch mit -eigens darauf abgerichteten Hunden auf, die ihnen den Rückweg zum Bau -abschneiden und sie in den nächsten Schlupfwinkel treiben, wo sie mit -einem Stock totgestoßen werden. Da ihr Gewicht im Herbst auf 6-8 _kg_ -steigt, liefern sie einen nicht zu verachtenden Braten. Ihr Fleisch hat -zwar einen erdigen Wildgeschmack, wird aber gewöhnlich durch Einreiben -und Abbrühen mit Salz und Salpeter und Räuchern während einiger Tage -vor dem Kochen wohlschmeckender. Das Fett dient den Gebirgsbewohnern -als Arznei für allerhand Übel, der frisch abgezogene Balg wird bei -Rheumatismus angezogen, und die Tiere selbst dienen dem Älpler als -Wetterpropheten. Im halbwüchsigen Alter gefangene Junge lassen sich -leicht auffüttern und werden im Umgang mit dem Menschen sehr zahm und -zutraulich. Sie achten auf den Ruf ihres Pflegers, sind gehorsam und -gelehrig, so daß man ihnen allerlei Kunststücke beibringen kann. Früher -durchzogen arme Savoyardenknaben mit solch einem gezähmten Murmeltier -Almosen heischend die Städte und Dörfer. Neuerdings ist jedoch der -intelligentere Affe an dessen Stelle getreten, und wandern nun an -Stelle der Savoyarden Italiener damit durchs Land. - -Von andern Nagetieren werden noch die baumbewohnenden, in Wäldern, -Hainen und Baumgärten lebenden ~Bilche~ oder ~Schlafmäuse~ (_Myoxus_) -gelegentlich gefangen gehalten. Sie sind zwar außerordentlich -reinlich wie die Murmeltiere, aber im Gegensatz zur Zutraulichkeit -jener scheu und wenig liebenswürdig. Besonders unfreundlich benimmt -sich der gefangen gehaltene ~Siebenschläfer~ (_Myoxus glis_), der -sich durchaus nicht an seinen Pfleger gewöhnt und ihn, wie jeden -andern, der sich ihm nähert, wütend anknurrt. Dieses besonders die -Eichen- und Buchenwaldungen Süd- und Osteuropas bewohnende, 16 _cm_ -Leibes- und 13 _cm_ Schwanzlänge erreichende aschgraue Tier, das -sich tagsüber verborgen hält und nur nachts nahrungsuchend in seinem -Revier herumstreift und von einer Gefräßigkeit ohnegleichen ist, -außer Eicheln, Bucheln, Kastanien, Hasel- und Walnüssen auch saftiges -Obst liebt und alle kleinen Tiere, denen es begegnet und die es zu -überwältigen vermag, mordet und frißt, sammelt gegen den Herbst -Nahrungsvorräte ein und speichert sie in seinen Höhlen auf. Diese -macht es in trockenen Erdlöchern, in altem Gemäuer oder in tiefen -Baumhöhlungen zurecht, bereitet sich ein Nest von zartem Moos und -fällt darin, gewöhnlich mit mehreren seiner Artgenossen gemeinsam, -zusammengekugelt gegen den Oktober hin in tiefen Schlaf, der gewöhnlich -sieben Monate lang andauert. Es erwacht daraus Ende April, paart sich -und wirft in seiner Höhle 3-6 nackte und blinde Junge, die sich sehr -rasch entwickeln und schon vor dem Herbste selbständig sind. - -Im Herbste wird der Siebenschläfer durch Ansammlung von -Brennmaterialien für seinen sieben Monate dauernden Winterschlaf recht -fett und galt in diesem Zustande den alten Römern als Leckerbissen. Sie -wurden von ihnen in besondern Zuchtanstalten (_glirarium_ von _glis_ = -Siebenschläfer) gezogen und zum Verbrauch gemästet. Eine solche umfaßte -nach Varro einen kleinen Hain von Eichen, der von einer glattwandigen -Mauer umgeben war, damit sie nicht hinausklettern konnten. Darin -machte man ihnen zum Schlafen und Nisten geräumige Höhlungen zurecht. -„Das Mästen geschieht in großen, faßartigen Töpfen, an deren Wänden -inwendig Treppen sind; auch muß eine Höhle darin sein, worin die Tiere -ihr Futter verstecken können. Die Mast wird durch Eicheln, Walnüsse -und Kastanien, die im Überflusse gereicht werden, bewirkt; dabei wird -das Faß dunkel gehalten.“ Der drei Generationen später lebende Plinius -bemerkt in seiner Naturgeschichte: „Der Siebenschläfer (_glis_) ist -ein Tier, dessen Genuß, gleich dem der Austern und ausländischen -Vögel, durch Gesetze der Zensoren und des Konsuls Marcus Scaurus -verboten wurde. Der Erfinder der Tiergärten (Fulvius Lupinus) hat -auch die Kunst erfunden, Siebenschläfer in Töpfen zu mästen. Es ist -dabei wohl zu beachten, daß man nur Landsleute aus demselben Walde -zusammenstecken darf; denn wenn fremde dazukommen, und wenn sie nur -durch einen Berg oder Fluß getrennt gelebt hatten, so beißen sie sich -tot. Ihre abgelebten Eltern versorgen sie mit kindlicher Liebe. Mit -jedem Frühjahr erwachen sie verjüngt. Ihre Winterruhe ist von der der -Haselmäuse (_nitela_) nicht verschieden.“ Heute noch stellt ihm der -Mensch überall da, wo er häufig ist, teils des Fleisches, teils des -Felles wegen eifrig nach, lockt ihn in Fallen aller Art und künstliche -Winterwohnungen, um ihn darin zu erbeuten. In Unterkrain erbeuten -ihn die Bauern in mit einer saftigen Birne oder Pflaume beköderten -Schnellfallen. Außerdem gräbt man teilweise mit Obst gefüllte Fässer in -die Erde, in die ein Rohr führt, in welchem Eisendrähte so befestigt -werden, daß sie wohl das Hineinschlüpfen, aber nicht das Herauskommen -des Bilches gestatten. Hier fangen sich die Tiere oft in so großer -Menge, daß mancher Bauer während eines Herbstes 200-400 Bilche erbeuten -kann. - -Im Gegensatz zum knurrigen Bilch und dem ebenso verdrossenen -~Gartenschläfer~ (_Eliomys nitela_) wird die anmutige, niedliche, -gelblichrote ~Haselmaus~ (_Muscardinus avellanarius_), deren Heimat -Mitteleuropa ist und die nicht selten in Dohnenstiegen gefangen wird, -weil sie auch den Beeren der Eberesche nachgeht, ein höchst beliebter -Stubengenosse des Menschen. In England wird sie wie Stubenvögel zu -Markt gebracht und wie diese sehr viel in Käfigen gehalten. Sie -verliert in der Gefangenschaft bald ihre Scheu, wenn auch nicht ihre -Furchtsamkeit, und gewöhnt sich rasch an den Menschen. Durch ihre große -Reinlichkeit, Liebenswürdigkeit und Verträglichkeit mit ihresgleichen, -die zierlichen Bewegungen und ihr munteres Wesen wird sie bald zum -Lieblinge des Menschen. Sie frißt anfänglich nur nachts, sparsam und -bescheiden und fällt auch in der Gefangenschaft in Winterschlaf, -wenn die Örtlichkeit nicht stets gleichmäßig warm gehalten wird. Sie -versucht sich dann ein Nestchen zu bauen und hüllt sich in dieses oder -schläft in einer Ecke ihres Käfigs. Bringt man sie wieder an die Wärme, -z. B. zwischen die warme Hand, so erwacht sie, schläft aber bald wieder -ein. - -Ein für uns Mitteleuropäer nur ausnahmsweise in Betracht kommender -Wildhund ist der ~Wolf~ (_Canis lupus_), der in Paaren oder einzeln -sowohl offenes Land als auch Wälder bewohnt, am Tage wie in der Nacht -beutelüstern umherschweift und sich manchmal, besonders im Winter, zu -Rudeln zusammentut, um gemeinsam unter Ausstoßen eines fürchterlichen -Geheuls größeres Wild zu jagen und auch den Menschen anzufallen. So -fielen im Jahre 1875 nicht weniger als 161 Menschen russischen Wölfen -zum Opfer. Die Wölfe, die beim scharenweisen Durchstreifen einer -Gegend in einer Reihe hintereinander herlaufen, verfolgen ihre Beute -in einem außerordentlich ausdauernden Galopp, reißen ein eingeholtes -Tier nicht sofort nieder, sondern verwunden es, folgen ihm, beißen es -abermals und hetzen es so zu Tode. Pferde- und Rinderherden schließen, -sobald sie Wölfe wittern, einen Kreis und stellen sich, die Pferde -mit den Hinterbeinen, die Rinder mit den Hörnern, zur Wehr, greifen -einzelne Wölfe auch ohne weiteres an. Nicht bloß große Rudel, sondern -auch einzelne Wölfe können ein entsetzliches Geheul ausstoßen, das -selbst den Menschen vor diesem sonst feigen Tiere erzittern läßt. Die -Paarungszeit des Wolfes dauert vom Dezember bis in den April. Die 14 -Tage dauernde Ranzzeit der Wölfin tritt nämlich bei alten Weibchen -früher ein als bei jüngeren. Während der Paarungszeit kämpfen die -Männchen oft auf Leben und Tod. Etwa 13 Wochen nach der Paarung wirft -das Weibchen in Felshöhlen oder Erdlöchern 6-10 neun bis vierzehn Tage -lang blindbleibende Junge, die bis zur nächsten Ranzzeit bei der Mutter -bleiben, bis zum dritten Jahre wachsen, dann auch fortpflanzungsfähig -werden und ein Alter von 12-15 Jahren erreichen. Junge Wölfe lassen -sich leicht zähmen und gewöhnen sich gleich Hunden an ihren Herrn, -weshalb es leicht zu verstehen ist, daß der Wolf in verschiedenen -Abarten zum Stammvater eines großen Teiles der Haushunde wurde. Den -alten Wölfen, denen großer Verstand und ungemeine Schlauheit innewohnt, -sucht man in Schießhütten und auf Treibjagden beizukommen. Sie werden -auch in tiefen, steilwandigen Gruben, sogenannten Wolfsgruben, -gefangen, die man mit Reisig und darüber mit Moos und Schnee bedeckt, -auf einer in der Mitte der Grube stehenden Stange mit einem Huhn oder -dergleichen beködert und mit einem etliche Fuß hohen Zaun umgibt, der -vom Wolfe übersprungen werden muß und ihn daran hindert, unzeitigen -Verdacht zu schöpfen. Denn der Wolf ist außerordentlich vorsichtig -und weiß unbekannten Öffnungen, Schlingen oder Fallen aus dem Wege -zu gehen, wird jedoch auch in Tellereisen gefangen, soll sich aber, -wenn er gefangen ist, häufig tot stellen und in einem geeigneten -Augenblick entlaufen. Da er auch Aas angeht, wird ihm auch mit -vergiftetem Fleische nachgestellt. Früher, als es in Europa noch viel -Wölfe gab, waren sie eine wesentliche Gefahr der Herden. Noch heute -ist bezeichnenderweise bei den Renntiere züchtenden Lappen das Wort -Friede gleichbedeutend mit Ruhe vor Wölfen. In Rußland, das noch reich -daran ist, fallen ihnen jährlich etwa 180000 Stück Großvieh und über -600000 Stück Kleinvieh, besonders Schafe, zur Beute. Laserewski bemißt -den durch sie angerichteten Schaden an Haustieren auf 15 Millionen, -an nutzbarem Wilde aber auf 50 Millionen Rubel (= 165 Millionen -Mark). Dazu kommt noch, daß sie auch von der Tollwut befallen und -dann Menschen wie Tieren gleich gefährlich werden. Selbst die Hunde -hassen den Wolf und scheinen kein größeres Vergnügen zu kennen, als -auf ihn Jagd zu machen. Auf der südrussischen Steppe, wo der Wolf in -selbstgegrabenen Höhlen wohnt, wird er zu Pferd so lange gehetzt, -bis er nicht mehr laufen kann, und dann totgeschlagen. Den größten -Nutzen bietet er in seinem Winterfell, das als gutes Pelzwerk vielfach -verwendet wird. Die besten und größten Felle kommen aus Skandinavien, -Nordrußland, Sibirien und Nordchina und werden mit 10-25 Mark bezahlt. -Außerdem gewähren viele Regierungen noch ein besonderes Schußgeld für -die Erlegung eines Wolfes. - -Ein kleinerer, aber noch viel listigerer Wildhund ist der ~Fuchs~ -(_Canis vulpes_), der in den eigentlichen Wolfsgegenden verhältnismäßig -selten ist, da der Wolf ihm feindlich wie dem Hund gegenübertritt und -ihn tötet und frißt, wo er nur kann. In dem Maße aber als der Wolf -ausgerottet wird, vermehrt er sich und weiß sich dank seiner Schlauheit -und Gewandtheit auch da noch zu behaupten, wo dies andern Raubtieren -nicht möglich wäre. Um zu rauben, zieht der Fuchs die Nacht dem Tage -vor; doch jagt er an stillen Orten auch bei Tage. Den Tag über hält er -sich mit Vorliebe in dichten Schonungen und mit Gestrüpp bewachsenem -Gelände auf, um dort zu schlafen, bis er mit Eintritt der Dämmerung -oder schon in den Nachmittagstunden auf Raub ausgeht. Dabei gilt seine -Jagd allem Getier, vom jungen Reh an bis zum Käfer, vorzüglich aber den -Mäusen, die den Hauptbestandteil seiner Mahlzeiten ausmachen. Auch -Beerenfrüchte, Stein- und Kernobst, besonders Trauben, verschmäht er -so wenig als Honig, wenn er solches haben kann. Am Bache lungert er -umher, um eine Forelle oder einen Krebs zu erbeuten. Am Meeresstrand -frißt er den Fischern die Netze aus; im Walde nimmt er die gefangenen -Vögel aus den Dohnen- und Schnepfenstiegen. Als ungeselliges Tier geht -jeder Fuchs seinen eigenen Weg und bekümmert sich um andere seiner -Art nur insoweit, als es ihm Vorteil gewährt. Sobald die Füchsin -Ende Januar oder Anfang Februar hitzig zu werden beginnt, was sich -durch Schwellung der äußeren Geschlechtsteile und Austritt von etwas -Blut aus der Scheide bekundet, beginnt sie unruhig umherzutraben. Zu -mehreren folgen ihr dabei die männlichen Füchse, einer seine Füße in -die Fußtapfen seiner Vorgänger im Schnee setzend. So geht es fast -ohne Halt und Rast die ganze Nacht durch den Wald und über das Feld, -bis schließlich einer das Ziel seiner Begierden erreicht hat und der -Füchsin in ihr Lager folgt. Nach einer Tragzeit von 60-63 Tagen, gegen -deren Schluß die Füchsin den selbstgegrabenen oder von einem daraus -verjagten Dachse bezogenen Bau nur bei Nacht und für kurze Zeit verläßt -und vom Gatten mit Raub versorgt wird, wirft sie 4-7 unbeholfene, 14 -Tage lang blind bleibende, aber alle Milchzähne besitzende Junge, die -sie mit großer Zärtlichkeit säugt. Sie verläßt sie in den ersten Tagen -ihres Lebens gar nicht, später nur für kurze Zeit in der Nacht und -scheint ängstlich bestrebt zu sein, ihren Aufenthalt zu verheimlichen. -Etwa fünf Wochen nach der Geburt erscheinen die mit rötlichgrauem -Grannenhaar über ihrem ursprünglichen Wollkleid bedeckten Jungen, um -sich zu sonnen und untereinander oder mit der gefälligen Alten zu -spielen. Diese beginnt ihnen lebende Käfer, Frösche, Mäuse und Vögel -zuzutragen und lehrt sie dieselben fangen und verzehren. Scharf nach -allen Richtungen hinsehend und riechend, überwacht sie die sorglosen, -äußerst possierlichen Spiele der Jungen und veranlaßt sie, beim -geringsten Verdacht einer Gefahr sofort in den Bau zu kriechen. Wird -dieser stärker beunruhigt, so verläßt sie ihn mit den Jungen noch in -der nächsten Nacht, wobei sie die zu weiten Wanderungen etwa noch zu -schwachen Kleinen einzeln oder zu zweien im Maule wegträgt. Nur in -höchster Not raubt sie gleich dem männlichen Fuchs in nächster Umgebung -des Baus und nähert sich ihm höchst vorsichtig gegen den Wind, um ihre -Jungen nicht zu verraten. Hat sie nichts Verdächtiges wahrgenommen, so -naht sie sich dem Baue trabend, um ihre Beute vor ihm abzulegen und die -hungrigen Jungen durch einen leisen Ruf zur Mahlzeit einzuladen, die -sehr rasch beendet ist. Schon im Juli begleiten die Jungen die Alte in -der Abenddämmerung in die Umgebung des Baus auf die Jagd und werden von -ihr sorgfältig zum Rauben angeleitet, wobei ungeschickte Junge durch -scharfe Bisse bestraft werden. Wenn das Getreide hoch genug ist, zieht -die Fuchsfamilie nachts aufs Feld, wo manches junge Rebhuhn und mancher -halbwüchsige Hase den jungen Füchsen zur Beute fällt, bis die Ernte die -zu dieser Zeit nur selten zu Baue gehenden Tiere zur Rückkehr in den -Wald zwingt, wo sie sich tagsüber im dichten Buschwerk verbergen. Wenn -aber die Blätter im Herbste fallen, trennen sich die mit Vollendung -des ersten Lebensjahres fortpflanzungsfähigen, aber erst nach Ablauf -des zweiten ausgewachsenen jungen Füchse allmählich von der Mutter, um -unter glücklichen Umständen, nach gefangenen zu urteilen, ein 16 Jahre -übersteigendes Alter zu erreichen. Jung eingefangene Füchschen kann man -leicht aufziehen. Sie werden, falls man sich viel mit ihnen abgibt, -bald zahm, wenn auch nie eigentlich zutraulich, und erfreuen durch ihre -Munterkeit und Beweglichkeit. Außer dem Menschen hat der Fuchs bei -uns wenige Feinde. Dieser vertilgt ihn als Jagdschädling wo er kann -mit Schießen, Fangen, Vergiften und Ausgraben und verwertet höchstens -seinen Pelz. Durch Vertilgung sehr zahlreicher Mäuse, die, wie gesagt, -seine Hauptspeise bilden, und deren er 20 bis 30 Stück pro Mahlzeit -verbraucht, macht er sich einigermaßen nützlich. Auch er leidet wie -Wolf und Hund gelegentlich an Tollwut und kommt dann am hellen Tage ins -Innere von Dörfern, um dort alles zu beißen, was ihm in den Weg kommt. - -Ebenfalls nicht selten in Mitteleuropa ist der ~Dachs~ (_Meles taxus_), -der gelegentlich in Weinbergen und auf Rübenfeldern Schaden anrichtet, -aber diesen reichlich durch Wegfangen und Verzehren von allerlei -Ungeziefer, besonders Engerlingen und Mäusen, in Wald und Flur nützt. -Unter allen Mardern ist er der nützlichste und ein Erhalter, nicht -aber ein Schädiger des Waldes, weshalb er den weitgehendsten Schutz -verdient. Auf der Sonnenseite dicht mit Gestrüpp bedeckter Hügel -gräbt er sich mit seinen Krallen eine geräumige Höhle mit mehreren -Ausgängen, von denen die wenigsten von ihm benützt werden, sondern -als Notausgänge zur Flucht oder als Luftgänge dienen. Überall in -ihr herrscht die größte Reinlichkeit, wodurch sich der Dachsbau vor -allen übrigen ähnlichen unterirdischen Behausungen von Säugetieren -vorteilhaft auszeichnet. Der Hauptraum im Bau, der Kessel, ist sehr -geräumig und weich mit Moos ausgepolstert. In diesem traulichen -Gemach ruht der Dachs während des Tages, um ihn erst, wenn die Nacht -vollkommen hereingebrochen ist, zur Nahrungssuche zu verlassen. -Nur ganz ausnahmsweise treibt er sich in stillen Waldungen während -des Hochsommers schon in den späteren Nachmittagsstunden herum, um -außer kleinen Tieren aller Art auch saftige Wurzeln, Buchnüsse und -Obst zu verzehren. Nur zur Zeit der Paarung gesellt sich der Dachs -vorübergehend zu einem Weibchen, bewohnt aber den ganzen übrigen Teil -des Jahres allein einen Bau. In dem ihrigen wirft die Dächsin Ende -Februar oder Anfang März 3-4, selten 5 bis zum zehnten Tage blinde -Junge, die sie treu behütet und denen sie nach der Säugezeit so lange -Würmer, Schnecken, Engerlinge, Wurzeln und kleine Säugetiere in den -Bau schleppt, bis sie sich selbst zu ernähren vermögen. Schon nach 3-4 -Wochen begeben sich die kleinen Dachse in Gesellschaft ihrer Mutter vor -den Eingang der Höhle, um sich zu sonnen und zu spielen. Bis zum Herbst -bleiben sie bei der Mutter, trennen sich dann und leben für sich, indem -sie sich eine eigene Höhle graben. Im zweiten Jahre sind sie völlig -ausgewachsen und beginnen sich fortzupflanzen. Der Dachs erreicht ein -Alter von 10 oder 12 Jahren. In Gegenden mit kalten Wintern hält er -einen Winterschlaf ab, wobei er die Mündungen seiner Wohnung verstopft. -Schon in England, das ein verhältnismäßig mildes Klima besitzt, -unterbricht er denselben. Jung eingefangene und sorgfältig aufgezogene -Dachse werden sehr zahm und anhänglich, alte aber nie. Man fängt den -Dachs in Fallen, jagt ihn mit Dachshunden oder Foxterriers aus seinem -Bau und gräbt oder bohrt ihn aus. Nur ganz früh am Morgen kann man -dem heimkehrenden Dachse wohl auch auf dem Anstande auflauern und ihn -erlegen. Sein Fell wird für allerlei Pelzwerk verwendet, seine ziemlich -steifen Haare geben ein gutes Material für Bürsten und sein Fleisch -wird von Jägern gern verzehrt. - -Ein Wassermarder von reichlich 1,2 _m_ Länge, wovon 42 _cm_ auf den -Schwanz zu rechnen sind, ist der ~Fischotter~ (_Lutra vulgaris_), der -ganz Europa und Asien nördlich vom Himalaja bewohnt. Er findet sich -an allen fischreichen Gewässern, wo er sich mehrere unterirdische -Wohnungen gräbt, deren Eingang sich stets etwa ½ _m_ tief im Wasser -befindet, um mit einem etwa 2 _m_ langen, schief aufwärts steigenden -Gang in einen regelmäßig mit Gras und Laub ausgepolsterten geräumigen -Kessel zu führen, von dem ein zweiter schmaler Gang zur Vermittlung -des Luftwechsels nach der Bodenoberfläche geht. Im Wasser ist er zu -Hause und führt darin weite Streifzüge aus, um außer Fischen, die -die Hauptmenge seiner Nahrung bilden, allerlei Wassertiere, Vögel und -deren Eier und saftige Wurzeln nebst Obst zu erbeuten. Alte Fischotter -leben gewöhnlich einzeln, alte Weibchen aber streifen lange Zeit mit -ihren Jungen umher oder vereinigen sich mit andern Weibchen oder um die -Paarungszeit mit solchen und Männchen und fischen dann in Gesellschaft. -Neun Wochen nach der Paarung, bei uns gewöhnlich im Mai, wirft das -Weibchen in seinem sichern Uferbau 2-4 fast schwarze Junge, die nach -9-10 Tagen die Augen öffnen und von der Mutter sorgfältig verpflegt -werden. Im Alter von ungefähr zwei Monaten nimmt sie die Mutter auf -den Fischfang mit, um sie in allen Otterkünsten zu unterrichten. Im -zweiten Jahre sind sie schon erwachsen und fortpflanzungsfähig. Jung -aus dem Nest genommen und richtig behandelt wird der Fischotter sehr -zahm und anhänglich an seinen Herrn, dem er treu wie ein Hund auf Ruf -und Pfiff folgt. Wie den Kormoran benützen die Chinesen auch ihn beim -Fischfang. Daß ein so intelligentes, gewandtes Raubtier wie er im -Fischstand eines Gewässers großen Schaden anrichtet, ist begreiflich. -Nach dem Urteil Sachverständiger verzehrt er täglich wenigstens 1 _kg_ -Fische. Deshalb haben schon zu Beginn des Mittelalters Otterjäger -von Beruf ihn gleich dem Biber mit eigens dazu abgerichteten Hunden -gejagt. Sie standen unter den Fischmeistern und waren weniger angesehen -als andere Jäger. Noch bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts gab -es an allen Fürstenhöfen und auf größeren Besitzungen Otterjäger, -die sich zur Otterjagd besonderer Otterhunde bedienten. Diese schon -längst ausgestorbene Rasse war niedrig, langgestreckt, stichelhaarig, -dunkelbraun, mit seitwärts abstehenden Ohren, starkem Gebiß und von -bissigem, zänkischem Charakter. Mit dem Schwinden der Ottern und Biber -gerieten diese Otterjäger in Deutschland in Vergessenheit, während sich -in England der Ottersport in früherer Blüte erhielt. Die Otterjagd -wird auf verschiedene Weise betrieben, nämlich durch Ansitz auf den -Otter, durch die Suche nach ihm mit Dachs- und Vorstehhunden, durch -die Treibjagd, die Jagd mit Sperrnetzen, das Stechen des Otters mit -dem Ger und durch die Parforcejagd. Der Ansitz auf den Otter ist wenig -erfolgreich, die übrigen Jagdweisen, die nur mit Hunden betrieben -werden können, sind nur in seichten Flüssen oder Bächen aussichtsvoll, -während die Hunde in großen, tiefen Gewässern nichts auszurichten -vermögen. Deshalb stellt man dem Otter, wo man ihm sonst nicht -beikommen kann, mit Fallen nach und sucht ihn auch in Schlingen und -durch Selbstschüsse zu erbeuten. - -Ganz Europa, mit Ausnahme des höheren Nordens, namentlich Skandinaviens -und Rußlands, bewohnt die ~Wildkatze~ (_Felis catus_), ein echtes -Waldtier, das ausgedehnte, dichte Wälder der Mittelgebirge, namentlich -Nadelwälder, bevorzugt, von denen sie in die Wälder des Flachlandes -hinausschweift. In Mitteleuropa wird sie noch im Harz und in den -Ostalpen, besonders aber in den ganz unbewohnten Gebirgswaldungen -der Karpaten gefunden. Sie ist bedeutend stärker als die Hauskatze, -hat einen dickeren Kopf, einen gedrungeneren Leib, einen kürzeren, -buschigeren, schwarzgeringelten Schwanz, der von der Wurzel bis -zum schwarzen Ende gleichmäßig dick, ja an der Spitze aufgetrieben -erscheint. Ihre Farbe ist bräunlichgrau mit schwarzen Querstreifen, auf -dem Scheitel mit schwarzen Längsstreifen und gelblich weißem Fleck an -der Kehle. Sie erreicht eine Körperlänge von 70-90 _cm_ und ein Gewicht -von 9 _kg_. Sie ist äußerst scheu und lebt nur während der Ranzzeit -oder solange die Jungen noch nicht selbständig sind in Gesellschaft, -sonst stets allein. Den Tag über verbirgt sie sich gern in hohlen -Bäumen, Felsspalten, verlassenen Fuchs- oder Dachsbauten, oft auch -in dichtbewachsenen Sümpfen und tritt mit Beginn der Dämmerung ihre -Jagdzüge an. Vorsichtig und listig, unhörbar sich anschleichend und -geduldig lauernd, überfällt sie den Hasen in seinem Lager, den Vogel -in seinem Nest, das Eichhörnchen auf dem Baume, springt dem Reh und -dem Hirschkalb auf den Rücken und zerbeißt ihm die Halsschlagader, -lauert an Seen und Wildbächen auf Fische und Wasservögel und weiß sie -mit großer Geschicklichkeit zu erbeuten. Weitaus die Hauptnahrung aber -bilden Mäuse und daneben kleine Vögel. Das in der Art der Fortpflanzung -der Hauskatze nahestehende Tier wirft im April oder Mai sechs anfangs -noch blinde Junge, bringt sie in Baumhöhlen, Felsspalten oder ähnlichen -Verstecken unter, schleppt sie bei Befürchtung von Gefahr in ein -anderes Versteck, gleicht im Benehmen sehr der Hauskatze, spinnt in -guter Laune wie sie und drückt ihre Gefühle durch Bewegungen der -Schwanzspitze aus. Vielfach vermischt sie sich mit der Hauskatze und -erzeugt dann ungebärdige Junge, die leicht verwildern und sich wie der -Vater raubend in den Wäldern herumtreiben. - -Der früher überall in den Ländern nördlich der Alpen verbreitete -~Luchs~ (_Felis lynx_) wird gegenwärtig nur noch im Norden von -Skandinavien und Rußland gefunden. Ostwärts verbreitet er sich durch -den größten Teil des nördlich vom Himalaja gelegenen Teiles von -Asien. In den entlegenen Gebieten der Alpen wird er gelegentlich -noch erbeutet, ist in den Karpaten häufiger, wurde aber auf den -Mittelgebirgen Deutschlands und Frankreichs längst ausgerottet. Die -letzten fünf Luchse des Thüringer Waldes wurden zwischen 1773 und -1796, der letzte oberschlesische Luchs 1809, die letzten beiden -Harzer Luchse 1817 und 1818, der letzte Luchs der schwäbischen Alb -1846, der letzte französische in dem Departement Haute-Loire 1822 -geschossen. Er ist ein ausgesprochenes Waldtier, das mit Leichtigkeit -Bäume erklettert, um von deren untersten Ästen aus dem Wild auf dessen -Wechseln aufzulauern, ihm beim Vorübergehen ins Genick zu springen und -die Halsschlagader aufzubeißen. Wie die Wildkatze ist der Luchs ein -durchaus nächtliches Tier, das sich tagsüber in allerlei Schlupfwinkeln -der dichten von ihm bewohnten Wälder versteckt hält, um nachts auf -Raub auszugehen. Im Gegensatz zum Wolf hält sich der Luchs oft längere -Zeit in ein und demselben Gebiete auf, um es nachts nach allen -Richtungen zu durchstreifen. Größeres Wild zieht er kleinerem vor und -scheint sich durchaus nicht mit Mäusefang zu befassen. Er schleicht -den Rehen in den Waldungen, den Gemsen auf den Alpen nach, berückt -Auer-, Birk-, Hasel- und Schneehühner und fällt räuberisch unter die -Schaf-, Ziegen- und Kälberherden, unter denen er gelegentlich großen -Schaden anrichtet, indem er mehr erwürgt als er zur Nahrung braucht, -auch von einem von ihm geschlagenen Tier oft nur das Blut aufleckt und -kleine Partien frißt, das übrige aber, Wölfen und Füchsen zur Beute, -liegen läßt. Dadurch macht er sich dem Jäger wie dem Hirten gleich -verhaßt, die ihn überall mit Eifer verfolgen. Jung eingefangen und -an den Pfleger gewöhnt, wird er sehr zahm und zutraulich. Außer dem -Kalbfleisch ähnlichen, sehr schmackhaften Fleisch, das noch zu Anfang -des vorigen Jahrhunderts auf fürstlichen Tafeln als vorzügliches -Mittel gegen Schwindel gegessen wurde, ist sein Pelz sehr gesucht. -Die skandinavischen gelten als die schönsten und werden mit 30 Mark -und darüber bezahlt. Sibirien liefert alljährlich etwa 15000, Rußland -und Skandinavien etwa 9000 Felle. Die Pelze der Luchse des östlichen -Sibirien kommen ausschließlich in den chinesischen Handel und werden -von den an die Mongolei grenzenden Völkern, besonders den Chinesen, -sehr begehrt. - -Mit diesen letzteren Wildarten haben wir uns schon mit den eigentlichen -Pelztieren befaßt, die wesentlich ihres schönen, dichten Felles -wegen gejagt werden. Zu ihnen gehören auch Marder, Iltis, Wiesel, -Hermelin, Zobel und die übrigen Marderarten, die wir im nächstfolgenden -Abschnitte für sich betrachten wollen. Es sei hier nur noch bemerkt, -daß zum Ersatz des vielfach ausgerotteten einheimischen Wildes -vielfach fremdes eingeführt wurde, so beispielsweise Hasen und -Rotwild aus Ungarn; doch sind die großen Hoffnungen, die man an diese -Blutauffrischung knüpfte, nur zum geringen Teile erfüllt worden. Mit -gutem Erfolge hat man jedoch das südeuropäische Wildschaf, den Muflon, -aus Korsika und Sardinien, im Harz, im Thüringerwald und in anderen -Gebirgsgegenden eingeführt. Seine Lebensgewohnheiten wurden auf -Seite 135 besprochen, so daß wir an dieser Stelle nicht näher darauf -einzutreten brauchen. - - - - -XXVI. Nützliche wilde Vögel. - - -Alle größeren einheimischen Vögel sind beliebte Jagdobjekte, von der -scheuen Trappe und dem Urhahn bis zu den Rebhühnern. Die stattliche -~Trappe~ (_Otis tarda_) ist ein Bewohner der baumlosen Ebene, die -außer der Brutzeit als Standvogel in geselligen Vereinen von 6-10, -im Winter oft in Scharen von 50-100 Stück lebt. Von den entlegensten -Brachfeldern, auf denen sie stets Nachtruhe hält, zieht sie morgens -früh auf ihre Futterplätze, wo sie außer größeren Insekten und -Sämereien aller Art hauptsächlich Teile grüner Pflanzen frißt. Dabei -reckt der scheue Vogel oft den Kopf in die Höhe, um sich umzusehen. -Geht er ruhig seiner Nahrung nach, so schreitet er langsam und -gemächlich einher, läuft er davon, so holt ihn ein flüchtiger Hund -nur schwer ein. Im Fluge bewegt er sich mit langsamen Flügelschlägen -ohne sonderliche Anstrengung. Im März kämpfen die Männchen um die -Weibchen, bis die Paare sich gefunden haben und zu brüten beginnen. In -der zweiten Hälfte des Mai, wenn sich das Weibchen im jungen Getreide -verbergen kann, bereitet es das Nest in Form einer Mulde im Boden -und brütet darin in 30 Tagen seine 3 Eier aus. Die zunächst sehr -unbeholfenen, erst nach einigen Tagen ordentlich laufen lernenden -Jungen verbergen sich mit der Mutter meist im Getreide und leben -zuerst nur von Insekten und deren Larven, später von zartem Grün. -Sie werden von den Eltern sorgsam bewacht und kräftig selbst gegen -ebenbürtige Feinde verteidigt. Da die Trappen besonders im Alter kein -wohlschmeckendes Fleisch haben, werden sie hauptsächlich wegen der -Schwierigkeit, mit der ihnen beizukommen ist, gejagt. Um sie leichter -beschleichen zu können, bedient man sich des Schießpferdes oder des -Bauernwagens, verkleidet sich gelegentlich auch einmal als Bauernfrau -mit dem obligaten Tragkorb. - -In höherem Ansehen als sie stehen beim Weidmann die ~Ur-~ und -~Birkhühner~, von denen fast nur die Männchen im Vorfrühling -- -von Ende März an -- auf der Balz, während welcher die sonst äußerst -vorsichtigen Vögel weder sehen noch hören, geschossen werden. Das -~Urhuhn~, d. h. großes Huhn (_Tetrao urogallus_), ist ein echter -Waldvogel und lebte ursprünglich im Tiefland, wurde aber mit der -Ausrodung des Waldes aus der Ebene ins Gebirge hinauf vertrieben. In -Europa ist es heute von den Gebirgen der südeuropäischen Halbinseln -bis Rußland und zum Eismeer und durch Sibirien bis nach Kamtschatka -verbreitet. Das meiste Urwild kommt in Asien, aber auch noch in Rußland -vor. Allen andern Waldarten zieht es den Kiefernwald vor, lebt aber nur -in ausgedehnten Waldbeständen mit reichem Unterwuchs und ernährt sich -vorwiegend von Kiefernadeln, Wacholderbeeren und anderer Pflanzenkost. - -Das ~Birkhuhn~ (_Tetrao tetrix_) dagegen liebt gemischte, lockere -Waldbestände mit zerstreutem Buschwerk und erhielt seinen Namen nach -seiner Vorliebe für Birken. Es äst gern Laubknospen und hat einen -bestimmten Standort, den es nur wechselt, wenn es beunruhigt wird. -Sein Verbreitungsgebiet stimmt mit dem des vorigen überein, doch lebt -es sowohl im Tiefland, als im Mittel- und Hochgebirge, und geht in -letzterem über die Baumgrenze hinaus. Seine Balzzeit währt von Mitte -März bis Mitte oder Ende Mai; dabei balzt der Birkhahn im Gegensatz -zum Urhahn, der dies stets auf Bäumen tut, fast ausschließlich auf -dem Boden, auch fleißiger und zu verschiedener Tageszeit, nicht bloß -wie jener in der Morgen- und Abenddämmerung. Auf den Balzplätzen -des Tieflandes und des Mittelgebirges, auf Waldblößen, Weiden oder -Torfstichen balzen manchmal gleichzeitig 20 und mehr Hähne, im -Hochgebirge treten sie dagegen mehr vereinzelt auf. Je schlechter ein -Forst bewirtschaftet wird, desto eher ist Birkwild darin anzutreffen. -In Rußland und Sibirien verbreitet es sich mehr und mehr nach Norden, -indem es vielfach die Stände des durch die großen Holzrodungen -vertriebenen Urwilds einnimmt. In Neufundland ist es mit Erfolg -eingeführt worden. In Mitteleuropa ist es weniger zahlreich als das -Urwild vertreten, dagegen ist es im Norden zahlreicher als jenes. -Infolge der stärkeren und besseren Bodenbewirtschaftung nimmt es bei -uns mehr und mehr ab, wie auch das Haselwild. - -Das ~Haselhuhn~ (_Tetrao bonasia_) ist das kleinste der -mitteleuropäischen Waldhühner und liebt im allgemeinen ähnliche -Standorte wie das Urwild, meidet aber die dem Birkwild besonders -zusagenden wilden oder verwilderten Holzbestände und Kahlschläge. Gern -lebt es an Waldstellen, wo es leicht zwischen Laub- und Nadelholz -wechseln kann. Es ernährt sich vorzugsweise von Laubholzknospen und -Waldbeeren, wie auch von kleinen Tieren aller Art. Es lebt vorzugsweise -in den gemischten Wäldern von Mittelgebirgen und in den Vorbergen und -dem Waldgürtel der Alpen, obwohl es ursprünglich mehr ein Vogel des -Tieflandes als des Gebirges ist. Am reichsten an Hasel-, wie überhaupt -an Waldhühnern, ist heute noch die russische Tiefebene. Je mehr in -andern Ländern der Wald aus dem Tieflande verschwand, um so mehr -hat sich das Haselhuhn in deren Gebirge zurückgezogen. Je mehr die -unterwuchslosen, geschlossenen Hochwälder aus Reinbeständen namentlich -von Nadelholz verschwinden, um so seltener wird das Haselwild, weil -ihm dadurch besonders die zu seiner Äsung notwendigen Beerenfrüchte -entzogen werden. Es hält sich vorzugsweise am Boden auf, wo es durch -Scharren allerlei Insektenlarven und Gewürm verschiedenster Art zu -erlangen sucht. Es läuft sehr gewandt und bildet familienweise ganze -Ketten im Wald, kommt jedoch manchmal auch einzeln vor. Da es sich -bei Beunruhigungen im Gestrüpp oder im dichten Astwerk versteckt oder -sich an den Boden drückt, wird es von Unkundigen auch in gutbesetzten -Revieren kaum je wahrgenommen. Es ist ein treuer Standvogel und liefert -ein hochgeschätztes Wildbret. Es erzeugt mit dem Schnee- und Birkhuhn -Bastarde. - -Unter den beiden Arten der europäischen ~Schneehühner~ liebt das -~Moorhuhn~ (_Lagopus albus_) feuchte, mit Krüppelwald, besonders -mit Birken- und Weidenbeständen, abwechselnde Niederungen und -Moorgründe. Es lebt meist im Gestrüpp der Tundren und Moore, -nicht aber im Waldinnern. Dieser mehr nordische Vogel ist in den -Mittelgebirgen Schottlands und Skandinaviens sehr häufig und findet -sich überall zirkumboreal außer in Grönland und auf Island, wo nur -das Alpenschneehuhn gefunden wird. In Deutschland findet es sich -nur im nordöstlichsten Preußen, wo es im Sommer in unzugänglichen -Mooren brütet. Einzelne Moorhühner des Nordens überwintern in ihrem -Brutgebiet, die Mehrzahl aber begibt sich nach Süden bis dahin, wo der -Nadelwald aufhört und die Birkenbestände beginnen, um im April oder -Mai auf ihre nordischen Brutplätze zurückzukehren. In Schottland und -Skandinavien wird es wegen seines wohlschmeckenden Fleisches eifrig -gejagt und in sehr großen Mengen auf den Markt gebracht. - -[Illustration: - - Tafel 65. - -Im Heidegestrüpp brütendes schottisches Moorhuhn (_Lagopus scoticus_). -Vom gemeinen nordischen Moorhuhn unterscheidet es sich durch braune -Schwingen, graue Beine und vor allem dadurch, daß es im Winter nicht -wie jenes weiß wird. - -(Unretuschierte Naturaufnahme von Cherry und Kearton.)] - -[Illustration: - - Tafel 66. - -Durch ihre Färbung geschützte brütende Waldschnepfe auf dem Nest. - -(Nach Meerwarth, Naturstudien.)] - -Das ~Alpenschneehuhn~ (_Lagopus mutus_) lebt im Hochgebirge über -1800 _m_ Höhe zwischen wilden Steinmassen, Zwergweiden, Alpenrosen, -Legföhren und anderem Gesträuch. Im hohen Norden ist es der -Begleiter des Schneehasen und Moschusochsen und durch sein dichtes -Federkleid gut gegen die Kälte geschützt, weiß sich auch mit seinen -gleich denen des Moorhuhns dicht befiederten Füßen tiefe Gänge in -den Schnee zu graben, die es an seine Nahrung, die Knospen der -verschiedensten Sträucher, bringen und es auch vor seinen Feinden -schützen. Es ist kleiner und geselliger als das Moorhuhn und wird -wegen seiner an Einfalt grenzenden Arglosigkeit leicht die Beute von -Jägern und Raubvögeln. In Skandinavien bildet es, wie der Fisch an der -Küste, so im Innern die gewöhnliche Fleischspeise, während das Moorhuhn -mehr auf den Markt der südlichen Städte gebracht wird. Das Fleisch -des Alpenschneehuhns ist indessen dunkler und weniger schmackhaft als -dasjenige des Moorhuhns; es ähnelt dem Hasenwildbret. - -Ein ausschließlicher Feldvogel, aber auch ein Freund von Gebüsch -und niederem Gehölz, ist das ~Rebhuhn~ (_Perdix cinerea_). Es ist -Standvogel und nur zum Teil Strichvogel, lebt im Winter familienweise, -die übrige Zeit in einzelnen Paaren, die treu zusammenhalten. Im auf -Saatfeldern, im hohen Wiesengras und Gestrüpp oder an Buschrändern -gut versteckten Neste werden 10-12 Junge ausgebrütet, die von den -beiden Eltern sorgsam behütet und zum Auffinden der aus Insekten, -Getreidekörnern und anderen Sämereien, wie auch grünen Pflanzenteilen -bestehenden Nahrung angeleitet werden. Erwachsen bilden sie mit den -Eltern eine sogenannte Kette, die im Herbst mit Hilfe des Vorstehhundes -gejagt wird. Hat derselbe mit seinem vorzüglichen Geruchssinn eine -solche an den Boden geduckte Rebhuhnfamilie ausgekundschaftet, so -bleibt er mit lang vorgestrecktem Hals und einer erhobenen Pfote -wie angewurzelt stehen, bis der Herr sie sieht und auf sie schießen -kann. Das im Grunde nicht sehr scheue Rebhuhn wird in Gegenden, wo es -gejagt wird, sehr vorsichtig und weiß sich seinem Feinde durch rasches -Verstecken zu entziehen. In Südeuropa tritt es seltener auf, desto -häufiger aber in Mitteleuropa, wo es eines der gemeinsten Feldvögel -und das gewöhnlichste Federwild ist. Auf Neuseeland wurde es vor einem -Menschenalter mit Erfolg eingeführt. - -Die alten Griechen und Römer fingen die Rebhühner mit Netzen, um -sie teilweise zahm zu halten und die Männchen gegeneinander kämpfen -zu lassen, wie dies heute noch auf den Kykladen mit Steinhühnern -geschieht. Nach Oppian wurden sie in der Weise mit Netzen gefangen, -daß man sie durch andere Rebhühner hineinlocken ließ, oder der mit -einer Hirschhaut verkleidete Jäger schlich sich an sie heran, um sie in -Schlingen oder auch Netzen zu fangen. Der etwas später, zu Beginn des -3. Jahrhunderts n. Chr. lebende Grieche Älian schreibt in seinem Buch -über die Tiere: „Diejenigen Rebhühner (_perdix_), die eine helle Stimme -oder große Kampfeslust haben, sträuben sich sehr, wenn sie von Menschen -gefangen werden, weil sie wissen, daß sie nicht zum Schlachten, sondern -deswegen gefangen werden, weil sie durch ihre Stimme und den Kampfesmut -ergötzen sollen. Diejenigen aber, die sich bewußt sind, daß sie weder -als Sänger, noch als Kämpfer geachtet sind und zum Braten gefangen -werden, sind schlau genug, dem Menschen seinen Spaß zu verderben; denn -sie fressen nichts, wovon sie fett werden könnten, dagegen Knoblauch in -großer Menge. Wer das weiß, gibt sich demnach mit dem Fang dieser Tiere -keine Mühe; wer solches aber nicht weiß und auf den Fang geht, der -erlebt an seinem Braten wenig Freude.“ - -Ein weiterer Bewohner der Grassteppe und Getreidefelder ist die -~Wachtel~ (_Coturnix communis_), die die milderen Gegenden Europas von -Süditalien nördlich bis Mittelschweden, aber auch weit ausgedehnte -Gebiete von Afrika, namentlich aber die Steppenländer Asiens bis nach -Nordchina bewohnt. In Europa beherbergen Ungarn und die südrussischen -Steppen die meisten Wachteln; in Deutschland hat ihre Zahl besonders -im Süden stark abgenommen. Sie ernährt sich wie das Rebhuhn von -Insekten, Sämereien und grünen Pflanzenteilen, ist in der Morgen- und -Abenddämmerung am tätigsten und verläßt nur in der Mittagshitze ihr -Versteck, um sich zu sonnen und im Sande zu baden. Sie fliegt nur -ungern und verkriecht sich viel lieber, als daß sie sich einer Gefahr -durch Fliegen entzöge. Auf freiem Felde überrascht, drückt sie sich -ganz flach auf den Boden, was sie auch tut, wenn sie aufgescheucht -wurde und sich wieder niederwarf. Im Frühjahr ist das Männchen sehr -kampflustig und schlägt sich auf Leben und Tod mit Nebenbuhlern um ein -Weibchen. Dann läßt es fleißig seinen bekannten Schlag hören, den die -Römer mit „_dic cur hic_ (sage, weshalb bist du da),“ die Deutschen -mit „Bück den Rück“ oder „Flick de Büx“ wiederzugeben versuchten. -Wegen dieses seines Balzgesangs wird die Wachtel gern als Stubenvogel -gehalten. Sie wird im umgitterten Raume bald ganz zahm und schreitet -in ihm auch leicht zur Fortpflanzung. Sogar in den Bauernstuben -läßt man sie gern brüten und schätzt den Vogel wegen seines stets -munteren Wesens und der Vertilgung manchen Ungeziefers. Noch mehr als -bei uns ist die Wachtel in Persien und der Bucharei ein beliebter -Stubenvogel, der nicht nur zahlreich in Käfigen gehalten, sondern auch -als lebendiges Spielzeug viel in den Händen getragen und gehätschelt -wird. Den wilden Vogel schießt man im Herbst wie das Rebhuhn vor dem -Hühner- oder Vorstehhund oder fängt ihn in Netzen, und zwar oft mit der -Wachtelpfeife, einem kleinen Instrument, das den die Nebenbuhler in die -Schranken fordernden Schlag der Hähne oder den Lockton des Weibchens -„Krüb krüb“ genau nachahmen muß. - -Erst im Juli paart sich die Wachtel. Schon während des Brütens -trennt sich das Männchen vom Weibchen; denn die Wachteln führen kein -Familienleben wie die Rebhühner. Das Nest der Wachtel findet sich, gut -versteckt, meist zwischen Äckergewächsen, seltener im Wiesengras und -Sommergetreide, bildet eine kleine, kunstlos mit Hälmchen ausgekleidete -Vertiefung, in der 8-14 Eier ausgebrütet werden. Gleich nach dem -Auskriechen laufen die Jungen mit der Mutter davon und werden bald -selbständig. - -Die Wachtel gehört bei uns zu den Zugvögeln. Viele Wachteln überwintern -zwar schon in Südeuropa, die meisten gehen aber weit nach Afrika -hinein, teilweise bis nach Südafrika. Ende September ziehen sie -ab; Mitte September ist der Zug am stärksten, bis anfangs Oktober -die letzten Nachzügler abreisen. Die Wachteln fliegen zwar gut, -reisen aber gern in der Richtung eines leichten Windes, werden durch -Gegenwind veranlaßt, Land oder auch nur Klippen oder Sandbänke, -selbst das Verdeck von Schiffen, wo sie ermattet und verwirrt liegen -bleiben, aufzusuchen und sollen sich sogar auf den Meereswellen -eine Zeitlang ausruhen, kommen aber häufig darin um. In zahlloser -Menge erscheinen sie auf ihrem Zuge in Südeuropa und Nordafrika -und werden dort in Menge gefangen, so daß sie für die betreffenden -Bewohner eine ergiebige Nahrungs- und Erwerbsquelle bilden. Außer -der spanischen Küste, Sizilien und manchen Gegenden Nordafrikas ist -besonders auch Capri wegen der Ergiebigkeit des Wachtelfangs berühmt. -Frühere Bischöfe, zu deren Sprengel das Eiland gehörte, hatten einen -bedeutenden Teil ihres Einkommens dem Wachtelfang zu verdanken, der -mit Fuß- und Halsschlingen, mit Klebe- und Steckgarnen, vornehmlich -aber mit italienisch _roccoli_ genannten Schlagnetzen ausgeübt wird. -Die gefangenen, fetten Tiere werden gerupft, ihnen die Köpfe und Füße -abgeschnitten, der Bauch geöffnet und die Eingeweide herausgenommen, -sie dann wie Heringe verpackt und versendet. Schon die alten Griechen -und Römer lagen diesem Fange ob, wie auch die Kinder Israels auf ihrem -Zuge durch die Wüste. Der griechische Schriftsteller Oppianos sagt, -daß man die Wachteln, wenn sie mit geschlossenen Augen aus Furcht vor -dem Meere aufs Land fallen, in Garnen fängt, indem man sie entweder -durch in Käfigen gehaltene Wachteln lockt oder in die man sie treibt, -indem man ein Kleid auf zwei Stäbe steckt, hochhält und so vorwärts -schreitet. In einem kürzlich in Ägypten aufgefundenen Fragment des im -3. Jahrhundert v. Chr. lebenden alexandrinischen Dichters Kallimachos -soll ein Priester auf einer der Kykladen ungünstigen Wind für den -Wachtelfang bitten... „wenn sich der Wachteln (_órtix_) Volk stürzt in -das Netz aus Garn“. In seiner Naturgeschichte berichtet Plinius von -ihnen: „Die Wachteln (_coturnix_) sind kleine, bei uns mehr an der -Erde als in der Luft lebende Vögel. Sie fliegen scharenweise über das -Meer und bringen, wenn sie sich dem Lande nähern, selbst Schiffe in -Gefahr; denn sie fallen oft in solcher Menge, und zwar bei Nacht in die -Segel, daß die Schiffe versinken. Bei ihren Reisen haben sie bestimmte -Gegenden, in denen sie sich niederlassen, um zu ruhen. Bei Südwind -fliegen sie nicht, weil dieser Wind ihnen zu feucht und schwer ist, und -doch wollen sie mit dem Winde fliegen, weil ihr Körper schwer und ihre -Kraft gering ist. Die Anstrengung, welche ihnen der Flug verursacht, -geben sie durch klagende Töne zu erkennen. Sie fliegen daher -vornehmlich mit dem Nordwind und unter Anführung des Wachtelkönigs -(eines größeren Vogels, der mit ihnen zugleich nach Süden zieht, aber -natürlich sie nicht anführt). Die erste Wachtel, die sich dem Lande -naht, holt sich der Falke. Ziehen sie nun weiter, so tun sie sich nach -Begleitern um und überreden die Glottis, die Horneule (_otus_) und -den Cychramus, mitzufliegen. Erhebt sich ein dem Zuge widriger Wind, -so nehmen die Wachteln kleine Steinchen als Ballast in die Füße, oder -den Schnabel voll Sand und fliegen dann weiter. Sie fressen vorzüglich -gern giftige Sämereien und werden deshalb nicht verspeist. Sie sind -das einzige Tier, das gleich den Menschen am bösen Wesen leidet, und -deshalb pflegt man, so oft man eine Wachtel sieht, auszuspucken.“ - -Daß die Römer nicht wie ihre Nachkommen, die heutigen Italiener, die -Wachteln gern gegessen hätten, ist kaum anzunehmen. Sagt doch Varro -zu Ende der Republik ausdrücklich: „Manche Leute mästen in ihren -Vogelhäusern auch Ortolane und Wachteln und verkaufen dann beide -teuer.“ Auch die Griechen verzehrten diesen Vogel gern, aber noch -lieber benützten sie die, wie uns bezeugt wird, mit Netzen gefangenen -und mit Hirse gefütterten Wachteln, wie heute noch die Chinesen und -Süditaliener, zu Kampfspielen. Der 125 n. Chr. geborene griechische -Schriftsteller Lukianos sagt, in Athen seien die Wachtelkämpfe sehr -beliebt und häufig gewesen. Die Leute hätten sich dabei in großer Menge -versammelt; ja, es habe ein Gesetz bestanden, das den Jünglingen gebot, -den Wachtel- und Hahnenkämpfen zuzusehen, um von diesen Vögeln, die mit -Hartnäckigkeit auf Tod und Leben kämpfen, Tapferkeit zu lernen. Nach -dem Berichte des Plutarch war der junge Alkibiades (450-404 v. Chr.) -in seiner Vaterstadt Athen auf den Markt gekommen, wo das versammelte -Volk gefragt wurde, wer freiwillige Steuern bezahlen wolle. Da meldete -sich Alkibiades. „Über diese Freigebigkeit war das Volk entzückt, -klatschte und schrie, da vergaß Alkibiades selbst vor lauter Freude die -(Kampf-)Wachtel, die er zufällig unter dem Mantel trug, lies sie los -und sie flog davon. Nun schrien die Leute noch ärger, jagten hinter -der Wachtel her und es gelang dem Steuermann Antiochus, sie wieder -einzufangen.“ Der Philosoph Platon sagt, indem er auf die übertriebene -Wachtelliebhaberei seiner Zeitgenossen anspielt, im Lysis: „Mir ist -denn doch ein braver Freund lieber als die beste Wachtel oder der beste -Hahn“, und der Komödiendichter Aristophanes nennt die Söhne seines -Kollegen Karkinos „Hauswachteln“, weil sie sich zu Hause immerfort -zankten. Er sagt von der Wachtel, sie lasse ihre Stimme während des -Kampfes ertönen, das Rebhuhn dagegen vorher und der Haushahn nach dem -Siege. An einer andern Stelle schreibt er, die Athener hätten denen, -die sie liebten, gern Purpurhühner, Wachteln oder Gänse geschenkt. -Noch um 200 n. Chr. waren die Wachteln als Kampfvögel bei den Griechen -beliebt, denn der damals in Alexandrien lebende Athenaios nennt -Leute, die gar zu erpicht auf Kampfwachteln sind, Wachtelnarren. -Von ihnen übernahmen die Römer diese Liebhaberei, so daß wir die -Behauptung des Plinius, daß man in Rom keine Wachteln esse, dahin -deuten können, daß sie von den reicheren Römern lieber zu Kampfspielen -denn als Braten verwendet wurden. Noch heute ist in vielen Städten -Italiens, insbesondere in Neapel, der Wachtelkampf eine beliebte -Volksbelustigung. Die Wachtelhähne werden mit Hirse gefüttert und dann -auf jedes Ende eines länglichen Tisches einer gesetzt. Alsbald nähern -sich die Tiere und hauen so wütend mit Schnabelhieben aufeinander ein, -daß die Federn fliegen und das Blut aus offenen Wunden fließt, bis -eines besiegt ist und die Flucht ergreift. Der Besitzer der siegreichen -Wachtel bekommt den ausgesetzten Preis und kann das Tierchen, wenn -es mehrmals gesiegt hat, oft für 10-12 Goldstücke verkaufen, da der -Käufer durch weitere Siege diese Summe reichlich wieder einbringen -kann. Allerdings haben schon im Altertum die besseren Elemente von -dieser Volksbelustigung gelassen. So schreibt Marcus Antonius, er habe -vom Philosophen Diognetos gelernt, keine Wachteln zum Vergnügen zu -halten und überhaupt sich nicht mit Albernheiten abzugeben. Übrigens -wurde damals die Wachtel außer zum Kampf auch zu Spielen aller Art -verwendet. So schreibt Julius Pollux von einem griechischen Spiele, -das Wachtelhieb genannt wurde. Dabei setzte einer seine Wachtel in die -Mitte eines gezogenen Kreises; ein anderer aber versetzte ihr einen -schwachen Hieb mit dem Finger. Wich nun die Wachtel nach diesem Hiebe -aus dem Kreise, so hatte der Besitzer der Wachtel die Wette verloren. - -Denselben Griechen verdankten die Römer und in der Folge das ganze -Abendland die Einführung des ~Fasans~ (_Phasianus colchicus_), von -dem wir erfahren, daß ihn einst die unter Anführung des Jason zur -Erlangung des von einem grimmigen Drachen gehüteten goldenen Vließes -ausgezogenen Argonauten, d. h. Schiffer auf dem Schiffe Argo, am -Flusse Phasis, im Lande Colchis südlich vom Kaukasus kennen lernten -und danach _phasianós_, d. h. den phasischen Vogel nannten. Dieser -ursprünglich Westasien bewohnende Vogel ist heute durch den Menschen -nicht nur in den Mittelmeerländern, sondern in Europa bis England -und Norddeutschland, d. h. soweit die klimatischen Verhältnisse -es zuließen, verbreitet worden. Schon die Römer, die ihn von den -Griechen mit demselben Namen übernommen hatten, brachten ihn wie -den Pfau in ihre Kolonien nach Südfrankreich und Helvetien, von wo -aus er allerdings erst zu Ende des Mittelalters als Wildling weiter -nordwärts vordrang. Während er heute in ganz Süddeutschland, Böhmen -und Österreich im Zustande vollkommener Wildheit lebt, wird er in -Norddeutschland noch unter Obhut des Menschen in sogenannten Fasanerien -gehalten, und, wenn freilebend, wenigstens in strengen Wintern -gefüttert. Als nunmehr vollkommen eingebürgertes Wild wird der Fasan -mit dem Hühner- oder Vorstehhund in seinem Lager aufgesucht und zum -Schuß gebracht, oder nach Zerstreuung eines Volkes in Steckgarnen -gefangen. Man beschleicht auch die Hähne beim Balzen und stellt, wenn -viele auf einmal geschossen werden sollen, förmliche Treibjagden auf -sie an, wie dies bei großen Herren Mode ist. - -Eine Lieblingsjagdart vieler Jäger ist die auf dem sogenannten -Schnepfenstrich, wenn im ersten Frühjahr die ~Schnepfen~ aus ihren -in Südeuropa gelegenen Winterquartieren zu uns in ihre Brutgebiete -zurückkehren. Was dieser Jagd ihren besonderen Reiz verleiht, ist -das dabei zu beobachtende Wiedererwachen der Natur, wenn schon -die Wildtauben, das Rotkehlchen, die Amsel, die Heidelerche, die -Bachstelze aus dem Süden eingetroffen sind und mit ihren Werbelauten -den Wald beleben. Man unterscheidet drei Arten von Schnepfen. - -1. Die ~Waldschnepfe~ (_Scolopax rusticula_), die mit Ausnahme -einiger nordischer Inseln alle Länder Europas, wie auch ganz Mittel- -und Nordasien bewohnt. Im Norden trifft man sie während des Sommers -in allen größeren Waldungen an, wo sie, ohne einen Unterschied -zwischen Laub- und Nadelholz zu machen, feuchte, sumpfige Stellen, -niemals aber eigentliche Sümpfe und freie Moräste bewohnt. Nur in -der Dämmerung begibt sie sich auf Waldwiesen und Viehtriften in der -Nähe des Waldes, wo sie sich von allerlei Getier ernährt, die sie -mit ihrem feinfühligen, langen Schnabel aus der Erde zieht. Fleißig -wendet sie zur Erbeutung von Würmern, Schnecken und Insektenlarven das -vermodernde Waldlaub um und bohrt in Rinderdünger, wie auch in von -jenen belebten weichen Bodenschichten ihren Schnabel ein, den sie zum -Erfassen und Verschlingen ihrer Beute nur vorne öffnet, ohne ihn aus -dem Boden herauszuziehen. Laufend weicht sie zwar häufig einer Gefahr, -z. B. einem Hühnerhund, aus und duckt sich, ihrer Schutzfärbung wohl -bewußt, zu Boden, aber, um etwas zu suchen, fliegt sie am liebsten. -Dabei bewegt sie sich in geringer Höhe langsamer als die übrigen -Schnepfenarten. - -Die ungeheure Anzahl von Waldschnepfen, die auf ihrem Herbstzuge fast -alljährlich gefangen und vertilgt wird und trotzdem immer wiederkehrt, -legt die Vermutung nahe, daß das Hauptbrutgebiet der Waldschnepfe die -dünn bevölkerten, einsamen Wälder Nordrußlands und Sibiriens sind. -Jedenfalls ist die Waldschnepfe im Osten und Norden viel reichlicher -als Brutvogel vertreten als im Westen und Süden. Während sie schon -auf den Karpaten in ziemlicher Zahl brütet, gehört sie im waldarmen -Frankreich und England zu den seltenen Brutvögeln und wird auch bei uns -fast nur auf dem Durchzuge geschossen, wenn sie je nach der Witterung -von Mitte März an in ihre nordische Heimat zurückkehrt. Ihre Straße -ist nicht stets dieselbe, so daß man sie in einem bestimmten Revier -nicht alle Jahre gleich häufig zu sehen bekommt. Der Balzflug, der -gewöhnlich nur in einer Höhe von 12-15 _m_ ausgeführt wird und in der -Abend- und Morgendämmerung nicht viel länger als ¼ Stunde dauert, -niemals bei Kälte und Ostwind, besonders aber bei warmer, regnerischer -Witterung und bei Südwestwind, der die stets mit dem Winde wandernden -Schnepfen herbeiführt, stattfindet, ist eine Art Unterbrechung des -Frühlingszuges, um dem Männchen ein Weibchen zu verschaffen oder -einem schon gewonnenen seine Aufmerksamkeit zu erweisen. Wenn es dann -liebetrunken mit dick aufgeblähtem Gefieder mit kurzen Flügelschlägen -langsam unter Ausstoßen leiser, pfeifender und quaksender Töne über dem -Gehölze streicht, fällt es dem Blei des Jägers zum Opfer. - -2. Die ~Sumpfschnepfe~ oder ~Bekassine~ (_Gallinago coelestis_), -deren Heimat ebenfalls der Norden Europas und Asiens ist. Auch sie -überwintert in Südeuropa, Nordafrika und Indien und zieht Ende März -und im April zu ihren Brutplätzen im Norden, um schon Ende August -bis Oktober wieder ihre Rückreise in die Winterquartiere im Süden -zu vollführen. In Norddeutschland, Dänemark, Skandinavien, Rußland -und Sibirien ist sie sehr gemein und lebt dort auf sumpfigen Wiesen -und Mooren zwischen Weiden- und Erlengebüsch. Ihr Nest findet sich -auf kleinen Hügelchen und auf Grasbüscheln im Sumpf und enthält in -der zweiten Hälfte des April vier Eier, die vom Weibchen ausgebrütet -werden, während das Männchen morgens und abends über dem Nestplatz -seinen eigentümlichen Balzflug vollführt. Mit dem Ausschlüpfen der -Jungen hat der regelmäßige Balzflug ein Ende. Dank ihres geschützten -Aufenthaltsortes und ihrer größeren Flugfertigkeit ist sie weniger -Gefahren als die Waldschnepfe ausgesetzt. Wegen ihres schmackhaften -Wildbrets, das jenes der Waldschnepfe entschieden übertrifft, wird -sie allenthalben verfolgt, wenn auch nicht überall mit besonderem -Eifer, da das Umherwaten im Sumpfe nicht jedermanns Sache ist. Wie die -Waldschnepfen lassen sie sich auch in der Gefangenschaft halten, doch -ist ihre Eingewöhnung keine sehr leichte. - -3. Die ~Moorschnepfe~ (_Gallinago gallinula_), die kleinste aller -Schnepfen. Sie ist ebenfalls ein Sumpfbewohner und hat ihre Heimat im -Norden, besonders in Rußland und Westsibirien. Wie die andern Schnepfen -wird sie an denselben feuchten Stellen bei ihrem Durchzuge geschossen, -um als Leckerbissen verzehrt zu werden. - -Von weiteren jagdbaren Vögeln sind die ~Enten~ und ~Gänse~ zu nennen, -die besonders für die nordischen Völker eine wichtige Rolle spielen. -Der bei uns häufigste Brutvogel unter den Wildenten ist die ~Stockente~ -(_Anas boscas_), deren Nest man an buschreichen Ufern unter Weiden -und Erlen, zwischen Schilfrohr und Sumpfpflanzen, im Grase oder auf -mäßig hohen Bäumen in verlassenen Krähen- und Raubvogelnestern findet. -Es enthält anfangs April 8-14 schmutzigweiße, von denen der, wie wir -sahen, von ihr abstammenden Hausente nicht unterscheidbare Eier. Die -nach 26tägiger Bebrütung aus ihnen ausschlüpfenden Jungen werden von -ihrer Mutter auf versteckreiche Gewässer geführt, unter ihren Flügeln -erwärmt und fast bis zur Erlangung vollständiger Flugfähigkeit sorgsam -beschützt und geleitet. Sie ernähren sich mit der verschiedensten -tierischen und pflanzlichen Speise. Während die Weibchen brüten und -ihre Jungen aufziehen, vereinigen sich die Männchen zu kleineren oder -größeren Gesellschaften. Die im Oktober ihr Jugendkleid verlierenden -Jungen gehen dann mit den alten Artgenossen aus den stillen Gewässern -auf die Flüsse, um hier Scharen zu bilden und, wenn das Wasser gänzlich -zufriert, nach milderen Gegenden im Süden zu ziehen. In schräger -Linie oder ein hinten offenes Dreieck bildend fliegen sie meist -zur Nachtzeit nach Südeuropa, um schon im Februar oder März in ihr -Brutgebiet zurückzukehren. Dieses erstreckt sich von der unteren und -mittleren Donau, Süddeutschland und der Schweiz bis zur Waldgrenze -im Norden und verbreitet sich auch über Nordasien und Nordamerika. -Der äußerst scheue und vorsichtige, in der Gefangenschaft leicht zur -Fortpflanzung zu bringende Vogel wird namentlich in Brüchen, wo er dem -Samen des Schwadengrases nachfliegt, auf dem Morgen- und besonders -auf dem Abendanstand erlegt. Auch fängt man ihn in Laufschlingen und -mit Angeln, in großen Massen aber in den sogenannten Entenfängern -oder Vogelkojen, die es freilich früher in größerer Menge als jetzt -in Deutschland gab. Es sind dies fünfeckige Teiche, die an jeder der -fünf Ecken spitz zulaufende, von Erdwällen umgebene und mit mannshohen -Blendschirmen aus Schilfrohr eingefaßte Ausbuchtungen haben, die mit -einem Netze bedeckt sind und in eine gewöhnliche Fischreuse endigen. -Die Wälle und die Umgebung der Koje sind mit dichtem Buschwerk -bepflanzt. Auf den Teichen und deren Ausläufen befinden sich zahlreiche -zahme Enten, Spieß-, Pfeif- und Stockenten mit gestutzten Flügeln. -Der Kojenwärter, der sich durch ein stets bei sich getragenes -Torfräuchergefäß verwittert, streut dann seinen zahmen Enten Futter, -meist Gerste, und lockt sie damit unter die Netze, wohin ihnen die -Wildlinge ohne Bedenken folgen. Durch das Erscheinen des Kojenwärters -aufgescheucht, wollen sie ihm entfliehen, wobei sie immer mehr in -den Blindsack und schließlich in die Reuse geraten, wo sie getötet -werden. Dann wird den Lockenten abermals Futter gestreut, und das -Spiel beginnt von vorne. Ist eine Ausbuchtung zweimal abgetrieben, so -kommt die nächste an die Reihe. So werden viele Tausende von Enten -jährlich gefangen, z. B. auf der Insel Föhr in einem Herbst über 30000 -Stück. Weniger aber als durch die Jäger und Entenfänger nimmt die -Stockente infolge der zunehmenden Bodenkultur, besonders infolge der -Trockenlegung von Wiesen und Sümpfen, bei uns ab. - -Etwas kleiner als die Stockente ist die zu derselben Zeit nach Süden -ziehende ~Schnatterente~ (_Anas strepera_), die ihren Namen dem -schnatternden Rufe des Weibchens verdankt, an dem man sie, namentlich -wenn das helle Pfeifen der Männchen dazwischen klingt, von allen andern -in Deutschland vorkommenden Entenarten unterscheiden kann. Der auch -durch einen eigentümlichen wippenden Flug ausgezeichnete Vogel bewohnt -den Norden von Europa, Asien und Nordamerika und nistet mehr im Osten -unseres Kontinents bis zum Schwarzen Meer. In Deutschland nistet er -namentlich in Schlesien und in einigen Seen Ostpreußens. In das von ihr -kunstlos hergestellte Nest legt das Weibchen 6-12 trüb olivengrünliche -Eier, die sie selbst ausbrütet. - -Häufiger als sie ist die ~Spießente~ (_Anas acuta_) mit langem, dünnem -Hals und stark verlängertem Schwanz. Zu ihrem Aufenthalte wählt sie -ausgedehnte Sümpfe mit vielen Wassergräben und freien Wasserflächen, -dann große, schilfreiche Seen und verwilderte Teiche mit Wasserpflanzen -aller Art, nicht aber buschreiche, im Walde versteckte Örtlichkeiten, -wie sie die Stockente liebt. Hier findet man, bei uns in der zweiten -Hälfte des April, 8-10 sehr bleiche, graugrüne Eier, die etwas kleiner -als die der Stockente sind. Ihr Brutgebiet erstreckt sich über den -Norden Europas, Asiens und Nordamerikas, wo sie ungefähr dieselben -Gegenden wie die Stockente bewohnt, aber weiter nach Norden geht. Sie -wandert vom Oktober an nach Süden und kehrt im März und April in ihr -Brutgebiet zurück. Auf dem Zuge ist sie neben der Krick- und Pfeifente -die häufigste Ente an der Nordseeküste. - -Dasselbe Verbreitungsgebiet hat die ~Löffelente~ (_Anas clypeata_), die -ihren Namen von dem vorn stark verbreiterten Schnabel hat. Sie zieht -Ende August nach Südeuropa und Nordafrika, nach Indien und Südchina, um -im März und April paarweise auf ihre Brutplätze zurückzukehren, wo man -im Mai das zwischen Schilf und Binsen stehender Gewässer versteckte und -mit 7-14 trüb gelblichweißen Eiern belegte Nest findet. - -Die häufigste deutsche Sommerente nach der Stockente ist die -~Knäckente~ (_Anas querquedula_), obwohl sie später als jene bei uns -ankommt und früher wieder abzieht. Sie hat ihren Namen von ihrer -gewöhnlichen Stimme, ist klein und äußerst gewandt im Fliegen, so daß -sie sich durch geschickte Schwenkungen selbst einem auf sie stoßenden -Falken in der Regel zu entziehen vermag. Sie nistet vom Rhein bis nach -Südschweden im Schilf oder Gebüsch an sumpfigen Gewässern. Ende April -findet man 9-12 gelblichweiße Eier in ihrem Nest. - -Ebenso zierlich von Gestalt, aber schöner wie sie ist die ~Krickente~ -(_Anas crecca_), die ihr Brutgebiet weiter nördlich hat und auf dem -Durchzuge fast überall an der deutschen Küste erscheint. Sie ist wenig -scheu, fliegt schnell und geräuschlos und ist eine fertige Taucherin, -die eine weite Strecke unter dem Wasser zurücklegen kann. - -Ebenso mehr dem Norden eigentümlich ist die ~Pfeifente~ (_Anas -penelope_), so genannt, weil sie beim Fluge einen lauten, pfeifenden -Ton von sich gibt. Auch sie kommt auf dem Zuge regelmäßig an unsere -Küsten und wird dann erbeutet. Ebenso im Norden, besonders in Rußland -häufig ist die kleine ~Tafelente~ (_Fuligula ferina_), die mit einem -vernehmbaren Rauschen fliegt und sich mit einem kleinen Anlauf von der -Wasserfläche erhebt. Eigentliche Moore dagegen bevorzugt die verwandte -~Moorente~ (_Fuligula nyroca_). Sie gehört vorwiegend dem Osten von -Europa an und reicht bis Turkestan. - -Von den zahlreichen übrigen Enten ist besonders die ~Eiderente~ -(_Somateria mollissima_) für den Menschen von Bedeutung, weil sie -ihm die durch ihre Feinheit und Elastizität hochgeschätzten Dunen -liefert. Sie ist ein echter Meeresvogel, der sich auf dem Lande nur -schwerfällig fortbewegt und auch beim Fluge rasch ermüdet. Sie taucht -vortrefflich und bleibt dabei gewöhnlich zwei Minuten unter Wasser. -Sie taucht selbst in der stärksten Brandung unter und bringt von 20 -bis 24 _m_ tiefem Grunde ihre teils aus kleinen Tieren, besonders -Miesmuscheln, teils aus Tang bestehende Nahrung in ihrem Kropfe herauf. -Sie bewohnt den Norden der ganzen Erde und kommt in Europa von Jütland -bis Spitzbergen vor. Je weiter nach Norden, um so häufiger wird sie. -Schon in Mittelnorwegen lebt sie zu Tausenden, von den Küstenbewohnern -durch besondere, leider nicht überall geachtete Gesetze geschützt und -gehegt. Sie brütet mit Vorliebe auf kleinen Inseln, wohin der Eisfuchs, -ihr gefährlichster Feind, nicht hingelangen kann, erst im Juni und -Juli, und zwar nicht in einzelnen Paaren wie die echten Tauchenten, -sondern in großen Gesellschaften zusammen. Das aus allerlei Stoffen -der Umgebung, besonders Tang, höchst liederlich zusammengeschichtete -Nest wird innen mit den feinen Dunenfedern ausgepolstert, die sich -das Weibchen vom Bauche rupft. Diese sind bräunlichgrau und an der -Wurzel weiß gefleckt, haften zwar so fest aneinander, daß auch bei -starkem Wind nicht eine wegfliegt, trotzdem aber ballen sie sich nicht -zusammen. Da, wo sich der Mensch um deren Brutgeschäft kümmert, indem -er den Vögeln außer den Dunen auch die sehr wohlschmeckenden Eier -nimmt, legt er alte Kisten und mit Brettern und Reisig überdeckte -Steine zum Empfange der für ihn so überaus nützlichen Gäste bereit. So -scheu der Eidervogel früher war, so zutraulich zeigt er sich jetzt, da -er sich des Schutzes des Menschen sicher fühlt. Dreist kommen diese -Vögel bis unmittelbar an das Gehöft des einsamen Küstenbewohners -gewatschelt, ja begeben sich sogar in das Innere der Hütte, um sich -einen passenden Platz zum Nest auszusuchen. So geschieht es nicht -selten, daß manche Eidervögelweibchen in Kammern, Backöfen oder -Ställen brüten und dadurch der Hausfrau fast lästig werden. Anfänglich -begleitet das Männchen sein Weibchen regelmäßig bei allen diesen -Fußwanderungen; wenn aber das Gelege vollständig geworden ist, verläßt -es Nest und Weibchen und fliegt aufs Meer hinaus, wo es sich mit andern -Männchen vereinigt und jenem das Brutgeschäft überläßt. - -In bewohnten Gegenden kommt nun das Eiderentenweibchen nur selten dazu, -seine erste Brut aufzuziehen, da die Nester regelmäßig der wertvollen -Dunen und Eier beraubt werden. Einsichtige Eigentümer der Brutplätze -von Eiderenten begnügen sich damit und lassen die Vögel dann gewähren; -habsüchtige und unverständige Leute aber rauben ihnen nicht bloß die -erste Brut von 4-6 Eiern, sondern auch die zweite, die aus 3, oder -gar die dritte, die nur aus 2 Eiern, manchmal nur aus einem einzigen -besteht und gleich der zweiten oft merklich kleinere Eier aufweist. Für -das Wegnehmen der dritten Brut werden aber die Leute gewöhnlich durch -den dauernden Abzug der Vögel bestraft. Da das Eiderentenweibchen, das -sich, wenn ihm die Dunen wiederholt weggenommen wurden, trotzdem es -sich den Bauch beinahe kahl rupft, für die späteren Gelege nicht mehr -genug Dunen hat, so muß dann das Männchen herhalten, das sich auch vom -Weibchen geduldig ausrupfen läßt, um es dann allerdings zu verlassen. -Das Weibchen besorgt das Brüten und Aufziehen der Jungen allein. Die -Norweger tragen die eben ausgeschlüpften Jungen gern in einem Korbe zum -Meere, um sie dort auszuschütten. Ihnen folgen die besorgten Mütter, um -wieder zu ihren Jungen zu gelangen, die sie dann an sich locken, um sie -zum Leben im Wasser zu erziehen. - -Für die armen Bewohner der Küsten des hohen Nordens ist der Handel -mit Eiderdunen sehr wichtig; deshalb suchen sie die Eiderenten in -die Nähe ihrer Wohnungen zum Brüten anzusiedeln, wo sie dann ganz -zahm werden. Am wertvollsten sind die Dunen dann, wenn sie vor dem -Brüten aus dem Nest genommen werden, da sie nachher meist verunreinigt -sind. Ein Kilogramm gut gereinigter Dunen, zu dessen Gewinnung 10-15 -Nester geplündert werden müssen, wird mit 30 Mark und darüber bezahlt. -Zur Füllung eines Bettes sind etwa 2,5 _kg_ Dunen nötig, die sich, -auf einen kleinen Raum zusammengedrückt, bei nachlassendem Druck -so schnell wieder ausdehnen, daß ein mit ihnen gefülltes Bett an -Weichheit und Warmhalten seinesgleichen sucht. Die Eier werden wie die -Hühnereier verwendet. Auch das Fleisch der Eiderente wird gegessen und -ihr abgezogener Balg zur Anfertigung warmer Unterkleider verwendet. -Geschossen wird die Eiderente auch auf dem hohen Meere selten. Der dort -sehr scheue Vogel verlangt seines dichten Pelzes wegen einen tüchtigen -Schuß mit grobem Schrot und ist so ungemein zählebig, daß er sich, -wenn ihn der Schuß nicht augenblicklich tötet, durch Tauchen zu retten -sucht, wobei er sich an Pflanzen auf dem Meeresgrund festbeißt, dort -verendet und deshalb für den Schützen meist verloren geht. - -Von den zahlreichen nordischen Vögeln dienen noch manche andere dem -Menschen regelmäßig als Speise, so außer verschiedenen nordischen Enten -und Gänsen auch die im hohen Norden brütenden ~Schwäne~ (Höcker-, -Sing- und Zwergschwan), deren Fleisch, wenn die Tiere noch jung sind, -äußerst zart und wohlschmeckend ist. Deren mit den Federn gargemachten -Häute liefern ein kostbares Pelzwerk und die Dunen einen bedeutenden -Handelsartikel. Auch ~Möven~, ~Segeltaucher~ und ~Pelikane~ liefern -gutes Fleisch, geschätzte Eier und ein zu Muffen und Verbrämungen -beliebtes Pelzwerk. Noch wichtiger als sie sind für den Menschen die -~Gänse~, von denen einzig die ~Graugans~ (_Anser cinereus_), die -Stammutter unserer Hausgans, in Mitteleuropa brütet, während die -übrigen Gänsearten mehr nördlich brüten und nur bei ihrem Durchzuge -nach dem Süden bei uns geschossen werden. Nach der Überwinterung in -Afrika erscheint dieses Tier bei uns in großen Gesellschaften mit viel -Lärm, um in wasserreichen Einöden zu brüten. Hier kämpfen die jüngeren -Männchen ums Weibchen, während die älteren schon gepaart sind. Das -Weibchen legt, wenn es jung ist, 5, wenn es älter wird bis 10 trüb -gelblichweiße Eier, die es mit von Brust und Bauch abgerupften Dunen -umgibt. Es bebrütet sie mit der infolgedessen fast bloßgewordenen -Haut und bedeckt sie beim jedesmaligen Verlassen des Nestes sorgsam -mit Dunen, damit sie nicht etwa erkalten. Die den Eiern nach einer -vierwöchentlichen Brutzeit entschlüpfenden Jungen werden von der Mutter -noch einen Tag lang erwärmt, dann zum Aufsuchen zarter Pflanzennahrung -aufs Wasser und später wieder aufs Land geführt, während der Vater -ängstlich auf die Sicherheit der Seinen bedacht ist und sie beim -geringsten Anzeichen von Gefahr warnt. Als junges Tier zu Ausgang der -Ernte geschossen, liefert die Graugans einen vorzüglichen Braten, ist -aber als scheuer, vorsichtiger Vogel schwer zu beschleichen. Sie wird -meist morgens und abends auf dem Anstand erlegt. Meist verläßt sie uns -im August, um nach Süden zu ziehen, wobei die flugfähigen Jungen schon -im Juli den Eltern vorausgezogen sind. Die Graugans ist zierlicher und -schlanker als die Hausgans, von der sie sich sonst nur durch ihr stets -bräunlichgraues Gefieder unterscheidet. - -Im September und Oktober trifft bei uns die den hohen Norden Asiens -bewohnende ~Saatgans~ (_Anser segetum_) auf ihrem Zuge nach Süden ein, -um entweder bei uns oder in südlicheren Gegenden zu überwintern und im -April wieder auf ihre Brutplätze zurückzukehren. Etwas später als sie -trifft die etwas kleinere, ebenfalls hochnordische ~Ackergans~ (_Anser -arvensis_) teils als Durchzugsvogel, teils als Wintergast bei uns ein, -während die dieselben Breiten bewohnende ~kurzschnäbelige Gans~ (_Anser -brachyrhynchus_) mehr Westeuropa streift. Dagegen trifft man nicht -selten bei uns im Winter die Nordasien bewohnende ~Bläßgans~ (_Anser -albifrons_). Alle sind sehr vorsichtige, scheue Tiere, die sehr wohl -den gefährlichen Jäger vom harmlosen Bauern zu unterscheiden vermögen. -In China, wo sie in großer Zahl überwintern und gesetzlich geschützt -sind, erweisen sie sich infolge des Schutzes, den sie genießen, viel -zutraulicher gegen den Menschen als bei uns. Besonders zahlreich sind -auch dort die Saatgänse, die sich sogar im Innern von Peking in Scharen -niederlassen, während sie bei uns überall geschossen werden, wo sie -sich zeigen. - -In Waldrevieren gewinnt gelegentlich die Jagd auf ~Drosseln~ -Wichtigkeit, da sie mitunter mehr abwirft als diejenige des übrigen -Federwildes. Diese geschieht fast nur mit Dohnen in Form von an -die unteren Baumäste aufgehängten Bügeln, die Vogelbeeren oder -Holundertrauben als Lockspeise erhalten, bei deren Verzehrenwollen sich -die armen Tiere an den heimtückischerweise angebrachten Schleifen aus -Pferdehaar fangen und dabei erwürgt werden. Für solche Drosselarten, -die, wie die Wacholder- und Ringdrossel, sich mehr an der Erde -aufhalten, werden zwischen den von ihnen mit Vorliebe besuchten -Wacholderbüschen Pferdehaarschleifen als sogenannte Laufdohnen am Boden -befestigt. - -Auch der ~Krammetsvogel~, so genannt, weil er auf seinem Durchzuge -im Herbst gern Krammets- oder Wacholderbeeren nascht, oder die -~Wacholderdrossel~ (_Turdus pilaris_) ist ein vorzugsweise im Norden -brütender Vogel, dessen Heimat fast die Grenze des Baumwuchses -erreicht. Hier nistet er als ein echter Waldvogel in großen Kolonien -gesellig in den lichten, niederen Wäldern des Nordens, um im November -zu uns zu kommen, in gelinden Wintern auch wohl ganz bei uns zu -bleiben, meistens aber nach Südeuropa und selbst Nordafrika zu -ziehen. Er wird wegen seines Fleisches geschätzt; doch kommen als -Krammetsvögel auch seine Verwandten auf den Markt, vor allem auch die -ebenfalls hochnordische ~Weindrossel~ (_Turdus iliacus_) und die außer -im Norden auch auf den Alpen und anderen südlichen Gebirgen lebende -~Ringdrossel~ (_Turdus torquatus_). Schon von Mitte September an -führt der Herbstzug diese Drosseln in beerenreiche Wälder Südeuropas, -Kleinasiens, Persiens und Nordafrikas, von wo sie Ende März oder im -April in ihre kalten Brutgebiete zurückkehren. Mit ihnen wird dann -auch die am liebsten in hohen Wäldern lebende, Nadelholz dem Laubholz -vorziehende ~Misteldrossel~ (_Turdus viscivorus_) erbeutet, die ein -nicht minder wohlschmeckendes Fleisch besitzt. Sie bewohnt Nord- und -Mitteleuropa und Nordasien bis zum Himalaja hinauf. Im Norden ist sie -Zug-, weiter südlich dagegen Strich- und Standvogel, der im Vorfrühling -und Spätherbst familienweise umherstreicht, um Futter zu suchen und -sich dabei vielfach in den schnöden Dohnen fängt. - -Wie heute noch in den romanischen Ländern Südeuropas, vor allem in -Italien, so wurde früher auch bei uns Jagd auf die Gesamtheit der -kleinen Vögel gemacht, die auf ihrem Durchzuge, besonders im Herbst, -gut gemästet nach Süden ziehen. Man benutzte und benutzt heute noch -dazu den Vogelherd, den schon der Sachsenherzog Heinrich der Sage nach -bestellt haben soll, als er im Jahre 919 von den Franken und Sachsen -in Fritzlar zum deutschen Könige gewählt wurde. Davon erhielt dieser -eigentliche Gründer des Deutschen Reiches, der die Einheit des von ihm -innerlich gefestigten Reiches herstellte, seinen Beinamen der „Finkler“ -oder der „Vogelsteller“. Zur Anlage eines solchen Vogelherdes wählt der -Vogelsteller zur Zugzeit im Herbst eine hochgelegene, von den Zugvögeln -regelmäßig besuchte Stelle, etwa einen bebuschten Hügel auf der -Zugstraße. Hier stellt er ein großes Schlagnetz auf, stellt im Bereiche -desselben Futter zum Speisen der hungrigen und Wasser zum Tränken -der durstigen Wanderer auf und ladet diese durch besondere Lockvögel -ein, bei ihrem Durchzuge sich hier niederzulassen und zu stärken. Dazu -tut auch der in einer Rasen- oder Laubhütte versteckte Papageno mit -der Lockpfeife sein Möglichstes, bis die armen Wichte, wenn sie sich -müde und hungrig oder durstig niederlassen, durch Niederfallen des -Netzes infolge eines Ruckes an der Schnur, gefangen werden, wonach -ihnen meuchlings der Hals umgedreht wird. Heute schämen wir feinfühlig -gewordenen Kulturmenschen uns solcher Roheit und lassen die durch -Insektenvertilgung äußerst nützlichen und durch ihren ansprechenden -Gesang uns lieben Vögel, die doch keinen nennenswerten Nährwert haben, -lieber am Leben und an ihrer nützlichen Arbeit in Wald und Feld. Anders -die gefühlsrohen, noch von der römischen Kaiserzeit an Blutvergießen -und Tierquälerei nicht nur keinen Anstoß nehmenden, sondern sich -vielmehr noch daran erfreuenden Romanen, die diese kleinen Leichname -gerupft, an dünnen Weidenruten aufgezogen, auf den Markt bringen und -ihren Volksgenossen gegen geringes Entgelt zum Braten und Verspeisen -mit einer Reis- oder Maisspeise verkaufen. Wie in den Städten Italiens -kann man auch in Marseille solche Vögel für billiges Geld kaufen. Es -ist eigentlich eine Schande, daß solche Leckerei in einem sonst so -hochstehenden Kulturstaate heute noch geduldet wird. - -Unter allen diesen Vögeln sind besonders die Lerchen von den -Feinschmeckern geschätzt. Unter ihnen versteht man in erster Linie -unsere mitteleuropäische ~Feldlerche~ (_Alauda arvensis_), die auf -allen Ebenen mit Getreidebau, auf öden Heiden und auf feuchten -Marschländern, nicht aber im Wald, auf kahlen Bergrücken und in -Ortschaften angetroffen wird. Auf einem ihm zusagenden Gebiet wählt -sich jedes Pärchen einen kleinen Bezirk aus, worin es keinen Nachbarn -duldet. In jubilierenden Trillern läßt das Männchen, während das -Weibchen brütet, immer höher gen Himmel steigend, seinen Balzgesang -erschallen, um sein Brutrevier gegen allfällige Eindringlinge zu -behaupten. 2-3mal im Jahre brüten sie und von Ende September an ziehen -sie in großen Gesellschaften in die Winterherberge nach Süden, um schon -Ende Februar scharenweise in ihre Heimat zurückzukehren. In gelinden -Wintern können manche auch in unseren Gegenden zurückbleiben. Doch -sind es nicht sie, sondern Haubenlerchen, welche wir dann auf unseren -Straßen, selbst in Städten, nach Futter suchend, umhertrippeln sehen. -Die ~Haubenlerche~ (_Galerita cristata_) ist ein Gattungsgenosse der -Heidelerche, deren flötender, abwechselungsreicher Gesang dem der -Feldlerche wenig nachsteht. Sie ist ein echter Steppenbewohner, der in -den Ebenen Mittelasiens von China und der Mongolei an bis Südrußland -Standvogel ist und erst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts sich -bei uns in Mitteleuropa einbürgerte. Bei ihrem Vordringen nach Westen -folgte sie hauptsächlich den großen Heerstraßen, auf denen sie ihre -Nahrung sucht, besonders auch, indem sie den unverdauten Haferkörnern -im Roßmist nachgeht, und in deren Nähe sie auch gern brütet. Man sollte -meinen, jeder feinfühlige Mensch ziehe die so nützliche lebende Lerche -mit ihrem unsere Ackerfluren belebenden und die Laut gewordene Poesie -des Feldes darstellenden herrlichen Gesang der gebratenen vor. Dies -ist aber leider durchaus nicht der Fall. Sie wird heute auch bei uns -in Menge gegessen, wenn auch ihr Konsum seit 1850 auf etwa den vierten -Teil zurückging. Immerhin verbraucht Berlin deren noch 30000, Wien -36000 und Paris gar 1500000 jährlich. In Frankreich kamen um 1750 -zuerst in Pithiviers, dem Safranzentrum, die Lerchenpasteten auf, denen -sich in unserer Zeit die „Lerchen in Aspik“ als eine Glanznummer des -Frühstücksprogramms der Schlemmer neben der Gänseleber mit Trüffeln -hinzugesellten. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. ist ein besonderer -Verehrer dieser feinen Bissen und die dazu nötigen Lerchen fangen und -liefern ihm als besonderes Privileg die Halloren in die kaiserliche -Küche. Wenn solches noch bei uns an tonangebender Stelle geschieht, so -haben wir keine Ursache, den Romanen ihre Grausamkeit und Herzlosigkeit -vorzuwerfen, daß sie solch edle Sänger einem so schändlichen Lose -opfern! Auch die Tatsache, daß die Lerchen gut schmecken, entschuldigt -nicht die Brutalität, die in ihrem Verspeisen liegt. Wir können nur -die rohe Gesinnung des Schriftstellers Rosner bedauern, der 1894 -schrieb: „Eine ausgebeinte, feiste schmucke Lerche ist allerdings nur -ein Bissen, aber ein Bissen von wunderbarer Saftfülle und geradezu -köstlichem Wohlgeschmack, der den ganzen Schmeckapparat bis in die -feinsten Fibern hinein in namenloses Entzücken versetzt.“ - -Von den Feinschmeckern Chinas werden gleicherweise die ~eßbaren -Vogelnester~ als eine der feinsten Delikatessen geschätzt und in großen -Mengen nach China eingeführt, wo sie als die Geschlechtstätigkeit -anregendes Mittel gelten und schon aus diesem Grunde sehr gesucht sind. -Deren Erzeuger sind eine Art Segler Südasiens und Indonesiens, die -~Salanganen~ (_Collocalia nidifica_), die unsere Uferschwalbe etwas -an Größe übertreffen und an den Wänden dunkler Höhlen aus dem zähen -Schleim ihrer Speicheldrüsen ihre sehr bald erhärtenden, getrocknetem -arabischen Gummi gleichenden zierlichen Nester erbauen. Die Höhlen, -in denen sie auf Java und sonst nisten, sind Eigentum bestimmter -Personen, die sie besonders zur Nistzeit streng bewachen lassen, damit -kein Unberufener sich unerlaubterweise solche Nester aneigne. Dreimal -im Jahre brüten diese Tiere, wobei sich Männchen und Weibchen alle 6 -Stunden ablösen sollen. Dabei wird von ihnen niemals von einem Neste -zweimal Gebrauch gemacht, sondern sie bauen für jede Brut ein neues -Nest, an dem sie etwa einen Monat lang zu arbeiten haben, während -das alte Nest mit der Zeit stinkend wird und abfällt. Der Zahl der -Bruten entsprechend wird dreimal im Jahre geerntet, sobald die Jungen -halbwegs flügge geworden sind. Dabei geht gleichwohl etwa die Hälfte -der Jungen zugrunde. Doch vermindert sich die Zahl der Salanganen -nicht wesentlich, da man an den Orten, wo man an die Zukunft dieser -Vögel denkt, jährlich wenigstens eine Brut ganz ausfliegen läßt. Eine -einzige, vom Meer ausgewaschene große Höhle an der Südküste von Java -liefert 500000 Nester; verteilt man nun diese auf drei Ernten, so -ergibt es sich, daß über 33000 Salanganen darin ihrem Brutgeschäfte -obliegen. Alljährlich werden etwas über 5 Millionen Salanganennester -nach China ausgeführt, die einen Gesamtwert von 6 Millionen Mark -repräsentieren. Man benützt sie hauptsächlich zu Suppen; sie quellen -im heißen Wasser auf und schmecken an sich fade, sollen aber in der -sorgfältigen Zubereitung, die ihnen die Chinesen angedeihen lassen, -köstlich zu essen sein, wie mir solche berichteten, die mehrfach -Gelegenheit fanden, sie bei vornehmen Chinesen zu essen. - -Wie einst bei unseren Vorfahren, so steht heute noch bei den -Hirtenvölkern der asiatischen Steppen, den Kirgisen, Baschkiren und -wie sie sonst heißen mögen, die Jagd mit Falken und Adlern hoch -in Ehren. Man beizt mit ihnen Antilopen und Hasen, wie auch Wölfe -und Füchse; dabei erscheinen die Jäger noch in Prunkaufzügen auf -prächtigen Pferden, die ganz an die Jagdaufzüge der Deutschen im -Mittelalter erinnern. Die Abrichtung der Jagdfalken und übrigen zur -Jagd gebrauchten Raubvögel war ein eigener Zweig der Jägerei in Europa. -Im Abschnitte über die Geschichte der Jagd wurde Näheres darüber -berichtet. Von Europäern, die sich noch heute diesem Sport widmen, sind -außer Russen und dem Herzog von Bedford in England nur die englischen -Offiziere in Indien zu nennen. Diese reiten gern mit einem Jagdfalken -auf der mit starkem Lederhandschuh bekleideten Rechten auf die -Antilopenjagd. - -Am großartigsten wurde von jeher die Falkenjagd in Mittelasien -betrieben. So schreibt der weitgereiste Venezianer Marco Polo von -seinem vieljährigen Aufenthalt in Zentralasien vom Tatarenchan Kublai -ums Jahr 1290: „Im März pflegt Kublai Chan Kambalu zu verlassen; er -nimmt dann etwa 10000 Falkner und Vogelsteller mit sich. Diese werden -in Abteilungen von 200-300 Mann im Lande verteilt, und was von ihnen -erlegt wird, muß dem Chan abgeliefert werden.“ Der Franzose Tavernier, -der sich viele Jahre in Persien aufhielt, erzählt im Jahre 1681: „Der -König von Persien hält sich über 800 Falken, wovon die einen auf wilde -Schweine, wilde Esel, Antilopen und Füchse, die andern auf Kraniche, -Reiher, Gänse und Feldhühner abgerichtet -- der fachmännische Ausdruck -heißt abgetragen -- sind.“ 1827 schreibt der Engländer John Malcolm -über die Falkenjagd in Persien: „Man jagt zu Pferde, mit Falken und -Windhunden. Ist eine Antilope aufgetrieben, so flieht sie mit der -Schnelligkeit des Windes. Alsbald läßt man Hunde und Falken auf sie -los; die letzteren fliegen nahe am Boden hin, erreichen das Wild bald, -stoßen gegen dessen Augen und halten es auf; inzwischen kommen die -Hunde heran und packen es.“ - -[Illustration: Bild 61. Der Angelnherzog Harald und seine Mannen reiten -auf die Jagd. - -Anfang des 1066 gestickten 70 _m_ langen, 0,2 _m_ breiten Teppichs von -Bayeux.] - -Bei den Kirgisen und Baschkiren ist die Falknerei noch ein -hochgeschätzter Betrieb, in welchem man Adler für großes und Falken, -Habichte und Sperber für kleines Wild verwendet. Bei ihnen wird ein -bewährter Jagdfalke so hoch bewertet, daß der glückliche Besitzer sich -eher entschließen würde, sein Weib als seinen Vogel zu verkaufen. Die -geschätztesten Jagdgehilfen des Menschen sind die ~Edelfalken~, unter -denen, wie wir bereits besprachen, der den hohen Norden bewohnende, -fast rein weiße ~Jagdfalke~ (_Falco candicans_) im Mittelalter der -geschätzteste war. Man bezog ihn damals vorzugsweise aus Island, wo -er auch noch brütet. Sonst begnügte man sich meist mit dem über ganz -Europa verbreiteten, alle Erdteile vom hohen Norden bis in die heiße -Zone bewohnenden ~Wanderfalken~ (_Falco peregrinus_). Während er im -Norden auch häufig auf der flachen Tundra vorkommt, wählt er in den -heißeren Ländern die kühleren Gebirgszüge zu seinem Aufenthalt. Dort -baut er sein Nest auf dem nackten Boden, hier wählt er zur Errichtung -seines Horstes am liebsten Höhlungen in unzugänglichen, nackten -Felswänden oder nistet, wo er solches nicht haben kann, auf hohen -Waldbäumen. Dabei wählt er gern, um sich Mühe zu ersparen, das Nest -eines andern Raubvogels, eines Reihers oder Raben. Ist ein solches, -das ihm passen würde, besetzt, so vertreibt er den betreffenden -Eigentümer mit Gewalt. Er ist ein äußerst mutiger Vogel, der mit -raschen Flügelschlägen meist niedrig über die Erde dahinfliegt. Auf -einen aufgescheuchten Vogel, den er rasch überstiegen hat, stößt er mit -reißender Schnelligkeit schief von oben herab. Er vermag nur fliegende -Vögel zu erbeuten, da er mit so großer Heftigkeit auf sie stößt, daß -er sich beim Stoßen auf den Boden verletzen würde. Seine Beute bilden -Vögel von der Größe einer Lerche bis zu der einer Ente, ja einer -Wildgans. Im Walde sind es Ur-, Birk- und Haselhühner, auf dem Felde -vorzugsweise Rebhühner, die er wegfängt, um sie stets auf freiem Felde -zu verzehren, niemals aber im Gebüsch, weshalb Bussarde und Milane oft -über ihn herfallen, um ihm seine Beute abzujagen. Indessen vertreibt -ihn nur die freche Schmarotzermöve aus seinem Gebiet. In Deutschland -ist jetzt der Wanderfalke als Brutvogel selten. Als solcher zieht -er im Herbste nach Süden, um indessen durch Besucher aus dem Norden -ersetzt zu werden. Oft schlägt der Wanderfalke sein Winterquartier auf -Türmen in belebten Städten auf, von wo aus er den Tauben nachstellt. -So nistete im Jahre 1880 sogar ein Paar auf dem Turm der Petrikirche -mitten in Berlin. Als großer Schädling kann er nicht geduldet werden -und wird deshalb von Jägern und Taubenzüchtern aufs eifrigste verfolgt. -Gefangen hält er sich bei sorgsamer Pflege jahrelang im Käfig und -nimmt hier mit allerlei Fleisch vorlieb, verlangt aber viel Nahrung. -Er ist der gewöhnliche Jagdfalke der Vergangenheit und Gegenwart, -der auch dem Dorf Falkenwerd bei Herzogenbusch in Flandern den Namen -gab. Dort bestand Jahrhunderte hindurch die beste und zuletzt einzige -Falknerschule Europas. Da früher die an Ort und Stelle gefangenen Vögel -für den großen Bedarf nicht hinreichten, reisten die Angestellten der -Falkner oder diese selbst weit herum, selbst nach Norwegen und Island, -um solche zu fangen. Dies geschah vorzugsweise im Herbst. Man behielt -in der Regel nur die Weibchen, und zwar am liebsten die von demselben -Jahre, weil diese sich zur Dressur am besten eignen. Die zweijährigen -galten auch noch als brauchbar, ältere dagegen ließ man wieder fliegen. -Der Fang geschieht in folgender Weise: Der Falkner sitzt gut verborgen -auf freiem Felde und hält eine auf dem Boden sitzende Taube an einer -etwa 100 _m_ langen Schnur fest. 40 _m_ vom Falkner entfernt geht -diese Schnur durch einen Ring, neben welchem ein Schlagnetz liegt, -von dem eine Schnur ebenfalls zum Falkner verläuft. Ist ein Falke im -Anzug, was durch einen unweit der Taube gefesselten, äußerst eifrigen -und scharfsichtigen Wächter, nämlich einen Würger, schon zu einer -Zeit angezeigt wird, da das menschliche Auge durchaus noch nichts zu -erkennen vermag, so wird der Taube mit der Schnur ein Ruck gegeben, -wodurch sie emporflattert, den Falken anlockt und von ihm in der Luft -ergriffen wird. Sobald dies geschehen ist, zieht der Falkner die Taube -und mit ihr den sie krampfhaft festhaltenden Falken allmählich bis zum -Ringe, wo plötzlich das Schlagnetz beide zudeckt. Der frisch gefangene -Falke muß zunächst drei Tage hungern und wird dann in der früher -angegebenen Weise abgerichtet. Ein gut abgerichteter Vogel wird nicht -selten mit 800 holländischen Gulden (= 856 Mark) bezahlt. - -Jedenfalls ist die Kunst, Falken zur Jagd abzurichten, eine uralte, -schon von den asiatischen Kulturvölkern des hohen Altertums geübte. -Der Grieche Ktesias aus Knidos, der von 416-399 v. Chr. als Arzt am -persischen Hofe in Susa lebte und eine wertvolle persische Geschichte -schrieb, die uns leider nur in Auszügen und Bruchstücken erhalten -blieb, berichtet von den Indern, daß sie gern mit dem abgerichteten -Falken jagen. Ums Jahr 75 hören wir von der Falkenjagd bei den -Thrakern. Damals war sie auch schon bei den germanischen Stämmen -eingeführt, doch haben weder die Griechen, noch die Römer sie ausgeübt. -Erst ums Jahr 480 n. Chr. hören wir vom römischen Geschichtschreiber -Sidonius Apollinaris, daß des römischen Kaisers Avitus’ Sohn, -Hecdicius, der erste war, der in seiner Gegend die von den Deutschen -Falkenbeize genannte und jedenfalls auch ihnen entlehnte Jagd mit dem -abgerichteten Falken einführte. Dieser Sport fand bei den Vornehmen -alsbald großen Beifall und selbst die Geistlichen taten mit, so daß man -schon im Jahre 506 auf einer Kirchenversammlung zu Agda das Führen -von Jagdfalken und Jagdhunden verbot. Wie die deutschen Stämme die -auf die Jagd abgerichteten verschiedenen Raubvögel seit dem frühen -Mittelalter überaus hochschätzten, haben wir bereits gesehen. Auch -ihre Fürsten jagten mit Vorliebe hoch zu Pferd hinter dem Jagdfalken -her. So wird von Friedrich I. Barbarossa, dem zweiten Kaiser aus dem -Haus der Hohenstaufen (1123-1190), berichtet, daß er selbst Falken, -Pferde und Hunde zur Jagd abrichtete. Sein Sohn, der mit der Erbin -von Sizilien, Konstantia, vermählte und in Messina verstorbene Kaiser -Heinrich IV. (1165-1197) war gleicherweise ein großer Liebhaber der -Falknerkunst. Und dessen Sohn, Friedrich II., der sich ganz als -Sizilianer fühlte (1194-1250), war ein leidenschaftlicher Falkner, -der sogar ein namhaftes Buch über die Kunst, mit Raubvögeln zu jagen, -schrieb. Noch der prachtliebende, aber ausschweifende König Franz -I. von Frankreich (1494-1547) hatte einen Oberfalkenmeister, unter -welchem 15 Edelleute und 50 Falkner standen. Die Zahl seiner Jagdfalken -betrug 300. Sein Rivale, Kaiser Karl V., belehnte die Johanniter, den -ältesten der drei geistlichen Ritterorden, im Jahre 1530 mit den Inseln -Malta, Gozzo, Comino und dem Lande Tripolis unter der Bedingung, daß -sie ihm jährlich einen nordischen weißen Jagdfalken liefern sollten. -Selbst die geistlichen Herrn schwärmten für Jagdfalken und nahmen -sie selbst in die Kirche mit, bis sie die ihnen lästige Formalität -des täglichen Messelesens gedankenlos genug absolviert hatten. Als -ihnen solches von ihrem Oberhaupte verboten wurde, blieben doch -die Barone, über die jener keine Macht hatte, auf ihrem Recht, die -Jagdfalken während des Gottesdienstes auf den Altar setzen zu dürfen. -Die ganze mittelalterliche Poesie strahlt die Freude aus an diesem -ritterlichen Sport und spricht an unzähligen Stellen vom Falken als dem -Lieblingsgenossen des höfischen Menschen jener Zeit. - -Außer dem nordischen weißen Jagd- und dem stattlichen Wanderfalken -wurde aber auch das verkleinerte Abbild des letzteren, der ~Baumfalke~ -(_Falco subbuteo_), gelegentlich zur Jagd abgerichtet. Als der -schnellste unter allen europäischen Raubvögeln fliegt er leicht und -pfeilgeschwind und überholt alle andern Vögel, selbst Schwalben und -Mauersegler. Mit bewundernswürdiger Gewandtheit verbindet er große -Kühnheit und Entschlossenheit; auch er fängt niemals sitzende, sondern -nur fliegende Vögel, auf die er schief von oben herab so reißend -schnell stößt, daß man seine Gestalt nicht zu erkennen vermag. -Allerhand kleine Vögel, vor allem Lerchen und Schwalben, bilden -außer fliegenden größeren Insekten, wie Heuschrecken und Käfer, die -Nahrung des niemals Aas berührenden Vogels. Die Lerchen fürchten ihn -so sehr, daß sie entsetzt zur Erde stürzen und sich mit den Händen -greifen lassen, wenn er plötzlich erscheint. Erblicken sie ihn aber -rechtzeitig, so retten sie sich in die Höhe, in die er ihnen nicht -folgt. Ist das Getreide hoch genug, so daß sich die Lerchen darin vor -dem Baumfalken verbergen können, beginnt er, sich mehr den Schwalben -zuzuwenden, die die meisten anderen Raubvögel necken und verfolgen, -vor ihm jedoch, gewöhnlich in einem lärmenden Schwarm, eiligst in die -Luft, ins Röhricht oder in ein anderes Versteck fliehen. Wo er sich -auch zeigt, ist die ganze Gegend in einem Augenblick schwalbenleer. -Sieht der Baumfalke eine vom Haupttrupp abgelöste Schwalbe, so verfolgt -er sie sogleich. Falls sie noch jung und weniger gewandt als eine -Alte ist, ist sie schon nach wenigen Stößen verloren. Alte Schwalben -entwischen einem noch ungeübten jungen Baumfalken leichter, und auch -alte Baumfalken ziehen mißmutig ab, wenn sie 4-10 Fehlstöße getan -haben. Zuweilen leitet der Baumfalke, als ob er die Vögel verwirren -wolle, seine Jagd mit eigentümlichen Schwenkungen ein, und manchmal -jagen Männchen und Weibchen gemeinsam, ohne sich indessen beim -Verzehren der Beute vertragen zu können. Mit seiner Beute kehrt der -Falke nach seinem vorher innegehabten Standorte auf einem hohen Baume -zurück, um sie dort gemütlich zu verzehren. Diesen Standort verläßt -der kleine Räuber erst ziemlich spät am Morgen, überkreist dann -seinen liebsten Aufenthaltsort, den Wald, und begibt sich erst nach -Sonnenaufgang auf die Feldjagd, bei der er nicht selten dem Hunde eines -Jägers folgt, um die von ihm aufgescheuchten Lerchen und andere kleine -Vögel dicht vor dem Jäger wegzufangen. Zum Nestbau hat er ebensowenig -Lust als seine Verwandten und die meisten anderen Raubvögel. Zum Nisten -benutzt er am liebsten ein fremdes, besonders ein Krähennest, das -meistens erst im Juni 3-4 Junge, wie beim Wanderfalken, enthält. Sobald -sie flugfähig sind, werden sie von den Eltern im Fluge gefüttert. Im -September und Oktober verläßt uns der Baumfalk, um im April wieder -zu erscheinen. Er bewohnt sonst die gemäßigten Länder Europas von -Schweden bis zum Mittelmeer und die entsprechenden Breiten Asiens und -überwintert im Süden. - -Sehr häufig wurde auch der bedeutend größere, statt 30 wie jener 50 -_cm_ wie der Wanderfalk langwerdende ~Habicht~ (_Astur palumbarius_) -besonders von den alten Deutschen zur Jagd abgerichtet. Sein -liebster Aufenthalt sind mit Feldern und obstbaumbepflanzten Wiesen -abwechselnde Wälder in der Nähe von Dörfern. Dort baut er sich auf -einem hohen Baum, sei es Laub- oder Nadelholz, sein Horst, in welchem -man in der zweiten Hälfte des April 2-4 Eier findet. Die oben mit -grau-, unten mit reinweißen Dunen bekleideten Jungen sitzen zuerst mit -geschlossenen Zehen auf den Fersen, lernen erst nach Wochen stehen -und sind erst nach zwei Monaten befiedert genug, um auszufliegen. Die -Mutter ist so überaus anhänglich an ihre Jungen, daß sie ihretwegen -alle Vorsicht außer acht läßt und nicht nur auf Kinder, sondern auch -erwachsene Menschen, die die Jungen bedrohen, mit Wut stößt. Allerlei -Vögel und kleine Wirbeltiere, selbst Hasen, bilden die Nahrung des -Habichts. Ein lähmender Schrecken ergreift alle kleineren Vögel bei -seinem Erscheinen, so daß sie oft starr sitzen bleiben und sich vom -Räuber greifen lassen. Flüchtende Vögel sind nicht einmal im Gebüsch -vor ihm sicher; er springt ihnen zu Fuß nach und zerrt sie aus den -dichtesten Dornen hervor. Gleich dem ihm an Gewandtheit ebenbürtigen -Sperber stürmt er Waldrändern oder Zäunen entlang, auch wohl über -ein niedriges Dach hinweg oder zwischen zwei Gebäuden hindurch und -ergreift seine Beute so schnell, daß der erschrockene Vogel erst zu -lärmen beginnt, wenn der Habicht schon mit ihm davonfliegt. Von allen -Seiten, selbst von unten her ergreift er fliehende Vögel und versteht -es auch, im Gegensatz zu den Edelfalken, auf sitzende zu stoßen. Mit -seinen scharfen Krallen tötet er sehr rasch die meisten Tiere, selbst -Raben; mit den Fängen und nie im Schnabel trägt er seine Beute davon. -Am besten kann man sich an ihn schleichen, wenn er vollgefressen auf -einem Aste ruht. Dagegen ist er wegen seiner Raubgier in Fallen und auf -Vogelherden leicht zu fangen. Den Verlust der Freiheit ertragen alte -Vögel nicht leicht; selbst mit Hilfe ihrer geraubten Jungen gefangene -und mit ihnen zusammengesperrte Habichte gebärden sich so wütend, daß -sie zuerst die Jungen auffressen und sich dann gegenseitig überfallen, -wobei meistens das größere und stärkere Weibchen übrig bleibt. Junge -Habichte indessen werden leicht zahm. Aber auch Wildfänge verstand man -früher durch ein drei Tage und drei Nächte andauerndes, den Schlaf -verunmöglichendes Wiegen zu zähmen, um sie für die Jagd abzurichten. -Denn wie heute noch in der Tartarei und in Indien, war er früher bei -uns als Jagdgenosse des Menschen teilweise noch höher geschätzt als -die Edelfalken, zu denen er übrigens damals gerechnet wurde. In der -Jagdkunst übertrifft tatsächlich der Habicht mit dem ebenso gewandten -und mutigen Sperber, der gleich jenem sowohl auf schnellfliegende als -auch auf sitzende Vögel stößt, selbst die Edelfalken. Das Ausnehmen -eines Habichtnestes im Bannwalde wurde schon bei den alten Deutschen -streng bestraft, ebenso, wie wir sahen, der Diebstahl eines für die -Jagd dressierten Habichts. König Eduard III. von England (1312-1377), -der grimmige Gegner Frankreichs, dem er einen Teil seiner westlichen -Besitzungen entriß, der Stifter des berühmten Hosenbandordens, setzte -sogar den Tod auf den Diebstahl eines Habichts, und ließ jeden, der -ein Habichtnest ausnahm, auf ein Jahr und einen Tag ins Gefängnis -setzen. Der Habicht bewohnt als Brutvogel die gemäßigten und nördlichen -Gegenden von Europa und Asien bis zum fernsten Osten in Japan; doch -fehlt er in manchen Gegenden aus unbekannter Ursache. - -Außer dem Habicht ist auch der bedeutend kleinere, im männlichen -Geschlecht 31, im weiblichen 36-40 _cm_ lang werdende ~Sperber~ -(_Accipiter nisus_), wie bei den alten Deutschen, so noch heute bei -asiatischen Steppenvölkern ein hochgeschätzter Beizvogel, der im -südlichen Ural von allen Falken am meisten zur Jagd gebraucht wird, -wenn auch hauptsächlich nur zu solcher auf Wachteln. Er kann am besten -gezähmt werden, wenn man ihn im Dunenkleid aus dem Neste nimmt und -schon ganz jung dressiert. Er gehört bei uns nebst dem Turmfalken zu -den bekanntesten Raubvögeln; denn er dehnt namentlich im Winter seine -Raubzüge ohne Scheu bis in belebte Ortschaften aus. Doch bleiben -nicht alle Sperber den Winter über bei uns. Die meisten ziehen im -September und Oktober weg, um im März und April auf ihre Brutplätze -zurückzukehren. Das Brutgebiet des Sperbers erstreckt sich über ganz -Europa, Nordwestafrika und die entsprechenden Gebiete Asiens. Hier hält -er sich am liebsten in Feldgehölzen oder in kleineren, an Wiesen und -Felder grenzenden Waldungen in der Nähe von Ortschaften auf, kehrt auch -von seinen Jagdzügen und zur Nachtruhe dahin zurück. Im Stangenholz -häufiger eines Nadel- als Laubholzes errichtet er sein Nest dicht am -Stamm, oft aus einem gutgelegenen Krähennest hergerichtet und so groß, -daß der lange Schwanz des brütenden Weibchens es nicht überragt. Dieses -brütet von Mitte Mai bis Mitte Juni sein Gelege von 3-5 Eier aus, -verteidigt seine Brut aufs energischste und greift selbst Knaben, die -den Horstbaum ersteigen, mit Krallenhieben an. Beide Eltern tragen den -Jungen Nahrung in solcher Fülle zu, daß nicht selten 8-10 kleine Vögel -gleichzeitig auf dem Horste liegen, doch ist nur das Weibchen imstande, -diese in entsprechender Weise für die Jungen zu zerlegen. So hat man -beobachtet, daß junge Sperber, deren Mutter getötet worden war, bei -vollbesetzter Tafel verhungerten, weil der Vater zu ungeschickt war, -ihnen die Speise mundgerecht zu machen. Noch lange nach dem Ausfliegen -werden die jungen Sperber von den Eltern geführt und unterrichtet, bis -sie dieselbe Meisterschaft im Erhaschen der Beute wie jene erlangt -haben; dann müssen sie sich ein anderes Jagdgebiet suchen. Mit -reißender Geschwindigkeit streicht der Sperber auf seinen Jagdzügen -dicht über die Erde dahin und schießt oft weite Strecken hindurch ohne -Flügelschlag durch die Luft und mit angelegten Flügeln pfeilartig -durch dichte Baumkronen. Er fliegt meistens niedrig, weiß alle sich -ihm entgegenstellenden Hindernisse, wie Hecken und Zäune, leicht zu -überwinden, biegt mit unglaublicher Schnelligkeit um scharfe Ecken und -überrascht so wie ein Blitz aus heiterem Himmel die kleinen Vögel, -deren Futter- und Sammelplätze er genau auszukundschaften versteht. -Diese fürchten ihren unheimlichen Feind auch über alles und werfen sich -sofort zu Boden oder verkriechen sich in ein nahes Mauseloch. - -Der Sperber jagt alle Vögel von der Größe eines Zeisigs bis zu der -einer Taube, mit Vorliebe Sperlinge, denen er sogar in vom Menschen -besetzte Zimmer folgt. Dabei stößt er in schräger Richtung und von -oben herab auf seine Beute, und immer unter einer raschen Schwenkung -im Augenblick des Greifens, so daß er seine Beute von unten oder von -der Seite zu packen kriegt. Hat der Sperber keinen besonders großen -Hunger, so beschreibt er mit seiner Beute zuweilen zierliche Kreise -in der Luft, bevor er sie nach Ausrupfen der großen Federn gemächlich -auf einem Baumast verzehrt. Knochen, Federn und Haare gibt er wie -alle Raubvögel in sogenannten Gewöllen von sich. Junge Nestvögel, -namentlich solche, die am Boden ausgebrütet wurden, gehören zu seinem -Lieblingsfutter; aber auch die Eier verschont er nicht. Die weit -größeren Edelfalken und der Habicht fressen den Sperber als verhaßten -Konkurrenten ohne Umstände, wenn sie seiner habhaft werden können. -Auch der Mensch verfolgt ihn als überaus schädlichen Räuber gleich -dem Habicht, wo er nur kann. Um ihrer habhaft zu werden, stellt er -Käfige aus Drahtgitter auf, die unten einen Doppelboden haben, zwischen -welchen eine Locktaube gesteckt wird. Oben ist dieser sogenannte -Habichtskorb offen, in der Mitte hat er ein Trittholz, das mit einem -Schlagnetz in Verbindung steht. Stößt nun der Räuber auf die Taube -herab und berührt er das Trittholz, so löst sich alsbald das Schlagnetz -aus und bedeckt die obere Abteilung des Korbes. - -Eine beliebte Methode, um diese, wie auch die dem Menschen verhaßten -kleinen Raubvögel, wie Raben und Elstern zu schießen, besteht in -der Anwendung einer Krähen- oder Schuhuhütte. Diese ist auf einem -freiliegenden, weithin sichtbaren Hügel angebracht und außen mit Rasen -bedeckt. Ein Pfahl mit Querholz trägt den Uhu, den man durch Zerren an -einer Schnur zum Flattern bringt, wenn ihn seine Feinde nicht bemerken -sollten. Ringsum stehen eingegrabene Bäume mit dürren Ästen, auf denen -sich die Vögel niederlassen können und von denen sie herabgeschossen -werden können, wenn sie nicht schon beim Losfahren auf den Uhu erlegt -werden. - -Zum Schlusse geziemt es sich, unter den Vögeln, die mit dem Menschen -in engerem Zusammenhange stehen, auch den ~weißen Storch~ (_Ciconia -alba_) anzuführen, der im Gegensatz zu seinem einzigen, ebenso weit -verbreiteten europäischen Gattungsgenossen, dem ~schwarzen Storch~ (_C. -nigra_), seit dem hohen Altertum in Sage und Geschichte unzertrennlich -mit ihm verbunden ist. Als das Einschlagen des Blitzes verhindernd -und überhaupt glückbringend, siedelte er ihn auf den Giebeln seiner -Wohnungen und Kirchen an, indem er ihm in einem flachen Korb oder in -einem alten Wagenrad Nistgelegenheit bot, die er sonst auf hohen Bäumen -mit ausgebreiteten Ästen oder abgebrochenem Wipfel suchte, um hier -sein kunstloses Nest aus Stecken, Reisern, Schilfrohr und Erdklumpen -zu bauen. Sein würdevolles Betragen, sein gravitätischer Gang und die -Eigenschaft, sich von im Boden hausenden und darin die Seelen der darin -Bestatteten in sich aufnehmenden Tieren zu ernähren und damit selbst -ein Seelenträger zu sein, brachte ihn beim gemeinen Volke von jeher in -den Geruch der Heiligkeit und garantierte ihm, als in vermeintlichem -Besitze überirdischer Kenntnisse und Gaben seiend, Unverletzlichkeit. -Bei den alten Germanen war er der Adebar oder Seelenträger, der die -kleinen Kinder den Eltern bringen sollte. Bei den Orientalen zeigt -er sich uns in den Märchen von Tausend und einer Nacht als ein -verwunschener Prinz, dem die höchste Einsicht in künftiges Geschehen -verliehen sein soll. Vom Menschen unterscheide er sich nur durch das -Fehlen des Sprachvermögens. Was dem Storche aber an Stimmitteln fehlt, -das ersetzt er reichlich durch sein Klappern, das schon von den Jungen -im Neste geübt wird, beim Männchen stärker als beim Weibchen ist und -bald Freude und Verlangen, bald Hunger, Zorn und Ärger ausdrückt. -Mit Klappern erheben sich die Störche, wenn sie gegen Ende August in -größeren Trupps nach dem warmen Süden verreisen, mit Klappern begrüßen -sie im Frühjahr ihr Nest, wenn Ende Februar oder Anfang März zuerst -das Männchen und einige Tage später das Weibchen nachts in ihre alte -Heimat und Niststätte einrücken. Alljährlich kehrt dasselbe Paar dahin -zurück, um ihre 3-5 Jungen großzuziehen, die nach dem Ausschlüpfen aus -den Eiern noch mehr als zwei Monate hindurch unter der rührenden Pflege -und Aufsicht der Eltern im Neste bleiben. In den ersten Tagen würgen -ihnen die Alten halbverdauten Futterbrei in den Schnabel, indem sie -dessen Spitze in den Mund nehmen, so daß die Jungen nur zu schlucken -brauchen. Später würgen sie ihnen das Futter aus dem Kehlsack, zuerst -ins Nest hinein, später an dessen Rand, und schließlich lassen sie -dieselben ihre tierische Nahrung sich selbst suchen. - -Schon die alten Griechen glaubten, wie uns Aristophanes und -gleicherweise Aristoteles erzählen, die Störche hätten von alters her -ein Gesetz, wonach die Jungen, sobald sie flügge sind, ihre Eltern -ernähren müssen. Aristoteles sagt, daß die Störche und andere Vögel, -wenn sie verwundet würden, Dosten (_origanon_) auflegen. Noch der -gelehrte Plinius schreibt in seiner Naturgeschichte: „Man weiß noch -nicht, woher die Störche (_ciconia_) kommen und wohin sie ziehen. -Wollen sie fortziehen, so versammeln sie sich an einem bestimmten Orte, -wobei keiner fehlt, er schmachte denn in menschlicher Gefangenschaft. -Und sie beginnen nun den Zug, als wenn der Tag dazu durch ein Gesetz -bestimmt sei. Niemand hat sie wegziehen sehen, obgleich jeder -die Anstalten zu ihrem Abzuge bemerkt; ebensowenig sieht man sie -zurückkehren, sondern nur, daß sie zurückgekehrt sind; denn beides -geschieht zur Nachtzeit. In Asien liegt auf einer weiten Ebene ein -Ort, welcher Pythonos Kome heißt; dort versammeln sich die Störche, -murmeln, zerreißen den zuletzt kommenden und dann erst ziehen sie weg. -Manche behaupten, der Storch habe keine Zunge (tatsächlich hat er eine, -aber eine sehr kleine). Wegen Vertilgung der Schlangen wird er so hoch -geehrt, daß Leute, die einen töteten, sonst in Thessalien mit dem Tode -bestraft wurden. Die Störche kehren jedes Jahr zu ihrem Neste zurück. -Die jungen ernähren ihre Eltern, wenn diese schwach werden.“ Und der -Grieche Älianos schreibt: „Alexander der Myndier (der ein auch von -Athenaios um 200 n. Chr. erwähntes naturgeschichtliches Buch schrieb) -sagt, daß die Störche, wenn sie alt geworden sind, nach den im Okeanos -gelegenen Inseln ziehen, dort menschliche Gestalt annehmen und für -die fromme Liebe, die sie ihren Eltern erwiesen, den Lohn empfangen. -Auch wollen die Götter dort, wie ich glaube, ein frommes und heiliges -Geschlecht absondern, da ein solches sonst nirgends unter der Sonne -ein Plätzchen findet. Mir scheint das keine Fabel. Und was hätte denn -Alexander davon gehabt, wenn er sich solche Fabeln erdacht hätte. Ein -verständiger Mann wie er lügt selbst dann nicht, wenn er den größten -Vorteil davon haben könnte.“ - -Ähnliche Verehrung, wie bei den Abend- und Morgendländern der -Storch, genoß bei den alten Ägyptern der heilige weiße ~Ibis~ -(_Ibis religiosa_), der durch das Verschlingen und Wegschaffen von -tierischen Leichen ebenfalls als ein Seelenträger galt und als -solcher mit besonderen Eigenschaften ausgestattet gewähnt wurde. -Der griechische Geschichtschreiber Diodorus Siculus schreibt: „Die -Ägypter behaupten, der Ibis nütze durch Vertilgung der Schlangen, -Heuschrecken und Raupen“, und Strabon sagt, daß sie in Ägypten, dank -ihrer Unverletzlichkeit, sehr zutraulich seien. „In Alexandreia wimmeln -alle Straßen von ihnen; sie sind nützlich, weil sie alles Tierische -auflesen, namentlich die Abfälle der Fleisch- und Fischmärkte, -andererseits aber lästig, da sie alles beschmutzen.“ Sein Kollege -Älianos weiß die merkwürdigsten Dinge von diesem, nach ihm der -Mondgöttin heiligen Tiere zu berichten, das nie aus Ägypten weggehe, -weil dieses Land unter allen das feuchteste sei. Zum Ausbrüten seiner -Eier brauche er so viel Tage als der Mond ab- und zunimmt. „Freiwillig -wandert der Ibis nicht aus; fängt ihn aber jemand und bringt ihn mit -Gewalt fort, so ist alle Mühe vergeblich; denn der Vogel hungert sich -zu Tode. Er schreitet ruhig und wie ein Mädchen einher und geht immer -nur Schritt vor Schritt. Die schwarzen Ibisse beschützen Ägypten gegen -die aus Arabien kommenden geflügelten Schlangen, die weißen Ibisse -aber vernichten die Schlangen, welche zur Zeit der Überschwemmung aus -Äthiopien kommen. Ägypten wäre verloren, wenn es nicht von Ibissen -beschützt würde. Er ist sehr hitziger Natur, frißt Schlangen und -Skorpione. Nur sehr selten sieht man einen kranken Ibis. Den ganzen -Tag geht er im Schmutze herum, sucht darin nach allerlei Dingen, -steckt den Schnabel in alles, badet sich aber erst gehörig ab, bevor -er schlafen geht. Um den Katzen zu entgehen, nistet er auf Palmbäumen; -denn auf diese klettern die Katzen wegen der daran befindlichen -Hervorragungen nicht gern.“ Tatsächlich bevorzugt der Ibis zum Nisten -eine Mimosenart, die die Araber der dichten, ungemein dornigen, ja fast -undurchdringlichen Äste halber _harasi_, d. h. die sich Schützende -nennen. Aus den Zweigen des _harasi_ besteht auch das innen mit -Grashalmen ausgepolsterte flache Nest des Vogels, in welchem die 3-4 -Eier ausgebrütet werden. - -Zur Zeit der alten Ägypter haben die heiligen Vögel sich -höchstwahrscheinlich im Zustande einer Halbgefangenschaft in -Tempelhöfen fortgepflanzt. Heute tun sie dies bei guter Pflege nicht -allzuselten in unseren Tiergärten. Noch heute stellt man dem Ibis im -Sudan nicht nach, obgleich sein schmackhaftes Fleisch die Jagd wohl -lohnen würde. So aßen auch die alten Griechen und Römer den Storch -nicht. Erst der gottlose einstige Prätor Asinius Sempronius Rufus soll -die Sitte, junge Störche zu essen, in Rom eingeführt haben, worauf -Horaz in einer seiner Satiren auf seine genußsüchtige Zeitgenossen -anspielt. - -Wie die Ägypter den heiligen Ibis, so hielten die alten Griechen und -Römer das prächtig gefärbte ~Purpurhuhn~ (_Porphyrio hyacinthinus_) -in halber Gefangenschaft in den Höfen ihrer Villen und Heiligtümer. -So schreibt der Grieche Älian von ihm: „Das Purpurhuhn (_porphyríon_) -ist ein ausgezeichnet schönes Tier. Es badet sich im Staube wie im -Wasser, frißt aber nicht gern vor Zeugen, daher am liebsten in einem -Versteck. Die Menschen haben es sehr gern und füttern es mit großer -Sorgfalt. Es paßt gut in prachtliebende, reiche Häuser, auch in Tempel, -und geht in diesen als heiliger Vogel frei umher. Schwelger schlachten -den Pfau, der ebenfalls schön ist, aber ich weiß von keinem Menschen, -der das Purpurhuhn für die Tafel geschlachtet hätte.“ Mit dem Untergang -der alten Kultur verschwand auch dieses Tier wieder aus der Nähe des -Menschen. - - - - -XXVII. Pelz-, Schmuckfedern- und Schildpattlieferanten. - - -Zu allen Zeiten hat bei den mehr im Norden wohnenden Völkern, bei -denen es im Winter empfindlich kalt wurde und denen es an der nötigen -Erwärmung der nur mangelhaft verschließbaren Räume fehlte, die -Pelzkleidung hohe Wertschätzung gefunden. Dies war um so eher möglich, -als gerade die für sie zunächst in Betracht kommenden nordischen Tiere -zum Schutze gegen die winterliche Kälte ein sehr schönes, dichtes -Fell besitzen, das sich der Mensch zu seiner Erwärmung, daneben auch -als Zierde gern aneignete. Noch im Mittelalter spielte der Pelzbesatz -als Schmuck in der Männerkleidung eine große Rolle, während ihn heute -fast ausschließlich die Frauen tragen. Bei diesen ist allerdings der -Pelz nicht nur zum Wärmen, sondern in erster Linie als Schmuck, heute -mehr Mode als je; die elegante, reiche Frau schwelgt geradezu im -Pelzwerk. Und wie immer, ist die für sie geschaffene Mode auch für die -minderbegüterten Kreise maßgebend. Sie paßt sich den kleinen Geldbörsen -an, und die dienstwillige Industrie zaubert für diese Nachahmungen aus -billigem Pelzwerk hervor, die, technisch von überraschender Vollendung, -schließlich auch der Arbeiterfrau und dem Dienstmädchen eine Pelzstola -und einen Pelzmuff zu tragen gestatten. - -Bis über das Mittelalter hinaus war das gewaltige russische Reich -der Hauptlieferant des Pelzwerkes für die Kulturvölker Europas und -die Häfen der Ostsee bildeten die Hauptstapelplätze dieses Handels. -Die Entdeckung Amerikas lenkte den Pelzhandel in neue Bahnen und -verschaffte den Europäern zahlreiche neue Produkte, die teilweise -große Wertschätzung fanden. Um den großen Bedarf zu decken, sind heute -zahllose Menschen mit der Beschaffung und Verarbeitung von Pelzen aller -Art beschäftigt; und zwar kommt das Material Kanadas in London und -dasjenige Sibiriens in Nischni Nowgorod und Irbit im Gouvernement Perm -auf den Markt. In diesen Städten kaufen dann die Leipziger Großhändler -und andere die Ware, um sie zugerichtet und teilweise auch gefärbt in -den Handel zu bringen. Nur für den echten Sealskin besitzt London noch -das Monopol, sonst hat es Leipzig für alle übrigen „Rauchwaren“ -- wie -der technische Ausdruck lautet --, so daß dort die Pelzhändler aller -kaukasischen Kulturländer ihren Bedarf einkaufen. Da nicht weniger als -75 Prozent des ganzen Bestandes des großen russischen Pelzstapelplatzes -Nischni Nowgorod nach Leipzig gelangen, ist es begreiflich, daß ein -jährlicher Umsatz von etwa 50 Millionen Mark in Pelzen erzielt wird. - -Die erste Zubereitung der Felle ist fast in allen Ländern dieselbe. -Nachdem das Fell vorsichtig abgezogen ist, wird es mit einem scharfen -Messer von anhaftenden Fett- und Fleischteilen so gut wie möglich -gereinigt und dann an einem luftigen, kühlen Ort im Freien getrocknet. -Hierauf werden sie auf der Innenseite reichlich mit Salz bestreut und -eines auf das andere gelegt. In dieser Lage bleiben sie 2-3 Wochen. -Nach diesem Pökelprozeß sind sie zum Versand fertig. Zu diesem Zwecke -werden sie mit der Pelzseite nach außen je zu zweien zusammengerollt -und stark verschnürt. So gelangen sie auf die Auktionsplätze, wo sie -von geübten Händen geglättet und dann versteigert werden. Die auf der -Auktion erworbenen Felle wandern, bevor sie der Kürschner in die Hände -bekommt, in eine Pelzbearbeitungsfabrik, in der sie zugerichtet werden. -Dabei wird das rohe, getrocknete Fell zuerst in Wasser oder feuchten -Sägespänen aufgeweicht, damit es geschmeidig werde; dann wird es, -nachdem es in Zentrifugen getrocknet wurde, an der Rückseite mit großen -Messern von etwaigen noch anhaftenden Fleischteilchen gesäubert und -unter Zusatz von etwas Fett in besonderen Maschinen gewalkt. Hierauf -wird es in rotierenden Trommeln unter Zusatz von Sägespänen entfettet, -ausgezogen und gespannt, damit es Form gewinnt, nochmals gereinigt -und zum Schluß vielfach geschoren oder gerupft, um die längeren -Grannenhaare zu entfernen. Umgekehrt werden manche Pelze „frisiert“, -indem man mit unendlicher Geduld bestimmte Haarsorten, z. B. weiße -(Silberhaare) in dunkeln Pelz einklebt. - -Ein großer Teil der Pelzwaren wird auch gefärbt, nicht nur die -Nachahmungen, wie man wohl anzunehmen geneigt ist. So zeigt z. B. -das Fell der zwischen Kamtschatka und Alaska lebenden Bärenrobbe, -von den Engländern _fur seal_ genannt, im Naturzustande ein dichtes -gelbes Wollhaar, und darüber ein grobes aschgraues bis braunschwarzes -Grannenhaar. Erst wenn letzteres entfernt und das ganze Fell -dunkelkastanienbraun gefärbt ist, entsteht der herrliche samtartige -Sealskin, für den unsere Damen eine so erklärliche Vorliebe haben. Um -nun diesen beliebten Pelz auf den Markt bringen zu können, werden die -grausamsten Massenschlächtereien abgehalten, in denen die wehrlos auf -dem Lande zur Fortpflanzung und Paarung versammelten Tiere zu Tausenden -erschlagen werden. Ebenso sind sämtliche Persianer, die gekräuselten -Felle junger Schafe, gefärbt, wodurch sie erst den eigentümlichen -prachtvollen Glanz erhalten. Dabei ist die Kunst der Färberei heute -so weit fortgeschritten, daß sie absolut wetterbeständige Ware -liefert. Wo es Imitationen herzustellen gilt, wirken Zurichterei -und Färberei auch zusammen. Und diese sind sehr wichtig, da sie -auch Minderbemittelten beinahe an Schönheit, jedenfalls aber an -Haltbarkeit den Originalien ebenbürtige Nachahmungen bieten. So wird -der teure Sealskin mit Vorteil durch den Sealbisam, den geschorenen -und gefärbten Pelz der nordamerikanischen hell- bis dunkelbraunen -Bisamratte, ersetzt, neuerdings aber durch den noch viel billigeren -Sealkanin von langhaarigen Kaninchen meist belgischer Herkunft. Welche -Preisunterschiede dabei in Betracht kommen, illustriert am besten -die Angabe, daß ein einfacher Muff in echtem Sealskin 100 Mark, in -Sealbisam 15 Mark und in Sealkanin nur 4 bis 6 Mark kostet. - -[Illustration: Bild 62. Altdeutsche Kürschnerwerkstatt. - -(Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann.)] - -Aus den Zurichtereien und Färbereien gelangen die Pelze zu -Hunderttausenden in die Speicher der Großhäuser zurück, um von hier -aus in den Handel gebracht zu werden. So treffen zur Ostermesse, die -immer noch einen zeitlichen Mittelpunkt des Rauchwarenhandels bildet, -die Aufkäufer nicht nur der engeren Heimat, sondern aus aller Herren -Ländern in den Großhäusern Leipzigs ein, um ihren Bedarf einzuhandeln. -Dieser wird dann im Laufe des Sommers fertiggestellt, um im nächsten -Herbst und Winter verkauft zu werden. Die Ostermesse ist auch die -Haupterntezeit der zahlreichen Kommissionäre und Makler, die der -Rauchwarenhandel ernähren hilft. Diese geben mit ihrem geschäftigen -Wesen dem Brühl den Charakter der Messe, in der unaufhörlich gehandelt, -gefeilscht, gelärmt und gestritten wird. Doch hat heute die Ostermesse -lange nicht mehr die Bedeutung für den Rauchwarenhandel, die sie -einst besaß. Konzentrierte sich in ihr ehemals das Hauptgeschäft, so -bildet sie in diesem nur eine, allerdings wichtige und unruhvolle -Etappe. Heute geht nämlich der Verkauf von Pelzwaren mehr oder weniger -während des ganzen Jahres vor sich. Die erleichterten Reisebedingungen -ermöglichen den Käufern den häufigeren Besuch Leipzigs. Viele ziehen -überhaupt den Kauf zu einer ruhigeren Periode, als die Messezeit -es ist, vor. Dazu kommt, daß die von den Grossisten auf den großen -Londoner Auktionen erstandenen Waren zur Osterzeit noch nicht -zugerichtet sein können, und daß von der Messe zu Nischni Nowgorod, -die vom Juli bis September stattfindet, die russischen Waren erst im -Frühherbst in Leipzig eintreffen können. Dazu kommt noch, daß die neuen -Moden, die immer noch hauptsächlich in Paris gemacht werden, erst zu -Ende des Sommers oder zu Herbstbeginn in die Erscheinung treten, und -daß die Pelzkonfektion dann durch sie oft noch zu großen Einkäufen -veranlaßt wird. - -[Illustration: Bild 63. Fellgerber. - -(Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann.)] - -Die vornehme russische Gesellschaft versteht viel von edlen Pelzen; -denn in jenem Lande spielte das Pelzwerk von jeher eine wichtige -Rolle in der Kleidung der reicheren Leute. Besonders der Zobel -stand dort mit an der Spitze der Wertschätzung. Ist doch die alte -Zarenkrone eine mit Goldschmuck und Juwelen besetzte Zobelmütze. Noch -höher als Zobel werden aber Schwarz- und Silberfüchse eingeschätzt, -d. h. solche, die ein glänzend schwarzes oder ein mit silbrigen -Haaren durchschossenes schwarzes Fell haben. Die schönsten Exemplare -derselben kommen nicht aus Sibirien, sondern aus dem nordamerikanischen -Labradorgebiet, und ein ausgesuchtes Stück kostete schon vor Jahren -11600 Mark. Ein ebenfalls sehr hoch bewerteter Pelz ist derjenige des -ursprünglich ausschließlich aus Kamtschatka, neuerdings aber mehr aus -Alaska ausgeführten Seeotters, der in ausgesuchtester Qualität auf -5-6000 Mark zu stehen kommt. Die sibirischen Zobelfelle stehen den -nordamerikanischen bedeutend voran, und sie sind um so geschätzter, -je dunkler sie sind, auch je regelmäßiger die silbergespitzten -Grannenhaare im Fell verteilt sind. Daher schwankt der Wert eines -solchen sehr. Während ein geringes, erst durch „Blenden“, d. h. -Auffärben ansehnlich gemachtes Zobelfell schon zu 60 Mark zu haben ist, -kosten die besten 1000 bis 1500 Mark und mehr. Wenn auch der Zobel -in den letzten Jahren viel seltener geworden ist, kommen außer den -nordamerikanischen immer noch jährlich 40000 bis 50000 nordasiatische -Zobelfelle in den Handel, von denen aber nur ein kleiner Prozentsatz -die hochgeschätzte dunkle Farbe aufweist. - -Außer dem Zobel liefert Rußland auch den Edelmarder, der im Wert dem -hellen Zobel nahe kommt. Die besten Stücke derselben liefert aber -Norwegen und Finnland. Ferner liefert Rußland den Nörz, ebenfalls eine -Marderart, deren beste Felle allerdings Nordamerika liefert, dann den -kostbaren Hermelin, dessen Preis sich in den letzten Jahren, nachdem -er eine Zeitlang wenig begehrt war, durch die gewaltige Nachfrage -verzehnfachte. Es ist dies bekanntlich eine Wieselart, deren im Sommer -gelblichbrauner Pelz in kälteren Gegenden mit viel Schnee rein weiß -wird bis auf die schwarze Schwanzspitze. Weiterhin beziehen wir aus -Rußland die Felle von Iltis, Wolf und Bär, außerdem in ungeheuren -Massen von sibirischen Eichhörnchen, die man als „Feh“ oder „Grauwerk“ -bezeichnet. Endlich stammen von dorther auch die in Südrußland, -noch mehr aber in der Bucharei gewonnenen Persianer, die von jungen -Fettschwanzschafen, die noch nicht Gras gefressen haben, gewonnen -werden. - -Beginnen wir die Aufzählung der verschiedenen Pelzlieferanten mit -dem sibirischen ~grauen Eichhörnchen~. Je weiter östlich, um so -dunkler und wertvoller wird dessen Fell; diesseits des Urals ist es -heller und billig im Preise. An der Lena leben die Bauern von Anfang -März bis Mitte April ganz dem Eichhörnchenfang vermittelst Fallen, -von denen mancher dort über 1000 stellt. Die Tungusen erlegen es -mit stumpfen Pfeilen oder gebrauchen engläufige Büchsen mit Kugeln -von der Größe einer Erbse, und schießen es in den Kopf, um das Fell -nicht zu verderben. Rußland und Sibirien liefern deren jährlich 6 -bis 7 Millionen im Werte von 3 Millionen Mark. Davon kommen bloß 2-3 -Millionen Felle auf den westeuropäischen Markt; die übrigen werden im -Lande selbst verbraucht oder gehen nach China. Außer dem Felle, von dem -die grauen Rücken Mäntel und anderes Pelzwerk, die weißen Bauchseiten -dagegen, zu großen Tafeln zusammengenäht, ein beliebtes Pelzfutter -geben, verwendet man die Schwänze zu „Boas“ und die Schwanzhaare zu -guten Malerpinseln. - -Auch das kleinere und plumper gebaute sibirische ~Backenhörnchen~, -der ~Burunduk~ (_Tamias striatus_), der am häufigsten in -Zirbelkieferbeständen lebt und unter den Wurzeln dieser Bäume eine -gabelförmig geteilte Höhle anlegt, deren einer Teil als Wohnraum, -der andere als Vorratskammer für Getreidekörner und Nüsse dient, von -denen sie für manchen Winter 5 _kg_ in den Backentaschen nach Hause -schleppen, liefert hübsche Bälge. Diese gelangen meist nach China, wo -man sie hauptsächlich zur Verbrämung wärmerer Pelze benützt. - -Von allen Nagetieren hat der ~Biber~ das geschätzteste Fell. Von -Amerika her kamen früher jährlich etwa 150000 derselben im Gesamtwerte -von 3 Millionen Mark in den Handel. Heute aber sind es deren höchstens -noch 50000 im Jahr, und zwar sind auch von ihnen die dunkeln die -wertvollsten. Je nach seiner Güte wird das Stück mit 20-60 Mark -bezahlt. Er wird dort von den Trappern meist in Fallen gefangen, nur -ausnahmsweise geschossen. Da er aber auch in Amerika mehr und mehr -abnimmt, muß vielfach der ~Sumpfbiber~ oder ~Coypu~ (_Myopotamus -coypu_), die ~Nutria~ der spanischen Amerikaner, mit ihrem Felle für -ihn eintreten. Auch der Sumpfbiber ist ein ausgesprochenes Wassertier -von nahezu der Größe des Fischotters, das vorzugsweise die reich -mit Pflanzen bewachsenen Ufer der stillen Wasser Südamerikas zu -beiden Seiten der Anden bewohnt. Jedes Paar gräbt sich am Ufer eine -metertiefe, 60 _cm_ weite Höhle, in der es die Nacht und einen Teil -des Tages zubringt. In dieser Wohnung wirft das Weibchen 8-9 Junge, -die behaart und mit offenen Augen zur Welt kommen, schon in den ersten -Tagen fressen und bald ihrer Mutter auf ihren Streifzügen folgen. Die -Tiere werden in ihrer Heimat mit Schlagfallen gefangen oder mit eigens -abgerichteten Hunden gejagt. Ihr weißes, wohlschmeckendes Fleisch -wird gegessen, das braune Fell jedoch in großen Mengen in den Handel -gebracht. Davon kommen jährlich eine halbe Million nach Europa, um -hier nach Ausrupfen der langen, groben Grannenhaare zu Pelzbesätzen zu -dienen. Das dichte, weiche Wollhaar gibt einen sehr schönen und dabei -billigen Pelz, ist daher sehr beliebt. - -Viel teurer und begehrter ist das seidenweiche, aschfarbene Fell -der die hohen Anden zwischen Südchile und dem Norden von Bolivia -bewohnenden ~Chinchilla~ oder ~Wollmaus~ (_Chinchilla lanigera_), an -dem schon die vorgeschichtlichen Peruaner, die Inkas, ihre Freude -hatten. Wie sie aus den Haaren der Vicuña die feinsten Stoffe -herstellen, bereiteten sie aus den Haaren dieser Wollmaus wunderbare -Gewebe für ihre Herrscher. Sie erbeuteten das Tierchen in Schlingen -und Schlagfallen, die sie vor deren Löcher aufstellten, daneben auch -mit gezähmten Wieseln, die speziell auf die Chinchillajagd abgerichtet -waren, wie in Südeuropa die Frettchen auf die Kaninchenjagd. -Nach Europa kamen die ersten Chinchillafelle gegen Ende des 18. -Jahrhunderts, und zwar vermittelte Spanien den Handel damit. Für -das Dutzend der kleinen Fellchen dieser in großen Gesellschaften in -selbstgegrabenen Erdlöchern lebenden Tierchen wurde früher an die Jäger -6-8 Mark bezahlt. Seither sind die Preise infolge der übermäßigen Jagd -danach gewaltig in die Höhe gegangen. Schon 1899 bot ein französisches -Haus 150-300 Franken für das Dutzend und jetzt ist der Preis dafür -auf über 1060 Franken gestiegen. Noch ums Jahr 1900 schätzte man die -jährliche Ausfuhr allein aus den beiden argentinischen Provinzen -Coquimbo und Vallenar auf 40400 Dutzend. 1905 betrug die Gesamtausfuhr -der Felle aus Chile 18153 Dutzend, 1906 nur 9776, 1907 4000 und 1909 -3000 Dutzend. - -Die Chinchilla bevorzugt steinige, dürre Hänge und Hochebenen, die -mit dem zierlichen Leguminosenstrauch _Balsamocarpum brevifolium_, -der _algarobilla_ der spanischen Chilenen, bewachsen sind, von dessen -wie Nuß schmeckenden Samen sie sich ernährt und die sie auch in ihren -Höhlen aufspeichert. Zur Zeit der Paarung sind die Männchen sehr -eifersüchtig und kämpfen ingrimmig wegen der Weibchen miteinander. -Letztere werfen zweimal im Jahr 2-4 Junge, für die sie aus sich selbst -ausgerauften Haaren ein weiches Lager bereiten. Sie sind auch später -sehr besorgt um sie und führen sie zum Futter. Morgens und nachmittags -sind diese hübschen Nager am lebhaftesten und verlassen alsdann ihre -Höhlen, um auf die Nahrungssuche auszugehen, ohne sich jedoch weit -zu entfernen. Sie lassen sich leicht in der Gefangenschaft halten -und werden darin bald recht zahm; nur die Männchen vertragen sich -gegenseitig nicht gut. Solange es genug dieser Tierchen gab, war -die Chinchillajagd sehr lohnend und brachte noch vor wenigen Jahren -mit geringer Mühe reichen Gewinn. Seitdem diese Tiere aber beinahe -ausgerottet sind, ist ihre Jagd kaum mehr lohnend. Meist werden sie, -wenn das Gestrüpp auf größere Strecken niedergebrannt ist, mit Knüppeln -aus ihren Höhlen aufgescheucht und, in weitem Kreise beginnend, -allmählich der Mitte zugetrieben, wo sie, unterschiedlos alte und -junge von abgerichteten Hunden totgebissen werden. Außerdem werden sie -vielfach vermittelst Rattenfallen gefangen. Neuerdings beginnt man sie -zur Pelzgewinnung zu züchten. Auch das Fleisch wird sehr geschätzt. - -Von nordamerikanischen Pelzlieferanten ist der ~Waschbär~ oder -~Schupp~, der Raccoon der Amerikaner (_Procyon lotor_), zu nennen, -dessen gelblichgraues, schwarzgemischtes Fell die beliebten Schuppelze -liefert. Dieser Kleinbär von 80-90 _cm_ Gesamtlänge ist gleichzeitig -Boden-, Wasser- und Baumtier. Am Tage schläft er in einem hohlen Baume -oder auf der Astgabel einer dichten Baumkrone, um dann nachts auf -Beute auszugehen. Gern hält er sich in der Nähe seichten Wassers auf, -um Fische und Krebse zu fangen oder Süßwassermuscheln zu erbeuten. -Außerdem ernährt er sich von Fröschen, Süßwasserschildkröten, Vögeln -und deren Eiern, Mäusen, Insekten aller Art, aber auch Nüssen, Früchten -und Korn. Im Norden hält er einen Winterschlaf ab. Das Weibchen wirft -im April 4-6 Junge, die es ein Jahr lang um sich behält. Wegen seines -sehr geschätzten Pelzes, der früher in den Staaten des Mississippitales -als eine Art Münze im Werte von ¼ Dollar galt, wird er eifrig -verfolgt und entweder in am Rande von Sümpfen oder Flüssen unter -Wasser angebrachten Fallen aus Stahl gefangen oder während der Nacht -mit eigens dazu abgerichteten, gewöhnlich zur Rasse der Fuchshunde -gehörenden Hunden gejagt. Diese wissen seiner Spur zu folgen und -treiben ihn nach kurzer Zeit auf einen Baum, wo er, falls er sich nicht -in einem Loche verkriecht, vom Jäger erlegt wird. Neuerdings wird er, -da er sich leicht in der Gefangenschaft fortpflanzt, zur Pelzgewinnung -in eingehegten Waldteilen gezüchtet. Jung eingefangen wird er -gewöhnlich sehr bald und in hohem Grade zahm. Seine Beweglichkeit und -Zutraulichkeit machen ihn dem Menschen als Gesellschafter angenehm. - -Der Winterpelz der amerikanischen ~grauen Eichhörnchen~ geht unter -dem Namen Petitgris, ist aber weniger geschätzt als der russische -Feh; ebenso verhält es sich mit demjenigen des Luchses. Dagegen wird -der Pelz der nordamerikanischen Iltisse ebensosehr wie derjenige der -altweltlichen geschätzt. Der ~Iltis~ oder ~Ratz~ (_Mustela putoria_) -ist ein Nachttier, das am Tage zwischen Gestein, aufgestapeltem Holz, -in verlassenen Fuchs- oder Kaninchenlöchern ruht, abends jedoch seinen -Schlupfwinkel verläßt, um auf Raub auszugehen. Dabei verzehrt es alle -Tiere, die es zu überwältigen vermag. Außer Fröschen sind Mäuse, -Wachteln, Rebhühner, Hühner, Enten und Fische seine bevorzugte Nahrung. -Er ist sehr gewandt, versteht meisterhaft zu schleichen und unfehlbare -Sprünge auszuführen, klettert gut, besteigt aber selten Bäume. Nach -Art der Stinktiere verteidigt er sich im Notfalle durch Ausspritzen -einer sehr stinkenden Flüssigkeit und schreckt dadurch oft die ihn -verfolgenden Hunde zurück. Seine Lebenszähigkeit ist unglaublich groß. -Nach zweimonatlicher Tragzeit wirft das Weibchen im April oder Mai in -einer Höhle oder noch lieber in einem Holzhaufen 4-5, zuweilen auch -6 Junge, die es sorgfältig großzieht, so daß es dieselben schon nach -sechs Wochen auf seine Raubzüge mitnehmen kann. Junge Iltisse lassen -sich leicht durch Katzenmütter großziehen und zähmen; doch erlebt -man an ihnen wenig Freude, da der angeborene Blutdurst mit der Zeit -durchbricht. Sie lassen sich ohne Mühe zum Kaninchenfang abrichten. Wir -sahen ja am Schlusse des 13. Abschnittes, daß durch jahrhundertelange -Domestikation in Verbindung mit Albinismus aus dem Iltis das Frett -hervorging, das als Mäusefänger bei den Griechen und Römern eine nicht -unwichtige Rolle spielte, bevor die Katze von Ägypten her zu ihnen -gelangte. Der Iltis wird besonders seines dichten Felles wegen gejagt, -das aber wegen des ihm anhaftenden unangenehmen Geruches weniger -geschätzt ist als es ohnedies der Fall wäre. - -Dem Iltis ungemein nahestehend ist der ~Nörz~ (_Mustela lutreola_), -ein halber Wassermarder, der vortrefflich schwimmt und taucht und die -Fische bis in ihre Verstecke verfolgt, selbst flinke Forellen und -Lachse erbeutet. Im Moore verfolgt er Wasserratten und allerlei Wasser- -und Sumpfvögel mit Einschluß von Enten. Er hält sich gewöhnlich an -den Ufern von Flüssen und Seen auf und kommt fast nur noch in Rußland -vor. In Nordamerika vertritt ihn der ganz ähnlich lebende, fast -ebenso gefärbte ~Mink~ (_Mustela vison_), dessen Pelz noch weicher -und wolliger ist. Beide graben sich unter überhängenden Flußufern ein -Loch oder beziehen in einem hohlen Baum ein Lager, das sie mit Federn -auspolstern und in das das Weibchen im April 4-6 Junge wirft, die -bis zum nächsten Herbste bei der Mutter bleiben. Jung eingefangen -lassen sie sich leicht zähmen und in ähnlicher Weise wie das Frettchen -verwenden. Wegen des Gestankes war sein Pelz früher so wenig geschätzt, -daß es Fang und Förderung kaum lohnte. Neuerdings legt man ihm -einen größeren Wert bei, weshalb die Tiere viel gefangen werden und -dadurch stellenweise stark vermindert worden sind. Ums Jahr 1865, in -welchem ein gutes Minkfell in Amerika 5 Dollar kostete, wurden von -Neuschottland allein über 6000 Minkfelle jährlich ausgeführt. In den -letzten Jahrzehnten wurden in Europa durchschnittlich 55000 Nörze -erbeutet, während die Anzahl der in dieser Zeit jährlich gefangenen -Minke 160000 erreichte und im Jahre 1888 sogar 370000 betrug. In jenem -Jahre kostete ein russisches Nörzfell etwa 4 Mark, ein Minkfell dagegen -bis 10 Mark. Die besten Minkfelle kommen von Alaska und Neuengland. - -Vortreffliche Pelze liefern auch die anderen Marderarten, unter denen -der berühmte ~Zobel~ (_Mustela zibellina_), den weitaus kostbarsten -liefert. Er ist dem Baummarder sehr nahe verwandt, hat nur einen viel -ausgesprochener kegelförmigen Kopf, große Ohren, längere und stämmigere -Beine und ein langhaarigeres, seidenweiches, gelbbraunes bis schwarzes -Fell. Letzteres gilt für um so schöner, je größer seine Dichtigkeit, -Weichheit und Gleichfarbigkeit ist. Die dunkleren Felle stehen im -Preise weit höher als die helleren und können fast schwarze von reiner -Farbe bis 2500 Mark das Stück erzielen, während helle von geringster -Qualität schon für 50 Mark das Stück zu haben sind. Diese ganz dunkeln -stammen von Tieren, die in den dichtesten Urwäldern leben, in die kein -Sonnenstrahl einzudringen vermag. Das Wohngebiet des Zobels erstreckte -sich einst vom Uralgebirge im Westen bis zum Beringsmeer im Osten und -vom 68. Grad nördlicher Breite bis zu den südlichen Grenzgebirgen -Sibiriens. Aber infolge der langjährigen unablässigen Verfolgung ist er -aus vielen Gegenden verschwunden und ist nur noch in den abgelegensten -Gebirgswäldern Ostsibiriens und Kamtschatkas einigermaßen häufig. -Dieser menschenscheue Marder liebt die einsamen Wälder, in denen -er, seinem Lieblingswilde, dem Eichhörnchen, nachziehend, größere -Wanderungen unternimmt und bei deren Verfolgung ungescheut auch breite -Ströme, selbst während des Eisgangs, durchschwimmt. Sehr beliebte -Aufenthaltsorte sind für ihn die ausgedehnten Arvenwaldungen, deren -riesige Stämme ihm ebensowohl passende Schlupfwinkel wie in den -ölreichen Samen ihrer Zapfen eine erwünschte Speise darbieten. Auch er -ist ein Nachttier, das bei Tage in Baumlöchern oder unter Baumwurzeln -schläft und erst nachts auf Raub ausgeht. In Baumlöchern wirft er -einmal im Jahr, und zwar meist im April, seine 4-5 Jungen, die er wohl -behütet und später zur Jagd erzieht. - -Die Zobeljagd beschränkt sich auf die drei Monate Oktober, November -und Dezember. Da die Jagdgründe in der Regel sehr weit abgelegen -sind, brechen die Zobeljäger mit eigens abgerichteten Hunden schon im -September auf, um beim ersten Schneefall an Ort und Stelle zu sein. -Die Hunde müssen während der Reise zugleich die Schlitten ziehen, -welche mit Lebensmitteln für mehrere Monate beladen sind. Auf den -Jagdplätzen vereinigen sie sich zu kleinen Gesellschaften, die sich -Hütten bauen und nach allen Richtungen ihre Streifzüge unternehmen. -Man stellt Fallen und Schlingen der verschiedensten Art und verfolgt -mit den Hunden die Spur eines Zobels auf Schneeschuhen. Sobald ein -solcher aufgespürt ist, sucht man ihn auf einen Baum zu treiben, den -man alsbald mit Netzen umgibt, auf die er durch Schütteln der Zweige -oder mit Stangen hinuntergeschlagen wird. Fällt der Zobel vorbei, so -wird er entweder von den Hunden eingeholt und zu Tod gebissen, oder -auf einen andern Baum getrieben, wo man ihn wiederum, wenn möglich -ohne Schuß, der sein kostbares Fell verderben könnte, zu erlangen -sucht. Ist ein Zobel erbeutet, so wird er in ein Tuch gewickelt -und mit einem Stück Holz so lange geklopft, bis das Innere zu Brei -zerschlagen ist und durch kleine Löcher um den After und die Augen -herausgenommen werden kann. Dann wird das Fell umgedreht und weiter -präpariert. Auf diese Weise wird es ermöglicht, das ganze Fell völlig -unverletzt in den Handel zu bringen. Jedenfalls ist der Zobelfang -eine ununterbrochene Reihe von Mühseligkeiten aller Art, und wenn ein -Jäger zwanzig Zobelfälle auf einer Expedition erbeutet, so schätzt er -sich glücklich. Für ein einzelnes Zobelfell erhält der Jäger Waren -im Werte von 16 Rubeln (= 52 Mark). In St. Petersburg gilt es dann -ein Mehrfaches davon. Völlig wertlos sind die Bälge der im Frühjahr -erbeuteten Zobel, auch wenn sie noch ihre Winterhaare haben, denn -dieses fällt selbst dann noch aus, wenn die Haut schon hergerichtet -ist. Natürlich wird von dem kostbaren Pelz jedes Fleckchen verwertet; -so werden beispielsweise die helleren und dunkleren Partien der Kehle -zu farbenprächtigen Pelzstücken zusammengefügt, die als Mantelfutter -sehr beliebt sind. Infolge des Immerseltenerwerdens des Zobels machen -sich die Zobeljagden je länger um so schlechter bezahlt, so daß die -russischen Pelzhändler in diesem Jahre beschlossen, den Präsidenten -des Ministerrats telegraphisch um ein Verbot des Zobelfangs während -zweier Jahre zu bitten. Nur hierdurch könne der Ausrottung des Zobels -vorgebeugt werden. - -Unter unseren einheimischen Säugetieren liefert der ~Baum-~ oder -~Edelmarder~ (_Mustela martes_) das weitaus kostbarste Pelzwerk, das -in seiner Beschaffenheit am meisten demjenigen des Zobels ähnelt. Die -schönsten und größten liefert Skandinavien. Diese sind noch einmal -so dicht und so lang als diejenigen unserer deutschen Edelmarder und -in der Farbe grauer. Unter den deutschen finden sich mehr gelbbraune -als dunkelbraune, welch letztere mehr in Tirol vorkommen und dem -amerikanischen Zobel oft täuschend ähneln. Die südlicher vorkommenden -Edelmarderarten sind heller, blaßgraubraun oder gelbbraun. Der -Edelmarder lebt von menschlichen Wohnungen weit entfernt in Wäldern -und findet sich um so häufiger, je einsamer, dichter und finsterer sie -sind. Er ist ein echtes Baumtier und ein unübertroffener Kletterer, -bereitet sich in hohlen Bäumen, Felsspalten, verlassenen Nestern von -Wildtauben, Raubvögeln und Eichhörnchen ein weiches Lager aus Moos, das -er -- denn er besitzt gleichzeitig mehrere Wohnungen -- nach Störungen -mit einem andern vertauscht. Wo er sich sicher fühlt, geht er schon in -den frühen Abendstunden, sonst erst mit Beginn der Nacht auf Raub aus. -Vom Rehkälbchen und Hasen bis hinab zur Maus ist kein Säugetier vor -ihm sicher, ebenso Wald- und Feldhühner. Geräuschlos schleicht er zu -ihrem Lager, mag dieses auf einem Baume oder am Boden sein, überfällt -sie plötzlich und würgt sie ab, gierig sich am Blute der zerbissenen -Halsschlagader labend. Außerdem plündert er alle Vogelnester aus, -raubt den Bienen den Honig und sucht sich an Früchten und Beeren der -verschiedensten Art zu laben. Wenn ihm Nahrung im Walde zu mangeln -beginnt, wird er dreister und schleicht sich an die menschlichen -Wohnungen heran, um den Hühnerställen und den Taubenschlägen einen -Besuch abzustatten und darin große Verwüstung unter den Insassen -anzurichten. Er würgt nämlich, von Blutgier berauscht, auch dann -noch, wenn sein Hunger gestillt ist. Im Januar oder Februar findet -die Paarung statt und im April oder Mai wirft das Weibchen in sein -Mooslager 3-5 Junge, die 14 Tage lang blind sind, im Alter von 6-8 -Wochen jedoch schon selbständig auf den Bäumen herumspringen und von -den Alten sorgsam zur Jagd angeleitet werden. Solche Junge lassen sich -wie junge Zobel leicht zähmen, während alt eingefangene Individuen -ihre Wildheit niemals verlieren. Überall wird der Edelmarder auf das -eifrigste verfolgt, weniger um seinem Würgen zu steuern, als vielmehr -um sich seines wertvollen Felles zu bemächtigen. Man fängt ihn in -Tellereisen und Kastenfallen mit einem Stückchen in ungesalzener Butter -mit etwas Zwiebel und Honig gebratenem Brot, das man mit Kampfer -bestreut. Am leichtesten erwischt man ihn, wenn man ihn mit einem -scharfen Hunde bei Neuschnee bis zu seinem Lager verfolgt und ihn dort -schießt oder vom Hunde, gegen den er wütend springt, abwürgen läßt. - -Etwas kleiner als der Edelmarder und mit einem weit weniger -wertvollen helleren, kürzeren Pelze versehen ist der ~Stein-~ oder -~Hausmarder~ (_Mustela foina_), so genannt von seiner Vorliebe für -Felsen, Steinhaufen und menschliche Wohnungen, in denen er Mäuse, -Ratten, Hühner, Tauben und anderes Geflügel zu erbeuten hofft. Sein -Verbreitungsgebiet erstreckt sich weiter südlich und weniger nach -Norden als dasjenige des vorigen. In Deutschland ist er häufiger als -der Edelmarder, den er an Kühnheit übertrifft und dessen Lebensweise -sich fast ganz mit der seinigen deckt. Er ist schon aus dem Grunde -weit schädlicher als jener, weil er weit öfter Gelegenheit findet, -dem Menschen Verluste an seinem Hausgeflügel beizubringen und sein -Spalierobst zu brandschatzen. Wie seine Verwandten ist auch er im -Vergleich zu seiner Größe ein außerordentlich blutdürstiges Tier, das -oft mehr Beute tötet als es fressen kann. Während der Paarungszeit, -die Ende Februar, ungefähr drei Wochen später als diejenige des -Edelmarders, stattfindet, läßt dieser sonst schweigsame Marder -katzenähnliche, schon auf weite Strecken hörbare Rufe vernehmen. In -seinem in einer Baumhöhle, einer Felsenspalte oder an einem anderen -geschützten Ort aus Heu oder Stroh errichteten Nest wirft das Weibchen -4-5 vierzehn Tage lang blinde Junge, die sich leicht zähmen lassen. -Während das Fell des Edelmarders auf 30-100 Mark zu stehen kommt, -kostet das des Steinmarders 20-40 Mark. Auch sein Pelz ist um so -wertvoller, aus um so nördlicherer Gegend er stammt. So werden die -Edel- und Steinmarderfelle Nordeuropas meistens als Zobel verkauft, -obschon sie jenen an Wert weit nachstehen, nicht bloß wegen ihrer Farbe -und der geringen Haarlänge, sondern auch wegen der verhältnismäßig -bedeutenden Länge des von den Grannen kaum verdeckten Wollhaars. - -Der nächste mitteleuropäische Verwandte des Iltis ist das ~Hermelin~ -oder ~große Wiesel~ (_Mustela erminea_), das nördlich von den Pyrenäen -und dem Balkan in ganz Europa, ebenso in Mittel- und Nordasien bis -zur Ostküste Sibiriens vorkommt. In Deutschland ist es eines der -häufigsten Raubtiere, das tagsüber in einem Erdloch oder anderen -Schlupfwinkel schläft, um gegen Anbruch der Dämmerung rege zu werden -und außer Mäusen, Ratten, Schlangen und Eidechsen, Kaninchen, -Tauben, Hühner, Sperlinge, Schwalben, Lerchen und dergleichen aus -ihren Nestern zu holen. Meist jagt es paarweise, nicht selten -auch zu dreien, zeigt große Behendigkeit, tollkühnen Mut und eine -unbändige Mordlust. Im April oder Mai legt das Weibchen in ein -verstecktes, weich ausgepolstertes Nest 5-6 und mehr Junge, die es -sorgfältig beschützt und großzieht. In allen nördlicheren Gegenden -seines Verbreitungsgebietes wird es im Winter bis auf die auch dann -schwarzbleibende Schwanzspitze weiß, so bei uns in Deutschland, -wie in Skandinavien und dem schottischen Hochland, während es in -Nordengland häufig, aber nicht immer, und in Südengland nur selten -weiß wird. In die Enge getrieben, strömt es einen höchst unangenehmen, -durchdringenden Duft aus, wenn auch weniger stark als der Iltis. Es -wird in Fallen aller Art, auch Rattenfallen, in die es zufällig gerät, -gefangen. Jung aus dem Nest genommene Hermeline werden sehr zahm, -folgen ihrem Herrn wie ein Hund und bereiten ihm viel Vergnügen. Früher -war der Hermelinpelz sehr geschätzt und durfte nur von Fürsten getragen -werden. Heute tragen ihn oder dessen Imitation auch Bürgersleute; doch -ist er gleichwohl im allgemeinen weniger begehrt als einst, da die -Krönungsmäntel der Fürsten aus ihm mit den schwarzen Schwanzspitzen -wie Flämmchen zwischen dem reinen Weiß bestanden. Die aus nördlicheren -Gegenden stammenden Pelze sind gleichfalls besser und deshalb begehrter -als die aus südlicheren, die kürzeres, dünneres und weniger reinweißes -Haar besitzen. Während noch im Jahre 1833 über 100000 Hermelinfelle -nach England kamen, fand man später die Mühe des Sammelns nicht mehr -lohnend genug; doch hob sich in letzter Zeit ihr Import infolge der -gesteigerten Nachfrage in bedeutendem Maße und ist ihr Preis sehr stark -gestiegen. - -Weit weniger wertvoll ist der Pelz des kleinsten europäischen Marders, -des ~Wiesels~ (_Mustela vulgaris_). Es ist im Norden der ganzen Welt -verbreitet und findet sich in geeigneten Gegenden fast überall, indem -es in Baumhöhlen, Steinhaufen, altem Gemäuer, unter hohlen Ufern, in -Maulwurfsgängen, Hamster- und Rattenlöchern, im Winter in Scheunen, -Kellern und Ställen, unter Dachböden usw. Schlupfwinkel vor seinen -größeren Feinden sucht. Von dort aus unternimmt dieses kühne und -neugierige Tier, wo es ungestört ist selbst bei Tage, wo es aber -verfolgt wird bloß bei Nacht oder wenigstens tagsüber nur mit größter -Vorsicht, seine Raubzüge, bei denen es alle kleinen Tiere, die es zu -überwältigen vermag, abwürgt und frißt. Als geselliglebendes Tier jagt -es oft auch gemeinschaftlich, wobei es von den größeren Tieren, die -es mordet, nur das Blut leckt. Meist in einer Erdhöhle oder in einem -hohlen Baum wirft das Weibchen nach fünfwöchiger Tragzeit 2-3mal im -Jahr 5-8 Junge, die es lange säugt und dann noch mehrere Monate mit -Mäusen ernährt, die es ihnen lebendig zuträgt. Bei Gefahr verteidigt -es dieselben mit größtem Mute und trägt sie bei Beunruhigung im Maul -an einen andern Ort. Von Kindheit auf an den Menschen gewöhnt, werden -die Wiesel ungemein zahm und können 4-6 Jahre in der Gefangenschaft -aushalten. In der Freiheit dürften sie ein Alter von 8-10 Jahren -erreichen und machen sich durch die Mäusejagd, zu der sie sich -vortrefflich eignen, ungemein nützlich, so daß sie so viel als möglich -geschont werden sollten, um so mehr ihr winziges Pelzchen nur geringen -Wert hat. - -Sehr wertvoll ist der Pelz des früher besprochenen ~Fischotters~ -(_Lutra vulgaris_), der 30-50 Mark wert ist und zu Mützen, Kragen -und Verbrämungen verwendet wird. Noch beliebter ist er bei den -Mongolen, die viel höhere Preise als die Europäer für ihn bezahlen. Am -wertvollsten ist aber derjenige des nordamerikanischen Fischotters, -der einen Wert bis zu 200 Mark erreicht. Ein Riese von über 1 _m_ -Körperlänge und einem Schwanz von 60 _cm_ ist der ~brasilische -Fischotter~ (_Lutra brasiliensis_), der ungleich andern Ottern ein -ausgesprochenes Tagtier ist. Auch sein Fell steht hoch im Preise. -Unvergleichlich kostbarer als dieses ist aber das des ~Seeotters~ -(_Enhydris lutra_), der eine Gesamtlänge von 1,5 _m_ bei einer -Schwanzlänge von 30 _cm_ und ein Gewicht von 40-50 _kg_ erreicht. Der -lange, walzenförmige Körper trägt vorn kurze und hinten längere Füße -mit Schwimmhäuten. Das auffallend lose Fell besteht der Hauptsache -nach aus dem weichen Wollhaar von dunkelbrauner Farbe, zwischen dem -sich die langen, steifen, an der Spitze weißen Grannenhaare nur in -geringer Anzahl finden. Sie verleihen aber dem Pelz das prachtvolle, -silberschimmernde Aussehen und den herrlichen Glanz. Je gleichmäßiger -und dichter die Silberspitzen in dem Pelz verteilt sind, um so -kostbarer ist er; davon gibt es einzelne Stücke, die bis 8000 Mark wert -sind. Ein gutes Fell bringt schon dem kamtschadalischen Jäger 100 -Rubel ein und kostet durchschnittlich 1200-1600 Mark, in tadellosen -Stücken in Europa sogar 4000-6000 Mark. Im Frühjahr, vom März bis Mai, -ist der Pelz am besten. Daher wird die Jagd auf den Seeotter zu dieser -Jahreszeit am eifrigsten betrieben. Und zwar wird dieses Tier entweder -in seinem Lager beschlichen und getötet oder vom Boot aus, nachdem -man sich leise an dasselbe herangerudert hat, erschlagen, auch durch -Schüsse in den Kopf erbeutet. Zu Ende des Winters wird es auf dem Eise -auf Schneeschuhen eingeholt und mit einem Stocke totgeschlagen. - -Der Seeotter ist ein äußerst scharfsichtiges, kluges und behendes Tier, -das sich mit vollendeter Meisterschaft im Wasser bewegt und auch am -Lande sehr flink ist. Seine Heimat sind die Gestade des nördlichen -Stillen Ozeans. Längs der amerikanischen Küste geht er aber weiter nach -Süden als längs der asiatischen, wird aber auch hier dank der eifrig -auf ihn betriebenen Jagd immer seltener. Er ernährt sich der Hauptsache -nach von Schaltieren und Seeigeln, daneben von Krabben, weniger von -Fischen. Das, wie es scheint, zu verschiedenen Jahreszeiten geborene -einzige Junge ist erst im vierten oder fünften Jahre ausgewachsen; -es läßt sich in der Gefangenschaft nicht aufziehen, da es darin -ausnahmslos eines freiwilligen Hungertodes stirbt. Vielleicht weil es -da in größerer Menge sein Lieblingsfutter findet, zieht es gewisse -Örtlichkeiten anderen vor. So werden mehr als zwei Drittel der an den -Küsten von Alaska erbeuteten Seeotter in der Umgebung der Insel Saanach -und Chernobours erbeutet. Früher waren sie bei den ostwärts von den -Alëuten im Beeringmeer gelegenen Prybiloffinseln so häufig, daß in der -ersten Jagdperiode nach der Entdeckung dieser Inseln dort über 5000 -Stück erbeutet wurden. Sechs Jahre später war der Seeotter bei den -Prybiloffinseln vollständig verschwunden, und auch an fast allen andern -Stellen seines Verbreitungsgebietes ist er so selten geworden, daß -er, wenn er nicht aussterben soll, schleunigen Schutzes bedarf. Heute -werden jährlich höchstens 500 Seeotterfelle auf den Markt gebracht und -meist Kragen daraus geschnitten. In China sind solche Seeotterpelze -besonders beliebt und reiche Würdenträger lassen sich ganze Mäntel -daraus verfertigen, die selbst dort mit 15000-20000 Mark bezahlt werden -müssen. - -Ungefähr dieselben Breiten wie der Seeotter bewohnt die ~nordische -Bärenrobbe~ (_Otaria ursina_), eine in den männlichen Exemplaren bis -2,4 _m_ lange und 400 _kg_ schwere Pelzrobbe mit einem Gürtelumfang von -1,8-2,1 _m_. Während diese ihre volle Größe etwa im sechsten Jahre -erreichen, tun dies die viel kleineren Weibchen schon im fünften Jahre. -Sie werden nur 1,2 _m_ lang, 40-50 _kg_ schwer und erhalten einen -Gürtelumfang von 76 _cm_. In der Jugend sind sie glänzend schwarz, -später die Männchen an den oberen Teilen mit Ausnahme der Schultern -beinahe schwarz mit einer mehr oder weniger starken, bald mehr grauen, -bald mehr rötlichen Bereifung, auf den Schultern grau, am Gesicht -bräunlich, an der Brust bräunlich orangefarben und an Bauch und Beinen -rötlichbraun. Die Weibchen dagegen tragen ein viel helleres Gewand, das -oben ziemlich einförmig grau, unten dagegen bräunlich oder roströtlich -ist. Die Bärenrobbe kam früher an der amerikanischen Seite des Stillen -Ozeans südwärts bis nach Kalifornien vor, an der asiatischen bis zum -Südende der Insel Sachalin. Heute besucht sie zur Fortpflanzung vor -allem die beiden Inseln St. Paul und St. Georg der Prybiloffgruppe. -Das Klima dieser hochnordischen Inseln ist sehr unwirtlich; selbst -im kurzen Sommer bedeckt fast immer Nebel das Land, der Regen setzt -fast keinen Tag aus und im Winter liegt alles unter Eis und Schnee -begraben. Auf diesen vollständig öden und vom Menschen nicht bewohnten -Inseln erscheinen im Mai nach der Schneeschmelze zuerst die erwachsenen -Männchen der sonst im offenen Meer von Fischen lebenden Bärenrobbe. -Sie sind sehr scheu und halten sich zunächst immer dicht am Ufer auf, -später suchen sie sich mehr landeinwärts Standplätze auf, an denen im -Juni noch weitere Männchen zu ihnen stoßen, mit denen sie oft grimmige -Kämpfe ausfechten, um ihren jeweiligen Standort zu behaupten. Von den -fortwährenden Kämpfen mit den Nebenbuhlern erschöpft und verdrängt -müssen viele der ersten Ankömmlinge sich weiter landeinwärts einen -neuen Standplatz suchen; manche derselben gehen an den mit den scharfen -Eckzähnen erzeugten schweren Wunden zugrunde. Ein laut dröhnendes -Gebrüll, das selbst das Donnern der Brandung übertönt, wird von den -im ununterbrochenen Kampfe befindlichen Männchen ausgestoßen. Zu den -Kämpfen um den Platz treten nach Ankunft der Weibchen Mitte Juni die -um deren Besitz, die mit voller Wut während der ganzen Paarungszeit -fortgesetzt werden. Kein Wunder, daß die Männchen Mitte Juli, wenn die -letzten Weibchen ankommen, schon völlig erschöpft sind. Schließlich -haben aber die meisten Weibchen bekommen, deren Zahl je nach der -Stärke der Männchen und der Lage der von ihnen eingenommenen Plätze -verschieden ist. Bei einem durch die günstige Lage seines nur mit -einem Zugangsloch versehenen Platzes begünstigten alten Männchen hat -man über 45 Weibchen beobachtet; die in der Nachbarschaft des Ufers -festgesetzten Männchen haben durchschnittlich 12-15, die weiter ins -Land zurückgedrängten nur 5-9 Weibchen und manche der am weitesten -landeinwärts verdrängten Männchen erlangen überhaupt keine. Indessen -können etliche von den bis fast an den Schluß der Paarungszeit -unbeweibten Männchen die Stelle der inzwischen infolge Erschöpfung -abgezogenen Nebenbuhler einnehmen. Während der ganzen Paarungszeit, die -bis in den August hinein andauert, können die ihren Platz zu behaupten -wünschenden Männchen denselben auch nicht einen Augenblick verlassen -und fasten wenigstens drei, manchmal auch vier Monate hindurch. Dabei -leben sie von dem vorher reichlich angesammelten Speck. - -Die Weibchen der Bärenrobbe sind sehr sanftmütige Geschöpfe, die -niemals einen Streit miteinander haben und selten einen Schrei -ausstoßen, auch wenn sie von den Männchen roh behandelt oder gar mit -den Hauern schwer verwundet werden. Nur wenn sie ihr Junges geworfen -haben, blöken sie, um es an sich zu locken. Gleich bei ihrer Ankunft -werden sie von den dem Ufer nächsten Männchen mit aller Aufmerksamkeit -empfangen, wechseln aber in der Folge oft ihren Besitzer, indem sie -immer weiter nach dem Innern drängen, wo sie unter sorgfältiger -Vermeidung von Plätzen mit Wassertümpeln Herden bilden. Hier werfen -sie bald nach ihrer Ankunft je ein Junges, das sie immer wieder nach -ihren Exkursionen zum Fressen ins Meer aufsuchen, um es zu stillen. Mit -dem Größerwerden desselben bleibt die inzwischen aufs neue befruchtete -Mutter immer länger aus. Anfangs August versuchen sich die dem Ufer -nächsten Jungen im Schwimmen. Wenn auch die ersten Schwimmübungen sehr -unbeholfen ausfallen und bald eingestellt werden, so bilden sie sich -bald zu geschickten Schwimmern aus, die von Ende September in größeren -Gesellschaften das Meer nach Beute durchsuchen. Ende Oktober verlassen -sie mit den Müttern und älteren Geschwistern die Inseln, um sich mit -Eintritt des Winters nach dem wärmeren Süden zu begeben. - -[Illustration: - - Tafel 67. - - (_Copyright M. Koch, Berlin._) - -Biber.] - -[Illustration: - - (_Copyright M. Koch, Berlin._) - -Von Bibern errichteter Damm.] - -[Illustration: - - Tafel 68. - - (_Copyright Underwood & Underwood._) - -Junge Ohrenrobben am Strand der Insel Santa Catalina in Kalifornien.] - -Auf den Prybiloffinseln dürfen nur die unbeweibten ein- bis -sechsjährigen Männchen getötet werden, und auch diese nur in bestimmter -Zahl, um der Ausrottung der Tiere vorzubeugen. Die Regierung der -Vereinigten Staaten hat das alleinige Recht zum Robbenschlag auf den -Prybiloffinseln im Jahre 1869 an eine Handelsgesellschaft verpachtet -und ihr erlaubt, auf St. Georg jährlich 25000 und auf St. Paul 75000, -also zusammen 100000 junge Männchen zu töten. Durch die Ausbeutung -dieses Rechtes hat die Gesellschaft von 1869 bis 1889 über 33 Millionen -Dollar eingenommen, und zwar unter Aufwendung einer geringen Arbeit, -indem sich die ein- bis sechsjährigen männlichen Bärenrobben für sich -halten und von den Angestellten der Gesellschaft leicht vom Meere -abgedrängt werden können. Die auf dem Lande unbeholfenen, vor Angst -brüllenden Tiere werden nun langsam dem Innern zugetrieben, wobei sie -in einer halben Stunde beinahe einen Kilometer zurücklegen. Dann müssen -sie eine Zeitlang ruhen und sich erholen, bis sie weitergetrieben -werden können. Unterwegs werden alle wegen Beschädigung des Felles -unbrauchbaren Tiere und die etwa mitgefangenen Weibchen ausgesondert -und ihnen die Rückkehr zum Meere gestattet. Der anderen harrt, an den -Schlachtplätzen in der Nähe der Salzhäuser angelangt, ein schreckliches -Schicksal. Nachdem sie eingehürdet, sich gekühlt und ausgeruht haben, -werden sie in Scharen von 50-100 Stück durch Hiebe auf den Kopf mit -schweren eichenen Knütteln niedergehauen und von den noch warmen, -zuckenden Leibern die Felle abgestreift und in die Salzhäuser gebracht. -Hier werden sie immer zwei und zwei mit den Haarseiten aufeinander -gelegt und so schichtenweise verpackt, wobei jede Schicht mit einer -Lage Salz bedeckt wird. Nachdem die Felle so 2-3 Wochen gelagert -haben, werden sie paarweise, aber jetzt mit der Haarseite nach außen, -zusammengerollt und, in Fässer verpackt, in die Schiffe verstaut, die -sie nach London, dem Hauptmarkt dieser rohen Felle, führen. Von dort -kommen sie nach Entfernung des groben aschgrauen bis braunschwarzen -Grannenhaars als kostbarer ~Sealskin~ in den Handel, um als Jackett -eine Dame oder als Kragen den Mantel eines reichen Herrn zu zieren. -40-50 Robbenjäger töten und enthäuten an einem Tage bis zu 3000 Stück -der wehrlosen Pelzrobben. Während des Sommers 1872 haben 45 Leute -über 72000 Bärenrobben in weniger als vier Wochen zum Schlachtplatz -getrieben, getötet und abgehäutet. - -Trotz der Bestimmung, daß in jedem Jahre nur 100000 männliche -Bärenrobben getötet werden dürfen, soll diese Anzahl vielfach -überschritten werden. Die Folge davon ist, daß die Zahl der die -Prybiloffinseln zur Fortpflanzung aufsuchenden Bärenrobben immerfort -abnimmt. Die jungen Männchen und unfruchtbaren Weibchen bleiben auch -den Sommer über auf hoher See, wo ihnen britische Schiffe nachstellen. -Hat eins der wohlausgerüsteten etwa 50 britischen Segelschiffe eine -Bärenrobbe in der Beringsee gesichtet, so werden mit je zwei Matrosen -und einem mit zwei Schrotflinten und einer Kugelbüchse ausgerüsteten -Jäger bemannte kleine Boote auf die Pelzrobbenjagd ausgesandt. Ruhig -fährt das Boot an die wahrgenommene Bärenrobbe heran und der Jäger -sucht sie durch einen Schuß in den Kopf zu töten, was allerdings durch -die große Wachsamkeit der Tiere in den allermeisten Fällen vereitelt -wird, indem sie beizeiten die Gefahr merken und untertauchend in -die Tiefe verschwinden. Der Jäger soll nur dann schießen, wenn er -seiner Beute ganz sicher zu sein glaubt. Ist diese getroffen, so -beginnt sie sofort zu sinken, weshalb das Boot sich beeilen muß, an -den Kadaver heranzukommen, ihn zu gaffeln und an Bord zu nehmen. Die -auf die Robbenjagd geschickten kleinen Boote bleiben auf dem Wasser, -solange sie eine Bärenrobbe sehen können, und wenn sie manchmal auch -nur eine oder zwei während eines ganzen Tages erbeuten, so fallen -ihnen gelegentlich auch mehr, bis zwanzig, zum Opfer. Das Fleisch -dieser Tiere wird von den Eingeborenen, aber auch den Europäern, gern -gegessen, da es recht schmackhaft ist. - -In derselben Weise wie der Bärenrobbe wird auf den Prybiloffinseln -der im männlichen Geschlecht bis 4 _m_ langen, einen Umfang von 2,5-3 -_m_ und ein Gewicht von 500-650 _kg_ erreichenden ~Stellerschen -Ohrenrobbe~ (_Otaria stelleri_), von den Matrosen wegen ihres grimmigen -Gesichtsausdrucks ~Seelöwe~ genannt, nachgestellt. Diese größte aller -Pelzrobben, die in der Jugend lebhaft kastanienbraun, erwachsen dagegen -in beiden Geschlechtern hellrötlichbraun ist, wurde im Jahre 1741 -während Berings erster Forschungsfahrt in diesem Weltteil entdeckt -und von dem Bering begleitenden Naturforscher Steller, nach welchem -das Tier später benannt wurde, beschrieben. Da diese Robbe ihren -schweren Körper über Land nur sehr mühsam fortbewegt, begibt sie sich -während der Fortpflanzungszeit nicht so weit ins Land hinein wie die -Bärenrobbe, nämlich nicht sehr weit über den Bereich der höchsten Flut -hinaus. Während der Paarungszeit im Frühsommer besucht sie dieselben -Küstenstrecken wie die Bärenrobbe, die sie durch ihre bedeutendere -Stärke verdrängt, ohne daß sie sich ihrem gewaltigen Gattungsgenossen -gegenüber zur Wehr setzte. Doch scheint es die männliche Ohrenrobbe bei -der Bildung und Beschützung ihres Harems weniger genau zu nehmen als -die männliche Bärenrobbe. Die Ohrenrobbe ist äußerst scheu und wachsam -und läßt keinen Menschen nahe herankommen, ohne daß sie sich plötzlich -Hals über Kopf ins Meer stürzte. Hierbei werden die Weibchen von den -Männchen begleitet, die die Jungen bewachen, sie im Wasser schwimmend -umkreisen und sie so lange zusammenhalten, bis eine neue Landung -gefahrlos erscheint. Bei den Jungen bleiben auch die mit ihnen und den -Männchen ins Wasser geflohenen Weibchen, tauchen und schwimmen hierhin -und dorthin, beim jedesmaligen Auftauchen den Störenfried mit einem -heisern Grollen bedrohend. - -Auf ihren Paarungsplätzen erscheinen die männlichen Ohrenrobben im -Mai. Ihnen folgen 3-4 Wochen später die Weibchen, die ihre Jungen -einen Monat früher als die Bärenrobben werfen. Auch bei ihnen nehmen -die stärksten Männchen die meisten Weibchen in Beschlag, um bis Ende -September mit ihnen zusammenzubleiben. Gewöhnlich versammelt jedes -genügend starke Männchen 10-15 Weibchen um sich, um sie bald nach dem -Werfen der Jungen zu befruchten. Auch nach der Paarungszeit halten -sich die Ohrenrobben den ganzen Winter hindurch nahe der Küste. Doch -sind sie nicht mehr zahlreich auf den Prybiloffinseln. Man schätzt -die Anzahl der die Insel St. Paul besuchenden Ohrenrobben auf etwa -25000, während 7000-8000 auf die zweite Hauptinsel der Prybiloffgruppe, -St. Georg, kommen sollen. Ein Beobachter meint, daß übrigens nur -15000-20000 Ohrenrobben im Jahre die Prybiloffinseln besuchen. Auf -der Insel St. Paul werden die zum Abschlachten bestimmten Ohrenrobben -langsam der Küste entlang getrieben, wobei sie fortwährend tiefe -Klagetöne ausstoßen. Um die Tiere aufzuscheuchen, genügt es, in ihrer -Nähe plötzlich einen Regenschirm auszuspannen. Dies wird alle paar -Minuten wiederholt, bis die ganze Herde munter geworden ist und sich -unter viel Gebrüll und Gekläff in Bewegung setzt. Durch Rufe und -Flaggenschwenken am Ende und an den Rändern der Herde werden die Tiere, -die jetzt so gut wie möglich vorwärtshumpeln, so lange in Bewegung -gehalten, bis sie neuer Ruhe bedürfen. Endlich am Schlachtplatz -angelangt, werden die zum Erschlagen durch Keulen viel zu gewaltigen -ausgewachsenen Männchen mit Büchsen totgeschossen und ihr Fell -abgezogen. Die Weibchen und jungen Männchen dagegen, die die besten -Pelze liefern, werden erstochen. Mit einem scharfen Messer wird das -Unterhautzellgewebe der abgezogenen Häute und zugleich damit die tiefer -als die Wollhaare wurzelnden Grannenhaare durch Entwurzelung aus dem -Pelze entfernt. Im übrigen ist die Behandlung der Felle dieselbe wie -bei den Bärenrobben. - -Von ihnen wie von den weiter südlich lebenden Ohrenrobben wird auch -das Fett gesammelt und eingekocht, das schwach behaarte Fell der -letzteren zur Herstellung eines starken Leders erbeutet. Vor etwa -100 Jahren war die Zahl der Ohrenrobben vieler Gegenden ungeheuer -groß. An der chilenischen Küste, die seitdem nahezu eine Million -Felle lieferte, sollen damals 500000-700000 dieser Tiere gelebt -haben. In Südgeorgien wurden im Jahre 1800 nicht weniger als 112000 -Bärenrobben erbeutet, wovon auf ein einziges amerikanisches Schiff -rund 50000 kamen. Damals wurde auch die Entdeckung von Bärenrobben an -der australischen Küste bekannt, von wo im Jahre 1804 ein einziges -Schiff 74000 Häute ausführte. Auch an den südostwärts vom Kap der -Guten Hoffnung gelegenen Prinz Edward-Inseln wurden große Scharen von -Ohrenrobben erbeutet, und zwischen 1820 und 1821 wurden über 300000 -Häute von den Südshettlandinseln ausgeführt, wo 1821 über 100000 junge -Ohrenrobben, ihrer Mütter beraubt, zugrunde gingen. Von der in der -Nähe der Küste von Neusüdwales gelegenen Antipodeninsel wurden 1814 -und 1815 über 400000 Felle großer Pelzrobben ausgeführt, wovon der -vierte Teil bei der Ankunft in Europa wegen ungenügender Zubereitung -als Dünger verkauft oder fortgeworfen werden mußte. Kein Wunder, daß -die Anzahl der Pelzrobben der südlichen Meere schon im Jahre 1813 so -gering geworden war, daß die auf ihren Fang ausgehenden Schiffe statt -Gewinn meistens Verlust hatten, und daß eine den Pelzrobben geltende -Schiffsreise ein großes Risiko in sich faßte, ob sie sich überhaupt -bezahlt macht. So unvernünftig hat das grimmigste Raubtier, der Mensch, -mit den ihm unerschöpflich scheinenden Naturschätzen gewütet, die ihm -bei einigermaßen vernünftiger Ausbeutung viele Jahrhunderte hindurch -Reichtümer ohne Zahl gewährt hätten. Die einst immensen Herden von -Pelz- und Haarrobben sind heute so sehr zusammengeschmolzen, daß -jährlich insgesamt nur noch etwa 185000 Pelz- und 875000 Haarrobben -erbeutet werden. Wenn nicht ganz energische Schonungsmaßregeln von -seiten der betroffenen Nationen ergriffen werden, wird das völlige -Aussterben der großen Ohrenrobben wie so mancher anderer Wunder der -Schöpfung -- es sei hier nur an die gewaltige Stellersche Seekuh -erinnert -- nur eine Frage der Zeit sein. - -Ein anderes Wassertier, dessen Pelz sehr geschätzt wird, ist der -ebenfalls auf den Aussterbeetat gesetzte ~Biber~, von dem in einem -früheren Abschnitte eingehend die Rede war. Für den Handel ist nur noch -mit dem Biber in Nordamerika, speziell Kanada, zu rechnen. Von dort -kommen ungefähr noch 50000 Felle jährlich in den Handel. Die Farbe -des Bibers, die gewöhnlich auf der Oberseite dunkelbraungrau, auf der -Unterseite dagegen heller ist, variiert ganz bedeutend. Es gibt von -ihm ganz helle und ganz dunkle Exemplare; die Pelze der letzteren -sind die wertvollsten. Bei deren Zubereitung wird das grobe, braune -Grannenhaar entweder stehen gelassen oder entfernt, so daß nur das -weiche, dichte, graublaue Wollhaar zurückbleibt, das ein sehr feines, -überaus geschätztes Pelzwerk liefert. - -Eines der wichtigsten Pelztiere ist der ~Fuchs~, dessen Lebensweise -ebenfalls bereits besprochen wurde. Der bei uns heimische Rotfuchs -mit rötlichgelbem, auf dem Rücken braunrotem Pelze hat an seiner -dichten, buschigen Lunte meistens eine weiße Spitze. Je nach ihrer -Farbe und Dichtigkeit steigen die Felle des Fuchses bedeutend an Wert. -Die schönsten für Pelzwerk in Betracht kommenden Rotfüchse stammen -aus Alaska und Kamtschatka; aber auch Sibirien hat sehr gesuchte -Fuchspelze. Im Gouvernement Tobolsk wurden in den letzten Jahren -50000-75000 junge und nur 5000-10000 ausgewachsene Füchse jährlich -gefangen. In den Gouvernements Jakutsk und Jenissei, wo die Jungen -nicht gefangen werden dürfen, kommen jährlich 15000 bis 25000 Füchse -zur Strecke. Zu diesem Rotfuchs tritt in den Polarländern noch der -Weißfuchs. Eine besondere Art desselben mit blaugrauer Farbe ist -der Blaufuchs, der schon sehr hoch im Preise steht. Bei weitem am -kostbarsten sind aber die Silber- oder Schwarzfüchse, die in Sibirien, -auf den Alëuten und im nördlichsten Teile Kanadas leben, aber heute -infolge der unaufhörlichen Verfolgung überall selten geworden sind, so -daß man sie manchenorts in regelrechte Zucht in eingehegten Revieren -genommen hat, um einigermaßen mühelos ihren kostbaren Pelz zu erhalten. -Derselbe hat ganz schwarzes, sehr feines, langes Haar, das stets -nach unten fällt. Trägt dieses Haar weiße Spitzen, so wird der Pelz -Silberfuchs genannt, überwiegt aber das reine Schwarz in der Färbung -und sind nur wenige Stellen mit Silberhaaren bedeckt, dann heißt der -Pelz Schwarzfuchs. Ganz reine Schwarzfüchse ohne jedes Silber sind ganz -außerordentlich selten. Von ihnen werden jährlich noch nicht ein halbes -Dutzend erbeutet, und der Wert eines solchen Felles steigt bis auf -12000 Mark. - -In den Provinzen Schensi und Schansi wird das an Gestalt der -Angoraziege ähnliche Tibetschaf in großen Massen nur des Pelzes wegen -gezüchtet. Der deutsche Pelzhandel kennt diese Felle, die sich durch -eine feine, langhaarige, glänzendweiße Wolle auszeichnen, seit kaum -20 Jahren. Heute aber werden jährlich wenigstens 600000 Stück davon -importiert, und zwar meist schon in zugerichtetem Zustande, was die -Chinesen, die überhaupt Meister in der Kürschnerkunst sind, ganz -vortrefflich besorgen. In den weiten Ebenen und Steppen der Bucharei -dagegen lebt in großen Herden bis zu 5000 Stück das auf Seite 127 -besprochene Fettschwanzschaf von Arkalabstammung, das die schwarzen, -seidenglänzenden, vielfach gekräuselten und gerollten Pelze gibt, -die unter dem Namen Astrachan, Krimmer oder Persianer in den Handel -gelangen und prächtige Wintermäntel und Jacken liefern. Ihn erzeugen -die ganz jungen Schafe, während die Felle der neugeborenen Lämmer, die -ein eigenartiges, moiréähnliches Muster zeigen, Breitschwanz genannt -werden. Letztere werden an Ort und Stelle schon mit 8 Mark das Stück -bezahlt, während die Felle der älteren Lämmer als Astrachan nur 4 bis 5 -Mark kosten. Um die Bildung der feinen Löckchen des Felles zu fördern, -näht man zuweilen die jungen Lämmer während ihres kurzen Lebens in ein -Fell oder ein Stück grobe Leinwand ein. Die Bucharen sind sehr stolz -auf diese ihre Schafe, die so herrliche Felle besitzen und die es noch -nicht gelang anderswo anzusiedeln. Die Felle werden alljährlich von den -Vertretern großer Pelzfirmen an Ort und Stelle eingekauft oder gelangen -auch auf die großen Märkte nach Astrachan. Sie werden darauf in rohem -Zustande in besonderen Fabriken einer ersten Präparierung unterworfen, -die sie für die Reise nach Europa geeignet macht. Hier werden sie -vollends gereinigt und, da das natürliche Schwarz zu stumpf wirkt, noch -künstlich gefärbt, bis sie den sie so beliebt machenden schwarzen Glanz -erlangt haben. - -Zu Nachahmungen wertvollerer Pelze dient hauptsächlich der dichte -Winterpelz des ~Kaninchens~. Zu diesem Zwecke wird er gewöhnlich -geschoren, gefärbt und kommt dann als Sealkanin, Nutriakanin, -Chinchillakanin und Zobelkanin in den Handel. Am beliebtesten ist das -Fell des Silberkaninchens, das im Rohzustande herrliche Imitationen -des echten Hermelins liefert. Deshalb wird dieses Tier in sehr großen -Mengen gezüchtet und seine Felle in gewaltiger Zahl namentlich in die -romanischen Länder eingeführt, wo sie meist sehr gut bezahlt werden. -Außer durch Kaninchenfell wird der so beliebte Chinchillapelz vielfach -auch durch das Fell einer australischen Beuteltierart imitiert. Das -Fell des nordischen Eisfuchses wird sehr häufig durch dasjenige des -nordischen Schneehasen nachgeahmt oder aus dem Felle des vorhin -genannten weißen Tibetschafes imitiert, nachdem es durch Aufbügeln -und Auskämmen einem Regenerationsverfahren unterworfen wurde. Auf -eine bestimmte nordische Wolfsart führt meist der vielgerühmte -Kamtschatkafuchs seinen Stammbaum zurück und hinter dem Luchspelz aus -Rußland steckt in der Regel das Fell eines australischen Beuteltieres. -Der russische Edelmarder entpuppt sich dem Kundigen nicht selten -als Fell des nordamerikanischen Opossums, also ebenfalls eines -Beuteltieres. Gleicherweise werden auch die als Kolinski bezeichneten -Felle des tatarischen Marders durch diejenigen von Hauskatzen geschickt -nachgeahmt. - -Wie die Säugetiere der nördlichen Breiten mit ihrem dichten Pelz, -müssen die Vögel der sonnenreichen Tropenländer mit ihrem herrlichen -Gefieder dem Menschen dienen. Wie jene hat er deshalb auch diese mit -erbarmungsloser Gier in ungezählten Scharen gemordet, so daß das Herz -jedes Naturfreundes sich in Bitterkeit zusammenkrampft, wenn man -bedenkt, wie scheußlich gegen jene frohe, bunte Schaar im Laufe der -letzten Jahrzehnte dank der infamen, launischen, von den herz- und -gedankenlosen Halbweltdamen in Paris zum größten Teil diktierten Mode -gewütet wurde. Und dank ihrer angeborenen Eitelkeit macht auch die -bessere, anständige Frau jenen frivolen Hetären all diesen Blödsinn -nach. Der beklagenswerten Mode des Tragens von bunten Vogelfedern oder -ganzen Vogelbälgen auf den Damenhüten sind schon viele Milliarden Vögel -in der herrlichsten Zeit ihres Lebens, in der Zeit der Fortpflanzung, -wenn sie ihr schönstes Kleid, das Hochzeitskleid, anhaben, herzlos -in den Tod geschickt und mit ihnen ihre Brut dem Hungertode und -der Vernichtung preisgegeben worden. Wir haben bei Besprechung der -kulturgeschichtlichen Rolle der Straußenfeder gesehen, daß ihr im -15. Jahrhundert am üppigen, reichen burgundischen Hofe die zierliche -Aigrette als Hutschmuck vorausging. Diese Aigrette wurde ursprünglich -vom ~Silberreiher~ (_Ardea alba_) gewonnen, der am liebsten in schwer -zugänglichen Rohrdickichten an den Ufern stehender oder langsam -fließender Gewässer nistet und einst wie in ganz Südeuropa, so in den -Donautiefländern, von Ungarn an bis in die Dobrudscha hinein, ein -häufiger Brutvogel war. Durch die ihm seiner prächtigen Schmuckfedern -wegen bereiteten Nachstellungen ist er nicht nur dort, sondern überall -auf der Welt, wo er nistet, selbst in den entlegensten Gegenden, -überaus selten geworden. Auch der dieselben Gegenden bewohnende überaus -anmutige ~Seidenreiher~ (_Ardea garzetta_), der in den Brutkolonien -seine Nester fast ausnahmslos auf den obersten, ziemlich dünnen -Seiten- und Gipfelzweigen der Bäume errichtet, in denen er von Ende -Mai an seine 3-4, selten 5 hellbläulichgrünen Eier bebrütet, ist -dank den eifrigen Nachstellungen beinahe ausgerottet, obschon seine -Schmuckfedern viel weniger begehrt sind und dementsprechend niedriger -im Preise stehen als diejenigen des Silberreihers. Die mit sparrigen, -kurzen Strahlen versehenen Schmuckfedern dieser Edelreiher stehen bei -dem Männchen den Rücken entlang und nicht am Hinterkopfe, wie man -gewöhnlich glaubt. Ihretwegen werden sie geschossen. So hat man im -Jahre 1898 in Venezuela allein 1538738 dieser Edelreiher zur Gewinnung -der Aigretten getötet; zehn Jahre später konnte man nur noch 259916 -derselben erbeuten. Dort und in Mittelamerika, Afrika und Ostasien, -wo er einst in ungezählten Scharen lebte, ist er so überaus selten -geworden, daß man trotz der hohen Preise die größte Mühe hat, die -Nachfrage nach den Aigretten zu befriedigen. - -Eine einzige Sendung eines großen Londoner Hauses umfaßte außer 19000 -Aigretten 80000 Seevögel und 800000 Paare von Flügeln verschiedener -Art. Eine andere einer Berliner Firma enthielt 32000 Kolibris. Die -Kolibrifedern dienen nicht nur zur Verzierung von Damenhüten, sondern -auch zum Garnieren von Schuhen, von denen allerdings ein Paar 6000 -Mark kostet. So ist es kein Wunder, daß z. B. auf der Insel Trinidad, -wo der Gang der Ausrottung überschaut werden kann, von ursprünglich 18 -Kolibriarten nur noch 5 existieren. Von den wundervollen Paradiesvögeln -Neuguineas kamen 1907 19742 Bälge in London auf den Markt. Eine einzige -Sendung einer Londoner Firma zählte 28300 Bälge dieser Art auf und -täglich laufen neue große Sendungen derselben in London ein. Kürzlich -schossen japanische Raubjäger auf einsamen Inseln der Hawai-Gruppe -250000 brütende Albatros, jene herrlichen Flieger des offenen Meeres, -die mitten auf den gewaltigen Wasserwüsten der Ozeane als fast einzige -Vertreter der Vogelwelt anzutreffen sind, um sie über Japan auf den -Londoner Mark zu bringen. In einer einzigen Saison wurden von einer -Pariser Modistin 40000 Seeschwalben verbraucht. Hunderttausende von -nützlichen einheimischen Schwalben und Stieglitzen, wie der schönsten -und seltensten exotischen Vogelarten werden jährlich der Eitelkeit der -europäischen Frau geopfert. Wie die Paradiesvögel stehen vor allem -die herrlichen Glanzstaare, Quesals, Trogone, Sittiche, Kolibris und -zahlreiche andere Schmuckvögel der Tropen auf der Liste der bald der -Ausrottung Verfallenen. So hat man berechnet, daß für die europäische -Damenwelt allein über 300 Millionen Ziervögel jährlich ihr Leben lassen -müssen. Es ist dies, wie _Dr._ Paul Sarasin in Basel in seinem Aufruf -zur Gründung eines Weltnaturschutzbundes mit Recht sagt: „ein die -Natur beleidigendes Riesenopfer an die Eitelkeit und Herzlosigkeit der -europäischen Frau.“ - -Es wäre höchste Zeit, daß die betreffenden Nationen sich in zwölfter -Stunde aufrafften, um diesem sinnlosen Treiben der Ausrottung der -schönsten Geschöpfe unserer Erde ein jähes Ende zu setzen. Haben -wir nicht in den bunten Seidenbändern und den mit großer Naturtreue -erzeugten künstlichen Blumen hübsche Garnituren genug, um auch die -größten Ansprüche der verwöhntesten Dame zu befriedigen? - -Außer Pelz und Feder ist auch das ~Schildpatt~ und die Haut mancher -Schlangen und Alligatoren ein gesuchter Handelsartikel. Das Schildpatt -oder Schildkrot wird von der eine Gesamtlänge von nahezu 1 _m_ -erlangenden, als gieriger Räuber ausschließlich von tierischen -Stoffen lebenden ~Karettschildkröte~ (_Chelone imbricata_) gewonnen. -Diese lebt nicht nur im Indischen und Stillen, sondern auch im -Atlantischen Ozean, hat zwar ungenießbares Fleisch, liefert aber -durch ihre 3-7 _mm_ dicken, auf braunem Grunde eine gelbe Zeichnung -tragenden, dachziegelartig angeordneten Rückenplatten, von denen -ein ausgewachsenes Tier 2-6 _kg_ besitzt, ein wichtiges Rohmaterial -für allerlei Schmucksachen, wie Kämme, Dosen und Einlegearbeiten. -Dieses Schildpatt wird indessen auch von mehreren anderen verwandten -Schildkröten gewonnen und kommt in bester Beschaffenheit von -Indonesien, in großer Menge aber auch vom Roten Meer, von Westindien -und den Küsten Südamerikas in den Handel. Nur wenn es stark erwärmt -wird, löst es sich leicht vom Rückenpanzer der betreffenden -Schildkröte. So wird dieses bedauernswerte Tier über einem Feuer -aufgehängt und so lange geröstet, bis jene Wirkung erzielt worden -ist. Die Chinesen, die einsahen, daß das Schildkrot durch trockene -Wärme leicht verdorben werden kann, bedienen sich gegenwärtig zu -diesem Zwecke des kochenden Wassers. Nach überstandener Ablösung des -Schildkrots gibt man die Karettschildkröte wieder frei und läßt sie dem -Meere zulaufen, da man glaubt, daß sich das Patt wieder erzeugt. - -Das Schildpatt übertrifft nicht nur an Schönheit und Güte jede andere -Hornmasse, sondern läßt sich auch leicht zusammenschweißen. Es -genügt, die einzelnen Tafeln, die ungleich dick und spröde sind, in -siedendheißes Wasser zu tauchen und sie dann zwischen Metallwalzen zu -pressen. Bei hinreichendem Druck haften sie so fest aneinander, daß man -die einzelnen Teile nicht mehr unterscheiden kann, behalten dabei auch, -nachdem sie langsam erhärtet sind, jede ihnen im erweichten Zustande -beigebrachte Form vollkommen bei und eignen sich somit vortrefflich -zur Herstellung von Dosen und Kämmen. Selbst die Abfälle können noch -gut benutzt werden, da man mit ihnen die Vertiefungen zwischen den -einzelnen Tafeln ausfüllt und sie wieder in der Wärme so lange preßt, -bis sie sich mit jenen innig verbunden haben. - -Dieses Schildpatt wurde schon im hohen Altertum zur Herstellung von -allerlei kostbaren Schmuckgegenständen verwendet. So sagt Seneca, der -Erzieher Kaiser Neros: „Die Schale der Schildkröte, dieses scheußlichen -und über alle Maßen faulen Tieres, wird mit großer Kunst und Sorgfalt -bearbeitet, durch allerlei Mittelchen bunt gefärbt und zu ungeheueren -Preisen gekauft.“ Und Plinius schreibt in seiner Naturgeschichte: -„Carvilius Pollio, ein verschwenderischer und in Gegenständen des -Luxus erfinderischer Mann, hat zuerst die Schalen der Schildkröten -zerschneiden und mit den Platten Betten und Präsentierteller überziehen -lassen.“ Auch Ovid, Vergil, Martial, Juvenal und Lucanus erwähnen das -Schildpatt, von dem Julius Capitolinus speziell berichtet, daß in Rom -kaiserliche Prinzen in damit ausgelegten Badewannen gebadet wurden. -In der Renaissancezeit wurden damit besonders kunstvolle Einlagen in -wertvolle Möbel erzeugt. Erst in der Neuzeit sind Dosen und Kämme -daraus verfertigt worden. Jetzt wird es sehr viel, wie das teure -Elfenbein, in billigem Celloidin nachgeahmt. - -Verwandt mit der Karettschildkröte ist die viel größere -~Suppenschildkröte~ (_Chelone viridis_), die bei den Feinschmeckern in -hohen Ehren steht. Dieses im Stillen, im Indischen und im Atlantischen -Ozean, selten als Irrgast auch im Mittelmeer auftretende, 2 _m_ lang -und 500 _kg_ schwer werdende Tier lebt vorwiegend von Pflanzen, -namentlich von Seetang, und wird von Westindien aus lebend auf den -europäischen Markt gebracht. Im Meere schwimmt es mit solcher Kraft, -daß es sich ungefährdet in die stärkste Brandung wagen darf. Nur zum -Eierlegen verlassen die weiblichen Suppenschildkröten das hohe Meer -und steuern bestimmten, altgewohnten, von Menschen nicht bewohnten -Plätzen mit sandigem Ufer zu, um dort nachts ihre Eier lose in den -Sand zu vergraben. Dabei lassen sie sich von den Menschen leicht -erbeuten. Doch muß er sich ganz leise an sie heranschleichen, da das -ungemein argwöhnische und trotz seines stumpfsinnigen Benehmens mit -sehr scharfen Sinnen ausgestattete Tier beim geringsten Verdacht -schleunigst dem Meere zustrebt und, wenn es das Wasser auch nur mit den -Vorderflossen erreicht hat, selbst durch die vereinte Kraft mehrerer -Männer nicht mehr zurückgehalten zu werden vermag. Ist es weit genug -vom rettenden Wasser entfernt, so muß man versuchen, den mit seinen -riesigen Ruderfüßen wütend um sich schlagenden Koloß auf den Rücken zu -werfen, wozu ein einzelner Mensch manchmal nicht stark genug ist. Auf -dem Rücken liegend ist die Schildkröte völlig wehrlos und endgültig -in die Gewalt des Menschen gegeben. Am folgenden Morgen werden die -Gefangenen in eigens für sie bereitete Behälter mit Seewasser oder -auf die Schiffe gebracht. In der Gefangenschaft fressen sie kaum, -magern deshalb rasch ab und verlieren ihren Wert. Auf dem Verdeck der -Schiffe werden sie auf dem Rücken liegend mit Stricken befestigt, ein -Tuch über sie gebreitet und dieses so oft mit Seewasser begossen, daß -es beständig naß oder wenigstens feucht bleibt. In den europäischen -Seestädten hält man sie in großen Kübeln, die alle 2 bis 3 Tage einmal -mit Wasser gefüllt werden, schlachtet sie dann, indem man ihnen den -Kopf abhackt, und hängt sie 1-2 Tage so auf, daß alles Blut ablaufen -kann. Erst dann hält man das Fleisch geeignet zur Bereitung von -köstlichen Suppen. - -Die Indianer Südamerikas töten diese und andere Meerschildkröten -des Öles wegen, das in ihrem Fleische enthalten ist, kochen es -aus und sammeln die zahlreichen Eier, die im Sande oder noch im -Leibe des Tieres enthalten sind, in großen Körben, um sie zu Hause -zu verzehren. Die Eier mehrerer, die südamerikanischen Flüsse -bewohnender ~Halswenderschildkröten~ (_Pleurodira_) sind für manche -Indianerstämme von größtem Nutzen. Am berühmtesten wurde aber durch -die farbenreiche Schilderung Alexanders von Humboldt die im ganzen -tropischen Südamerika östlich der Anden lebenden ~Arrauschildkröte~ -(_Podocnemis expansa_), ein Tier von 77 _cm_ Panzerlänge und einem -Gewicht von 20-25 _kg_. Zur Zeit des niedrigsten Wasserstandes der -von ihr bewohnten Flüsse, zu Anfang März, kommt diese Schildkröte -alljährlich an die von ihr zur Eiablage bevorzugten sandigen Ufer und -Inseln und genügt ihrem Fortpflanzungstrieb. Hier wird sie teilweise -von den in großer Menge zur Ernte herbeieilenden Indianern erlegt; zum -weitaus größten Teile läßt man sie unbehelligt ihre taubeneigroßen, -mit ziemlich dicker Pergamentschale versehenen Eier ablegen, um diese -zu erbeuten. Die betreffenden sandigen Ufer sind dann durchschnittlich -1 _m_ tief damit gefüllt. Sie werden von den Indianern mit den Händen -ausgegraben, in Körben ins benachbarte Lager getragen und in große, -mit Wasser gefüllte hölzerne Tröge geworfen. In diesen werden sie mit -Holzschaufeln zerdrückt, umgerührt und der Sonne ausgesetzt, bis der -obenauf schwimmende ölige Teil, das Eigelb, dick geworden ist. Das Öl -wird dann abgeschöpft und über starkem Feuer gekocht. Gut zubereitet -ist es farblos mit einem Stich ins Gelbliche, geruchlos, um so besser -haltbar, je stärker es gekocht wurde und dient als sehr geschätztes -Speisefett. Da es meist recht unreinlich gewonnen wird und teilweise -ausgebildete und dann in der Weiterentwicklung gehemmte Keime enthält, -die verfaulen, besitzt es in der Regel einen fauligen Geschmack, der -aber der Wertschätzung von seiten der Indianer keinen Eintrag tut. - -Begreiflicherweise ist keine Schildkröte in engere Beziehungen zum -Menschen getreten. Dagegen ist dies mit einigen anderen Reptilien -der Fall, vor allem mit einigen Schlangen, die der Mensch teils -aus heiliger Scheu wegen ihres überaus giftigen Bisses, teils aus -praktischen Gründen, weil sie ihm bei der Bekämpfung der seinen -Vorräten schädlichen Mäuse und Ratten gute Dienste leisten, in -Kultpflege nahm. Bei manchen Volksstämmen Indiens und Afrikas sind -verschiedene gefürchtete Giftschlangen geradezu heilige Tiere, denen -regelmäßig Opfer von Milch dargebracht werden. Dies war schon im -Altertum der Fall, wo beispielsweise in Ägypten die überaus giftige -~Hornviper~ (_Cerastes cornutus_), ein typischer sandfarbener -Wüstenbewohner, als heiliges Tier in einigen Tempeln gehalten und vom -Menschen gefüttert wurde. Gleicherweise geschah es im alten Athen -mit der ungiftigen ~Natter~, von welcher der Geschichtschreiber -Herodot erzählt: „Die Athener sagen, als Schutzgeist wohne in ihrer -Burg im Tempel der Athene eine große Schlange, und diese füttern sie -alljährlich mit einem Honigkuchen. Als nun die Perser die Stadt mit -Heeresmacht bedrohten, verkündete die Priesterin der Pallas, diesmal -sei der sonst immer verzehrte Honigkuchen unberührt geblieben. Hieraus -schlossen nun die Athener, die Göttin habe die Stadt verlassen; sie -faßten demnach alsbald den Entschluß, ein Gleiches zu tun, schafften -ihre Habe fort und begaben sich auf die Schiffe.“ Die Rolle, welche -die harmlose ~Äskulapnatter~ (_Coluber aesculapi_) als heiliges Tier -des Heilgottes Asklepios an dessen Heiligtümern in Griechenland und -später, als sein Dienst bei Gelegenheit einer schweren, drei Jahre -die Stadt heimsuchenden Seuche nach Rom überpflanzt wurde, im ganzen -römischen Reiche spielte, ist zu bekannt, als daß hier näher darauf -eingetreten zu werden brauchte. Diese zutrauliche Schlange wurde auch -sonst in römischen Haushaltungen als guter Geist und Mäusefängerin -gehalten und mit Milch gefüttert, so wie heute überall in Brasilien -halbzahme ungiftige Hausschlangen an Stelle der Katzen zur Befreiung -der Häuser von der lästigen Mäuseplage gehalten werden. Unter diesen -ist die beliebteste eine Giboea genannte kleine Art Boa von etwa 4 _m_ -Länge und der Dicke eines Arms. Diese wird z. B. auf den Märkten von -Rio de Janeiro, Pernambuco und Bahia für 4 bis 5 Mark verkauft und -findet stets Abnehmer. Die Schlange liegt den ganzen Tag schläfrig im -Hausflur; erst bei Eintritt der Nacht beginnt sie ihre Jagd, gleitet -geräuschlos den Mauern entlang und schnellt geschwind wie der Blitz auf -eine Maus oder Ratte zu, die sie mit tödlicher Sicherheit ergreift. Sie -begnügt sich aber nicht mit einem Fraß, sondern tötet die schädlichen -Nager massenhaft aus bloßer Mordlust. Ihrem Herrn gegenüber wird sie -vollständig zahm und bekundet große Anhänglichkeit an das Haus, das sie -fast niemals verläßt, so daß eine gute Hausschlange für den Besitzer -ein wahrer Schatz ist. - -Von den Reptilien sind sonst einzig noch die ~Alligatoren~ zu halben -Haustieren erhoben worden, und zwar weil ihre Haut ein zur Mode -gewordenes geschätztes Luxusleder, ihre Zähne einen beliebten Schmuck -liefern und winzige Alligatorbabies nebst mit Edelsteinen gezierten -kleinen Schildkröten, die gleicherweise als lebende Broschen getragen -werden, die „Lieblingstiere“ der extravaganten reichen Amerikanerinnen -geworden sind. Um nun diese durch die zunehmende Besiedelung immer -seltener werdenden Tiere leichter erlangen zu können, haben findige -Yankees begonnen, sie zu züchten. So gibt es in den Vereinigten -Staaten, besonders in Kalifornien, eigentliche Alligatorenfarmen, in -denen diese gefürchteten Saurier in besonderen Gehegen gehalten werden. -Um sich vor Schaden zu schützen, legt der Farmer den bösartigsten -dieser in Pflege genommenen Echsen einen regelrechten Maulkorb an. -Im Monat Juli scharren sich die Weibchen aus Riedgras und Reisig ein -primitives Nest zusammen und legen 30-40 längliche Eier hinein. Ist -dies geschehen, so bedecken sie dieselben sorgfältig mit demselben -Material und überlassen der Sonne das Ausbrüten ihrer Nachkommenschaft. -Der Farmer aber entnimmt den Nestern alsbald die meisten Eier, um -sie einem Brutapparat anzuvertrauen. Darin werden die Eier bei einer -Temperatur von 70° _C._ unter täglicher Anfeuchtung in etwa 60 Tagen -ausgebrütet. Haben die Jungen die Eischale verlassen, so sind sie schon -eine gesuchte marktfähige Ware. Sie gedeihen ohne besondere Pflege und -werden mit Fleischabfällen gefüttert. Ihr Wachstum geht außerordentlich -langsam vor sich. So hat ein zwei Fuß langes Tier ein Alter von -annähernd zehn Jahren, während ein zwölf Fuß langes oft das stattliche -Alter von hundert Jahren aufzuweisen hat. Die großen Exemplare sind für -Menagerien und zoologische Gärten sehr begehrt. - - - - -XXVIII. Die Transpender. - - -Das Tier war dem Menschen der älteste Fettlieferant, den später -mit dem Aufkommen des Hackbaues und dem Anpflanzen gewisser Öl in -ihren fettreichen Samen liefernder Pflanzen das vegetabilische Fett -wenigstens bei den Kulturvölkern mehr und mehr verdrängte. Gleichwohl -nimmt auch der gesittete Kulturmensch gern die Fettquellen des -Tierreichs in Anspruch, um seinem gesteigerten Bedarf nach solchen -Genüge zu tun. Unter diesen sind die Transpender die wichtigsten. Es -sind dies alles dem Leben im Wasser angepaßte Raubtiere, teilweise -geistig sehr hochstehende warmblütige Säugetiere, deren Körper zur -Aufrechterhaltung der bedeutenden Eigenwärme in dem sehr viel besser -als die Luft die Wärme leitenden nassen Element eine dicke Schicht -eines schlechten Wärmeleiters umgibt. Diese warmhaltende Fettumhüllung -in Form einer massenhaften Ansammlung von im Lebendzustande flüssigem -Fett im Zellgewebe vermindert zugleich das bedeutende Gewicht der meist -eine gewaltige Größe erreichenden Tiere, läßt sie dementsprechend -leichter in der salzigen Flut schwimmen und hilft zugleich den riesigen -Wasserdruck bzw. die Schwankungen desselben beim raschen Hinabtauchen -in große Tiefen und Wiederauftauchen ohne Schaden ertragen. Und je -nördlicher das Wohngebiet der betreffenden Tierart sich erstreckt, je -größer also die Wärmeabgabe im eisigen Meerwasser ist, um so mächtigere -Fettschichten sammelt das betreffende Tier um sich an. - -Die gesuchtesten, weil ausgiebigsten Fettspender sind die heute nur -noch im hohen Norden in einiger Zahl vorkommenden ~Wale~, die man -nach ihrem Gebiß in ~Zahn-~ und ~Bartenwale~ einteilt. Beide Arten -von Tieren sind Räuber, die ausschließlich von tierischer Beute sich -ernähren. Während aber die Zahnwale auch größere Tiere, besonders -Tintenfische und Fische in teilweise größerer Meerestiefe erbeuten -und fressen, ernähren sich die nur in ihrer Jugend rudimentäre -Zähne aufweisenden und später kammartig von den Rändern des Gaumens -herabhängende Barten aus ~Fischbein~ ausbildenden Bartenwale von -winzigen pelagischen Weichtieren, meist Flügelschnecken, die sie zu -Tausenden mit jedem Schluck Meerwasser in die Mundhöhle aufnehmen. -Beim Schließen und Zusammendrücken der Mundhöhle fließt das Wasser -durch das Nachobenpressen der gewaltigen Zunge seitwärts durch die -feinen Lücken des Fischbeinsiebes in Gestalt der Barten ab, während die -kleinen Weichtiere zurückbleiben und durch den engen Schlund in den -Magen und Darmkanal zur Verdauung und Assimilation aufgenommen werden. -Diese Fischbeinsiebe sind bei manchen Walen nur wenige Dezimeter, bei -vielen aber auch 4-5 _m_ lang und ebensoviele Dezimeter breit. Das -Fischbein von Walen der besten Art wiegt zuweilen 1500 _kg_, ist für -die Industrie außerordentlich wertvoll und kann für manche Zwecke kaum -durch einen andern Stoff ersetzt werden; von anderen Arten aber ist -es so kurz, schlecht und brüchig, daß es nur einen niedrigen Preis -erzielt. Diese letzteren, die schon für 1 Mark das Kilogramm zu haben -sind, bilden nicht den Gegenstand des eigentlichen Fischbeinhandels, -der ausschließlich mit den Barten der rückenfinnenlosen Glattwale sich -beschäftigt. Diese nennt man deshalb auch die Rechtwale (engl. _right -whales_), und zwar unterscheidet man als die besten die „Polarbarten“ -des Grönlandwals, dann die an Güte nächstfolgenden „Nordwestbarten“ -des Japanwals und endlich die „Südseebarten“ des Südpolarwals, deren -Verwendung im eigenen Lande der Weltmarkt den Japanern und Australiern -um so weniger streitig macht, als sie kleiner und weniger elastisch -sind als jene. Für die Damenkonfektion und die Peitschenindustrie, -wofür das Fischbein heute noch unersetzlich ist, werden die -Fischbeinlamellen in großen Dampfkesseln erhitzt und dann nach -Entfernung der minderwertigen Außenteile von Reißern genannten Arbeiten -dem Fasernwuchs entsprechend der Länge nach gespalten. Diese Stangen -werden von Arbeiterinnen weitergespalten, auf rotierenden Filzscheiben -poliert und grosweise zum Versand fertiggemacht. Mit der zunehmenden -Abnahme der Wale ist das Fischbein außerordentlich teuer geworden, so -daß es schon heute einen kostbaren Artikel darstellt. - -Die Wale sind ins Wasser gegangene und dementsprechend umgestaltete -Huftiere, wie die Seekühe ins Wasser gegangene Elefantenverwandte -und die Robben ins Wasser gegangene Raubtiere sind. Im Gegensatz zu -den durch Kiemen atmenden Fischen haben die durch Lungen atmenden -Wale als mächtiges Auftriebswerkzeug zum regelmäßigen Emporsteigen -an die Oberfläche des Wassers zum Luftatmen eine wagrechtstehende -Schwanzflosse ausgebildet und fehlt bei ihnen, weil als Wärmeschutz -des Körpers überflüssig, das bis auf wenige Borsten an Kinn und -Oberlippe aufgegebene Haarkleid der Säugetiere. Zur raschen Bewegung -im Wasser wurde der Hals unterdrückt und wurden die sieben Halswirbel -zu schmalen, platten Scheiben zusammengepreßt, die vielfach noch -untereinander verwachsen sind. Vom Schultergürtel ist nur noch das -Schulterblatt vorhanden, während die vorderen Gliedmaßen mit einer -Überzahl von Fingern zu Steuerflossen verändert wurden. Von den -hinteren Gliedmaßen sind nur noch im Fleisch verborgene Rudimente -vorhanden. Die markhöhlenlosen Knochen sind mit Fett erfüllt. Am -Schädel ist der Hirnteil ausnehmend klein, doch ist die Intelligenz -der Wale nicht so gering, wie man vermuten könnte. Die Sinnesorgane -sind nicht besonders entwickelt, das Gesicht ist schlecht, das Gehör -ziemlich gut, der Geruch vollkommen fehlend. Die auf dem höchsten -Teile des Kopfes ausmündende Nase ist nur ein Luftkanal, der -unten in den fest verschließbaren Kehlkopf mündet und die während -des langen Schwimmens unter Wasser in den Lungen zurückgehaltene -körperwarme Atmungsluft mit großer Gewalt nach außen schleudert. Diese -ist mit Feuchtigkeit gesättigt und verdichtet sich in der kalten -Atmosphäre der nordischen Meere zu einer Art Dampfstrahl. Das ist -das sogenannte „Spritzen“ der Wale. Der mehrfache Magen deutet auf -Huftierverwandtschaft. Das Blutgefäßsystem zeichnet sich durch häufige -Auflösung der größeren Blutgefäße in sogenannte Wundernetze aus, die -offenbar den chemischen Atmungsprozeß, d. h. die Abgabe von Sauerstoff -und Aufnahme von Kohlensäure seitens des Blutes, verlangsamen und -so den Tieren langes Anhalten des Atems und damit langes Tauchen -ermöglichen. Besonders an Herz- und Lungenschlagader finden sich -sackförmige Blutbehälter, in welchen sich sowohl arterielles als -venöses Blut ansammeln kann. So können große Wale 10-20 Minuten, bei -Verfolgung sogar bis eine Stunde unter Wasser bleiben. Die Brutpflege -ist dem Wasserleben angepaßt. Die Milchdrüsen liegen in Vertiefungen -zu beiden Seiten der Geschlechtsöffnung und die Milch wird dem Jungen, -das meist in einer wenig tiefen Bucht sehr hoch entwickelt geboren -wird und sogleich der Mutter folgt, durch den Druck eines besonderen -Muskels ins Maul gespritzt, sobald es dieses in die erwähnte Vertiefung -hineinstreckt. Wie die Tragzeit bei den größeren Arten bis auf zwei -Jahre geht, ist die Säugezeit auf mindestens ein Jahr anzunehmen. Dabei -wird das Junge von der um es sehr besorgten Mutter unter Nichtachtung -ihres eigenen Lebens verteidigt. - -Die Wale kommen in allen Meeren vor, leben gesellig in sogenannten -„Schulen“ und machen, ihrer Lieblingsbeute nachziehend, weite -Wanderungen. Während sie früher nicht selten waren, sind sie heute -nur noch in geringen Resten vorhanden, was jeder Naturfreund in hohem -Maße bedauern muß. Allerdings werden nicht alle Walarten gewerbsmäßig -verfolgt, sondern nur alle diejenigen, bei denen der Wert der Ausbeute -die Gefahr und Mühe des Fangens und die Kosten der Ausrüstung aufwiegt. -Nur beim Küstenfang, der bloß gelegentlich betrieben wird, und zwar -wenn eben Wale an den Küsten erscheinen, ist man nicht besonders -wählerisch; dann muß die Masse es bringen, wie man zu sagen pflegt. -Dabei werden auch kleinere Walarten oft zu Hunderten vermittelst Booten -in seichte Buchten getrieben und dort jämmerlich abgeschlachtet. Den -Menschen kommt hierbei zustatten, daß die Wale sich leicht durch den -Lärm anrückender Boote aufscheuchen und sich in ihrer Verwirrung auf -den Strand treiben lassen. Brechen aber erst einige durch die Linie der -Boote hindurch, so folgt ihnen unaufhaltsam in geschlossener Masse die -ganze Schule und die Menschen haben das Nachsehen. Große Wale dagegen -kommen selten der Küste so nahe, daß sie sich auf den Strand treiben -lassen; sie müssen kunstgerecht verfolgt und erlegt werden, was früher -mit Harpunen geschah, jetzt aber mit aus kleinen Kanonen gefeuerten -Granaten mit Widerhaken an etwa 700 _m_ langem, glatt geöltem, -ungemein leicht ablaufendem Tau geschieht. Sobald das aus der kleinen, -beweglichen Harpunenkanone gefeuerte Stahlgeschoß tief in den Körper -des Wales gedrungen ist, explodiert es daselbst, wobei ein zweiter -dumpfklingender Schuß ertönt. Dies tötet den Wal meist augenblicklich. -Sollte dies nicht der Fall sein und der Wal zu entfliehen versuchen, -so spreizen sich beim Anziehen des Harpunentaues die beweglichen -Widerhaken der Granate und halten ihn am leicht ablaufenden Taue fest. -Vom Blutverlust und vom Ziehen des schweren Schiffes ermattet der Wal -bald, stirbt und wird an Bord gezogen, um schon hier oder später am -Lande zerlegt zu werden. Im ersteren Falle wird der Körper durch eine -starke, vom Vordersteven aus um die Schwanzwurzel geschlungene Kette -längsseit mit dem Kopf nach hinten festgelegt und die Speckhülle in -Längsstreifen abgelöst, wobei ein Teil der Mannschaft von einem vom -Bord herabgelassenen Hängegerüst aus mit scharfen, langgestielten -Spaten arbeitet. Ein anderer Teil schneidet die an Bord gehißten -Speckstreifen klein und bedient die großen Trankessel, die nur anfangs -mit Holz, später mit den Grieben des ausgelassenen Specks geheizt -werden. Der so gewonnene Tran wird in Fässer gefüllt und diese werden -dann in mehreren Lagen im Schiffsraum verstaut. Ebenso wird das -wertvolle Fischbein losgelöst und im Schiff aufgestapelt, um später zu -sehr guten Preisen verkauft zu werden. - -Die ersten Nachrichten über den Walfang stammen aus dem 9. Jahrhundert -von Angelsachsen und Isländern; doch beschränkte man sich damals -wesentlich auf den gelegentlichen Küstenfang. Erst seit dem 13. -Jahrhundert begannen die Basken als kühne Seefahrer besonders die -großen Bartenwale mit eigens zu diesem Zweck ausgerüsteten Schiffen bis -nach Grönland hin zu verfolgen. Als mit ihrem politischen Niedergang -auch ihre Seeschiffahrt aufhörte, traten besonders holländische, später -auch britische Walfänger an ihre Stelle und machten ungeheure Beute. -In der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts sandten die Holländer in -manchen Jahren etwa 260 Schiffe mit 14000 Seeleuten auf den Walfang -aus. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gesellten sich zu ihnen die -Engländer in namhaften Kontingenten, so daß die Zahl der Fangschiffe -in die Tausende, die der getöteten Wale in die Zehntausende und der -Gesamterlös aus diesen in die Hunderte von Millionen ging. Um auch sein -Volk an diesem großen Gewinn zu beteiligen, ließ Friedrich der Große -gegen das Ende seiner Regierungszeit ebenfalls Walfänger ausrüsten. -Doch war damals die goldene Zeit des Walfanges schon vorbei. Im 19. -Jahrhundert verringerte sich die Zahl der erbeuteten Wale dermaßen, -daß man schon in die entlegensten Gebiete des hohen Nordens und Südens -fahren mußte, um überhaupt noch Beute zu machen. Gegenwärtig sind die -Nordamerikaner die wichtigsten Waljäger, die auch die Südpolarwelt nach -den so geschätzten Tranlieferanten absuchen und noch einigermaßen gute -Geschäfte machen, bis auch ihnen einmal durch gänzliche Ausrottung -dieser Meeresriesen das Geschäft unmöglich gemacht wird. - -Unter allen Walen ist der 18-20 _m_ lang werdende, schwarz gefärbte -~Grönlandwal~ (_Balaena mysticetus_) einer der gesuchtesten, da -er 130-200, manchmal sogar 280 Faß Tran und 500-1500 _kg_ dunkles -Fischbein in mehr als 380 in der Mitte 3-4 _m_ lang werdenden Platten -liefert. Letztere sind sehr geschätzt und kosteten schon 1881 22000 -Mark die 1000 _kg_, heute aber über 56000 Mark. Je nach der Größe -repräsentiert dieser Wal einen Wert von 20000 bis 40000 Mark, so daß -man begreift, daß er ein sehr gesuchtes Beutetier ist. Er schwimmt -in kleinen Gesellschaften den seine Nahrung bildenden Ruderschnecken -des Nordens nach, sammelt sich im Herbst in größeren Schulen, um nach -Süden zu ziehen, wo er den Winter über verbleibt. Nach der Schätzung -Sachkundiger legt er beim gewöhnlichen Schwimmen durchschnittlich 8 -_km_ in der Stunde zurück, kann sich aber bei Verwundung mit mehr als -doppelter Geschwindigkeit fortbewegen. Verwundet bleibt er bis zu 50 -Minuten lang unter Wasser, während er sonst alle 12-15 Minuten zum -Atemholen an die Oberfläche kommt. So plump auch sein Leib erscheint, -so rasch und geschickt sind seine Bewegungen. Von Natur ist er sehr -friedfertig, ja äußerst furchtsam, so daß er die Boote seiner Verfolger -nie angreift. Im Frühjahr bringt das Weibchen nach einer Tragzeit von -14 Monaten ein einziges, selten zwei Junge zur Welt, die ein Jahr lang -gesäugt werden, wobei sich die Alte etwas zur Seite neigt, um ihnen -die Zitze darzubieten. Das Wachstum geht sehr rasch vor sich, so daß -das Junge bereits während der Saugzeit eine Länge von 6 _m_ bei einem -Umfange von 4 _m_ und ein Gewicht von 6000 _kg_ erreicht. - -Im nördlichen Stillen Ozean ist der wichtigste Bartenwal der ~Grauwal~ -(_Rhachianectes glaucus_), der im männlichen Geschlecht 11-13, im -weiblichen 12-14 _m_ lang wird, oben bläulichgrau, unten fast weiß -ist und nur 45 _cm_ lange, spröde gelbe Barten besitzt. Auch er ist -infolge der eifrigen Verfolgung sehr selten geworden, so daß er in -Gefahr schwebt, ausgerottet zu werden. Der einst auch im Norden sowohl -des Stillen als des Atlantischen Ozeans verbreitete ~Südwal~ (_Balaena -australis_) kommt im eigentlichen südlichen Eismeer nicht mehr vor. Er -war der wichtigste Transpender der baskischen Walfänger, bis er zu Ende -des 16. Jahrhunderts bei uns so selten geworden war, daß diese sich dem -Fange des wertvolleren Grönlandwales zuwandten. - -Weit öfter als diese und besonders der Grönlandwal wird der plumpe -~Buckelwal~ (_Megaptera longimana_) in Schulen angetroffen. Dieser oben -schwarze, unten aber dunkelaschfarbene Wal von bis 15 _m_ Länge, mit -kurzen, breiten Barten, die grob sind und wenig federn, kommt zu beiden -Seiten des Äquators bis zum nördlichen und südlichen Eismeer vor und -hat seinen Namen von einer buckelartigen Erhebung auf dem hinteren Teil -des Rückens, die eine kleine Rückenflosse trägt. Die bis 4,3 _m_ langen -Brustflossen haben ihm den Namen Langflossenwal eingetragen. Er bewegt -sich meist sehr lebhaft, wird aber nicht selten an ruhigen, sonnigen -Tagen schlafend an der spiegelnden Meeresoberfläche angetroffen. Das -Buckelwalweibchen wirft oft zwei Junge und hat, auch wenn es nur eines -besitzt, nach der langen Säugezeit kaum mehr Speck. Überhaupt liefert -mancher Buckelwal nur 8-10 Faß Tran, während fette deren bis 75 Faß -liefern. - -Weit größere Kehlhautfurchen als die Buckelwale besitzen die -~Finnwale~, Tiere, die ihren Namen von einer kleinen, sichelförmigen, -weit hinten auf dem Rücken stehenden Rückenfinne oder Rückenflosse -haben. Diese schlanken Tiere mit flachem, zugespitztem, ⅕-¼ der -Gesamtlänge einnehmendem Kopf haben nur kleine, schmale, bloß vier -Finger in sich bergende Brustflossen und kurze Barten mit grobem -Fischbein. Die Mitglieder der in allen Meeren vertretenen Gattung -waren früher, solange die echten Wale noch häufiger waren, weniger -zahlreichen Verfolgungen durch Walfänger ausgesetzt, da sie sich -schneller bewegen und schwerer zu töten sind, zudem weniger Speck und -nur ein schlechtes Fischbein liefern. Auf der Nordhalbkugel leben -vier Arten, nämlich der selten über 20 _m_, meist nur 18-19,5 _m_ -lange ~gemeine Finnwal~ oder ~Rorqual~ (_Balaenoptera musculus_), -der oben schiefergrau und unten weiß gefärbt ist und wie der vorige -hauptsächlich Fische frißt. Er wird nicht selten in Scharen von 10-20 -Stück angetroffen, spielt gern um fahrende Schiffe herum und wird -im Schwimmen an Geschwindigkeit und Kraft nur vom ~Riesenfinnwal~ -(_B. sibbaldi_) übertroffen, der bis zu 26 _m_ lang wird und bei -dieser Länge etwa 90 Fässer Tran liefert. Er besitzt lange Kiefer und -große Brustflossen, entwickelt mit seiner mächtigen Schwanzflosse -eine unvergleichliche Kraft und treibt beim Ausatmen seinen -wasserdampfgesättigten Hauch höher als die anderen Walarten. Schiffen -folgt er manchmal auf weite Entfernungen, ist aber weniger kühn als der -gemeine Finnwal. Im Frühling zieht er nordwärts und im Herbst südwärts. - -Nicht wie diese von Fischen, sondern ausschließlich von kleinen Krebsen -lebt ~Rudolphi’s Finnwal~ (_B. borealis_), der bis 16 _m_ lang wird und -auf bläulichschwarzem Grunde längliche weiße Flecken aufweist. Er atmet -geräuschloser als seine Artgenossen und macht beim Auftauchen statt -5-6 Atemzügen deren nur 1-2. Auch er wird eifrig verfolgt, obschon er -nur halb so viel wert ist als der gemeine Finnwal, nämlich nur etwa -700 Mark, und bloß 15-30 Fässer Tran liefert. Der kleinste Finnwal ist -der durch seine zugespitzte Schnauze ausgezeichnete ~Schnabelwal~ (_B. -rostrata_), der selten über 10 _m_ lang wird. Er ist oben grauschwarz, -unten weiß und hat nahezu weißes Fischbein. Er wird in den nördlichen -Meeren beider Erdhälften noch ziemlich häufig gefunden, fühlt sich -ganz wohl zwischen Eisschollen und wird meist allein, selten paarweise -angetroffen. Er besucht gern die Fjorde und Buchten Norwegens, in denen -er mit Netzen gefangen und daraufhin mit Speeren getötet wird. - -Zu den Zahnwalen gehört als deren von den Walfängern gesuchtester -Vertreter der über alle wärmeren Meere verbreitete, im nördlichen oder -südlichen Eismeer fehlende ~Potwal~ (_Physeter macrocephalus_). An -Größe steht er nur einigen der längsten Bartenwale nach. Die Männchen -erreichen 17-18 _m_ Länge, während die schlankeren Weibchen bedeutend -kleiner bleiben. Früher sollen gelegentlich Männchen von 24 m Länge -gefangen worden sein, die bis 100-120 Fässer Tran lieferten. Außer -diesem gewinnt man von ihm noch das sogenannte Walrat oder Spermaceti, -ein wasserhelles Öl, das sich vornehmlich im Kopfe des Tieres, dann -in einer bis zum Schwanze verlaufenden Röhre und in vielen kleinen, -in Fleisch und Fett zerstreuten Säckchen gefunden wird, in der Kälte -gerinnt und dann eine weiße Färbung annimmt. Das grobfaserige Fleisch -wird von vielen dicken Sehnen durchflochten. Der große Rachen geht -fast bis zum Auge und trägt eine Reihe wurzelloser, kegelförmiger -Zähne von wechselnder Zahl, weil manche ausfallen und im höheren Alter -nicht mehr ersetzt werden. Die Zunge ist mit ihrer ganzen Unterseite -am Grunde des Unterkiefers festgewachsen; der Magen ist vierteilig. -Gewöhnlich trifft man den Potwal in Gesellschaften an, die 20-30 -Stück verschiedenen Alters und Geschlechts unter Anführung von alten -Männchen vereinigen. Gern treibt er sich in der Nähe von Steilküsten -umher, meidet aber ängstlich die ihm so gefährlichen Untiefen, obwohl -er auch dort gelegentlich angetroffen wird. Beim ruhigen Schwimmen -gleitet er leicht unter der Oberfläche dahin, bei schnellerem dagegen -schlägt er so heftig mit dem Schwanz auf und nieder, daß sein Kopf -bald tief untersinkt, bald hoch emportaucht. Gar nicht selten stellt -er sich senkrecht ins Wasser, was andere Wale kaum je tun. Er soll -in einer Stunde 20-24 _km_ weit schwimmen können. Seine Hauptnahrung -bilden große, in ziemlicher Tiefe lebende Kopffüßler, die wir teilweise -nur aus Potfischmägen kennen. Von diesen Tintenfischen bildet sich in -seinen Gedärmen eine immer eine Anzahl von Krakenschnäbeln aufweisende -wachsartige, leichte Masse von verschiedener Färbung, die einen höchst -angenehmen Geruch besitzt, durch Kochen sich in ein Öl umwandeln und -bei großer Hitze verflüchtigen läßt. Es ist dies der einst als Arznei -sehr gesuchte Amber, der heute nur noch in der Parfümerie eine große -Rolle spielt. Viel häufiger als aus dem Leibe des Potwals gewinnt man -ihn durch Auffischen im Meere, wo man ihn in oft sehr großen Klumpen -von bis 90 _kg_ Gewicht antrifft. Außer Tran, Walrat und Amber finden -auch die Zähne des Potwals Verwendung. Sie sind zwar im Innern etwas -gelblich, doch sehr fest und dienen zur Herstellung von Knöpfen und -Spielmarken. 1 _kg_ derselben wird mit 5-8 Mark bezahlt. - -Bei der Vielseitigkeit seiner Nutzstoffe ist es kein Wunder, daß -diesem Ungeheuer schon lange eifrig nachgestellt wird, obschon er -der wehrhafteste aller Wale ist und verwundet ohne Scheu die größten -Schiffe angreift, auch nicht selten kleinere Segler und Kutter zum -Kentern bringt und die Menschen durch seinen ungestümen Angriff -gefährdet. Im vergangenen Jahrhundert haben ihn besonders Engländer und -dann Amerikaner im Stillen Ozean verfolgt und große Reichtümer durch -ihn gewonnen, da ein ausgewachsenes Männchen Stoffe im Werte von bis -zu 20000 Mark liefert. Seit zwei Menschenaltern aber ist der Ertrag -des Potwalfanges bedeutend zurückgegangen, weil er bei der jetzigen -Seltenheit des Tieres kaum mehr lohnt. Sein Tran wird teuerer bezahlt -als anderer Walfischtran. Von ihm gibt es mehrere Abarten. Alle sind so -sehr dem Leben auf hoher See angepaßt, daß sie in der Nähe der Küste -häufig hilflos werden und stranden. - -Hierin stimmen mit den Potwalen die verschiedenen ~Entenwale~ -(_Hyperoodon_) überein, die der Hauptsache nach durch gestrandete -Exemplare bekannt wurden. Auch sie leben im offenen Meere und ernähren -sich von pelagischen Tintenfischen. Sie haben ihren Namen von der -schnabelartigen Form ihrer längeren oder kürzeren Schnauze, besitzen -aber im Gegensatz zu den Potwalen im Unterkiefer nur ein bis zwei Paar -Zähne, die besonders bei den Männchen sehr groß werden. Der gemeinste -von ihnen ist der im männlichen Geschlecht 9 _m_, im weiblichen -7,3 _m_ lang werdende ~Dögling~ oder ~Entenwal~ im engeren Sinne -(_H. rostratus_), bei dem die beiden an der Spitze des Unterkiefers -stehenden Zähne während des Lebens vollständig im Zahnfleisch versteckt -bleiben. Dieser in der Jugend oben schwarze, mit zunehmendem Alter -aber hellbraun und zuletzt fast gelb werdende Zahnwal ist auf den -Norden des Atlantischen Ozeans beschränkt und gehört zu den wandernden -Walen, der aber nicht weit über Großbritannien hinaus nach Süden -vorzugehen scheint, da man an der Westküste von Frankreich und Spanien -noch niemals Exemplare von ihm gestrandet fand, wie dies im Herbste -gewöhnlich an den Küsten des Kanals und der Nordsee der Fall ist. Schon -früh im Jahre wandert dieser Entenwal nach Norden, um in größerer Tiefe -seine größtenteils aus Tintenfischen bestehende Nahrung zu erbeuten. -Dem weiten Weg in die Nährgründe entsprechend bleibt er sehr lange -unter Wasser und atmet sehr schwer, wenn er wieder auftaucht. Mit -großer Lebendigkeit schwingt er sich gelegentlich hoch in die Luft, -um nach Artgenossen Umschau zu halten; denn, wenn er auch meist in -einzelnen, übrigens gewöhnlich noch jungen Stücken, ausnahmsweise auch -als altes Weibchen mit seinen beiden Jungen auf den Strand gerät, -trifft man ihn als geselliges Tier meist in Herden von 4-10 Stück. -Sie werden manchmal von einem der allerdings häufig einzeln lebenden -erwachsenen Männchen geführt und vom Geselligkeitstrieb so beherrscht, -daß die Mitglieder einer Herde bei einem verwundeten Genossen bleiben, -bis er tot ist, so daß man bisweilen sämtliche Mitglieder einer Herde -nach und nach töten kann. Die Erbeutung des wenig furchtsamen, dagegen, -wie es scheint, sehr neugierigen Döglings wird auch durch dessen -Gewohnheit, um die Schiffe herum und darunter hinweg zu schwimmen, sehr -erleichtert; doch ist er sehr zählebig. Alte Männchen haspeln rasch die -ganze Harpunenleine ab und bleiben zuweilen zwei Stunden unter Wasser, -um anscheinend völlig munter wieder zu erscheinen. Dennoch ist sein -Fang lohnend genug, da erwachsene Männchen in ihren Köpfen wenigstens -100 _kg_ Walrat haben und außerdem mehrere Faß Tran liefern. - -Auf der südlichen Erdhalbkugel, wie es scheint, in größerer Anzahl -vertreten als auf der nördlichen, sind die in verschiedenen Arten -bekannt gewordenen ~Riemenzahnwale~ (_Mesoplodon_), so genannt, weil -die beiden, gewöhnlich nicht am Ende, sondern mehr in der Kiefermitte -stehenden Zähne des Unterkiefers zwar zugespitzt, aber seitlich -stark zusammengedrückt sind, wodurch sie namentlich bei einer Art -der Gattung, bei der sie stark verlängert und gebogen sind, eine -riemenartige Gestalt annahmen. An den europäischen Küsten ist der -etwa 4,5 _m_ lang werdende ~Sowerby’s Riemenzahnwal~ (_M. bidens_) -der häufigste. Er ist durch einen fast geraden Schnabel, von welchem -an sich der Kopf allmählich wölbt, um vor dem Atemloche eine ziemlich -starke Hervorragung zu bilden, und durch seine verhältnismäßig kleinen -Zähne gekennzeichnet. - -Den Entenwalen näher steht der sehr weit verbreitete, aber seltene -und nur von gestrandeten Stücken bekannte ~Cuvierswal~ (_Ziphius -cavirostris_). Bei ihm sind die an der Spitze des Unterkiefers -stehenden beiden Zähne gut entwickelt. Von allen Walen aber strandet -am allerhäufigsten der zu den Rundkopfwalen gehörende ~Grindwal~ -(_Globiocephalus melas_), dessen große Geselligkeit ihm bei Gefahr -regelmäßig verderblich wird. Kaum ein Jahr vergeht, in welchem nicht -hier oder da eine größere oder geringere Zahl dieser Tiere, die zu den -wichtigsten Nutztieren der Nordländer gehören, auf den Strand läuft. Im -Jahre 1779 verunglückte eine Herde von 200, 1805 eine solche von 300 -Stück auf den Shetlandinseln; in den Jahren 1809 und 1810 wurden gar -1110 Stück in einer nach den Grindwalen Walfjord genannten Bucht auf -Island durch die eifrigen Bemühungen der Menschen ans Ufer geworfen, -und 1845 sollen in einem Zeitraum von sechs Wochen 2080 Stück auf den -Faröerinseln in ähnlicher Weise erbeutet worden sein. Überall, wo sich -Herden dieses Tieres zeigen, erfolgt eine allgemeine Jagd auf sie. Die -ganze Fischerflotte der Nachbarschaft eilt unverzüglich aufs Meer, -um den Tieren durch Bildung eines aus Booten bestehenden Halbkreises -den Rückzug abzuschneiden und die ganze Grindwalgesellschaft in -eine Bucht oder dergleichen hineinzutreiben, wobei man die Tiere -durch Werfen von zu diesem Zwecke reichlich mitgenommenen Steinen zu -erschrecken sucht, wenn sie durchzubrechen versuchen. Gelingt der -auf den Faröerinseln noch durch Seile, mit Strohpuppen von Boot zu -Boot gezogen, erschwerte Durchbruch auch nur einem einzigen Wal, so -ist die ganze Gesellschaft für die Fischer verloren, weil dann die -übrigen Tiere trotz aller Bemühungen der Fischer dem ersten folgen. -Gelingt es aber, die Grindwale in seichtes Wasser zu treiben, so -drängen sie in ihrer Angst so ungestüm vor, daß sie stranden. Dann -eilt die ganze Bevölkerung mit allerlei Waffen, wie Harpunen, Speeren, -Beilen, Pickeln, Spaten u. dgl. herbei, um unter heillosem Geschrei -den hilflosen Tieren den Todesstreich zu geben. Weithin färbt sich das -Meer vom Blut der Gemordeten rot. Solcher Tag bedeutet einen Festtag -für die Insulaner; denn bei der meist gewaltigen Beute gibt es Fleisch -und Speck die Fülle. Zuerst werden Leber, Herz und Nieren als besondere -Leckerbissen gegessen; dann labt man sich an Fleisch und Speck, und was -man von diesen nicht essen kann wird eingesalzen oder getrocknet. Auf -jeden Grindwal rechnet man eine Tonne Tran. Unter allen Angehörigen -der artenreichen Delphinfamilie ist der Grindwal einer der größten. Er -wird nämlich etwa 6 _m_ lang und bildet unter allen Walen die größten -Scharen, nämlich Gesellschaften, die nicht selten 200-300 Stück zählen -und gelegentlich aus 1000, ja selbst aus 2000 Tieren bestehen. Wenn das -Leittier dieser sonst das hohe Meer bewohnenden Wale in seichtes Wasser -gerät und dort festgerannt ist, folgen ihm die übrigen Mitglieder der -Herde blindlings, wodurch eben ganze Scharen stranden und verderben. -Er geht ziemlich weit nach Norden, nämlich bis Grönland, und kommt -in verschiedenen Abarten in fast allen Meeren vor, scheint aber im -Mittelmeer selten zu sein. Er besitzt in jeder Kieferhälfte nur 8-12 -auf das vordere Ende der Kiefer beschränkte kleine Zähne, ist einförmig -schwarz gefärbt -- deshalb wird er auch Schwarzwal genannt -- von -Natur sehr sanftmütig und ernährt sich vorzugsweise von Tintenfischen, -daneben aber auch von Fischen und Weichtieren. Er ist durch seinen -schnabellosen, fast kugelförmigen Kopf, durch eine lange, niedrige, -dicke Rückenflosse und durch lange, schmale Brustflossen ausgezeichnet. -Von den Mundwinkeln bis zu den Brustflossen erstreckt sich ein weißer -Fleck. - -In allen Meeren rings um den Nordpol lebt ebenfalls meist in großen -Gesellschaften der auch ~Beluga~ genannte ~Weißwal~ (_Delphinapterus -leucas_). Dieses 5-6 _m_ lang werdende Tier ist in der Jugend -hell graubraun, erwachsen dagegen gelblichweiß und entbehrt der -Rückenflosse. Große Herden der Weißwals treten namentlich an den -Küsten von Spitzbergen und Nowaja Semlja auf. Gern besucht der Weißwal -die Mündungen von Flüssen, in die er beträchtliche Strecken weit -hinaufsteigt. Er ernährt sich von Kopffüßlern, Fischen und Krebsen und -gerät gelegentlich bei der Verfolgung von Heilbutten oder Flundern -in seichtes, ihm kaum das Schwimmen erlaubendes Wasser. Oft ziehen -die Mitglieder einer Herde in einzelnen Reihen, selten mehr als zwei -oder drei der Tiere nebeneinander, unregelmäßig auftauchend dahin, -wobei sie oft ein schwaches Gebrüll ausstoßen. Wo er nur kann, macht -der Nordländer Jagd auf ihn. Wie den Grindwal sucht man ihm durch vor -die Eingänge der Fjorde und Buchten aufgestellte Netze den Rückweg -zum Meer zu versperren und ihn mit Harpunen und Lanzen zu töten. Im -offenen Meere ist ihm dank seiner Geschwindigkeit und Gewandtheit kaum -beizukommen, so daß die Walfänger meist auf seine Jagd verzichten, -obschon er einen Handelswert von durchschnittlich 60 Mark besitzt. Die -Zirkumpolarvölker schätzen ihn außerordentlich hoch und benützen alle -Teile von ihm. Auch die Europäer verwenden außer dem Tran, von dem ein -ausgewachsenes Tier über 450 Liter gibt, das Fleisch und die Haut, die -in England als Tümmlerhaut verkauft und in Rußland zu Pferdegeschirr -u. dgl. verarbeitet wird. Wenn auch gefangene Weißwale in der -Gefangenschaft bald sterben, so erweisen sie sich als leicht zähmbar -und gelehrig. Wiederholt wurden diese Tiere im Westminsteraquarium in -London vorübergehend gehalten. - -Ebenfalls eine hochnordische Delphinart ist der ~Narwal~ oder das -~See-Einhorn~ (_Monodon monoceros_), ein gewöhnlich in kleinen, 15 -bis 20 Stück starken Scharen auftretendes Tier von 4-5 _m_ Länge, -unten weiß, oben dunkelgrau gefärbt, mit unregelmäßigen, verwaschenen, -helleren und dunkleren kleinen Flecken dazwischen. Abgesehen von -einigen kleinen, verkümmerten, unregelmäßig auftretenden Zähnen -ist der weibliche Narwal zahnlos, was auch für das Männchen gelten -würde, wenn dieses nicht durch einen im Oberkiefer stehenden 2-2,5 -_m_ langen und an der Wurzel einen Umfang von 20 _cm_ besitzenden -Stoßzahn ausgezeichnet wäre. Dieser Zahn gehört in der Regel der linken -Oberkieferhälfte an, ist schraubenförmig, und zwar immer von links nach -rechts gewunden, auf dem größeren Teil seiner Länge hohl und besteht -aus einer sehr dichten, sahnenfarbigen, elfenbeinartigen Masse. Äußerst -selten entwickeln sich bei einem Männchen zwei Stoßzähne, wie sie -sich z. B. an einem Narwalschädel des Museums von Cambridge finden, -an dem auch der rechte Zahn merkwürdigerweise von links nach rechts -gedreht ist. Dieser Stoßzahn dient den Männchen bei ihren Kämpfen um -die Weibchen. Die Tiere sind sehr lebhaft und spiellustig, ernähren -sich ebenfalls vorwiegend von Tintenfischen, daneben von verschiedenen -Krebsen und kleinen Fischen. Wie bei allen Walen werfen die Weibchen -meist nur ein einziges, nur ausnahmsweise zwei Junge, die von ihnen -lange gesäugt und sorgsam behütet werden. - -Wegen der sehr geschätzten Stoßzähne, seines trefflichen Fleisches -und seines gewöhnlichen Waltran an Güte übertreffenden Tranes hat der -Narwal heute in allen den Walfängern zugänglichen Meeren bedeutend an -Zahl abgenommen. Südlich des Polarkreises kommt er nur ausnahmsweise -in verirrten Exemplaren vor. So weiß man nur von drei Narwalen, die -zwischen den Jahren 1648 und 1808 an der Küste Englands auftauchten -und erlegt wurden. An der deutschen Nordseeküste wurden nur im -Jahre 1736, aber zweimal, solche beobachtet und erlegt. Bei der -ungeheuren Seltenheit des Tieres an den nördlichen Küsten Europas -kann es nicht wundern, daß man seine Stoßzähne, denen man allerlei -Wunderkräfte zuschrieb, mit ungeheuren Summen bezahlte. Galten sie -doch als vom Einhorn der Bibel abstammend, weshalb dieses fabelhafte -Tier im englischen Wappen auch solche Zier trägt. Kaiser und Könige -ließen sich oft mit dem zierlichsten Schnitzwerke versehene Stäbe -daraus verfertigen und sich nachtragen, auch wurden die kostbarsten -Bischofsstäbe daraus geschnitzt. Noch im 16. Jahrhundert bewahrte -man im Bayreuther Archiv auf der Plassenburg vier Narwalzähne als -außerordentliche Seltenheit auf. Einen derselben hatten zwei Markgrafen -von Bayreuth von Kaiser Karl V. für einen großen Schuldenposten -angenommen, und für den größten wurde von den Venezianern noch im Jahre -1559 die ungeheure Summe von 30000 Zechinen (= 198000 Mark) angeboten, -ohne daß es ihnen gelungen wäre, in den Besitz desselben zu gelangen. -Ein Zahn, der in der kurfürstlichen Sammlung zu Dresden an einer -goldenen Kette hing, wurde auf 100000 Reichstaler geschätzt. - -In den gemäßigten Meeren, auch im Nordatlantischen Ozean, in der -Nordsee und im Mittelmeer lebt der fast 4 _m_ lange, hauptsächlich -Tintenfische fressende ~Risso’s Delphin~ (_Grampus griseus_). Viel -verbreiteter und auch weiter nach Norden gehend ist der 9 _m_, meist -aber 5-6 _m_ lange ~Schwertwal~ (_Orca gladiator_), der nirgends häufig -ist und sich nur in kleinen Gesellschaften teils in offenem Meere, -teils nahe den Küsten umhertreibt, um Beute zu machen. Er ist nicht -nur der größte, sondern auch der raublustigste und gefräßigste aller -Delphine, der nicht bloß von Fischen, sondern auch von Seehunden und -kleinen Delphinen lebt. Er ist so unersättlich, daß er gelegentlich -vier oder mehr Tümmler nacheinander verschlingt. Im Magen eines gegen -5 _m_ langen Schwertwales befanden sich einmal nicht weniger als 14 -Seehunde. Ja, er greift gelegentlich sogar die größten Wale, darunter -den Grönlandwal, an, um ihnen ganze Stücke Fleisch aus den Seiten und -von den Lippen zu reißen. Schon Plinius weiß in seiner Naturgeschichte -zu erzählen, daß der _orca_ junge und alte Wale angreift und sie mit -seinen großen Zähnen zerfleischt. „Die Wale können weder ausweichen, -noch Widerstand leisten und suchen nur zu entfliehen und das hohe Meer -zu erreichen; ihre Feinde aber versperren ihnen den Weg, treiben sie in -die Enge und jagen sie auf die Sandbänke oder Klippen. Solche Kämpfe -bieten ein erhabenes Schauspiel dar und die Wogen brausen und schäumen -infolge des Schlachtgetümmels, als ob der ärgste Wirbelwind wütete.“ -Obgleich der Schwertwal sehr viel Tran besitzt, wird doch nirgends -regelmäßig Jagd auf ihn gemacht. - -Der gemeinste Delphin unserer Meere ist der ~Tümmler~ oder -~Braunfisch~, auch ~Meerschwein~ genannt (_Phocaena communis_), der -1,5-2, in seltenen Fällen auch wohl 3 _m_ lang wird. Er lebt im ganzen -Norden des Atlantischen Weltmeers, wandert gegen den Winter nach -Süden, im Frühling wieder nach Norden und verfolgt dann die Heringe -mit solchem Eifer, daß er den Fischern die Netze zerreißt. Seine -Gefräßigkeit ist sprichwörtlich, er verdaut außerordentlich schnell -und bedarf einer ansehnlichen Menge von Nahrung. Gesellig wie alle -Delphine, findet man ihn nur in kleinen Scharen mit überraschender -Schnelligkeit durch die Wellen dahineilen. Er zieht im Gegensatz zu -den anderen Walen die Küstengewässer dem hohen Meere entschieden vor -und tummelt sich, wie schon die Alten wußten, besonders lebhaft vor -und während eines Sturmes im Wasser umher. Selbst in der schwersten -Brandung weiß er der Gefahr des Strandens zu entgehen und schwimmt -spielend um die Schiffe, denen er begegnet. Früher wurde er auch seines -Fleisches wegen, jetzt wird er hauptsächlich zur Gewinnung seines -Tranes und seiner Haut, die gewöhnlich als Haut des Weißwals auf den -Markt gelangt, verfolgt. - -Viel berühmter als er und mit den merkwürdigsten Fabeln bedacht ist -unter den verschiedenen eigentlichen Delphinen der ~gemeine Delphin~ -(_Delphinus delphis_). Dieser etwa 2,3 _m_ lange, gewöhnlich oben -dunkelbraune und unten weiße Zahnwal besitzt eine schnabelförmig -ausgezogene Schnauze und ist durch seine ungewöhnliche Lebendigkeit -und Spiellust allen Seefahrern bekannt. Früher wurde er an den meisten -Küsten Europas seines Fleisches wegen gejagt; nur die alten Griechen -und Römer hielten das Töten dieses dem Meeresgotte heiligen Tieres für -eine Sünde und Schande. Plinius sagt von ihm, daß er gegen den Menschen -freundlich gesinnt sei, die Musik, besonders den Ton der Wasserorgel -sehr liebe und leicht so zahm werde, daß er sich mit Brot füttern -lasse. Unter der Regierung des Kaisers Augustus habe ein Delphin -im Golf von Puteoli (dem heutigen Pozzuoli) bei Neapel eine solche -Zuneigung zu einem Knaben, der ihn mit dem Namen Simon anrief und mit -Brot fütterte, gefaßt, daß er jedesmal erschien, wenn er gerufen wurde, -dem Knaben aus der Hand fraß, ihn durch seine Stellung zum Aufsitzen -einlud und ihn mitten durch das Meer nach Puteoli in die Schule -trug und ihn von dort wieder nach Hause brachte. Dies sei mehrere -Jahre so gegangen, bis der Knabe an einer Krankheit starb. „Jetzt -kam der Delphin noch oft traurig ans Ufer geschwommen und überlebte, -ohne Zweifel von Sehnsucht gequält, seinen Geliebten nicht lange.“ -Mehrfach weiß Plinius nicht nur von Knaben, sondern sogar von Männern -zu berichten, die von Delphinen weithin übers Meer getragen worden -seien. „Alles dies,“ fährt er fort, „macht auch die Geschichte des -Arion glaublich. Er war zu Schiffe und die Matrosen wollten ihn wegen -seiner Schätze ermorden. Da bat er um die Erlaubnis, nochmals seine -Kithara erklingen lassen zu dürfen. Beim Klang der Töne versammelten -sich die Delphine, und als er sich ins Meer stürzte, ward er von ihnen -aufgenommen und ans Ufer von Tänarum (am Peloponnes) getragen.“ Nach -ihm sollten in einem See an der Rhonemündung die Delphine, zu Hilfe -gerufen, den Menschen die Fische ins Netz treiben und dafür mit einem -Teil der Beute und mit in Wein getauchtem Brot gefüttert werden. - -Im Mittelalter war man auch in den Mittelmeerländern weniger skrupulös -gegen diesen „Liebling Poseidons“ und harpunierte ihn gern, um ihn als -geschätzte Fastenspeise wie die eigentlichen Fische zu verzehren. In -der Neuzeit wird der Delphinfang besonders an der atlantischen Küste -Nordamerikas mit starken Netzen eifrig betrieben und scheint sich -reichlich zu lohnen, da 3,5 _m_ lange Stücke des in allen gemäßigten -und warmen Meeren verbreiteten ~großen Delphins~ (_Thursiops tursio_) -etwa 110 Liter Tran liefern. Auch die in den großen Strömen Indiens -und Südamerikas vorkommenden ~Flußdelphine~, die kaum über 2 _m_ Größe -hinausgehen, werden vielfach ihres Fleisches und Tranes wegen gejagt. - -Als Transpender viel wichtiger als diese Zwergwale sind die mancherlei -großen ~Robben~, die heute eine Hauptbeute der Walfänger bilden. Auch -diese ins Wasser gegangenen Raubtiere haben sich weitgehend, wenn auch -lange nicht so wie die Wale, dem Wasserleben angepaßt. So haben sie die -beiden Hinterbeine zu einem kräftigen Ruderschwanze zusammengelegt, der -die vorwärtstreibende Kraft beim Schwimmen ist. Beim Geradeausschwimmen -werden die Vorderflossen an den Körper angezogen gehalten und nur -bei Richtungsänderung werden sie zu Hilfe genommen. Am weitesten -in der Umbildung der Hinterfüße zu reinen Flossen ist der Seehund -gegangen, der sich am Lande wie eine Spannerraupe bewegt und sich -durch rasch aufeinanderfolgende hüpfende Bewegungen des ganzen Körpers -vorwärts schnellt. Das geringste Maß der Umbildung der Extremitäten -zu Flossen zeigt das Walroß, das sich durch die starke Verkürzung der -Schenkelknochen auf dem Lande zwar auch noch unbeholfen, aber doch ganz -nach Art der großen Landtiere vorwärtsbewegt, indem es je ein Vorder- -und ein Hinterbein gleichzeitig vorsetzt. Zwischen diesen beiden -Extremen finden wir bei den Robben alle möglichen Übergänge. - -Die Haut der Robben ist äußerst elastisch und liegt dem Körper -nur lose auf, damit sie sich bei der Anhäufung des Fettes im -Unterhautzellgewebe nach Belieben dehnen kann. Bei ihnen ist das -Haarkleid nur spärlich geworden und nicht ganz ausgemerzt wie bei den -Walen; es ist so reichlich mit Talg eingefettet, daß es durchaus kein -Wasser annimmt. Äußere Ohren, wenn auch sehr kleine, haben noch die -danach auch Ohrenrobben genannten Seelöwen. Die Ohröffnungen können -durch willkürliche Muskeln verschlossen werden. In der Ruhe sind die -schlitzförmigen Nasenlöcher durch elastische Knorpel verschlossen, -können aber willkürlich durch strahlig angeordnete Muskelbündel -geöffnet werden. Der Geruch ist außerordentlich scharf, wie überhaupt -das Gehirn ein verhältnismäßig hochentwickeltes Raubtiergehirn -darstellt, das von guter Intelligenz zeugt. Die Hornhaut der großen, -klug dreinblickenden Augen ist dem Brechungswinkel der Lichtstrahlen -im Wasser entsprechend flach gewölbt, während dafür die Linse als -Anpassung an das Wasserleben fast kugelig ist. Entsprechend der weichen -Fischnahrung sind die Zähne verhältnismäßig schwach, besonders die -Schneidezähne sehr klein und hinfällig. Das Milchgebiß verschwindet -schon vor oder unmittelbar nach der Geburt. Das Nahrungsbedürfnis -ist groß und der Stoffwechsel ein rascher. So frißt der gemeine -Seehund täglich etwa 7,5 _kg_ Fische, der viel größere kalifornische -Seelöwe dagegen 20 _kg_. Am Herzen und an den großen Gefäßen sind -durch Erweiterungen und Auflösungen in sog. Wundernetze Vorrichtungen -getroffen, die es den Flossenfüßlern ermöglichen, verhältnismäßig -lange unter Wasser zu bleiben, ohne atmen zu müssen. Die Tiere leben -gesellig; die meisten derselben haben sog. „Brutplätze“, an denen -sie sich stets wieder zur Fortpflanzung einfinden. Zuerst erscheinen -auf denselben die Männchen, und zwar vorzugsweise alte, die höchst -eifersüchtig aufeinander sind und als Polygamisten möglichst viel -Weibchen für sich in Anspruch zu nehmen suchen. Bei ihren Kämpfen um -die Weibchen brüllen die größeren Robben, besonders die Walrosse, -furchtbar, während bei den kleineren die Lautäußerungen mehr dem Bellen -eines heisern Hundes gleichen, woher auch der Name „Seehund“ herrührt. -Bald nach der Ankunft der kleineren und schlankeren Weibchen an den -„Brutplätzen“ werfen sie ihr meist einziges Junges. Sehr selten werden -deren zwei geboren, die für junge Raubsäugetiere merkwürdig entwickelt -sind, so daß die gefährliche Zeit der Säugung je nach der Größe der -Art nur 4-8 Wochen dauert. Wie die eifersüchtigen Männchen während -des Bewachens der von ihnen erkämpften Weibchen ausschließlich vom -angesammelten Speck zehren, fressen auch die Weibchen auf dem Lande -nichts während der Säugungszeit, da sie von den Männchen gewaltsam vom -Besuche des Meeres abgehalten werden. Diese Robbenansammlungen bei -Gelegenheit der Fortpflanzung werden vom Menschen zum Robbenschlag -benutzt. Erst nach Verlust des sehr weichen Jugendkleides begeben sich -die jungen Flossenfüßler ins Meer, wo die Mütter sie schwimmen, tauchen -und Fische fangen lehren. Dabei werden sie von jenen aufs sorgsamste -beschützt. Die Weibchen haben 2-4 Paar weit nach hinten liegender -Zitzen und behalten die Jungen bis zur Geburt des folgenden Sprößlings -bei sich. Die Seehunde sind sehr liebenswürdige und gelehrige -Geschöpfe, die, abgerichtet, ihrem Herrn die Fische ins Netz treiben -und unschwer allerlei Kunststücke lernen. - -Überall auf ihren „Brutplätzen“ werden die verschiedenen Robbenarten -mühelos erbeutet. So sind sie an vielen Orten beinahe ausgerottet -worden. Früher pflegte man in Grönland etwa 33000, bei Neufundland -über 500000 und bei Jan Mayen mindestens 30000 Stück des bis 2 _m_ -lang werdenden ~grönländischen Seehundes~ oder der ~Sattelrobbe~ --- so genannt von einem eigentümlichen an einen Sattel erinnernden -schwarzen Fleck auf dem Rücken (_Phoca groenlandica_) -- jährlich zu -erbeuten, da dieses Tier in großen Scharen auftritt und deshalb einen -Hauptgegenstand der Robbenjagd im nördlichen Atlantischen Ozean bildet. -Die Sattelrobben waren einst so massenhaft auf ihren „Brutplätzen“ -vorhanden, daß eine Schiffsbesatzung an einem einzigen Tage 500-800 -erwachsene und 2000 junge Tiere tötete. Im Jahre 1866 erbeutete ein -einziger Dampfer in neun Tagen deren 22000 Stück. So wurde denn, um -der Ausrottung des Tieres zu wehren, im Jahre 1876 den britischen -Untertanen eine Schonzeit für Sattelrobben auferlegt, ein Beispiel, das -bald darauf auch in anderen Ländern nachgeahmt wurde. - -Von den andern hochnordischen Robbenarten, die mehr einzeln auftreten, -sich von der Küste stets fernhalten und im März auf Treibeis ihre -Jungen gebären, werden jährlich nur etwa je 1000-3000 Stück erbeutet. -Einer der mutigsten dieser Seehunde ist die von den Robbenschlägern -~Klappmütze~ genannte ~Blasenrobbe~ (_Cystophora cristata_), deren bis -3 _m_ lang werdende Männchen einen mit der Nase in Verbindung stehenden -blasenartigen Sack willkürlich mit Luft aufblähen können. Das nicht -bloß von Fischen, sondern zum größten Teil auch von Tintenfischen -lebende Tier gehört zu den wandernden Robbenarten und verteidigt sich -nicht selten auch gegen den Menschen so mutig, daß deren Jagd für die -Eskimos in ihren leichten, aus Robbenhaut verfertigten Booten nicht -ungefährlich ist. Der größte nordische Seehund ist die im männlichen -Geschlecht eine Länge von 3 _m_ erreichende ~Bartrobbe~ (_Phoca -barbata_), die mehr einsiedlerisch lebt, aber von den Eskimos gern -gejagt wird, da ihre dicke Haut zur Anfertigung von Harpunenleinen sehr -geschätzt ist und ihr Fleisch und Tran schmackhafter als die anderer -Robben sein sollen. - -Die größte Robbe ist die in den Männchen bis 6 _m_ Länge und ein -Gewicht von über 3000 _kg_ erreichende ~Elefantenrobbe~ (_Macrorhinus -leoninus_), die ihren Namen davon hat, daß die Männchen nicht den -gewöhnlichen Robbenkopf der Weibchen und Jungen haben, sondern einen -kurzen, gewöhnlich schlaff herunterhängenden, aber willkürlich -aufblähbaren, an der Spitze schief abgeschnittenen Rüssel haben, der -den Tieren ein höchst sonderbares Aussehen verleiht. Die Elefantenrobbe -bewohnt das Südpolarmeer bis in die gemäßigteren Regionen und geht in -einer Abart an der Westküste Amerikas bis über Kalifornien hinauf. Vor -20-30 Jahren war sie noch ziemlich häufig, ist aber überall infolge -der unsinnigen Verfolgung recht selten geworden. Dies läßt sich sehr -wohl begreifen, da die Tranausbeute bei alten, gut genährten Männchen -gegen 1000 Liter beträgt. Vor 60 und 70 Jahren wurden allein an der -patagonischen Küste jährlich durchschnittlich 40000 Elefantenrobben -erschlagen. Auf den Kerguelen, die bei ihrer Entdeckung von ihnen -wimmelten, hatten einmal nordamerikanische Robbenschläger, die rohesten -und rücksichtslosesten dieser Mordgesellen, so ungeheure Mengen Tran -von diesen Tieren eingeheimst, daß der Markt damit überfüllt war und -sie keinen Absatz dafür fanden. Kurz entschlossen verbrannten sie -die zahllosen mitgebrachten mit Tran gefüllten Fässer, um nicht die -Preise zu drücken. Welche Niedertracht liegt nicht in solch unsinniger -Handlung! - -Weniger der Gefahr der Ausrottung ausgesetzt als die Elefantenrobbe ist -das das nördliche Eismeer und die nördlichen Teile des Atlantischen -und Stillen Ozeans in zwei Unterarten bewohnende wehrhafte ~Walroß~ -(_Trichechus rosmarus_), die ungeheuerlichste aller Robben, von der -im Mittelalter die wunderlichsten Sagen in Europa kursierten. Einen -eingezalzenen Kopf desselben sandte ein Bischof von Drontheim 1520 an -den Papst Leo X. nach Rom; dieser wurde in Straßburg abgezeichnet und -der Züricher Naturforscher Konrad Geßner gab eine ziemlich richtige -Beschreibung von ihm. Einen guten, ausführlichen Bericht von ihm gab -erst Martens von Hamburg, der zu Ende des 17. Jahrhunderts das Walroß -im Eismeere selbst zu sehen bekam. Das Tier erreicht bei einem Umfang -von 2,5-3 _m_ und einem Gewicht bis 1500 _kg_ eine Länge von 4,5 _m_. -Das Gebiß des jungen Walrosses ist demjenigen der Ohrenrobben ähnlich -zusammengesetzt. Von den ursprünglich 30 Zähnen behalten ausgewachsene -Walrosse nur 18, von denen die zwei oberen wurzellosen Eckzähne zu -gewaltigen Hauern werden, die nahezu 80 _cm_ lang und gut 4 _kg_ schwer -werden können. Infolge der rücksichtslosen Verfolgung sind aber Hauer -von solcher Größe selbst bei ausgewachsenen Männchen jetzt schon sehr -selten. Eckzähne von 60 _cm_ Gesamtlänge und 2 _kg_ Gewicht können -schon als stark entwickelt gelten und ragen etwa 45 _cm_ weit aus dem -Kiefer hervor. Die Eckzähne der weiblichen Walrosse werden selten -mehr als 50 _cm_ lang. Beim pazifischen Walrosse mit breiterer und -höherer Schnauze sind sie länger und stärker, dazu mehr gegeneinander -geneigt. Sie dienen dem Tiere dazu, seinen unförmlichen Körper aus dem -Wasser aufs Eis hinaufzuziehen und unterstützen es auch bei seinem -unbeholfenen Forthumpeln über Land. Der Hauptdienst aber, den sie -seinem Träger leisten, besteht darin, daß das Walroß mit ihnen Schlamm -und Sand gewissermaßen durchpflügt, um darin nach Schaltieren zu -suchen. Außer Tintenfischen, Fischen und Krebsen sind nämlich Muscheln -die Hauptnahrung dieser Tiere, die deren Schalen mit ihren Mahlzähnen -zertrümmern und dann wieder ausspucken. Mit der Beschaffenheit ihrer -Nahrung hängt es zusammen, daß die Walrosse sich selten auf hohem -Meere, sondern meist in der Nachbarschaft des Ufers aufhalten, und -zwar in mehr oder weniger großen Herden, deren Gebrüll man schon -aus weiter Entfernung vernimmt. Ihrer Herdentiernatur entsprechend -tun sie sich zur Verteidigung eines verwundeten Genossen zusammen -und greifen dann ungescheut feindliche Boote an, die sie mit ihren -mächtigen Hauern leicht zum Kentern bringen. Außer auf dem Lande werden -sie auch vom Wasser aus in besonders dafür gebauten starken Booten -verfolgt, wobei man ihnen den Rückzug ins Wasser zu verlegen sucht; -denn die das Meer erreichenden Stücke entkommen dem Jäger gewöhnlich. -Man sucht sie mit Harpunen zu spießen, um sie dann ans Land zu ziehen -und dort mit langen Lanzen oder durch Büchsenschüsse zu töten. Fett -liefern die Walrosse zwar verhältnismäßig weniger als die eigentlichen -Robben, denn die größten Stücke geben selten mehr als 250 _kg_. Auch -ist das Walroßfett weniger fein als das Robbenfett. Die 2,5-4 _cm_ -dicke Haut wird zu Sattelzeug, besonders zu starken Schuhsohlen und -Ruderriemen verarbeitet. Wertvoller als sie sind die allerdings den -Elefantenstoßzähnen weit an Güte nachstehenden Hauer, die in Amerika -1879 nur 40 Cents, 1883 aber schon 4½ Dollar das Pfund kosteten. - -Während die Walrosse früher an den Küsten Nordeuropas in größerer -Zahl vorkamen und südwärts bis Schottland wanderten, sind sie heute -selbst auf Grönland und Spitzbergen so selten geworden, daß sich ihre -Erbeutung nur noch als Nebenbetrieb des Walfanges lohnt. Auf der -Bäreninsel beim Nordkap wurden bei einer Gelegenheit deren innerhalb -sechs Stunden nicht weniger als 600-700 getötet und ein anderes Mal in -kaum sieben Stunden 900-1000 abgeschlachtet. In weniger als acht Jahren -waren sie dort ganz ausgerottet. Auf einer Insel bei Spitzbergen stach -man an einem einzigen Tage über 900 Walrosse tot, die man unbenutzt -liegen ließ, da man auf das Wegschaffen einer solchen Beute nicht -eingerichtet war. Ähnlich sinnlos wurde auch anderwärts gegen diese -auf dem Lande wehrlosen Tiere vorgegangen. Bei Labrador tötete die -Besatzung des französischen Schiffs Bonaventura im Jahre 1589 1500 -große und kleine Walrosse auf einer kleinen Insel, und 1593 tötete die -Besatzung eines französischen Schiffes so viele derselben, daß deren -Knochen noch jahrelang künstliche Strandstrecken bildeten. Zu jener -Zeit scheinen Walroßhauer sehr geschätzt gewesen zu sein und wurden -fast ausschließlich an den Tieren benutzt; sie kosteten doppelt so -viel als das beste Elfenbein und wurden zu Kämmen und Messerschalen -verarbeitet. Das pazifische Walroß war niemals so verbreitet als das -atlantische. Sein Vorhandensein im nördlichen Stillen Ozean wurde um -die Zeit von 1640-1645 bekannt; aber eine regelrechte Jagd auf es -begann erst 1680, da der Walfang bis dahin viel vorteilhafter war. -Mit der zunehmenden Verminderung der Wale wandten sich die Walfänger -mehr und mehr dem Walroß zu, und zwischen 1870 und 1880 wurden rund -2 Millionen Gallonen Walroßtran und 400000 Pfund Walroßzähne auf den -Markt gebracht, was einer Beute von etwa 100000 Walrossen entsprach. - -Ebenso mitleidlos schlachtete der Mensch einen andern Riesen der -Schöpfung ab, so daß dieses Wunder der Natur bald nach seinem -Bekanntwerden überhaupt ausgerottet war. Es ist dies das gewaltige -~Borkentier~, eine 7,5-9 _m_ Länge mit einem Bauchumfang von 5,5 bis 6 -_m_ und einem Gewicht von 4000 _kg_ aufweisende Seekuh, mit der am 12. -Juni 1742 die schiffbrüchigen Leute des im Jahre zuvor auf der nach -ihm benannten Insel verstorbenen jütischen Schiffskapitän in russischen -Diensten Vitus Bering bekannt geworden waren. Nach dem Arzte der -Expedition, G. W. Steller, einem eifrigen Naturforscher, der die erste -Beschreibung dieses merkwürdigen Tieres gab, wird es auch ~Stellersche -Seekuh~ (_Manatus gigas_) genannt. Die 4 _cm_ dicke, dunkelgefärbte -Lederhaut war so rauh und runzelig, daß sie von Steller der Rinde oder -Borke eines Baumes verglichen wurde. Dieses stumpfsinnige Tier lebte -gesellig in Herden in der Nachbarschaft von Flußmündungen und fraß -Tang, namentlich die dort in reichlicher Menge vorkommenden Laminarien. -Ihr Unvermögen zu Tauchen zwang diese unbeholfenen Geschöpfe ihre -Nahrung in seichtem Wasser zu suchen, und da Stürme und Eis die Küsten -ihres nordpazifischen Wohngebiets oft schwer zugänglich machten, waren -die Tiere im Frühling gewöhnlich stark abgemagert. Auf diesen leicht -zu erbeutenden Fleischlieferanten aufmerksam geworden, lebten in der -Folge alle Pelzjägerexpeditionen von ihm und nahmen große Vorräte von -dessen Fleisch eingesalzen mit sich fort. Die Pelzjäger pflegten sich -dem unbeholfenen Tier, während es in seichtem Wasser lag, vorsichtig zu -nähern und zu versuchen, ihm einen tödlichen Lanzenstich beizubringen. -Natürlich wurden so nur wenig Seekühe auf der Stelle getötet; die -Mehrzahl entfloh ins tiefere Wasser, unterlag dort der Verwundung, um -dann später ans Ufer gespült zu werden und nutzlos zu verfaulen, zumal -das Borkentier so schnell in Verwesung überging, daß sein Fleisch schon -24 Stunden nach dem Tode wertlos war. Von den 1500-2000 Borkentieren -auf den 15 für sie geeigneten Weideplätzen der Beringinsel wurde das -letzte 1767 oder 1768 getötet. Im Jahre 1754, nur neun Jahre nach -der Entdeckung der Insel, war das Borkentier auch auf der kleinen -Kupferinsel ausgerottet. Bis zum Jahre 1883 waren zwei Skelette in -den Museen von St. Petersburg und Helsingfors und zwei im Britischen -Museum in London aufbewahrte Rippen alles, was der Wissenschaft von -Überbleibseln dieses Wunders der Schöpfung übrig geblieben war. Da -brachte der im Auftrag des Nationalmuseums der Vereinigten Staaten zur -Forschung nach Borkentierskeletten ausgesandte Stejneger im Laufe von -zwei Jahren noch ansehnliche Reste von Schädeln und Knochen zusammen, -die sich in verschiedenen Tiefen des Sandes fanden und dadurch -aufgefunden wurden, daß man eiserne Stäbe in den Sand hineinstieß. -Viele Knochen fanden sich so weit vom Ufer entfernt, daß die Annahme -naheliegt, die Insel habe sich seither gehoben. - -Dieselbe geistige Beschränktheit haben die anderen noch existierenden, -gesellig als Pflanzenfresser an seichten, tangbewachsenen Küsten -oder im Süßwasser lebenden ~Seekühe~. Wie den Walen fehlen ihnen die -hinteren Gliedmaßen und ist infolgedessen das Becken verkümmert, so daß -dessen Reste teilweise gar nicht mehr mit dem übrigen Skelett verbunden -sind. Die Knochen, besonders des Kopfes und der Rippen, entbehren -einer Markhöhle, sind massig und schwer, um das Sinken dieser Tiere -an ihren Weideplätzen zum Abgrasen des Seetangs zu erleichtern. Sie -haben einen deutlich abgesetzten Hals mit nicht verwachsenen Wirbeln, -im Gegensatz zu den äußerlich ganz zu Fischen gewordenen Walen. Die -äußere Gehöröffnung erinnert durch ihre auffallende Kleinheit noch an -die Wale, aber Augen und Nase liegen oben am Kopf an ihrer gewöhnlichen -Stelle, die äußeren Nasenlöcher sind mit einer Klappe versehen. Das -Zwerchfell steigt von vorn unten auffallend schräg nach hinten oben, so -daß sich die Brusthöhle nach rückwärts fast über die ganze Bauchhöhle -hinweg erstreckt. Mit den sehr geräumigen Lungen können die Tiere ohne -einzuatmen bis 8 Minuten aushalten. Die Mundhöhle ist mit hornigen -Kauplatten versehen und die Backenzähne wachsen zeitlebens nach, indem -sie entsprechend der Ausnutzung nach und nach erscheinen. Die Hände -haben bloß vier Finger, jeder aus drei schlanken Gliedern bestehend und -durch eine gemeinsame Haut vereinigt. Zu Beginn des Frühjahrs kämpfen -die Männchen um den Besitz der Weibchen, die nach längerer Tragzeit -stets nur ein Junges werfen, das sie mit größter Mutterliebe umgeben -und beim Säugen mit einer der Flossen an eine der beiden brustständigen -Zitzen halten. Ihre Stimme besteht in einem schwachen, dumpfen Stöhnen, -während des Atmens vernimmt man auch ein heftiges Schnauben. Von ihnen -finden Fleisch und Speck, Haut und Zähne Verwendung. - -An den Küsten des Indischen Ozeans lebt der nach der malaiischen -Bezeichnung für Meerkuh genannte ~Dujong~ (_Halicore dujong_). -_Halicore_ heißt Seemaid, so auch deutsch geheißen nach der schon von -Plinius und Älian erzählten Fabel, daß an den Küsten Indiens Seetiere -in Gestalt von Satyrn mit Weibergesichtern leben, deren Körper nach -hinten in lange, gewundene Schwänze auslaufen und die statt der Füße -Flügel haben. Nachts kämen sie aus dem Wasser ans Land, um Gras und -Palmenfrüchte zu fressen, und in der Morgendämmerung kehrten sie -ins Meer zurück. Dieser 3-5 _m_ lange Dujong bevorzugt die Nähe der -Küste, die reich mit ihnen Nahrung bietenden Meeresalgen bewachsen -ist, und lebt dort paarweise oder in kleinen Familien, alle paar -Minuten zum Atmen an die Wasseroberfläche kommend und dann langsam -wieder in die Tiefe versinkend. So lange es noch Nahrung an einer -Stelle gibt, verändert das faule Tier kaum seinen Aufenthaltsort. Erst -wenn eine Meerwiese abgeweidet ist, siedelt es langsam nach anderen -tangbewachsenen Stellen über, welche ihm wieder eine Zeitlang Nahrung -liefern. Besonders die Jungen haben äußerst zartes, weniger fettes, -süßliches Fleisch, das vom Menschen sehr begehrt ist, weshalb die Tiere -von den Anwohnern gern gejagt werden. Das an der Luft getrocknete harte -Leder gibt vortreffliche Sandalen. - -Während der Dujong höchstens Flußmündungen aufsucht, geht der die -Ostküste Mittel- und Südamerikas und die Westküste Afrikas bewohnende -ebenso große und bis 400 _kg_ schwere ~Lamantin~ -- eine französische -Verballhornung des spanischen Manati, d. h. mit Händen versehen -- -(_Manatus latirostris_ und andere Arten) von den Küsten weit die Flüsse -aufwärts und bei Überschwemmungen auch in Seen und Sümpfe, wo er die an -ruhigen Stellen reichlich wachsenden Wasserpflanzen abweidet. Da auch -sein Fleisch vorzüglich, wenn auch ziemlich fett ist, wird ihm überall -mit Eifer nachgestellt. Eingesalzen und getrocknet bleibt es sehr lange -gut und soll nach einem Schriftsteller des 16. Jahrhunderts sogar Gnade -vor den Feinschmeckern am spanischen Hof gefunden haben. Unter den -fortwährenden Verfolgungen ist er an den meisten Stellen, wo er einst -sehr häufig war, verschwunden und allgemein sehr selten geworden. Die -weit ins Innere hineingehende westafrikanische Art ist schwarzgrau -und wird nur etwas über 2 _m_ lang. Die bleigraue gewöhnliche -südamerikanische Art wird selten über 3 _m_ lang und bildete einst ein -beliebtes Jagdobjekt für die Eingeborenen, denen sein schmackhaftes -Fleisch als besonders lecker gilt. - -Endlich wäre noch als einst für die Seefahrer wichtiger Fett- und -Fleischlieferant die ~Dronte~ oder der ~Dodo~ (_Didus ineptus_) zu -nennen. Dodo kommt vom portugiesischen _doudo_, d. h. Tölpel. Dieser -Name wurde dem reichlich truthahngroßen Girrvogel der Insel Mauritius -gegeben, weil er äußerst wenig scheu, wozu seine geringe geistige -Begabung beigetragen haben mag, mit ungemein plumpem, schwerfälligem -Körper auf kurzen, watschelnden Beinen dem Menschen entgegentrat. Der -große Kopf trug einen starken, hakenförmigen Schnabel; der Körper -war spärlich mit lockerem, grauem, auf der Brust braunem Gefieder -bedeckt und trug an Flügel und Schwanz gelbliche oder schmutzigweiße -steife Federn. Infolge Fehlens von Feinden hatten diese Vögel ihre -Flugfähigkeit eingebüßt und sich durch reichliche Ernährung zu -den reinsten Fettkugeln entwickelt, die den ersten Schiffen, die -dort landeten, willkommenen lebenden Proviant lieferten. Als erster -schreibt der holländische Admiral Jakob Cornelius van Neck von ihm als -Walckvogel, rühmt aber sein Fleisch nicht besonders. Besser mundete -es der Mannschaft des 1601 auf Mauritius landenden holländischen -Schiffes eines gewissen Wilhelm van West-Zannen, den die reiche Beute -sogar zu einem Gedicht begeisterte. An einem Tage erbeutete seine -Mannschaft 24, am folgenden 20 der großen, überaus schweren Vögel, -von denen sie insgesamt nicht einmal zwei bei einer Mittagsmahlzeit -verzehren konnten. Bei der Abfahrt nahm sie einen großen Vorrat an -eingesalzenen Dronten mit. Andere holländische Schiffe folgten dem -Beispiele Zannens, schwelgten in Dodo- und Landschildkrötenfleisch, -nahmen Mengen von eingesalzenen Vögeln mit und ließen die Reihen der -Dronten stark gelichtet zurück. Deshalb ist es nicht zu verwundern, daß -sich der letzte Bericht über lebende Dronten im Schiffstagebuche des -englischen Steuermanns Benjamin Harry findet, der Mauritius im Jahre -1681 besuchte. Schon 1693, also noch nicht ein Jahrhundert nach seiner -Entdeckung, war die Dronte ausgerottet; denn Leguat, der sorgfältige -Beschreiber eines damit verwandten, etwas weniger schwerfällig -gebauten, ebenfalls längst ausgerotteten Vogels, des ~Einsiedlers~ -(_Pezophaps solitaria_) der Insel Rodriguez, erwähnte sie nicht mehr -und bemerkt überdies, daß Wasserhühner und Schildkröten dort selten -geworden seien. Kurz nach der Ausrottung der Dronte verließen die -Holländer, die bis dahin Mauritius besetzt hielten, die Insel, von -der die Franzosen 1715 Besitz ergriffen, um sie 1811 an die Engländer -abzutreten. Dieser wiederholte Besitzwechsel hatte zur Folge, daß -alles Wissen über den sonderbaren Vogel verloren ging und nicht einmal -in der mündlichen Überlieferung weiterlebte. Auch waren die wenigen, -übrigens längst verloren gegangenen, in Museen aufbewahrten Stücke des -Dodo so wenig bekannt, daß selbst einige Naturforscher am früheren -Vorkommen eines solchen Vogels zu zweifeln begannen. Diese Zweifel -wurden jedoch durch verschiedene Veröffentlichungen wieder zerstreut, -und im Jahre 1866 gelang es, beträchtliche Mengen von Dronteknochen zu -sammeln. Sie fanden sich ausschließlich im Bodenschlamm des unter dem -Namen _mare aux songes_, d. h. Traumpfütze, bekannten großen Moores, -das mit dem Land herum noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts dicht mit -großen Bäumen bedeckt war, deren Früchte einst den Dronten zweifellos -als Nahrung dienten. Die hier gefundenen Überreste scheinen von einst -friedlich hier verstorbenen Dronten zu stammen; denn keiner unter -den im Moore aufgefundenen Knochen zeigt Spuren einer Benagung. Als -einzige Darstellung der Dronte sind solche auf zwei Gemälden von -Roland Savary und seinem Neffen Johann, holländischen Malern aus der -ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, auf uns gekommen. Diese malten den -Vogel nach lebend nach Holland gebrachten Exemplaren. So räumt der -Mensch unbarmherzig und gedankenlos mit allem auf, was sich ihm in -der Schöpfung an wehrlosen, aber ihm irgendwie nützlichen Geschöpfen -entgegenstellt. - - - - -XXIX. Tiere als Spielzeug. - - -Von jeher hat der Mensch, wie wir schon in der Einleitung dieses -Buches bemerkten, jung eingefangene und sich dann leichter an seine -Gesellschaft gewöhnende Tiere zu keinem andern Zweck als zu seiner -und der Seinen Unterhaltung in seinen Niederlassungen gehalten. -Alteingefangene Männchen von solchen Tierarten, die als eifersüchtige -Nebenbuhler gern miteinander kämpfen, ließ er zu seiner Belustigung -gegeneinander los und freute sich, wenn sie sich recht zerzausten. -Nach Überwindung des kommunistischen Urzustandes und der Erwerbung -von Besitz ging er mit seinen Genossen Wetten ein, setzte für den -Gewinnenden Preise aus und erhob das Spiel zum Sport. Die Wetten -bildeten später einen Hauptzweck solcher Tierkämpfe, seien die -Ausübenden Grillen, Wachteln, Hähne, Gänse oder Widder. Mit der -Verrohung der Massen bei durch zahlreiche Kriege an Blutvergießen -gewöhnten Stämmen hatten solche Kämpfe nur Reiz, wenn sie blutig -endeten und wenn möglich, auf Leben und Tod gingen. So hefteten die -Malaien ihren Kampfhähnen haarscharf geschliffene Stahlklingen an ihre -Sporne, mit denen sich die Duellanten sehr oft gegenseitig erstachen. - -Im alten Rom wurden diese blutigen Tierkämpfe zu Massenabschlachtungen -gesteigert, in denen selbst Menschen auftraten, um miteinander zu -kämpfen und sich nach dem Willen des Pöbels abzustechen. Es sind -dies die bekannten ~Gladiatorenkämpfe~, die aus Fechterspielen bei -Gelegenheit des Begräbnisses hervorragender Männer hervorgingen, -wie sie zuerst die Etrusker und dann auch die Römer in jenen Zeiten -ausübten, als auf dem Forum bei der Bestattung eines Feldherrn die -Kriegsgefangenen, die er erbeutet, zu Ehren des Totengeistes des -Verstorbenen auf Tod und Leben miteinander kämpfen mußten. Vielfach -ließ man auch an solchen Leichenspielen schwere Verbrecher gegenseitig -an sich das Todesurteil vollziehen. Das taten diese nicht ungern; -denn Seneca sagt in einer seiner Episteln, daß ein solcher lieber -öffentlich kämpfend in der Arena sterbe, als daß er sich in einem -geschlossenen Raum hinrichten lasse. Und zu diesem Schauspiel wurde das -Volk eingeladen, wie noch im 18. und 19. Jahrhundert das Henken und -Köpfen vor großem Publikum geschah. Wer von diesen Verurteilten brav -focht und durch seine Tapferkeit Bewunderung erregte, dem wurde vom -Volke durch Akklamation das Leben geschenkt. Auch viele Kriegsgefangene -und mißliebige Sklaven wurden als Gladiatoren verhandelt. Gewöhnlich -standen sie bei jedem Gefecht etwa hundert gegen hundert, die einen -mit großen, die andern mit kleinen Schilden, die einen mit Netz und -Harpune, die anderen mit Schwert oder Dolch, alle aber mit kostbaren -Helmen, vielfach aus purem Silber mit Edelsteinen eingelegt, mit -Pfauenfedern als Helmbusch versehen. Zum Kampf erscholl grelle Musik, -um das Stöhnen und Todesröcheln der Sterbenden zu übertönen. Die -Leichen wurden fortgeschafft, frischer Sand in die Blutlachen gestreut -und das Volk ging befriedigt nach Hause. Die gewandten Fechter aber, -denen es gelang, solche Schlachten zu überleben, wurden die Helden des -Tages und Lieblinge des Publikums, wie es heute den Stierkämpfern in -Spanien ergeht, und der Festgeber beschenkte sie in der Arena selbst -mit Schüsseln voll blinkenden Goldes. In der Kaiserzeit waren solche -Gladiatorenkämpfe bei allen festlichen Anlässen zu sehen, und bei den -viermonatlichen Siegesfesten des Trajan im Jahre 107 sollen im ganzen -10000 Mann gefochten und zum größten Teil ihren Tod gefunden haben. - -Für diese Massenkämpfe und die alsbald zu besprechenden Tierhetzen -wurden mit ungeheuerem Aufwand luxuriöse Arenen gebaut, die möglichst -die ganze freie Stadtbevölkerung aufnehmen sollten. Denn auch die -Frauen erschienen zu solchen Schauspielen und brachten selbst die -Kinder mit. Während sie im Zirkus mitten unter den Männern saßen, waren -sie im Amphitheater von ihnen getrennt. Rom gelangte zuerst im Jahre -29 v. Chr. durch den reichen Statilius Taurus zu einem Amphitheater. -Dieser Bau wurde aber durch das meist als Colosseum bezeichnete -berühmte flavische Amphitheater übertroffen, das vom Kaiser Vespasian -erbaut und im Jahre 80 von dessen Sohn Titus eingeweiht wurde. Es war -185 _m_ lang, 156 _m_ breit und 50 _m_ hoch, besaß 80 Portale und faßte -85000 Zuschauer. Die Arena selbst war 86 _m_ lang und konnte nebst -dem Zuschauerraum mit einem etwa 180 _m_ langen Zelttuche gegen die -Sonne überspannt werden. Unter ihr waren weite Hohlräume, aus denen -wie durch Zauber ganze Kämpfergruppen und Scharen von wilden Tieren -emporgehoben werden konnten. Auch vermochte man sie unter Wasser zu -setzen, um ganze Seeschlachten darin vorzuführen. Wurde des Kaisers -Anwesenheit erwartet, so erschien das ganze Publikum weiß gekleidet -und bekränzt. Solche Festtage waren in Rom durchaus keine Seltenheit. -Hören wir doch gelegentlich, daß es dort jährlich 175 regelmäßige -Spieltage gab, die außerordentlichen bei Triumphen usw. gar nicht -gerechnet. Davon entfielen 10 Tage auf die Gladiatorenkämpfe, 64 auf -Wagenrennen, 101 dagegen auf das Theater, in welchem vorzugsweise -operettenhafte Possen, deren Coupletmelodien man auf allen Gassen -pfiff, mit allerlei Anzüglichkeiten auf stadtbekannte Personen, und -zweideutige Pantomimen aufgeführt wurden. Am meisten zogen beim rohen -Pöbel die Fechterspiele und Tierhetzen, bei denen Blut in Strömen -floß und die Arena voller Leichen lag. Das gab eine Aufregung, -wenn man seltene wilde Tiere miteinander kämpfen und sterben sah! -Da füllten sich schon vor Sonnenaufgang die Zuschauerränge, um ja -einen guten Platz bei solchen interessanten Tierhetzen zu erhalten. -Das fesselndste dieser Schauspiele waren die eigentlichen Jagden, -_venationes_ genannt, bei denen ungeheuere Mengen von wilden Tieren -von besonders dazu angestellten Leuten verfolgt und erlegt wurden. -So wurden in der Kaiserzeit alle größeren Tiere der damals den -Römern zugänglichen Welt nicht nur in einzelnen Exemplaren, sondern -gelegentlich in ganzen Scharen dem nach Unterhaltung verlangenden Volke -in der Arena vorgeführt und von gut geschulten, gut bewaffneten und -von starken Hunden unterstützten Jägern, die ihr Handwerk trefflich -verstanden, zum Gaudium des Pöbels kunstgerecht gejagt und schließlich -abgeschlachtet. Nur seltene Tierarten wurden verschont, um späterhin -abermals bei solchen Jagden auftreten zu können. Hauptsächlich waren -es dem Menschen gefährliche Raubtiere, die bei diesen Jagdspielen -auftraten und zur Belustigung des festfeiernden Volkes getötet wurden, -so vor allem Bären, Panther, Tiger, Löwen und Hyänen, seltsamerweise -aber nicht der Wolf. Der mochte für jenes Vergnügen zu gemein und wegen -seiner Feigheit reizlos zum Abschlachten sein. Selten kamen harmlose -große Bestien wie Flußpferde und Giraffen aus dem fernen Afrika in -die Arena, um dem Volke, das damals noch keine zoologischen Gärten -kannte, vorgeführt zu werden. Nach Plinius zeigte Marcus Scaurus in Rom -bei den Spielen, die er als Ädil gab, das erste Flußpferd nebst fünf -Krokodilen, und hatte dazu einen besonderen Teich graben lassen. Nach -Dio Cassius wurde bei den feierlichen Spielen, die Kaiser Augustus gab, -wiederum ein Flußpferd gezeigt und erlegt. Zur Zeit Heliogabals und der -Gordiane waren in Rom im Amphitheater Flußpferde zu sehen, die damals -wegen der vielen Verfolgungen schon nicht mehr in Ägypten vorkamen, -sondern aus dem Lande der Blemmyer im Sudan geholt werden mußten, also -zweifellos sehr teuer zu stehen kamen. Nach Plinius sah man in Rom die -erste Giraffe bei den Spielen, die der Diktator Cäsar gab, und seitdem -öfter. Nach Flavius Vopiscus gab es zur Zeit des Aurelian mehrere -Giraffen in Rom, und zwar nach Julius Capitolinus zur Zeit der Gordiane -nicht weniger als zehn. Was mögen diese Tiere, die weither vom oberen -Nilgebiet bezogen wurden, bei den mangelhaften Verkehrsverhältnissen -jener Zeit für eine umständliche Reise hinter sich gehabt haben, bis -sie dem verwöhnten Pöbel in Rom gezeigt werden konnten! - -Nach dem Geschichtschreiber Dio Cassius ließ der römische Kaiser -Caligula in Rom 400 Bären auf dem Kampfplatz erscheinen und mit -großen Hunden und schwerbewaffneten Gladiatoren kämpfen. Und Julius -Capitolinus berichtet, daß Gordian I., als er unter Caracalla und -Alexander Severus Konsul war, an einem Tage in Rom 100 libysche -Bestien, an einem andern 1000 Bären im Amphitheater auftreten und -töten ließ. Als er zum sechsten Male Spiele gab, wurden im ganzen 200 -Damhirsche, 30 wilde Pferde, 100 wilde Schafe, 10 Elche, 100 kyprische -Stiere, 300 Strauße, 30 wilde Esel, 150 Wildschweine, 200 Steinböcke -und ebensoviel Antilopen dem Volke preisgegeben. Und unter seinem Enkel -Gordian III. (238-244) wurden einmal in Rom 32 Elefanten, 10 Elche, 10 -Tiger, 60 zahme Löwen, 30 zahme Leoparden, 10 Hyänen, 1 Flußpferd, 1 -Nashorn, 10 große Löwen, 10 Giraffen, 20 wilde Esel, 40 wilde Pferde -und noch zahllose derartige Tiere auf die Arena geführt und bei den -Jagdspielen getötet. - -In seiner Biographie des Kaisers Probus (276-282) schreibt Flavius -Vopiscus: „Probus gab im Zirkus ein ungeheures Jagen und überließ -dem Volke die Tiere. Dabei verfuhr er so: Erst ließ er von Soldaten -entwurzelte Bäume im Zirkus pflanzen und wartete ab, bis sie mit grünem -Laube prangten. Als nun der Wald fertig war, wurden alle Zugänge -geöffnet: Es kamen 1000 Strauße in die Arena hinein, dann 1000 Hirsche, -1000 Wildschweine, 1000 Antilopen, Steinböcke, wilde Schafe und andere -graßfressende Haartiere, soviel man hatte auftreiben und füttern -können. Jetzt wurde auch das Volk hereingelassen und jeder packte und -behielt, was ihm beliebte. Am folgenden Tage ließ er im Amphitheater -auf einmal 100 mit Mähnen prangende Löwen los, deren Gebrüll wie Donner -rollte. Sie wurden sämtlich mit sarmatischen Speeren erlegt. Nach -ihnen traten 100 libysche Leoparden auf, dann 100 syrische, ferner -100 Löwinnen und 300 Bären. Übrigens war das ganze Schauspiel mehr -großartig als hübsch.“ - -Nach Plinius hat zuerst Quintus Scaevola als Ädil mehrere Löwen in -Rom kämpfen lassen. Dann ließ Lucius Sulla, der spätere Diktator, als -Prätor zuerst 100 alte bemähnte Löwen kämpfen, später Pompejus in der -Rennbahn 600 Löwen, worunter 315 mit Mähnen, und Cäsar als Diktator 400 -Löwen. Gezähmte Löwen hat nach demselben Autor zuerst Marcus Antonius, -der Triumvir, vor den Wagen gespannt, und zwar nach der Schlacht bei -Pharsalos, wo er von Augustus besiegt worden war. Nach Dio Cassius -gab Pompejus bei der Einweihung des von ihm erbauten Theaters außer -Wettrennen, Schauspielen, Konzerten und gymnastischen Spielen auch -Tierhetzen im Amphitheater, wobei in der Zeit von fünf Tagen 500 Löwen -erlegt wurden und 18 Elefanten mit bewaffneten Männern kämpften. Und -Julius Capitolinus berichtet, daß bei Jagdspielen, die Kaiser Antoninus -Pius (der Adoptivsohn Kaiser Hadrians, regierte von 138-161) gab, -Elefanten, gefleckte Hyänen, Krokodile, Flußpferde, Tiger und andere -Tiere aus allen Weltgegenden auftraten. Damals wurden auf einmal 100 -Löwen auf den Kampfplatz gelassen. - -Wie an den morgenländischen Fürstenhöfen gab es gelegentlich auch im -Kaiserpalast in Rom gezähmte große Raubtiere als Begleiter der Cäsaren, -wie am Schlusse des XII. Abschnittes über die Katzen berichtet wurde. -Die sich als Götter fühlenden halbverrückten Kaiser, wie Caracalla -(212-217) und Heliogabalus (218-223) ließen sich wie die ihnen -vorschwebenden Vorbilder aus dem Olymp gelegentlich von bestimmten -wilden Tieren auf ihrem Zweigespann ziehen, so ersterer von Löwen -mit der Behauptung, er sei die Göttin Cybele, die man sich von Löwen -gezogen vorstellte, und letzterer nach Lampridius von Tigern als -angeblicher Bacchus; der Tiger war ja mit seinem buntgefleckten Fell -das Leibtier jenes angeblich aus Indien nach den Mittelmeerländern -gekommenen Gottes der Fruchtbarkeit und des Lebensgenusses. Älian sagt, -daß unter den Geschenken, welche die Inder ihrem Könige darbringen, -auch zahme Tiger seien. Aus Indien gelangten solche auch nach Westasien -und in den Machtbereich des römischen Reichs. Nach Plinius hat -Pompejus den ersten zahmen Tiger, den er aus Kleinasien im Jahre 63 -v. Chr. mitbrachte, zu Rom in einem Käfig gezeigt. Nach ihm zeigte -Claudius, der Stiefsohn des Augustus, der nach Caligulas Ermordung -im Jahre 41 von den Prätorianern zum Kaiser ausgerufen wurde, deren -vier zu gleicher Zeit. Afrikanische Panther durften nach einem alten -Senatsbeschluß nicht nach Italien gebracht werden. Doch setzte nach -Plinius der Volkstribun Cnäus Aufidius beim Volke ein Gesetz durch, -wonach sie wenigstens zur Verwendung bei Jagdspielen im Amphitheater -nach Rom gebracht werden durften. Scaurus habe als Ädil zuerst 150 nach -Rom kommen lassen, dann Pompejus 410 und der vergötterte Augustus 420. -Alle wurden bei Jagdspielen im Zirkus Maximus zur Unterhaltung des -römischen Plebs getötet. - -Derselbe Autor sagt, daß Pompejus zum erstenmal den nordischen Luchs -bei den zirzensischen Spielen in Rom vorführte. Sein Beispiel ist -späterhin kaum je nachgeahmt worden, da dieses Tier zu klein ist, um -Aufsehen zu erregen, was doch der Hauptzweck dieser Tierkämpfe war. -Dagegen war, wie oben geschildert, der grimmige Bär ein dankbares -Objekt, das besonders in der Arena der nördlich der Alpen gelegenen -Theater, die dieses Tier aus den ausgedehnten Wäldern der Umgebung -sich leicht verschaffen konnten, häufig aufzutreten hatte und von -Hunden gehetzt wurde und mit Menschen kämpfte. Auch dieses Tier hat -sich wenigstens ein Kaiser zu seinem Liebling erwählt. Es war dies der -aus Pannonien gebürtige Valentinian I. (364-375), ein sonst tüchtiger -Regent und Krieger. Von ihm erzählt der Geschichtschreiber Ammianus -Marcellinus: „Kaiser Valentinianus hielt sich zwei Bären, die er mit -Menschenfleisch fütterte. Den einen derselben nannte er Goldkrümchen, -den andern Unschuld. Diese Bestien wurden aufs allerbeste verpflegt; -ihre Käfige standen neben dem Wohnzimmer des Kaisers (er residierte in -Mailand) und treue Wärter mußten für ihre Wohlfahrt sorgen. Endlich -ließ er die Unschuld, nachdem sie vor seinen Augen eine große Anzahl -Menschen gefressen hatte, zur Belohnung dieses guten Dienstes im Walde -frei.“ - -Zur Kurzweil der mächtigen Herren der Welt wurden in den Palästen Roms -neben gezähmten Raubtieren auch zahme Affen und Papageien gehalten. -Nach dem Griechen Älian war der Affe beliebt, „weil er herrlich -nachahmt und allerlei Verrichtungen leicht lernt, so z. B. tanzen und -die Flöte spielen. Ja, ich habe einen gesehen, der die Zügel hielt, die -Peitsche schwang und kutschierte. An schlimmen Streichen läßt’s der -Affe auch nicht fehlen, namentlich wenn er den Menschen nachahmen will. -Beobachtet er z. B. von fern eine Amme, wie sie ein Kind badet, so paßt -er auf, wo sie es dann hinlegt, schlüpft, wenn die Stube leer ist, -zum Fenster hinein, holt das Kindchen aus dem Bett, legt es in die -Wanne, holt siedendes Wasser vom Feuer, begießt damit das unglückliche -Geschöpf und tötet es so auf eine jämmerliche Weise. - -In Indien gehen die Paviane in Tierfelle gekleidet, sind gerecht, -tun niemandem was zuleide, sprechen nicht, heulen aber und verstehen -die Sprache der Inder. Sie fressen das Fleisch wilder Tiere, halten -sich auch Ziegen und Schafe und trinken deren Milch. Zur Zeit der -Ptolemäer lehrten die Ägypter den Pavian buchstabieren, auf der Flöte -oder auf einem Saiteninstrument spielen. Das Tier ließ sich auch -seine Mühe bezahlen und steckte, wie ein geübter Bettler, den Lohn -in ein angehängtes Ränzchen. Bekommt so ein Pavian Mandeln, Eicheln, -Nüsse und dergleichen, so knackt er sie auf, wirft die Schale weg und -frißt den Kern. Er trinkt auch Wein und labt sich ganz gehörig an -gesottenem und gebratenem Fleisch, wenn er’s bekommt. Zieht man ihm -ein Kleid an, so schont er es. Hat man ein ganz junges Paviänchen, so -kann es gesäugt werden wie ein Kindchen. -- Klitarchos (ein Begleiter -Alexanders des Großen) erzählt, es gebe in den indischen Gebirgen so -große Affen, daß Alexander samt seinem Heere nicht wenig erschrak, als -er plötzlich eine Menge solcher Affen sah und sie für eine feindliche -Armee hielt. Um sie zu fangen, ziehen die Jäger vor ihren Augen Schuhe -an, lassen dann aber die Schuhe stehen, die aus Blei gefertigt und -also schwer sind, zugleich auch Schlingen enthalten. Man erzählt auch -noch allerlei andere Dinge von Affen, die für gescheite Leute recht -interessant sind.“ Auch Plinius weiß allerlei Merkwürdiges von den -Affen zu erzählen. Er sagt von ihnen unter anderem: „Die Affen kommen -der menschlichen Gestalt am nächsten. Ihre Klugheit setzt in Erstaunen. -Nach Mutianus sollen sie sogar Schach spielen und die Figuren -unterscheiden lernen. Die geschwänzten Affen sollen bei abnehmendem -Monde traurig sein, den Neumond aber mit Jubel begrüßen. Mond- und -Sonnenfinsternisse fürchten sie gleich andern Tieren. Haben sie in der -Gefangenschaft Junge bekommen, so tragen sie diese herum, zeigen sie -allen und freuen sich, wenn sie liebkost werden. Meist ersticken sie -die Jungen durch allzu zärtliche Umarmungen.“ Daher die noch bei uns -gebräuchliche Redensart von der Affenliebe. Einst soll ein Affe auch -künftiges Geschehen vorausverkündet haben, wie uns der beredte Cicero -in seinem Buche über Prophezeiungen erzählt: „Als die Spartaner vor der -Schlacht bei Leuktra (in Böotien südwestlich von Theben, wo 371 v. Chr. -die Thebaner unter Epameinondas über die Spartaner unter Kleombrotos -siegten) Gesandte nach Dodona schickten, dort den Jupiter zu fragen, -ob Sieg zu hoffen sei, da prophezeite ihnen ein Affe schweres Unglück. -Die Sache verhielt sich so: Als die Gesandten die Urne zurechtgestellt -hatten, worin sich die Lose befanden, kam der Lieblingsaffe des Königs -der Molosser und warf die Lose und alles, was zum Losen gehörte, nach -allen Seiten hin auseinander. Darauf sprach die Priesterin des Jupiter -die Worte: ‚Denkt nicht an Sieg, ihr Lakedaimonier, denkt nur an eure -Rettung!‘“ - -Nach den vorhin aus den Angaben der alten Autoren mitgeteilten -Tatsachen läßt sich ersehen, welch ungeheurer Verbrauch von wilden, -aber auch gezähmten Tieren aus allen damals den Römern erreichbaren -Weltgegenden besonders in der Hauptstadt, aber auch in den -Provinzialstädten, die hinter jener nicht zurückbleiben wollten, -jährlich stattfand, alles nur zur Unterhaltung und zum Vergnügen des -Volkes, das in Rom ohne ernsthafte Beschäftigung, von den Machthabern -gefüttert und verwöhnt, nach Brot und Zirkusspielen (_panem et -circenses!_) schrie. Dort in der Hauptstadt war stets so viel los, -daß der Dichter Juvenal sagen konnte: „Deshalb trauert, wer aus Rom -auswandert!“ - -Trotz aller unbeschreiblichen Grausamkeiten, die dabei geübt wurden, -ist aber doch anzuerkennen, daß die Römer mit ihren Tierhetzen zugleich -auch ein unvergleichliches Kulturwerk leisteten. Wenn allein Kaiser -Augustus während seiner allerdings 45jährigen Regierungszeit nicht -weniger als 3500 afrikanische Tiere an den Spielen in Rom umbringen -ließ, wenn bei einer einzigen Hetze des Pompejus 500 Löwen umkamen -und der Betrieb so bis ins 5. Jahrhundert andauerte, so summiert sich -das schließlich zu Millionen. Darunter waren weit mehr schädliche als -nützliche Tiere, und zwar große Raubtiere. So geschah es, daß alle -Provinzen des ausgedehnten Reiches von den großen Raubtieren, die süd- -und westdeutschen Wälder von den Bären planvoll gesäubert und dadurch -erst der friedlichen Kultur erschlossen wurden. Dafür sind die auf -deutschem Boden ausgegrabenen Mosaikfußböden -- so beispielsweise auch -das von uns wiedergegebene schöne Mosaik in Bad Kreuznach, etwa aus dem -Jahre 300 n. Chr. -- denkwürdige Monumente, wenn sie uns wie dort den -Bären in der Arena von Schwerbewaffneten angegriffen zeigen. - -In Pompeji hat man mehrere Anschläge (_programmata_) vorgefunden, -durch welche dergleichen Tierhetzen angekündigt wurden. Sie waren mit -roten Buchstaben auf die geweißten Mauern der Stadttore geschrieben. -Um nun immer wieder neue Anzeigen darauf schreiben zu können, wurden -letztere öfters neu geweißt. Ein solches in Pompeji aufgefundenes -Programm besagt: „Die Gladiatorentruppe des Ädilen Aulus Svettius -Cerius wird zu Pompeji am 31. Mai (79 n. Chr.) kämpfen; es wird eine -Tierhatz geben und das Amphitheater wird mit Tüchern beschattet sein -(_familia gladiatoria pugnabit -- venatio et vela erunt_).“ Ein anderes -zeigt folgendes an: „Die Gladiatorentruppe des Numerius Popidius Rufus -wird am 29. Oktober (79) zu Pompeji kämpfen; es wird eine Tierhatz -geben.“ Tücher zum Schattenspenden werden da keine erwähnt, da die -Sonne im Spätherbst nicht mehr zu heiß schien, und nur für sie, nicht -für etwaigen Regen, waren jene über die Arena und die Zuschauerplätze -ausgespannten Tücher bestimmt. Allerdings kam diese hier angekündigte -Schaustellung nicht mehr zustande, da bekanntlich jene etwa 30000 -Menschen beherbergende blühende Landstadt Kampaniens im August durch -einen fürchterlichen Aschenregen des Vesuvs verschüttet wurde. Bei den -1748 begonnenen, oft unterbrochenen, erst seit 1860 mit Energie wieder -aufgenommenen Ausgrabungen, wobei bisher erst ein Drittel der Stadt -aufgedeckt wurde, fand man am Amphitheater die sich nach der _arena_, -dem Kampfplatze hin öffnenden Zwinger für die wilden Tiere nebst den -für die Fechter bestimmten Räumen gut erhalten. An der Brustwehr waren -noch inzwischen von der Witterung zerstörte Bilder, welche den Kampf -zwischen Löwe und Pferd, Bär und Stier, Tiger und Eber vorstellten. -Man fand in jenem Amphitheater eine ziemliche Menge Einlaßbilletts in -Gestalt kleiner Knochenplatten, die die Nummer des betreffenden Platzes -rot aufgemalt trugen. - -Mit dem Verfall des Römertums hörten diese Jagdspiele auf; doch -vergnügten sich die großen Herren noch im Mittelalter gelegentlich -damit, in eigenen Tiergärten großgezogene Bären mit großen Doggen -kämpfen zu lassen. Besonders war solches am sächsischen Hofe unter dem -Kurfürsten August dem Starken (1670-1733), dem späteren König von Polen -der Fall. Flemming erzählt, daß im Jahre 1630 im Schloßhofe in Dresden -binnen acht Tagen drei Bärenhetzen stattfanden. In den beiden ersten -mußten sieben Bären mit Hunden, im dritten aber mit großen Keilern -kämpfen, von denen fünf auf dem Platze blieben. Die Bären wurden -außerdem durch Schwärmer gereizt und vermittelst eines ausgestopften -roten Männchens genarrt. Gewöhnlich stachen die großen Herren selbst -die von den Hunden festgehaltenen Bären ab; August der Starke pflegte -ihnen aber den Kopf abzuhauen. Mit der Verfeinerung der Sitten kamen -aber diese rohen Schauspiele glücklicherweise allmählich ab. - -[Illustration: - - Tafel 69. - -Das etwa aus dem Jahre 300 n. Chr. stammende schöne Mosaik in Bad -Kreuznach (Hüffelsheimerstraße 26), das uns Gladiatoren- und Tier-, -besonders Bärenkämpfe in der Arena zeigt.] - -[Illustration: - - Tafel 70. - -Eine Ochsen- und Bärenhatz, wie sie von der Zunft der Metzger bis ins -18. Jahrhundert hinein im Fechthause zu Nürnberg abgehalten wurde. - -(Nach einem zeitgenössischen Stich.)] - -[Illustration: Englisches Derbyrennen in Epsom zu Anfang des 19. -Jahrhunderts. - -(Nach einer zeitgenössischen Lithographie.)] - -Wie Gladiatoren- und Tierkämpfe, ebenso der unfeine Mimus und -Pantomimus Ausflüsse des ungebildeten Römertums waren, so bildeten -die Griechen die nationalen Ringkämpfe und Wettrennen, wie auch das -feinere Theater aus. Hier soll nur von den Pferderennen die Rede -sein. Schon bei Homer finden wir in der Ilias bei Gelegenheit der -Leichenfeier von Achilleus’ Freund Patroklos ein Wagenrennen für -Zweispänner veranstaltet, wobei Achilleus Starter und Richter und -Phoinix Kontrolleur am Wendeposten war. Fünf namhafte Griechen fuhren -bei diesem ausgesprochenen Herrenfahren, bei dem schon eifrig gewettet -wurde. Als erster Preis figurierte ein Weib „kundig untadeliger -Arbeiten“ und ein gehenkelter, 22 Maß fassender Dreifuß, als zweiter -Preis eine 6jährige, mit einem Maultier trächtige Stute, als dritter -ein neuer viermaßiger Silberkessel, als vierter zwei Talente Gold und -als fünfter eine neue Doppelschale. - -[Illustration: Bild 64. - -Zweispänniger Rennwagen von einer griechischen Vase des 7. Jahrhunderts -v. Chr.] - -In der Folge treffen wir das Rennfahren an den vier nationalen Spielen, -den olympischen, pythischen, nemeischen und isthmischen, die alle -vier oder zwei Jahre abgehalten und von ganz Griechenland beschickt -werden. Dabei wurden nur Hengste verwendet, die in Kategorien von -über und unter fünf Jahren eingeteilt wurden. In Olympia wurden acht -verschiedene Rennen gefahren, und zwar in der Rennbahn, die so gebaut -war, daß die Zuschauer den ganzen Verlauf des Kampfes verfolgen -konnten. Dabei mußten die Konkurrierenden außer den beschworenen neun -Monaten heimatlichen Trainings einen Monat in Olympia selbst geübt -haben. Und bei diesen Übungen wurden alle minderwertigen Gespanne -ausgeschaltet, so daß nur bestes Material zum Wettrennen kam. Das -Hauptrennen bestand in einem Wagenrennen mit vier Hengsten über fünf -Jahre, wobei in gestrecktem Galopp zwölf Umläufe der Rennbahn, im -ganzen 18,5 _km_ gefahren werden mußten. Dann kam ein Wagenrennen mit -zwei Hengsten über fünf und ein solches mit vier Hengsten unter fünf -Jahren, wobei acht Umläufe, d. h. 12,3 _km_ gefahren werden mußten. -Nachher folgte ein Wagenrennen mit zwei Hengsten unter fünf Jahren -mit drei Umläufen, d. h. 4,6 _km_, ein Reitrennen auf Hengsten von -über fünf und ein solches auf Hengsten von unter fünf Jahren mit sechs -Umläufen, d. h. 9,3 _km_. Endlich kam ein Reitrennen auf Stuten, wobei -der Reiter beim letzten Umlauf abspringen und zu Fuß nebenher laufen -mußte, und zum Schlusse ein Wagenrennen mit Maultieren. Dadurch, daß -der Besitzer und nicht der Fahrer den Hauptruhm erntete, legten mehr -reiche Leute Geld in die Pferdezucht, auch wenn sie selbst nicht -rennen wollten. Um vier gute Rennen zu erhalten, mußte der Sportsmann -mindestens zehn Pferde züchten oder kaufen, und aus dieser Zahl wurde -nach sorgfältigem Trainieren das beste Material ausgewählt. Dabei -mußten auch für die Wagenrennen die Pferde zuerst durch Bereiten -ausgebildet werden, um ein gleichmäßiges, andauerndes Reiten im Galopp, -eine leichte Wendsamkeit und den disziplinierten Gehorsam zu erreichen. - -Von den Griechen Unteritaliens übernahmen dann die Römer die -Wagenrennen zumeist mit dem Viergespann. Zu Ende der Republik und -namentlich zur Kaiserzeit bildete das Schauspiel der Wettrennen im -Zirkus eine wichtige Art der Unterhaltung des Stadtrömers. Für diese -diente der in der Senkung zwischen Aventin und Palatin gelegene -Zirkus Maximus von 650 _m_ Länge, in welchem im 4. Jahrhundert etwa -270000 Zuschauer auf lauter Marmorsitzen Platz fanden. Die von einem -Wassergraben umgebene Rennbahn war durch eine _spina_ genannte Mauer -in zwei Teile geteilt und besaß am Ende die gefürchteten _metae_, -je drei freie Kegelsäulen aus Goldbronze, an denen die Wagen bei zu -knappem Heranfahren nur zu leicht zerschellten. An den Spieltagen gab -es 20-24 Wettfahrten, wobei der leichte zweiräderige Wagen von vier -meist 3-5jährigen Hengsten gezogen wurde. Die besten Renner kamen -aus Spanien, Sizilien, Kappadozien und Afrika, d. h. Algerien. Das -Hauptpferd des Quadriga war das an der Außenseite laufende; ihre -Namen sind uns zu hunderten erhalten, wie auch derjenigen berühmter -Berufskutscher, zu denen junge, leichte Leute genommen wurden. -Ja, schon zehnjährige Knaben produzierten sich als Rennfahrer und -führten das Viergespann mit Erfolg zum Ziel. Siebenmal mußte die Bahn -durchlaufen werden, wobei die Kutscher der verschiedenen Quadrigen in -Röcke von verschiedener Farbe gekleidet waren. Um die Brust trugen sie -den aus Leder und Schnüren verfertigten Wagenlenkerverband, der sie bei -einem Sturze vor Rippenbrüchen schützen sollte; in ihrem Gürtel stak -ein scharfes sichelförmiges Messer, um im Falle der Gefahr die Zügel, -die sie um den Leib geschlungen hatten, zu durchschneiden. Auf dem -Kopfe hatten sie eine schützende Lederkappe; in der Rechten hielten sie -die kurze Peitsche aus Leder und in der Linken die Zügel. - -[Illustration: Bild 65. Wettfahren mit dem Viergespann bei der -Leichenfeier des Peltas. Links sitzen die Preisrichter und vor ihnen -stehen die als Preise ausgesetzten drei Dreifüße. Darstellung von einer -griechischen Vase des 6. Jahrhunderts v. Chr.] - -Bei der Eröffnung eines jeden Rennens wurden zuerst die Statuen der -Götter Roms und der vergöttlichten Kaiser in feierlicher Prozession -durch den Zirkus getragen, und das Volk huldigte jedem Bilde durch -Zuruf. Dann zog der festgebende Beamte oder Kaiser wie ein Triumphator -durch die Bahn, nahm den Ehrensitz ein und gab das Signal zum Beginn -des Rennens, indem er aus seiner Loge ein Tuch herabwarf. Auf die -besten Renner, deren Namen und Stammbaum jeder Habitué kannte, -wurde eifrig gewettet. Weit vorgebeugt standen die Rennfahrer auf -den leichten zweirädrigen Wagen und belauerten die Gegner, hielten -anfänglich zurück, um dann plötzlich vorzufahren und dem nächsten -Fahrer mit ihrem Wagen den Weg zu verlegen, nicht selten auch mit -Peitschenhieben aufeinander loszuhauen. Die zahlreichen Unfälle machten -eben den Reiz dieser Fahrten aus. Die Wagen zerschlugen sich und die -Fahrer wurden von den Nachfolgenden überfahren oder von ihren eigenen -Pferden geschleift, wenn sie nicht rechtzeitig mit ihren Sichelmessern -die Zügel durchzuschneiden vermochten. Den Gipfel der Bravour aber -erstiegen jene Rosselenker, die nach dem Verluste des eigenen Wagens -nach Herunterschlagen des Gegners mit dessen Gespann siegten. - -Diese Rosselenker hatten etwas barbarisch Heldenhaftes. Wir haben -Grabinschriften von solchen, die über 2000 Siege davontrugen. Der -Kutscher Scorpus wird von Martial als das Entzücken Roms besungen; die -Todesgöttin, sagt er von ihm, habe seine Siege mit seinen Lebensjahren -verwechselt und so sei er schon als Jüngling gestorben. Ein anderer, -Eutychus, ist für uns denkwürdig, weil der römische Fabeldichter -Phädrus, ein Freigelassener des Augustus, ihm seine dem Griechen Äsop -nachgedichteten Fabeln widmete. Eine Fülle von Bildsäulen wurde diesen -Leuten errichtet, und Kaiser Heliogabalus machte den Kutscher Cordius -unmittelbar zum Kommandanten der Feuerwehr. Dieser Kaiser ließ auch -Quadrigen von Kamelen laufen und gar den großen Wassergraben des Zirkus -mit Wein füllen und darauf allerlei Schiffskämpfe ausführen. - -In der Blütezeit der Wagenrennen waren nicht einzelne Private, sondern -Gesellschaften oder Klubs die Besitzer der Gespanne. Anfangs waren -es zwei, dann vier Parteien, die sich Ställe hielten und Kutscher -mieteten. Letztere waren meist Unfreie oder, wenn sie Freigelassene -waren, fuhren sie um Geld für diejenige Partei, die ihnen am meisten -bezahlte. Ihre enggeraffte ärmellose Tunika zeigte weithin die Farbe -der Partei, für die sie fuhren. Im Laufe der Zeit gingen die Erfolge -der Weißen und Roten mehr und mehr zurück, während die Blauen und -Grünen sich der größten Popularität erfreuten. Auch die Kaiser waren -vielfach leidenschaftlich an dieser Begeisterung für einzelne Parteien -beteiligt, so Vitellius und Caracalla für die Blauen, Nero und Domitian -für die Grünen. Und als nach der Teilung der beiden Reichshälften der -Sitz der Regierung von Rom nach Byzanz verlegt wurde, gingen die Kämpfe -zwischen den Blauen und Grünen hier weiter, so daß durch sie nicht nur -Straßenaufläufe, sondern eigentliche Palastrevolutionen hervorgerufen -wurden. Das ganze Volk verfolgte mit leidenschaftlichem Interesse die -Vorgänge auf der Rennbahn. Von ihrer bronzenen Tribüne pflegten die -Herrscher von Byzanz dem Kampfe zuzusehen. In den Pausen zog sich -dann der Hof zur Mahlzeit zurück. Aber derjenige Kaiser, der dabei -auf die Genüsse der Tafel zu viel Zeit verwendete, setzte damit seine -Popularität aufs Spiel; denn dann wurde das Volk ungeduldig, begann zu -murren und schließlich ertönte der Ruf: „Erhebe dich endlich, du unsere -Sonne, und gib das Zeichen.“ Denn das war das am meisten beneidete -Vorrecht des Kaisers, daß er mit einer Handbewegung das Zeichen zum -Start geben mußte. - -Wie in Rom gab es auch selbst unter den vornehmen Geistlichen von -Byzanz eigentliche Pferdenarren. Ein solcher war auch der Patriarch -Tophanes, der für seinen Marstall eine Reihe prunkvoll ausgestatteter -Ställe besaß, in denen selbst die Krippen aus massivem Silber -gearbeitet waren. Ein Heer von Dienern sorgte für das Wohlbefinden -der Pferde, streute ihnen nicht nur Heu und Gerste, sondern Datteln, -Feigen, Rosinen und andere Leckerbissen in die Krippen. Die Ställe -wurden mit kostbaren Wohlgerüchen parfümiert und die Pferde auch in -Wein gebadet. Wie weit die Leidenschaft dieses Kirchenfürsten für -seine Pferde ging, zeigt ein charakteristischer Vorfall. Eines Tages -zelebrierte er in der Sophienkirche (Hagia Sophia) das Hochamt. -Plötzlich sah man den Prälaten den Altar verlassen, verschwinden -und Kaiser und Volk in der Kirche stehen lassen. Was war geschehen? -Ein Eilbote hatte dem hohen Herrn die Kunde gebracht, daß sein -Lieblingspferd einem Füllen das Leben gegeben habe. Da litt es ihn -nicht länger in der Kirche. Er unterbrach seine geistliche Handlung -und eilte sofort nach den Ställen, um sich von dem Vorfall selbst zu -überzeugen. - -[Illustration: Bild 66. Griechischer Rennleiter von einer um 550 v. -Chr. gemalten Vase.] - -Hatten schon die Griechen das Wettreiten dem Wettfahren hintangestellt, -so taten es die Römer noch mehr. Jene Südländer waren eben kein -Reitervolk gewesen, wie etwa die Hunnen und Germanen; ihnen wäre auch -ein einfaches Wett- oder Hürdenrennen zu reizlos und undramatisch -gewesen. Um diese rohen Gemüter zu erfreuen, brauchte es schon -stärkerer Reizmittel als solche harmlose Reiterkünste. Den alten -Deutschen dagegen war das Pferd als Fortbewegungsmittel in Krieg und -Frieden gleich wichtig. Erst in der Zeit der Völkerwanderung kamen -bei ihnen Sättel in Gebrauch, auf die man zum weicheren Sitzen auch -noch Decken oder Kissen legte. Während man früher nur auf Trense ritt, -wurde in der Ritterzeit die Kandare, oft mit sehr langem Hebelarm, -üblich. Seit der Merowingerzeit wird der Steigbügel und der Sporn mit -einfacher Spitze wie bei den alten Römern gefunden. Öfter findet sich -in den Gräbern jener Zeit nur ~ein~ Sporn, und zwar am linken Fuße, um -das Pferd zu einer Schwenkung nach rechts zu veranlassen, weil man so -dem Feind seine durch den Schild geschützte linke Seite zukehrte. Schon -Tacitus sagt in seiner Germania von den germanischen Pferden: „Sie -werden nicht gelehrt, verschiedenartige Wendungen nach unserer Art zu -machen, sondern man läßt sie geradeaus oder mit einer Schwenkung nach -rechts laufen.“ Zu der Ritterzeit hatte man dann stets zwei Sporen, -und zwar vom 12. Jahrhundert an mit Rädchen. Solange der Kettenpanzer -nur den Mann bedeckte, kam man mit den feingebauten warmblütigen -Schlägen aus. Erst als die Ritter sich nicht nur selbst in schwere -Eisenrüstungen kleideten, sondern auch ihre Pferde in solche steckten, -war man wegen des zu tragenden schweren Gewichts darauf angewiesen, -kräftige kaltblütige Schläge zu bevorzugen. Auf diesen zogen die Ritter -in ihren Plattenpanzern wie in den Krieg so auch zum friedlichen -Scheinkampf, zum ~Turnier~. Dieses, ursprünglich der Turnei, vom -Französischen _le tournoi_ -- von _tourner_, mit dem Pferd einen Kreis -beschreiben -- genannt, kam mit dem ganzen Apparat der Ritterschaft -aus Frankreich, das, von der altrömischen Kultur befruchtet, früher -als Deutschland zur Kulturblüte gelangte. In Deutschland ist das erste -Turnier 1127 in Würzburg abgehalten worden. Es wurde von Fürsten -oder vornehmen Gesellschaften veranstaltet und war nur dem Adel -zugänglich. In prunkvollem Aufzuge, den feurigen Hengst mit einer Decke -(_covertiure_) in denselben Farben und mit denselben Wappenbildern wie -der Waffenrock des Ritters geziert, fand man sich mit seinem Gefolge -zum ritterlichen Kampfspiel an dem Orte ein, wohin die Einladung rief. -Dabei fanden sich auch allerlei fahrende Sänger und Gaukler, wie zu -jedem Feste im Mittelalter, ein, und schöngeschmückte, edle Frauen -sahen von Tribünen dem Spiele zu. - -Im ausgebildeten Turnier unterschied man drei verschiedene -Waffenübungen. 1. Den mit französischem Namen bezeichneten Buhurt, ein -Reitergefecht in Gruppen, ohne Rüstung und mit ungefährlichen Waffen. -Im Nibelungenlied erscheint er noch als die Hauptsache. 2. Den Tjost, -später das Stechen genannt, das dem Ritterideal am meisten entsprach -und in den Ritterepen immer mit besonderer Vorliebe geschildert wird, -das vom Erneuerer des Rittertums, König Maximilian I., mit Vorliebe -gepflegt wurde. Der Tjost bestand in dem Kampf zwischen zweien, -die in schwerer Rüstung mit eingelegter Lanze mit eigentümlicher -stumpfdreizackiger Krone an der Spitze aufeinander losrannten und sich -gegenseitig aus dem Sattel zu werfen suchten. Trotz dem Plattenpanzer -und dem das ganze Gesicht bedeckenden Helm gab es da gelegentlich nicht -ungefährliche Verletzungen, wie Knochenbrüche und Augenauslaufen, so -daß ein gewisser Mut zu solchem Stechen gehörte. 3. Das eigentliche -Turnier, das den Schluß und die Hauptsache der ganzen Veranstaltung -bildete. Es war eine Art Kavalleriemanöver, wobei die Gesamtmasse -der Ritter in zwei gleichwertige Hälften geteilt wurde, die unter -den dazu bestimmten Kommandierenden gegeneinander kämpften. Dabei -wurde zuerst mit der Turnierlanze, dann mit dem stumpfen oder durch -einen Stock ersetzten Schwerte, erst zu Pferd, dann zu Fuß gefochten. -Nach dem Urteil des Schiedsgerichts wurden die Sieger ausgerufen und -empfingen von zarter Hand ihren Ehrenpreis. Später wurden verschiedene -Varianten des Tjostierens und Turnierens unterschieden, wie das -Buntrennen, das Offenrennen, das geschift Scheibenrennen, das geschift -Tartschenrennen, das wälsche Rennen in dem Armetin (einer bestimmten -Helmart), das loblich gemain deutsch Stechen (mit dem Krönlein, -der stumpfdreizackigen Lanze), das Stechen im hohen Zeug und im -geschlossenen Sattel und anderes mehr. Das letzte echte Turnier in -Deutschland fand 1487 in Worms statt. - -Wenn auch noch im 17. Jahrhundert Schauturniere gelegentlich an einigen -Höfen Deutschlands stattfanden, so war doch mit dem Beginn des 16. -Jahrhunderts die Zeit dieser ritterlichen Kampfspiele des Mittelalters -endgültig vorbei. Man begnügte sich nach italienischem Vorbild der -Renaissancezeit mit allerlei Figurenreiten, malerischen Aufzügen und -Quadrillen. Dieses Figurenreiten war von den Arabern und Sarazenen -ausgegangen und kam mit der Bezeichnung _caracolo_, d. h. Wendung im -Kreise (aus dem Arabischen _karak_) nach Italien, gelangte dann als -_caroussel_ zu den Franzosen und von da zu den übrigen Kulturvölkern -Europas. Man versteht darunter ein Evolutionsspiel zu Pferde, bei dem -das Kreise- und Achterfigurenbeschreiben eine große Rolle spielte. -Diese Reitübungen förderten in der Folge sehr die Beweglichkeit und -Feldtüchtigkeit der Reiterei, so daß sie teilweise noch bis in unsere -Zeit beibehalten wurden. - -Dieses _karak_ der Araber, das speziell die Mauren pflegten, ist -eines der Reiterspiele, wie sie bei allen Völkern, die Pferde halten -und zum Reiten benutzen, seit dem hohen Altertume beliebt waren. -Diese Reiterspiele stehen gewöhnlich in unmittelbarer Beziehung zur -Kampfmethode des betreffenden Volkes und sollten in erster Linie -dazu dienen, die Kriegstüchtigkeit der Jungmannschaft zu erhöhen. So -treffen wir schon bei den alten Griechen den beliebten altdeutschen -kriegerischen Tanz _pyrrhiche_, den die Knaben im 15. Jahre erlernten -und in welchem unter Flötenklang alle Bewegungen und Verrichtungen, -die beim Kampfe vorkommen, rhythmisch nachgeahmt wurden. Später -wurden solche Übungen auch zu Pferde vorgenommen. Damit übten sich -besonders die Reiter, als Vorbereitung für die wirkliche Schlacht. -Als dann die Römer mit der griechischen Kultur bekannt wurden, -übernahmen sie dieses Kunstreiten mit Waffen und bildeten es bei -ihrer Reiterei weiter aus. Diese Gelegenheit, prächtige Pferde und -gelenkige Beweglichkeit vor bewundernden Zuschauern zu zeigen, ließen -sich die vornehmen römischen Stutzer nicht entgehen. Von Beginn der -Kaiserzeit bis zum Fall des römischen Reichs wurde dieses Kriegsspiel -zu Pferd gern als Schaustellung vorgeführt und hieß später _ludus -trajanus_, weil Kaiser Trajan dies besonders begünstigte und neue -Variationen dabei einführte. Eine lebendige Beschreibung desselben -findet sich in Claudians Lobgedicht auf das Konsulat des Honorius; -dann finden wir es gelegentlich auf Inschriften erwähnt und auf -Gemmen und Münzen abgebildet, als Beweis dafür, wie beliebt es war. -Nach Überschwemmung des weströmischen Reiches durch die germanischen -Barbarenhorden, pflegte Ostrom dieses Erbe weiter, und so treffen wir -dieses Reiterspiel in Byzanz mit allerlei persischen Ausschmückungen -im sogenannten Ringstechen, bei welchem man mit einer langen Lanze -gegen eine mit konzentrischen Kreisen in verschiedenwertige Flächen -eingeteilte runde Scheiben anritt, und in einer Art Karussel wieder. - -Im Orient wurde von alters her das neuerdings bei den vornehmen -Europäern beliebte ~Polospiel~ zu Pferde geübt. So sandte einst der -Perserkönig Darius, Sohn des Hystaspes, dem König Alexander von -Makedonien (521-485), als er ihm den Tribut verweigerte, einen Ball -und einen Stock zum Polospiel und ließ ihm sagen, solche Beschäftigung -passe für ihn besser als Krieg anzufangen. Die Kreuzfahrer sahen das -Polo in Byzanz beim griechischen Kaiser Manuel Komnenos und brachten -es nach Europa, wo es allmählich zu einem Spiel zu Fuß degradiert und -in England zu Kricket, Fußball und Golf differenziert wurde. Bei den -Persern und den kriegerischen Stämmen Nordindiens erhielt sich das Polo -bis auf den heutigen Tag. Als der Iman Ibn Omar den Schah Nur-ed-Din -von Persien (ca. 1070 n. Chr.) selbst Polo spielen sah, meinte er, -solche Übung passe nicht für einen Herrscher. Da antwortete er ihm: -er spiele, bei Gott, das Spiel nicht zu seinem Vergnügen, sondern als -gutes Beispiel für seine Untertanen, damit ihre Pferde geübt und sie -selbst gelenkig würden, um im Kampfe ihren Mann zu stellen. - -Wie einst bei den Persern das Polo, so ist heute bei den Arabern der -Dscherid -- bei uns besser unter der algerischen Bezeichnung _fantasia_ -bekannt -- ein fast täglich zur Übung der Pferde vorgenommenes -Reiterspiel. Darin ist das Karussel mit den militärischen, bei -ihren Kämpfen gebräuchlichen Evolutionen verbunden. Unter Geschrei -und Schwingen des Dscherid, d. h. des aus dem Holz der Dattelpalme -hergestellten Wurfspeers, ritten zwei Reiterscharen in wildem Galopp -aufeinander los, um kurz voreinander anzuhalten, umzukehren und unter -allerlei Wendungen das Spiel aufs neue zu beginnen. In vollem Laufe -mußte der zu Boden geworfene Dscherid wieder aufgenommen werden, dann -stand oder legte man sich auf den Sattel, benutzte die Vorhand des -Pferdes als Schutz und Schild, hing während des Galopps ganz auf der -Seite und schoß dabei mit Pfeil und Bogen auf ein bestimmtes Ziel, -sprang vom Pferde ab und schwang sich wieder hinauf. Mit der Einführung -der Gewehre begnügte man sich, dann blind zu schießen und einen großen -Lärm zu verführen. - -Außer den verschiedenen Reitübungen wurde das Pferd schon im hohen -Altertum auch zu allerlei Kunststücken verwendet, wie wir sie heute -besonders im Zirkus zu bewundern Gelegenheit haben. So weiß schon Homer -in der Ilias von Kunstreitern zu berichten, wenn er sagt: „Gleichwie -ein guter Kunstreiter, nachdem er aus einer großen Anzahl vier Rosse -zusammengefügt, abwechselnd sicher und beständig von einem Pferd auf -das andere springt, während sie dahinfliegen, so schwang sich Ajas -von einem Schiff auf das andere“. Schon bei den alten Mykenäern der -Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends finden wir auf den -Freskomalereien der Palastwände mit Vorliebe solche Jonglierkünste -abgebildet, und zwar sind es statt Pferde wilde Stiere, die beim -Anstürmen in der Arena von leicht geschürzten Männern oder Frauen -an den Hörnern gefaßt werden, wobei sich das betreffende Individuum -in kühnem Bogen über das Ungetüm schwingt, um teilweise mit einem -wahrhaftigen Salto mortale wieder den Boden zu gewinnen. Daß solche -Darstellungen an den Wänden der Fürstenpaläste so häufig vorkommen, -beweist, daß die betreffenden kunstvollen Spiele des schwachen, aber -intelligenten Menschen mit dem starken, einfältigen Tier in jenen -Kreisen höchst beliebt waren. - -[Illustration: Bild 67. Altägyptischer Stierkämpfer mit einem einfachen -Stock gegen die Stiere vorgehend. (Nach Wilkinson.)] - -Schon im alten Reiche Ägyptens sehen wir mehrfach den Menschen, mit -einem einfachen Stock bewaffnet, wildgemachten Stieren entgegentreten -und sie dank seiner geistigen Überlegenheit bezwingen. Solche Spiele -mit Tieren, speziell Kämpfe des Menschen mit wildgemachten Stieren, -kamen schon frühe aus dem Niltal und Westasien auch nach Griechenland -und Rom, wo sie beim Volke besonders populär wurden. Während aber in -den Wirren der Völkerwanderung diese Stiergefechte zur Belustigung -des dabei zuschauenden Publikums aus allen Ländern im Machtbereiche -der römischen Kultur verschwanden, erhielten sie sich als nationales -Vergnügen einzig in Spanien, das dort und im spanischen Amerika trotz -wiederholter Aufhebung wegen der dabei ausgeübten Tierquälerei bis -auf den heutigen Tag sich größter Popularität erfreut, ja trotz aller -Anstrengungen der Tierschutzvereine sich sogar über Südfrankreich -verbreitete und bis nach Genf in die Schweiz hineingelangte. Daß -solches in unserer aufgeklärten, humandenkenden Zeit möglich ist, -beweist eben, daß ein Zug von Gefühlsroheit und Grausamkeit seit dem -Tierhetzen und Menschenschlächtereien im Altertum im romanischen Blute -steckt, der dem Germanen, der ja auch von manchen Tierquälereien, -besonders bei Ausübung der Jagd, nicht ganz freizusprechen ist, völlig -abgeht. Letzterer ist zu gefühlvoll und mitleidig, um die dem Menschen -trotz ihrer natürlichen Waffen wehrlose Kreatur absichtlich zu peinigen -und sich an ihrem Schmerz und den damit verbundenen Ausbrüchen von -Grimm zu erfreuen. Der Romane aber hat selbst in der zärter fühlenden -Frau noch nicht seine angeborene und durch Jahrhunderte nicht -gebändigte Rohheit überwunden und kennt nichts höheres, als selbst die -Mutter Gottes und die Heiligen an ihrem Feste durch ein ~Stiergefecht~ -zu ehren. Diese werden in besonderen Amphitheatern -- da, wo noch -solche aus dem Altertum vorhanden sind, mit Vorliebe in diesen -- -auf öffentliche Kosten oder von Privatunternehmern abgehalten. Der -ganze Verlauf des Volksfestes ähnelt in hohem Maße demjenigen der -Arena bei den alten Römern. Die Stierfechter (_toreros_) teilen sich -in _picadores_, die zu Pferd -- allerdings auf dem Tode verfallenen -wertlosen Rosinanten mit verbundenen Augen --, die Beine gegen -allfällige Angriffe des Stieres mit seinen spitzen Hörnern sorgsam -einbandagiert, mit ihren Lanzen gegen den Stier losreiten, ihn reizen -und ermüden; dann die _banderilleros_, die mit roten Bändern gezierte, -mit Widerhaken versehene Stäbe in die Schultern des Tieres stoßen und -es dadurch und durch den damit verbundenen Schmerz wütend machen. -Ferner aus den _chulos_ oder _capeadores_, die mit Bändern und Schärpen -seine Wut, wenn sie nachzulassen droht, aufs neue erregen und möglichst -steigern, und endlich die meist als _matadores_ bezeichneten _espadas_ -oder Schwertträger, die mit ihren feinen Degen dem Tiere den Todesstoß -ins Rückenmark zu geben haben. Vermochten sie damit den aufs äußerste -gequälten Stier nicht zu töten, so gibt ihnen der _cachetero_ den -Gnadenstoß. - -Zahllos sind die verschiedenen Arten von Tierdressuren, die teils schon -im hohen Altertum, besonders aber heute in unserer genußsüchtigen, -stets nach neuen Sensationen begehrlichen Zeit, dem danach begierigen -Publikum im Zirkus und in Varietétheater vorgeführt werden. Da begnügt -man sich nicht mit dem Anblick friedlich den Wagen ziehender oder auf -Kugeln rollender, sorgsam den furchtsamen Hasen, ohne ihn zu verletzen, -apportierender Löwen, von Elefanten als Seiltänzer oder Musikanten, -die auch griechisch und lateinisch schrieben, wie dies zur römischen -Kaiserzeit Sensation erregte, sondern bringt brennende Lampen aus -Glas und andere heikle Gegenstände jonglierende Seehunde, mit der -Nasenspitze ihnen zugeworfene Erdbeeren und andere Früchte auffangende -und balancierende Seelöwen, usw., von wie Menschen gekleideten und -sich als Gentlemen beim Essen, Rauchen, Radfahren usw. benehmenden -Schimpansen ganz zu schweigen. Es würde uns zu weit führen, auch nur -die merkwürdigsten, durch unendliche Geduld erzielten Tierdressuren -hier zu erwähnen. Es genüge, nur solche Errungenschaften des -Menschengeistes über die Tierseele zu erwähnen. - -Auch Menagerien und Tierschaustellungen sind keine Erwerbung der -Neuzeit; mit den Tiergärten kamen sie teilweise schon im Altertum vor. -Besonders letztere waren an fürstlichen Hofhaltungen beliebt. So ist -im Schi-king ein Tiergarten des Kaisers Wen-wang (um 1150 v. Chr.) -unter der Bezeichnung „Park der Intelligenz“ erwähnt, worin allerlei -Säugetiere, Vögel, Schildkröten und Fische gehalten wurden. Einen -ähnlichen Tiergarten unterhielten die aztekischen Herrscher in Mexiko. -Da gab es nach den zeitgenössischen spanischen Berichten zahlreiche -Gehege, Zwinger, Vogelhäuser und Wasserbecken, in denen die Fauna -Mittelamerikas vollständig vertreten und in systematischer Anordnung -untergebracht war. Die Verpflegung der Raubvögel allein soll täglich -500 Truthähne beansprucht haben. - -Auch den Vornehmen des alten Rom waren Tiergärten bei ihren Villen -eine beliebte Anlage, die meist viele Morgen Landes umfaßte und zum -Schutz gegen das Eindringen von Raubtieren mit einer hohen, glatten -Mauer umgeben war. Im Innern waren Gruppen von hohen Bäumen mit -ausgebreiteten Ästen, die dem Adler und anderen Raubvögeln das Jagen -darin verunmöglichen sollten. In ihnen wurden Hasen, Rehe, Hirsche, -Antilopen und Wildschweine teils zum Vergnügen, teils des Gewinnes -wegen gehalten. Man gewöhnte sie daran, zur Fütterung zu kommen, wenn -ins Horn gestoßen wurde. Varro, dem wir diese Angaben verdanken, sagt -u. a.: „Im Tiergarten des Quintus Hortensius (eines berühmten Redners) -ist ein erhabener Platz mit Pavillon. Während dort gespeist wird, -erscheint ein Orpheus in langem Gewande mit einer Kithara. Er beginnt -die Saiten zu schlagen, es wird ins Horn gestoßen; da erscheinen -sogleich Wildschweine, Hirsche und andere vierfüßige Tiere in Menge und -gewähren ein lustiges Schauspiel.“ - -Im Mittelalter traten die tierfreundlichen Araber das Erbe der -Römer an und ein Tiergarten gehörte zum notwendigen Requisit jedes -muhammedanischen Fürstenhofes. Als der größte der Omajaden, Abdurrhaman -III., die Stadt Az-Zahra bei Cordova errichten ließ, ordnete er auch -die Anlage eines Gartens an, in welchem in umgitterten und eingezäunten -Räumen Vögel und seltene vierfüßige Tiere gehalten wurden. Dies war -der älteste Tiergarten Europas. Viel später, zur Renaissancezeit, -unterhielten die kleinen Fürstenhöfe Italiens je eine kleine Sammlung -fremder Tiere. Die berühmteste derselben war diejenige des Herzogs -Ferrante von Neapel, die unter anderem als bis dahin im christlichen -Abendlande noch nicht gesehene Tiere, eine Giraffe und ein Zebra, -aufwies, die der Herzog vom Kalifen von Bagdad zum Geschenk erhalten -hatte. 1513 schenkte ein Türkensultan dem Könige Emanuel von Portugal -ein ostindisches Nashorn, der dieses zusammen mit einem Elefanten dem -Papste Leo X. verehrte. Dieses Wundertier hat Albrecht Dürer 1515 in -einem bekannten Holzschnitt gezeichnet. - -In Mitteleuropa finden sich Tiergärten zuerst bei den reicheren -Klöstern. So enthielt der „Twinger“ des Klosters St. Gallen im 10. -Jahrhundert Bären, Dachse, Steinböcke, Murmeltiere, Reiher und -Silberfasanen. Im späteren Mittelalter war der Tiergarten in der -Residenz des Hochmeisters des Deutschen Ordens zu Marienburg am -bedeutendsten. Er enthielt außer Hirschen, Rehen und kleinerem Wild -große Ure, Geschenke des Großfürsten Witold von Litauen und des Komturs -von Balga, ferner einen Zwinger mit Bären und Affen, dann Meerkühe und -Meerochsen und seit 1408 auch einen Löwen. - -Namentlich im 16. Jahrhundert waren Ure, Elche und wilde Pferde -die begehrtesten Tiere für die fürstlichen und adeligen Liebhaber -Deutschlands, derentwegen ein lebhafter Briefwechsel und besondere -diplomatische Missionen stattfanden. Die Hauptlieferanten dieser Tiere -waren die Hochmeister des Deutschen Ordens und der Herzog von Preußen. -Schon 1518 sandte der Hochmeister dem Kurfürsten Joachim I. von -Brandenburg einen Ur, der als seltenes Schauspiel gebührend angestaunt -wurde. Die Elche waren damals schon nicht mehr häufig und gingen beim -Transport mitunter zugrunde. So teilte der Pfalzgraf Otto Heinrich vom -Rhein dem Herzog von Preußen 1533 mit, daß von den ihm übersandten -Elchen „das Männle, als es bis auf 64 Meilen Wegs von Königsberg -gekommen, und das Fräule bis auf 28 Meilen von hinnen gestorben“ sei. -In den 1550er Jahren war es besonders der Erzherzog Ferdinand von -Österreich, der sich zur Bereicherung seines Tiergartens in Prag von -Zeit zu Zeit an den Herzog von Preußen wandte. Im Jahre 1591 erhielt -Landgraf Wilhelm IV. von Hessen von Herzog Karl von Schweden einen -Elch, der im Tiergarten von Zapfenburg vortrefflich gedieh. Im Mai -schrieb der Landgraf entzückt an jenen: „Das Elend ist so lustig, daß -wir ein gutes Gefallen an ihm tragen, denn sobald wir nach Zapfenburg -in unsern Tiergarten kommen und es uns reden hört, läuft es zu uns -und läuft hinter unserm Birschwäglein.“ Zwischen den kleineren und -größeren fürstlichen Tiergärten entwickelte sich ein lebhafter -Austausch, so daß wenigstens die einheimischen Tiere gut vertreten -waren. In den Reichsstädten wurden in den trockenen Gräben vielfach -Hirsche gehalten, was für Frankfurt a. M. 1399, für Solothurn 1448, für -Friedberg 1489, später auch für Zürich, Basel und Luzern nachgewiesen -ist. - -Während alle diese Tiergärten ausschließlich zur Unterhaltung gegründet -wurden, hatte schon Ptolemäos I., Sohn des Lagos, einer der Feldherren -Alexanders des Großen, der erst als Statthalter der Nachkommen -Alexanders, seit 321 selbständig bis zu seinem Tode 283 regierte, neben -allerlei wissenschaftlichen Instituten mit einer großen Bibliothek auch -einen großen zoologischen Garten in Alexandrien errichtet, auf dessen -Vermehrung auch sein Sohn und Nachfolger Ptolemäos II. Philadelphos -eifrig bedacht war. So zeigte er den erstaunten Alexandrinern zum -erstenmal ein Nashorn und eine Giraffe. Zur römischen Kaiserzeit -bestand dieser Tiergarten noch, aber mit dem Untergang der antiken -Kultur verschwand auch er, und viele Tierarten, die den Alten bekannt -gewesen waren, gerieten in Vergessenheit oder verwandelten sich im -Volksbewußtsein in seltsame Fabelwesen. Erst mit der Erweiterung des -Horizontes durch die Kreuzzüge begann im Abendlande im 12. Jahrhundert -ein langsames Wiedererwachen des zoologischen Interesses, das aber erst -im Zeitalter der geographischen Entdeckungen wesentlich gefördert wurde. - -Als Geburtsjahr der modernen Zoologie darf man das Jahr 1635 ansehen, -in welchem ein Edikt Ludwigs XIII. die beiden Leibärzte Hérouard und -Gui de la Brosse zu der Gründung des Jardin des plantes ermächtigte, -der zunächst nur als ein Versuchsgarten für Medizinalgewächse gedacht -war, bald aber mit einer Menagerie verbunden wurde. Während der großen -französischen Revolution wurde auf Veranlassung von Bernardin de St. -Pierre die Versailler Menagerie mit dem Jardin des plantes vereinigt, -und 1797 wurde sogar eine Expedition nach Afrika gesandt, um neue -Tierarten zu erwerben. Ein Gönner des Gartens war später Mehemet Ali, -Pascha von Ägypten, der außer einem afrikanischen Elefanten, Antilopen -usw. auch eine Giraffe sandte, die 1827 in Paris anlangte. Dort wurde -sie in der Folge so populär, daß sich die Mode ihrer bemächtigte und -sich die Pariser Damen und Stutzer länger als ein Jahr _à la girafe_ -trugen. Heute wäre allerdings eine solche Moderichtung schon nach einem -Vierteljahr veraltet und verlassen. - -Nicht minder berühmt als der Jardin des plantes in Paris war die -kaiserliche Menagerie zu Schönbrunn, die 1742 durch Kaiser Franz I. -und Maria Theresia gegründet worden war und die Bestände der älteren -kaiserlichen Menagerien in sich aufgenommen hatte. Es waren dies die -Menagerie von Ebersdorf (um 1552 gegründet), von Neugebäu und die vom -Prinzen Eugen angelegte Menagerie im Belvedere. Zur Bereicherung der -Schönbrunner Menagerie wurden auf Geheiß Kaiser Josefs II. zwei große -Expeditionen unternommen, die erste von 1783-1785 nach Nordamerika und -Westindien, die zweite von 1787 bis 1788 nach Südafrika, Isle de France -(Mauritius) und Bourbon. - -Der erste wissenschaftlich geleitete zoologische Garten in England war -ein Privatunternehmen des Earl of Derby in Knowsley bei Liverpool. Nach -dem Tode seines Eigentümers ging der sehr bedeutende Tierbestand in -den Besitz der 1828 gegründeten Zoological Society über, die 1829 in -Regent’s Park einen zoologischen Garten anlegte. Schon 1830 enthielt -der Garten über 1000 Tierarten. 1852 wurde mit dem Bau von geräumigen -Aquarien begonnen. Dieser Londoner zoologische Garten wurde das Vorbild -für die meisten Institute dieser Art, die auf dem Kontinent in rascher -Folge ins Leben gerufen wurden und deren bedeutendsten die Gärten von -Amsterdam (1838), Antwerpen (1843), Berlin (1844), Brüssel (1851), -Rotterdam (1857), Frankfurt a. M. (1858), Kopenhagen (1858), Köln -(1860), Dresden (1861), Haag (1863), Hamburg (1863), Moskau (1864), -Breslau und Hannover (beide 1865) sind. - -Durch diese und zahlreiche andere seither eröffnete zoologische Gärten -wurden die wandernden Menagerien und Tierbuden unserer Jahrmärkte, -die bis dahin ausschließlich der Aufklärung des großen Publikums -gedient hatten, stark in den Hintergrund gedrängt. Früher dienten -dressierte Affen und Tanzbären auf den Jahrmärkten zur Befriedigung der -Sensationslust des Volkes. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts kamen von -größeren ausländischen Säugetieren nur der indische Elefant und das -indische Nashorn nach Mitteleuropa. Ersterer wurde zuerst 1443 auf der -Messe in Frankfurt a. M., dann 1562 auf der Breslauer Johannismesse und -1607 in Hamburg, letzteres 1741 zuerst in Holland gezeigt. Es war ein -bei seiner Ankunft drei Jahre altes Tier, das auf den Ankündigungen -ausdrücklich als der Behemoth der Bibel (Hiob 40, tatsächlich aber war -dies ein Flußpferd) und das Einhorn des Mittelalters bezeichnet und -erregte ungeheueres Aufsehen. Auf der Ostermesse 1747 erschien es in -Leipzig, wo ihm Gellert in dem Gedichte: - - „Um das Rhinozeros zu sehen, - Erzählte mir mein Freund, - Beschloß ich auszugehen“ usw. - -ein literarisches Denkmal errichtete. Im Herbste desselben Jahres kam -es nach Nürnberg, im Frühling 1748 nach Augsburg, wo es Joh. Ridinger -sehr gut abzeichnete und radierte. - -Auffallend spät erschienen Kamele in Deutschland. Die erste auf uns -gekommene Nachricht, die sich auf ein solches Tier bezieht, datiert aus -dem Jahre 1487. Erst als es der Großherzog Ferdinand II. von -Toskana 1622 auf seinem Landgute San Rossore bei Pisa zu Zuchtzwecken -einführte, wurden alle Tierbuden und Tiergärten damit versorgt. -Um dieses Tier, das beständig mit dem zweihöckerigen Trampeltier -verwechselt wurde, wand sich wie um die vorigen ein ganzer Kranz von -Fabeln. Am meisten wurde von unseren trinkfesten Vorfahren die Tatsache -angestaunt, „daß der Romdarius auch zu Sommerszeiten 3 Monate ohne -Sauffen leben kann“. - -Von den übrigen, wohl in jeder größeren Menagerie vorhandenen Tieren -ist das Lama außer in Spanien, wo es bald nach der Eroberung Perus -durch Pizzaro gezeigt wurde, zuerst 1558 in Antwerpen zur Schau -gestellt worden, das Krokodil 1566 in Nürnberg, der Elch 1586 ebenfalls -in Nürnberg, das Stachelschwein, das seine totbringenden Stacheln auf -den Gegner schießen sollte, 1627, der indische „Riesenbüffel“ 1745, der -afrikanische Strauß schon 1450 auf der Frankfurter Messe, das Zebra um -1670, der Eisbär 1754 als „crulanischer (wahrscheinlich grönländischer) -Meer-Löwe oder weißer Walfisch-Bär“. Verhältnismäßig spät und selten --- wohl weil ihre Ernährung mit frischem Fleisch sehr kostspielig war --- waren große Raubtiere zu sehen, so 1584 in Nürnberg ein Löwe, 1611 -ein Löwe und ein Tiger. Um so beliebter und verbreiteter waren seit dem -Ende des 18. Jahrhunderts auf allen deutschen Jahrmärkten verschiedene -Robben, besonders deren kleinster Vertreter, der Seehund als angeblich -„menschenfressendes Ungeheuer“ zu sehen. Auch größere Affen wurden -damals als Satyre oder wilde Männer bei uns gezeigt. - -Um die Mitte des 18. Jahrhunderts, mit der Zeit der Aufklärung, -begann die Blütezeit der Wandermenagerien, als deren erste die -des „Herrn Dalmatine, eines geborenen Dalmatiners“ von 1750-1760 -Deutschland durchzog. Deren uns erhaltene Anpreisungszettel wimmeln -von unrichtigen, abenteuerlichen Angaben und Übertreibungen von -der Gefährlichkeit der gezeigten Tiere. Besonders mit der Herkunft -derselben nahm man es damals nicht genau. Ums Jahr 1800 erschien -in Nürnberg die Menagerie Anton Alpi & Co. mit zwei Elefanten, zwei -Eisbären, einem „großen breitgestreiften König der Tiger aus Bengalen“, -einem „Pander oder gefleckten bengalischen Tiger“, einer Hyäne, -einem „Kasoar“, einem „Condor aus Afrika, man nennet ihn auch den -Lämmer-Geyer oder Geyer-König“, einem „Eremiten oder Einsiedleraffen“, -einem kanadischen Biber -- „seine Nahrung besteht bloß in Holz“ -- -und „zwey junge Cangoru, welche -- wie der Königstiger -- noch nie in -Deutschland lebendig gesehen worden sind“. Weniger phantastisch waren -die Ankündigungen der zwischen 1813 und 1815 Deutschland bereisenden -Menagerie Simonelli. Sie besaß einen von den damaligen Zoologen zu -den Faultieren gerechneten Lippenbären und als Glanzstück einen -jungen „großen Barbaro männlichen Geschlechts, welcher die Negerinnen -wegraubt; er ist vom Geschlecht der Waldmänner. Von dem Barbaro kommt -der wahre Orang-Outang oder Waldmann her. Dieser Barbaro, erst 4 Jahre -alt, ist bereits 4½ Fuß hoch, seine vollkommene Größe ist 6 oder 7 Fuß; -dieses Tier, das man sehr jung auf der Insel Madagaskar bey dem Cap der -guten Hoffnung gefangen hat, ist jetzt gezähmt, jedoch hält man es aus -Furcht des Zufalls in einem wohlbehaltenen Käfig an einer guten Kette -so, daß es den Zuschauern gar nicht schaden kann.“ Es mag dies ein -Schimpanse auf Westafrika gewesen sein. - -Seit den 1820er Jahren wuchs die Zahl der Wandermenagerien ins -Ungemessene. Unter diesen übertraf alle an Reichhaltigkeit des Inhalts -und Eleganz der Ausstattung das berühmte Institut der holländischen -Familie van Aken, das zwei Jahrzehnte hindurch alle Tierfreunde -des Kontinents in Entzücken versetzte und 1840 an den Zoologischen -Garten von Amsterdam überging. Um 1830 kamen die Dressuren der großen -Raubtiere, besonders des Löwen auf; da war es ein Mitglied der Familie -van Aken, der von der Damenwelt vergötterte „kühne Anton“, dem sogar -die Bändigung eines bengalischen Tigers gelang. Nicht minder berühmt -war sein Zeitgenosse Henri Martin aus Marseille, dessen Lieblingslöwe -„Coburg“, der gewöhnlich das Zimmer mit ihm teilte, einen unrühmlichen -Tod fand, indem er an einem verschluckten Pantoffel starb. In unserer -Zeit hat erst der unternehmende Karl Hagenbeck in Stellingen sowohl den -Import als die Dressur fremdländischer Tiere auf den Gipfel getrieben. -Darin wird er auch von keinem amerikanischen Nebenbuhler übertroffen, -die ja sonst von allem „_the biggest in the world_“ zu haben behaupten. - - - - -Sachregister. - - - Aal, 422. - - Ackergans, 654. - - Ägyptische Biene, 520. - - Älesbury-Ente, 354. - - Äsche, 428. - - Äskulapnatter, 700. - - Affen, 733, 751, 752. - - Afrikanische Biene, 520. - - Aigretten, 696. - - Ailanthusspinner, 538. - - Albatros, 696. - - Alligatoren, 701. - - Alpaca, 222, 224. - - Alpenschneehuhn, 640. - - Amber, 709. - - Amhurstfasan, 332. - - Anchovis, 417. - - Ancona-Hühner, 319. - - Andalusier Hühner, 319. - - Angolaschaf, 126. - - Angorameerschweinchen, 277. - - Angoraschaf, 129. - - Angoraseidenkaninchen, 275. - - Araberpferd, 206. - - Araras, 395. - - Argali, 137. - - Arkal, 126. - - Arrauschildkröte, 699. - - Aschenhund, 18. - - Astrachanpelz, 694. - - Atlasspinner, 540. - - Auerhahn, 639. - - Auster, 460. - - - Backenhörnchen, 676. - - Bachforelle, 426. - - Badeschwamm, 482. - - Bär, brauner, 615, 731, 733. - - Bärenhetze, 736. - - Bärenrobbe, 686. - - Bankiva-Huhn, 300, 316. - - Bantam-Huhn, 320. - - Banteng, 54. - - Barsch, 441. - - Bartenwale, 703. - - Bartgrundel, 443. - - Barsoi, 26. - - Bartrobbe, 720. - - Battahund, 8. - - Baumfalke, 662. - - Baummarder, 682. - - Bekassine, 648. - - Beluga, 713. - - Berberpferd, 210. - - Bergamaskerschaf, 134. - - Bergschaf, englisches, 134. - - Bernhardinerhund, 32. - - Beuten, 512. - - Bezoarziege, 95. - - Biber, 621, 676, 692, 753. - - Bilch, 627. - - Bindenschwein, 145. - - Birkhuhn, 638. - - Blasenrobbe, 719. - - Blaufelchen, 427. - - Blaufuchs, 693. - - Bluthunde, 37. - - Boa, 701. - - Bodenrenke, 427. - - Bogenkrabbe, 449. - - Borkentier, 722. - - Brachse, 444. - - Brahmaputra-Huhn, 320. - - Brahmas, 320. - - Braunfisch, 715. - - Brautente, 355. - - Bressehund, 19. - - Brieftaube, 382. - - Bronzehund, 22. - - Buckelrind, 54. - - Buckelwal, 707 - - Büffel, 79, 752. - - Bündnerschaf, 119. - - Bündnerschwein, 154. - - Bullenbeißer, 36. - - Burunduk, 676. - - - Chinchilla, 677. - - Chinesische Gans, 351. - - Chittagong-Hühner, 317. - - Churraschaf, 130. - - Cochinchina-Huhn, 320. - - Collie, 23. - - Coypu, 676. - - Crève-Cœur-Hühner, 119. - - Cuvierswal, 711. - - Cyprische Biene, 520. - - - Dachs, 632. - - Dachshunde, 27. - - Damhirsch, 607. - - Davidshirsch, 228. - - Delphin, gemeiner, 716. - - Delphin, großer, 717. - - Deutsche Biene, 519. - - Diamantfasan, 333. - - Dinkaschaf, 126. - - Dodo, 725. - - Dögling, 710. - - Doggen, 27, 35. - - Dogge, dänische, 35. - - -- deutsche, 35. - - Dorking-Hühnerrasse, 319. - - Dromedar, 216. - - Dronte, 725. - - Drosseln, 387, 654. - - Dscherid, 745. - - Dschiggetai, 170. - - Dschungelrind, 53. - - Dujong, 724. - - - Edelfalke, 659. - - Edelfasan, 331. - - Edelhirsch, 596. - - Edelkoralle, 479. - - Edelmarder, 682. - - Eichelhäher, 391. - - Eichenseidenspinner, 539. - - Eichhörnchen, 624. - - -- graues, 675, 678. - - Eiderente, 651. - - Einhorn, 714, 751. - - Einsiedler, 726. - - Eisbär, 752, 753. - - Elch, 609, 749, 752. - - Elchhund, 14, 747. - - Elefant, indischer, 238. - - -- afrikanischer, 243. - - Elefantenrobbe, 720. - - Elenantilope, 144. - - Elstern, 391. - - Emdener Gans, 350. - - Ente, 352. - - Entenwale, 710. - - Erde, eßbare, 487. - - Esel, 161. - - Eskimohund, 11. - - - Fahhad, 294. - - Falbkatze, 280. - - Falken, 547, 658. - - Falkenjagd, 565, 658. - - Falkenzähmung, 567. - - Fangvorrichtungen, 552. - - Farbentauben, 377. - - Farörschaf, 137. - - Fasan, 331, 646. - - Feh, 675. - - Feldhase, 618. - - Feldlerche, 656. - - Feldtaube, 377. - - Felsentaube, 361. - - Fettschwanzschafe, 127, 694. - - Fettsteißschafe, 139. - - Fezzanschaf, 126. - - Finken, 384. - - Finnwale, 708. - - Fischbein, 703. - - Fischotter, 633, 685. - - -- brasilischer, 685. - - Flachfische, 419. - - Flamingos, 339. - - Flibustier, 70. - - Flundern, 419. - - Flußdelphine, 717. - - Flußkrebs, 450. - - Flußperlmuschel, 475. - - Flußpferd, 730, 751. - - Forelle, 425. - - Foxterrier, 15. - - Freibeuter, 70. - - Freiburgerrind, 69. - - Frettchen, 298. - - Frutigerschaf, 134. - - Fuchs, 630, 693. - - - Garneelen, 451. - - Gartenschläfer, 628. - - Gaur, 53. - - Gayal, 53, 78. - - Gazelle, 141. - - Gebirgspapagei, 398. - - Gebrauchshund, 21. - - Gemse, 611. - - Gepard, 294. - - Germanenpferd, 202. - - Giboea, 701. - - Giraffe, 731, 749, 750. - - Gladiatorenkämpfe, 728. - - Glanzstaare, 696. - - Goldfasan, 332. - - Goldlackhuhn, 319. - - Granaten, 451. - - Graugans, 343, 653. - - Graupapagei, 394. - - Grauwal, 706. - - Grauwerk, 675. - - Greyhound, 26. - - Grindwal, 712. - - Grönlandwal, 706. - - Großflosser, 445. - - Großstirnrind, 68. - - Grunzochse, 90. - - Guanaco, 222. - - Guineaschaf, 126. - - - Habicht, 547, 663. - - Hahnenkämpfe, 308. - - Halswenderschildkröte, 699. - - Hamburger-Hühner, 319. - - Hase, 618. - - Haselhuhn, 639. - - Haselmaus, 628. - - Haubenhühner, 318, 319. - - Haubenlerche, 656. - - Hausen, 429. - - Hausgans, 343. - - Haushahn, 313. - - Haushund, 7. - - Hauskatze, chinesische, 290. - - -- europäische, 288. - - -- malaische, 290. - - Hausmarder, 683. - - Hausmaus, zahme, 278. - - Hausschwein, asiat., 155. - - -- europäisches, 145, 154. - - Haustiere, 1. - - Hebridenschaf, 136. - - Hecht, 443. - - Heidebiene, 519. - - Heideschafe, 136. - - Heidschnucken, 136. - - Herdenhund, 7. - - Hering, 414. - - Hermelin, 683. - - Heuschreckenkrebs, 451. - - Hirtenhunde, 38. - - Hirsch, 596. - - Hirschhund, 21. - - Höckergans, 351. - - Höckerschwan, 356, 653. - - Hokkohuhn, 337. - - Holothurien, 477. - - Honig, 502. - - Honigbiene, 488. - - Hornviper, 700. - - Houdan-Hühner, 319. - - Huchen, 425. - - Hülsenwurm, 44. - - Hühner, italienische, 318. - - -- spanische, 318. - - Hühnerweissagung, 302. - - Huhn, 300. - - Huhntauben, 380. - - Hund, 3. - - Hundebandwurm, 44. - - Hund, epirotischer, 31. - - Hundekünste, 43. - - Hummer, 449. - - Hyäne, 753. - - Hyänenhund, 45. - - - Ibis, 669. - - Ibizahund, 27. - - Iltis, 679. - - Iltisfrettchen, 299. - - Infusorienerde, 486. - - Inkahund, 39. - - Inostranzews Hund, 17. - - Italienische Biene, 519. - - - Jagd, 543. - - Jagdfalke, 565, 659. - - Jagdhunde, 545. - - Jagdspiele, 733. - - Japanische Ente, 355. - - Jardin des plantes, 750. - - - Kabeljau, 413. - - Kaiserente, 354. - - Kakadus, 398. - - Kamele, 189, 213. - - Kamel, einhöckeriges, 216, 740, 752. - - -- zweihöckeriges, 215. - - Kammuschel, 463. - - Kampfhühner, 318. - - Kanadagans, 351. - - Kanarienvogel, 384. - - Kaninchen, 270, 694. - - -- japanische, 275. - - -- russische, 275. - - Karausche, chinesische, 437. - - Karausche, europäische, 438. - - Karettschildkröte, 697. - - Kariben, 229. - - Karousselreiten, 743. - - Karpfen, 430. - - Karpfkarausche, 439. - - Karthäuserkatze, 289. - - Kaschmirziege, 107. - - Kasuar, 753. - - Katze, 280. - - Katze der Insel Man, 290. - - Kaulbarsch, 442. - - Kaurischnecke, 459. - - Kea, 398. - - Kieselgur, 486. - - Klappmütze, 719. - - Kluthuhn, 317. - - Knäckente, 650. - - Knotenschwanzkatze, 290. - - Kochinchinahuhn, 317, 320. - - Königsfasan, 332. - - Königstiger, 293, 732, 753. - - Kolibris, 696. - - Kongoschaf, 126. - - Kopffüßler, 451, 709. - - Koralle, schwarze, 480. - - Kormoran, 400. - - Krainer Biene, 519. - - Krammetsvogel, 387, 655. - - Kraniche, 338. - - Krickente, 650. - - Krimmerfelle, 694. - - Krokodil, 730, 752. - - Kropffelchen, 428. - - Kropftauben, 379. - - Krüperhühner, 317. - - Kuhantilope, 144. - - Kuhglocken, 76. - - Kulan, 170. - - Kunstreiten, 745. - - Kurzhornrind, 59. - - Kurzkopfrind, 61. - - Kurzschnabelgans, 654. - - - Lachs, 423. - - Lachsforelle, 427. - - Lachtaube, 382. - - Lackenfelder Huhn, 321. - - La Flèche-Hühner, 319. - - Lama, 222, 752. - - Lamantin, 725. - - Landhühner, 318. - - Landschaf, 133. - - Langhornrind, 56. - - Langshan-Hühner, 320. - - Langstirnrind, 59. - - Languste, 449. - - Laubenfische, 445. - - Laufhund, schweizer., 18. - - Leiners Hund, 22. - - Leporiden, 276. - - Lerchen, 656. - - Libyerschaf, 127. - - Lippenbär, 753. - - Lockentauben, 278. - - Löffelente, 650. - - Löwe, 292, 732, 752. - - Luchs, 635, 733. - - - Madagassische Biene, 520. - - Mähnenschaf, 121. - - Märzgans, 343. - - Maifisch, 428. - - Maikong, 40. - - Makrele, 418. - - Malaienhühner, 318. - - Malaienziege, 111. - - Maltesertaube, 390. - - Mamberziege, 106. - - Mammut, 269. - - Manati, 725. - - Mandarinenente, 355. - - Maräne, 427. - - Markhor, 106. - - Marschrind, 69. - - Marschschaf, 137. - - Maskatesel, 172. - - Maskenschwein, 159. - - Maulbeerseidenspinner, 521. - - Maulesel, 174. - - Maultier, 164, 174. - - Meerschnecken, 452. - - Meerspinne, 449. - - Meerschwein, 715. - - Meerschweinchen, 276. - - Menagerien, 748. - - Merinoschaf, 130. - - Merlan, 412. - - Miesmuschel, 463. - - Milu, 228. - - Mink, 679. - - Minorca-Hühner, 319. - - Misteldrossel, 655. - - Mövchen, 379. - - Möven, 653. - - Molosserhund, 32. - - Mondkult, 48. - - Mongolen-Ziege, 110. - - Moorente, 651. - - Moorhuhn, 640. - - Moorschnepfe, 648. - - Moschusente, 355. - - Mürgüsziege, 110. - - Muflon, 135. - - Muräne, 420. - - Murmeltier, 625. - - Muschelesser, 4. - - - Nackthalshühner, 317, 319. - - Nalpserschaf, 119. - - Napfschnecken, 458. - - Natter, glatte, 700. - - Narwal, 714. - - Nase, 440. - - Nashorn, 731, 749, 751. - - Nedjeschaf, 123. - - Neufundländerhund, 34. - - Nigerschaf, 126. - - Nilgans, 240. - - Nörz, 679. - - Nordische Biene, 519. - - Norfolkschaf, 133. - - Nutria, 676. - - Nutzfische, 412. - - Nutztiere, 2. - - - Ochse, 51. - - Ohrenrobbe, Stellersche, 690. - - Onager, 170. - - Orpington-Hühner, 320. - - Oryxantilope, 141. - - - Paco, 225. - - Paduaner Hühner, 320. - - Pampasrind, 72. - - Panther, 733. - - Papageien, 393, 733. - - Paradiesfische, 445. - - Paradiesvögel, 696. - - Pariahunde, 5, 16. - - Parforcejagd, 563. - - Pavian, 734. - - Pekingente, 354. - - Pelikan, 653. - - Pelzhandel, 671. - - Pelzrobben, 692. - - Penelopehuhn, 337. - - Perlen, 465. - - Perlhuhn, 322. - - Perlmuscheln, echte, 465. - - Perückentauben, 378. - - Persianer, 675, 694. - - Pfahlbauspitz, 8. - - Pfau, 324. - - Pfauentauben, 379. - - Pfeifente, 651. - - Pferd, 180. - - -- okzidentales, 203. - - -- orientalisches, 203. - - Pferdeschwamm, 482. - - Pflanzenperlen, 477. - - Phönixhuhn, 317, 318. - - Phoinix, 334. - - Plymouth-Rocks, 320. - - Polospiel, 744. - - Porzellanschnecken, 459. - - Pommersche Gans, 350. - - Potwal, 709. - - Präriewolf, 39. - - Przewalskis Pferd, 187. - - Pudel, 24. - - Purpurhuhn, 670. - - Purpurschnecken, 454. - - Purzlertauben, 380. - - Puter, 335. - - - Quesal, 696. - - - Raben, 391, 752. - - Radiolarien, 486. - - Ramelsloher Huhn, 321. - - Ratz, 679. - - Rebhuhn, 641. - - Rechtwale, 703. - - Regenbogenforelle, 425. - - Reh, 601. - - Reiher, 339. - - Reitochsen, 74. - - Renken, 427. - - Rennfahren, 737. - - Renntier, 228. - - Rhönschaf, 134. - - Riemenzahnwale, 711. - - Riesenfinnwal, 708. - - Riesengienmuschel, 464. - - Rind, 47. - - -- hornloses, 56. - - Ringdrossel, 655. - - Rissos Delphin, 715. - - Robben, 717. - - Roquefortschaf, 137. - - Rorqual, 708. - - Roßschweife, 91. - - Rotbarben, 418. - - Rotbart, 418. - - Rotforelle, 427. - - Rotfuchs, 693. - - Rothirsch, 596. - - Rotwild, gezähmtes, 549. - - Rudolphis Finnwal, 708. - - - Saatgans, 654. - - Säbelantilope, 141. - - Sahnenziege, 103. - - Saibling, 427. - - Salanganen, 657. - - Salm, 423. - - Samojedenspitz, 11. - - Sandgarneele, 451. - - Sardelle, 417. - - Sardenschaf, 133. - - Sardine, 416. - - Sattelrobbe, 719. - - Schabrackenschakal, 17. - - Schäferhund, 23. - - Schaf, 116. - - -- chinesisches, 139. - - -- finnisches, 136. - - -- nordrussisches, 136. - - -- skandinavisches, 136. - - Schakal, 5. - - -- kaukasischer, 8. - - Schakalwolf, 17. - - Scheckenkaninchen, 275. - - Schellfisch, 412. - - Schildkröten, 697. - - Schildkrot, 697. - - Schildpatt, 697. - - Schimpanse, 747, 753. - - Schlafmaus, 627. - - Schleie, 439. - - Schmerle, 443. - - Schmuckvögel, 696. - - Schnatterente, 650. - - Schnäpel, 428. - - Schnecken, 452. - - Schneehuhn, 640. - - Schnepfen, 646. - - Schollen, 419. - - Schraubenziege, 106. - - Schupp, 677. - - Schwalben, 696. - - Schwan, 356. - - Schwanengans, 351. - - Schwarzbockantilope, 295. - - Schwarzfuchs, 693. - - Schwarzhalsschwan, 359. - - Schwarzschwan, 359. - - Schwarzwild, gezähmtes, 549. - - Schwein, 145. - - -- romanisches, 154. - - -- kraushaariges, 154. - - Schweinezucht, deutsche, 151. - - Schweißhund, 21. - - Schwertwal, 715. - - Sealskin, 673, 689. - - Sebastopolgans, 350. - - Seeeinhorn, 714. - - Seeforelle, 426. - - Seegurke, eßbare, 478. - - Seegurken, 477. - - Seehund, grönländischer, 719, 747, 752. - - Seeigel, 478. - - Seekühe, 724. - - Seekuh, Stellersche, 723. - - Seelöwe, 690, 747. - - Seeotter, 685. - - Seeschwalben, 696. - - Seevögel, 696. - - Seezunge, 419. - - Segeltaucher, 653. - - Segusier Hund, 20. - - Shetlandschaf, 137. - - Senegalschaf, 126. - - Seidenhühner, 317, 320. - - Seidenraupenzucht, 527. - - Seidenreiher, 695. - - Seidenspinner, 521. - - Seitenschwimmer, 419. - - Sepia, 451. - - Siamkatze, 290. - - Siebenschläfer, 627. - - Silberfasan, 333. - - Silberfisch, 434. - - Silberfuchs, 693. - - Silberkaninchen, 275. - - Silberlack-Hühner, 319. - - Silberreiher, 695. - - Silbersprenkel-Hühner, 319. - - Simmentalerrind, 69. - - Singschwan, 357, 653. - - Sittiche, 696. - - Slughi, 26. - - Somaliziege, 106. - - Sowerbys Riemenzahnwal, 711. - - Sperber, 547, 665. - - Spermaceti, 709. - - Spiele, circensische, 733. - - Spieltauben, 377. - - Spießente, 650. - - Springbock, 143. - - Sprotte, 416. - - Steckmuschel, 464. - - Stachelschwein, 752. - - Steinbock, europäisch., 114. - - -- nordafrikanischer, 141. - - -- sibirischer, 115. - - Steinbutt, 419. - - Steinmarder, 683. - - Steinseeigel, 478. - - Steppenesel, westasiatischer, 170. - - -- nordafrikanischer, 162. - - Steppenkuh, 141. - - Steppenrind, 68. - - Steppenschaf, 126. - - Steppenwolf, 26. - - Sterlet, 429. - - Stieglitz, 696. - - Stiergefecht, 747. - - Stirnrind, 78. - - Stockente, 353, 648. - - Stör, 429. - - Störche, 339. - - Storch, weißer, 667. - - -- schwarzer, 667. - - Strauß, 403, 752. - - Struppgans, 350. - - Strupphühner, 317. - - Sumpfbiber, 676. - - Sumpfluchs, 289, 292. - - Sumpfschnepfe, 648. - - Sundarind, 54. - - Suppenschildkröte, 698. - - Syrische Biene, 520. - - - Tafelente, 651. - - Tahr, 111. - - Tanzmäuse, japan., 279. - - Tanzbär, 751. - - Tanzratte, 279. - - Tarpan, 184. - - Taschenkrebs, 449. - - Tatarenschaf, 139. - - Taube, 361. - - Teichkarausche, 434. - - Teichkarpfen, 430. - - Thüringerschaf, 134. - - Thunfische, 418. - - Tibetdogge, 28. - - Tibetschaf, 693. - - Tiergärten, 748. - - Tierhetzen, 735. - - Tierschaustellungen, 748. - - Tiger, 293, 732, 752. - - Tintenfische, 451. - - Toggenburger Ziege, 103. - - Tollwut, 44. - - Tonnenschnecke, 457. - - Torfhund, 8. - - Torfrind, 52, 59. - - Torfschaf, 119. - - Torfschwein, 152. - - Trampeltier, 215. - - Transpender, 702. - - Trappe, 638. - - Trauerschwan, 359. - - Trepang, 477. - - Tritonshörner, 458. - - Trogon, 696. - - Trommeltauben, 378. - - Truthuhn, 335. - - Tschau, 11. - - Tschita, 294. - - Tümmler, 715. - - Tümmlertaube, 380. - - Tungusenhund, 11. - - Turteltaube, 383. - - - Uklei, 477. - - Ur, 58, 62, 749. - - Urhuhn, 639. - - - Vicuña, 222. - - Vogelnester, eßbare, 657. - - Vorstehhunde, 20. - - - Wacholderdrossel, 387, 655. - - Wachtel, 642. - - Wachtelkämpfe, 644. - - Wagen, heiliger, 51. - - Wagenrennen, 737. - - Waldbienenzucht, 510. - - Waldschnepfe, 647. - - Wale, 703. - - Walfang, 705. - - Walliser Schaf, 134. - - Walliser Ziege, 102. - - Walrat, 708, 711. - - Walroß, 720. - - Wanderfalke, 660. - - Wandermenagerien, 753. - - Wanderschafe, 131. - - Warzentauben, 381. - - Waschbär, 678. - - Wasserbock, 141. - - Wegschnecke, rote, 454. - - Weinbergschnecke, 452. - - Wellensittiche, 396. - - Weindrossel, 655. - - Weißfische, 445. - - Weißfuchs, 693. - - Weißwal, 713. - - Wettfahren, 741. - - Wiesel, 298, 684. - - -- großes, 683. - - Wildgänse, 653. - - Wildhund, 3. - - Wildkatze, 635. - - Wildpferd, 180. - - Wildschwäne, 653. - - Wildschwein, 613. - - Windhunde, 24. - - Wisent, 85. - - Wolf, abessinischer, 26. - - -- europäischer, 629. - - -- indischer, 22. - - -- nordamerikanisch., 39. - - Wolfsabkömmlinge, 17. - - Wollschaf, westasiat., 129. - - Wyandotte-Hühner, 320. - - - Yak, 90. - - Yorkshire-Terrier, 16. - - - Zackelschafe, 133. - - Zahnwale, 702. - - Zander, 441. - - Zaupelschaf, 133. - - Zebra, 178, 749, 752. - - Zebroide, 178. - - Zeburind, 54. - - Zeideln, 510. - - Zeidelweide, 510. - - Ziege, 94. - - -- gemsfarbige, 102. - - -- hornlose, 102. - - -- kreuzhörnige, 111. - - Ziermäuse, chinesische, 278. - - -- japanische, 278. - - Ziervögel, 696. - - Zobel, 675, 680. - - Zoologischer Garten, 751. - - Zwerghühner, 320. - - Zwergschwan, 357, 653. - - Zunu, 126. - - Zypernkatze, 289. - - - - -Verlag von Ernst Reinhardt in München. - - -Als Band IV der Sammlung „=Die Erde und die Kultur=“ -erschien: - -Die Kulturgeschichte der Nutzpflanzen - -von - -_Dr._ Ludwig Reinhardt. - -2 starke Bände in Lexikonformat von ca. 1500 Seiten. In Leinwand geb. - -Preis M. 20.-- - -Mit vielen Illustrationen im Text und 150 Kunstdrucktafeln. - -Urteile der Presse: - -=Prof. Möbius in „Frankfurter-Zeitung“.= Es war eine dankenswerte, -aber auch schwierige Aufgabe, die sich der Verfasser gestellt hatte, -denn gründliche historische und wirtschaftliche Studien mußten mit -botanischen Kenntnissen verbunden und das Ganze dann als angenehm zu -lesende Erzählung vorgetragen werden, wenn das Buch wirklich populär -und wissenschaftlich zugleich sein sollte. Diese Aufgabe ist aber -unseres Erachtens glänzend gelöst worden, so daß wir das Erscheinen -des Werkes freudig begrüßen können. Man liest jedes Kapitel mit -Vergnügen und lernt, wenn es sich um eine wichtige Pflanze handelt, -die Geschichte ihrer Entdeckung und Einführung, ihre Kulturmethoden -und Sorten, ihre Verarbeitung und Verwendung kennen. Dabei wird unsere -Vorstellung unterstützt durch zahlreiche Abbildungen, deren meiste als -photographische Reproduktionen auf besonderen Tafeln beigefügt sind. - -=Botanisches Zentralblatt vom 18./IV. 1911.= Das Werk füllt -eine wesentliche Lücke aus. Der Bilderschmuck ist ausgezeichnet, viele -Bilder sind bisher noch nirgends veröffentlicht worden. - -=Kosmos.= Leicht verständliche Schreibweise verbindet sich hier -mit gewissenhaftester Arbeit in der kritischen Verwendung des Materials -und beides zusammen wird dem Werke hoffentlich viele Leser sichern. - -=Österreichische Gartenzeitung April 1911.= Der Versuch ist dem -Verfasser über Erwarten gut gelungen. Das vortreffliche Werk vermittelt -nicht nur Kenntnisse, sondern es ist ein Genuß es zu lesen. - -=Pädagogische Rundschau vom 1./IV. 1911.= Das Werk stellt -ein Musterbeispiel deutschen Fleißes und deutscher Gründlichkeit vor, -dessen Lektüre eine wahre Fundgrube des Interessanten und Wissenswerten -bietet und im Hinblick auf die anschauliche und fesselnde Darstellung -jeden Lehrer, mag er nun Botaniker von Fach sein oder sich bloß über -die Geschichte der Einführung und die wirtschaftliche Bedeutung -unserer Kulturpflanzen eingehend unterrichten wollen, in hohem Grade -befriedigen wird. - -=Mannheimer Tagblatt vom 9./I. 1911.= In allen Dingen weiß -Reinhardt zu fesseln und anzuregen. Der Fleiß des Verfassers ist mit so -viel Frische, Laune und Sinn für Humor gemischt, daß er, und das ist -wohl das beste Zeugnis, das einem deutschen Gelehrten zuteil werden -kann, den Genuß einer Dattel, Ananas und Banane nicht im mindesten -beeinträchtigt. - -=Deutsche Kolonialzeitung vom 4./III. 1911.= Der -Verfasser hat sich mit seiner Darstellung unstreitig ein großes -Verdienst erworben. Wir besitzen kein anderes neuzeitliches Buch, -welches diesen Stoff in ähnlich umfassender Weise behandelt; dazu -ist dem Reinhardtschen Buche eine anschauliche, frische, allgemein -verständliche Darstellungsweise eigen, so daß ein jeder, dessen Auge -sich noch an dem Blühen und Wachsen in der Natur zu erfreuen vermag -und der sich für die Entwicklung unseres Wirtschaftslebens und für -die Lebens- und Produktionsbedingungen der Völker in Vergangenheit -und Gegenwart interessiert, das Buch immer wieder gern zur Hand -nehmen wird, um daraus Unterhaltung und Belehrung zu schöpfen. Der -Wert des Buches wird noch wesentlich erhöht durch die Beigabe von 81 -Abbildungen im Text und nicht weniger als 168 Bildertafeln mit durchweg -vorzüglichen und zum Teil schwer zugänglichen Photographien. Im -Verhältnis zu Inhalt, Umfang und Ausstattung des Buches muß der Preis -als sehr niedrig bezeichnet werden. - -=Hamburger Fremdenblatt vom 22./I. 1911.= Eine Schöpfung, -die unser Erstaunen wach ruft. Man muß schon seine Feder etwas zügeln, -um nicht im Lobe zu hoch zu greifen. Mit sicherem Gefühl hat er das -Wesentliche vom minder wesentlichen gesondert. Worauf es aber vor allem -ankommt: Seine Angaben sind durchaus zuverlässig, wie ich mich an -verschiedenen Stichproben überzeugen konnte. - - -Unter dem Sammeltitel „=Die Erde und die Kultur=“ werden folgende -Bände erscheinen: - - Band I. Die Erde und ihr Wirtschaftsleben. (Erscheint Sommer - 1912.) - - „ II. Kulturgeschichte des Menschen. (Erscheint Herbst 1912). - - „ III. Kulturgeschichte der Nutztiere. Preis M. 10.-- - (liegt vor). - - „ IV. Kulturgeschichte der Nutzpflanzen. 2 Teile zu je M. 10.-- - (liegt vor). - -Jeder Band ist in sich abgeschlossen und einzeln käuflich. - - - - -Verlag von Ernst Reinhardt in München. - -Vom Nebelfleck zum Menschen - -Eine gemeinverständliche Entwicklungsgeschichte des Naturganzen nach -den ~neuesten Forschungsergebnissen~ von - -_Dr._ Ludwig Reinhardt - -4 starke Bände in eleg. Lwd. von zusammen 3000 Seiten mit über 1600 -Illustrationen im Text und gegen 80 Tafeln und Karten - -Preis M. 37.50 - -Jeder Band ist in sich abgeschlossen und einzeln käuflich - - Bd. I: =Die Geschichte der Erde.= Mit 112 Abbildungen im - Text, 42 Volltafeln und 4 geologischen Profiltafeln, nebst farbigem - Titelbild von ~A. Marcks~. 600 Seiten Gr.-8^o. In elegantem - Leinwandband =Preis M. 8.50.= - -Inhaltsverzeichnis: - - I. Wie das Weltbild entstand. II. Die Sternenwelt. III. Unser - Sonnensystem. IV. Die Erde und der Mond. V. Die Kometen und Meteore. - VI. Die Erstarrungsgesteine der Erde. VII. Der Vulkanismus. VIII. Die - Schichtgesteine. IX. Die Gebirgsbildung. X. Wasser und Land. XI. Der - Kreislauf des Wassers. XII. Die Verwitterung der Erdoberfläche. XIII. - Die Abtragung des Festlandes. - - Bd. II: =Das Leben der Erde.= Mit 380 Abbildungen, 21 - Tafeln, 2 Stammbäumen und farbigem Titelbild nach Aquarell von Prof. - ~Ernst Haeckel~. 650 Seiten Gr.-8^o. In elegantem Leinwandband - =Preis M. 8.50=. - -Inhaltsverzeichnis: - - I. Das Leben und seine Entstehung. II. Die Entfaltung des Lebens. - III. Die Erscheinungen des Lebens. IV. Die Funktionen des Lebens. - V. Die Entwicklung des Lebens. VI. Die Ausbildung der Tiere. - VII. Die Ausbildung der Pflanzen. VIII. Das Ende des Lebens. - IX. Der Schutz des Lebens. X. Die Abstammungslehre. XI. Über - Symbiose. XII. Vergesellschaftungen von Tieren und Pflanzen. XIII. - Pflanzengenossenschaften. XIV. Schmarotzertum. - - Bd. III: =Die Geschichte des Lebens der Erde.= Mit 424 - Abbildungen, 18 Tafeln, 7 Stammbäumen und farbigem Titelbild von ~L. - Müller-Mainz~. 560 Seiten Gr.-8^o. In elegantem Leinwandband. - =Preis M. 8.50.= - -Inhaltsverzeichnis: - - I. Einführung in die Palaeontologie. II. Die ältesten fossilführenden - Ablagerungen. III. Die frühpalaeozoischen Organismen. IV. Die - Tierentwicklung während der Silurzeit. V. Die Entfaltung der höchsten - Weichtiere. VI. Die ersten Besiedler des Festlandes. VII. Das - Aufkommen der Wirbeltiere. VIII. Die Devon- und Kohlenformation. - IX. Das Zeitalter der Amphibien. X. Die Triasformation. XI. Die - Juraformation. XII. Die Kreideformation. XIII. Die Tertiärformation. - XIV. Das Pleistocän. - - Bd. IV: =Der Mensch zur Eiszeit in Europa und seine - Kulturentwicklung bis zum Ende der Steinzeit.= 2. stark - ~verbesserte und vermehrte Auflage~ (3.-7. Tausend). Mit - 535 Abbildungen, 20 Volltafeln und farbigem Umschlag von ~A. - Thomann~. 950 Seiten Gr.-8^o. In elegantem Leinwandband =Preis M. - 12.--= - -Inhaltsverzeichnis: - - I. Der Mensch zur Tertiärzeit. II. Die Eiszeit und ihre geologischen - Wirkungen. III. Der Mensch während der ersten Zwischeneiszeit. - IV. Der Mensch der letzten Zwischeneiszeit. V. Der Mensch der - frühen Nacheiszeit. VI. Die Übergangsperiode von der älteren zur - jüngeren Steinzeit. VII. Die jüngere Steinzeit und ihre materiellen - Kulturerwerbungen. VIII. Die Germanen als Träger der megalithischen - Kultur. IX. Die Entwicklung der geistigen Kultur am Ende der - Steinzeit. X. Steinzeitmenschen der Gegenwart. XI. Niederschläge aus - alter Zeit in Sitten und Anschauungen der geschichtlichen Europäer. - - -Urteile der Presse: - -=Geologisches Zentralblatt=: „Unstreitig das Beste, was über diesen -Gegenstand vorhanden ist.“ - -=Frankfurter Zeitung=: „Das Buch ist das beste allgemeinverständliche -Werk, welches unsere Erde und ihre Geschichte behandelt. Seit Neumayrs -Zeiten ist keine so sympathische Behandlung des spröden Stoffes mehr -erschienen. Besonders Volksbibliotheken werden einen großen Leserkreis -mit den Reinhardtschen Büchern anlocken können, und wenn erst das -dritte Buch des Verfassers erschienen sein wird, auf welches ich mich -schon jetzt freue, dann werden wir eine populäre Entwicklungsgeschichte -der Erde und des Lebens besitzen, die für jeden nachdenkenden Menschen -eine Quelle des Genusses und der Freude sein wird.“ - -=Die Zeit=: „Ein angenehm geschriebenes Werk... eine empfehlenwerte, -anschauliche Darstellung, die auch die Lücken unseres Wissens nicht -allzusehr verschließt -- bekanntlich eine Hauptgefahr für populäre -Werke.“ - -=Gaea=: „Die vorzügliche wissenschaftliche und doch interessante Form -der Darstellung werden demselben zahlreiche Freunde erwerben.“ - -=Allgemeine Zeitung=: „Ein die weitesten Kreise interessierender -Stoff, fesselnde, leicht verständliche Schreibweise, gepaart mit -hohem wissenschaftlichen Ernst und umfassendem Wissen sind die -charakteristischen Merkmale des Werkes, mit dem uns _Dr._ L. Reinhardt -beschert hat. Er hat es verstanden, die in zahlreichen Zeitschriften -und Monographien zerstreuten Ergebnisse der Forschung zu einem -überzeugenden einheitlichen Bilde streng kritisch zu vereinigen.“ - - - - - -End of Project Gutenberg's Kulturgeschichte der Nutztiere, by Ludwig Reinhardt - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KULTURGESCHICHTE DER NUTZTIERE *** - -***** This file should be named 63602-0.txt or 63602-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/6/3/6/0/63602/ - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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You may copy it, give it away or re-use it under the terms of -the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Kulturgeschichte der Nutztiere - -Author: Ludwig Reinhardt - -Release Date: November 2, 2020 [EBook #63602] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KULTURGESCHICHTE DER NUTZTIERE *** - - - - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net - - - - - - -</pre> - - -<div class="transnote"> - -<p class="s3 center"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p> - -<p class="p0">Der vorliegende Text wurde anhand der 1912 erschienenen -Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. -Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert; -Rechtschreibvarianten wurden nicht vereinheitlicht, sofern die -Verständlichkeit des Textes dadurch nicht berührt wird. Fremdwörter -und Transliterationen (vorwiegend aus dem Griechischen) wurden weder -korrigiert noch vereinheitlicht.</p> - -<p class="p0">Die Abbildungen wurden gegebenenfalls zwischen die -Absätze verschoben, um den Textfluss nicht zu beeinträchtigen. Einige -Bildtafeln enthalten mehrere Abbildungen.</p> - -<p class="p0">Die gedruckte Fassung wurde in einer Frakturschrift -gesetzt, in der die Großbuchstaben I und J identisch sind; die Auswahl -in der vorliegenden Ausgabe erfolgte daher mitunter willkürlich. Im -<a href="#Sachregister">Sachregister</a> wird nunmehr zwischen den -Begriffen mit den Anfangsbuchstaben I und J unterschieden, was im -Original nicht möglich war.</p> - -<p class="p0 nohtml">Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät installierten -Schriftart können die im Original <em class="gesperrt">gesperrt</em> -gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl -serifenlos als auch gesperrt erscheinen.</p> - -</div> - -<div class="titelei"> - -<p class="s2 center padtop5 padbot1 break-before">Kulturgeschichte der -Nutztiere</p> - -<p class="s1 center padtop1 break-before">Die Erde und die Kultur</p> - -<p class="s3 center mtop2">Die Eroberung und Nutzbarmachung -der Erde durch den Menschen</p> - -<p class="s4 center mtop2">In Verbindung mit Fachgelehrten -gemeinverständlich dargestellt von<br /> -<span class="s3"><span class="antiqua">Dr.</span> Ludwig -Reinhardt</span></p> - -<p class="s4 center mtop3">Bd. III<br /> -<span class="s2">Kulturgeschichte der Nutztiere</span></p> - -<p class="center padtop5 padbot3">München 1911<br /> -<span class="s5"><em class="gesperrt">Verlag von Ernst -Reinhardt</em></span></p> - -<h1 class="mbot1">Kulturgeschichte der Nutztiere</h1> - -<p class="center mbot2">von</p> - -<p class="s3 center mbot2"><span class="antiqua">Dr.</span> Ludwig -Reinhardt</p> - -<p class="center padtop5">Mit 67 Abbildungen im Text und 70 -Kunstdrucktafeln</p> - -<div class="figcenter illowe6" id="signet" > - <img class="w100 mtop2" src="images/signet.jpg" alt="Verlagssignet" /> -</div> - -<p class="center padtop2">München 1912<br /> -<span class="s5"><em class="gesperrt">Verlag von Ernst -Reinhardt</em></span></p> - -<p class="center padtop5 break-before">Alle Rechte vorbehalten</p> - -<p class="s5 center padtop5">Roßberg’sche Buchdruckerei, Leipzig.</p> - -</div> - -<hr class="full" /> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="nobreak" id="Vorwort">Vorwort.</h2> - -</div> - -<p>Im Jahre 1862, also vor genau 50 Jahren, wurde die auf -wissenschaftlicher, nämlich vergleichend-anatomischer Grundlage -beruhende Haustierkunde von meinem ehemaligen Lehrer, Professor -Ludwig <em class="gesperrt">Rütimeyer</em> in Basel, durch die Publikation seiner -berühmten „Fauna der Schweizer Pfahlbauten“ begründet. Zehn Jahre -vorher, bei Gelegenheit eines ungewöhnlich niedrigen Wasserstandes -des Zürichsees, waren bei Meilen die ersten Reste von Pfahlbauten -entdeckt worden, denen sich in rascher Folge andere Fundstellen an den -übrigen Voralpenseen anschlossen. An Hand des umfangreichen, ihm zur -Bestimmung überwiesenen Knochenmaterials konnte Rütimeyer die Zahl -der von den Neolithikern der Schweiz gehaltenen Haustiere bestimmen -und in unzweifelhafter Weise an ihrem Knochenbau die Merkmale der -Haustierschaft gegenüber dem Wildstande feststellen. Woher sie aber -kamen und welchen Ursprungs sie waren, auch welche Beziehungen sie -zu den Haustieren der geschichtlichen Europäer hatten, das vermochte -er allerdings nicht herauszubringen, weil das damals hierfür nötige -wissenschaftliche Material fehlte. Doch haben sich in der Folge -verschiedene seiner Vermutungen bestätigt. Was er kühn begonnen, -führten bedeutende Männer wie Theodor Studer, Konrad Keller, Hermann -von Nathusius, Alfred Nehring, Jeitteles, Woldrich u. a. weiter. -Und wenn wir auch noch weit davon entfernt sind, die Geschichte -der Herkunft, der Abstammung und Wanderung der Haustiere durch die -Jahrhunderte genau zu kennen, so haben wir doch so viel erreicht, daß -wir wenigstens die Grundzüge derselben ziemlich klar zu überblicken -vermögen. Den Stand unseres heutigen Wissens darüber im Zusammenhange -zu geben und das Interesse weiterer Kreise, die sich bis jetzt diesem -wichtigen Tatsachenmaterial gegenüber gleichgültig verhielten, zu -wecken, soll der Hauptzweck dieses Buches sein, das dem Titel gemäß -außer den eigentlichen Haustieren auch alle Nutztiere des Menschen in -den Kreis seiner Betrachtung einbezieht. Wie bei der zuvor publizierten -Kulturgeschichte der Nutzpflanzen wurden besonders die literarischen -Zeugnisse des Altertums als für uns wichtig gewürdigt. Dabei wurde -wiederum mit derselben Sorgfalt für die Beschaffung von gutem, noch -nirgends publiziertem Illustrationsmaterial als einem wesentlichen -Bestandteil des hier in Betracht kommenden Urkundenmaterials gesorgt. -Möge das Buch dieselbe freundliche Aufnahme wie seine Vorgänger finden.</p> - -<p class="mtop2"><em class="gesperrt">Basel</em>, im November 1911.</p> - -<p class="right mright2"><b><span class="antiqua">Dr.</span> Ludwig -Reinhardt.</b></p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<h2 class="nobreak" id="Inhalt">Inhalt.</h2> -</div> - -<div class="csstoc"> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell s5 right vat"> - - </div> - <div class="csscell s5 padleft1 vat"> - - </div> - <div class="csscell s5 right padleft1 vab"> - Seite - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Einleitung - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_1">1</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 1. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Der Hund - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_3">3</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 2. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Rind und Büffel - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_47">47</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 3. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Die Ziege - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_94">94</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 4. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Das Schaf - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_116">116</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 5. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Das Schwein - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_145">145</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 6. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Der Esel - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_161">161</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 7. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Das Pferd - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_180">180</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 8. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Das Kamel - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_212">212</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 9. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Das Lama - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_222">222</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 10. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Das Rentier - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_228">228</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 11. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Der Elefant - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_238">238</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 12. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Kaninchen und Meerschweinchen - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_270">270</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 13. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Die Katze - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_280">280</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 14. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Das Huhn - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_300">300</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 15. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Perlhuhn, Pfau, Fasan und Truthuhn - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_322">322</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 16. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Gans, Ente und Schwan - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_338">338</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 17. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Die Taube - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_361">361</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 18. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Die Sing- und Ziervögel - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_384">384</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 19. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Kormoran und Strauß - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_400">400</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 20. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Die Nutzfische - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_412">412</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 21. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Die Nutztiere unter den Wirbellosen - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_449">449</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 22. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Die Honigbiene - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_488">488</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 23. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Der Seidenspinner - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_521">521</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 24. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Die Geschichte der Jagd - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_543">531</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 25. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Die wichtigsten Jagdtiere - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_596">596</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 26. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Nützliche wilde Vögel - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_638">638</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 27. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Pelz-, Schmuckfedern und Schildpattlieferanten - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_671">671</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 28. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Die Transpender - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_702">702</a> - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 29. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - Tiere als Spielzeug - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - <a href="#Seite_728">728</a> - </div> - </div> -</div> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="nobreak" id="Tafelverzeichnis">Tafelverzeichnis.</h2> - -</div> - -<div class="csstafeln"> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell s5 right vat"> - Tafel - </div> - <div class="csscell s5 padleft1 vat"> - - </div> - <div class="csscell s5 right padleft1 vab"> - Seite - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 1. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel1a">Wolf</a>; <a href="#tafel1b">Pariahund</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 16 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 2. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel2a">Eskimohunde</a>; <a href="#tafel2b">Schäferhund</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 16 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 3. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel3a">Molosser</a>; <a href="#tafel3b">pompejanischer Hund</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 16 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 4. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel4">Assyrische Doggen</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 16 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 5. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel5">Altägyptischer Hund</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 32 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 6. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel6a">Ägyptischer Windhund</a>; <a href="#tafel6b">römischer Hund</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 32 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 7. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel7a">Banteng</a>; <a href="#tafel7b">Zebubulle</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 56 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 8. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel8">Zebuherde</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 56 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 9. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel9">Luxusgespann von Zebu</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 56 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 10. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel10a">Hissarzebu</a>; <a href="#tafel10b">griechischer Stier</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 56 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 11. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel11">Assyrische Urjagd</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 64 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 12. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel12">Zuchtstier Walo</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 64 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 13. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel13">Schwyzerkuh</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 64 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 14. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel14a">Wisent</a>; <a href="#tafel14b">Bison</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 64 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 15. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel15">Büffel im Reisfeld</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 80 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 16. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel16a">Milchbüffel</a>; <a href="#tafel16b">Yack</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 80 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 17. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel17a">Toskanisches Hausrind</a>; <a href="#tafel17b">kirgisisches Rind</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 96 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 18. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel18">Ägyptisches Relief mit Ziegen</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 96 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 19. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel19">Assyrische Herden von Tiglatpilesar III.</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 96 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 20. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel20a">Markhor</a>; <a href="#tafel20b">Angoraziege</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 96 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 21. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel21a">Mähnenschaf</a>; <a href="#tafel21b">Muflon</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 120 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 22. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel22">Schieferplatte der Negadazeit</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 120 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 23. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel23">Ägyptische Stiere und Widder</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 120 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 24. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel24a">Steppenschaf</a>; <a href="#tafel24b">Mykenische Schafe</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 120 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 25. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel25">Assyrische Fettschwanzschafe</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 128 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 26. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel26a">Kirgisische Fettschwanzschafe</a>; <a href="#tafel26b">Karakulschaf</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 128 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 27. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel27a">Widderkampf</a>; <a href="#tafel27b">Fettschwanzschaf in Chiwa</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 128 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 28. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel28">Widder des Fettschwanzschafes</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 128 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 29. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel29a">Orientalischer Esel</a>; <a href="#tafel29b">Ägyptischer Esel</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 128 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 30. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel30a">Abessinischer Esel</a>; <a href="#tafel30b">Sartische Eselin</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 128 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 31. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel31a">Eselhengst</a>; <a href="#tafel31b">Maultier</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 176 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 32. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel32a">Zebroid</a>; <a href="#tafel32b">Grevy-Zebra</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 176 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 33. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel33a">Zebra und Fohlen</a>; <a href="#tafel33b">Zebragespann</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 176 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 34. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel34">Weidende Zebraherde</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 176 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 35. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel35a">Assyrische Wildpferdjagd</a>; <a href="#tafel35b">Przewalskis Pferd</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 184 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 36. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel36">Assyrischer Streitwagen</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 184 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 37. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel37">Rennwagen</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 208 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 38. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel38">Reiter vom Parthenon</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 208 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 39. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel39">Shetlandpony</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 208 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 40. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel40a">Mongolenpferd</a>; <a href="#tafel40b">Araberpferd</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 208 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 41. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel41">Hochzeitszug mit Pferden und Kamelen</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 216 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 42. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel42">Trampeltier</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 216 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 43. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel43">Pflügende Kamele</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 216 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 44. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel44a">Kamelkarawane in Biskra</a>; <a href="#tafel44b">Kirgisen auf dem Marsch</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 216 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 45. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel45">Lama</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 224 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 46. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel46">Renntiere</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 224 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 47. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel47">Ceylonelefant</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 240 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 48. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel48a">Kleiner afrikanischer Elefant</a>; <a href="#tafel48b">2 erlegte afrikanische Elefanten</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 240 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 49. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel49">Ägyptische Hauskatze</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 288 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 50. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel50a">Jagdleopard</a>; <a href="#tafel50b">Frettchen</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 288 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 51. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel51a">Schwan</a>; <a href="#tafel51b">Ägyptische Wildgänse</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 353 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 52. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel52a">Stockente</a>; <a href="#tafel52b">Truthuhn</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 353 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 53. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel53">Kormorane</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 400 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 54. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel54">Strauß</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 400 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 55. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel55">Lachs</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 432 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 56. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel56a">Hecht</a>; <a href="#tafel56b">Barsch</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 432 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 57. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel57a">Aal</a>; <a href="#tafel57b">Schmetterlingsfische</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 432 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 58. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel58a">Spiegelkarpfen</a>; <a href="#tafel58b">Karpfenteich in Böhmen</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 432 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 59. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel59a">Seidenraupen 1.</a> und <a href="#tafel59b">2.</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 528 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 60. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel60a">Seidenraupen 3.</a> und <a href="#tafel60b">4.</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 528 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 61. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel61">Assyrerkönig Assurbanipal zu Pferd</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 544 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 62. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel62">Windhunde des Khans von Chiwa</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 544 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 63. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel63a">Wildfanggruben</a>; <a href="#tafel63b">Wasserjagd</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 576 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 64. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel64a">Hirschjagd mit Leithunden</a>; <a href="#tafel64b">Vogeljagd</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 576 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 65. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel65">Schottisches Moorhuhn</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 640 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 66. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel66">Waldschnepfe</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 640 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 67. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel67a">Biber</a>; <a href="#tafel67b">Biberbau</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 688 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 68. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel68">Junge Robben in Kalifornien</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 688 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 69. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel69">Römisches Mosaik</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 736 - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right vat"> - 70. - </div> - <div class="csscell padleft1 vat"> - <a href="#tafel70a">Ochsenhatz in Nürnberg</a>; <a href="#tafel70b">Derbyrennen</a> - </div> - <div class="csscell right padleft1 vab"> - 736 - </div> - </div> -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_1"></a>[S. 1]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Einleitung">Einleitung.</h2> - -</div> - -<p>Unter den Nutztieren des Menschen sind weitaus die wichtigsten seine -<em class="gesperrt">Haustiere</em>, an die zunächst jeder denkt, wenn von solchen die -Rede ist. Ohne diese Nutztiere wäre es ihm vollkommen unmöglich -gewesen, die Kulturhöhe zu erreichen, auf der wir ihn heute angelangt -sehen. Welche bedeutende Rolle sie im Haushalte des Menschen spielen, -ist genugsam bekannt, so daß wir hier nicht näher darauf einzugehen -brauchen. Es genüge ein kurzer Überblick über die Verbreitung der -Haustiere auf der Erde. So hat das Ackerbauministerium der Vereinigten -Staaten kürzlich eine Statistik aufgestellt, wonach man die -Haussäugetiere der gesamten Erde auf anderthalb Milliarden schätzt; -davon sind 580 Millionen Schafe, 95 Millionen Pferde, 9 Millionen Esel, -2 Millionen Kamele, 21 Millionen Büffel, 100 Millionen Ziegen, 150 -Millionen Schweine und 900000 Renntiere. Dabei besitzen die Vereinigten -Staaten von Nordamerika die größte Anzahl von Schweinen, nämlich 50 -Millionen, und Pferden (25 Millionen). In bezug auf die Zahl der Pferde -werden sie beinahe von Rußland eingeholt. Für die Schafzucht kommt an -erster Stelle Australien mit 88 Millionen, dann Argentinien und an -dritter Stelle die Vereinigten Staaten mit 57 Millionen. Die Hälfte -aller Maulesel der Erde gehört den Vereinigten Staaten und ein Drittel -aller Ziegen wird in Indien angetroffen. Diesem Lande gehört auch die -erste Stelle in bezug auf den Besitz von Großvieh mit 70 Millionen -Zebus oder Buckelochsen. Die Zahl der kleineren Nutztiere, vor allem -der Hühner, Enten, Gänse, Tauben festzustellen, ist vollkommen -unmöglich, geht aber jedenfalls in die vielen Milliarden.</p> - -<p>Im folgenden wollen wir nun in der chronologischen Reihenfolge, wie -sie unter die Botmäßigkeit des Menschen gelangten, die Zähmung der -verschiedenen Haustiere und die Geschichte ihrer Verbreitung über die -Erde vor unserem geistigen Auge entrollen. Den Anfang dabei<span class="pagenum"><a id="Seite_2"></a>[S. 2]</span> macht der -Hund, der weitaus der älteste Genosse des Menschen aus dem Tierreich -ist, und infolge dieser überaus langen Domestikation auch am meisten -intellektuell vom Umgange mit seinem ihm geistig so sehr überlegenen -Herrn profitiert hat.</p> - -<p>Die ältesten Nutztiere des Menschen waren alle diejenigen, die ihm -in ihrem Fleisch zur Speise und in ihrem Felle als Wärmeschutz gegen -die Unbill der Witterung, besonders die Winterkälte, dienten. So -lange der Mensch als Jäger genug Beutetiere zur Verfügung hatte, kam -es ihm durchaus nicht in den Sinn, sich etwa gefangene Beute als -lebenden Proviant zu reservieren und in eingehegten Bezirken zu seiner -Disposition zu halten. Und wenn er auch einmal ein junges Tier, das in -seine Gewalt geriet, lebend nach Hause brachte und es angebunden oder -in irgend welchem Verschlag gefangen hielt, so tat er dies nicht aus -Nützlichkeitsgründen, sondern zu seinem und seiner Kinder Vergnügen. -So halten die südamerikanischen Indianer und andere Jägerstämme auf -niederer Kulturstufe nicht selten die verschiedensten Tiere um ihre -Wohnstätten herum in Gefangenschaft, aus dem einfachen Grunde, weil sie -ihnen Unterhaltung bieten. Sie wollen durchaus keinen Nutzen von ihnen -ziehen und halten sie als große Kinder bloß zu ihrem Vergnügen.</p> - -<p>In der Regel pflanzen sich solche gefangene Tiere überhaupt nicht -fort, so daß schon dadurch keine Kontinuität in der Gefangenhaltung, -die zur Haustierschaft hätte führen können, möglich ist. Und pflanzen -sie sich auch ausnahmsweise fort, so fehlt dem Menschen dennoch -zunächst die Erkenntnis, daß in der Zähmung dieser oder jener Tierart -ein wirtschaftlicher Fortschritt liegen könne. Er erstrebt von diesen -Genossen überhaupt keinen Nutzen, sondern nur Unterhaltung; und als -er weiterhin dazu kam, auch einen Nutzen aus ihnen ziehen zu wollen, -war es meist nicht der für uns Menschen einzig in Betracht kommende -materielle Nutzen, der sie ihm angenehm machte, sondern ein ideeller -Nutzen als nützliche Vermittler zwischen ihm und der von ihm so -gefürchteten, ihn überall umgebend gedachten Geisterwelt. So sind, wie -wir bald sehen werden, verschiedene, und zwar die ältesten Haustiere, -zunächst aus solchen Gründen der Geisterfurcht, also des Aberglaubens, -wie wir es auffassen, in ein innigeres Verhältnis zum Menschen -getreten.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_3"></a>[S. 3]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="I_Der_Hund">I. Der Hund.</h2> - -</div> - -<p>Der unstet als Jäger lebende paläolithische Mensch hat noch keinerlei -Haustiere sein eigen genannt; erst zu Beginn der jüngeren Steinzeit -gelangte der Mensch in den Besitz von solchen. Unter diesen ist weitaus -das älteste der <em class="gesperrt">Hund</em>, der uns in Europa zum erstenmal zu Beginn -der neolithischen Zeit, vor etwa 12000 Jahren in sehr loser Verbindung -mit dem Menschen, der an den Küsten der Ostsee in den Muschelhaufen -die Abfälle seiner Nahrung anhäufte, entgegentritt. Dieser Hund der -frühneolithischen Muschelesser an den Küsten des nordischen Meeres, -speziell Dänemarks, war zum größten Teil noch ein Wildhund, und zwar -ein zutraulicher Schakal, der sich freiwillig dem Menschen anschloß, -um an der von ihm übriggelassenen Beute den knurrenden Magen zu füllen -und sich in der warmen Asche der von ihm verlassenen Lagerfeuer zu -wärmen. Junge dieses wenig scheuen und überaus gesellig veranlagten -Wildhundes wurden gelegentlich gefangen und an den Lagerplatz der Horde -gebracht, um hier als Spielzeug und Gefährten der heranwachsenden -Jugend freiwillig Futter und ein warmes Plätzchen am Feuer zu -erhalten. Von den Erwachsenen werden besonders die mitleidvollen -Weiber diese drolligen Wesen gehätschelt und, wie dies heute noch sehr -häufig bei kulturell niedrig stehenden Menschen vorkommt, die der -Mutterbrust entbehrenden allzu jungen, hilflosen Gäste an ihrer Brust -gesäugt haben. Durch solchen überaus engen Verkehr mit dem Menschen -faßte der Wildling bald Zutrauen zu ihm und trat in ein besonderes -Freundschaftsverhältnis zu den Kindern und Weibern, die sich seiner -freundlich annahmen, während die Männer diese neuen Familienglieder -häufig genug mit Fußtritten und Prügeln regaliert haben werden. -Letztere sorgten auch sonst dafür, daß es ihm nicht zu wohl wurde in -ihrer Mitte, und schlugen ihn häufig genug tot, besonders in Zeiten, da -die Muschellese, der Fischfang oder die Jagd aus irgend welchen Gründen -unergiebig war und<span class="pagenum"><a id="Seite_4"></a>[S. 4]</span> der grimmige Hunger sich bei ihnen geltend machte. -An verschiedenen auf uns gekommenen Bruchstücken von Hundeschädeln -aus den dänischen Kjökkenmöddings oder Muschelabfallhaufen können -wir erkennen, daß sie mit Holzknütteln eingeschlagen und dann weiter -aufgebrochen wurden, um außer dem Fleisch, das als Speise diente, auch -das warme Gehirn als besondere Delikatesse dieser Menschen zu verzehren.</p> - -<p>Daß es diesem die größte Ähnlichkeit mit dem Schakal aufweisenden -Wildhunde bei diesen unkultivierten Muschelessern im Ostseegebiet in -jeder Beziehung schlecht genug ging, das beweist schon sein stark -verkümmertes Knochengerüst. Es muß schon eine rührende Anhänglichkeit -gewesen sein, daß dieses durch Hunger und Entbehrungen der schlimmsten -Art herabgekommene Geschöpf bei solch schlechter Behandlung es in -der wenig verlockenden Gesellschaft dieser rohen Menschen aushielt -und es nicht vorzog, das ungebundene Leben der viel besser genährten -freien Verwandten zu führen. Es liegt eben im gesellig lebenden -Hundegeschlechte eine überaus treue Anhänglichkeit an die Umgebung, der -die Einzelindividuen durch Aufnahme und Gewöhnung in jugendlichem Alter -angepaßt wurden. Das können wir heute noch in den zoologischen Gärten -beobachten, wo wir häufig genug sehen, wie sich jung eingefangene -und unter einigermaßen guter Behandlung frei aufgezogene Schakale -oder Wölfe mit Freudensprüngen, schweifwedelnd, den Körper zur Seite -gekrümmt, sich an den Pfleger herandrängen und dessen Hand liebkosen. -Mit vollem Recht schreibt der erfahrene Tierzüchter, <span class="antiqua">Dr.</span> Heck, -der Direktor des Berliner Zoologischen Gartens über den Hund: „Wer -wissen will, woher unser liebenswertestes Haustier, das nicht bloß -seines körperlichen Nutzens halber vom Menschen unterjocht worden ist, -sondern sich ihm freiwillig, von ganzem Herzen und mit ganzer Seele -zu eigen gegeben hat: der Hund, stammt, der komme mit mir bei meinem -mächtigen rumänischen Wolfsrüden vorbei und beobachte ihn, wenn ich nur -mit den Fingern schnalze oder gar ein paar freundliche Worte mit ihm -spreche! Die Liebe zum Menschen steht diesen Tieren auf dem Gesicht -geschrieben, sie ist ihnen angeboren.“</p> - -<p>Daß diese halbzahmen Hunde der Muschelesser Dänemarks dem Menschen -außer als Fleisch- und Pelzlieferanten irgend welchen Nutzen gewährten, -oder von ihm gar zum Aufspüren der Beute auf der Jagd verwendet wurden, -ist zweifellos ganz ausgeschlossen. Jedenfalls blieben sie vorzugsweise -in Gesellschaft der Frauen und Kinder an den Lagerplätzen und erhielten -dort von jenen, die ihnen in erster Linie freundlich gesinnt waren, -allerlei unvollständig abgenagte Knochen und sonstige<span class="pagenum"><a id="Seite_5"></a>[S. 5]</span> Speiseabfälle -zu essen. Diese Aufmerksamkeiten belohnten sie durch ihre Wachsamkeit. -Mit einem außerordentlich feinen Geruchssinn und scharfem Gehör -ausgestattet, meldeten sie alle sich dem Lagerplatze nähernden Menschen -und Tiere lange bevor die dort weilenden Menschen ihrer gewahr wurden. -Diese ihre Dienste waren besonders in der dunkeln, unheimlichen Nacht, -in der ein Überfall durch bösgesinnte Menschen und wilde Tiere doppelt -zu befürchten war, von größtem Vorteile für ihre menschlichen Genossen, -da sie im Gegensatz zu diesen, in einen sehr tiefen Schlaf verfallenden -Wesen nur einen äußerst leichten Schlaf besitzen, durch das geringste -Geräusch erwachen und dann ihre Umgebung durch Lautgeben auf allfällige -Ruhestörer aufmerksam machen.</p> - -<p>Wie die Wildhunde werden auch sie noch geheult haben statt zu bellen, -wie dies übrigens viele, nur sehr unvollständig domestizierte Hunde -von Naturvölkern und auch die herrenlosen, mit dem Islam, der den Hund -als unreines Tier verachtet, bis nach Europa gebrachten Pariahunde -des Orients, wie überhaupt alle verwilderten und aus der Botmäßigkeit -des Menschen entlaufenen Hunde heute noch tun. Erst später haben sie -das sie als Haustiere kennzeichnende Bellen gelernt, „was“ — wie der -vorgenannte <span class="antiqua">Dr.</span> Heck sich ausdrückt — „so im Hundeblut drin -liegen muß, daß selbst manche zahme Vollblutwölfe und Schakale es sich -angewöhnen!“ Jedenfalls besaßen sie auch noch wie ihre wilden Vorfahren -Stehohren und einen hochgetragenen, noch nicht geringelten Schwanz -und haben wie sie und ihre Verwandten, Wolf und Fuchs, beim Traben -„geschnürt“, d. h. die vier Füße bei gerade in der Bewegungsrichtung -gehaltenem Körper in eine gerade Linie hintereinander gesetzt, und zwar -immer einen Hinterfuß in die Spur eines Vorderfußes derselben Seite. -Später dagegen gewöhnte sich der Hund als Genosse des Menschen an zu -„schränken“, d. h. beim Trabe den Körper schief zur Bewegungsrichtung -zu stellen und Vorder- und Hinterfuß derselben Seite schief -nebeneinander zu setzen. Auch in seinem anatomischen Bau nahm der Hund -als Haustier gewisse Eigentümlichkeiten und Merkmale an, die ihn von -seinen wilden Verwandten unterscheiden, von denen wir hier nur den -verhältnismäßig starken Stirnabsatz erwähnen wollen.</p> - -<p>So weit wir dies nachweisen können, ist der afrikanisch-südasiatische -graue <em class="gesperrt">Schakal</em>, der nachts, zu Meuten vereinigt, die -Ansiedelungen des Menschen nach Aas und eßbaren Abfällen aller -Art absucht und den Schafen und Lämmern sehr gefährlich wird, der -älteste vom<span class="pagenum"><a id="Seite_6"></a>[S. 6]</span> Menschen zu seinem Gesellschafter erhobene Wildhund. Als -Verzehrer von Leichen nahm er, nach dem auf niedriger Kulturstufe -allgemein verbreiteten Glauben, mit dem Fleisch und den Eingeweiden -auch die Seele des betreffenden Wesens in sich auf. Durch dieses -Beherbergen eines Geistes wurde er von selbst zu einem Geistwesen, -einem Fetischtier erhoben, das dem Menschen von größtem Nutzen sein -konnte, wenn er es gut behandelte. So galt noch den alten Ägyptern der -Schakal als Wüstengott Anubis, der über die in der westlich vom Niltal -gelegenen Wüste beerdigten Toten Wache hielt, für heilig und nahm man -eingefangene Exemplare dieser Wildhundgattung in Pflege und Wartung. -Dies geschah auch anderwärts, und so mußte sich unwillkürlich aus -diesem in Größe und Aussehen, besonders aber in der Kopfbildung mitten -zwischen Fuchs und Wolf stehenden Wildhunde mit der Zeit ein Haustier -entwickeln.</p> - -<p>Das Gekläff dieser futterneidischen Tiere, welche schon in frühester -Vorzeit wie heute noch die Niederlassungen des Menschen nächtlicher -Weile umschwärmten, um dort etwas aufzustöbern, mit dem sie ihren -allzeit regen Hunger stillen konnten, warnte den Menschen vor einem -Überfall durch übelgesinnte Menschen oder Raubtiere irgend welcher Art. -Ja, scheinbar ganz unmotiviert ausgestoßen, sollte es nach dem Glauben -aller auf niedriger Kulturstufe lebender Stämme, ihm den Besuch der -die Lebenden allseitig umgebend gedachten Geister der Abgeschiedenen -anzeigen. Wenn sie auch der Mensch selbst nicht sah, so glaubte er -nichtsdestoweniger felsenfest an deren Vorhandensein und wunderte sich -durchaus nicht darüber, daß diese Wildhunde als Leichenesser und damit -als mit Geistwesen beseelt erachteten Tiere solche sahen, er dagegen -nicht.</p> - -<p>Diese überaus unheimliche, aber höchst wichtige Eigenschaft, besonders -die nächtlichen Unholde aller Art erspähen zu können und von ihrem, -dem Menschen unsichtbaren Vorhandensein durch Heulen und später Bellen -Kunde geben zu können, war wohl die älteste Nutzungseigenschaft, die -der Hund dem Menschen bot. So wurde er für ihn mit der Zeit nicht nur -ein wohlgelittener Begleiter, sondern geradezu ein sich immer mehr -unentbehrlich machender Genosse, der ihm die trefflichsten Dienste -leisten konnte wie kein anderes Wesen.</p> - -<p>Diese höchste Wertschätzung des Hundes spricht schon zu Ende des 2. -vorchristlichen Jahrtausends das altpersische Gesetzbuch aus, das -von diesem Tiere geradezu behauptet, durch seinen Verstand bestehe -die Welt. Wer eine solche uns ganz paradox erscheinende Behauptung<span class="pagenum"><a id="Seite_7"></a>[S. 7]</span> -aufstellt, muß schon gute Gründe dazu haben; nur ein Volk, dem der -Hund ein unentbehrlicher Begleiter und Freund geworden war, konnte -einen solchen Ausspruch tun. Diesem damals noch vorzugsweise Viehzucht -treibenden arischen Volksstamme, dessen Vorfahren einst an der Ostsee -gehaust hatten, waren außer dem gleicherweise wie der Hund die -Unholdgeister der Nacht vertreibenden Feuer später auch der aus Indien -bezogene Hahn schützende Fetische, deren Stimme, nächtlicherweile als -Zeugnis der Wachsamkeit und des Kampfesmutes erhoben, die Erlösung von -den dunkeln Sorgen der Nacht ankündigte. Das altpersische Gesetzbuch -Bun-Dehesch sagt auch vom Hahn, wie vom Hunde, seine Stimme zerstöre -das Böse; dadurch sei er den Dämonen und Zauberern feind, ein -Gehilfe des Hundes. Er solle Wache halten über die Welt, als ob kein -Herden- und kein Haushund (also schon damals wurden in Persien zwei -verschiedene Arten von Haushunden unterschieden!) erschaffen worden. -Das Gesetz sage: wenn Hund und Hahn gegen die Unholde streiten, so -entkräften sie dieselben, die sonst Menschen und Vieh plagen. Und -deshalb sage man: durch den Hund und den Hahn würden alle Feinde des -Guten überwunden.</p> - -<p>Noch der altgriechische Dichter Homer gibt zu Beginn des letzten -vorchristlichen Jahrtausends für den damals allgemein verbreiteten -Glauben Zeugnis, daß der Hund als Wächter am Herdfeuer die bösen -Unholdgeister, die, Übles sinnend, lautlos durch das Dunkel der Nacht -schleichen, durch sein Gebell verscheuche. Und als später aus diesen -Ahnengeistern vergöttlichte Wesen wurden, so verblieb dem Hund auch -dann noch die Fähigkeit sie zu sehen und als solche zu erkennen, wo der -Mensch mit seinen stumpfen Augen nichts sah. So wird beispielsweise -in der Odyssee erzählt, wie Pallas Athene den Menschen unsichtbar in -Ithaka erschien. Weder Odysseus, noch sein Sohn Telemachos bemerkten -irgend etwas von ihrem Erscheinen:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">„Denn nicht allen sichtbar erscheinen die seligen Götter;</div> - <div class="verse indent0"><em class="gesperrt">Nur die Hunde sahen sie</em> und bellten nicht, sondern entflohen</div> - <div class="verse indent0">Winselnd und zitternd vor ihr nach der andern Seite des Hofes.“</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Diese uralte Vorstellung lebt im Volksglauben heute noch fort. So -bedeutet beim Landvolke das nächtliche Heulen des Hundes einen -Todesfall in der betreffenden Richtung, d. h. der Hund sieht -vermeintlich die Annäherung des Geistes, der als Todesursache -betrachtet wird, und zeigt dies dem Menschen, der solches nicht zu -sehen vermag, auf seine Weise an.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_8"></a>[S. 8]</span></p> - -<p>Als eigentliches Haustier tritt uns der Hund in Europa zuerst bei den -neolithischen Pfahlbauern entgegen, und zwar zunächst nur in einer -einzigen, aber weit verbreiteten Form. Es ist dies der <em class="gesperrt">Torfhund</em> -(<span class="antiqua">Canis familiaris palustris</span>), so bezeichnet, weil man seine -Knochen mit der übrigen Hinterlassenschaft dieser neolithischen -Volksstämme von den Humussäuren der Moorerde durchtränkt und so aufs -beste konserviert in den heute meist vertorften ehemaligen Seegründen -findet. Dieses Tier, das uns bereits, wenn auch mehr als gelittener -Kommensale oder Tischgenosse, denn als eigentlicher Freund und -Begleiter der ältesten Neolithiker der Kjökkenmöddingszeit in den -Ufergebieten an der Ost- und Nordsee entgegentritt, war ziemlich klein, -bot das Aussehen eines Spitzes mit kurzen, aber kräftigen Beinen und -langem, jedenfalls buschig behaartem Schweif. Der zwischen 13 und -15 <span class="antiqua">cm</span> Länge schwankende Schädel zeigt eine gefällige Rundung -der Gehirnkapsel, deren Kämme nur schwach entwickelt sind, außerdem -eine relativ starke Bezahnung und ein auffallend enges Nasenrohr, wie -solches dem Schakal eigentümlich ist. Diese Tatsache in Verbindung mit -der andern, daß die Pfahlbauspitze in den Niederlassungen der älteren -Steinzeit durch ganz Europa hindurch eine auffallende Einförmigkeit -aufweisen, deutet mit Sicherheit darauf hin, daß der in Westasien -heimische <em class="gesperrt">kaukasische Schakal</em> die Ursprungsform dieses ältesten -Haushundes war.</p> - -<div class="figcenter illowe4" id="bild1"> - <img class="w100 w4_5em" src="images/bild1.jpg" alt="" /> -</div> - <div class="caption w15em no-break-before">Bild 1. Als Amulett getragener, und deshalb zum -Aufhängenkönnen an der Wurzel durchbohrter Eckzahn eines Hundes aus dem -Pfahlbau von Wangen am Bodensee (<span class="nowrap"><span class="zaehler">2</span>⁄<span class="nenner">3</span></span> nat. Größe).</div> - -<p class="mtop1">Diesem altertümlichen Torfhund der ältesten Neolithiker Europas am -nächsten steht von noch heute gehaltenen Hunden der im Mittel 40 -<span class="antiqua">cm</span> große, gelbweiß, gelbrot bis graubraun gefärbte, kurzhaarige, -nur bellende und nicht beißende <em class="gesperrt">Battahund</em>, der uns durch -die Schilderungen des Baslers Max Siber zuerst eingehender bekannt -wurde. Die Battas sind durch die Malaien von den Küsten verdrängte, -ab und zu noch Menschenfraß ausübende, auch am Lande in richtigen -Pfahlhäusern wohnende Stämme, die außer gute Jäger und namentlich -Fallen- und Schlingensteller auch bereits erfahrene Viehzüchter und -leidliche Hackbauern sind, ganz so wie die Pfahlbauern Mitteleuropas in -neolithischer Zeit. Mitten zwischen den schwarzen Schweinen, Ziegen, -Büffeln, Hühnern und Menschen lebt in deren mit Palisaden umgebenen -Ansiedlungen, Kampongs genannt, der kleine Battahund, der durch und<span class="pagenum"><a id="Seite_9"></a>[S. 9]</span> -durch Haushund ist und das Vorrecht genießt, als einziges Tier mit dem -Menschen zusammen in den Hütten selbst zu übernachten. Der vorgenannte -Basler schreibt über den kleinen Spitzhund der Battas, er genieße zwar -von seiten seines Herrn wenig Freundlichkeit, habe jedoch von allen -in Kampong friedlich nebeneinander hausenden Tieren das Vorrecht, in -den Räumen der hohen Pfahlbauhäuser neben seinem Herrn zu wohnen. -„Er gehört wie die Hühner, Ziegen und Schweine zum Departement der -Frau, der er auch anhänglicher ist als dem Manne und an die man sich -auch wenden muß, wenn man einen der Hunde erwerben oder zu Eßzwecken -präparieren lassen will. Die Dienste des Hundes sind mannigfach, -sein vornehmster ist der als Wachhund. In dieser Hinsicht ist der -immer wache, scharf hörende Spitz den Battas bei ihren unaufhörlichen -Fehden und den dabei häufigen nächtlichen Überfällen der Kampongs von -unerhörtem Wert. Manch Battamädchen, manche Battafrau wurde durch des -Hundes rechtzeitig erschallendes heftiges Gebell vor der Gefangenschaft -und dem damit verbundenen Verkauf in die Sklaverei gerettet, mancher -Krieger entrann dadurch dem Tod oder der Gefangennahme, die mit dem -eventuellen Schicksal verbunden ist, gemästet und aufgefressen zu -werden. Ferner leistet er leidliche Dienste als Jagdhund, indem er -teils in Meuten als Treibhund, teils als Leithund zur Bestätigung -des Hirsches und zum darauf folgenden Treiben desselben in angelegte -Schlingen und Netze benutzt wird. Ferner ist er von großem Wert für die -hühnerzüchtende Battafrau, da er Tag und Nacht um die Reisfeldhäuser, -bei denen die Mehrzahl der Hühner gehalten wird, herumlungernd einen -guten Schutz gegen den Hühnerräuber ‚Mussang‘ (eine Art Zibetkatze) -und die im Battaland allerdings seltenen Leguane bildet. Doch, <span class="antiqua">last -not least</span>, ist seiner auch als Nahrungsmittel zu gedenken, indem -er an gewissen Orten geradezu für Speisezwecke gezogen wird. Er -bildet nicht nur ein gesundes, wohlschmeckendes Nahrungsmittel, das -im fleischarmen Lande nicht zu unterschätzen ist, sondern auch eine -gewisse Erwerbsquelle für den Züchter, da junge Hunde im Preise ebenso -hoch stehen wie Hühner, bald erwachsen aber bedeutend teurer sind als -solche. Auf der Speisekarte der Battas figuriert nach den Angaben -eines Raiafürsten der Hund an dritter Stelle. Am wenigsten geschätzt -ist Huhn, mehr Hirsch, dann Hund, dann Babi oder Schweinebraten, als -allerbestes aber gilt Menschenfleisch, vertraute mir der alte Sünder -mit schmunzelndem Gesicht.“</p> - -<p>Sieber ließ sich wiederholt Hundebraten in einheimischer Zubereitung<span class="pagenum"><a id="Seite_10"></a>[S. 10]</span> -servieren und fand es in der Mitte stehend zwischen Hühner- und -Kalbfleisch; es sei weiß und saftig, ohne fett zu sein. Auch die -Battahunde fressen gerne davon, während europäische Hunde sich mit -allen Zeichen des Abscheus von solchem Fraße abwenden. Entsetzt -schrecken diese Spitzhunde vor dem Europäer zurück und weichen heulend -seiner Fährte aus. „Wo nicht eigentliche Fütterung mit Reis, Mais, -Gemüse, Früchten oder Fleischabfällen stattfindet, nährt sich der -Battahund von den Abfällen der kargen Mahlzeit der Frau, aber auch von -den Käfern, Schnecken, Mäusen und sonstigen kleinen Tieren, die er -unterwegs fängt, sowie von den Brocken und Knochen, die ihm bei der -Mahlzeit der Männer zugeworfen werden, ja selbst von Exkrementen. Wo -viele Hunde sind, da hat er schlechte Zeiten, denn seine Herren haben -gewöhnlich auch nicht viel; wo wenige gehalten werden, gedeiht er gut, -wird dick und groß, bekommt ein prächtig glänzendes Fell und einen -munteren Charakter.“</p> - -<p>„Wie bereits gesagt, gehört der Hund zum Departement der Frau. Wenn er -nicht dazu bestimmt ist, in deren Abwesenheit das Haus zu hüten, so -ist er ihr ständiger Begleiter auf Schritt und Tritt. Morgens früh, -vor Tagesanbruch, sitzt er schon neben der armen Frau, die den Männern -den Reis stampfen muß, auf dem erhöhten Gestell, auf dem sie dieses -Geschäft ausführt, sorgsam jedes Körnchen aufschnappend, das nebenaus -fällt, und in der ausgeschütteten Spreu nach solchen Körnern suchend, -hier wie überall erbitterte Gefechte mit den frechen Hühnern führend, -die ihm den Reis unter der Nase wegzustehlen suchen. Er begleitet die -Frau zum Bade, getreulich am Ufer bei den Kleidern bleibend, während -die Frau (Herrin kann man nicht sagen, denn solch ein armes Battaweib -hat in keiner Beziehung etwas von einer Herrin) sich im Flusse kühlt. -Im Kampong des Battafürsten von Bander passierten, während wir eben im -sogenannten Rathaus, dessen Veranda nach dem Weiberbadeplatz schaut, -mit dem Häuptling unterhandelten, an 30 seiner Nebenweiber, meist -Kriegsgefangene oder durch Schulden in Sklaverei geratene Mädchen, -vorbei, um nach dem Ablegen aller Kleider im nahen Fluß zu baden. Jede -war begleitet von einem oder mehreren ihrer Hunde, die sich am Ufer in -langer Reihe neben die Kleider (Sarongs) der Weiber setzten, um diese -zu bewachen, bis jene das Bad wieder verließen.</p> - -<p>Ebenso begleitet der Hund die Frau zur Arbeit in den Ladang (das -Haus, in welchem die Bewohner der kleinen, mitten im Tschungel<span class="pagenum"><a id="Seite_11"></a>[S. 11]</span> -geöffneten Kulturfläche bis zur Ernte hausen) und ins Reisfeld, durch -rechtzeitiges Bellen sie auf die Annäherung jedes Fremden aufmerksam -machend.“</p> - -<p>Die Battawohnungen sind 2–5 <span class="antiqua">m</span> über dem Boden errichtet; zu ihnen -führen sehr steil gestellte Leitern mit 40–60 <span class="antiqua">cm</span> auseinander -stehenden Sprossen. Diese lernen die Hunde erklettern, um in die -Wohnungen zu gelangen, in denen sie sich mit Vorliebe aufhalten. Die -jungen Hunde legen sich mit Vorliebe in die heiße Asche und weisen -von dieser ihrer Gewohnheit sehr häufig versengte Haare und größere -Brandwunden auf.</p> - -<p>Kräftiger als dieser Spitz der Battas auf Sumatra, auf dessen -Lebensweise wir näher eingingen, weil er uns wichtige Fingerzeige für -diejenige des Spitzhundes der ältesten Pfahlbauern in Mitteleuropa -gibt, ist der ostasiatische <em class="gesperrt">Tschau</em> — besser <em class="gesperrt">Kau</em> -ausgesprochen —, der Lieblingshund der Chinesen, der ebenfalls zu -Nahrungszwecken gehalten und gemästet wird. Dieses schwarz bis rotbraun -gefärbte Tier mit kurzer, dichter Behaarung hat einen langgestreckten -Körper auf ziemlich kurzen Beinen, eine plumpe, dicke Schnauze und -aufrecht stehende Ohren. Eine Abart desselben von geringer Größe und -mit kurzen Beinen ist der als Luxushund in China und Japan gehaltene -zierliche <em class="gesperrt">Dschin</em>. Seine seidenartige lange Behaarung ist schwarz -mit Weiß untermischt. Er ist als eine hochgezüchtete Mopsform des -Spitzes aufzufassen, an dessen Schädel die Nasenwurzel eingeknickt und -die Kiefer so nach oben verschoben sind, daß die oberen Schneidezähne -fast horizontal stehen und die Nasenöffnung nach oben zu liegt. Dieser -in seiner Heimat hochgeschätzte Luxushund ist bei uns nicht leicht -fortzubringen, da es ihm in Mitteleuropa zu kalt ist.</p> - -<p>Dem alten Torfhund oder Pfahlbauspitz stehen auch die nordasiatischen -Spitzhunde sehr nahe, der graue mit Schwarz gemischte -<em class="gesperrt">Tungusenspitz</em>, der weißlichgraue <em class="gesperrt">Samojedenspitz</em> und die -als einziges, für sie höchst wichtiges, ja geradezu unentbehrliches -Haustier gehaltenen spitzartigen Hunde der zirkumpolaren Völker, -die man in ihrer Gesamtheit als <em class="gesperrt">Eskimohunde</em> bezeichnet. Es -sind dies keine reinen Schakalabkömmlinge mehr, sondern vielfach -Kreuzungsprodukte derselben mit dem arktischen Wolf. Peary bezeichnet -sie als derbe, prächtige Tiere, ohne deren Mithilfe er niemals den -Nordpol erreicht hätte. „Es mag größere Hunde geben als sie und -hübschere. Andere Hunde mögen auch ebensogut arbeiten oder ebenso -schnell und weit<span class="pagenum"><a id="Seite_12"></a>[S. 12]</span> laufen, wenn sie gut gefüttert sind, aber es gibt -keinen Hund in der Welt, der so lange in niedrigsten Temperaturen ohne -Nahrung arbeiten kann. Die männlichen Hunde wiegen durchschnittlich 34 -bis 45 <span class="antiqua">kg</span>, die weiblichen sind etwas leichter. Ihre besonderen -Merkmale sind: spitze Schnauze, große Breite zwischen den Augen, scharf -gespitzte Ohren, sehr dickes, pelziges Fell, kräftige, stark muskulöse -Beine und buschiger Schwanz, der Rute des Fuchses sehr ähnlich. Es gibt -nur eine Rasse von Eskimohunden, aber sie sind verschieden gezeichnet, -schwarz, weiß, grau, gelb, braun und gesprenkelt. Trotzdem sie von den -armen Eingeborenen sehr vernachlässigt und außerordentlich schlecht -gehalten werden, sind sie ihren Herren gehorsam wie unsere Hunde zu -Hause. Ihre Nahrung ist Fleisch und nur Fleisch. Von anderer Nahrung -können sie nicht leben. Statt Wasser zu saufen, fressen sie Schnee. Sie -bleiben im Freien, gleichgültig welche Jahreszeit es ist. Sommer wie -Winter werden sie beim Zelt oder dem Iglu (der Schneehütte) irgendwo -angebunden. Frei herumstreifen dürfen sie nicht, damit sie nicht -fortlaufen. Manchmal wird ein besonderer Liebling oder eine Hündin, -die Junge hat, zeitweise in das Iglu genommen. Sind die Kleinen aber -nur einen Monat alt, so sind sie schon so hart, daß sie dem strengen -Winterwetter standhalten können.“</p> - -<p>Diese Hunde, die eine Schulterhöhe von 50–60 <span class="antiqua">cm</span> aufweisen, -sind den nordischen Völkern als Lasttiere und zum Schlittenziehen -durchaus unentbehrlich. Mit einer Last von 10–15 <span class="antiqua">kg</span> beladen, -begleiten sie ihre Herren, wenn diese zu ihren langdauernden Jagdzügen -aufbrechen. Zu 6, 8 oder 10 Stück vermittelst eines an einen höchst -einfachen Kumt befestigten und zwischen den Hinterbeinen durchgezogenen -Riemens werden sie an leichte, niedere Schlitten gespannt, welche -300–400 <span class="antiqua">kg</span> zu tragen vermögen, und durchlaufen mit ihnen -unter günstigen Umständen bis 50, und bei leichter Last bis 80 -<span class="antiqua">km</span> im Tag. Spüren sie unterwegs ein Wild auf, so rennen sie -ihm, ausgehungert wie sie sind, rasend nach, verwirren dabei oder -bei gelegentlichen Beißereien ihre Riemen, so daß auch die mit Macht -geschwungene Peitsche des Schlittenführers keine Ordnung mehr in den -Haufen zu bringen vermag. Es bleibt nichts anderes übrig, als das zu -einem undurchdringlichen Knäuel gewordene Gespann, in welchem alles -knurrt, bellt, beißt und durcheinander wütet, nach Möglichkeit zum -Halten zu bringen, die Tiere aus der Verschlingung zu lösen und von -neuem einzuspannen. Natürlich kann bei solch ungestümer Fahrt von einer -Lenkung des Schlittens nach unseren Begriffen von seiten des Menschen<span class="pagenum"><a id="Seite_13"></a>[S. 13]</span> -keine Rede sein. So gut es eben geht, weist man den Leithunden durch -Peitschenhiebe den Weg, den sie nicht gehen sollen.</p> - -<p>Diese genügsamen, abgehärteten Schlittenhunde sind nicht nur den -grönländischen Eskimos und den kanadischen Pelzjägern, sondern auch -allen nordasiatischen Volksstämmen als Zugtiere völlig unentbehrlich. -Tungusen, Samojeden, Tschuktschen, Kamdschadalen und wie sie sonst -heißen mögen, fallen geradezu in Hungersnot, wenn ihnen ihre Hunde -durch eine Seuche hinweggerafft werden, weil sie ohne diese sich -weder das nötige Brennholz verschaffen, noch dem sie ausschließlich -ernährenden Fischfang und der Jagd, auch der für sie höchst wichtigen -Pelzjagd, genügend obliegen können. Über die Hunde, die einzigen -Haustiere der Kamtschadalen, schreibt der alte Steller: „Ohne diese -Hunde kann jemand hier so wenig leben wie an andern Orten ohne Pferd -und Rindvieh. Die kamtschatkischen Hunde sind verschiedenfarbig, -hauptsächlich aber dreierlei: weiß, schwarz und wolfsgrau, dabei -sehr dicht- und langhaarig. Sie ernähren sich von alten Fischen. -Vom Frühjahr bis in den späten Herbst bekümmert man sich nicht im -geringsten um sie, sondern sie gehen allenthalben frei herum, lauern -den ganzen Tag an den Flüssen auf Fische, welche sie sehr behende und -artig zu fangen wissen. Wenn sie Fische genug haben, so fressen sie, -wie die Bären, nur allein den Kopf davon; das andere lassen sie liegen. -Im Oktober sammelt jeder seine Hunde und bindet sie an den Pfeilern -der Wohnung an. Dann läßt man sie weidlich hungern, damit sie sich des -Fettes entledigen, zum Laufen geschickt und nicht engbrüstig werden -mögen, und alsdann geht mit dem ersten Schnee ihre Not an, so daß -man sie Tag und Nacht mit gräßlichem Geheul und Wehklagen ihr Elend -bejammern hört. Ihre Kost im Winter ist zweifach. Zur Ergötzung und -Stärkung dienen stinkende Fische, welche man in Gruben verwahrt und -versäuern läßt. Das andere Futter besteht in trockenen Speisen von -verschimmelten und an der Luft getrockneten Fischen. Damit füttert man -sie des Morgens, um ihnen unterwegs Mut zu machen.</p> - -<p>Man kann sich nicht genug über die Stärke der Hunde verwundern. -Gewöhnlich spannt man nur vier an einen Schlitten; diese ziehen drei -erwachsene Menschen mit 1<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Pud (24,5 <span class="antiqua">kg</span>) Ladung behende fort. -Auf vier Hunde ist die gewöhnliche Ladung 5–6 Pud (82–98 <span class="antiqua">kg</span>). -Ungeachtet nun die Reise mit Hunden sehr beschwerlich und gefährlich -ist, und man fast mehr entkräftet wird, als wenn man zu Fuß ginge, und -man bei dem Hundeführen und Fahren so müd<span class="pagenum"><a id="Seite_14"></a>[S. 14]</span> wie ein Hund selber wird, -so hat man doch dabei diesen Vorteil, daß man über die unwegsamsten -Stellen damit von einem Ort zum andern kommen kann, wohin man weder mit -Pferden, noch, wegen des tiefen Schnees, sonst zu Fuß kommen könnte.</p> - -<p>Der andere Hauptnutzen der Hunde, weshalb sie auch häufig gehalten -werden, ist, daß man sowohl den abgelebten Schlittenhunden als den -zur Fahrt untauglichen die Häute abnimmt und zweierlei Kleider daraus -macht, welche in dem ganzen Lande von großem Nutzen und von großem -Werte sind.“</p> - -<p>Eine ähnliche Lebensweise wie diese kamtschadalischen und überhaupt -nordasiatischen Hunde führen diejenigen Islands, die dort in -übergroßer Zahl (auf fünf Menschen drei Hunde!) untätig herumlungern, -zu gewissen Jahreszeiten aber beim Trieb der Schaf- und Pferdeherden -doch wesentliche Dienste leisten. Verwandt damit ist auch der Spitz -der skandinavischen Lappen und westrussischen Finnen, der sogenannte -<em class="gesperrt">Elchhund</em>, und der russisch-sibirische <em class="gesperrt">Laika</em>, d. h. -Beller, die beide, ähnlich wie unsere Bracken, zum Aufstöbern und -Treiben des Wildes dienen.</p> - -<p>Ein etwas veränderter, vor allem durch bessere Ernährung kräftiger -gewordener Abkömmling des alten Torfhundes der neolithischen -Mitteleuropäer, der noch zur Römerzeit am Rhein und in Helvetien (so in -Vindonissa) lebte, ist unser einheimischer <em class="gesperrt">Spitz</em>, dessen etwas -grobes Fell weiß, grau, schakalfarbig, gelb oder ganz schwarz ist. -Dank seiner außerordentlichen Wachsamkeit, die kein Geräusch und keine -fremde Erscheinung unbeachtet läßt, ist er der Haus- und Wachthund -in des Wortes eigentlichster Bedeutung. Tag und Nacht hütet er mit -derselben Aufmerksamkeit den Hof oder das Fuhrwerk seines Herrn, das -er nie verläßt, um sich wie andere Hunde gerne herumzutreiben. Mit -wütendem Gekläff und seine scharfen Zähne weisend empfängt er jeden -Fremdling, der ihm verdächtig erscheint. Als die beste Rasse gilt der -Pommer, weil er bei unwandelbarer Treue und Anhänglichkeit besonders -aufmerksam und lebhaft ist, dabei weder Regen, noch Kälte scheut, ja -gewöhnlich im Hause oder Hofe dort am liebsten zu liegen pflegt, wo der -Wind am stärksten pfeift. Nur als Kettenhunde taugen die Spitze infolge -ihres großen Dranges zur Freiheit nicht. Unter ihnen gibt es auch -Zwergformen, die besonders in England als Schoßhündchen der Modedamen -sehr beliebt sind und bei einem Gewicht von nur 1,26 <span class="antiqua">kg</span> bis 1800 -Mark kosten.</p> - -<p>Ein noch weitergehend veränderter Abkömmling des Torfhundes<span class="pagenum"><a id="Seite_15"></a>[S. 15]</span> ist der -dem Spitz an Wachsamkeit und Mut kaum nachgebende <em class="gesperrt">Pinscher</em>, -ein höchst munteres, kluges und jagdfreudiges Tier, dessen besondere -Liebhaberei es ist, Mäusen, Ratten und Erde aufwühlenden Maulwürfen -nachzuspüren und sie zu verfolgen. Die Mäuse und Ratten frißt er bis -zu seiner Sättigung, die übrigen wirft er weg; die Maulwürfe dagegen -frißt er nicht, sondern begräbt sie. Wie der Spitz zum ländlichen -Gehöft gehört, pflegt der Pinscher im bürgerlichen Wohnhaus gehalten -zu werden, obschon er wegen seiner steten Unruhe dem Herrn oft mehr -Verdruß als Freude macht. Aus diesem Grunde eignet er sich mehr für -Leute, welche reiten oder mit schnellen Pferden fahren; denn am -allerliebsten begleitet der Pinscher seinen Herrn, wenn er tüchtig -rennen und laufen muß. Doch selbst bei den schnellsten Ritten hat er -immer noch Zeit, bald hier, bald dort ein Mauseloch zu untersuchen oder -einen Maulwurf beim Auswerfen seiner Haufen zu stören. Die Nase hoch -gegen den Wind getragen, späht er nach allen Seiten hin, und wo etwas -raschelt, naht er sich vorsichtig und leise, um Beute zu machen. In -England wird er mit Vorliebe zur Abhaltung von Rattenjagden benutzt, -wobei es allerdings ohne oft recht hohe Wetten der Teilnehmer nicht -abgeht. Auch von ihm gibt es Zwergformen, häßliche, aber muntere und -unterhaltende Tiere, die höchst zutraulich und anhänglich an ihre Herrn -sind und gleichfalls zur Rattenjagd, außerdem auch zur Kaninchen- oder -Wachteljagd verwendet werden.</p> - -<p>Der heute beliebteste Abkömmling des Pinscherstammes ist der durch die -Engländer überall eingeführte und populär gewordene <em class="gesperrt">Foxterrier</em>, -der jetzt auch in Deutschland überall angetroffen wird. Übersprudelnd -von Temperament, ist er von einer Beiß- und Rauflust ohnegleichen, die -sich in Ermangelung von Besserem an Teppichen, Gardinen, Tischdecken -und Möbelüberzügen Luft macht. Wie von der deutschen Jägerei der -Dachshund, wurde er von der englischen zum Aufsuchen von Fuchs und -Dachs in ihren Erdbauen verwendet. Terrier, altenglisch <span class="antiqua">terrar</span>, -heißt so viel wie Erdhund. Für die Arbeit in der Erde wurde auch -diese kurzhaarige Pinscherart gezüchtet und besaß schon vor einigen -Jahrhunderten einen gewissen Ruf. Als dann die Fuchsjagd zum reinen -Sport der Vornehmen wurde, sanken diese in der Erde wühlenden Hunde -zu nebensächlichen Handlangern für diese herab, die den unterirdisch -verschlieften Fuchs wieder hervorzutreiben hatten. Von diesen Terriers -wurde zuerst der Name Foxterrier gebraucht und dann in der Folge auf -die ganze Sippe übertragen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_16"></a>[S. 16]</span></p> - -<p>Seine Hauptbedeutung hat aber der Foxterrier längst als Luxushund -erlangt, ebenso die übrigen Terrierformen Englands, die man bei uns -kaum kennt. Einige davon, wie der kleine, langleibige, kurzbeinige -<em class="gesperrt">Yorkshireterrier</em> mit prächtigem Seidenhaar, sind besonders bei -den Damen als Schoßhunde beliebt.</p> - -<p>Andere Schakalabkömmlinge, die der hier besprochenen Spitzhundgruppe -nahestehen, sind die West- und Südasien, den indomalaiischen Archipel -bis zu den Philippinen, dann Neuguinea, Australien und Neuseeland, -aber auch Nord- und Mittelafrika und Madagaskar bewohnenden -<em class="gesperrt">Pariahunde</em>. Sie wurden von den Engländern so genannt, weil sie -kaum oder nur schlecht domestizierte Hunde von häßlichem Aussehen sind, -die als herrenlose Geschöpfe in der Nähe der menschlichen Wohnungen -leben, um sich vom Wegwurfe des Menschen kümmerlich genug zu ernähren. -Tagsüber liegen sie faul oder schlafend in der Sonne, um wie ihre -Ahnen, die Schakale, gegen Abend lebhaft zu werden und auf Eßbares -irgend welcher Art zu fahnden. Wie die Schakale machen sie sich des -Nachts in orientalischen Städten durch ihr Geheul sehr unangenehm -bemerkbar, indem sie bei den nicht daran Gewöhnten keinen rechten -Schlaf aufkommen lassen. Sie haben einen schlanken Leib, ziemlich hohe -Beine, einen schmalen Kopf mit zugespitzter Schnauze und aufrecht -stehenden Ohren. Das Gesicht verrät nur geringe Intelligenz. Der -lange, nicht gedrehte Schwanz wird bald hängend getragen, bald ist er -gekrümmt. Die Behaarung ist meist kurz und von rostroter oder fahler -Färbung, ähnlich dem Schakal. Auch der Schädelbau zeigt Ähnlichkeit mit -diesem, und zwar am meisten mit dem indischen Schakal.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel1a" > - -<p class="captop">Tafel 1.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel1a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Wolf im Tierpark Hellabrunn zu München.<br /> - (Nach einer Photographie von M. Obergaßner.)</div> - -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel1b" > - <img class="w100" src="images/tafel1b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Pariahund vom weißen Nil.<br /> - (Nach Keller, Die Abstammung der ältesten Haustiere.)</div> - -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel2a" > - -<p class="captop">Tafel 2.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel2a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Eskimohunde in Nordgrönland.<br /> - (Nach einer Photographie von <span class="antiqua">Dr.</span> Arnold Heim.)</div> - -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel2b" > - <img class="w100" src="images/tafel2b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Schottischer Schäferhund in Deutschsüdwestafrika.<br /> - (Nach einer Photographie im Besitz der deutschen Kolonialschule in -Witzenhausen.)</div> - -</div> - -<p>Wie heute noch allgemein im Orient besorgte dieser Pariahund hier -schon in der Urzeit neben den Hausschweinen die Straßenreinigung. -In altbabylonischen Texten wird er als <span class="antiqua">kalbu siguu</span>, d. h. -umherschweifender Hund bezeichnet, der manchenorts den Schafherden -lästig wurde, weil er sich zur Stillung seines übermächtigen Hungers -an die jungen Schafe heranmachte. Da er sich für gewöhnlich von Aas -ernährte, mied man ihn so viel als möglich als unheimliches Geistwesen -und schützte sich vor seinem, wie man glaubte, krankmachendem -Einflusse durch das Tragen von Amuletten, die, wie die Labartu, -selbst hundeköpfig, sonst menschenähnlich, an der einen Brust ein -Schwein, an der andern einen Hund, oder wie die Daua an beiden -Brüsten Hunde säugend dargestellt wurden. Vielfach hing man sich auch -Hundenachahmungen um. Alle Krankheitsdämonen wurden hundegestaltig<span class="pagenum"><a id="Seite_17"></a>[S. 17]</span> -dargestellt. So begreifen wir, wie bei den Semiten und durch sie bei -allen Völkern des Morgenlandes der Hund eine verachtete Stellung -einnahm, auch dann, als höher gezüchtete Formen desselben eingeführt -wurden.</p> - -<p>Wie die west- und südasiatischen Pariahunde, deren südlichster Zweig -als <em class="gesperrt">Dingo</em> schon in frühvorgeschichtlicher Zeit mit den dem -altdravidischen Volkselemente Südasiens nahe verwandten Australiern -in Australien einwanderte und hier in der Folge wiederum gänzlich -verwilderte, vom ebenfalls in rostroter Färbung vorkommenden -indischen Schakal abstammen, ist dies auch bei den meisten nord- und -mittelafrikanischen Pariahunden der Fall. Dagegen leben im Nilgebiet -und weiter westlich in Nordafrika Formen, die im Schädelbau stark von -jenen abweichen und offenbar vom nubischen <em class="gesperrt">Schakalwolf</em> (<span class="antiqua">Canis -anthus</span>) abstammen. Der breite Kopf mit großen, aufrechtstehenden -Ohren, der selbst im weiblichen Geschlecht stark entwickelte -Scheitelkamm, die aufgetriebene, breite Stirn und der derbe, -kräftige Schnauzenteil stimmen vollkommen mit diesem überein. Auch -physiologische Gründe sprechen für diese Ableitung, so vor allem die -Gewohnheit beider, im Boden Löcher zu graben und Aas hervorzuscharren. -Bei den südafrikanischen Pariahunden dagegen scheint der dort -einheimische <em class="gesperrt">Schabrackenschakal</em> (<span class="antiqua">Canis mesomelas</span>) der -eigentliche Stammvater zu sein.</p> - -<p><em class="gesperrt">Wie die kleineren, spitzartigen Haushunde vom Schakal, so stammen -alle größeren vom Wolf in seinen verschiedenen Abarten ab.</em> Der -älteste dieser Wolfsabkömmlinge ist der in spätneolithischer Zeit in -Mitteleuropa auftretende <span class="antiqua">Canis familiaris inostranzewi</span>, von -Anutschin nach Inostranzew so genannt, der die Überreste desselben -zusammen mit denjenigen des Torfhunds in Kulturschichten der jüngeren -Steinzeit Rußlands am Ladogasee zuerst entdeckte. Später wurde er -dann auch in Pfahlbauten des Neuenburger- (Font) und Bielersees (an -der Schüß) mit einigen Kupfergegenständen gefunden. Dieser an Größe -einem mittleren Fleischerhunde entsprechende Hund besaß einen durchaus -wolfähnlichen Schädel von 17,7 <span class="antiqua">cm</span> Länge und näherte sich sehr -dem in Nordrußland und Sibirien verbreiteten, bereits besprochenen -Eskimohund, von dem wir konstatierten, daß er eine starke Blutmischung -mit dem nordischen Wolfe aufweise. Gegenüber dem Schädel des Torfhundes -erscheint der seinige langgestreckt, niedrig, mit stark entwickelter -Scheitelleiste und überhaupt ausgeprägten Muskelansätzen. Von der -breiten Stirne setzt sich der lang ausgezogene, vorn sich verjüngende -Gesichtsteil deutlich ab.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_18"></a>[S. 18]</span></p> - -<p>Durch die Kreuzung dieses wolfähnlichen Hundes mit dem Pfahlbauspitz -von Schakalabstammung entstand der <em class="gesperrt">Aschenhund</em>, so genannt, -weil seine Überreste vom Archäologen Grafen von Wurmbrand zuerst in -Aschenschichten bei Weikersdorf in Niederösterreich gefunden wurden. -Woldrich beschrieb sie im Jahre 1877 und nannte das Tier <span class="antiqua">Canis -familiaris intermedius</span>. Weitere Überreste desselben fanden sich in -Pulka und Ploscha in Böhmen. Mit einer Basilarlänge von 16,4 <span class="antiqua">cm</span> -steht sein Schädel in der Mitte zwischen dem größeren wolfartigen Hund -der Bronzezeit und dem kleineren Torfhund und war durch die bedeutende -Stirnbreite und die Kürze der Schnauze ausgezeichnet.</p> - -<p>Von diesem eigentlichen Jagdhund der Bronzezeit, der uns in einer -bereits hängeohrigen, also hochgezüchteten Form auf einer Platte mit -Tierdarstellungen von Hierokanopolis in Ägypten aus vorpharaonischer -Zeit Antilopen und Steinböcke jagend entgegentritt, stammen die -Laufhunde sowie die Vorstehhunde mit ihren verschiedenen Unterrassen -ab. Und zwar schließt sich nach den eingehenden Untersuchungen -von Prof. Theodor Studer in Bern der Schädel des schweizerischen -<em class="gesperrt">Laufhundes</em> in seiner Gestalt direkt an denjenigen des -Aschenhundes an, dessen wesentliche Merkmale er bis in alle Details -wiederholt, nur ist die Schädelhöhle bei ihm bedeutend geräumiger -geworden, als Zeichen, daß er inzwischen bedeutend an Intelligenz -zugenommen hat. Die Schädellängen schwanken zwischen 16,2 und 18,4 -<span class="antiqua">cm</span>. Die größte Ähnlichkeit mit demjenigen des <span class="antiqua">Canis -intermedius</span> zeigt der Schädel eines Laufhundes aus der helvetischen -Station La Tène am Neuenburger See aus vorrömischer Zeit. Er stammt -aus Kulturschichten, die neben zahlreichen eisernen Waffen und Geräten -nebst bronzenen Schmuckgegenständen und Utensilien zahlreiche Knochen -von Haustieren, wie Pferden, Rindern und Schweinen, lieferten. Schon -bei ihm ist die Schädelkapsel etwas geräumiger, die Schläfenenge -weniger eingeschnürt und die Stirne breiter und seitlich mehr gewölbt -als beim Aschenhund, ein Prozeß, der sich im Laufe der Zeit noch -steigerte bis zu den heutigen Laufhunden.</p> - -<p>Schon in der Ilias ist vom Laufhund die Rede, der den Hirsch oder die -Hirschkuh und deren Junges durch Täler und Schluchten verfolgt. Ein -solcher Laufhund war der treue Argos, der einst zur Jagd auf wilde -Ziegen, Rehe und Hasen gedient und das Aufspüren des Wildes trefflich -verstanden hatte; kein Wild sei ihm je entkommen, wird in der Ilias -von ihm gesagt. In der Folge hielten ihn die<span class="pagenum"><a id="Seite_19"></a>[S. 19]</span> Griechen und Römer, aber -auch die Völker nördlich der Alpen. So waren zur Zeit des Julius Cäsar -die Gallier durch ihre Laufhunde berühmt, die sich vortrefflich zum -Aufspüren und Verfolgen der Beute bei der Jagd bewährten. Bei ihnen -waren besonders die nach dem gallischen Stamme der Segusier zwischen -Saône, Rhone und Allier von den Römern als <span class="antiqua">segusii</span> bezeichneten -Hunde hoch geschätzt. Nach den Schilderungen der alten Schriftsteller -Ovid, Plinius und Gratius waren es rauhhaarige Tiere, die nicht nur bei -den Römern, sondern nach dem Berichte von Flavius Arrianus im Jahre 130 -n. Chr. auch in Griechenland Aufnahme fanden. Noch bis in das 6. und -7. Jahrhundert werden sie als <span class="antiqua">segusii</span> angeführt, später aber -erhielten sie nach ihrer hauptsächlichen Züchtung in der französischen -Landschaft Bresse die Bezeichnung <span class="antiqua">chiens de Bresse</span>. Doch waren -neben ihnen schon in römischer Zeit glatthaarige Laufhunde sehr -verbreitet, wie uns verschiedene antike Darstellungen zeigen. Daß bei -den Galliern verschiedene Rassen von Laufhunden vorkamen, beweist -ein im Jahre 1735 in den Ruinen des alten Aventicum (Avenches), der -Hauptstadt des römischen Helvetien, aufgefundenes Mosaik, das leider in -den Stürmen der Revolutionszeit 1798 zugrunde ging; doch besitzt das -historische Museum in Bern die 1794 in Farben ausgeführte Originalkopie -von Ingenieur Ritter, der im Auftrage der Berner Regierung damals die -in Avenches zutage geförderten Altertümer untersuchte und kopierte. -Wir sehen darauf, wie der wahrscheinlich helvetische Besitzer seine -geliebten Jagdhunde und sein bevorzugtes Wild neben einer durchaus -nicht dazu passenden Darstellung des auf dem Pegasus reitenden Perseus, -Tubabläsern, Bären und Delphinen wiedergeben ließ. Zu oberst springt -ein glatthaariger, langgestreckter Hund von graugelblicher Färbung, -in dem wir unschwer einen Hirschhund erkennen, einer Hirschkuh nach. -Darunter verfolgt ein großer Laufhund, weiß mit braunen Platten -mit hoher, stumpfer Schnauze — M. Siber vergleicht ihn mit dem -dreifarbigen Berner Laufhund —, ein nicht mehr erhaltenes Wild. Im -dritten Feld verfolgt ein schwerer, breitköpfiger und untersetzter -Jagdhund einen Eber, im vierten läuft ein kleiner, gefleckter -Jagdhund, in welchem M. Siber den Hasenhund <span class="antiqua">par excellence</span>, den -gewöhnlichen weiß und gelben Schweizer Laufhund sieht, einem Hasen -nach. Also muß schon im 1. Jahrhundert n. Chr. der von uns als Laufhund -bezeichnete eigentliche Jagdhund bei den Helvetiern in einer ganzen -Anzahl dem verschiedenen Wilde, das er verfolgen sollte, angepaßte -Rassen zerfallen gewesen sein.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_20"></a>[S. 20]</span></p> - -<p>Auch bei den Germanen scheinen Laufhunde unter dem Namen <span class="antiqua">segusu</span>, -<span class="antiqua">seusii</span>, <span class="antiqua">seuces</span> — wohl von Gallien importiert —, ferner -Bracken (<span class="antiqua">braccones</span>) in kleineren und größeren Formen vorgekommen -zu sein. Sie alle werden in den alamannischen und bajuvarischen -Volksgesetzen, die etwa um 700 n. Chr. verfaßt wurden, erwähnt. -Eine besonders wichtige Rolle spielte bei den alten Deutschen der -<em class="gesperrt">Leitihund</em> (Leithund), dessen Verletzung mit den schwersten -Strafen bedroht wurde. Nach der Abbildung Ridingers war dies ein -stämmiger, mittelgroßer Hund mit untersetztem Körperbau, breiter Brust, -starkem, breitstirnigem Kopf und hoher Schnauze, mit langem, breitem -Behang, glatthaarig, vom Aussehen eines plumpen Laufhundes. Derselbe -wurde bei der Jagd an der Leine geführt und erhielt seinen Namen -davon, daß er den Jäger, den Spuren des Wildes folgend, zum Jagdobjekt -leitete. Diese Rasse, die anscheinend zu Anfang des 19. Jahrhunderts -ausstarb, war schon zu Anfang des Mittelalters bei den germanischen -Völkern aus den gewöhnlichen, laut jagenden Treibhunden als bestimmte, -selbständige Rasse hervorgegangen. Später diente er dazu, einen ganz -bestimmten jagdbaren Hirsch auf der Vorsuche vor der eigentlichen Jagd -auszumachen und auf einem bestimmten Standorte zu bestätigen.</p> - -<p>Wie die Laufhunde auf primitiver Stufe verbliebene Jagdhunde sind, -die dem aufgespürten Wilde laut bellend nachsetzen, so sind die -<em class="gesperrt">Vorstehhunde</em> eine weit höher gezüchtete Form des alten -Jagdhundes. Dieser darf nicht mehr seine alte Raubtiernatur zum -Vorschein kommen lassen, sondern muß allen seinen angeborenen -Instinkten entgegen das von ihm durch sein feines Geruchsorgan -aufgestöberte Wild durch unbewegliches Stillsitzen vor ihm, den Kopf -nach ihm hingewendet, das Hinterteil etwas gesenkt und einen Vorderlauf -erhoben, dem Jäger anzeigen. Dieses „Vorstehen“ ist tatsächlich auch -die einzige Arbeit des modernen Setters und Pointers, die, wie der Name -schon andeutet, in England aus dem altspanischen Vorstehhund in teils -kurzhaarigen, teils langhaarigen Formen hochgezüchtet wurden.</p> - -<p>Das deutsche Gegenstück zu diesen glänzenden englischen Virtuosen, dem -besten Gehilfen des sportmäßigen <span class="antiqua">shooting</span>, ist der kurzhaarige -<em class="gesperrt">deutsche Vorstehhund</em>, der beste Freund und Genosse des deutschen -Weidmannes. Schon im 15. und 16. Jahrhundert besaß man in Deutschland -kurzhaarige Vorstehhunde zur Habicht- und Falkenbeize auf Feldhühner -und Hasen. Die ältesten Feuergewehrjäger des 17. Jahrhunderts, die -mit ihren schwerfälligen „Schroth-Büxen“ nur<span class="pagenum"><a id="Seite_21"></a>[S. 21]</span> auf ruhende oder -langsam sich bewegende Ziele zu schießen vermochten, verwendeten -diese Jagdhunde wesentlich nur zum Apportieren. Erst nachdem durch -die französische Erfindung des Feuersteinschlosses und selbsttätigen -Pulverpfannendeckels das Gewehr genügend verbessert war und damit die -Periode der Schießjagd ihren Anfang nahm, kam im 18. Jahrhundert der -Vorstehhund bei den fürstlichen Jägern wieder zu Ehren und verdrängte -bei diesen den bis dahin üblichen „englischen“ Hatzhund. Bei den regen -Verbindungen des Fürstenhauses von Hannover mit England kann es nicht -verwundern, daß dann der deutsche Vorstehhund mit dem hochgezüchteten -englischen Typus verbessert wurde, bis schließlich unsere -unübertrefflichen vielseitigen <em class="gesperrt">Gebrauchshunde</em> hervorgingen, die -zu den verschiedensten jagdlichen Verrichtungen verwendet werden können.</p> - -<p>Einem glatthaarigen Vorstehhund ähnelt an Größe und Gestalt der -<em class="gesperrt">Schweißhund</em> der deutschen Weidmänner. Die kräftig gebauten, -lohbraun bis fahlgelb gefärbten Tiere mit schwärzlichem Anflug an -Schnauze und Ohren besitzen einen breiten, wenig gewölbten Kopf. Die -Lippen der stumpfen Schnauze fallen breit über und bilden im Mundwinkel -eine starke Falte; die breitlappigen Ohren sind mittellang und unten -abgerundet. Er ist ein kaum zu entbehrender Gehilfe bei Ausübung -der Jagd auf Hochwild, indem er die Fährte angeschossener Tiere zu -verfolgen hat. An der Leine gehalten, führt er bei der Nachsuche den -Jäger still durch Busch und Wald zu der Stelle, wo das weidwunde Tier -sich niedergelegt hat. Ist er freigelassen und hat er das Wild verendet -gefunden, so „verbellt er es tot“, ist dieses aber noch flüchtig -geworden, so hetzt er es laut und stellt es, bis der Herr herankommt -und die Jagd mit einem Fangschuß beendet.</p> - -<p>Nicht zu verwechseln mit diesem wichtigen Jagdgehilfen ist der -<em class="gesperrt">Hirschhund</em>, der sich durch sein scharfes Spürvermögen und seine -außerordentliche Schnelligkeit auszeichnet. Gegenwärtig befinden -sich nur noch wenige im Besitz des englischen Königs. Früher war -dieses Tier ein wichtiges Inventarstück am britischen Hofe, das bei -den großen Hirschhetzen, an denen besonders Georg III. als -leidenschaftlicher Liebhaber dieses Sportes oft persönlich teilnahm, -eine sehr wichtige Rolle als Parforcehund spielte. Nicht selten hetzte -man mit solchem Eifer, daß von den 100 berittenen Jägern, die anfangs -hinter dem Hirsche dreinritten, zuletzt nur noch 10 oder 20 übrig -waren, wenn das flüchtige Wild von der Meute der Hirschhunde gepackt -wurde. Man durchritt dabei in Windeseile unglaubliche Entfernungen und -setzte die<span class="pagenum"><a id="Seite_22"></a>[S. 22]</span> Jagd oft so lange fort, bis ein großer Teil der Pferde und -selbst viele Hunde dabei zugrunde gingen.</p> - -<p>Diese Hirschhunde waren namentlich bei den alten keltischen -Völkerschaften als Jagdhunde sehr verbreitet und wurden noch im -Mittelalter auf dem mitteleuropäischen Festlande viel gehalten. -Nach dem bereits erwähnten Berner Professor Th. Studer sind sie -die wenig veränderten Nachkommen des als <span class="antiqua">Canis familiaris -leineri</span> bezeichneten Wolfabkömmlings, dessen Überreste bisher -in einem einzigen Exemplar im neolithischen Pfahlbau von Bodmann am -Überlinger See gefunden und nach dem nunmehr verstorbenen Direktor -des Rosgartenmuseums in Konstanz, <span class="antiqua">Dr.</span> Leiner, von Studer so -genannt wurden. Die Eigentümlichkeit dieser Rasse besteht in einer -langgestreckten, gewölbten Hirnkapsel mit mäßig entwickelter, gerader -Scheitelleiste an dem an der Basis gemessen 20 <span class="antiqua">cm</span> langen -Schädel. Die stumpf abgerundete Schnauze ist vor den Eckzähnen noch -3,5 <span class="antiqua">cm</span> breit. In seiner schlanken Form erinnert der Schädel an -den des Windhundes und in seiner geraden Profillinie an den gleich -zu besprechenden Bronzehund. Das unvermittelte Auftreten dieses -Tieres weist auf den zunehmenden Handelsverkehr jener Gegenden mit -dem Süden, von wo es zweifelsohne eingeführt wurde. Sein Entdecker -wies nämlich nach, daß es jedenfalls auf den <em class="gesperrt">indischen Wolf</em> -(<span class="antiqua">Canis pallipes</span>) zurückgeht, der viel kleiner ist als der -europäische Wolf, nämlich bei einer Schulterhöhe von 65 <span class="antiqua">cm</span> -nur eine Gesamtlänge von 130 <span class="antiqua">cm</span> erreicht, wovon übrigens -40 <span class="antiqua">cm</span> auf den Schwanz entfallen. Von Indien aus erstreckt -sich sein Verbreitungsgebiet bis nach Ostpersien. Sein gewöhnlicher -Aufenthaltsort scheint das offene Gelände zu sein, während er das -Waldgebiet möglichst meidet. Nach den Angaben der Eingeborenen haben -die indischen Wölfe die Gewohnheit, weidende Antilopen oder Schafe -nach einer günstigen Fangstelle zu treiben, was einen Fingerzeig dafür -gibt, wie bei seinen gezähmten Nachkommen dieser Instinkt zum Bewachen -und Zusammentreiben von Herdetieren durch zielbewußte Erziehung weiter -ausgebildet wurde. Jeitteles nimmt Persien als den Ort der ersten -Domestikation des indischen Wolfes an. Von dort kam dann dieses Tier -nach seiner Zähmung als Haustier über Kleinasien und der Donau entlang -ins Herz von Europa, um hier bald neben dem Torfhund recht beliebt zu -werden.</p> - -<p>Von dieser südlichen Haushundrasse leitet sich zweifellos der -<em class="gesperrt">Bronzehund</em> ab, den Jeitteles 1872 in einer vorgeschichtlichen -Ablagerung der Stadt Olmütz entdeckte und unter dem Namen <span class="antiqua">Canis<span class="pagenum"><a id="Seite_23"></a>[S. 23]</span> -familiaris matris optimae</span> — seiner Mutter zu Ehren so genannt — -beschrieb. In der Folge entdeckte man diesen an neun verschiedenen -Orten Mitteleuropas in Kulturresten der Bronzezeit, so daß man -annehmen darf, daß er zur Bronzezeit neben dem kleineren Torfspitz -von Schakalabstammung ziemlich verbreitet war. Sein Schädel von -durchschnittlich 18 <span class="antiqua">cm</span> Basislänge hat eine weniger gewölbte -Hirnkapsel und eine längere und spitzere Schnauze als derjenige des -Torfhundes. Diesen <span class="antiqua">Canis familiaris matris optimae</span> möchte -neuerdings M. Hilzheimer in Stuttgart von einem kleinen Wolf ableiten, -der nach seinen Untersuchungen Südschweden und die gegenüberliegenden -Küstenländer Rußlands bewohnte. Damit stimmt überein, daß Th. -Studer in Bern diesen von einem Hund ableiten will, der in einer -jungsteinzeitlichen Ablagerung Nordwestrußlands gefunden und von ihm -<span class="antiqua">Canis putiatini</span> genannt wurde. Was nun die Funktion der beiden -Haushunde Mitteleuropas zur Bronzezeit betrifft, so nimmt Naumann an, -daß der Torfspitz damals wie früher mehr zum Bewachen des Hauses, der -Bronzehund dagegen mehr zum Bewachen und Hüten der Herden, besonders -von Schafen, benutzt wurde. Letzteres ist sehr wohl möglich, um so -mehr die Großviehhaltung zur Zeit der Bronzekultur gegenüber der -Kleinviehzucht entschieden zurücktrat und besonders die Aufzucht des -Schafes zur Gewinnung der damals zuerst in größerer Menge beliebt -werdenden Wollkleidung einen großen Umfang annahm.</p> - -<p>Jedenfalls sind unsere <em class="gesperrt">Schäferhunde</em> die direkten Abkömmlinge -des Bronzehundes. In allen Formen des Schädelbaues stimmen sie mit -denjenigen des Bronzehundes vollkommen überein. Allerdings ist der -Schäferhund, wie wir ihn heute kennen, kaum 200 Jahre alt. Seine -Ausbildung begann erst mit der Ausrottung des Wolfes. Bis dahin war -seine Stelle vom hatzhundähnlichen, mit Stachelhalsband bewehrten -„Schafrüden“ eingenommen worden, der nur das Raubzeug, also vor -allem den Wolf, abzuhalten hatte, gewöhnlich aber vom Hirten am -Stricke geführt wurde, während dieser seine Herde selbst hütete -und, die Schalmei oder den Dudelsack blasend, vor ihr herging. Als -dann in England zuerst der Wolf ausgerottet wurde, entwickelte sich -dort aus den klugen und wetterharten wolfähnlichen Landhundschlägen -ein Schäferhund in unserem Sinne, dessen sich dann die Liebhaber -bemächtigten, um aus ihm schließlich den hochedlen Rassenhund -zu züchten, der uns heute im <em class="gesperrt">Collie</em> oder <em class="gesperrt">schottischen -Schäferhund</em> entgegentritt. Wie der englische ist dann später -auch der <em class="gesperrt">deutsche Schäferhund</em> aus wolfähnlichen Landhunden -herausgezüchtet worden;<span class="pagenum"><a id="Seite_24"></a>[S. 24]</span> nur wurde er nicht so verfeinert, um nicht -zu sagen überfeinert, sondern blieb ein derber, wetterharter und -genügsamer Gesell.</p> - -<p>Aus kleinen Schäferhundformen ging schließlich im Mittelalter der -<em class="gesperrt">Pudel</em> hervor, der Artist unter den Hunden. Er erscheint -nach Studer zuerst in den Abbildungen der geduldigen Griselda von -Pinturicchio als solcher. Seine Ursprungsform ist der Hirtenhund -früherer Zeiten, der alte „Schafbudel“, der früher auch als Jagdhund -verwendet wurde. Vermutlich hat er im Laufe der Zeit eine ziemliche -Beimischung von Blut des vom <span class="antiqua">Canis familiaris intermedius</span> der -Bronzezeit abstammenden Jagdhundes erhalten, da er früher viel für -die Jagd, besonders die Wasserjagd, verwendet wurde. Später wurde -er dann dank seiner Intelligenz und Gelehrigkeit zum persönlichen -Gesellschafter, Begleit- und Stubenhund erhoben und durch zielbewußte -Zucht zu einer Kulturrasse von besonderer Ausprägung erhoben. Wo -dies zuerst geschah, wird schwer zu entscheiden sein. Die ersten -Darstellungen desselben beziehen sich auf Burgund. In jener Zeit des -Mittelalters war der Jagdsport so allgemein und der Austausch der -tierischen Jagdgehilfen so international — man denke nur an den -massenhaften Bezug von nordischen Jagdfalken aus Island und Grönland, -die für ganz Europa den Bedarf deckten —, daß es fast unmöglich sein -wird, festzustellen, wo eine bestimmte Rasse zuerst erzeugt wurde. -In Deutschland sollen größere Pudelformen erst im 16. Jahrhundert -aufgetreten sein.</p> - -<p>Sowohl mit Rücksicht auf ihren Körperbau als ihre geistige Eigenart -bilden unter allen Hunden die <em class="gesperrt">Windhunde</em> die am schärfsten -umschriebene Rassengruppe. Der schlanke, zierliche Körper mit schmalen, -hoch hinaufgezogenen Lenden und geräumiger Brust ruht auf hohen, -sehnigen Gliedmaßen und trägt einen fein gebauten Kopf mit lang -vorgezogener Schnauze, indem der Gesichtsschädel stark verlängert, -dabei schmal und hoch ist, so daß die Lückenzähne auseinandergerückt -sind. Die aufrecht gestellten Ohren sind an der Spitze gewöhnlich -umgebogen. Der lange, dünne Schwanz wird hängend getragen und ist -bisweilen am Ende nach oben gekrümmt. Die Behaarung ist in der Regel -sehr kurz und dicht anliegend. Nur in den mehr nach dem kalten Norden -gelegenen Wohngebieten entwickelt sich als Wärmeschutz ein längeres -Grannenhaar.</p> - -<p>Diese kurze Behaarung, die in unserem kühlen Klima leicht Veranlassung -zum Frieren gibt, deutet auf die Herkunft der Windhunde aus dem Süden, -und zwar weist das unruhige, ungemein bewegliche Wesen und das leichte -Orientierungsvermögen, das ihnen eigentümlich<span class="pagenum"><a id="Seite_25"></a>[S. 25]</span> ist, wie auch der -schlanke Bau mit der stark entwickelten Brust mit geräumigen Lungen auf -die tropische Steppe als ursprünglichem Wohngebiet dieser Tiere. Dort -sind ja auch die ähnlich gebauten Antilopen zu Hause.</p> - -<div class="figcenter illowe28_125" id="bild2" > - <img class="w100" src="images/bild2.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 2. Darstellungen verschiedener Hunderassen auf - altägyptischen Denkmälern.<br /> - (Nach den Wandmalereien zusammengestellt von Wilkinson.)</div> - - <div class="caption">2 u. 6 Jagdhunde mit Hängeohren als Beweis einer weitgehenden -Einwirkung der Domestikation, 3 Weibchen einer dachshundartigen Rasse, -1, 4, 5 u. 7 Windhunde.</div> - -</div> - -<p>In Europa erscheinen die dieser Rasse angehörenden zahmen Hunde spät. -Noch zur Bronzezeit fehlten sie hier gänzlich. Auch in Asien vermissen -wir sie in den ältesten für uns nachweisbaren Kulturperioden, so auch -in der altbabylonischen Zeit. Im alten Ägypten dagegen finden wir schon -zur Zeit der 4. Dynastie (2930–2750 v. Chr.) neben dem<span class="pagenum"><a id="Seite_26"></a>[S. 26]</span> auch hier die -ursprünglich verbreitete Hunderasse darstellenden Torfhund, dem Spitz -von Schakalabstammung, einen hochbeinigen, glatthaarigen, stehohrigen -Windhund auf den alten Grabdenkmälern abgebildet. Die aufrechtstehenden -Ohren weisen darauf hin, daß die Domestikation noch nicht allzusehr auf -ihn eingewirkt hatte. Zuerst vermutete der Pariser Zoologe Geoffroy St. -Hilaire und nach ihm der Züricher Konrad Keller, daß der langbeinige, -spitzschnauzige <em class="gesperrt">abessinische Wolf</em> (<span class="antiqua">Canis simensis</span>) der -Stammvater des altägyptischen Windhundes sei. Er sei schon zu Ende -des 4. vorchristlichen Jahrtausends irgendwo in Nubien gezähmt und -zum Haustier erhoben worden. Dem entgegen machen die meisten Autoren -geltend, daß die Windhunde, die uns allerdings in Ägypten zuerst -entgegentreten, nicht einheitlichen Stammes sein können, daß die -größeren und kleineren Formen verschiedenen Ursprungs seien. Letztere -stammen zweifellos aus dem Niltal; doch meint neuerdings M. Hilzheimer, -daß nicht der abessinische Wolf, sondern eine auffallend schlanke -Schakalart, <span class="antiqua">Canis lupaster</span>, der Ausgangspunkt dieser Rasse sei. -Dieser Schakal sei dem schakalköpfig dargestellten altägyptischen Gotte -Anubis, dem Geleiter und Schützer der Toten, heilig gewesen, und man -habe in Assiut Schädel bei Hundemumien gefunden, die denjenigen dieses -schlanken Schakals außerordentlich ähneln. Diese aus Nubien stammenden -kleineren Windhunde der Ägypter werden auf den Grabdenkmälern mit -dünnem, teilweise geringeltem Schwanze abgebildet. Sie wurden dann -durch die Phönikier nach Syrien gebracht und gelangten von da wohl -über Kleinasien zu den Griechen, dann auch nach Mittelitalien zu den -Etruskern und später durch die Römer in die Länder nördlich der Alpen.</p> - -<p>Die größeren Windhunde dagegen führt M. Hilzheimer auf einen -im Nordwesten des Schwarzen Meeres heimischen hochgestellten -<em class="gesperrt">Steppenwolf</em> zurück, der vom Menschen gezähmt und zu seinem -Jagdgehilfen erhoben wurde. Noch heute ist er als solcher für die Jagd -in der Steppe unentbehrlich. Auf diesen Wolf sei der als <em class="gesperrt">Barsoi</em> -bezeichnete langhaarige russische Windhund, wie auch die gleichfalls -für die Jagd benutzten großen Windhunde, der persische <em class="gesperrt">Tasi</em> und -der durch ganz Nordafrika verbreitete <em class="gesperrt">Slughi</em>, zurückzuführen. -Der westlichste Vertreter derselben ist der englische <em class="gesperrt">Greyhound</em>, -der in ganz ähnlicher Gestalt schon auf etruskischen Grabdenkmälern -erscheint. Also muß diese Windhundart schon frühe aus Westasien nach -Südeuropa gelangt sein.</p> - -<p>Der älteste stehohrige Windhund Altägyptens ist aus ganz Nord<span class="pagenum"><a id="Seite_27"></a>[S. 27]</span>afrika -verschwunden. Nach Keller hat er sich nur noch auf den Balearen östlich -von Spanien im <em class="gesperrt">Ibizahund</em> erhalten, so genannt, weil er nach den -Kennern von der Insel Ibiza stammt, wohin er wohl von Nordafrika her -durch die Karthager gebracht wurde. Auf die Frage, weshalb sich der -Pharaonenwindhund ganz abseits vom Niltal auf den spanischen Inseln -des Mittelmeeres bis heute erhalten konnte, während er sonst überall -verschwand, antwortet Keller: „Es ist das Kaninchen, das uns diesen -alten Windhund gerettet hat. Die Balearen waren schon im Altertum ihres -Kaninchenreichtums wegen berühmt. Die dort angesiedelten römischen -Kolonisten wandten sich, wie Plinius berichtet, an ihr Mutterland, -damit dieses Soldaten schicke, um die Kaninchenplage zu beseitigen. -Aber viel wirksamer erwiesen sich die von den Pityusen eingeführten -Ibizahunde, die dem schädlichen Nager mit großem Geschick zu Leibe -gehen. Dieser ausgesprochene Jagdinstinkt hat sich vererbt, und wir -erfahren ja durch das bekannte Gemälde, das Prisse d’Avennes unter -dem Titel ‚Rückkehr von der Jagd‘ aus der Nekropole von Theben -veröffentlicht hat, daß die altägyptischen Windhunde zur Jagd auf Hasen -verwendet wurden.“</p> - -<p>Derselbe Autor hat, wie 1906 den Ibizahund auf den Balearen, so später -auf der Insel Mallorka auch einen stehohrigen dachsartigen Hund, wie er -im alten Ägypten gezüchtet wurde, gefunden. Diesen führt er, wie alle -<em class="gesperrt">Dachshunde</em> überhaupt, auf den altägyptischen Windhund zurück, -der durch vererbte Rachitis die ihm eigentümlichen kurzen, gekrümmten -Beine erhielt. Nun sind allerdings schon im 3. vorchristlichen -Jahrtausend niedrige, langgestreckte, stehohrige Hunde unter dem Namen -<span class="antiqua">trqu</span>, was etwa Feuriger, Heißer bedeutet, zur Jagd gebraucht -worden. Doch ist es durchaus nicht sicher, wie Keller annimmt, daß -unser deutscher <em class="gesperrt">Teckel</em> auf diesen zurückgeführt werden darf. -Leider ist die Geschichte dieses letzteren durchaus noch im dunkeln. -Heute haben die Dachshunde, die den feinen Spürsinn der Jagdhunde -besitzen, daneben sehr intelligent und bei der Jagd äußerst ausdauernd -sind, als Zeichen einer uralten Kultur typische Hängeohren.</p> - -<p>Weit besser geklärt als die Geschichte der Wind- und Dachshunde ist -diejenige der <em class="gesperrt">Doggen</em>. Kann man erstere ihrem geistigen Wesen -nach als Sanguiniker bezeichnen, so sind letztere mehr die Choleriker -unter den Hunden. Ihr vehementer Angriff ist zu fürchten und zeugt von -bissigem Wesen, das dem Feinde gefährlich wird; aber dem eigenen Herrn -gegenüber sind sie fügsam und treu. Auch im Körperbau sind sie in ihrer -massigen Erscheinung das reine Gegenstück zu den zier<span class="pagenum"><a id="Seite_28"></a>[S. 28]</span>lichen, schlanken -Windhunden. Ihre gedrungene Gestalt mit ungemein kräftiger Muskulatur -trägt einen schwergebauten Schädel mit relativ langem Gehirn- und -kurzem, breitem Schnauzenteil. Am Kopf erscheinen die Ohren hoch -angesetzt und am verkürzten Gesichtsteil legt sich die Haut gern in -Falten, welche in den Lippen schlaff herabhängen. Auch die Augenlider -sind vielfach schlaff und kehren unten die rote, nackte Bindehaut -heraus, was dem Gesicht einen eigentümlichen Ausdruck verleiht. An den -kurzen Hals schließt sich eine breite Brust an, die Weichen sind wenig -hoch aufgezogen, die Beine mittelhoch und mit kräftiger Muskulatur -versehen. Ursprünglich war die Körperbehaarung lang, fast zottig, als -Beweis, daß diese Hunderasse von einer in einem kalten Klima lebenden -Wolfsart abstammt. Auch der Schwanz war buschig. Doch sind später aus -diesen langhaarigen auch kurzhaarige Doggen entstanden, deren Schwanz -auch nur kurz behaart ist.</p> - -<p>Im vorgeschichtlichen Europa und im alten Ägypten fehlen diese -gewaltigen Hunde vollständig, dagegen treffen wir sie schon in -kurzhaarigen Formen in Vorderasien bei den alten Assyriern in der -ersten Hälfte des letzten Jahrtausends v. Chr. an. Und zwar scheinen -die Assyrier diese Hunde aus Indien erhalten zu haben, das sie -seinerseits aus dem Hochlande von Tibet bezog. Nach Prof. Konrad -Keller ist zweiffellos der auffallend große, schwarze <em class="gesperrt">Tibetwolf</em> -(<span class="antiqua">Canis niger</span>) der Stammvater dieser mächtigen, ebenfalls -zottig schwarz behaarten Hunde, die im warmen Indien und Vorderasien -ihre lange Behaarung bald verloren und kurzhaarig wurden. Der große, -schwarze Wolf — den Sclater 1874 zuerst als reichlich 1 <span class="antiqua">m</span> -langen Wildhund beschrieb —, der im durchschnittlich Mont Blanc-Höhe -aufweisenden Hochlande von Tibet neben dem gemeinen grauen Wolfe -vorkommt, ist in den kräftig bemuskelten Beinen auffallend tief -gestellt, hat an Hals und Brust eine auffallend lange Behaarung von -schwarzer Farbe, alles Merkmale die auch die Tibetdoggen aufweisen, -nur daß diese neben dem schwarzen Haarkleid häufig einen weißen -Bruststern und weiße Pfoten aufweisen. Von den Abkömmlingen dieser -Hunderassen waren nach den vorliegenden literarischen Quellen auch die -altassyrischen Doggen und die von diesen abzuleitenden Molosserhunde -der Griechen und später der Römer vorwiegend schwarz, teils einfarbig, -teils auch mit weißen Flecken. Die späteren davon abweichenden -Färbungen sind offenbar erst sekundär erworben worden.</p> - -<p>Die großen Tibetdoggen sind heute noch in Europa wenig bekannt. -Die ältesten Angaben über dieselben findet man in der chinesischen -Lite<span class="pagenum"><a id="Seite_29"></a>[S. 29]</span>ratur, nämlich im Schu-king, demzufolge 1121 v. Chr. ein -Tibethund, der auf die Menschenjagd dressiert war, als Geschenk an den -Kaiser von China gelangte. Heute bringen tibetische Händler solche -häufig nach dem chinesischen Reich. Nach Europa gelangte die erste -Kunde von diesen gewaltigen Tibethunden zu Ende des 13. Jahrhunderts -durch den Venezianer Marco Polo, der erzählte, daß er die Größe -eines Esels erreiche und zur Jagd auf wilde Ochsen (Yaks) verwendet -werde. Fünf Jahrhunderte hindurch hörte man nichts mehr von ihm, bis -der Engländer Samuel Turner um 1800 auf einer Gesandschaftsreise im -Auftrage der Ostindischen Kompanie nach Tibet diese starken Hunde von -70–80 <span class="antiqua">cm</span> Schulterhöhe antraf, die er als bösartig bezeichnet. -Nach ihm gab Bryan Hodgson eine genauere Beschreibung von ihnen. Er -bezeichnet die Hunde von Tibets Hauptstadt Lhassa als die schönsten; -sie seien von schwarzer Farbe mit braunen Beinen. Nach Hooker wird -diese Dogge bei den Karawanen der Tibeter vielfach zum Lasttragen -benützt. Diese Rasse, die nur vereinzelt über Tibet hinausgeht und -z. B. in den Vorbergen des Himalajas vereinzelt angetroffen wird, steht -schon durch die ziemlich wenig verkürzte Schnauze der Stammform am -nächsten.</p> - -<p>Die Geschichte der Doggen ist kurz folgende: Der Bildungsherd, in -welchem durch Zähmung des großen, schwarzen Tibetwolfes die ältesten -Doggen hervorgingen, ist Tibet. Von hier drangen diese durch ihre -Stärke geschätzten Nutztiere nach Nepal und Indien, vereinzelt auch -nach China vor. Von Indien aus gelangten sie frühe nach Persien und -von da bereits in einer kurzhaarigen Form in der ersten Hälfte des -letzten vorchristlichen Jahrtausends nach Assyrien und Babylonien, -wo wir sie mehrfach als Jagdhunde, teils an einem Riemen geführt, -teils frei dahinstürmend, abgebildet finden. So finden wir eine -höchst charakteristische Darstellung der assyrischen Dogge auf einer -Topfscherbe aus Birs Nimrud. Noch viel wahrheitsgetreuer sind die auch -künstlerisch viel höher stehenden Basreliefs von dem aus dem Jahre -668 v. Chr. stammenden Palast Asurbanipals in Kujundschik, die nun -ebenfalls im Britischen Museum sind. Auf der einen Darstellung sehen -wir den Auszug zur Jagd. Einige Jäger schreiten mit den Fangnetzen -voran; ihnen folgen andere, eine kampfbegierig vorwärtsstürmende -Dogge an der Leine führend. Auf der andern erblicken wir, wie vier -bissige Doggen mit kräftigen Halsbändern ein Wildpferd anfallen und es -niederzureißen versuchen.</p> - -<p>Später erwähnt Herodot um die Mitte des 5. vorchristlichen -Jahr<span class="pagenum"><a id="Seite_30"></a>[S. 30]</span>hunderts, ein Satrap von Babylon habe die Einkünfte von vier -Städten auf den Unterhalt solcher Hunde verwendet, was auf eine größere -Zahl derselben schließen läßt. Zu seiner Zeit gab es ähnlich große -Hunde auch in Epirus, wohin sie nach Keller aus den Euphratländern -durch den Zug des Xerxes gekommen sein sollen. Nachschübe dieser -Doggen erfolgten durch den Eroberungszug Alexanders des Großen nach -Indien, indem dieser makedonische König ihm vom Könige Porus und -andern indischen Fürsten geschenkte gewaltige Hunde nach seiner Heimat -Makedonien sandte. Über die Leistungsfähigkeit dieser indischen -Hunde, die nur Tibeter gewesen sein können, erzählt der römische -Geschichtschreiber Curtius Rufus auf griechische Quellen gestützt -folgendes: Nach Überschreitung des Hydaspes und nach Besiegung -des Porus kam Alexander ins Gebiet des Königs Sopites. „In diesem -Lande gibt es sehr vortreffliche Jagdhunde, die, wie man sagt, beim -Anblick eines Wildes sogleich zu bellen aufhören und besonders für -die Löwenhatz sehr gut sind. Um Alexander davon zum Augenzeugen zu -machen, ließ Sopites einen außerordentlich großen Löwen bringen und -ihn bloß von vier Hunden hetzen, die sogleich den Löwen anpackten. Ein -Hatzknecht nahm hierauf einen dieser Hunde, die am Löwen hingen, bei -einem Bein und suchte ihn loszureißen. Als er nicht loslassen wollte, -hieb er ihm dieses ab. Da er aber auch dies nicht beachtete, hieb er -ihm ein zweites Bein ab, und, weil er noch immer den Löwen festhielt, -schnitt er ihm ein Glied nach dem andern vom Rumpfe, und trotzdem hielt -der Hund, obschon inzwischen tot, noch den Löwen mit den Zähnen fest. -So hitzig sind diese Tiere von Natur auf die Jagd!“</p> - -<p>Etwas abweichend von diesem Berichte erzählt der griechische -Geschichtschreiber Diodorus Siculus zur Zeit Cäsars und Augustus: „Der -indische König Sopites kam aus seiner Residenz dem Alexander entgegen, -bewirtete dessen Soldaten einige Tage hindurch aufs glänzendste und -schenkte ihm außer vielen andern wertvollen Dingen 150 Hunde von -außerordentlicher Größe und Stärke. Um nun eine Probe von ihren -Heldentaten zu geben, ließ er vor Alexander einen großen Löwen in -ein Gehege bringen, und ließ dann auch zwei der schwächlichsten der -geschenkten Hunde hinein. Diesen war der Löwe überlegen. Jetzt wurden -noch zwei andere Hunde hineingelassen, und bald hatten die vier Hunde -den Löwen so gepackt, daß sie ihn überwältigten. Darauf schickte -Sopites einen Mann ins Gehege, der ein großes Messer trug, um einem der -Hunde das rechte Bein abzuschneiden. Als Alexander das sah, schrie er -voll Entsetzen auf, und Leute seiner<span class="pagenum"><a id="Seite_31"></a>[S. 31]</span> Leibwache eilten hin, dem Inder -Einhalt zu gebieten. Sopites aber versprach dem Alexander, er wolle ihm -drei andere Hunde für den einen geben; und so schnitt denn der Inder -dem Hunde ganz langsam das Bein ab, ohne daß dieser sich muckste. Er -hielt im Gegenteil den Löwen mit seinen Zähnen so lange fest, bis er -sich verblutet hatte und starb.“ Nebenbei bemerkt kommt es auch heute -nicht selten bei Sauhatzen vor, daß sich Hunde so fest in das Beutetier -verbeißen, daß sie von selbst nicht wieder loskommen können. Für diesen -Fall muß der Hatzmeister dem Hunde einen stets bei sich geführten -fußlangen Holzknebel von der Seite in den Mund schieben, indem er -diesen behutsam öffnet.</p> - -<p>Einen weiteren Bericht über die außerordentliche Leistungsfähigkeit -dieser indischen Doggen hat uns der ältere Plinius in seiner -Naturgeschichte überliefert. Er schreibt nämlich: „Als Alexander (der -Große) nach Indien zog, hatte ihm der König von Albanien einen Hund -von ungeheurer Größe geschenkt. Das gewaltige Tier gefiel ihm, und er -ließ erst Bären, dann Eber und endlich Antilopen zu ihm; aber der Hund -blieb ruhig liegen und blickte sie mit Verachtung an. Erbittert über -dessen Faulheit ließ ihn der Eroberer töten. Dies erfuhr der König von -Albanien und sandte ihm einen anderen, mit der Aufforderung, ihn nicht -an schwachen Tieren, sondern an Löwen und Elefanten zu versuchen; er -habe nur zwei solcher Hunde gehabt und dieses sei der letzte. Ohne -sich lange zu besinnen, ließ Alexander einen Löwen los; diesen machte -der Hund augenblicklich nieder. Darauf befahl er, einen Elefanten -vorzuführen, und nie sah er ein Schauspiel mit größerem Vergnügen -an als das, das sich ihm jetzt darbot: Der Hund sträubte alle seine -Haare, bellte furchtbar donnernd, erhob sich, sprang bald links, bald -rechts gegen den Feind, bedrängte ihn und wich wieder zurück, benutzte -jede Blöße, die er sich gab, sicherte sich selbst vor dessen Stößen -und brachte es so weit, daß der Elefant vom immerwährenden Umdrehen -schwindelig niederstürzte, so daß bei seinem Falle die Erde erdröhnte.“ -Jedenfalls waren diese indischen Hunde von einer den Griechen bis dahin -für unmöglich gehaltenen Tapferkeit und Stärke.</p> - -<p>In Griechenland erfreuten sich die großen epirotischen Hunde neben -den lakonischen von ägyptischer Windhundabstammung, die zur Jagd -dienten, und den vom westasiatischen Schakal stammenden Spitzhunden, -die als getreue Wächter des Hauses gehalten wurden, in der klassischen -Zeit der größten Wertschätzung. Der 389 v. Chr. verstorbene attische -Dichter Aristophanes berichtet, daß die starken epirotischen Hunde von<span class="pagenum"><a id="Seite_32"></a>[S. 32]</span> -fürsorglichen Ehemännern zur Hut der Frauengemächer benutzt wurden. Wie -grimmig diese dreingeschaut haben müssen, beweist die Tatsache, daß der -finsterblickende Höllenhund Kerberos von den Dichtern zum Stammvater -der epirotischen Zuchten erklärt wurde.</p> - -<p>Von den Griechen erhielten dann die Römer die hochgeschätzte -epirotische Dogge, die sie <em class="gesperrt">Molosser</em> (<span class="antiqua">canis molossus</span>) -nannten. Eine eingehende Beschreibung des Tieres gibt der römische -Ackerbauschriftsteller Columella um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. -Chr., und hebt den mächtigen Kopf des Tieres hervor. Diesen gewaltigen -Hund, den sie mit Vorliebe bei den blutigen Tierhetzen im Amphitheater -verwendeten und mit dem sie gewiß bei den Helvetiern und Germanen -Aufsehen erregten, brachten die Römer zu Beginn der christlichen -Zeitrechnung auch in ihre Kolonien nördlich der Alpen. So fand man vor -einem Jahrzehnt im römischen Standlager von Vindonissa (dem heutigen -Windisch am Zusammenfluß von Aare und Reuß) auf mehreren offenbar an -Ort und Stelle hergestellten Tonlämpchen ein vollständiges Hundebild, -das gut auf den antiken Molosser paßt. Es stellt einen sehr kräftig -gebauten, hängeohrigen Hund dar, dessen Kopf eine dicke Schnauze -aufweist. Der Körper erscheint langhaarig und der starkbehaarte Schwanz -erinnert lebhaft an denjenigen unserer Bernhardinerhunde. Bemerkenswert -und ebenfalls für den Doggencharakter sprechend ist der Umstand, daß an -der Hinterpfote eine deutliche Wolfsklaue gezeichnet ist. Später kam -eben dort auch ein wohlerhaltener Molosserschädel zum Vorschein, der -nun in der Landwirtschaftlichen Sammlung in Zürich aufbewahrt wird.</p> - -<div class="figcenter illowe25 break-before" id="tafel3a" > - -<p class="captop">Tafel 3.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel3a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">„Vor dem Hunde wird gewarnt.“<br /> - Mosaik aus einem Hausflur in Pompeji.</div> - -</div> - -<div class="figcenter illowe25" id="tafel3b" > - <img class="w100" src="images/tafel3b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Tonlampe mit Molosserhund aus Vindonissa.<br /> - (Nach Keller, Die Abstammung der ältesten Haustiere.)</div> - -</div> - -<div class="figcenter illowe30_3125 break-before" id="tafel4" > - -<p class="captop">Tafel 4.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel4.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Jäger des Assyrerkönigs Assurbanipal (668–626 v. Chr.) mit - Jagdhunden und Fangnetzen.<br /> - (Nach einer Photographie von Mansell & Cie. in London.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel4_gross.jpg" id="tafel4_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe27_6875 break-before" id="tafel5" > - -<p class="captop">Tafel 5.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel5.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Darstellung eines altägyptischen Hundes der Windhundrasse.<br /> - Im Museum des Louvre.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel5_gross.jpg" id="tafel5_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> - -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel6a" > - -<p class="captop">Tafel 6.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel6a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Altägyptische Windhunde.<br /> - Aus dem Ti-Grab in Sakkarah. 5. Dynastie, 2750–2625 v. Chr.<br /> - (Nach Konrad Keller.)</div> - -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel6b" > - <img class="w100" src="images/tafel6b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Die Hündin von Gabii. Römische Marmorfigur im Louvre zu - Paris.</div> - -</div> - -<p>Daß nun bei dem wiederholten Import einzelne Exemplare des Molossers -in verschiedene entlegene Alpentäler Helvetiens gelangten und hier -vor Kreuzung mit anderen Rassen und damit vor Vernichtung bewahrt -blieben, ist weiter nicht wunderbar. Ebenso begreiflich ist es, daß sie -hier vortrefflich gediehen. Boten doch die Alpenländer Verhältnisse, -die klimatisch denen ihrer Urheimat in Tibet sehr ähnlich sind. So -wurde in den abgeschiedenen Hochtälern der Alpen die alte Rasse -weitergezüchtet und lieferte die in den Alpen und Voralpen gehaltenen -<em class="gesperrt">Sennenhunde</em> von ziemlich primitivem Charakter. Durch sorgfältige -Reinzucht aber ging aus diesem Material der nach dem Hospiz des -großen St. Bernhard benannte edle <em class="gesperrt">Bernhardinerhund</em> hervor, -der seiner vortrefflichen Eigenschaften wegen unter allen Doggen am -höchsten geschätzt wird. Dort, auf dem Simplon- und Gotthardhospiz, -auf der Grimsel usw., wurde der durch guten Spürsinn ausgezeichnete -Hund,<span class="pagenum"><a id="Seite_33"></a>[S. 33]</span> dessen Gutmütigkeit und Treue fast sprichwörtlich geworden -ist, zum Aufsuchen verirrter Wanderer benutzt. Der berühmteste aller -Hospizhunde war Barry vom Hospiz auf dem Großen St. Bernhard, der im -ganzen 44 Personen das Leben gerettet hat und nunmehr ausgestopft im -Naturhistorischen Museum zu Bern zu sehen ist.</p> - -<p>Gegenüber dem von den Römern in das Alpenland importierten Molosser -ist der Schädel wie der ganze Körper des Bernhardinerhundes größer, -was wohl als Folge der besseren Haltung und Pflege durch den Menschen, -unterstützt von dem ihm sehr zusagenden Hochgebirgsklima, erklärt -werden kann. Von diesem prächtigen Hunde sind aus den früheren -Jahrhunderten in der Schweiz keine schriftlichen Mitteilungen auf uns -gekommen, weil er offenbar dort so bekannt war, daß man ihn nicht zu -erwähnen brauchte; nur als Helmzier und als Wappen schweizerischer -Edelleute tritt uns sein prächtiger Kopf entgegen. Im schweizerischen -Landesmuseum in Zürich befindet sich eine Wappenrolle aus dem 14. -Jahrhundert mit zahlreichen Bernhardinern, die uns den Beweis liefern, -daß die schönen Hunde besonders beim Adel gehalten wurden. Noch -heute lassen sich manche seiner Zuchten von den Hunden der Grafen de -Rougemont, de Pourtalès, von Graffenried, von Judd usw. ableiten. -Später kamen sie dann im schweizerischen Tiefland in Vergessenheit, -wurden aber nicht nur auf dem Hospiz des Großen St. Bernhard in von den -Mönchen für ihre menschenfreundlichen Zwecke geschenkten und rasserein -gehaltenen Exemplaren, sondern auch auf anderen Alpenpässen und in -vielen Alpentälern gezüchtet.</p> - -<p>Die ersten, die in der Neuzeit die Bedeutung dieses Hundes erkannten, -waren die Engländer. Sie lernten ihn, wie wir zuerst aus dem Jahre -1778 erfahren, auf dem Hospiz des St. Bernhard kennen und exportierten -ihn schon in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts nach England. -Hier tauften sie ihn <span class="antiqua">holy breed</span>, d. h. heilige Zucht. Da ihn -ein allerdings verdienter Nimbus umgab, wurde aus verständlichen -Gründen der von einem Heiligenschein umschwebte Name Bernhardiner -der am schärfsten ausgeprägten und berühmtesten Familie der gesamten -Rasse beigelegt. Im Jahre 1863 wurde zum erstenmal in England ein -Bernhardiner prämiiert. Offenbar wurde er zunächst in der Absicht, die -einheimischen Mastiffs zu verbessern, nach England eingeführt. Später -wurde er auch direkt gezüchtet, so daß er dort heute einen besonderen, -von dem schweizerischen abweichenden Rassentypus darstellt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_34"></a>[S. 34]</span></p> - -<p>Durch die Erfolge der Engländer, dann auch Franzosen und Deutschen -aufmerksam geworden, begannen einige Schweizer Züchter, an ihrer -Spitze Schuhmacher in Holligen bei Bern, in letzter Stunde bestes -Zuchtmaterial vor der Auswanderung nach dem Auslande zu retten und -treffliche einheimische Rassen hochzuzüchten, die die früheren weit -übertreffen. Und zwar wird eine kurz- und langhaarige Bernhardinerrasse -gezüchtet, deren getrennter Bestand sich bis zum Anfang des vorigen -Jahrhunderts zurückverfolgen läßt. In der Ebene wird dem langhaarigen -Typus der Vorzug gegeben, während die Hospizmönche den kurzhaarigen -ziehen, dessen Behaarung sehr dicht ist. Der letztere besitzt bei -einer Schulterhöhe von 70 <span class="antiqua">cm</span> beim Rüden und von 65 <span class="antiqua">cm</span> -bei der Hündin einen in richtigem Verhältnis zum kräftigen Körper -stehenden Kopf mit verhältnismäßig schwachem Gebiß. Der Hals wird steil -getragen, ist im übrigen kurz und breit, der Rücken gerade, der Bauch -weit aufgezogen. Die weiblichen Tiere sind feiner als die männlichen -gebaut. Bei den langhaarigen Bernhardinern ist der Körper gestreckter, -die Brust etwas tiefer, der Schwanz lang und etwas buschig behaart. Die -Behaarung ist schlicht oder leicht gewellt und stimmt in der Färbung -(weiß mit rotgelb) mit dem vorigen Typus überein. Gekräuseltes oder -stark gelocktes Haar gilt als fehlerhaft. Erst in neuerer Zeit sind die -großen Formen des Bernhardiners gezüchtet worden.</p> - -<p>In bezug auf äußere Erscheinung schließen sich auch die -<em class="gesperrt">Neufundländer</em> eng an die Tibethunde an. Sie erreichen eine -Schulterhöhe von 63–69 <span class="antiqua">cm</span>, sind kräftig gebaut, mit breitem, -langem Kopfe, etwas verdickter Schnauze, ziemlich hohen, starken Beinen -und sehr dichter Behaarung von äußerst feinen, weichen, tiefschwarz -bis rotbraun gefärbten Haaren. Die Behaarung des Kopfes ist kurz, am -übrigen Körper, auch am Schwanz buschig. Die Zehen der breiten Pfoten -sind durch Bindehäute verbunden, so daß das Tier gewandt und ausdauernd -zu schwimmen vermag. Es schwimmt leidenschaftlich gern und mit der -größten Leichtigkeit, taucht wie ein Wassertier und kann stundenlang im -Wasser aushalten. Schon oft wurden durch den Neufundländer Menschen vor -dem Tode durch Ertrinken gerettet. Mit größter Treue und Anhänglichkeit -verbindet er bedeutenden Verstand und außerordentliche Gelehrigkeit, -ist sehr gutmütig, sanft und dankbar für empfangene Wohltaten. Die -Stammrasse ist in England gezüchtet worden und scheint mit der Insel -Neufundland, die ihr den Namen gab, gar nichts zu tun zu haben. So -wenig wie im Jahre<span class="pagenum"><a id="Seite_35"></a>[S. 35]</span> 1622, als die Engländer nach jener Insel gelangten, -ist später dieser Hundetypus dort einheimisch gewesen. Wie er aber -in England gezüchtet wurde, das konnte bis jetzt nicht in Erfahrung -gebracht werden.</p> - -<p>Schlanker gebaut, mit höheren Beinen und weniger plumpem Kopf als die -echten Doggen sind die <em class="gesperrt">deutschen</em> und <em class="gesperrt">dänischen Doggen</em>, -die vermutlich Kreuzungsprodukte von großen Windhunden mit echten -Doggen darstellen; denn in Gestalt und Eigenschaften halten sie die -Mitte zwischen beiden inne. Namentlich die deutschen Doggen bieten -in edlen Vertretern eine wahrhaft wunderbare Vereinigung an sich -widerstreitender Eigenschaften dar, nämlich Größe und Flüchtigkeit mit -Kraft und Eleganz. Wie schon der selbstverständlich vom englischen -<span class="antiqua">dog</span> sich ableitende deutsche Name Dogge beweist, so führt auch die -Geschichte der deutschen Dogge wie diejenige der edlen Jagdhunde auf -die „englischen Hunde“ zurück, die seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts -von den jagdliebenden deutschen Fürsten und Adligen besonders für -die Sauhatz von England importiert wurden. Im 17. Jahrhundert wurden -sie auch in Deutschland gezüchtet, hießen aber noch zu Beginn des -vorigen Jahrhunderts bei uns „englische Hunde“ zum Unterschied von den -leichteren, spitzschnauzigen „Rüden“ einheimischen Schlages, die, unter -die Bevölkerung verteilt, von dieser auf höheren Befehl unterhalten und -während der Jagdzeit den Herren zur Verfügung gestellt werden mußten. -Zu großen Meuten vereinigt, hatten diese ungefügigen, bissigen Köter -die Wildschweine rege zu machen und zu treiben, während die größeren -und schwereren englischen Hunde, die Doggen, durch gepolsterte, mit -Fischbein gesteifte „Jacken“ geschützt, bei den Herrenjägern blieben -und, auf ein bestimmtes Stück losgelassen, dieses an den Ohren fingen -und festhielten, bis es mit der „Saufeder“ gestochen und so getötet -war. Dafür waren sie auch die Lieblinge ihrer hohen Herren, mit denen -besonders auserwählte Exemplare der Gattung als „Leib- und Kammerhunde“ -immer zusammen sein und sogar das Schlafgemach teilen durften. Als -sie dann später durch Umgestaltung der Jagd bei dieser überflüssig -wurden, wandte sich die Liebhaberei ihnen zu und züchtete aus ihnen -herrliche Tiere, die mit Recht den Stolz ihres Besitzers darstellen. -Die lichtgelbe Färbung mancher deutscher Doggen ist jedenfalls auf den -Einfluß des Windhundblutes zurückzuführen.</p> - -<p>Den Übergang zu ausgesprochen schweren und breitköpfigen Doggenformen -bildet die echte <em class="gesperrt">dänische Dogge</em>, so genannt, weil sie seit etwa -50 Jahren mit einer gewissen Vorliebe in Dänemark gezüchtet wird,<span class="pagenum"><a id="Seite_36"></a>[S. 36]</span> -zumal in Gestalt des gelben, schwarz maskierten Broholmers. Auch dieser -ist von englischer Abstammung und wurde in seiner ursprünglichen Heimat -im englischen <em class="gesperrt">Mastiff</em> zu einem wahren Klotz von Hund gezüchtet, -der dank seiner Größe und Stärke einen geradezu unüberwindlichen -Schutzbegleiter darstellt. Solche Schutz- und Kampfhunde hat es ja -bereits im Altertum, wenn auch nicht in solchen gewaltigen Ausmaßen, -gegeben. Man denke nur an die Hunde der Zimbern und Teutonen, die mit -den Weibern die Wagenburg der Auswanderer aufs getreuste bewachten und -mit denen die Römer nach Besiegung der Männer in offener Schlacht noch -einen harten Strauß zu bestehen hatten.</p> - -<p>Ebenfalls Produkte englischer Zucht sind die dem Mastiff nahe stehenden -<em class="gesperrt">Bullenbeißer</em>, deren ausgezeichnetste Rassen heute noch in Irland -hervorgebracht werden. Zu ihrer Stärke und Entschlossenheit besitzen -sie einen geradezu unglaublichen Mut, so daß sie sich zu schwerer und -gefährlicher Jagd, wie auch zu Kämpfen mit wilden Tieren besonders -eignen. Ihre geistigen Fähigkeiten sind nicht so ausgezeichnet wie die -der übrigen gescheiten Hunde, keineswegs aber so tiefstehend, als man -gemeinhin glaubt; denn jeder Bullenbeißer gewöhnt sich leicht an den -Menschen und opfert ohne Bedenken sein Leben für ihn. Er eignet sich -vortrefflich zum Bewachen des Hauses und verteidigt das ihm Anvertraute -mit wirklich beispiellosem Mute. Als Reisebegleiter in gefährlichen, -einsamen Gegenden ist er gar nicht zu ersetzen. Man erzählt, daß -er seinen Herrn gegen fünf bis sechs Räuber mit dem besten Erfolge -verteidigte, und kennt Geschichten, in denen er als Sieger aus solchen -ungleichen Kämpfen hervorging, trotz unzähliger Wunden, welche er -dabei erhielt. Auch als Wächter bei Rinderherden wird er verwendet und -versteht es, selbst den wildesten Stier zu bändigen, indem er sich -alsbald in die Oberlippe seines großen Gegners einbeißt und so lange -dort fest hängt, bis der Riese sich der Übermacht des Hundes gefügt -hat. Auch zum Kampfe gegen große Raubtiere, wie Bären, Wölfe usw., läßt -er sich abrichten. Früher waren Tierhetzen sehr beliebt, indem solche -Hunde gegen gefangene Bären oder wilde Stiere in Bären- oder Hetzgärten -genannten geschlossenen Räumen gehetzt wurden und das Volk sich an -dem beispiellosen Mute dieser verhältnismäßig kleinen Hunde ergötzte. -In England spitzten sich diese öffentlichen, gegen Eintrittsgeld -zugänglichen Schaustellungen später so zu, daß gegen einen angeseilten -Stier nur ein einziger, kleiner Hund losgelassen wurde, der ihn an der -Nase zu fassen hatte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_37"></a>[S. 37]</span></p> - -<p>Auf dem plumpen, kräftigen Körper des Bullenbeißers sitzt auf kurzem, -dickem Hals der dicke, runde, hinten sehr breite, zwischen den Augen -eingesenkte Kopf mit stumpfer, aufgeworfener Schnauze. Infolge der -starken Verkürzung des mittleren Teiles der Oberlippe und Nase -hat sich die Gesichtshaut in Falten gelegt und sind die vorderen -Zähne unbedeckt, während die Lippen seitlich davon überhängen und -von Geifer triefen. In den extremsten Fällen ist der Hund zu einer -wahren Karikatur gezüchtet worden, die in ihrer Vierschrötigkeit und -grinsenden Mine mehr Mitleid als Freude erweckt.</p> - -<p>Eine große Bullenbeißerrasse richtete man früher dazu ab, Menschen -einzufangen, niederzuwerfen und sogar umzubringen. Schon bei der -Eroberung Mexikos wandten die Spanier derartige Hunde als Mitkämpfer -und Aufspürer gegen die Indianer an. Unter ihnen war besonders -Beçerillo berühmt, dessen Kühnheit und Klugheit außerordentlich waren. -Er wurde unter allen seinen Genossen ausgezeichnet und erhielt doppelt -so viel Futter als die übrigen. Beim Angriff pflegte er sich in die -dichtesten Haufen der Indianer zu stürzen, diese beim Arme zu fassen -und sie so gefangen wegzuführen. Gehorchten sie, so tat ihnen der -Hund weiter nichts, weigerten sie sich aber, mit ihm zu gehen, so riß -er sie augenblicklich zu Boden und würgte sie. Indianer, welche sich -unterworfen hatten, wußte er genau von Feinden zu unterscheiden und -berührte sie nie. Noch im Jahre 1798 benutzte man solche „Bluthunde“ -zum Fangen von Menschen, und zwar waren es nicht Spanier, sondern -Engländer, welche mit ihnen die Menschenjagd betrieben.</p> - -<p>Die deutsche Bulldogge ist der <em class="gesperrt">Boxer</em>, der noch nicht zu solchem -Zerrbild wie <span class="antiqua">the old english bulldog</span> überzüchtet wurde. Auch -er hat eine breite Brust und einen muskulösen Körper, aber sein Kopf -ist nicht so extrem verkürzt, so daß er seine Kiefer vortrefflich -zum Beißen verwenden kann. Ungemein bissig und herrschsüchtig, -ordnet er sich seinem Herrn gegenüber unter und zeigt ihm Treue und -Anhänglichkeit; doch muß er diesen vollkommen kennen gelernt und -erfahren haben, daß dessen geistige Energie seine leibliche Kraft -unter allen Umständen unterjochen kann und sich unbedingten Gehorsam -zu erzwingen versteht. Was der Boxer einmal gefaßt hat, läßt er so -leicht nicht wieder los. Hat man ihn in einen Stock oder in ein Tuch -beißen lassen, so kann man ihn an diesem Gegenstande in die Höhe -heben, auf den Rücken werfen oder andere Dinge mit ihm vornehmen, ohne -daß er sein Gebiß öffnet. Es gibt von ihm auch Zwergformen, die<span class="pagenum"><a id="Seite_38"></a>[S. 38]</span> uns -zum <em class="gesperrt">Mopse</em> hinleiten. Dieser ist ein Bullenbeißer im kleinen, -mit ganz eigentümlich abgestumpfter Schnauze und schraubenförmig -gerolltem Schwanz. Auch zeigt er das mißtrauische, mürrische Wesen der -Bulldoggen, wurde aber dennoch früher gerne von alten Jungfern mit -großer Zärtlichkeit gehätschelt und als Schoßhund gehalten, wobei er -eine oft sprichwörtliche Fettleibigkeit entwickelte. Diese einst sehr -verbreitete Form ist jetzt fast ausgestorben; dagegen sind neuerdings -edlere Rassen dieses Luxushundes aufgekommen, die sich wiederum großer -Beliebtheit erfreuen, obschon auch sie launenhaft und im ganzen wenig -angenehme Gesellschafter des Menschen sind.</p> - -<p>Wie in den Alpen kommen auch in den Abruzzen, bei den Basken in den -Pyrenäen und bei den Albanesen in Nordgriechenland große Hunde vor, -die zweifellos in verwandtschaftlicher Beziehung zum alten Molosser -stehen, aber Kreuzungsprodukte mit anderen Hunden sind. Überhaupt sind -im Laufe der Jahrhunderte so viele Kreuzungen bei den Gebrauchshunden -vorgekommen, daß sich ihre Abstammung im einzelnen nie mehr feststellen -läßt.</p> - -<p>Neuerdings will Hilzheimer die Doggen von einem im mittleren Schweden -heimischen mächtigen, dickköpfigen und kurzköpfigen Wolf mit starkem -Stirnabsatz ableiten. Diese Annahme ist jedoch nicht genügend -begründet, um die ältere, viel wahrscheinlichere zu verdrängen. -Immerhin darf zugegeben werden, daß ein solcher starker nordischer -Wolf den Ausgangspunkt der von den eigentlichen Doggen zu trennenden -<em class="gesperrt">Hirtenhunde</em> bildet, denen im Gegensatz zu den Schäferhunden, -die die Herde hüten, nur die Bewachung der Herde gegen den Angriff -starker Raubtiere oder böswilliger Menschen obliegt. Sie zeichnen -sich gegenüber den Doggen durch kaum verkürzte Schnauze und geringen -Stirnabsatz aus. Sie sind langhaarig, weiß, grau oder braun gefärbt, -vielfach auch gescheckt, und kommen in verschiedenen Ländern Europas in -typischen Vertretern vor. Früher aber waren sie, solange es reißende -Tiere von den Herden abzuhalten gab, weit verbreiteter als heute, da -sie sich nur noch in zerstreuten Inseln vorfinden. Nach Hilzheimer -soll Blut von diesem nordischen Wolfe auch in den Pudel übergegangen -sein, dem früher besprochenen Abkömmlinge des Schäferhundes, der -wahrscheinlich auch Blut vom Laufhunde in sich aufgenommen hat.</p> - -<p>Wie in der Alten Welt so sind auch in der Neuen durch Zähmung -verschiedener Wildhunde Haushunde von den Indianern gewonnen worden, -soweit sie sich über die primitive Stufe der Sammler und<span class="pagenum"><a id="Seite_39"></a>[S. 39]</span> Jäger -erhoben hatten und zu einiger Ansässigkeit als Hackbauern gelangt -waren. So fanden die Europäer bei ihrer Ankunft bei verschiedenen -Volksstämmen zahme Hunde. Alle Indianersprachen an der Westküste von -Südamerika hatten eigene Bezeichnungen für den Hund, und der spanische -Geschichtschreiber Garcilasso de la Vega berichtet, daß in der ältesten -Zeit das Volk der Huanca, bevor es noch von den Inkas unterjocht wurde, -ein Hundebild anbetete und leidenschaftlich gerne Hundefleisch aß. Der -St. Galler J. J. von Tschudi fand als Beweis der Urexistenz des Hundes -in Peru in alten, vorkolumbischen Gräbern Skelette und Mumien von -Hunden, welche meist quer vor den Füßen der mitbestatteten sitzenden -Menschenkadaver lagen. Identisch mit diesen Mumienhunden ist der heute -noch in den Ansiedelungen des Gebirges der Anden bei den Hirten und in -den Indianerhütten verbreitete <em class="gesperrt">Inkahund</em>, der als ein bissiges, -einen besonderen Widerwillen gegen die Europäer zeigendes Tier von -ziemlich kleiner Gestalt mit rauhem Pelz von dunkelockergelber Farbe, -am Bauch und auf der Innenseite der Beine heller, geschildert wird. Der -zierliche Kopf ist scharf zugespitzt, die Ohren sind aufrecht, spitz -und klein, der Schwanz ist stark behaart und gerollt. Auf Grund der -Gräberfunde besonders von Ancon vermochte Alfred Nehring nachzuweisen, -daß schon bei den alten Inkas drei verschiedene Rassen des Inkahundes -gezüchtet wurden, die als Wacht-, Hirten- und Jagdhunde Verwendung -fanden, und daß der Stammvater dieser südamerikanischen Hundeart der -<em class="gesperrt">nordamerikanische Wolf</em> (<span class="antiqua">Canis occidentalis</span>) war. Es ist -also dieser Hund mit dem Volk von Norden her nach Süden eingewandert -und kam auch in den Tropen in den kühlen Höhenlagen recht gut fort. -Interessant ist, daß das recht hoch kultivierte Volk der alten Peruaner -bereits Rassenzucht trieb und aus dem ursprünglichen Wolfshunde, den -verschiedenen Zwecken, zu denen er verwendet wurde, entsprechend, eine -schäferhundartige, eine dachshundartig durch erblich gewordene Rachitis -verkümmerte und eine bulldoggähnliche mit verkürztem Oberkiefer -züchtete.</p> - -<p>Von demselben nordamerikanischen Wolfe stammt der ihm sehr ähnelnde -Hund der Indianer Nordamerikas ab. Diese verbessern ihre Zuchten von -Zeit zu Zeit durch Kreuzung mit Wölfen, wobei die Halbzuchtwölfe im -allgemeinen leicht zähmbar sind. Der eigentümliche Hasenindianerhund -mit kurzem Gesicht und kurzen Läufen ist dem <em class="gesperrt">Präriewolf</em> -(<span class="antiqua">Canis latrans</span>) nahe verwandt und wurde zweifellos durch Zähmung -aus diesem gewonnen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_40"></a>[S. 40]</span></p> - -<p>In Südamerika gibt es Hunde, die dem <em class="gesperrt">Maikong</em> (<span class="antiqua">Canis -cancrivorus</span>) gleichen und jedenfalls auch von ihm abstammen. Die -Kreuzung derselben mit der wilden Stammart kommt häufig vor.</p> - -<p>Auf den westindischen Inseln, in Mexiko und an den Küsten des -nördlichen Südamerika lebt ein kleiner, fuchsartiger Hund, dessen -schwärzlicher bis dunkelgrauer Körper fast haarlos ist. Es ist dies der -<em class="gesperrt">Karaibenhund</em>, den schon Kolumbus bei seiner Ankunft antraf und -der von den Altmexikanern Xoloitzcuintli genannt wurde. Sein Stammvater -ist eine kleine Schakalart der Antillen, die durch spezielle Zucht ihr -Haarkleid im warmen Klima mehr und mehr reduzierte. Wichtig sind den -Feuerländern ihre Hunde, da sie ihnen beim Fang der Seeotter helfen. -Darwin sagt daher von ihnen, „sie wollten in der Not lieber ihre alten -Weiber als ihre Hunde töten und essen“. Übrigens wußten auch diese -niedrig stehenden Wilden die Vorzüge der europäischen Hunde zu schätzen -und trachteten danach, sie mit den größten Opfern anzuschaffen.</p> - -<p>Mit dem Vordringen der Europäer nach der Neuen Welt gelangten -selbstverständlich auch die verschiedensten altweltlichen Hunde dahin -und fühlten sich dort sehr bald heimisch. Dabei mischten sie sich -vielfach mit den vorgefundenen zahmen Hunden und gaben zu den buntesten -Mischrassen Veranlassung. Solche unentwirrbare Kreuzungsprodukte -gibt es ja auch in der Alten Welt genug. Sie gehen immer wieder, -meist ungewollt, hervor und machen sich überall, oft unliebsam genug, -bemerkbar; doch wird von den Kennern stets das reine Blut diesen -Mischlingen vorgezogen werden.</p> - -<p>Schon bei den Schriftstellern des Altertums finden wir gelegentlich -Geschichten, die uns die hohe Wertschätzung des Hundes als Haustier und -Gefährten des Menschen beweisen, die auch zeigen, wie sich dieses Tier -oft für seinen Herrn opferte und ihm Treue über den Tod hinaus hielt. -So berichtet u. a. der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte: „Man -erzählt von einem Hunde, der für seinen Herrn gegen Räuber kämpfte -und, obgleich selbst schwer verwundet, dessen Leichnam doch nicht -verließ, sondern gegen Vögel und Raubtiere verteidigte. Einen König -der Garamanten holten 200 Hunde aus der Verbannung zurück und schlugen -dessen Widersacher in die Flucht. Die Kolophonier und Kastabalenser -hielten ganze Meuten von Hunden, die im Kriege die erste Schlachtreihe -bildeten und sich nie feig erwiesen; sie waren die treusten -Hilfstruppen und dienten ohne Sold. Als die Zimbern erschlagen waren, -verteidigten noch Hunde ihre auf Wagen stehenden<span class="pagenum"><a id="Seite_41"></a>[S. 41]</span> Zelte. Als der Lycier -Jason getötet war, wollte sein Hund nicht mehr fressen und hungerte -sich zu Tode. Ein Hund, den Duris (ein griechischer Schriftsteller -aus Samos zur Zeit des Ptolemäos II. Philadelphos, 285–247 vor -Chr.) Hyrkanus nennt, stürzte sich in die Flammen, als König Lysimachus -verbrannt wurde. Dasselbe tat der Hund des Königs Hiero. Bei uns wurde -Volcatius, ein Edelmann, der zu Pferd von seinem Landhaus zurückkehrte, -als er abends von einem Räuber angefallen wurde, durch seinen Hund -verteidigt; ebenso der Senator Coelius, als er zu Placentia (dem -heutigen Piacenza) krank lag und von Bewaffneten überfallen wurde. Erst -als der Hund erschlagen war, erhielt er eine Wunde. Über alles erhaben -ist aber folgender Zug, der zu unserer Zeit in den Jahrbüchern des -römischen Volkes, als Appius Junius und Publius Silius Konsuln waren, -aufgezeichnet wurde: Als Titius Sabinus samt seinen Sklaven wegen des -an Nero, dem Sohn des Germanicus, begangenen Mordes zum Tode verurteilt -war, konnte der Hund eines dieser Unglücklichen nicht vom Gefängnis -weggetrieben werden, verließ auch dessen Leiche nicht, als sie auf die -Straße geworfen wurde, heulte kläglich und trug, als einer aus der -versammelten Volksmenge ihm ein Stück Fleisch hinwarf, dieses zum Munde -seines toten Herrn. Als dann die Leiche in den Tiber geworfen wurde, -schwamm er mit ihr und suchte sie über Wasser zu erhalten, während das -Volk am Ufer seine Treue bewunderte.</p> - -<p>Der Hund ist das einzige Tier, das seinen Herrn kennt, Bekannte von -Unbekannten unterscheidet, auf seinen Namen hört und seine Hausgenossen -schon an der Stimme kennt. Die längsten Wege finden sie wieder, wenn -sie sie einmal gemacht haben, und überhaupt ist ihr Gedächtnis nach dem -des Menschen das beste. Wenn sie auch noch so wütend sind, kann man -ihnen doch Einhalt tun, wenn man sich auf die Erde niedersetzt (was -nach Schatter tatsächlich von Erfolg begleitet ist). Der Mensch hat an -ihnen schon viele nützliche Eigenschaften aufgefunden; am nützlichsten -werden sie aber durch ihren Eifer und ihren Spürsinn auf der Jagd. Sie -suchen und verfolgen die Fährte des Wildes, ziehen den Jäger an der -Leine hinter sich her, zeigen das Wild heimlich und schweigend, indem -sie zuerst mit dem Schwanze, dann mit der Schnauze ein Zeichen geben. -Selbst alt, blind und schwach leisten sie noch Dienste, indem man sie -auf dem Arm trägt und durch den Geruch das Lager des Wildes aufsuchen -läßt.</p> - -<p>Die Hündin bekommt zweimal jährlich Junge. Dieselben werden blind -geboren und werden um so später sehend, je reichlicher sie gesäugt<span class="pagenum"><a id="Seite_42"></a>[S. 42]</span> -werden, doch nie vor dem 7. oder 21. Tage. Die Weibchen von der -ersten Hecke sollen die Eigenschaft haben, Faune (Waldgeister) sehen -zu können. Unter den Jungen ist dasjenige das beste, das zuletzt zu -sehen beginnt oder das die Mutter zuerst ins Lager trägt. (Noch heute -gilt dieser Glaube bei manchen Hundeliebhabern. Diese nehmen der -Hündin die Jungen, legen sie in einiger Entfernung nieder und halten -das für das beste, das von ihr zuerst ins Lager zurückgetragen wird.) -Die Alten hielten saugende junge Hunde für eine so reine Speise, daß -sie dieselben sogar den Göttern als Sühnopfer darbrachten. Noch jetzt -opfert man der Göttin Genita Mana ein Hündchen und trägt, wenn die -Götter bewirtet werden sollen, Hundefleisch auf. Man glaubt auch, daß -Hundeblut das beste Mittel gegen Pfeilgift ist.“</p> - -<p>Der um die Mitte des ersten christlichen Jahrhunderts von Spanien nach -Rom gekommene Ackerbauschriftsteller Columella schreibt in seinem -Buch über den Landbau: „Der Hund liebt seinen Herrn mehr als irgend -ein anderer Diener, ist ein treuer Begleiter, unbestechlicher und -unermüdlicher Wächter und beharrlicher Rächer.</p> - -<p>Der Wachthund für ein Landhaus muß sehr groß sein, gewaltig und laut -bellen, so daß er nicht bloß durch seinen Anblick, sondern auch durch -seine Donnerstimme den Dieb erschreckt. Man wähle dafür einen solchen -mit einfacher Farbe, am besten schwarzer. Bei Tage fürchtet sich der -Dieb mehr vor dem schwarzen Hund, bei Nacht sieht er ihn nicht und wird -leichter von ihm gepackt. Der Hund des Hirten soll dagegen weiß sein, -damit er bei Tag und Nacht leicht vom wilden Tiere unterschieden werden -könne, also beim Kampf von seinem Herrn nicht so leicht verwundet -werde. Der Wachthund des Landhauses soll ferner weder zu sanft sein, -denn sonst schmeichelt er selbst den Spitzbuben, noch allzuscharf, -sonst ist er selbst den Hausbewohnern gefährlich. Die Hauptsache bleibt -immer, daß er wachsam ist, sich nicht herumtreibt, keinen falschen -Lärm macht, sondern nur dann anschlägt, wenn er sicher etwas Fremdes -merkt. Der Hirtenhund soll so stark sein, daß er den angreifenden Wolf -bekämpfen, und so schnell sein, daß er den fliehenden einholen und -ihm die Beute abjagen kann. — Die Hauptnahrung der Hunde ist Brot, -am besten aus Gerste gebackenes. Den Wacht- und Hirtenhunden gebe man -zweisilbige Namen. Für Männchen paßt z. B. Skylax, Ferox, Laco, Celer, -für Weibchen Spude, Alke, Rome, Lupa, Cerva, Tigris.“</p> - -<p>Der Grieche Arrian im 2. Jahrhundert n. Chr. rühmt in einem längeren -Passus seine kluge, anhängliche und schnelle Hündin Horme,<span class="pagenum"><a id="Seite_43"></a>[S. 43]</span> die er -geradezu als göttlich bezeichnet; sie nehme es bisweilen mit vier Hasen -auf. Sie sei immer guter Laune, verlasse ihn und seinen Jagdgefährten -Megillos nie und gebe ihnen alle ihre Wünsche zu verstehen. Seitdem sie -einmal die Peitsche zu kosten bekommen habe, ducke sie sich gleich, -wenn man die Peitsche nur nenne, komme schmeichelnd herbei, springe an -einem in die Höhe und höre nicht eher mit ihren Liebkosungen auf, als -bis man wieder freundlich mit ihr tue.</p> - -<p>Schon im Altertum wurden die Hunde auf verschiedene Weise dressiert -und zu Kunststücken abgerichtet. So erzählt der griechische -Geschichtschreiber Plutarch: „Folgendes habe ich mit eigenen Augen -gesehen. In Rom war ein Tausendkünstler, der im Theater des Marcellus -einen merkwürdig dressierten Hund zeigte. Dieser führte erst allerlei -Kunststückchen aus und sollte zuletzt zum Schein Gift bekommen, davon -betäubt werden und sterben. Er nahm also das Brot, worin das Gift -verborgen sein sollte, an, fraß es auf, begann dann zu zittern, zu -wanken, senkte den Kopf, als ob er ihm zu schwer würde, legte sich -endlich, streckte sich, schien tot zu sein, ließ sich hin und her -schleppen und tragen, ohne sich zu regen. Endlich rührte er sich wieder -ein wenig, dann allmählich mehr, tat wie wenn er aus tiefem Schlafe -erwache, hob den Kopf, sah er sich um und ging endlich freundlich -wedelnd zu dem, der ihn rief. Alle Zuschauer waren gerührt; unter ihnen -befand sich auch der alte Kaiser Vespasian.“</p> - -<p>Älius Spartianus schreibt, daß der römische Kaiser Hadrian Pferde -und Hunde so lieb hatte, daß er ihnen Grabdenkmäler setzen ließ, was -ja auch heute von den Reichen vielfach geübt wird, so daß um die -Städte London und Paris geradezu Hundefriedhöfe entstanden sind. Der -Geschichtschreiber Lampridius berichtet, daß der römische Kaiser -Heliogabal seine Hunde mit Gänselebern fütterte, auch vier große Hunde -vor seinen Wagen spannte und mit ihnen in seiner königlichen Wohnung -und auf seinen Landgütern herumkutschierte. Wie im Leben, so spielte -der Hund auch in den Sprichwörtern der Alten eine wichtige Rolle; doch -würde es uns zu weit führen, darauf einzutreten. Die schon damals bei -diesem Tiere auftretende Tollwut wurde nach dem Arzte Celsus am besten -so behandelt, daß man das Gift mit Schröpfköpfen herauszog, die Wunde -dann brannte oder, wenn die Stelle dazu nicht passend schien, mit -Ätzmitteln behandelte. Nachher ließ man die Gebissenen schwitzen und -gab ihm drei Tage hindurch tüchtig starken Wein zu trinken. Lauter -törichte Sympathiemittel gibt dagegen Plinius an.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_44"></a>[S. 44]</span></p> - -<p>Heute ist die Tollwut dank der scharfen staatlichen Kontrolle auf ein -Minimum eingeschränkt und kann zudem nach Übertragung durch Biß eines -tollen Hundes auf den Menschen dank der wertvollen Entdeckung von Louis -Pasteur in fast allen Fällen leicht geheilt werden, ohne daß sie zum -Ausbruch gelangt. Jedenfalls ist sie für den Menschen weit weniger -gefährlich und verhängnisvoll als der winzige, nur 4 <span class="antiqua">mm</span> lang -werdende Hundebandwurm (<span class="antiqua">Taenia echinococcus</span>), dessen Finne eine -ganz bedeutende Größe aufweisen kann. Aus seinen Eiern entwickelt -sich nämlich der von stecknadelkopf- bis kindskopfgroße Hülsenwurm -(<span class="antiqua">Echinococcus</span>), der sich in den verschiedensten Organen des -Menschen, am häufigsten aber in der Leber festsetzen und die schwersten -Erkrankungen, ja selbst den Tod herbeiführen kann. Überhaupt gilt für -alle Hundefreunde wegen ihres großen Parasitenreichtums, der unter -Umständen für den Menschen sehr verhängnisvoll sein kann, der alte -vielfach in Mosaik an der Türschwelle angebrachte römische Zuruf: -<span class="antiqua">cave canem</span>, d. h. hüte dich vor dem Hund! allerdings in anderem -Sinne als einst. Man sei freundlich, aber nicht zu intim mit ihm, -da man solches vielleicht mit langem Siechtum und Tod zu büßen hat. -Lieber als einen rasselosen Köter mit allen möglichen Untugenden halte -man sich einen gut gezogenen wertvollen Rassehund, der geistige und -körperliche Vorzüge besitzt, die dem Bastard versagt sind. Es gibt ja -deren, die allen möglichen Ansprüchen, sei es solchen der Jagd, des -Schutzes, sei es denen des Land- oder beengteren Stadtlebens sehr gut -angepaßt sind und sich darin seit vielen Generationen bewährt haben.</p> - -<p>Andere Wildhunde als die hier aufgezählten sind nicht dauernde -Gesellschafter des Menschen geworden. Es hätte dies aber sehr wohl der -Fall sein können, da auch solche, jung eingefangen und vom Menschen gut -behandelt und gezähmt, sich an den Umgang mit diesem leicht gewöhnen. -Wie heute noch in Syrien, Ägypten und Nordafrika wurden schon bei den -alten Ägyptern jung eingefangene wilde <em class="gesperrt">Schakale</em> wie Haushunde -erzogen und so direkt in die Haustierschaft übergeführt. In den -Grabgemälden des alten Reiches in der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends -v. Chr. ist mehrfach dargestellt, wie gezähmte Schakale die Stelle von -Haushunden bei dem noch als lebend dargestellten Grabinhaber einnehmen -oder sich als gute Freunde unter dessen Hunde mischen. In einer -Darstellung eines Grabes zu Beni Hassan aus der 12. Dynastie (2000–1788 -v. Chr.) sieht man einen solchen gezähmten Schakal sogar an der Jagd -teilnehmen. Solche direkte<span class="pagenum"><a id="Seite_45"></a>[S. 45]</span> Überführungen aus dem wilden in den -gezähmten Zustand sind aber schon damals eben solche Ausnahmen gewesen, -wie in unserer Zeit die Zähmung eines jung eingefangenen Wolfes zum -Freunde und Begleiter seines Herrn.</p> - -<p>Selbst der <em class="gesperrt">Hyänenhund</em> (<span class="antiqua">Canis pictus</span>), jener heute -noch vom südlichen Nubien an in großen Teilen Afrikas vorkommende -Wildhund mit buschigem Schwanz und weißen bis ockerfarbigen, stets -schwarz umsäumten Flecken auf kurz- und glatthaarigem Fell, wurde -von den alten Ägyptern in den Haustierstand übergeführt, ohne sich -allerdings längere Zeit darin zu erhalten. Dieser in hohem Grade -anziehende Steppenhund, der in Meuten bis zu 60 Stück mit ungeheurer -Ausdauer allerlei Wild, besonders Antilopen jagt, so daß selbst die -größten Tiere ermatten und von ihm überwältigt werden, wird von Brehm -als für die Zähmung vielversprechendes Raubtier bezeichnet, das -einen vortrefflichen Spürhund abgeben würde. Georg Schweinfurth sah -in einer Seriba im Bongolande ein in hohem Grade gezähmtes Stück, -das seinem Herrn gegenüber die Folgsamkeit eines Hundes an den Tag -legte. Brehm, der einige derselben gefangen hielt, bezeichnet sie als -ungestüm mutwillig mit einem unbezähmbaren Drang zum Beißen. Er ist -ungemein regsam und lebhaft und frißt vom erwürgten Wild fast nur -die Eingeweide. Seine Vorzüge für die Antilopen- und Gazellenjagd -veranlaßte schon die Ägypter des alten Reiches (2980 bis 2475 v. Chr.) -ihn vielfach unter ihrer Meute von Jagdhunden zu halten. An den Wänden -zahlreicher Gräber finden wir ihn als gezähmtes Tier nebst andern -Jagdhunden abgebildet, so in denjenigen des Nub hotep und des Ran ken -der 4. Dynastie (2930–2750 v. Chr.), dann des Aseskef ank und des Pta -hotep der 5. Dynastie (2750 bis 2625 v. Chr.). In des letzteren Grabe -in Sakkara sehen wir die Jagddiener des Verstorbenen mit der gemachten -Beute von der Jagd zurückkehren. An ihrer Seite sehen wir als Chef -derselben einen als Num hotep bezeichneten Mann mit zwei Windhunden und -zwei Hyänenhunden an der Leine schreiten, bereit, sie auf allfällig -angetroffenes Wild loszulassen. In demselben Grab des Pta hotep, das -uns den Hyänenhund gezähmt und im Dienste des Menschen zeigt, sehen -wir an der gegenüberliegenden Wand den wilden Hyänenhund mitten unter -Antilopen in der Steppe lebend und von Windhunden angegriffen. Man -sieht, daß der Künstler die Szene nach eigener Anschauung wiedergegeben -hat. Später wurde weder im mittleren noch im neuen Reiche je wieder der -Hyänenhund, sei es wild oder gezähmt,<span class="pagenum"><a id="Seite_46"></a>[S. 46]</span> abgebildet, so daß wir annehmen -dürfen, daß er damals weder als Haustier gehalten wurde, noch auch in -den Gegenden, in denen die Großen des Reichs zu jagen pflegten, wild -vorkam. Er muß sich damals schon mit der Abnahme der Antilopenherden -weiter südlich gehalten haben; denn auch der Römer Pomponius Mela, -der dieses Tier unter der Bezeichnung <span class="antiqua">lycaon</span> genau beschreibt, -kennt ihn nur aus Äthiopien. Heute trifft man ihn erst in den obersten -Nilländern und von da an südwärts bis zum Kap der Guten Hoffnung.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_47"></a>[S. 47]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="II_Rind_und_Bueffel">II. Rind und Büffel.</h2> - -</div> - -<p>Wie der Hund, so ist auch das Rind zunächst nicht aus Nutzungsgründen, -sondern infolge abergläubiger Vorstellungen vom Menschen unterjocht -und in seinen Dienst genommen worden, um dann, als man später seinen -Nutzwert erkannte und auszubeuten begann, vorbildlich für die Zähmung -der übrigen Haustiere zu werden. Die Gewinnung eines so großen, starken -Tieres, wie es das Rind ist, war durchaus nichts Einfaches und sich -von selbst Verstehendes. Alte, entwickelte Individuen dieser Tierart -gefangen zu halten und gar zur Fortpflanzung zu bringen, ist schon -für uns unmöglich, wie viel mehr für den in seinen Vorstellungen, -Erfahrungen und Hilfsmitteln so sehr beschränkten vorgeschichtlichen -Menschen der jüngeren Steinzeit!</p> - -<p>Ohne Zweifel haben sich die meisten alt, etwa in Fanggruben gefangenen -Tiere, wenn sie ausnahmsweise nicht sofort als willkommene Beute zur -Fleischgewinnung getötet und verspeist wurden, einfach totgerast. An -eine Fortzucht wäre bei Tieren solcher Art, die am Leben blieben, in -keiner Weise zu denken gewesen. Junge Tiere dagegen, die am leichtesten -lebend zu bekommen und zu zähmen gewesen wären, konnte man ohne fremde -Milch nicht am Leben erhalten. Da es nun an dieser völlig gebrach -und die weiblichen Tiere, abgesehen von ihrer selbstverständlichen -Unfruchtbarkeit in der Gefangenschaft und der dadurch bedingten -Milchlosigkeit, auch nicht zum Melken oder zum Zulassen fremder Kälber -an ihr Euter zu bringen waren, so konnte auch nicht durch solche in -jugendlichem Alter gefangene Kälber an eine Zähmung dieses starken -Wiederkäuers gedacht werden.</p> - -<p>Für die erste Gefangenhaltung, Eingewöhnung und Züchtung des Rindes -waren andere Gründe maßgebend als diejenigen der Nutzung für sich -selbst. Solche der allertriftigsten Art waren aber religiöse, auf -die der verstorbene Alfred Nehring in Berlin vom Katheder aus und<span class="pagenum"><a id="Seite_48"></a>[S. 48]</span> -Eduard Hahn in seinem Haustierbuche vollständig überzeugend hinwiesen, -so daß wir jedenfalls hierin das tatsächliche Motiv der Gewinnung -des Rindes als Haustier zu erblicken haben. Ihr Gedankengang ist -folgender: Eine uralte, hier nicht näher zu verknüpfende Anschauung, -die ich bei Besprechung des Mondkultus in meinem Werke: Der Mensch -zur Eiszeit in Europa und seine Kulturentwicklung bis zum Ende der -Steinzeit eingehend gewürdigt habe, schreibt bei allen Völkern auf -niedriger Kulturstufe, so auch bei denjenigen des südasiatischen und -westasiatisch-europäischen Kulturkreises, dem die hier in Betracht -kommenden Stämme angehörten, dem Mond einen weitgehenden Einfluß auf -Wachstum und Gedeihen aller Lebewesen aus Pflanzen- und Tierwelt mit -Einschluß des Menschen zu. Von jeher hat er durch seinen schwankenden -Lauf in Verbindung mit seinem den Primitiven unerklärlichen -Gestaltwechsel von der feinsten Sichel bis zum glänzenden Vollmond -die Aufmerksamkeit des Menschen viel eher auf sich gezogen und sie zu -Grübeleien aller Art veranlaßt, als die täglich in derselben Gestalt -ihre Bahn am Himmel zurücklegende Sonne. War diese ihm in ihrer -machtvollen, Hitze bis zur Dürre erzeugenden Erscheinung das männliche -Prinzip, so war ihm der in sanftem Lichte strahlende Mond, der mit dem -Tau und dem Regen der Erde und allem auf ihr Lebenden Fruchtbarkeit -spendete und ein für den Ackerbauer wichtiger Zeitmesser war, das -weibliche Prinzip — auch bei den alten Germanen trotz des später -vertauschten Geschlechts. Schon auf niedriger Kulturstufe mußte es -dem Menschen auffallen, daß die Menstruation des Weibes, die wir im -Deutschen als monatliche Reinigung bezeichnen, wie die Schwangerschaft -und Fruchtbarkeit überhaupt völlig in Verbindung mit dem Mondlaufe -stand, von jenem geheimnisvollen Gestirn geregelt und also auch — nach -primitiver Anschauung — bedingt wurde.</p> - -<div class="figcenter illowe21_875" id="bild3" > - <img class="w100" src="images/bild3.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 3. Idol in Mondgestalt mit einfachen geradlinigen -Ornamenten, sogenanntes „Mondhorn“, vom Ebersberg, aus einer Station -der Bronzezeit am Irchel im Kanton Zürich.</div> -</div> - -<p>Was nun die Darstellung dieses vergöttlichten Wesens der Fruchtbarkeit -anbetrifft, so hat man von jeher den Mond als Sichel im Gegensatz zur -als Scheibe und später als scheibenförmiges Rad dargestellten Sonne -abgebildet. Diese Sichelgestalt des Mondes wiesen in auffallender Form -die gerade abstehenden Hörner des Wildrindes auf. Aus diesem Grunde -war es naheliegend, ja nach der Denkweise aller Menschen auf niedriger -Kulturstufe geradezu selbstverständlich, daß eine engere Beziehung -zwischen dem Wildrinde und der Mondgöttin bestand und ersteres zum -heiligen Tiere der letzteren erklärt wurde. Heischte nun die Göttin -Opfer, damit sie dem Hackbauern und seiner<span class="pagenum"><a id="Seite_49"></a>[S. 49]</span> Frau Fruchtbarkeit spende -und seine Feldfrüchte gedeihen lasse, so war offenbar dasjenige des -ihr durch die Sichelgestalt der Hörner engverbundenen und ihr heiligen -Tieres ihr weitaus das liebste. Deshalb brachte man es dar, um sich -ihr Wohlgefallen und ihren Schutz zu erringen. Am allernotwendigsten -waren diese Opfer zur Zeit der schreckhaften Mondfinsternisse, wenn -die so überaus wichtige, ja unersetzliche Göttin der Fruchtbarkeit von -irgend welchen bösen Dämonen verschlungen zu werden drohte. Wie nun -heute noch die Chinesen bei solchen Fällen mit allen ihnen überhaupt -zur Verfügung stehenden Instrumenten einen gewaltigen Lärm verursachen, -um diese vermeintlichen bösen Dämonen zu vertreiben, so glaubten die -Stämme des südasiatischen Kulturkreises dieses Ziel der Befreiung der -Fruchtbarkeitsgöttin aus der Gewalt böser Mächte, die sich durch die -sonst ganz unerklärliche Verfinsterung dokumentierte, noch besser durch -schleuniges Opfer eines Exemplars der ihr heiligen Tiere zu erreichen. -Da aber lag die Schwierigkeit! Man wußte nicht von vornherein, -wann solche Zustände des Überfalls, der Schwäche und Krankheit der -Mondgöttin eintraten. Es war dies nur in ganz ungleichen, unbestimmten -Zwischenräumen der Fall, und dann, wenn es am nötigsten war, hatte man -just kein frischerbeutetes Wildrind zum Opfer bereit, konnte somit der -bedrängten Göttin nicht beistehen, ihr nicht helfen und verscherzte -damit ihr Wohlwollen. In der Urzeit war überhaupt kein Gebot für den -bequemen und arbeitsscheuen Menschen so dringend als eine Kultpflicht, -der er sich durchaus nicht entziehen konnte, wenn ihm überhaupt an -seiner und der Seinigen Existenz gelegen war. Es galt also, da die -Mondfinsternisse ganz plötzlich eintraten, sich nicht auf den Ertrag -der Jagd zu verlassen, sondern die Opfertiere für alle Fälle vorrätig -zu halten, um im Falle der Not sie zum unerläßlichen Opfer bei der Hand -zu haben. Das erreichte man am einfachsten dadurch, daß man kleine -Herden des Wildrindes in durch in den Boden geschlagene Holz<span class="pagenum"><a id="Seite_50"></a>[S. 50]</span>pfähle -eingezäunte Reviere trieb und sie dort in halber Gefangenschaft hielt, -in der sie sich innerhalb des gewohnten Familienverbandes ruhig -fortpflanzten.</p> - -<p>Auf diese Weise war der schwierige Übergang des Wildlings vom -Freileben zur Knechtschaft des Menschen ein unmerklicher geworden und -konnte allmählich zur Gewinnung des Rindes als Haustier führen. Von -frühester Jugend an häufiger mit dem Menschen in Berührung kommend, -gewöhnte es sich nach und nach an diesen und seinen Geruch, der ihm -im wilden Zustande Schrecken einflößte. Als der Gottheit geweihtem, -heiligem Tiere ließ man ihm innerhalb der Umhegung volle Freiheit -und suchte es nicht nur vor allfälligen Feinden, sondern auch, wenn -nötig, vor Futtermangel zu schützen. Solcher Dienst von seiten des ihm -wohlwollenden Menschen wurde von ihm bald dankbar empfunden. An den -Verkehr mit dem Menschen immer mehr gewöhnt, ließ es sich schließlich -mit zunehmendem Zahmwerden berühren, ja schließlich sogar melken; doch -wurde die Milch als Produkt des ihr heiligen Tieres der Mondgöttin -geopfert und erst sehr viel später riskierte der Mensch das zunächst -wohl als strafbaren Frevel empfundene Wagnis, dieses geheiligte Produkt -selbst zu genießen. Er trotzte kühn dem Zorne der Gottheit, um sich -vielleicht mit dem Genusse dieses heiligen Kultobjektes direkt, ohne -Vermittlung jener, einen Vorteil irgend welcher Art, besonders aber die -Fruchtbarkeit betreffend, zu erringen. So wurde die Milch, indem der -Mensch die Scheu vor diesem heiligen Produkt immer mehr ablegte, von -einem Opfertranke schließlich ein geschätzter Haustrank, den man sich -auch zu nichtrituellen Zwecken zu verschaffen versuchte.</p> - -<p>Durch gegenseitige Gewöhnung aneinander zog sich das Band der -Freundschaft zwischen Rind und Mensch immer enger, bis schließlich -das von der Mutter entwöhnte Kalb, durch Anbieten von Salz zum -Lecken angezogen, in engere Verbindung mit seinem Herrn trat und -langsam der eigentlichen Zähmung unterworfen wurde. Solch heiliges -Tier wurde selbstverständlich nur als Opfer an die bedrängte oder um -Hilfe angerufene Mondgottheit geschlachtet und dessen Fleisch nur als -Opferspeise auch vom Menschen gegessen. Je mehr aber die Domestikation -dieses Tieres fortschritt und sich sein Nützlichkeitsverhältnis dem -Menschen gegenüber offenbarte, um so schwerer entschloß sich letzterer, -solch nützliches Tier der Gottheit zu opfern. Es konnte ihr anderweitig -im Leben noch mehr als mit seinem Tode dienen, indem es beispielsweise -das heilige Kultgerät der Fruchtbarkeit spendenden Göttin,<span class="pagenum"><a id="Seite_51"></a>[S. 51]</span> ihr Idol in -Kuhhorngestalt, auf dem mit massiven Rädern versehenen Wagen bei dem zu -ihren Ehren abgehaltenen festlichen Umzuge zog. Dazu wurden zunächst -die größeren Kälber und später von den geschlechtsreifen Tieren nur -die fügsameren Kühe verwendet. Der unbotmäßige starke Stier konnte -dazu nicht in Betracht kommen, schon weil man zu schwach war, ihn bei -solcher Dienstleistung zu bändigen und in seiner Gewalt zu behalten. -Zudem konnte er nach weitverbreitetem Glauben primitiver Völker nur -als Kastrat Diener einer weiblichen Gottheit werden. So wurde das -Tier, um zum Gottesdiener gemacht und als solcher bei den Umzügen bei -Gelegenheit der Feste der Mondgöttin zum Ziehen von deren heiligem -Wagen mit dem Kultbild verwendet werden zu können, durch Abschneiden -der Hoden — was sich ja sehr leicht bewerkstelligen ließ — entmannt. -Die Folgen dieses Eingriffs machten sich bald bemerkbar durch -Verleihung einer sanfteren Gemütsart und Neigung zu Fettwerden, was -die Mastfähigkeit erleichterte, alles Eigenschaften, deren Auftreten -der Mensch als Nachwirkungen jener Operation nicht voraussehen und so -zielbewußt herbeiführen konnte.</p> - -<p>Als Kastrat, d. h. geschlechtslos gemachtes Wesen, war nun der -<em class="gesperrt">Ochse</em> der vorzugsweise, ja später ausschließlich der Göttin -geweihte Diener, während ihm gegenüber auch die Kuh als Geschlechtstier -zurücktrat. Ein grausam-wollüstiger Zug haftet nun einmal dem Dienste -der Fruchtbarkeitsgöttin an und verlangte wie vom menschlichen Diener, -der sich ihr völlig geweiht hatte, auch von dem von jenem ihr geweihten -Tiere die freiwillige beziehungsweise erzwungene Geschlechtslosigkeit, -von ihren Dienerinnen aber, die nicht kastriert zu werden vermochten, -wenigstens das Zölibat, wenn nicht die Prostitution, d. h. das sich -anderen Preisgeben im Dienste der Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit, -wie dies in den semitischen Kulten Vorderasiens allgemein üblich -war und in Südasien, speziell Indien, heute noch üblich ist. Bis in -die Gegenwart haftet den Kastraten ein Beigeschmack von Heiligkeit -an. So sind es Eunuchen, die seit der ältesten Zeit den zum Fetisch -erhobenen Meteorstein der Kaaba in Mekka und das Grab des Propheten -Mohammed in Medina hüten. Eunuchen sind es, die nicht nur den Harems -der mohammedanischen Großen vorstehen, sondern auch den Dienst in -den Gemächern des „Sohnes des Himmels“ in Peking besorgen und in der -Privatkapelle des „Heiligen Vaters“ in Rom singen.</p> - -<p>Eine noch viel größere Bedeutung als der Wagen mit dem heiligen<span class="pagenum"><a id="Seite_52"></a>[S. 52]</span> -Kultbild der Göttin der Fruchtbarkeit erlangte als heiliges Gerät im -Dienste der Mondgottheit der Pflug. Viel ausgiebiger als mit der von -beiden Händen geführten Hacke ließ sich mit dem hakenförmig gekrümmten -Holze mit später erz- beziehungsweise eisenbewehrter Spitze der Boden -zur Aufnahme der Ackerfrucht aufreißen. Dieser Pflug wurde zunächst von -kriegsgefangenen Knechten, dann aber noch erfolgreicher durch den zum -Diener der Fruchtbarkeitsgöttin gemachten Ochsen gezogen. Er war ein -heiliges Werkzeug, mit dem man den Schoß der Allmutter Erde aufriß, -um sie zur Fruchtbarkeit zu zwingen, wie das Pflügen eine heilige -Handlung, die wie vor vielen Jahrtausenden, so heute noch vom Kaiser -von China, vom feierlichsten Zeremoniell umgeben, zur Eröffnung des -Ackerbaues seiner Untertanen vor allem Volke vollzogen wird. Wie die -Heiligkeit des Gerätes, so zieht sich die Heiligkeit des Gottesdieners -durch die ganze menschliche Kulturgeschichte. Bei vielen Völkern, so -in den meisten Gebieten Asiens, ist heute noch der den Pflug ziehende -Ochse ein Tier, dessen Fleisch nicht gegessen wird. Wie die Chinesen, -Inder und Westasiaten, hatte noch der gebildete Römer Cicero die -Anschauung, das Rind sei zum Pflügen und nicht zum Gegessenwerden da; -und Die Chrysostomus berichtet, daß in Cypern derjenige, der einen -Pflugochsen getötet hatte, als Mörder mit dem Tode bestraft wurde. Wie -bei den Juden, so wurde auch bei den alten Griechen ursprünglich die -Tötung eines Ochsen bestraft. Gleicherweise war sie bei den nüchternen -Römern verpönt, weil der Ochse ein Genosse des Mannes und ein Diener -der Ceres sei. Der Grieche Plutarch bekennt, daß er es nicht über sich -bringe, einen im Dienst alt gewordenen Ochsen auch nur zu verkaufen. -Erst nach und nach schwand wenigstens bei einem Teil der Menschen das -Vorurteil der Heiligkeit und Unantastbarkeit des Gottesdieners und -wurde der Ochse als Mastvieh ebensogut in Benutzung von Seite des -Menschen gezogen wie die milchende Kuh, deren Milch nicht mehr Opfer, -sondern profanes Genußmittel war.</p> - -<p>In der hier angegebenen Weise muß das Rind schon vor etwa 10000 Jahren -als Genosse des Menschen gewonnen worden sein, und zwar zuerst in -Südasien, das überhaupt die meisten Wildrinder beherbergt, die für die -Domestikation von Seite des Menschen in Frage kommen. Zuerst hat der -Baseler Zoologe Ludwig Rütimeyer, auf genaue vergleichend anatomische -Untersuchungen des ihm zur Verfügung gestellten Materials gestützt, -nachgewiesen, daß das älteste Hausrind der Neolithiker Mitteleuropas, -die <em class="gesperrt">Torfkuh</em> der Pfahl<span class="pagenum"><a id="Seite_53"></a>[S. 53]</span>bauern — wie der bereits besprochene -Torfhund so genannt, weil ihre Überreste in den inzwischen meist -vertorften Kulturschichten jener vorgeschichtlichen Periode der -Pfahlbaubewohner gefunden werden —, nicht von einem einheimischen -Wildrinde gezähmt wurde, sondern als fremder Import von Süden her zu -den Stämmen Mitteleuropas in der jüngeren Steinzeit gelangte. Afrika -kommt wegen Mangel an entsprechenden Wildrindern nicht in Betracht, -sondern nur Südasien. Von den hier lebenden Wildrindern fällt der -<em class="gesperrt">Yak</em> (<span class="antiqua">Bos gruniens</span>) als Stammvater des ältesten Hausrindes -wegen allzustarken Abweichungen im anatomischen Bau, wie auch wegen der -14 Rippenpaare, die er im Gegensatz zu den 13 des Hausrindes besitzt, -außer Betracht. Zudem ist dieses Tier ein ausgesprochener Bewohner des -Hochgebirges, dessen kaltem Klima und eisigen Stürmen entsprechend, -er das zottige Pelzkleid trägt. Als solches vermag es sich dem heißen -Tieflande durchaus nicht anzupassen. Gegen einen Zusammenhang mit dem -indischen <em class="gesperrt">Gayal</em> oder <em class="gesperrt">Stirnrind</em> (<span class="antiqua">Bos frontalis</span>) -spricht außer den ebenfalls 14 Rippenpaaren die gewaltige Ausdehnung -der Stirnfläche des letzteren und die abweichende Gestalt und Richtung -des Gehörns. Auch dieses ist übrigens ein Bergtier, das im Gebirge -östlich vom Brahmaputra bis nach Birma hinein in Herden lebt, fast so -geschickt wie der Yak klettert, gern das Wasser aufsucht und sich vor -der drückenden Mittagshitze in die dichtesten Wälder zurückzieht, wo es -wiederkäuend im Schatten ruht.</p> - -<div class="figcenter" id="bild4" > - <img class="w100 w8em" src="images/bild4.jpg" alt="" /> - <div class="caption w15em">Bild 4. Ein aus der Elle einer Torfkuh gespitzter, sehr -gut in die Hand passender Dolch aus einem neolithischen Pfahlbau der -Schweiz. (<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">3</span></span> -nat. Größe.)</div> -</div> - -<p>Auch der <em class="gesperrt">Gaur</em> oder das <em class="gesperrt">Dschungelrind</em> (<span class="antiqua">Bos gaurus</span>), -das den undurchdringlichen Buschwald ganz Südasiens vom Himalaja bis in -die indonesische Inselwelt bewohnt, kommt, obschon es 13 Rippenpaare -besitzt, aus anatomischen Gründen als Stammvater des Hausrindes nicht -in Betracht. Sein Schädel verbreitert sich nach oben zu, statt sich wie -bei diesem in dieser Richtung zu verschmälern; auch ist er im Stirnteil -auffallend konkav. Hinter dieser Konkavität erhebt sich ein mächtiger -Stirnwulst, der beim Stier einer schiefen Wand ver<span class="pagenum"><a id="Seite_54"></a>[S. 54]</span>gleichbar ist, beim -weiblichen Tier allerdings etwas niedriger, aber immer noch recht hoch -ist.</p> - -<p>Der <em class="gesperrt">Banteng</em> der Malaien oder das <em class="gesperrt">Sundarind</em> (<span class="antiqua">Bos -sondaicus</span>) dagegen erfüllt nach den eingehenden Untersuchungen von -Prof. Konrad Keller in Zürich und anderen Zoologen alle Bedingungen -dazu, so daß wir ihn mit Sicherheit als Stammvater des ältesten -Hausrindes ansprechen können. Der ganze Schädelbau, die eigentümliche -Beschaffenheit der Hornzapfen, die bei beiden wie wurmstichiges Holz -aussehen, die Gestaltung und Richtung des Gehörnes, die 13 Rippen usw. -deuten mit aller Bestimmtheit darauf, daß irgendwo im südlichsten -Asien der Banteng gezähmt und aus ihm die ältesten Hausrinder gewonnen -wurden, bei denen sich der Gesichtsteil mit der Zeit etwas verkürzte.</p> - -<p>Dem scheuen, am liebsten in wasserreichen bis moorigen Waldesteilen -seinen Stand nehmenden und deshalb vorzugsweise flache Bergtäler -mit langsam strömenden Flüssen bewohnenden Banteng steht in -allen körperlichen Merkmalen von allen Hausrindern das indische -<em class="gesperrt">Zeburind</em> am nächsten. Dieses ist offenkundig ein domestizierter -Banteng. Die anatomische Übereinstimmung beider ist auffallend. Beim -Zeburind wie bei der Bantengkuh ist der Schädel lang und schmal, -das Gehörn nach hinten ausgelegt, die Stirn seitlich abfallend, die -Schläfengrube breit und flach, sind die Augenhöhlen fast gar nicht -hervortretend, ist der Nasenast des Zwischenkiefers kurz und sind die -Backenzähne schief gestellt. Brehm sagt in seinem Tierleben, „daß -erwachsene Bantengs sich nicht zähmen lassen, Kälber desselben hingegen -sich in der Gefangenschaft leicht an den Menschen gewöhnen und völlig -zu Haustieren werden, da das Wesen des Tieres sanfter und milder zu -sein scheint als das aller übrigen bekannten Wildrinder.“</p> - -<p>Der wilde Banteng ist ein verhältnismäßig leicht gebautes Rind von -braunroter bis kastanienbrauner Farbe bei den Kühen und jungen -Stieren, dagegen schwarz bei alten Stieren. Weiß dagegen sind bei -beiden Geschlechtern die untern Enden der Beine bis oberhalb der -Knie- und Hackengelenke, ein großer ovaler Bezirk auf der Hinterseite -der Schenkel, ein Streifen an der Innenseite der Beine, die Lippen -und die Innenseite der Ohren. Bei den Kälbern, deren Beine in ihrer -ganzen Ausdehnung außen kastanienbraun gefärbt sind, trägt der Rücken -einen dunkeln Längsstreifen. Die Schulterhöhe eines ausgewachsenen -Stieres beträgt 1,6–1,7 <span class="antiqua">m</span>, die Körperlänge etwa 2,6 <span class="antiqua">m</span> und -die Schwanzlänge 0,9 <span class="antiqua">m</span>. Die bei jungen Tieren walzigen, bei<span class="pagenum"><a id="Seite_55"></a>[S. 55]</span> -ausgewachsenen an der Wurzel abgeflachten Hörner richten sich zuerst -nach außen und oben, aber gegen die Spitze zu etwas nach rückwärts und -innen. Seine Nahrung besteht hauptsächlich aus Gras. Gewöhnlich frißt -es von vormittags 9 bis nachmittags 4 Uhr und geht dann trinken. Nachts -legt es sich zum Ruhen nieder. Es meidet angebaute Gegenden so viel -als möglich, stellt sich aber gelegentlich auf Äckern mit junger Saat -zum Weiden ein. Es lebt meist in kleinen Herden von 5 oder 6 bis 20 -Stück, die von einem großen Bullen geführt werden. Alte Stiere sollen -sich gerne von der Herde trennen und einsiedlerisch leben. Werden diese -verwundet, so greifen sie den Menschen, den sie sonst fliehen, ohne -Zaudern an.</p> - -<p>In diesem Banteng oder Sundarind hat nun der Südasiate nicht bloß das -gefügigste, sondern auch das schönste Wildrind zum bildsamen Haustier -herangezogen und damit alle weitere Haustiergewinnung vorbereitet. -Dieser südasiatische Stamm der Hausrinder hat sich dann, weil sein -großer Nutzen einleuchtete, sehr bald über weite Gebiete ausgedehnt. -In der ostasiatischen Inselwelt reicht es bis Bali und Lombok, weiter -nördlich bis China und Japan; hier überall macht ihm heute der später -domestizierte Hausbüffel starke Konkurrenz. Nach Westen zu treffen -wir ihn zuerst in Persien und Mesopotamien, dann auch sehr früh schon -im Niltal an, wo uns auf einer der noch der neolithischen Negadazeit -angehörenden skulptierten Schieferplatte von Giseh (s. <a href="#tafel22">Tafel</a>), -und noch deutlicher auf einer gleichzeitigen Platte im Louvre das -charakteristische bantengähnliche Hausrind der ältesten nachweisbaren -Zeit Ägyptens entgegentritt. Als Büffelfigur, sagt Keller, könne dieses -Bild schon der Kopfbildung wegen nicht aufgefaßt werden. „Der Stier auf -der Platte des Louvre zeigt vielmehr im Verlauf des Gehörns, in der -auffallenden Stirnbreite und in der Kürze der Schnauze die typischen -Kennzeichen eines alten Bantengstiers. Wir sind daher zu der Annahme -gezwungen, daß das Hausrind der frühägyptischen, vorpharaonischen Zeit -der Bantengstammform noch sehr nahe stand.“</p> - -<p>Vom Niltal aus hat sich dieses Hausrind südasiatischer Herkunft -weiter südlich zu den Hamiten verbreitet, die lange Zeit allein von -den außerägyptischen Afrikanern in seinem Besitze waren. Erst später -haben es dann die intelligenteren Stämme der Negerbevölkerung in Süd- -und Westafrika übernommen. Madagaskar mit seiner starken Rinderzucht -hat das Tier von Ostafrika her erhalten. Von Äthiopien gelangte -schon vor der Zeit des alten Reiches im 4. Jahrtausend v. Chr. ein -großgehörnter Rinderschlag von Bantengabstammung, der heute nur<span class="pagenum"><a id="Seite_56"></a>[S. 56]</span> noch -in Zentralafrika gefunden wird, nach Ägypten, wo er bald mit Vorliebe -gezüchtet wurde. Dieser buckellose Schlag, aus dem meist der heilige -Apis (altägyptisch <span class="antiqua">hapi</span>) genommen wurde, besaß ein ungewöhnlich -langes, leier- oder halbmondförmiges oder auch gerade nach oben außen -gerichtetes Gehörn und war von weißer, schwarz- oder rotbunter Färbung. -Der nach Älian dem Mondgotte heilige Apis war nach Herodot schwarz, -trug auf der Stirne ein weißes Viereck, auf dem Rücken das Bild eines -Adlers, am Schwanz zweierlei Haare und auf der Zunge einen Käfer. Diese -Färbung wird noch häufig beim Duxerschlag, namentlich aber bei den -Eringerschlägen des südlichen Wallis angetroffen.</p> - -<div class="figcenter illowe32_8125" id="bild5" > - <img class="w100" src="images/bild5.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 5. Einfangen eines wild gewordenen Rindes mit einem -bolaartigen Wurfseil im alten Ägypten. (Nach Wilkinson.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel7a" > - -<p class="captop">Tafel 7.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel7a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Banteng (<span class="antiqua">Bos sondaicus</span>).<br /> - (Nach Keller, Die Abstammung der ältesten Haustiere.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel7b" > - <img class="w100" src="images/tafel7b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Guzerat-Zebubulle, von Karl Hagenbeck in Stellingen -importiert.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel8" > - -<p class="captop">Tafel 8.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel8.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Herde von Guzerat-Zeburindern aus dem Besitz eines indischen Fürsten. -(Nach einer Photographie von Karl Hagenbeck.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel8_gross.jpg" id="tafel8_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel9" > - -<p class="captop">Tafel 9.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel9.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Luxusgespann von Guzerat-Zebuochsen eines indischen Fürsten - mit reicher Ausstattung.<br /> - (Nach einer Photographie von Karl Hagenbeck.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel9_gross.jpg" id="tafel9_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel10a" > - -<p class="captop">Tafel 10.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel10a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Hissar-Zebubulle, von Karl Hagenbecks Tierpark importiert.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel10b" > - <img class="w100" src="images/tafel10b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Stier. Griechische Marmorfigur im britischen Museum zu - London.</div> -</div> - -<p>Neben Langhornrindern wurde schon im alten Reiche (2980 bis 2475 v. -Chr) eine hornlose Rasse gehalten. Daß diese nicht gerade selten war, -geht nach Erman aus der Angabe hervor, daß auf dem Gute des Chefre -noch neben 835 Langhornrindern 220 hornlose Rinder vorhanden waren. -Gleicherweise sind uns Darstellungen von Höckerrindern, wie sie uns -in typischer Gestalt im indischen Zebu entgegentreten, schon in -Abbildungen des alten Reiches erhalten geblieben. Diese Zeburasse, -die sich am deutlichsten in Südasien ausprägte, hat einen Fettbuckel -entwickelt und eine lang herabhängende dünne Wamme am Hals. Das meist -kurze, höchstens mittellange Gehörn verläuft in der Flucht der Stirn -nach hinten. Das Ohr hängt meist stark herab. Die Farbe ist weiß, -grau, gelb, rotbraun oder gescheckt. Neben gewaltigen Schlägen kommen -auch zwergartige vor. Diesem indischen Zebu steht das ostafrikanische -Buckelrind am nächsten, das am reinsten im Sangarind Abessiniens -vertreten ist. Es hat sich heute vom abessinischen Hochland aus bis -zum oberen Nil und zum Tschadsee aus<span class="pagenum"><a id="Seite_57"></a>[S. 57]</span>gebreitet. Das Gehörn ist bei -ihm größer als beim nahe verwandten indischen Zebu, im allgemeinen -leierförmig und nicht mehr so stark nach hinten ausgelegt, sondern -aufgerichtet. Der schlanke, hochgestellte Körper weist dieselben -Farben wie das indische Zebu auf. Es spielt als Zug- und Fleischtier -eine große Rolle, doch ist sein Milchertrag ein geringer. Aus ihm ist -offenbar als besondere Zuchtrasse das Langhornrind hervorgegangen, -das schon im alten Ägypten eine wichtige Rolle spielte, aber, -weil wirtschaftlich nicht hervorragend, im Laufe der Zeit stark -zurückging, in Ägypten ganz ausstarb und heute nach dem Innern Afrikas -zurückgedrängt wurde. Es findet sich heute im Seengebiet bei den -ackerbauenden Kolonien abessinischer Abstammung als Watussirind; doch -gibt es Bestände von ihm auch in Südabessinien. Es ist mittelgroß, -einfarbig kastanienbraun oder dunkelbraunfleckig und hat ein über -meterlang werdendes Gehörn von der Gestalt desjenigen des Sanga. Im -neuen Reich Ägyptens (1580–1205 v. Chr.) tritt dieses Langhornrind -zurück und dafür tritt ein kurzhörniges, meist buckelloses Rind -offenkundig südasiatischer Bantengabstammung in den Vordergrund. Auf -einem in Wasserfarben ausgeführten Wandgemälde in Theben aus der Zeit -der 18. Dynastie (1580–1350 v. Chr.) bemerkt man einzelne gefleckte -Exemplare mit Kennzeichen, die nur dem Zebu eigentümlich sind.</p> - -<div class="figcenter illowe33_125" id="bild6" > - <img class="w100" src="images/bild6.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 6. Äthiopische Prinzessin in einem von Ochsen einer - hornlosen Rasse gezogenen Wagen. (Nach Wilkinson.)</div> -</div> - -<p>Auch in Mesopotamien ist das älteste Hausrind ein unverkenn<span class="pagenum"><a id="Seite_58"></a>[S. 58]</span>barer -Bantengabkömmling. Das auf einem sehr alten chaldäischen Siegelzylinder -bereits vor den Pflug gespannt dargestellte Rind gleicht vollkommen -einem kleinen indischen Hausrind. Aus der assyrischen Zeit treffen -wir häufigere und bessere Darstellungen des Hausrindes. Auf einem -Quarzzylinder, dessen Reproduktion Layard gibt, ist ein typisches, -langhörniges Zeburind mit umfangreichem Fettbuckel und starker Wamme -säugend dargestellt. Das auf den Skulpturen der Königspaläste häufig -abgebildete Beutevieh wird stets mit gewölbtem Rücken oder mit -eigentlichem Fettbuckel wiedergegeben, so daß auch dessen Abstammung -von indischem Blute außer Zweifel steht. Nirgends begegnet uns eine -Rinderart, die auf Abstammung des jedenfalls auch in Vorderasien einst -lebenden <em class="gesperrt">Urs</em> (<span class="antiqua">Bos primigenius</span>) hindeutet.</p> - -<div class="figcenter illowe35_9375" id="bild7" > - <img class="w100" src="images/bild7.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 7. Altägyptische Darstellung zweier miteinander - kämpfender Stiere, die von Hirten getrennt werden. (Nach Wilkinson.)</div> -</div> - -<p>An der Peripherie des Areals, das die ältesten Hausrinder von -Bantengabstammung bewohnen, d. h. im äußersten Osten Asiens, wie auf -Bali und Lombok, dann in Westasien, Nordafrika und vor allem in Europa, -begegnen wir einem kleinen, zierlich gebauten Rinderschlage von meist -dunkler Färbung, mit kleinem, nach außen und aufwärts gebogenem Gehörn, -zwischen den vortretenden Augenhöhlen eingesenkter Stirn und feiner -Schnauze. Das Hinterhaupt erhebt sich bei ihm in einen deutlichen, -steil abfallenden Höcker und seine Ecken sind nur ganz ausnahmsweise -wie beim Zebu — so beim sardinischen Hausrind — zu Hornstielen -ausgezogen. Das ist der Schlag, den wir überall in den Kulturschichten -der neolithischen und späteren Bewohner<span class="pagenum"><a id="Seite_59"></a>[S. 59]</span> Europas, so auch in den -Pfahlbauten in den Seen und Torfmooren um die Alpen herum begegnen, -wie er sich auch in der Urzeit in Mesopotamien und Ägypten nachweisen -läßt. Es ist dies das bereits erwähnte <em class="gesperrt">Torfrind</em> der Pfahlbauern, -das in der Vorzeit überall in Europa als Haustier gehalten wurde und -wahrscheinlich teils schon der Milchgewinnung diente, teils auch den -Pflug zog, wie uns verschiedene Felsenzeichnungen von Nordafrika bis -Skandinavien aus der Metallzeit zeigen. Rütimeyer nannte diese Rasse, -die er aus den Überresten der Pfahlbauten der Schweiz kennen lernte, -<em class="gesperrt">Kurzhornrind</em> (<span class="antiqua">Bos brachyceros</span>), während der englische -vergleichende Anatom Richard Owen sie als <em class="gesperrt">Langstirnrind</em> (<span class="antiqua">Bos -longifrons</span>) bezeichnete.</p> - -<p>Dieses zierliche Hausrind mit zarten Gliedern und langem, schmalem -Schädel mit breiter Stirne, die über die Hälfte der Schädellänge mißt, -tritt uns von Anfang an in Europa in ihren charakteristischen, alle -Zebumerkmale außer dem Fetthöcker aufweisenden anatomischen Merkmalen -und Eigenschaften entgegen, so daß wir mit Bestimmtheit von ihm sagen -können, daß es vollkommen domestiziert hier eingeführt wurde, und -zwar nach Konrad Keller vorzugsweise aus Nordafrika. Er stützt sich -dabei nicht bloß auf die Tatsache, daß sich eine dem alten Torfrind -ganz nahe stehende Rasse hier bis nach Marokko hinein auffallend rein -erhielt, sondern besonders darauf, daß die Annäherung des afrikanischen -Zeburindes an unsere europäischen Braunviehschläge um so größer ist, -je mehr man in Afrika nach Norden hin vorschreitet. Schon Nubien -besitzt eine feinköpfige und kurzhornige Rasse, die dem algerischen und -marokkanischen Rind auffallend nahe steht. Außerdem haben die kleinen -beweglichen Zeburinder noch eine zweite direktere Wanderstraße aus -ihrer Heimat Südasien nach Europa eingeschlagen, die über Mesopotamien, -Kleinasien und durch die Donauländer ins Herz unseres Kontinentes -führte. Keller hielt diesen direkten Import aus Asien für sekundär -und nicht sehr ausgiebig, was wir nicht ganz unterschreiben möchten, -da alle übrigen Kulturerrungenschaften der europäischen Neolithiker -viel mehr nach Westasien als nach Nordafrika hinweisen. Jedenfalls -hat der rege Handelsverkehr der Mittelmeerländer schon frühe wichtige -Erzeugnisse Nordafrikas, zumal Ägyptens, nach Norden gebracht. Der -bevorzugte Weg wird dabei aus dem Niltal über die ägäische Inselwelt -nach dem Schwarzen Meer und von da donauaufwärts gegangen sein.</p> - -<p>Überreste dieses Torfrindes von Bantengabstammung haben sich in den -Braunviehschlägen der Zentralalpen ziemlich rein, am reinsten<span class="pagenum"><a id="Seite_60"></a>[S. 60]</span> um -das Gotthardmassiv herum beim sogenannten Schwyzervieh, erhalten. -Die Haarfärbung wechselt vom dunkeln Braun bis zum hellen Mäusegrau. -Als Rassekennzeichen gilt das dunkle Flotz- oder Rehmaul mit heller -Umrahmung und ein heller, als Aalstrich bezeichneter Rückenstreifen. -Diese Merkmale finden sich auch bei ostasiatischen und indischen -Rindern. Auch ist der als Spiegel bezeichnete umfangreiche weiße Fleck -am Hinterteil des Banteng als ein Rückschlag in Gestalt einer heller -gefärbten Stelle am Hinterbacken nicht selten bei den einfarbigen -braunen Kühen um das Gotthardmassiv herum zu sehen. In Südeuropa gehört -dazu das dunkle sardinische, illyrische und albanesische Rind, im Osten -das weitverbreitete polnische Rotvieh, das sich auch über das nördliche -Rußland ausdehnt und im Nordwesten das hochgezüchtete und seiner -Milchergiebigkeit wegen berühmte Jersey- oder Kanalrind.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="bild8" > - <img class="w100" src="images/bild8.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 8. Rinder im alten Ägypten werden mit einem - eingebrannten Eigentumsstempel versehen.<br /> - 1. Das Eisen wird glühend gemacht, 2. u. 4. die gefesselten Rinder - werden gebrannt. (Nach Wilkinson.)</div> -</div> - -<p>Diese kleinen Rinder haben, wie auch das Zebu, von dem sie sich -ableiten — man denke nur an das hornlose altägyptische, das heutige -Somalirind, die Rinder von Unjoro und Berta — schon sehr frühe auch -hornlose Formen hervorgebracht, die sich bereits in der neolithischen -Pfahlbauzeit nachweisen lassen. Hornlose Rinder sollen auch die Skythen -besessen haben. Jetzt sind sie außer in Zentralafrika, wo die meisten<span class="pagenum"><a id="Seite_61"></a>[S. 61]</span> -Rinder hornlos und ohne Fettbuckel sind, hauptsächlich über Nordeuropa -verbreitet, so in Nordrußland, Skandinavien, Island, Schottland, -England, Wales und sporadisch in Oldenburg. Auch in Irland scheint -diese Rasse früher sehr verbreitet gewesen zu sein, da man in alten -Ansiedelungen viele ungehörnte Schädel derselben fand. Die Haarfarbe -dieses hornlosen Viehs ist vorzugsweise weiß, doch kommen auch -gelbrote, braunrote und schwarze Nuancen vor.</p> - -<p>Mit der Kurzhornrasse von Zebuabstammung, dem Torfrind, eng verwandt -und durch künstliche Züchtung offenbar auf europäischem Boden -entstanden, ist das durch auffallende Kürze des Kopfes ausgezeichnete -<em class="gesperrt">Kurzkopfrind</em> (<span class="antiqua">Bos brachycephalus</span>). Bei ihm ist die Stirne -zwischen den Augen sehr breit und unten stark eingezogen, das drehrunde -Gehörn ist stark, oft sehr groß und leierförmig, meist weiß mit -schwarzer Spitze. Die Haarfarbe ist braun bis gelb, selbst weiß und rot -bis schwarz, häufig mit weißem Abzeichen. Wie beim Braunvieh läßt sich -bei dunkeln Varietäten häufig eine weiße Einfassung des Flotzmaules, -eine weiße Innenseite des Ohres und ein ebenso gefärbter Aalstrich auf -dem Rücken erkennen.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="bild9" > - <img class="w100" src="images/bild9.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 9. Pflügen mit einem Ochsengespann im alten - Ägypten. (Nach Wilkinson.)</div> -</div> - -<p>Nach Keller tauchen die Kurzkopfrinder zuerst auf dem Boden Italiens -auf und wurden dann vermutlich durch römische Kolonisten nach Norden -gebracht. Er glaubt, sie ließen sich ihrer Abstammung nach auf das -altägyptische Langhornrind zurückführen und seien wahrscheinlich schon -in vorgeschichtlicher Zeit nach Europa gelangt und hier umgezüchtet -worden. Diese Ansicht kann nach den bisher bekannt gewordenen -Tatsachen nicht aufrecht erhalten werden. Das Kurzkopfrind war schon -in vorgeschichtlicher Zeit, nämlich zu Ende des 3. Jahrtausends v. -Chr., nördlich der Alpen an den Schweizerseen zu finden. Dürst glaubt -es bereits auf babylonischen Siegelzylindern aus dem Beginne des 3. -vorchristlichen Jahrtausends nachweisen zu können. Auch im alten -Ägypten wurde es bereits gehalten, ebenso in Arabien<span class="pagenum"><a id="Seite_62"></a>[S. 62]</span> und Nordafrika, -wo man teilweise Knochenüberreste von ihm fand. In Südeuropa muß es -im letzten Jahrtausend v. Chr. allgemein verbreitet gewesen sein. Die -Reste desselben aus der helvetisch-römischen Zeit in Vindonissa und -Aquae weisen auf ein sehr stattliches Tier hin, wie es sich heute noch -im Südwesten von Europa auf der iberischen Halbinsel in stärkster -Entwicklung vorfindet. In Deutschland gehört dazu das ebenfalls -stattliche Rind des bayerischen Allgäu. Kleiner ist das gleicherweise -hierher gehörende Eringerrind aus dem südlichen Wallis, das meist -einfarbig, schwarz oder dunkelbraun mit rötlichem Anflug gezüchtet -wird. Verwandt damit ist der Zillertaler, der Pustertaler und der Duxer -Schlag, dann der Voigtländer und der Egerländer Schlag, das Devonrind -in den englischen Grafschaften Devonshire, Sussex und Hereford, wie -auch das Rind der Kanalinseln (Jersey u. a.). Noch näher scheint der -Urrasse das Albanesenrind zu stehen. Jedenfalls hat sich diese uralte -Rinderrasse am besten in den entlegenen Gebirgstälern erhalten und -stellt so gewissermaßen die Gebirgsform des Rindes dar.</p> - -<p>Zu diesen Rindern von südasiatischer Abstammung kommen meist -großgehörnte Formen von schwerem Körperbau, die anatomisch -durchaus nicht auf den Banteng, sondern auf den <em class="gesperrt">Ur</em> (<span class="antiqua">Bos -primigenius</span>) zurückzuführen sind. Dieses neben dem <em class="gesperrt">Wisent</em> -(<span class="antiqua">Bison europaeus</span>) seit der diluvialen Zeit bei uns lebende -Wildrind war teilweise größer als unsere Hausrinder und besaß einen -Schädel von auffallend geradlinigem Umriß, mit schief nach vorn -gerichteten Augenhöhlen und schief aufsteigendem Unterkieferast. -Der Gesichtsschädel zeigt eine verhältnismäßig starke Entwicklung; -die Stirnbeine sind flach und stoßen in rechtem Winkel mit der -Hinterhauptsfläche zusammen. Das mächtige Gehörn besaß im ganzen -Leierform, wandte sich zuerst nach außen, dann nach innen oben mit -aufwärts gerichteten Spitzen. Während sich also bei ihm das ziemlich -lange Gehörn gegeneinander krümmte, war es beim Wisent nicht nur -kürzer, sondern auch nach einwärts und rückwärts gekrümmt. Dabei besaß -letzteres einen dreieckigen Kopf, starke Mähne und abfallenden Rücken, -während der Ur, dem Hausrinde ähnlich, einen länglichen Kopf, keine -Mähne und einen geraden Rücken besaß. Außerdem war es schwarz und nicht -dunkelbraun wie jenes gefärbt.</p> - -<p>Das Verbreitungsgebiet des Ur erstreckte sich außer durch ganz -Europa, wo er sich am längsten im nördlichen Rußland erhielt, auch -über ganz Nordasien bis zum Altaigebirge und reichte nach Süden bis -zum Bergland von Armenien und Nordbabylonien. Die Assyrier<span class="pagenum"><a id="Seite_63"></a>[S. 63]</span> kannten -ihn sehr wohl unter dem Namen <span class="antiqua">rimu</span>, was identisch mit dem -biblischen <span class="antiqua">reem</span> ist. Nach einem Relief des um 884 v. Chr. durch -Asurnasirpal erbauten Nordwestpalastes in Nimrud, auf welchem dieser -König einem Ur das Messer ins Genick stößt, bildete dieses gewaltige -Tier damals noch ein geschätztes Jagdobjekt für die Fürsten von Assur. -Auf dieser Darstellung hat der Künstler, der dieses Tier genau gekannt -haben muß, nicht nur das starke Gehörn, sondern auch den schief -aufsteigenden Unterkieferast in sehr naturgetreuer Weise dargestellt, -so daß wir unverkennbar einen Ur — früher auch Auerochse genannt -— vor uns haben. Daß diese Tiere damals noch in größerer Menge in -Nordbabylonien vorkamen, beweist die Tatsache, daß dieser König nach -einer Inschrift auf einer Jagd deren nicht weniger als fünfzig erlegte -und acht gefangen nahm. Diese letzteren werden im Wildparke des Königs -Aufnahme gefunden haben. Auch anderweitig berichten uns assyrische -Texte, daß junge Ure gefangengenommen und in der Gefangenschaft -weitergezüchtet wurden. So scheint in Nordbabylonien der Ur zuerst -gezähmt und für den Haustierstand in der Obhut des Menschen vorbereitet -worden zu sein. Dies geschah zweifellos schon weit früher als zu Beginn -des letzten Jahrtausends v. Chr., da wir urähnlichen Rindern schon -auf den ältesten babylonischen Siegelzylindern und in Form prächtig -modellierter Köpfe aus Bronze, die noch in die sumerische Zeit ins -dritte Jahrtausend v. Chr. zurückreichen, begegnen. Dabei scheinen die -Assyrier offenkundig diese gezähmten Rinder von Urabstammung zu opfern -bevorzugt zu haben. Wenigstens werden sie in ihrer charakteristischen -Erscheinung bei assyrischen Opferszenen, z. B. am Palast von Balawat, -dargestellt, während wir unter den ebendort abgebildeten Rindern als -Tribut fremder Völker ganz anders gekrümmte Hörner finden, die stark an -ägyptische Darstellungen erinnern. Letztere waren zweifellos Hausrinder -von Bantengabstammung.</p> - -<p>Aus geschichtlicher Zeit haben wir mehrfache Zeugnisse über das -Vorhandensein dieses mächtigen Wildrindes in Europa, so von Julius -Cäsar, der in seinem Buche über den gallischen Krieg schreibt, daß im -hercynischen Wald — worunter jener römische Autor das Waldgebirge -Mitteldeutschlands vom Rhein bis zu den Karpaten verstand — ein -<span class="antiqua">urus</span> genanntes Wildrind lebe, das äußerlich einem Stier -gleiche, aber an Größe nur wenig hinter dem Elefanten zurückstehe. Mit -letzterer Angabe hatten ihm seine germanischen Gewährsmänner einen -„Bären aufgebunden“, wie sie ihm auch sagten, die Beine des Elches -(<span class="antiqua">alces</span>) seien stocksteif und hätten keine Gelenke. „Deshalb -legen sich die Tiere,<span class="pagenum"><a id="Seite_64"></a>[S. 64]</span> wenn sie ruhen wollen, nicht nieder, können auch -nicht wieder aufstehen, wenn sie zufällig hinfallen. Um zu schlafen, -lehnen sie sich also an Bäume. Solche Plätze merken sich die Jäger, -machen heimlich einen Einschnitt in jeden Baum, so daß er an sich -stehen bleibt, aber umfällt, wenn sich das Tier daranlehnt.“ Noch manch -anderes solch altdeutsches Jägerlatein hat der große römische Stratege -und kluge Staatsmann als baare Münze entgegengenommen.</p> - -<p>Nach Cäsar spricht dessen Zeitgenosse Vergil im zweiten Gesang -seiner Verherrlichung des Landbaues vom Ur, indem er sagt, man solle -die Weinberge einzäunen, damit das Vieh (<span class="antiqua">pecus</span>) ihnen nicht -schädlich werde. Darunter zählt er außer den Schafen und dem Jungvieh -die Rehe und die wilden Ure aus den Wäldern (<span class="antiqua">silvestres uri</span>). -Das Landgut, das dieser Darstellung zugrunde liegt, war höchst -wahrscheinlich des Dichters eigenes, das väterliche Gut in Andes bei -Mantua, in welchem er am 15. Oktober 70 v. Chr. geboren wurde. Also -müssen noch im letzten vorchristlichen Jahrhundert die Ure von den -dichten Wäldern an den Vorbergen der Alpen weit in die lombardische -Ebene hinein gewechselt sein. Im dritten Gesang wird von Vergil eine -schwere Seuche, anscheinend Milzbrand, geschildert, die den ganzen -Viehstand der Krainer Alpen vernichtet hatte. Als danach das Fest der -Göttermutter herankam, hatte man keine Ochsen (<span class="antiqua">boves</span>), um mit -ihnen den Prozessionswagen der Göttin zu bespannen, und mußte statt -ihrer (kastrierte) Ure nehmen (Vers 531). Also muß es damals neben -den wilden auch zahme Ure gegeben haben, die man als eine besondere -Tiergattung vom Rindvieh unterschied. Allem nach scheinen auch diese -zahmen Ure seuchenfester als die echten Rinder gewesen zu sein. Das -mag mit ein Grund gewesen sein, daß in der Folge in manchen Gegenden -Südosteuropas das Vieh vom Primigeniusstamme, also vom Ur abgeleitet, -die Oberhand über die älteren, gegen Seuchen empfindlicheren Rassen von -Bantengabstammung gewann.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel11" > - -<p class="captop">Tafel 11.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel11.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Der Assyrerkönig Assurnasirpal auf der Urjagd.<br /> - Ein Ur ist mit Pfeilen erlegt, ein anderer, wohl in Netzen gefangen, - wird vom König lebend eingebracht.<br /> - (Nach einer Photographie von Mansell & Cie. in London.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel11_gross.jpg" id="tafel11_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel12" > - -<p class="captop">Tafel 12.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel12.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Zuchtstier „Walo“, der Schwyzerrasse angehörig, auf der - Gutswirtschaft der Maggi-Gesellschaft in Kempttal.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel12_gross.jpg" id="tafel12_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel13" > - -<p class="captop">Tafel 13.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel13.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Mehrfach prämiierte Kuh der Schwyzerrasse auf der - Gutswirtschaft der Maggi-Gesellschaft in Kempttal.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel13_gross.jpg" id="tafel13_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel14a" > - -<p class="captop">Tafel 14.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel14a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Wisent aus dem Kaukasus im Zoologischen Garten von Berlin.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel14b" > - <img class="w100" src="images/tafel14b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Amerikanischer Bison im Zoologischen Garten von Berlin.<br /> - (Beide nach einer Photographie der Neuen photogr. Gesellschaft in Steglitz.)</div> -</div> - -<p>Im 1. Jahrhundert n. Chr. schreibt dann der ältere Plinius in seiner -Naturgeschichte: „Germanien ist durch das Vorhandensein von zwei -Arten wilder Rinder merkwürdig, nämlich durch den mit einer Mähne -geschmückten Bison (Wisent) und den Ur, der sich durch Kraft und -Schnelligkeit auszeichnet.“ Tacitus weiß in seinen Annalen von einem -römischen Steuerbeamten zu berichten, der die Friesen dadurch zum -Aufstand trieb, daß er ihnen für die Entrichtung ihres in Ochsenfellen -bestehenden Tributs Urfelle als Muster vorschrieb. Solche in größerer -Menge zu beschaffen mochte ihnen schwer fallen. Wie<span class="pagenum"><a id="Seite_65"></a>[S. 65]</span> Plinius -spricht auch das Nibelungenlied von zwei in Germanien hausenden -Wildrindern, dem Wisent und dem Ur. Letzterer wurde noch im 10. -Jahrhundert in der Umgebung des Klosters St. Gallen gejagt und sein -Fleisch an der Klostertafel nebst dem des Bibers und anderer dort heute -längst ausgerotteter Tiere verspeist, wie wir den Benediktionen oder -Tischgebeten des dort lebenden und 973 verstorbenen Mönches Ekkehard -I. entnehmen können. Nach Alfred Nehring wurde in Bromberg ein -aus dem 12. oder 13. Jahrhundert stammender Urstierschädel aufgefunden, -der auf der Stirne noch Spuren von drei Lanzenstichen aufweist, als -Beweis dafür, daß er um jene Zeit dort noch gejagt wurde. Noch ums Jahr -1550 erhielt der österreichische Gesandte und Freiherr von Heberstain -auf einer diplomatischen Reise nach dem Königreiche Polen in Masovien -vom König Sigismund August von Polen einen dort getöteten Ur als -Geschenk. Das Tier war damals freilich nicht mehr zahlreich, sondern -auf einen kleinen Bestand in Masovien zusammengeschmolzen. Später -erhielt der Züricher Zoologe Konrad Geßner von einem seiner Schüler, -Schneeberger, und von Johann Bonar zuverlässige Nachrichten über den -in Polen lebenden und dort Thur genannten Ur und berichtete darüber -1560. Zuletzt hat August Wrzesniowski in einer 1878 in der Zeitschrift -für wissenschaftliche Zoologie veröffentlichten Arbeit an Hand der -polnischen Quellen nachgewiesen, daß schon im 13. Jahrhundert die Jagd -auf den „Thur“ ein ausschließliches Vorrecht der Herzoge von Masovien -war, er bereits im 16. Jahrhundert selten zu werden begann und nur noch -in den Forsten von Jaktorowka (etwa 55 <span class="antiqua">km</span> westlich von Warschau) -vorkam. Hier wurde er zuletzt, wie heute der Wisent im urwaldähnlichen -Riesenforste von Bjelowjesha im russisch-litauischen Bezirke Grodno, -förmlich gehegt und über die noch vorhandenen Exemplare Buch geführt. -1564 zählte man nur noch 30 und 1599 24 Stück. 1602 ging der Bestand -auf 4 Thure zurück und 1627 starb die letzte Urkuh.</p> - -<div class="figcenter illowe17_1875" id="bild10" > - <img class="w100" src="images/bild10.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 10. Zeichnung eines Urstiers aus der Höhle von - Combarelles. Breite der Originalzeichnung 90 <span class="antiqua">cm</span>.<br /> - (Nach Capitan und Breuil.)</div> -</div> - -<p>Außer verschiedenem Skelettmaterial aus Torfmooren — so einem nahezu -vollständigen Skelett, das 1887 am Schwielochsee im Kreise Lübben in -der Niederlausitz aufgefunden wurde und sich jetzt im Mu<span class="pagenum"><a id="Seite_66"></a>[S. 66]</span>seum der -Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin befindet — besitzen wir -auch noch leidliche Bilder von diesem gewaltigen Wildrinde Europas. -Heberstain, der letzte Zeuge, der den Ur noch sah, ließ eine Abbildung -herstellen, die durch Konrad Geßner in weiteren Kreisen bekannt wurde. -Daneben existiert noch ein vom Engländer Hamilton Smith bei einem -Augsburger Kunst- und Antiquitätenhändler entdecktes Urstierbild, das -im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts in Öl auf Holz gemalt wurde, -1827 in Griffiths „Animal Kingdom“ zur Veröffentlichung gelangte und -seither im Original verschollen ist. Eine weit bessere Darstellung gibt -das bereits erwähnte alte Jagdbild vom Palaste des assyrischen Königs -Asurnasirpal aus dem Beginn des 9. Jahrhunderts v. Chr., besonders -aber die aus bester mykenischer Zeit Griechenlands, aus der Mitte -des zweiten Jahrtausends vor Chr. stammenden Rinderfiguren auf den -Goldbechern von Vaphio, dem alten Amyklai. Es sind dies die weitaus -besten Urbilder, die wir besitzen. Diese in einem prähistorischen -Kuppelgrab 1888 gefundenen beiden Goldbecher, die offenbar aus der -gleichen Werkstätte hervorgingen, zeigen in einem Basrelief den Fang -und die Zähmung des wilden Urs. Der eine Becher (I) stellt -dar, wie ein Ur sich in einem von starken Stricken verfertigten -Netze fängt und dabei überkugelt, während zwei andere in gestrecktem -Galopp aus dem Bereiche des Netzes flüchten, wobei der eine zwei -sich ihm entgegenstellende, mit Wams und Hosen bekleidete Männer -über den Haufen rennt, den einen derselben auf die Hörner nimmt und -davonschleudert. Der andere (auf Tafel II) stellt vier gezähmte -Ure, drei Männchen und ein Weibchen dar, welch letzteres sein Haupt in -Profilstellung dem ihm zunächst stehenden Stier zuwendet. Davor steht -ein mit Wams und Hosen bekleideter Mann, der einen laut aufbrüllenden -Urstier mit einem dicken Strick am linken Hinterbein gefesselt hält.</p> - -<div class="figcenter illowe40_625" id="bild11_12" > - <img class="w100" src="images/bild11_12.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 11 u. 12. Darstellungen in getriebener Arbeit auf den - beiden massiv goldenen Bechern aus dem Kuppelgrabe von Vaphio, dem alten - Amyklai, aus bester mykenischer Zeit (Mitte des 2. vorchristlichen - Jahrtausends) aufgerollt, um das Einfangen und die Zähmung des Wildrindes der - Primigeniusrasse zu zeigen.</div> -</div> - -<p>Diese unschätzbar wichtigen Darstellungen von überaus hohem -künstlerischem Wert zeigen uns, wie in vorgeschichtlicher Zeit -neben dem von Südasien gezähmt eingeführten Torfrind das stärkere -einheimische Wildrind gefangen und unter des Menschen Botmäßigkeit -gebracht wurde, um aus ihm ein nützliches Haustier zu machen. Wie -dies noch nach der Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends -in Griechenland geschah, was uns der Becher von Vaphio beweist, -dessen Darstellung nur von einem Manne geschaffen worden sein kann, -der persönlich beim Fange dieses Wildrindes mit Hilfe von starken -Jagdnetzen zugegen war und den Vorgang aus eigener Anschauung, nicht -nur vom<span class="pagenum"><a id="Seite_67"></a>[S. 67]</span> Hörensagen schildert, so ist dies wahrscheinlich schon mehr -als tausend Jahre früher in Nordeuropa, außerdem auch in Westasien, -speziell Nordbabylonien, und vielleicht an anderen Orten gemacht -worden und hat zur Gewinnung eines sehr kräftigen Rinderschlages -geführt, das uns, dem Wildrinde noch recht nahestehend, bereits in den -jüngeren Pfahlbauten entgegentritt. Diesem gezähmten Primigeniusrind -des vorgeschichtlichen Europa, das uns weder in Asien östlich von -Mesopotamien, noch in Afrika entgegentritt, steht von heute lebenden -das großhörnige schottische Hochlandrind von schwärzlicher bis -grauer Haarfärbung am nächsten. Ferner das ebenfalls großhörnige -weiße eng<span class="pagenum"><a id="Seite_68"></a>[S. 68]</span>lische Parkrind, das schon bei den alten Kelten in hohem -Ansehen stand. Berichten doch die etwa aus dem 11. Jahrhundert -stammenden Gedichte des angeblichen gälischen Barden Ossian, des -Sohnes König Fingals, aus dem 3. Jahrhundert n. Chr., daß zwei -Häuptlinge wegen eines weißen Stieres in eine erbitterte Fehde -gerieten, die erst mit dem Tode des einen beigelegt wurde. Ebenfalls -ein Primigenius-Abkömmling ist das in gleicher Weise wie die vorigen -einfarbige, großhörnige, überaus wetterharte und genügsame, aber nur -geringe Milchergiebigkeit und Mastfähigkeit aufweisende Steppenrind -Podoliens und Südrußlands. Als „graues Steppenrind“ finden wir es in -Ungarn und in der römischen Campagna. Dieses silbergraue Vieh der -römischen Campagna wurde nicht erst, wie man noch vor kurzem annahm, -durch die Langobarden in Mittelitalien eingeführt, sondern ist hier -schon in vorgeschichtlicher Zeit nachweisbar. So finden wir es deutlich -auf der der La Tènezeit angehörenden Situla (Eimer) aus der Certosa -von Bologna noch mit vorwärts zeigendem Gehörn dargestellt, als -Beweis dafür, daß dieses Rind dem Ur sehr nahestand und nur geringe -Veränderungen infolge von Domestikation aufwies. Über die Niederungen -Rußlands finden wir das Steppenrind von Primigeniusabstammung durch -ganz Sibirien, aber nicht mehr überall in reiner Rasse. So weist -beispielsweise das Kirgisenrind eine beträchtliche Beimischung von -Zebublut zum Primigeniusblut auf. Solche Kreuzungen wurden jedenfalls -bereits in vorgeschichtlicher Zeit in ausgedehntem Maße vorgenommen, -wozu die einheimischen Hausrinder genugsam Gelegenheit gaben. Nicht -selten werden aber auch die zahmen Ure auf der Weide von wilden -Urstieren belegt worden sein, wie es heute noch in Hinterindien häufig -genug vorkommt, daß zahme Zebukühe von wilden Bantengstieren befruchtet -werden, was die Malaien als eine willkommene Blutauffrischung gerne -sehen.</p> - -<p>Von Mischungsprodukten zwischen Torfrind und Primigeniusabkömmlingen -sind wohl die meisten spurlos untergegangen und andere sind durch -künstliche Züchtigung stark umgebildet worden. Eine solche durch -Umzüchtung aus der älteren Primigeniusrasse ohne bedeutende -Torfrindblutbeimischung hervorgegangene Rinderart ist nach L. Rütimeyer -das von Nilsson als Frontosusrasse bezeichnete <em class="gesperrt">Großstirnrind</em> -(<span class="antiqua">Bos frontosus</span>), das zur Bronzezeit neben dem kleinen, -zierlichen Torfrind zuerst in Nordeuropa, und zwar in Südschweden -auftritt. Von da drang es erst sehr spät weiter nach Süden vor, um -allerdings nur eine sehr lokale Verbreitung zu erlangen. Diese Rasse, -die auch<span class="pagenum"><a id="Seite_69"></a>[S. 69]</span> noch recht schwer, wie das reine Primigeniusrind, werden -kann, zeigt einen Schädel mit unregelmäßigem Umrisse, zwischen den -Augen verbreiteter Stirne, dachiger Hinterstirn, gestielten Hornzapfen -und gewölbten Augenhöhlen. Die Färbung ist rot- oder schwarzscheckig -mit scharf begrenzten Flecken; der Nasenspiegel ist fleischfarben. Noch -jetzt wird diese Rasse im südlichen Schweden gehalten und hat die einst -in England weitverbreitete, jetzt aber dort verschwundene Langhornrasse -aus sich hervorgehen lassen, deren letzte Reste sich in Südschweden in -dem Vieh der Insel Gotland erhielten.</p> - -<p>Wichtiger als sie ist das durch kurze Hörner und schwarze oder -rotscheckige Farbe ausgezeichnete Marschrind der Nordseeküste, zu dem -auch das holländische Rind gehört. Es ist durch seine Milchergiebigkeit -berühmt und scheint hier bis ins Altertum zurückzugehen. Wir wissen -wenigstens, daß schon zur Zeit der Römer am Niederrhein ein ähnlich -großes Rind gezogen wurde. Die größte Bedeutung aber erlangte das -Großstirnrind in der Westschweiz im hochgezüchteten rotscheckigen -Simmentaler- und im schwarzscheckigen, neuerdings stark im Rückgang -begriffenen Freiburger Schlag. Dieses ebenfalls überaus milchergiebige -schweizerische Fleckvieh, das bis zum Bodensee verbreitet ist, scheint -erst zur Zeit der Völkerwanderung in Mitteleuropa eingewandert zu sein -und kam nach Keller vermutlich mit den vom Niederrhein gekommenen -Burgundern nach der Westschweiz. Nicht nur in den westschweizerischen -Pfahlbauten, sondern auch in den helvetisch-römischen Niederlassungen -der Schweiz, z. B. in Vindonissa, fehlen alle Spuren von ihm -vollständig. Keller meint, diese Tatsache sei sehr schwerwiegend; denn -die Römer, die beispielsweise in Vindonissa eine starke Besatzung -zu unterhalten hatten, würden ohne Zweifel vorgezogen haben, die -milchreichen Fleckviehrinder aus der Westschweiz zu holen, falls -solche damals vorhanden gewesen wären, statt die schweren, wenig -Milch liefernden Kurzkopfrinder aus dem Süden über die Alpenpässe in -Helvetien einzuführen, da das kleine einheimische Torfrind den Bedarf -nicht deckte.</p> - -<p>Derselbe Autor meint in seinem Werke über die Abstammung der ältesten -Haustiere: „Über das Verhältnis der Freiburger Schwarzflecken zum -rotbunten Simmentaler Schlag müssen noch eingehendere anatomische -Untersuchungen angestellt werden. Sie gehören zwar nach den -osteologischen Merkmalen zur Frontosusrasse, dagegen ist das -Gehörn steiler aufgerichtet und nach meiner Beobachtung häufig -primigeniusähnlich. Daher die Behauptung, daß das Freiburger Vieh -Ein<span class="pagenum"><a id="Seite_70"></a>[S. 70]</span>wirkungen von niederländischem Vieh erhalten habe. Andere -vermuten eine Vermischung mit Braunvieh. Leider war es mir bei dem -starken Rückgang dieses Schlages bisher nicht möglich, ausreichende -Schädelserien zu beschaffen, wie denn überhaupt die Erwerbung von -Haustiermaterial auf kaum glaubliche Schwierigkeiten stößt.“</p> - -<p>Das ziemlich verwahrloste Rind Sibiriens repräsentiert nach den -Untersuchungen von Okulitsch einen unvermischten Primigeniustypus. Die -Färbung desselben ist vorwiegend rot; doch gibt es in der Umgebung -von Tomsk auch graue Rinder dieses Schlages. Die Milchergiebigkeit -der sibirischen Kühe ist gering; dennoch ermöglicht der bedeutende -Viehstand eine starke Ausfuhr von Produkten der Milchwirtschaft. So -wurden schon im Jahre 1901 27 Millionen <span class="antiqua">kg</span> Tafelbutter von -Sibirien nach Europa exportiert und seither hat sich diese Ausfuhr -durch bessere Bahntransporte bedeutend erhöht. Der Regierungsbezirk -Tomsk allein weist einen Rinderbestand von gegen 2 Millionen Stück auf.</p> - -<p>Alle weiter südlich in Asien gehaltenen Rinder sind dagegen Abkömmlinge -des gezähmten Banteng, so auch diejenigen Chinas, die oft sehr -klein sind und manchmal einen Fetthöcker aufweisen. Sie werden dort -vorzugsweise zum Pflügen benutzt, ihre Milch überhaupt nicht und das -Fleisch wenig genossen. Ebenso gering ist die wirtschaftliche Rolle des -Rindes in Japan, wo es als Reit- und Lasttier dient und die wenigen -im Lande verkehrenden Wagen zieht. Einen schönen Rinderschlag besitzt -Korea, dessen Bewohner wohl dessen Fleisch, nicht aber die Milch -genießen.</p> - -<p>Wie die meisten Nutztiere hat Amerika auch das Rind durch die -Vermittlung der Europäer erhalten. Auf seiner zweiten Reise brachte -es Kolumbus 1493 nach San Domingo, von wo es sich rasch über die -Antillen verbreitete. Hier verwilderte es teilweise und lieferte in -dem an der Luft und über dem Feuer getrockneten Fleisch, der <span class="antiqua">carne -secca</span>, und in den Häuten bald das hauptsächlichste Ausfuhrprodukt -dieser Inseln. Von diesen verwilderten Rinderherden lebend bildete -sich im 16. Jahrhundert aus Franzosen und Engländern an der Westküste -von San Domingo der Freibeuterstaat der Flibustier — entweder aus -dem Worte <span class="antiqua">freebooters</span>, d. h. Freibeuter, oder aus <span class="antiqua">fly -boaters</span>, d. h. auf rasch fahrenden Schiffen Segelnde entstanden —, -die den das Monopol des amerikanischen Handels besitzenden spanischen -Schiffen auflauerten und sie ausplünderten. Als diese durch Zuzug -von allerlei Abenteurern und der Hefe aller Nationen zu Anfang des -17. Jahrhunderts zu einer<span class="pagenum"><a id="Seite_71"></a>[S. 71]</span> furchtbaren Macht in den westindischen -Gewässern geworden waren, die, bald von der einen, bald von der -andern Regierung begünstigt oder gar in Sold genommen, später nicht -nur gegen die Spanier, sondern gegen alle Besitzenden kämpften, sahen -sich die europäischen Staaten genötigt, gegen diese bedrohliche Macht -einzuschreiten. Vor allem gründete Frankreich, da sich ein großer Teil -der Flibustier aus Franzosen zusammensetzte, in diesem westlichen Teil -von San Domingo eine Kolonie, die bald durch ausgezeichnete Gouverneure -zur Blüte gelangte. Mit dieser Gründung verloren die wilden Rinder der -Insel bald ihre Bedeutung; doch exportiert der spanische Teil immer -noch stark Fleisch und Häute derselben nach der jetzt dort errichteten -Negerrepublik.</p> - -<p>Ums Jahr 1525 gelangte das Rind nach Mexiko, wo sich seine Zucht an den -grasreichen östlichen Abhängen der Anden stark ausbreitete. Neuerdings -haben sich dort auch edlere europäische Rassen, wie die Holländer und -das hellfarbige, meist rotfleckige, kurzhörnige Vieh der englischen -Grafschaft Durham, eingebürgert.</p> - -<p>Mittelamerika hatte im 17. Jahrhundert eine starke Viehzucht in -Honduras. Auch Kolumbien erhielt im 16. Jahrhundert sein Vieh von den -westindischen Inseln. In die Grassteppen von Venezuela brachte es -Christobal Rodriguez 1548. Hier gedieh es vortrefflich und verwilderte -bald. So begegnete schon der sogenannte Tyrann Aguirre 1560 in der -Nähe von Valencia wilden Rinderherden. Um 1800 führte Venezuela ohne -die zahlreichen geschmuggelten etwa 170000 Rinderhäute jährlich aus. -Von der Kapverdeninsel San Vincente aus brachten die Portugiesen das -Rind 1581 nach Brasilien, wo es sich der brasilianischen Indolenz -entsprechend recht langsam von der Küste nach dem Innern ausbreitete. -Nach den Angaben von Southeys Geschichte von Brasilien kam es erst -1720 nach Goyaz, 1739 nach Matto Grosso und 1788 in das Gebiet des -oberen Amazonenstroms. Gegenwärtig besitzen die Provinzen Minas -Geraes, Matto Grosso, San Paulo und Rio Grande do Sul eine ausgedehnte -Viehwirtschaft. Wiederholt sind Zebus aus Indien als Zuchtmaterial -in Matto Grosso eingeführt worden, und Bastarde derselben mit den -aus Europa eingeführten Rassen sind stark verbreitet. Durch großes -Gehörn ist die ursprünglich in San Paulo heimische Franqueirorasse -ausgezeichnet. Nur in Minas Geraes wird Milchwirtschaft getrieben -und ein grober, schlechter Käse gewonnen, der nur im Lande selbst -gebraucht werden kann. Der Brasilianer ißt diesen Käse gern mit -eingedicktem Zuckerrohrsaft zusammen, ähnlich<span class="pagenum"><a id="Seite_72"></a>[S. 72]</span> wie die Helden Homers -eine Mischung von Honig, Käse und Wein tranken. Sonst wird überall -in Brasilien das Vieh bloß zur Gewinnung von Häuten und Hörnern für -den Export nach Europa und zur Herstellung von getrocknetem Fleisch -für den einheimischen Verbrauch gehalten. Dies war auch in den Pampas -Argentiniens der Fall, wo vom 17. Jahrhundert an große halbwilde -Viehherden vorhanden waren. Diese nahmen ihren Ursprung von 7 Kühen -und einem Stier, die Kapitän Juan de Salazar 1546 von Andalusien nach -Südbrasilien brachte, von wo aus sie ein gewisser Gaeta in seinem -Auftrage über Land nach Paraguay trieb. Er entledigte sich dieser -schwierigen Aufgabe vorzüglich und erhielt als Belohnung eine von den -Kühen geschenkt, was für ihn jedenfalls einen sehr wertvollen Besitz -darstellte.</p> - -<p>Von Paraguay drang das Rind bald südwärts in die Pampas von Argentinien -vor, von wo schon 1580 die erste Ladung Häute von dem damals eben -gegründeten Buenos Aires nach Spanien ausgeführt wurde. Hier vermochte -es in der Steppe überall leicht zu verwildern, während in den mehr -waldigen Gebieten Paraguays dies wegen des Vorkommens einer sehr -lästigen Aasfliege, die ihre Eier in jede Wunde legt, nicht möglich -war. Da für diese Fliegen der Nabelstrang des neugeborenen Kalbes eine -sehr willkommene Ablagestelle für die Eier bot, die eine Entzündung -und schließlich den Tod des Kalbes herbeiführten, so gingen jeweilen -alle Kälber zugrunde, bei denen nicht menschliche Hilfe fürsorgend -eintrat. So weit also der Bezirk dieser Fliege reichte, gab es keine -wilden Rinder. Im Süden aber, wo sie im offenen Graslande fehlte, -vermehrten sich die halbwilden Viehherden dermaßen, daß das einzelne -Stück fast wertlos und im 18. Jahrhundert nach Dobrizhoffer für -einen Real, d. h. etwa fünf Groschen zu haben war. So wurden sie -nur zur Gewinnung der Haut und etwa noch der Zunge als Delikatesse -getötet, und nur ausnahmsweise das saftigste Fleisch von den Lenden -zur Gewinnung von <span class="antiqua">carne secca</span> verwendet. Um diesen Reichtum -wenigstens einigermaßen auszubeuten, wurde im vorigen Jahrhundert an -der Küste nördlich von Buenos Aires, in Fray Bentos, die Liebigsche -Fleischextraktfabrik eingerichtet, die heute noch das meiste Fleisch -auf dieses ihr Spezialprodukt hin verarbeitet, daneben aber auch -konserviertes Fleisch, Fett und Knochen gewinnt, die sie mit den Häuten -auf den europäischen Markt bringt. Neuerdings suchen die Kulturstaaten -Europas mit dem Fleischüberfluß Argentiniens die Fleischnot in -ihrem eigenen Lande zu bekämpfen, und dies mit bestem Erfolge. In -besonderen Schiffen mit Kühlräumen wird das<span class="pagenum"><a id="Seite_73"></a>[S. 73]</span> Fleisch gefroren, wie -das schon seit längerer Zeit von Australien nach England gebrachte -Schaffleisch, aus Argentinien zu uns gebracht und findet überall willig -Absatz. Jedenfalls ist Argentinien mit seinen grasreichen Ebenen vor -andern Ländern dazu berufen, in der Viehhaltung eine führende Rolle -zu spielen. Auch in Chile hat es einst eine bedeutende Rinderzucht -gegeben. So fand v. Tschudi noch 1858 in Santiago das Straßenpflaster -aus den Hüftknochen von Rindern gebildet, die man mit den Gelenkköpfen -nach oben gesetzt hatte. Auch in Peru und Bolivien ist die wilde oder -halbwilde Zucht jedenfalls die wichtigste. Milch geben die Kühe nur -wenige Tassen voll, und auch das nur kurze Zeit. Bei den Indianern ist -keine Neigung zur Haltung des Rindes vorhanden. Letzteres tritt demnach -gegen Patagonien hin, wo die weiße Bevölkerung mehr oder weniger -aufhört, zurück. Auf den Falklandinseln ist es verwildert.</p> - -<p>In Nordamerika ist das erste Vieh zu Ende des 16. Jahrhunderts von -England an die Ostküste nach Virginien gekommen. 1624 brachten es -die Puritaner nach Plymouth in Massachusetts und ein Jahr später die -Holländer nach dem von ihnen auf der Manhattaninsel an der Mündung -des Hudson gegründeten Neu-Amsterdam, dem heutigen New York, mit. -Diese guten Rassen wurden später mit dem wegen der bequemen Verbindung -billigeren spanischen Vieh aus Westindien gekreuzt. Mit den Weißen -verbreitete es sich westwärts, während schon früh vor seiner Ankunft -mexikanisches Vieh nach Texas und Kalifornien gelangt war. Kanada besaß -ursprünglich das Bretagnerind, das die Franzosen 1608 einführten.</p> - -<p>Was die heutige Rinderhaltung in den Vereinigten Staaten anbetrifft, -so geht die Züchtungspraxis der Amerikaner darauf aus, einzelne -ausschließliche Leistungen der Tiere zu bevorzugen; daher werden -die hervorragendsten englischen Fleischrassen und die europäischen -Milchrassen stark bevorzugt. Von letzteren wurden außer südenglischen -Rindern besonders das friesische, dann das Schweizer Braunvieh -eingeführt. Dieses hat nun mehr und mehr das früher ausschließlich -gezogene Texasvieh spanischer Abstammung, das seinerseits wiederum sich -vom hochbeinigen, langhörnigen iberischen Rinde ableitet, auch in den -Südstaaten der Union verdrängt.</p> - -<p>Im Jahre 1788 wurde das Rind von den Engländern nach Australien -eingeführt, wo jetzt Queensland die stärksten Bestände aufweist. Auch -Neuseeland mit seinen weidereichen Alpen hat eine starke Rinderzucht. -Dort gibt es über 1<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Millionen Rinder; daher ist die<span class="pagenum"><a id="Seite_74"></a>[S. 74]</span> Ausfuhr an -Butter und Käse bedeutend. Auch in Ozeanien ist das Rind auf den -meisten Inseln eingeführt, spielt aber meist eine sehr untergeordnete -Rolle im Haushalte des Menschen. Stellenweise, wie z. B. auf der Insel -Tinian, ist es verwildert.</p> - -<p>Außer in Syrien und Kleinasien wird das Rind in ausgedehnten -Gebieten Afrikas als Last- und Reittier verwendet. Schon Herodot -erwähnt Lastochsen aus Nordafrika und Älian hornlose Reitochsen aus -Mysien. Wie die Kirgisen, Kalmücken und viele Kurden, so reiten die -Gallastämme, die Einwohner von Wadai, von Angola und Südafrika auf -besonders dressierten <em class="gesperrt">Reitochsen</em>, die in allen Gangarten gehen -und in schwierigem Terrain durch kein anderes Tier zu ersetzen sind. -Ohne sie könnte man die ausgedehnten Handels- und Jagdzüge durch die -streckenweise oft gänzlich wasser- und futterlosen Einöden gar nicht -unternehmen.</p> - -<p>So sehr sein geistiges Wesen im allgemeinen durch die Knechtschaft -und Bevormundung durch den Menschen abgenommen hat, so ist das Rind, -besonders wenn es in Freiheit aufwächst, nicht so stumpfsinnig wie -unsere in Ställen aufgewachsenen Individuen. Sie lassen sich unschwer -zu allerlei Kunststücken abrichten. So berichtet schon der ältere -Plinius in seiner Naturgeschichte: „Ich habe Ochsen gesehen, welche auf -Befehl kämpften, auf die Hörner fielen und wieder aufstanden, sich auf -die Erde legten und wegtragen ließen, und sogar auf schnellrennenden -Wagen wie Kutscher standen. — Zur Zeit unserer Vorfahren kam oft das -Wunderzeichen vor, daß Ochsen sprachen; wurde dies angezeigt, so mußte -die Senatsversammlung unter freiem Himmel gehalten werden.“ Wie einst -der Apis im alten Ägypten, ist heute noch das Rind im allgemeinen dem -Hindu ein heiliges Tier, so daß er lieber verhungern würde als auch -nur Rindfleisch anrühren. Die Europäer sind ihm geradezu verächtlich, -daß sie dieses für ihn unantastbare Tier schlachten und sein Fleisch -verzehren. Als nützliches Haustier stand es noch bei den Kulturvölkern -des Altertums in hohem Ansehen. So schreibt der gelehrte Römer Varro -im letzten Jahrhundert v. Chr.: „Das Rindvieh dient dem Menschen beim -Landbau, dient der Göttin Ceres, wurde daher seit Menschengedenken -unter den Schutz der Gesetze gestellt und in Attika, wie im Peloponnes, -wurde derjenige sogar mit dem Tode bestraft, der ein Stück Rindvieh -mutwilligerweise getötet hatte.“ Und Plinius sagt: „Der Ochse ist -unser Gefährte bei der Arbeit und beim Ackerbau und stand bei unsern -Vorfahren in solchen Ehren, daß man ein Beispiel hat, wo ein Mann aus -dem Volke zur Verbannung ver<span class="pagenum"><a id="Seite_75"></a>[S. 75]</span>urteilt wurde, weil er auf seinem Landgut -einen Zugochsen geschlachtet hatte, bloß weil einer seiner Vertrauten, -ein frecher Bursche, behauptet hatte, er habe noch keine Kaldaunen -gegessen.“</p> - -<p>Das Rind ist schon im zweiten Jahre seines Lebens fortpflanzungsfähig. -Die Tragzeit währt in der Regel 285 Tage. Das Kalb erhebt sich bald -nach seiner Geburt und saugt schon am ersten Tage an seiner Mutter, -die es liebevoll beleckt und seine Entfernung durch Brüllen beklagt. -Die Lebensdauer scheint 25 Jahre nicht zu übersteigen. Außer grünen -Pflanzenteilen werden auch Früchte aller Art nebst Wurzelgemüsen und -Knollengewächsen, besonders Möhren und Kartoffeln, sehr gern von ihm -gefressen; dabei ist ihm das Lecken von Salz Bedürfnis. Alle seine -Teile werden vom Menschen verwendet, so daß es mit Recht als das -einträglichste aller Haustiere gilt.</p> - -<p>Bei der Besprechung der Rinder dürfte es am Platze sein, einige -Bemerkungen über die Viehzucht unserer Vorfahren in der ältesten, -geschichtlich nachweisbaren Zeit mitzuteilen. Neben dem Wald und -den Äckern gab es bei den Germanen nach der Völkerwanderungszeit -ausgedehnte Wiesen, die nach Urkunden des 8. Jahrhunderts bis zu 130 -und mehr Fuder Heu lieferten. Die Wiesen wurden im Frühjahr gehegt. -Wer zu dieser Zeit sein Vieh darauf trieb und dadurch den Graswuchs -verhinderte, der ward nach den Volksgesetzen der Westgoten nach seinem -Stande verschieden bestraft. Bei den Langobarden konnte der Eigentümer -einer Wiese, der auf derselben ein oder mehrere Schweine antraf, eines -ohne Ersatz totschlagen. Wer eines anderen Wiese mähte, verlor nach dem -Gesetz der salischen Franken seine Arbeit und bezahlte 15 Solidi Buße. -Das war eine sehr strenge Bestrafung, da man damals mit einem Solidus, -einem Goldschilling, eine Kuh zu kaufen vermochte. Ebensoviel Buße -bezahlte er, wenn er das gemähte Gras nach Hause trug; fuhr er es aber -heim, so mußte er 45 Solidi Strafe erlegen.</p> - -<p>Damals war die Viehzucht noch nicht so ausgedehnt, daß sie den -Wirtschaftsbedürfnissen angemessen gewesen wäre. Im Jahre 755 befanden -sich auf einem ziemlich ansehnlichen Hofe 4 Zugstuten, 30 Schafe und -20 Schweine. Doch war das Rindvieh das wichtigste Besitztum des freien -Mannes, der Stolz und Reichtum des Bauern, wie schon Tacitus in seiner -Germania sagt: es sei der einzige Reichtum des Germanen. Dies hat -sich auch in der Sprache ausgeprägt. Wie lateinisch <span class="antiqua">pecunia</span> -Geld zu <span class="antiqua">pecus</span> Vieh gehört, so bezeichnet Schatz im Gotischen -das Vieh, <span class="antiqua">fê</span> (Vieh) im Altnordischen und Süddeutschen<span class="pagenum"><a id="Seite_76"></a>[S. 76]</span> die -Habe; aus <span class="antiqua">fê</span> wurde später Fening und schließlich Pfennig. -„Habe“ oder „Ware“ bedeutete in den deutschen Mundarten Vieh, wie -manchenorts, z. B. im Berngebiet, „Speise“ Käse. Alles Vieh wurde in -alter Zeit weit mehr geweidet als heute, da die Stallfütterung sich -vollständig eingebürgert hat. Der ältere Plinius lobt die germanischen -Weiden, und noch im Mittelalter bot die Allmende Raum genug zum -Weidgange des Viehes der Dorfgenossen. Der Gemeindehirt ist in den -alten Dorfordnungen eine sehr wichtige Person. Da aber die Menge und -die Güte des Futters, sowie die Paarung geeigneter Zuchttiere bei der -freien Weide nicht in dem Maße wie heute, vielfach überhaupt gar nicht -garantiert werden konnte, so vermochte man in jenen frühen Zeiten -keine großen oder sonst wertvollen Schläge zu erzielen. So sagt schon -Cäsar von den Germanen: „Sie brauchen keine eingeführten Zugtiere -(Pferde), aber die bei ihnen geborenen, die klein und häßlich sind, -bringen sie durch tägliche Übungen zu den größten Leistungen“, und -Tacitus berichtet: „Auch das Rind hat (bei den Germanen) nicht seinen -Stirnschmuck (Hörner), man erfreut sich nur an der Zahl desselben.“ -Damals war das Vieh der Germanen durch schlechte Pflege und starke -Inzucht unansehnlich, wie noch heute in abgelegenen Riedgegenden -kleines Vieh, von kaum mehr als 1 <span class="antiqua">m</span> Höhe gehalten wird. Das -Skelett einer zahmen Kuh, das in dem vorgeschichtlichen Torfmoor von -Schussenried in Schwaben gefunden wurde, ist nicht größer als ein -großer Hund und hat winzige Hörner.</p> - -<p>Eine Viehherde hieß bei den Franken <span class="antiqua">sonesti</span>; die einzelnen -Individuen derselben wurden nebst etwaigen Pferden, Schafen und -Schweinen, jedes mit einer Schelle behängt, unter Aufsicht eines Hirten -zusammen ausgetrieben. Durch das Klingeln der Glöckchen konnte man im -weitläufigen Bruch oder bei der beliebten Waldhütung das Entlaufen -der Tiere besser verhindern, entlaufene auch leichter wieder finden -und zur Herde zurücktreiben. Die deutschen Volksrechte bestraften -das Entwenden dieser Klingeln sehr hart. So bestimmte das Gesetz der -salischen Franken für die Entwendung einer Schelle (<span class="antiqua">skella</span>) von -einem Pferde wie von einer Sau 15 Solidi Strafe, 3 aber von anderem -Vieh. Wer bei den Burgundern von einem Pferd oder Ochsen die Glocke -entwendete, der mußte sie durch ein Pferd oder einen Ochsen ersetzen, -die von derselben Beschaffenheit waren als jene, an denen er sich -verging. Dies war die Strafe des Freien, der Leibeigene dagegen wurde -gehörig durchgebläut, so daß er solches sein Lebtag nie mehr tat. -Bei den Langobarden wurden 6 Solidi für die<span class="pagenum"><a id="Seite_77"></a>[S. 77]</span> entwendete Pferde- oder -Rindschelle erlegt; die Westgoten bestraften dasselbe Vergehen mit 1 -Solidus.</p> - -<p>Zudem war das Vieh damals gezeichnet, damit es sein Eigentümer -jederzeit aus der Herde herausfinden und als sein Eigentum in Besitz -nehmen konnte. Beim Vieh wurden besondere Hirtenhunde zur Abwehr des -Wolfes und anderer Raubtiere gehalten; wer einen solchen tötete, gab -nach dem Volksrechte der Friesen 1, bei anderen Stämmen bis 4 Solidi -Buße. Die Hirten hatten großes Recht; wer einen solchen erschlug, mußte -bei den Alamannen 40 Solidi Strafe entrichten. Wer ihn mißhandelte, -indem er ihn schlug, während ihn zwei andere hielten, bezahlte 9 -Solidi. Die Hütung geschah entweder privat oder gemeinschaftlich. -Es gab Freie, die sich eigene Hirten hielten; sonst stellten die -Sippengenossen gewöhnlich einen Unfreien dazu an, ihr Vieh gemeinsam -auf der Weide zu hüten. Während der ganzen guten Jahreszeit war -das Vieh auf der Weide und wurde nur im Winter, wenn es wegen des -hohen Schnees kein Futter mehr fand, im Stalle von dem im Sommer -eingebrachten Heu gefüttert.</p> - -<p>Die Fürsorge der Karolinger, besonders Karls des Großen, für die Kultur -des Landes zeigt sich auch in den Vorschriften für den Viehstand ihrer -Güter. So befahl Karl der Große, auf allen seinen Gütern Milchkühe -zu halten und von der Milch auch Butter und Käse zu bereiten. So gab -es nach einem uns erhaltenen Verzeichnis auf seinem Gute Stefanswerd -20 Kühe, 1 Stier, 61 Stück Jungvieh (<span class="antiqua">animalia minora</span>) und 5 -Kälber. Auf seinem Gute Asnapium hatte er 50 Kühe mit Kälbern, 20 -Stück Jungvieh (<span class="antiqua">juvencus</span>), 38 jährige Kälber und 3 Stiere, -in Grisenwiler dagegen 30 Kühe mit Kälbern, 3 Stiere und 10 Stück -Jungvieh stehen; auf einem anderen kleinen Gute hatte er 6 Kühe mit -Kälbern und 8 Stück Jungvieh. Aus diesem Verzeichnis und nach allem, -was wir sonst noch erfahren, dürfen wir schließen, daß die Kälber -damals sehr lange bei ihren Müttern verblieben, wahrscheinlich bis -sie die Kuh selbst absetzte. Die Kühe selbst wurden nicht nur zur -Milchgewinnung, sondern auch zum Ziehen gebraucht, und zwar nicht -bloß von den kleinen Leuten, sondern auch auf den großen Gütern. Daß -Kaiser Karl bei der Bereitung von Butter und Käse auf seinen Gütern -Reinlichkeit verlangte, beweist, daß man es damit nicht sehr genau -nahm. Die Butter hieß damals noch mit einem altdeutschen Worte Schmeer -oder Anken. Ein Stück Brot „beschmeeren“ — woraus später allgemein -beschmieren wurde — heißt also, es mit Butter bestreichen. Da man -schon in jener Zeit<span class="pagenum"><a id="Seite_78"></a>[S. 78]</span> begann, den Untertanen, wenn nur irgend möglich, -Dienste und Abgaben aufzubürden, so nötigten die Grundherren sie -später in einigen Gegenden, herrschaftliche Kühe den Winter über zur -Fütterung zu übernehmen. So mußte beispielsweise das Stift Lorch solche -Kühe überwintern. Oft wurden die Zehnten in Käse bezahlt. So bekam der -Abt von Fulda von drei Alpen, die ihm gehörten und auf die das Vieh -zur Sömmerung getrieben wurde, als Entgelt je 3000 Käse, die für die -Klosterwirtschaft sehr erwünscht waren. Im Laufe der Jahrhunderte ging -dann die Viehwirtschaft hervor, wie wir sie heute noch kennen und auf -die einzutreten ganz überflüssig ist.</p> - -<p>Außer dem eigentlichen Rind sind aber noch andere Vertreter der -Rinderfamilie vom Menschen gezähmt und in Pflege genommen worden. -Von diesen soll nun noch die Rede sein. Ein naher Verwandter des -Hausrindes ist der schon zu Eingang erwähnte <em class="gesperrt">Gayal</em> oder das -<em class="gesperrt">Stirnrind</em> (<span class="antiqua">Bos frontalis</span>). Dieses Wildrind ist in -beiden Geschlechtern bis zu den Knien braun, im untern Teil der -Beine weiß oder gelblich, hat kurze Gliedmaßen, einen kurzen Kopf -mit außerordentlich breiter Stirn und fast gerade nach auswärts -gerichtetem Gehörn. Die Eingeborenenstämme südlich und nördlich vom -Tal des Assam in Hinterindien fangen nicht nur Kälber desselben, um -sie einzugewöhnen, sondern halten es schon so lange in gezähmtem -Zustand als Haustier, daß es als Folge weitgehender Beeinflussung -durch Domestikation in ziemlich vielen Exemplaren ganz weiß, andere -wenigstens fleckig gefärbt sind. Die Herden zahmer Gayals werden von -den Indochinesen des Fleisches wegen gehalten; auch soll teilweise ihre -Milch genossen werden. Die Tiere, die weder zur Bearbeitung des Bodens, -noch zum Tragen von Lasten verwendet zu werden scheinen, streifen, -um zu fressen, während des Tages unbeaufsichtigt im Walde umher und -kehren abends ins Gehöft ihres Besitzers zurück. Sie vermischen sich -zuzeiten ungehindert mit dem neben ihm gehaltenen indischen Buckelrind, -dem Zebu. Merkwürdigerweise sind von den aus dieser Kreuzung -hervorgegangenen Bastarden nur die weiblichen Exemplare fruchtbar, -nicht aber die männlichen, während bei den anderen Kreuzungsprodukten -zwischen verschiedenen Rinderarten die männlichen und weiblichen -Bastarde gleicherweise in der Regel unbegrenzt fruchtbar sind.</p> - -<p>Auch der <em class="gesperrt">Gaur</em> oder das <em class="gesperrt">Dschungelrind</em> (<span class="antiqua">Bos gaurus</span>), -dessen Verbreitungsgebiet von Vorderindien bis Siam und Cochinchina im -Osten und die Halbinsel von Malakka im Süden reicht, ist in etlichen -Berggegenden zwischen Assam und Birma gezähmt und wird als Haus<span class="pagenum"><a id="Seite_79"></a>[S. 79]</span>tier -gehalten, obschon alle in Indien zu Züchtungszwecken eingefangenen -Gaurkälber eingingen und keines das dritte Lebensjahr erreichte. -Dieser Gaur scheint das größte lebende Rind zu sein und erreicht in -den Stieren 1,8 <span class="antiqua">m</span> Schulterhöhe bei einer Körperlänge von 2,9 -<span class="antiqua">m</span>. Die vordere Rückenhälfte trägt einen hohen Kamm, die Ohren -sind klein, die Hörner an der Wurzel ziemlich stark zusammengedrückt, -auf ihrer ganzen Länge gebogen und mit der Spitze nach innen und etwas -nach rückwärts gerichtet. Beim Stier sind sie 50–60 <span class="antiqua">cm</span> lang. Das -kurzbehaarte Fell ist bei jungen Männchen und Weibchen braun, bei alten -Männchen dagegen schwarz. Die untern Teile sind ziemlich heller und -die Beine vom Knie und vom Hackengelenk an bis zu den verhältnismäßig -kleinen Hufen weiß. Die Kälber tragen einen schwarzen Längsstreifen auf -dem Rücken. In den Berggegenden, die es bewohnt, hält es sich an den -Wald und die hohen Grasbestände. Seine Lebensweise deckt sich fast ganz -mit der beim Banteng geschilderten. Es klettert ausgezeichnet und hat -hierzu trefflich geeignete kurze Beine.</p> - -<p>Viel wichtiger als diese beiden Wildrinder ist eine dritte Art für -den Menschen geworden. Es ist dies der in seinen ältesten Vertretern -erdgeschichtlich schon im Pliocän auftretende <em class="gesperrt">Büffel</em> -(<span class="antiqua">Bubalus</span>). Von den beiden heute noch lebenden Arten ist -nicht der wilde Schwarz- oder Kaffernbüffel (<span class="antiqua">Bubalus caffer</span>) -Afrikas, sondern der südasiatische Büffel (<span class="antiqua">Bubalus arni</span>) -vom Menschen in vorgeschichtlicher Zeit gezähmt und zum nützlichen -Haustier erhoben worden, das von den Indern Arni, von den Malaien -Hinterindiens dagegen Kerabau genannt wird. In Insulindien besonders -ist er nachträglich wieder verwildert, da er sich dort der Aufsicht -von seiten des Menschen zu entziehen wußte. Die Domestikation dieses -weitaus kühnsten und wildesten unter den indischen Wildrindern -erfolgte bedeutend später als diejenige des weit gutmütigeren Banteng. -Dieser Wildbüffel bewohnt heute noch die sumpfigen Rohrwälder und die -dicht mit hohem Gras bewachsenen Ebenen des Brahmaputra und Ganges -vom Ostende von Assam bis nach Tirhut im Westen und diejenigen der -östlichen Zentralprovinzen Indiens. Er ist ein besonders im Alter -dünnbehaartes, am ganzen Körper dunkelgraues, fast schwarzes, an den -Beinen jedoch meist heller gefärbtes massig gebautes Rind mit kräftig -behörntem Kopf auf gedrungenem Hals, etwas gestrecktem Rumpf, dicken -und kurzen Beinen und großen, für die Fortbewegung auf sumpfigem Boden -breit ausladenden Hufen. Der niedrig getragene Kopf ist gestreckt und -flachstirnig und trägt sehr große, schwarze, im Querschnitt dreieckige, -in<span class="pagenum"><a id="Seite_80"></a>[S. 80]</span> einer Ebene zuerst auf- und auswärts, dann nach innen und vorn, von -der Gesichtsebene aus etwas nach rückwärts gebogene Hörner, die der -Krümmung entlang gemessen 2 <span class="antiqua">m</span> lang werden können. In Oberassam -findet sich eine nicht bloß durch die fahlere Färbung, sondern auch -durch die Form des Schädels abweichende Unterart.</p> - -<p>Dem Wildbüffel sagen heiße, sumpfige oder wasserreiche Gegenden am -besten zu, denn er ist ein großer Wasserfreund, der vortrefflich -schwimmt und sich so gebärdet, als ob das Wasser sein eigentliches -Lebenselement sei. Auf dem festen Lande erscheint er in allen seinen -Bewegungen schwerfälliger als im Wasser, in dem er sich tagsüber -während der größten Hitze mit Vorliebe aufhält und, darin liegend, -nur einen Teil des Kopfes herausstreckt. Nachts und am frühen Morgen -weidet er, bricht gern in Pflanzungen ein und richtet darin bedeutende -Verwüstungen an. Sein Wesen wird als mürrisch und unzuverlässig -geschildert; er ist voll Mut und Angriffslust und läßt dann seine -tiefdröhnende Stimme erschallen. Die Paarungszeit fällt in den Herbst; -dann lösen sich die sonst bis zu 50 Stück zählenden Herden in kleinere -Trupps auf, die je ein Stier um sich versammelt. Etwa 10 Monate nach -der Paarung, also im Sommer, wirft die Kuh 1–2 Kälber, die sie sorgsam -gegen alle Angriffe wilder Tiere behütet. Der Wildbüffel ist keineswegs -scheu, scheint auch die Nachbarschaft des Menschen nicht zu meiden. Oft -nimmt eine Herde oder ein einzelner Stier von einem Felde Besitz, von -dem dessen Eigentümer zurückgetrieben wird. Angegriffen und besonders -verwundet, stellen sie den Gegner und suchen ihn mit ihren gewaltigen -Hörnern niederzurennen.</p> - -<p>Wann und wie der indische Wildbüffel zuerst gezähmt wurde, ist völlig -unbekannt. Jedenfalls geschah dies irgendwo in Südasien, wo nach der -Domestikation des Banteng die seinige nahe lag. Dabei veränderte sich -sein Charakter in einer für den Menschen sehr günstigen Weise. Ist der -Wildbüffel sehr kampflustig, weil er sich selbst dem Tiger überlegen -fühlt, so ist er im zahmen Zustande seinen Bekannten gegenüber überaus -sanftmütig und anhänglich und läßt sich sogar von einem Kinde lenken. -Nur fremden Leuten und Tieren gegenüber zeigt er sich feindlich und -beweist dann einen großen Mut. Nach wie vor ist ihm das Wasser ein -überaus wichtiges Lebenselement, auf das er nur ungern verzichtet und -das er immer wieder zur Kühlung aufsucht.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel15" > - -<p class="captop">Tafel 15.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel15.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Büffel von Singhalesen auf Ceylon zum Pflügen eines - Reisfeldes benützt.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel15_gross.jpg" id="tafel15_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel16a" > - -<p class="captop">Tafel 16.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel16a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Hagenbecks Reisender in Indien auf einem Milchbüffel reitend.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel16b" > - <img class="w100" src="images/tafel16b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Yak oder Grunzochse im Zoologischen Garten von Berlin.<br /> - (Nach einer Photographie der Neuen photogr. Gesellschaft in Steglitz.)</div> -</div> - -<p>Die älteste unzweifelhafte Darstellung des Büffels hat sich uns -auf einigen altbabylonischen Siegelzylindern aus dem Anfang des 3. -vorchristlichen Jahrhunderts erhalten. Auf dem einen derselben sehen<span class="pagenum"><a id="Seite_81"></a>[S. 81]</span> -wir einen langbärtigen Mann, offenbar eine Gottheit, der in einer -irdenen Schüssel einem Büffel Wasser zum Trinken darreicht. Daß es -sich wirklich um einen Büffel und nicht um ein schlecht gezeichnetes -Rind handelt, geht sicher aus dem Verlauf der nach hinten gelegten -quergerippten Hörner hervor. Dieselben typischen Büffelhörner -treffen wir auf einer anderen Darstellung eines altbabylonischen -Siegelzylinders, der etwa vom Jahre 2800 v. Chr. stammt. Wir sehen -darauf zwei langbärtige Männer, offenbar auch Gottheiten, von denen der -eine mit einem aufgerichteten Löwen, der andere mit einem gleichfalls -aufgerichteten Büffel mit typischem Gehörn ringt. Dabei wird der -Büffel mit der linken Hand am linken Horn und mit der rechten Hand am -rechten Vorderfuß gepackt und letzteres umgeknickt, um das Tier zu -Fall zu bringen. Daß der Büffel wie auf diesen, so auch auf andern -mythologischen Bildern im Kampfe mit Göttern dargestellt wird, beweist -zum mindesten, daß er im Kulte gewisser Gottheiten eine Rolle spielte -und als solcher vielleicht in halber Zähmung gelegentlich vom Menschen -in der Nähe von Tempeln gehalten wurde. Daß er völlig gezähmt war und -als Haustier diente, ist ausgeschlossen, denn wir fänden sonst mehr -Spuren von seiner Gegenwart. Ebenso wurde der Wildbüffel im ältesten -Ägypten nachgewiesen, sowohl in bildlichen Darstellungen, als auch in -Knochenresten, aber ein eigentliches Haustier war er hier ebenfalls -nicht. Jedenfalls reichte einst sein Verbreitungsgebiet von Südasien -über Westasien bis nach Europa hinein. So fand man Überreste eines -Wildbüffels (<span class="antiqua">Bubalus pallasi</span>) in Diluvialschichten bei Danzig. -Aber in ganz Westasien wie auch im Niltal wurde er vom Menschen -ausgerottet, bevor er domestiziert worden war.</p> - -<p>In Vorderasien treffen wir in der Folge keine Spur mehr von ihm, bis -Alexander und seine Begleiter ihn auf ihrem Siegeszuge als Haustier -zuerst in Persien, dann auch in Indien antrafen. Aber auch damals -blieb den Kulturvölkern am Mittelmeer die Erwerbung dieses Nutztieres -verschlossen. Erst die Muhamedaner brachten ihn nach Palästina und -Ägypten. Im Jahre 723 begegnete der heilige Willibald im Jordantal, -in dem sie heute noch wichtige Haustiere sind, die ersten Büffel, von -deren Vorhandensein man bis dahin im Abendland keine Ahnung gehabt -hatte. Dieser Priester, der durch Süditalien und Sizilien gereist war, -traf diese dort nirgends, weil man sie damals noch nicht eingeführt -hatte, und war nicht wenig erstaunt, sie in Palästina zu finden. In -Ägypten, das früher besonders reich an Rindern<span class="pagenum"><a id="Seite_82"></a>[S. 82]</span> gewesen sein muß, die -später weitgehend durch die aus dem Süden dahin gebrachte Rinderpest -dezimiert wurden, vermehrte sich der Büffel stark und gelangte von -dort durch die Araber nach Sizilien und Süditalien, von wo aus er sich -langsam weiter nördlich in die sumpfige Campagna di Roma verbreitete. -Ums Jahr 1200 war er im Kaiserreich Bulgarien, etwa dem heutigen -Mazedonien entsprechend, häufig anzutreffen und kam von da nach dem -eigentlichen Bulgarien und den Tiefländern der Donau, um sich jenem -Strom entlang bis Ungarn und Siebenbürgen auszudehnen, wo sie wie -unsere Rinder in erster Linie als Milchvieh gehalten werden. Doch geben -sie durchschnittlich nur halb so viel Milch wie unser Alpenrindvieh. -Bringt es das Siebenbürger Rind auf 1600–1900 Liter und die sich dort -immer mehr einbürgernden Freiburger, Simmentaler und Pinzgauer Kühe auf -2000 Liter im Jahr, so liefert der beste Milchbüffel in dieser Zeit -nur 1000 Liter, die allerdings wegen des weit größeren Fettgehaltes -von 7–8, bei altmelkenden Tieren sogar 10–12 Prozent gegenüber von -3–5 Prozent der Kuhmilch doppelt so teuer als jene verkauft wird. -Auch in die Moldau-Walachei und die Krim gelangte der Hausbüffel und -fand dort in den wasserreichen, noch ziemlich warmen Niederungen ihm -zusagende Lebensbedingungen. Trotz des heißen Klimas fehlte ihm aber -in Nordafrika westlich vom Niltal das für ihn zum Baden nötige Wasser, -so daß er hier nicht heimisch werden konnte. Und weil er infolgedessen -nicht nach dem südlichen Spanien und nach Portugal gelangte, erreichte -er auch Amerika nicht, und die Vorschläge, ihn hier einzuführen, sind -bis jetzt unbeachtet geblieben.</p> - -<p>Noch größere Bedeutung als im Westen hat er im Osten Asiens erlangt, -wo er bis nach Japan und über die Philippinen hinaus gelangte und -sich über ganz Indonesien ausbreitete, und zwar in der von Malaien -bewohnten ost- und südasiatischen Inselwelt in einer schiefer- bis -hellbläulichgrauen, sehr spärlich behaarten Zuchtrasse mit sehr langen, -im Bogen nach hinten gerichteten, auf der Oberseite stark abgeflachten -Hörnern. Hier überall in den heißen, sumpfigen Niederungen hat er -weit größere Bedeutung als das Hausrind von Bantengabstammung erlangt -und ist der getreue Gehilfe des Menschen beim Ackerbau geworden. -Seine Neigung für das Sumpfleben machte ihn besonders beim Reisbau -verwendbar, der in diesen Gegenden eine überaus wichtige Rolle spielt. -Nur in den trockenen Gebieten, die seinem Gedeihen nicht besonders -zuträglich sind, und im Nordosten von Asien tritt das gegen Kälte -weniger empfindliche Rind wieder stärker<span class="pagenum"><a id="Seite_83"></a>[S. 83]</span> auf. Im ganzen Gebiet des -Reisbaues ist er in seinem ureigenen Element und zieht den primitiven -Pflug durch den von dem darauf geleiteten Wasser aufgeweichten -schlammigen Boden der Reisfelder. Bei den Bisayern tritt er auch -den gesäten Reis in den nassen Schlamm. Seine Milch wird hier kaum -je gewonnen, obwohl sie eine vorzügliche Speise bildet, die, wie in -Südeuropa, auch in ganz Süd- und Westasien sehr geschätzt wird, obschon -sie einen moschusartigen Geruch besitzt. Die aus ihr bereitete Butter -ist weiß und schmeckt ganz rein, entbehrt aber des feinen Aromas, -das eine gute Kuhbutter auszeichnet. Das Fleisch alter Büffel ist im -gekochten Zustande heller als das Rindfleisch, dabei grobfaserig, hart -und weniger schmackhaft als jenes. Dagegen schmeckt das Fleisch der -Büffelkälber sehr gut und wird von manchen Leuten sogar dem Fleisch -der Rindkälber vorgezogen. Sehr geschätzt ist das Fell, das ein -vorzügliches Leder liefert.</p> - -<p>Wegen seiner ungeheuren Kraft, die bei einem Büffelochsen von 149 -<span class="antiqua">cm</span> Höhe und 652 <span class="antiqua">kg</span> Körpergewicht auf 875 <span class="antiqua">kg</span> -bestimmt wurde, hat der Büffel überall in seinem Verbreitungsgebiet -besonders als Zugtier eine große Bedeutung erlangt. Er zieht -tatsächlich auch auf schlechten Wegen Lasten, die man ihm kaum zutrauen -dürfte. Nur ein Übelstand ist dabei in Kauf zu nehmen, nämlich seine -vom Wildzustande beibehaltene Störrigkeit. Noch mehr als dem ruhigeren -Asiaten offenbart er dem lebhaften Europäer gegenüber immer noch -einen Rest seiner ursprünglichen Wildheit. Fremde greift er direkt an -oder weicht ihnen in blinder Furcht aus und richtet dabei durch sein -Ungestüm nicht selten allerlei Unheil an. Man hat also ihm gegenüber -stets etwas auf der Hut zu sein. Eine ausgezeichnete Tugend des Büffels -ist dagegen seine wirklich beispielslose Genügsamkeit, indem er -hartes Schilf und andere Sumpfpflanzen, welche jedes andere Geschöpf -verschmäht, mit demselben Behagen frißt, als ob er die leckerste Speise -genösse. Unangenehm kann er durch seine Neigung werden, sich im Schlamm -der Pfützen zu wälzen und sich dabei mit einer ihm vor der Peinigung -durch die Stechfliegen schützenden Schlammschicht zu bedecken.</p> - -<p>Der Büffel ist ein schweigsames Geschöpf. Wenn er behaglich im -kühlenden Wasserbade ruht, läßt er nie seine Stimme hören. Auch während -er weidet oder arbeitet geht er still und ruhig seines Weges. Nur in -Wut versetzte Stiere und Kühe, welche säugende Kälber haben, geben -Laute von sich, die ein Mittelding zwischen dem Brüllen des Rindes und -dem Grunzen des Schweines sind. In den nördlicheren<span class="pagenum"><a id="Seite_84"></a>[S. 84]</span> Gegenden paart -sich der Büffel, sich selbst überlassen, im April und Mai; 10 Monate -nach der Paarung wird das Junge geboren, das von der Mutter zärtlich -geliebt und mit Eifer beschützt wird. Im 4. oder 5. Jahr ist der Büffel -erwachsen und erreicht dann ein Gewicht von über 700 <span class="antiqua">kg</span>. Sein -Alter bringt er auf 18–20 Jahre. Außer zum Ziehen von Lastwagen und -zur Feldarbeit dient er vielfach auch, besonders bei den Malaien, zum -Reiten, in Birma auch zu Kampfspielen, da dort aus religiösen Gründen -die Hahnenkämpfe verboten sind. Jedenfalls gehört er zu den Haustieren, -die ihr Verbreitungsgebiet noch bedeutend auszudehnen vermögen. Vor -allem verdient er in den heißen, feuchten Niederungen Amerikas und -Afrikas eingeführt zu werden. So sollte Deutschland mit dem guten -Beispiel vorangehen und ihn in seinen afrikanischen Kolonien einführen, -wo er ganz gute Daseinsbedingungen fände. Schon Emin Pascha bemühte -sich als Gouverneur der Äquatorialprovinz, freilich vergeblich, Büffel -nach seiner Residenz Lado zu bekommen. Es wäre auch zu empfehlen, -Kreuzungen mit dem afrikanischen Wildbüffel vorzunehmen und Versuche -mit der Zähmung des letzteren zu machen, die sehr wohl auf Erfolg -rechnen dürften.</p> - -<p>Von weiteren Wildrindern, die einst zur Zähmung durch den Menschen -in Frage gekommen wären, sind noch der nordamerikanische Bison und -der europäische Wisent zu nennen. Diese sind aber heute bereits -durch menschliche Unvernunft bis auf unbedeutende, gehegte Reste -ausgerottet. Einst lebte der <em class="gesperrt">Bison</em> (<span class="antiqua">Bison americanus</span>), -der <span class="antiqua">buffalo</span> der Amerikaner, in ungeheurer Menge auf den -Prärien Nordamerikas zwischen dem Alleghany- und dem Felsengebirge. -Die Gesamtheit einer Büffelherde zerfiel in zahlreiche Trupps, die -unter der Leitung eines eigenen Stieres weideten und mit großer -Regelmäßigkeit von den saftigen Weideplätzen zu den Flüssen, an denen -sie ihren Durst löschten und badeten, hin und her wechselten, wobei -sie ähnlich wie unsere Hausrinder auf den Alpweiden geradlinige Pfade, -die „Büffelpfade“, austraten. Alljährlich unternahmen sie oft weite -Wanderungen, indem sie in kleineren Herden vom Juli an südwärts zogen, -um den grimmigen Schneestürmen des Nordens auszuweichen, mit Beginn -des Frühjahrs aber sich wieder nordwärts wandten. Ihr schlimmster -Feind war der Mensch. Solange sie es nur mit dem zwar berittenen, -aber sonst für sie nicht allzu gefährlichen Indianer zu tun hatten, -der nur so viel von ihnen erlegte, als er zu seinem und der Seinen -Lebensunterhalte bedurfte, nahm ihre Zahl nicht nennens<span class="pagenum"><a id="Seite_85"></a>[S. 85]</span>wert ab. Erst -als der Weiße erschien, seine Eisenbahnen durch die Prärie fahren ließ -und mit seinem weitreichenden Präzisionsgewehr sinnlos Hunderttausende -dieser Wildrinder abschoß, um höchstens das zottige Fell zur Bereitung -von Leder oder die Zunge als Delikatesse zu verwenden, waren ihre Tage -gezählt. Reißend nahm ihre Zahl ab, und die amerikanische Regierung -ließ dies ruhig gewähren, mit der unbegreiflichen Begründung, sie -könnten den Betrieb der großen Pazifikbahn stören! Von den ungezählten -Millionen, die noch bei der Errichtung dieser Bahn lebten, gab es 1889 -nur noch etwas über 1000 amerikanische Büffel, welche inzwischen in -der Reservation des Yellowstone-Park bis auf wenige Hunderte, die die -starke Inzucht zudem bedeutend degenerieren ließ, zusammenschrumpften. -Auch diejenigen in den Reservationen von Wichita und Montana schmolzen -bis auf wenige Hunderte zusammen. Neuerdings hat sich indessen -wieder eine Vermehrung erzielen lassen, so daß rund 1000 in den -Vereinigten Staaten und 600 Stück in Kanada vom Menschen gehegt -leben. Sie vermehren sich nur langsam, doch ist das Aussterben dieser -interessanten Tierart noch nicht so bald zu erwarten. Immerhin sind -durch die Ausrottung des wilden Bisons die davon lebenden Indianer, -ihrer Nahrungsquelle beraubt, zu Kostgängern des Staates geworden, -statt sich wie früher selbst zu ernähren!</p> - -<p>Ein Glück ist es, daß viele zoologische Gärten Europas sich -amerikanische Büffel anschafften, so lange sie billig zu haben waren. -Sie pflanzen sich glücklicherweise auch in der Gefangenschaft leicht -fort, so daß noch auf längere Zeit Exemplare dieses gewaltigsten aller -Rinderarten als Schaustücke ersten Ranges in unseren Tiergärten zu -sehen sein werden. Bereits sind mehrfach Kreuzungen zwischen Bison und -Hausrind mit Erfolg vorgenommen worden, in Europa zu wissenschaftlichen -Zwecken, in Amerika dagegen anscheinend auch in der Absicht, ein -besonders wetterhartes und dabei milchergiebiges Weiderind zu erzielen. -Inwieweit diese Hoffnungen sich erfüllen werden, wird die Zukunft -lehren.</p> - -<p>Nicht so glücklich, in zahlreichen Tiergärten den auf den Aussterbeetat -gesetzten nordamerikanischen Bison zu beherbergen, sind wir mit dem -europäischen, dem <em class="gesperrt">Wisent</em> (<span class="antiqua">Bison europaeus</span>), daran. -Dieser ist etwas kleiner wie jener und hat einen weniger gewaltigen -Nackenbuckel, ähnelt ihm aber sonst. Er besitzt nur 14, statt wie -der amerikanische Bison 15 Rippenpaare. Dazu sind seine Beine höher -und schlanker und die Hörner schöner als bei seinem amerikanischen -Ver<span class="pagenum"><a id="Seite_86"></a>[S. 86]</span>wandten ausgebildet, bei beiden Geschlechtern in ziemlich gleicher -Entwicklung nach außen oben und schließlich einwärts gekrümmt. Wenn -er auch neuerdings immer mehr durch Inzucht an Größe abgenommen hat, -so stellt er ein recht stattliches Tier dar, das bei 1,7 <span class="antiqua">m</span> -Schulterhöhe und 3 <span class="antiqua">m</span> Länge bis 700 <span class="antiqua">kg</span> schwer wird. -Dagegen war ein im Jahre 1555 in Preußen erlegter Wisentstier 7 Fuß -hoch, 13 Fuß lang und dabei 19 Zentner 5 Pfund schwer. Merklich kleiner -und zierlicher gebaut, auch mit kleinerer Mähne und schwächerem Gehörn -als der Stier ist die Wisentkuh.</p> - -<div class="figcenter illowe15_625" id="bild13" > - <img class="w100" src="images/bild13.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 13. Oberes Ende eines an der Durchlochungsstelle - abgebrochenen Zierstabes aus Renntierhorn aus dem Lagerplatz der Renntier- und - Mammutjäger der frühen Nacheiszeit von Laugerie basse mit Köpfen eines männlichen - und weiblichen Büffels (Wisent). <span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">3</span></span> natürl. Größe.</div> -</div> - -<p>Im Sommer und Herbst lebt der Wisent in kleinen Trupps von 15–20 Stück -an feuchten Orten des Waldes, gewöhnlich im Dickicht versteckt, nur im -Winter zieht er höher gelegenes und trockenes Gehölz vor. Jede einzelne -Herde hat ihren festen Standort und kehrt immer wieder dahin zurück. -Nur alte Stiere leben, wie auch bei den übrigen Wildrindern, einsam für -sich. Am liebsten weiden die Tiere in den Morgen- und Abendstunden, -wobei sie verschiedene Gräser, Blätter, Knospen und Baumrinde -fressen. Sie schälen gern die Bäume ab, soweit sie reichen können. -Ihr Lieblingsbaum scheint die Esche zu sein, deren saftige Rinde sie -jeder anderen bevorzugen. Ihr Gang ist ein rascher Schritt, der Lauf -ein schwerer, aber schnell fördernder Galopp, wobei der Kopf zu Boden -gesenkt, der Schwanz emporgehoben und ausgestreckt wird. Durch Sumpf -und Wasser waten und schwimmen sie mit Leichtigkeit. Während jüngere -Tiere muntere, lebhafte und verhältnismäßig gutmütige Tiere sind, -erscheinen ältere Tiere, zumal Stiere, als ernste, leicht reizbare und -jähzornige Wesen, mit denen nicht gut Streit anzufangen ist. Die Brunst -fällt auf den August bis September. Während derselben kämpfen die -Stiere untereinander um den Besitz der Weibchen. Neun Monate nach der -Paarung, im Mai oder Anfang Juni, kalben die Kühe, nachdem sie sich von -der Herde abgesondert und in ungestörter Wildnis einen geeigneten Platz -aufgesucht haben, wo sie sich und ihr Kalb während der ersten Tage vor -den Genossen verbergen. Jetzt sind sie für jedes Wesen, das sich ihnen -nähert,<span class="pagenum"><a id="Seite_87"></a>[S. 87]</span> gefährlich, indem sie zum Schutze des Jungen ohne Besinnen -jeden Gegner angehen. Die Kälber sind anmutige Tiere, die nur sehr -langsam wachsen, wahrscheinlich erst im 8. oder 9. Jahre ihre volle -Größe erlangt haben und 30–40 Jahre alt werden.</p> - -<p>Die ältesten Darstellungen des Wisent, die wir besitzen, rühren von -den dieses Wild mit besonderem Eifer jagenden Eiszeitjägern des -Solutréen und Magdalénien her. In großer Zahl finden sie sich nicht nur -in Umrissen, sondern teilweise auch in bunten, mit den drei Farben: -Rot, Braun und Schwarz gemalten Bildern in den nordspanischen und -südfranzösischen Höhlen abgebildet. In großer Menge muß dieses Wildrind -in der späteren Diluvialzeit neben dem Wildpferd in Europa gelebt haben -und war, nach der Menge der von ihm herrührenden Knochen, eines der -wichtigsten Beutetiere des Menschen. Auch die alten Germanen jagten es -noch häufig und bereiteten aus seinem Gehörn Trinkgefäße, wie dies bis -in unsere Tage im Kaukasus, wo sich dieses Wild in die Gegenwart in -einigen Herden erhielt, geschieht. So dienten bei einem Gastmahl, daß -ein kaukasischer Fürst dem russischen General Rosen zu Ehren gab, 50–70 -mit Silber ausgelegte Wisenthörner als Trinkbecher.</p> - -<div class="figcenter illowe34_375" id="bild14" > - <img class="w100" src="images/bild14.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 14. Von Jägern der frühen Nacheiszeit in rotbrauner - Farbe gemalter Büffel (Wisent) aus der Höhle von Font-de-Gaume in Südfrankreich. - (<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">12</span></span> natürl. Größe.)</div> -</div> - -<p>Die Schriftsteller des Altertums erwähnen mehrfach den Bison. So -schreibt der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte, wie bereits<span class="pagenum"><a id="Seite_88"></a>[S. 88]</span> -erwähnt: „Germanien ist durch das Vorhandensein von zwei Arten wilder -Rinder merkwürdig, nämlich durch den mit einer Mähne geschmückten -Bison (Wisent) und den Ur, der sich durch Kraft und Schnelligkeit -auszeichnet.“ Und der griechische Schriftsteller Oppianos spricht um -200 n. Chr. vom Wisent als einem entsetzlichen, in Thrakien lebenden, -einem Ochsen ähnlichen Tiere, das eine Mähne wie der Löwe, und -spitzige, krumme Hörner habe, mit denen es Menschen und wilde Tiere -hoch emporschleudere. Seine Zunge sei sehr rauh, wie eine Feile, -so daß sie die Haut durch Lecken aufreißen könne. Ferner sagt der -Grieche Pausanias ums Jahr 150 n. Chr., sie seien von allen Tieren -am schwersten zu fangen, denn kein Netz sei stark genug, sie zu -halten. „Die Jagd auf sie wird demnach auf folgende Weise angestellt: -Die Jäger bedecken eine Höhe, vor der sich ein Graben hinzieht, mit -frischabgezogenen oder alten, geölten und dadurch schlüpfrig gemachten -Häuten. Auf beiden Seiten davon wird ein starker Zaun errichtet. Dann -treiben sie zu Pferd die Bisons an diesen Ort, woselbst sie auf den -Häuten ausgleiten, sich überschlagen und in den Graben rollen. Dort -werden sie binnen vier oder fünf Tagen vor Hunger matt. Will man sie -dann etwa zahm machen, so bringt man ihnen Fichtenzapfen, weil sie -anfangs kein anderes Futter nehmen. Endlich können sie gebunden und -fortgeführt werden. — Der päonische König Dropion hat einen ehernen -Bisonkopf nach Delphi geschickt.“</p> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="bild15" > - <img class="w100" src="images/bild15.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 15. Jagdbild der frühen Nacheiszeit, worauf ein - Mann auf allen Vieren kriechend einen ruhig äsenden Büffelbullen anschleicht - und im Begriffe steht, einen Wurfspeer gegen ihn zu schleudern. Der die Waffe - werfende Arm ist sehr ungeschickt angebracht, wie auch die menschliche Gestalt - recht steif wiedergegeben ist, ein Beweis dafür, daß der Zeichner viel größere - Übung in der Darstellung von Tieren als von Menschen besaß. Aus dem abri von - Laugerie basse in der Dordogne, Südwestfrankreich. (<span class="nowrap"><span class="zaehler">4</span>⁄<span class="nenner">9</span></span> natürl. Größe.)</div> -</div> - -<p>Im Nibelungenlied wird neben dem Ur der Wisent als Jagdbeute des -Helden Siegfried genannt, als er im Wasgenwalde, den Vogesen westlich -von Worms, jagte. Zu Karls des Großen Zeit fand er sich<span class="pagenum"><a id="Seite_89"></a>[S. 89]</span> noch häufig -im Harze und im Sachsenlande. Nach den Benediktionen des Mönches -Ekkehard I. muß er im 10. Jahrhundert noch ziemlich häufig auf -den Tisch des Klosters St. Gallen gekommen sein. Noch verschiedene -Ortsnamen in der Schweiz zeugen von seiner einstigen Anwesenheit in -diesem Lande, so z. B. das Dorf Wiesendangen bei Winterthur, das in den -ältesten Berichten der Chroniken als Wisonteswangun, d. h. Wisentanger -angeführt wird. Gleicherweise haben wir in Süddeutschland Ortsnamen -wie Wiesensteig (in mittelalterlichen Urkunden als Wisontessteiga) und -Urach d. h. am Flüßchen des Ur. Ums Jahr 1373 lebte er noch ziemlich -häufig in Pommern, im 15. Jahrhundert in Preußen, im 16. in Litauen -und Polen, wo sich die Könige und Großen seine Erhaltung angelegen -sein ließen, indem sie ihn, dort Zubr genannt, in besondern Wildparks -hielten und nur selten einige Stücke einfingen, um sie als Geschenke an -fremde Höfe zu benutzen. Eine allgemeine Seuche vernichtete am Anfang -des 18. Jahrhunderts den größten Teil dieser Herden. In Ostpreußen -wurde das letzte Exemplar zwischen Tilsit und Labiau im Jahre 1755 von -einem Wilddieb erlegt. Die letzte Herde von einigen hundert Stück lebt, -vom russischen Kaiser sorgfältig gehegt, in dem 200 <span class="antiqua">qkm</span> großen -unberührten Forste von Bjelowjesha im russisch-litauischen Bezirke -Grodno. Von dort wurden von den früheren Kaisern, zuletzt von Alexander -II., einige Paare an zoologische Gärten, meist nach Deutschland, -abgegeben, wo sie sich leicht fortpflanzen. So besitzt der Berliner -zoologische Garten einige Stück, und auch dem Fürsten Pleß gelang es, -in seinem oberschlesischen Reviere Meserzitz einen kleinen Bestand -heranzuhegen, so daß sogar auf den deutschen Geweihausstellungen noch -ausgestopfte Wisentköpfe und Schädel erscheinen. Außerdem schweifen -nach <span class="antiqua">Dr.</span> Heck im Kaukasus noch einige vereinzelte Wisenttrupps -umher; doch wandern sie so unstet, daß man sie in den letzten Jahren -nicht mehr sah. Das Schicksal dieses Tieres ist auch im Forste von -Bjelowjesha besiegelt; denn der Petersburger Säugetierforscher Büchner -ist auf Grund eingehender Studien zum fatalen Ergebnisse gekommen, -daß diese Tierart langsam, aber sicher, ihrem Erlöschen entgegengeht, -nachdem ihr Vorkommen einmal so zerstreut und vereinzelt geworden -ist, daß die Entartung infolge der Inzucht (Kleinheit der Tiere, -Unfruchtbarkeit des weiblichen Geschlechts und Schwächlichkeit der -Jungen) sich notwendigerweise immer stärker geltend machen muß. -Dann wird Europa sein stolzestes Wild verloren haben, ohne daß ihm -die Möglichkeit geboten war, der Domestikation durch den Menschen -unterworfen worden zu sein.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_90"></a>[S. 90]</span></p> - -<p>Vom Menschen dagegen gezähmt und zu einem außerordentlich nützlichen -Haustiere erhoben wurde der <em class="gesperrt">Yak</em> oder <em class="gesperrt">Grunzochse</em> -(<span class="antiqua">Bos grunniens</span>), der seiner kalten Heimat gemäß durch eine -lange Behaarung, besonders am Bauche, die ihm beim Ruhen gleichsam -als wärmendes Bett dient, ausgezeichnet ist. Von allen Rindern -unterscheidet er sich auch dadurch, daß er einen vollständig -gleichmäßig langbehaarten Schweif wie ein Pferd hat. Er bewohnt die -Hochländer Tibets zwischen 4000 und 6000 <span class="antiqua">m</span> und vermag dank -seines langen, dichten, schwarzen Haarkleides die rasenden Schneestürme -seiner unwirtlichen Heimat zu überstehen. In alten Männchen wird er -4,25 <span class="antiqua">m</span> lang bei einer Höhe von 1,9 <span class="antiqua">m</span> und einem Gewicht -von 600 <span class="antiqua">kg</span>, während alte Kühe kaum über 2,8 <span class="antiqua">m</span> Länge bei -1,6 <span class="antiqua">m</span> Höhe erreichen. Die Kühe bilden im Sommer, wenn sie in -die grasigen Niederungen steigen, Herden von 10 bis 100 Stück, die -von Männchen angeführt werden. Deren Mitglieder fressen zur Nachtzeit -und am frühen Morgen, ziehen sich aber am Tage meist auf eine steile, -öde Berglehne zurück, wo sie wiederkäuend viele Stunden ruhen. Alte -Stiere, die meist einzeln oder nur in kleinen Gesellschaften von 3 bis -4 Stück angetroffen werden, lieben Ruheplätze mit weiter Umschau, um -sich beizeiten vor Feinden zurückziehen zu können. Nur alle zwei Jahre -bekommt die Kuh, neun Monate nach der Paarung, ein Kalb, das sie über -ein Jahr lang säugt. Erst im 6. oder 8. Jahre ist es erwachsen und -erreicht ein Alter von 25 Jahren.</p> - -<p>Mit außerordentlicher Sicherheit bewegt sich der Yak auf dem -schwierigsten Terrain, strauchelt, obschon schwer gebaut, nie und -arbeitet sich mit großer Gewandtheit durch tiefe Schneemassen hindurch, -wobei er den Kopf gleichsam als Schneepflug benützt. Seine Intelligenz -ist nur schwach entwickelt. Verwundet nimmt er ungescheut den Jäger an -und wird ihm mit seinen 80–90 <span class="antiqua">cm</span> langen Hörnern sehr gefährlich. -Deshalb fürchten ihn die Tibeter gleich einem Ungeheuer, gehen ihm -gern aus dem Wege und feuern, wenn sie sich wirklich zur Jagd auf -ihn entschließen, nur aus sicherem Verstecke und gemeinschaftlich, -ihrer 8–12. Sein Fleisch wird vom Engländer Kinloch als saftig und -ausgezeichnet gerühmt; Zunge und Markknochen desselben bezeichnet er -geradezu als Leckerbissen. Aber mehr noch als das Wildbret schätzt -man in seiner baumlosen Heimat den Mist des Yaks, der getrocknet den -einzigen in jenen kahlen Höhen zur Verfügung stehenden Brennstoff -darstellt.</p> - -<p>Die früheste Erwähnung des Yaks treffen wir bei dem zu Beginn<span class="pagenum"><a id="Seite_91"></a>[S. 91]</span> des -3. Jahrhunderts n. Chr. in Rom lebenden Claudius Älianus an, der in -seinem Werk über die Tiere sagt, daß die Inder ihren Königen nebst -andern Tieren auch wilde Rinder darbringen, welche schwarz sind, -aber weiße Schwänze haben, die zu Fliegenwedeln dienen. Tatsächlich -bilden die Yakschwänze die von altersher vielberühmten Kriegszeichen -der „Roßschweife“, die die Türken bis vor Wien trugen, und heute -noch eine kostbare Trophäe sind, mit der sich besonders türkische -Würdenträger zieren. Man stellt daraus außer Standarten besonders auch -Pferdeschmuck her. Der römische Dichter Martial berichtet, daß die -vornehmen römischen Damen unter Kaiser Domitian, dem zweiten Sohne -Vespasians, der nach seines Bruders Titus’ Tode von 81 bis 96 n. Chr. -regierte, daraus hergestellte äußerst kostbare Fliegenwedel benutzten. -Damals wußte man noch, daß diese Haare vom Schwanze einer asiatischen -Rinderart stammen, eine Kunde, die sich später völlig verlor.</p> - -<p>Wann der Yak gezähmt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Es muß -dies aber schon vor längerer Zeit geschehen sein, da wie bei so vielen -andern Haustieren sich bei ihm infolge Einwirkung der Domestikation -bereits ein weitgehender Leucismus entwickelt hat, so daß rein -schwarze zahme Yaks sehr selten geworden sind. Gewöhnlich zeigen auch -diejenigen, welche den wilden am meisten ähneln, weiße Stellen. Meist -sind sie ganz weiß, vielfach auch hornlos; außerdem trifft man braune, -rote und gescheckte an. Der gezähmte Yak ist durchgehends kleiner als -der wilde. Man hat schon durch Kreuzung mit andern Rinderarten mehrere -Rassen von Bastarden gezüchtet. Hier und da sind die zahmen Yaks wieder -verwildert und haben dann ihre schwarze Urfärbung wieder angenommen. -Auch die zahmen Herden gedeihen nur in kalten, hochgelegenen -Gebirgsteilen und gehen bei großer Wärme zugrunde, ertragen dagegen -Kälte mit Gleichmut.</p> - -<p>In Tibet und der Mongolei weiden die Yakherden fast ohne jede -Aufsicht; den ganzen Tag tummeln sie sich auf den Weideplätzen umher -und werden nur über Nacht zu den Zelten ihrer Besitzer getrieben. -Selbst gezähmt behält der Yak stets einen gewissen Grad von Wildheit, -der sich vornehmlich durch Angriffslust gegen Fremde äußert. Gegen -seine Bekannten benimmt er sich ziemlich freundschaftlich, läßt sich -berühren, reinigen und vermittelst eines durch seine Nase gezogenen -Ringes an einem Stricke leiten. Er dient hauptsächlich als Lasttier, -daneben aber auch vielfach als Reittier. Über die unwegsamsten Pässe -der Hochgebirge trägt er Lasten von 120–150 <span class="antiqua">kg</span> und vermittelt -den<span class="pagenum"><a id="Seite_92"></a>[S. 92]</span> Verkehr zwischen Tibet und China, der Mongolei und Nordindien. Nur -auf sehr klippenreichen Pfaden ist er als Lasttier nicht zu gebrauchen, -da dann seine schwere Last ihn hindert, über höhere Felsen zu springen. -Im Westen reicht das Verbreitungsgebiet des gezähmten Yaks bis zur -Bucharei, im Nordosten bis in die Mongolei und zu den nordöstlichen -Nebenflüssen des Yang-tse-kiang. Auch in Südostsibirien werden -vereinzelte Yaks gehalten. Als Gebirgstier fühlt es sich in Höhen unter -2000 <span class="antiqua">m</span> nur wenig behaglich; sonst gedeiht es auch ohne jegliche -Pflege und ist äußerst genügsam. Die außerordentlich fette Milch gilt -als sehr wohlschmeckend und ist überaus gesucht. Um den Milchertrag zu -vermehren, hat man ihn mit dem Hausrind von Zebuabstammung gekreuzt. -Solche Kreuzungsprodukte sollen am Südabhange des Himalaja zahlreich -vorkommen und fruchtbar sein; dagegen scheinen die aus denselben -wirtschaftlichen Gründen gezüchteten Bastarde mit dem Primigeniusrind -Sibiriens unfruchtbar zu sein. Außer Milch und Fleisch werden auch die -langen Haare verwertet, indem man sie zu groben Geweben verarbeitet. -Sehr geschätzt sind die Schwanzhaare wie bei den Türkvölkern, so auch -in China, wo sie zu mannigfachem Putz Verwendung finden. Der Yak ist -schon so lange domestiziert, daß es bei ihm außer gefleckten und -leucistischen sogar hornlose Rassen gibt.</p> - -<p>Erst spät ist dieses Haustier der innerasiatischen Hochländer in Europa -näher bekannt geworden. Die ersten Yaks, zwölf an der Zahl, die nach -Europa gelangten, erhielt im Frühjahr 1854 die <span class="antiqua">Ménagerie du Musée -d’histoire naturelle</span> in Paris. Da sie sich gut akklimatisierten -und auch Nachkommen erzeugten, erhielten von Paris aus zahlreiche -Tiergärten dieses Schaustück, das sich in unserm Klima besser hielt, -als man hoffen durfte. Gleichwohl war die einst gehegte Hoffnung -aussichtlos, den Yak als wertvolles und leistungsfähiges Haustier in -unsern Gebirgsgegenden einzubürgern; denn hier liegen die Verhältnisse -anders als in seinem Stammlande. Unsere Alpen und höheren Gebirge -werden durch Rinder und Ziegen hinreichend ausgenutzt und der Verkehr -mit Saumtieren ist mit der Entwicklung besserer Verkehrsmittel -wesentlich eingeschränkt, so daß die Einführung des Yaks vom -Standpunkte des Nutzens aus ganz zwecklos ist. Anders verhält es sich, -wenn wir ihn als Luxustier in den von Fremden stark besuchten Gegenden -einführen wollten, zumal ja die Tierwelt des Gebirges zum Bedauern -jedes Freundes der Natur mehr und mehr verarmt. Da wären diese wie -Gemsen kletternden Tiere eine prächtige<span class="pagenum"><a id="Seite_93"></a>[S. 93]</span> Staffage und könnten noch -als Last- und Reittiere Verwendung finden. Gar mancher Fremde fände -es wohl ganz nett, einmal einen Yak statt eines prosaischen Maultiers -zu besteigen, um sich in verkehrsarmen Gegenden in die hehre Bergwelt -hinauftransportieren zu lassen. Wer weiß, vielleicht ist die Zeit nicht -mehr fern, da ein unternehmender Hotelier auf den Gedanken verfällt -und damit ein neues Zugmittel für das nach allem Neuen begierigen -Publikum beschafft, das sich in der Folge weitgehender Beliebtheit -erfreuen dürfte. Schon im Jahre 1850 versuchte man ihn in der Auvergne -anzusiedeln; doch hielt er sich hier nicht auf die Dauer, weil der -betreffende Privatunternehmer bald das Interesse an dieser Zucht -verlor.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_94"></a>[S. 94]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="III_Die_Ziege">III. Die Ziege.</h2> - -</div> - -<p>Nachdem das Rind zum Haustier des Menschen erhoben worden war, kam -als weiteres Nutztier die <em class="gesperrt">Ziege</em> hinzu, bei deren Domestikation -sich jedenfalls auch religiöse Motive geltend machten. Eduard Hahn -macht in seinem Buch über die Haustiere und ihre Beziehungen zur -Wirtschaft des Menschen die Bemerkung, durch die ganze Ethnologie -gehe die Anschauung, den Göttern sei das angenehmste Opfer dasjenige, -das am schwersten zu gewinnen sei und am schmerzlichsten entbehrt -werde. Bei den Assyriern und allen vorderasiatischen Völkern galt -allgemein das eben der Mutter entrissene junge Tier als das wertvollste -Opfer. Das Zicklein und die junge Antilope auf dem Arm des opfernden -Königs kehren bei jenen in der Darstellung immer wieder, so daß obige -Anschauungen als tief im Volksglauben eingewurzelt gelten können. -Dieser grausame Zug machte vor dem Menschen selbst nicht halt, insofern -man in schwierigen Lagen nicht zögerte, seine eigenen Kinder zu opfern. -Man denke nur an das Molochopfer der Phönikier, die Opferung Isaaks -durch Abraham, die allerdings durch göttliche Vermittlung abgewehrt -und durch das Opfer eines Ziegenbockes abgelöst wurde. Daß solche -Opfer insbesondere von erstgeborenen Söhnen als der Gottheit besonders -wohlgefällige Darbringungen galten, beweisen verschiedene Tatsachen aus -der morgenländischen Geschichte, von denen nur diejenige des um 850 -v. Chr. lebenden Königs Mesa von Moab genannt sei, der uns in seinem -einst in seiner Residenz Daibon aufgerichteten Altarstein, der 1868 -vom Franzosen Ganneau aufgefunden wurde und jetzt sich im Louvre in -Paris befindet, das älteste bis jetzt bekannt gewordene Schriftdenkmal -semitischer Buchstabenschrift hinterlassen hat. Er berichtet darin, daß -er den Israeliten die Stadt Nebo weggenommen habe und alle Bewohner, -insgesamt 7000 Personen,<span class="pagenum"><a id="Seite_95"></a>[S. 95]</span> tötete. Als er später von den Israeliten in -seiner Hauptstadt belagert wurde und in arge Bedrängnis kam, opferte -er, um seinen drohenden Untergang abzuwenden, auf der Stadtmauer im -Angesicht der Feinde seinen ältesten Sohn.</p> - -<p>Ebenso verbreitet als das Kindesopfer war die später von milder -denkenden Generationen aufgebrachte Vorstellung, daß es die Gottheit -ebenso sehr freue, wenn man das ihr gefällige Opfer, statt es zu -schlachten, ihr weihe durch Freilassen in ihrem heiligen Tempelbezirke. -So erzählt Älian, die Koptiten in Ägypten hätten die weiblichen -Wildziegen, die sie gefangen, der Göttin geweiht, d. h. sie in deren -heiligem Bezirke ausgesetzt, die Männchen dagegen geschlachtet. War -einmal ein solch kleiner Bestand besonders weiblicher Tiere vorhanden, -von denen wohl eine größere Zahl trächtig war, so waren sie, wie auch -die von ihnen in der Gefangenschaft geborenen Jungen, als der Gottheit -geweihte Tiere deren Eigentum, das der Mensch unter allen Umständen -respektierte. So gewöhnten sie sich an den Menschen, der ihnen je und -je Futter darbot und dafür sorgte, daß sie sich in der für sie kaum -merkbaren Gefangenschaft ruhig vermehrten. Je nach Bedarf holte er sich -dann ein Zicklein als Opfer für die betreffende Gottheit, der die Herde -gehörte. Auch die Milch der Mutter wurde zu sakralen Zwecken verwendet -und sank erst auf einer späteren, praktischer denkenden Stufe zum -Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens herab. Ebenso wurde außer dem -Fleisch, das nach und nach auch zu profanen Zwecken verwendet wurde, -das lange Haar dieses Tieres zur Herstellung allerlei grober Gewebe, -besonders der Zeltdecken des Nomaden, wie auch von Kleidern verwendet, -da es viel wetterbeständiger ist und weniger Wasser aufsaugt als die -Schafwolle.</p> - -<p>Die Stammutter der ältest domestizierten Ziegen ist die im Hügel- -und Bergland von Südwestasien heimische <em class="gesperrt">Bezoarziege</em> (<span class="antiqua">Capra -aegagrus</span>), an der H. Pohlig beobachten konnte, welch hohe -Empfänglichkeit sie für den Anschluß an den Menschen besitzt. In -Djulfa sah er eine Wildziege mit ihren beiden Jungen sich in einem -Gehöft einnisten und sich so an diese neue Umgebung gewöhnen, daß sie -von ihren Ausflügen pünktlich zur Fütterungszeit zurückkehrten. Das -Verbreitungsgebiet dieser Wildziege erstreckt sich von Afghanistan und -Beludschistan über die Gebirge Persiens, Syriens und Kleinasiens bis -nach Griechenland, wo sie einst so gemein war, daß sie den Ägäischen -Inseln (vom griechischen <span class="antiqua">aix</span>, Stamm <span class="antiqua">aig</span>, die Ziege) den -Namen gab. Bevor sie der Mensch dort ausrottete, müssen sie auf den -Küstenbergen<span class="pagenum"><a id="Seite_96"></a>[S. 96]</span> des griechischen Meeres sehr gemein gewesen sein, wie -etwa auf der Kyklopeninsel, von der es in Homers Odyssee heißt:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">„Der Ziegen unendliche Menge durchstreift sie,</div> - <div class="verse indent0">Wilden Geschlechts, weil nimmer ein Pfad der Menschen sie scheuchet.“</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Daß sie damals vom Menschen eifrig gejagt wurden, ist begreiflich. So -wird in der Ilias geschildert, wie der Schütze ihr auf dem Anstand -auflauert, bis das Tier aus dem Felsenversteck hervortritt. Alsbald -trifft es der Pfeil von unten in die Brust, so daß es sich überschlägt -und die Felsen hinunterfällt. Sein Fleisch wird als willkommene Beute -gegessen und das mächtige Gehörn zu einem starken Bogen verarbeitet.</p> - -<p>Die Bezoarziege ist merklich größer als unsere von ihm abstammende -Hausziege, die ihr übrigens besonders in der der Wildform noch sehr -nahestehenden kräftig gebauten gemsfarbigen Varietät noch sehr ähnlich -sieht. In beiden Geschlechtern besitzt die zahme wie die wilde Form -einen starken Bart und ein unregelmäßig geknotetes, vorn scharf -gekantetes, hinten gerundetes, sichelförmig nach hinten gekrümmtes, -gegen die Spitze zu etwas zusammenstrebendes Gehörn, das beim Bock viel -stärker als beim Weibchen entwickelt ist. Bei ihm erreicht es nämlich -eine Länge von über 130 <span class="antiqua">cm</span> bei einem Umfang von nur 17–18 -<span class="antiqua">cm</span>; bei der auch sonst kleineren Geis sind sie nicht nur viel -kleiner, sondern auch nur schwach nach rückwärts gekrümmt. Sie stehen -bei ihr am Grunde auch weiter auseinander als beim Bock. Im Winter ist -der Pelz der Bezoarziege, der in kalten Klimaten weiches Unterhaar -erhält, bräunlichgrau, im Sommer dagegen gelblich- oder rötlichbraun. -Die Unterseite des Rumpfes und die Innenseite der Schenkel ist -weißlich oder weiß. Alte Böcke sind blasser und am Hinterhals, auf -den Schultern, an der Kehle und auf der Vorderseite der Beine mit -Ausnahme der Kniee braun und weisen einen schwarzen Rückenstreifen auf, -der bis zum Schwanz verläuft und ziemlich scharf abgegrenzt ist. Es -sind dies alles Merkmale, die sich, wie auch die aufrecht gestellten -Ohren, bei der ebenfalls ausgezeichnet kletternden gezähmten Bergziege -in derselben Weise wiederfinden. Die Länge des ausgewachsenen Bockes -beträgt bei der Bezoarziege etwa 1,5 <span class="antiqua">m</span> bei einer Schulterhöhe -von 95 <span class="antiqua">cm</span>.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel17a" > - -<p class="captop">Tafel 17.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel17a.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><div class="capright">(<span class="antiqua">Phot. von E. - Reinhardt.</span>)</div> - Toskanisches Hausrind vor einen Holzpflug mit Metallspitze gespannt.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel17b" > - <img class="w100" src="images/tafel17b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Kirgisisches Rindergespann vor einem primitiven Pflug.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel18" > - -<p class="captop">Tafel 18.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel18.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Altägyptisches Relief des Alten Reiches aus Sakkarah (6. - Dynastie, 2625–2475 v. Chr.) mit Darstellung einer Vogeljagd links und einer - Ziegenherde mit ihrem Hirten rechts.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel18_gross.jpg" id="tafel18_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel19" > - -<p class="captop">Tafel 19.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel19.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Von dem Assyrerkönig Tiglatpilesar III. auf einem syrischen - Feldzug erbeutete Herden (8. Jahrhundert v. Chr.)<br /> - Oben links: Gefesselte Gefangene. Oben rechts: Eroberte Schafe und Ziegen. Unten: - Anblick einer befestigten Stadt mit Dattelpalme und Sturmbock, im Hintergrund ein - assyrischer Schreiber, der die erbeuteten Schafe und Ziegen aufschreibt. Im - Vordergrund Ochsenkarren mit gefangenen Frauen und Kindern.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel19_gross.jpg" id="tafel19_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe28_125 break-before" id="tafel20a" > - -<p class="captop">Tafel 20.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel20a.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><div class="capright">(<span class="antiqua">Copyright by M. - Koch, Berlin.</span>)</div> - Schraubenziege oder Markhor.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel20b" > - <img class="w100" src="images/tafel20b.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><div class="capright">(<span class="antiqua">Copyright by M. - Koch, Berlin.</span>)</div> - Angoraziegen.</div> -</div> - -<p>Die Bezoarziege bewohnt mit Vorliebe wüste, felsige Berge, wo -sich ihre verschieden großen Herden gern an die Klippen und -Schluchten<span class="pagenum"><a id="Seite_97"></a>[S. 97]</span> halten. Sie ist sehr lebendig, klettert und springt mit -bewundernswerter Sicherheit von einem Felsenkamm zum andern und scheint -steile Felsenabhänge kaum zu beachten. Rasch und sicher läuft sie auf -schwierigen Graten dahin und faßt sichern Stand auf dem kleinsten -Felsvorsprunge, der sich ihr darbietet. Während der Paarungszeit, im -November, kämpfen die Böcke hartnäckig und gewaltig um die Weibchen, -die dann nach der Belegung im April oder Mai die Jungen zur Welt -bringen, und zwar die jüngeren Ziegen eins oder zwei, die älteren stets -zwei, nicht allzuselten auch drei. Diese folgen der Mutter sofort -nach der Geburt, vom dritten Tage ihres Lebens an selbst auf den -schwierigsten Pfaden, wachsen rasch heran und sind jederzeit zu Scherz -und Spiel bereit.</p> - -<p>Den Wildziegen wird von seiten des Menschen eifrig nachgestellt, da -ihr Fleisch einen ausgezeichnet schmackhaften Braten liefert, der an -Rehbraten erinnert und ebenso zart und mürbe wie letzterer ist. Es wird -entweder frisch genossen oder, in lange, schmale Streifen geschnitten, -an der Luft getrocknet, um es später verwenden zu können. Das im Winter -erbeutete langhaarige Fell wird von den Orientalen mit Vorliebe als -Gebetteppich benutzt und, weil man seinen scharfen Geruch angenehm -findet, hoch geschätzt. Das kurzhaarige Sommerfell wird zu Schläuchen -verwendet, die im Morgenland allgemein als Behälter für Wein oder -Wasser an Stelle unserer dort unbekannten Holzfässer dienen, und das -Gehörn zu Pulverhörnern, Säbelgriffen usw. verarbeitet.</p> - -<p>Ihren Namen hat übrigens die Bezoarziege von dem früher auch bei -uns berühmten, heute noch überall in Westasien bis Persien als eine -Gegengabe gegen Gift geschätzten und als eine Arznei für viele -Krankheiten betrachteten, gelegentlich in ihren Eingeweiden gefundenen -Steine, dem Bezoarstein. Dieser stellt einen Gallenstein dar und -war den alten Schriftstellern unter dem Namen Pasen bekannt, welche -Bezeichnung offenbar aus Pasang hervorging, einer der männlichen -Bezoarziege in Persien beigelegten Bezeichnung.</p> - -<p>Der älteste und wichtigste Bildungsherd der zahmen Ziege aus -der Bezoarziege ist jedenfalls Westasien, das ja von sehr alten -Kulturvölkern bewohnt war, die am ehesten imstande waren, die -Domestikation vorzunehmen. Überall treffen wir sie bei diesen seit -der jüngeren Steinzeit als Haustier an. In Mesopotamien wurde sie -zur assyrischen Zeit vielfach abgebildet. Daß sie damals schon sehr -lange im Haustierstande verweilt haben muß, geht daraus hervor, daß -sie bereits hängeohrig<span class="pagenum"><a id="Seite_98"></a>[S. 98]</span> war. Im alten Ägypten erscheint sie ebenfalls -häufig in bildlicher Darstellung. Wir sehen sie die zum Holzfällen -ausziehenden Arbeiter begleiten und die Blätter der gefällten Sykomoren -und anderer Bäume abfressen. Sie wird stets mit einem Bart und der Bock -mit einem stattlichen Gehörn abgebildet. Etwa einmal wird ein Zicklein -geschlachtet, an den Hinterbeinen am Geäst eines Baumes aufgehängt und -mit dem Messer zerlegt, um einen willkommenen Braten zu liefern. Die -Ziegenzucht muß im alten Ägypten einen großen Umfang besessen haben und -trat weit vor die Schafzucht, was wir sehr wohl begreifen, wenn wir -bedenken, daß die Bewohner des heißen Ägypten vom Beginn des dritten -vorchristlichen Jahrtausends an nicht mehr Wollkleider, sondern die -viel leichteren und angenehmeren weißen Linnenkleider trugen. Aus dem -mittleren Reiche besitzen wir ein Dokument, worin einem Gutsherrn von -seinem Oberschreiber 5023 Stück Vieh als Besitzstand angemeldet werden, -worunter sich nur 924 Schafe, dagegen 2234 Ziegen und der Rest Rinder -befinden.</p> - -<p>Sagenhafte Überlieferungen, die weit vor die homerische Zeit -zurückreichen, sprechen von einem Ziegenvolke, das von Kleinasien -hervordrang und überall, wo es erschien, Angst und Schrecken -verbreitete. Schälen wir den Grundgedanken der Sage aus der -mythologischen Umhüllung heraus, so wird das wohl heißen, daß -Griechenland die Hausziege in grauer Vorzeit von Westasien her -erhielt. Hier wie überall sonst in den Mittelmeerländern hat sie als -Begleiterscheinung einer primitiven Kultur willige Aufnahme und weite -Verbreitung gefunden und in der Folge durch ihre Genäschigkeit und -ausgesprochene Vorliebe für die Knospen und jungen Triebe von holzigen -Gewächsen in Verbindung mit der Sorglosigkeit des sie haltenden -Menschen als Verderberin des aufsproßenden jungen Waldes eine leider -sehr verhängnisvolle Rolle gespielt.</p> - -<p>In einer durch schlechte Haltung verkümmerten, kleinen Form treffen -wir die Hausziege auch bei den neolithischen Pfahlbauern Mitteleuropas -eingebürgert. Schon L. Rütimeyer wies darauf hin, daß in den Überresten -der ältesten Pfahlbauten Ziegenreste viel häufiger als Reste des -Schafes vorkommen, während dann mit dem Kulturaufschwung in der -Bronzezeit das Verhältnis ein umgekehrtes wurde, d. h. die Ziegenzucht -gegenüber der Schafzucht bedeutend zurücktrat, gleichzeitig aber auch -die damals gehaltenen Ziegenrassen durch bessere Lebenshaltung größer -und stattlicher erscheinen. Dieses Verhältnis in der Zucht beider -Haustiere änderte sich hier auch in der Folge nicht.<span class="pagenum"><a id="Seite_99"></a>[S. 99]</span> Wenn es auch noch -zur Zeit Kaiser Karls des Großen viel Ziegen bei den Franken gab, so -waren sie doch ziemlich weniger zahlreich als die Schafe. Dies drückt -sich auch in dem uns erhaltenen Gesetzbuch der salischen Franken aus, -laut dem das Schaf an Zahl die Ziege bedeutend überwog.</p> - -<div class="figcenter illowe3_125" id="bild16" > - <img class="w100" src="images/bild16.jpg" alt="" /> -</div> - <div class="s5 center w15em no-break-before">Bild 16. Ein zum Durchbohren der Felle gebrauchter -Pfriemen der neolithischen Pfahlbauern der Schweiz, der aus dem -Laufbein einer als Haustier gehaltenen Ziege verfertigt wurde. Auch -Dolche wurden aus solchen Knochen hergestellt. (<span class="nowrap"><span class="zaehler">4</span>⁄<span class="nenner">9</span></span> natürl. Größe.)</div> - -<p class="mtop1">Bei den alten Griechen und Römern war die Ziege als Nutztier fast so -beliebt als das Rind. Sie wurde besonders von der ärmeren Bevölkerung -als Milch- und Fleischlieferant gehalten, wie sie ja heute noch die -„Kuh des armen Mannes“ ist und als solche immer mehr zu Ehren gezogen -zu werden verdient. Besonders in der älteren griechischen Zeit war die -Ziegenzucht stark verbreitet. Zahlreiche uralte Namen, Abbildungen -auf Münzen und die häufige Erwähnung in Sagen und in den homerischen -Gesängen beweisen, daß ihr in älterer Zeit eine weit größere Bedeutung -zukam, als später in der klassischen Zeit, da sich die Schafzucht wegen -der Gewinnung der Wolle mehr in den Vordergrund drängte. Gleichwohl -wurde sie auch dann noch häufig besonders von den Ärmeren gehalten und -deren Milch nebst den Zicklein auf den Markt gebracht. Überall wurde -die Ziegenmilch auch von der städtischen Bevölkerung gern genossen und -aus dem Überschuß Käse bereitet. Der aus Spanien nach Rom gekommene -römische Ackerbauschriftsteller Columella schreibt um die Mitte des -ersten christlichen Jahrhunderts über das Halten von Ziegen: „Den -Ziegenbock (<span class="antiqua">caper</span>) und die Ziege (<span class="antiqua">capella</span>) hält man für -vorzüglich gut, wenn an ihrem Halse zwei sogenannte Glöckchen hängen -und wenn der Kopf klein ist. Man sieht es auch gern, wenn das Haar -glänzend und lang ist, so daß man es scheren und Mäntel für Soldaten -und Matrosen daraus anfertigen kann. Es ist besser, wenn das Ziegenvieh -keine Hörner hat, weil es mit ihnen nur Schaden anrichtet. Es bekommt -oft Zwillinge, auch Drillinge. Zur Zucht wählt man vorzugsweise das -stärkste Zicklein von Zwillingen, behandelt es im übrigen wie die -Schaflämmer. Die Mutterziegen schafft man im achten Jahre ab. — -Der Ziegenhirt muß ein rüstiger, ausdauernder Mann sein, der<span class="pagenum"><a id="Seite_100"></a>[S. 100]</span> mit -Behendigkeit über Felsen klettert, durch Wildnis und Dorngebüsch -hindurchgeht, denn das Ziegenvieh ist rasch und kühn. Kann man die -Ziegenmilch nicht frisch zur Stadt schaffen, so verwandelt man sie in -Käse. Für den Handel macht man diesen von ganz frischer Milch, die man -durch Lab (aus zerkleinerten Mägen) von Schaf- oder Ziegenlämmern zum -Gerinnen bringt. Man setzt sie in die Nähe des Feuers, so daß sie warm, -aber nicht heiß wird, gießt sie, sobald die Käseteile festgeworden sind -und sich ausgeschieden haben, in dicht geflochtene Körbe und läßt die -Molken ablaufen, was man noch durch aufgelegte Gewichte befördert. Dann -nimmt man die Käse aus den Körben, bestreut sie mit pulverisiertem Salz -und preßt sie nochmals. Dies geschieht 9 Tage hindurch, dann wäscht -man sie mit reinem Wasser, legt sie an einen schattigen Platz so auf -Horden, daß einer den andern nicht berührt, und bewahrt sie später, -wenn sie mäßig trocken sind, an einem vor Luftzug gesicherten Orte auf.“</p> - -<p>Columellas Zeitgenosse Plinius sagt in seiner Naturgeschichte, daß die -Ziege in seltenen Fällen sogar 4 Zicklein bekomme und im Negerland 11, -anderwärts aber meist nur 8 Jahre alt werde. „Kranke Augen kurieren -sich die Ziegen selbst, indem sie eine Binsenspitze hineinstechen -und sich so zur Ader lassen; die Böcke dagegen stechen sich einen -Brombeerstachel hinein. — Mutianus erzählt ein merkwürdiges, von ihm -selbst erlebtes Beispiel von der Klugheit dieser Tiere. Es begegneten -sich nämlich zwei auf einer sehr schmalen Brücke, und da sie weder -umeinander herum, noch zurück konnten, indem der Pfad zu eng und unter -ihm ein brausender Waldbach war, der sie zu verschlingen drohte, so -legte sich die eine nieder und die andere schritt über sie hinweg. -— Nicht alle Ziegen haben Hörner; allein wenn sie da sind, kann man -das Alter an der Zahl der Knoten erkennen. Die ungehörnten geben mehr -Milch. Man sagt, die Ziegen sehen nachts so gut wie am Tage, und Leute, -die am Abend schlecht sehen, müssen sich daher durch den Genuß von -Ziegenleber heilen. In Cilicien und um die Syrten werden die Ziegen -geschoren. Wenn die Sonne sich gesenkt hat, sollen sie sich auf der -Weide so lagern, daß sie einander nicht ansehen, zu andern Tageszeiten -aber so, daß sie sich ansehen, und zwar familienweise. Alle haben am -Kinn einen Bart, und wenn man eine am Barte faßt und fortzieht, so -sieht die ganze Herde staunend zu. Ihr Biß ist den Bäumen verderblich. -Den Olivenbaum machen sie schon durch bloßes Lecken unfruchtbar und -werden deshalb der Minerva nicht geopfert.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_101"></a>[S. 101]</span></p> - -<p>In seinem Buche über die Landwirtschaft schreibt der gelehrte Marcus -Terentius Varro (116–27 v. Chr.), selbst Besitzer schöner Landgüter: -„In den Gesetzen über die Kolonien steht geschrieben: Niemand soll -Ziegen (<span class="antiqua">capra</span>) da weiden lassen, wo junge Bäume oder Sträucher -stehen. An Saaten aller Art, namentlich aber an jungen Weinstöcken und -Ölbäumen, können Ziegen gefährlichen Schaden anrichten. Um nun die -Beeinträchtigung des Rebbaues durch sie zu sühnen, werden dem Gotte -Bacchus, der den Weinbau erfunden, Ziegenböcke geopfert; der Minerva -aber opfert man kein Ziegenvieh, weil es ihr wegen des Schadens, den -es den Ölbäumen verursacht, verhaßt ist. Nur einmal im Jahre wird -auf der Burg in Athen der Minerva eine Ziege geopfert, außerdem darf -sich dort keine sehen lassen.“ Weiterhin bemerkt er, daß die Ziegen -wie die Schafe in Herden von 50 bis 100 Stück gehütet werden, „doch -haben sie die Eigenschaft, daß sie lieber in Wäldern und auf Bergen -weiden als auf Wiesen; denn sie knuspern gern an Holzgewächsen. In -einem großen Teile Phrygiens werden die Ziegen geschoren, weil sie -lange Haare haben, und man verfertigt dort aus ihnen die sogenannten -cilicischen Kleider. In Cilicien soll man zuerst die Ziegen geschoren -haben.“ Schon Aristoteles im 4. Jahrhundert v. Chr. sagt in seiner -Tiergeschichte, in Lycien schere man die Ziegen gerade wie anderwärts -die Schafe, und Älian schreibt ca. 200 n. Chr.: „Tut man Ziegen zu -einer Schafherde, so gehen sie voran und führen dieselbe. Orthagoras -sagt in seinen Indischen Erzählungen, im Dorfe Koytha würden die Ziegen -mit getrockneten Fischen gefüttert.“ Jedenfalls lassen sich diese -Tiere unschwer an Fleischnahrung gewöhnen. So werden sie wie auch die -Kühe auf Island vielfach mit getrockneten Fischen gefüttert. Daß die -Ziegenhaare als Gespinstmaterial lange nicht so geschätzt waren als -die Schafwolle, beweist die übrigens auch in den Episteln des Horaz -vorkommende Redensart: über Ziegenhaare zanken im Sinne von: über Dinge -zanken, die dessen nicht wert sind.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="bild17" > - <img class="w100" src="images/bild17.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 17. Von einem Hirten mit zwei Hunden getriebene - Ziegenherde von einem altgriechischen (böotischen) Henkelbecher des - Theozotos. (Im Louvre.)</div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_102"></a>[S. 102]</span></p> - -<p>Das lange Verweilen im Haustierstande hatte schon damals zu -verschiedenen Rassen geführt und auch hornlose Arten hervorgehen -lassen. So tritt zur Römerzeit neben der altangesessenen kleinen -Hausziege noch eine zweite Form auf, die in den Kolonien der -Nordschweiz mehrfach Reste hinterließ und offenbar ziemlich -verbreitet war. Es ist dies eine zweifellos aus dem Mittelmeergebiet -stammende, durch bessere Lebenshaltung größere Ziege von gleichfalls -Bezoarziegenabstammung, mit bedeutend stärkeren Hörnern. Auch zeigen -die Hornzapfen im Verlauf und in der Oberflächenbeschaffenheit -deutliche Unterschiede, die sich auch späterhin genau verfolgen lassen. -Sie begegnet uns außer auf altgriechischen Münzen in bildlichen -Darstellungen, z. B. einer großen Silberpfanne aus Vindonissa -von zweifellos römischer Arbeit in Gestalt einer großhörnigen, -langbehaarten Ziege, die dann besonders zahlreich in Begleitung -römischer Kultur in das Gebiet nördlich der Alpen eindrang. Hier hat -sie sich wie der Molosserhund und das kurzköpfige Rind, die sich -zum Bernhardinerhund und zum Eringerrind umgestalteten, als ein -Relikt aus der Römerzeit ziemlich rein in den entlegenen Tälern des -Oberwallis in der <em class="gesperrt">schwarzhalsigen Walliserziege</em> erhalten, -die ein ausgesprochenes Gebirgstier ist. Der kräftig gebaute Körper -trägt in beiden Geschlechtern im Vorderkörper eine tiefschwarze, im -Hinterkörper eine schneeweiße Behaarung, wobei die beiden Farben hinter -der Schulter in senkrechter, scharfer Begrenzung zusammenstoßen. Die -Klauen der Vorderfüße sind schwarz, diejenigen der Hinterfüße dagegen -weiß. Der Rücken ist vollkommen gerade, der Hals und der Kopf kurz, die -Stirne breit. Neuerdings wird diese Rasse vom Oberwallis aus stark nach -Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich verbreitet.</p> - -<p>Durch Zucht bedeutend weniger verändert und der Wildform noch recht -nahe stehend ist die <em class="gesperrt">gemsfarbige Ziege</em> von mittlerer Größe, -dabei von kräftigem Bau. Ihr ganzer Körper ist mit kurzen, gemsfarbenen -Haaren bedeckt, die auf dem Rücken und an den Schenkeln mitunter länger -werden. Außer dem schwarzen Rückenstreifen sind Gesicht, Vorderbrust -und Schultern ebenfalls dunkler gefärbt als der übrige Körper. Sie ist -vorzugsweise eine äußerst geschickt kletternde Bergziege, die in den -Zentralalpen sehr verbreitet ist, aber auch in anderen Gebirgsgegenden -Europas, so in den Pyrenäen, in Süditalien, Griechenland, Bosnien und -den Balkanländern, gehalten wird.</p> - -<p>Während diese beiden Ziegenrassen der Wildform ähnliche Hörner tragen, -ist die <em class="gesperrt">hornlose Ziege</em> als Kulturrasse offenbar aus der vorigen<span class="pagenum"><a id="Seite_103"></a>[S. 103]</span> -hervorgegangen, und zwar schon im frühesten Altertum, da sie bereits -von den alten Griechen und Römern gehalten wurde und als besonders -milchergiebig galt. Diese zielbewußte Wegzüchtung des Gehörns ist hier -wie beim Rind sehr wohl begreiflich; denn dem Menschen mußten die -Hörner als Werkzeuge zu Zerstörung und Angriff bald unbequem sein, -und außerdem wollte er den Organismus des von ihm vor allen Gefahren -beschützten Haustiers vor aller Ausgabe von unnützem Bildungsstoff -bewahren. Der mittelgroße Körper dieser hornlosen Ziege weist -regelmäßige Formen auf mit verhältnismäßig langem Kopf, breiter Stirn -und aufrechten oder etwas hängenden Ohren. An ihrem Halse kommen häufig -glöckchenartige Anhängsel vor, die, wie wir hörten, bereits Columella -erwähnt. Die Behaarung ist fein, am Rücken und Schenkel verlängert; -die Färbung wechselt von Hellbraun bis zu Weiß. Stirn und Nasenrücken -sind meist hellbraun, auch kommt ein dunkler Rückenstreifen vor. Diese -Rasse ist in den schweizerischen Bergländern stark verbreitet. Am -geschätztesten ist die <em class="gesperrt">Toggenburger Ziege</em> von brauner Färbung, -die aber als Rückschlagserscheinung bisweilen ein feines Gehörn -besitzt. Dieser Schlag gilt als sehr milchergiebig und wird aus dem -St. Galler Oberland stark nach Baden, Bayern, Sachsen und Holland -exportiert. Die ebenfalls hornlose <em class="gesperrt">Saanenziege</em> ist rein weiß -oder gelblichweiß mit gleichfarbenem Flotzmaul und kommt in kurz- und -langhaarigen Abarten vor. Sie stammt vom Oberlauf des Flüßchens Saane -im Obersimmental (Berner Oberland) und hat sich über die ganze Schweiz -verbreitet, da sie durchschnittlich 4 Liter Milch täglich gibt. Auch -sie wird viel nach dem Auslande zur Aufbesserung der heruntergekommenen -Stallziege oder zur Reinzucht exportiert. So wird sie in Reinzucht vom -Ziegenzuchtverein in Pfungstadt gezogen und an Liebhaber in Deutschland -verkauft.</p> - -<p>Alle diese europäischen Rassen werden hauptsächlich der Milchnutzung -wegen gehalten und verdienen in der Tat als Milchlieferanten der -ärmeren Bevölkerung die weiteste Verbreitung. Da, wo sie das ganze Jahr -im Stall bleiben und ohne sachgemäße Pflege behandelt werden, sind sie, -besonders im Tiefland, weitgehend degeneriert. In den Mittelgebirgen -dagegen, z. B. im Harz, wo sie wenigstens im Sommer auf die Weide -getrieben werden, haben sich mit dem freieren, naturgemäßeren Leben -schon bessere Schläge erhalten. Da aber, wo sie, wie in der Schweiz, -den größten Teil des Jahres im Freien zubringen und im Gebirge, ihrem -Lebenselement, herumklettern können und man ihrer Zucht von jeher -größere Aufmerksamkeit schenkte, da treffen wir<span class="pagenum"><a id="Seite_104"></a>[S. 104]</span> die weitaus edelsten, -milchergiebigsten Rassen, die zur Reinzucht oder zur Auffrischung der -verkommenen Schläge des Tieflandes die weiteste Verbreitung verdienen. -Das hat man auch überall in Deutschland erkannt und handelt danach. -Wenn es gelänge, durch Verbesserung des in Deutschland vorhandenen -Ziegenmaterials von etwa 3 Millionen Stück einen Mehrertrag von auch -nur einem halben Liter Milch pro Exemplar und Tag zu erzielen, so -würde damit das Nationalvermögen in Deutschland nach Ulrich um nicht -weniger als 30 Millionen Mark jährlich erhöht. Deshalb sollten nicht -nur Private, sondern vor allem auch die Kommunen und der Staat zur -Veredlung dieses so nützlichen Haustieres das ihrige beitragen.</p> - -<p>Mit vollem Recht schreibt der Direktor des Berliner Zoologischen -Gartens, <span class="antiqua">Dr.</span> Heck, im Tierreich: „In unserem Vaterland und den -anderen europäischen Ländern ist die Ziege zwar überall zahlreich -vorhanden, aber was sachgemäße Züchtung und Behandlung anlangt, -neben dem Geflügel entschieden das am meisten vernachlässigte -Haustier. In unserer zünftigen Landwirtschaft sieht man sie nicht -so recht für voll an; die ‚Kuh des armen Mannes‘ nennt man sie halb -scherzweise, halb verächtlich. Ich möchte aber diesen Spottnamen -vielmehr als einen Ehrennamen in Anspruch nehmen: Kann es denn etwas -Wichtigeres geben als ein milchergiebiges und billig zu haltendes -Haustier für den kleinen Mann, den kleinen Bauer, den Handwerker -und Tagelöhner auf dem Dorfe, den Fabrikarbeiter in der Vorstadt?! -Gerade heutzutage, wo durch den Zustrom nach den Städten immer größere -Massen des Volkes ins Proletariertum hinabsinken, das kein Heim -mehr hat und nichts mehr sein Eigen nennt! Wie wohl täte die fette -Ziegenmilch dem hohläugigen Armenkinde der Großstadt, das seinen -Hunger notdürftig mit minderwertiger Abfallsnahrung stillen muß! Das -ist freilich nicht zu verwundern, daß unter der ‚Pflege‘ der Armut -bei kargem Futter, in schlecht verwahrtem Stall aus der Hausziege die -fast sprichwörtliche ‚magere Zicke‘ wurde, deren Haltung kaum mehr -lohnt; um so verdienstlicher ist es aber, wenn seit einigen Jahren -landwirtschaftliche (Gräfin v. Mirbach-Sorquitten) und industrielle -Kreise (meine Landsleute Dettweiler und Ulrich) die Bedeutung der Ziege -für das Volkswohl erkannt und ihre Verbesserung energisch in die Hand -genommen haben.“</p> - -<p>Verhältnismäßig selten wird in Deutschland die Ziegenmilch zu Butter -und Käse verarbeitet. Letzterer wird in Altenburg und anderswo, -besonders auch in der Schweiz, in bis tellergroßen Scheiben von -Finger<span class="pagenum"><a id="Seite_105"></a>[S. 105]</span>dicke auf den Markt gebracht und mit Kümmel und Salz gewürzt -gegessen. Die bei der Gerinnung des Käsestoffs ablaufende zucker- -und nährsalzreiche grünlichgelbe Flüssigkeit, die Molke, wird noch -vielfach als Heilmittel für Brustkranke verwendet. Erwachsen kommt -die Ziege als Schlachttier wenig in Betracht, obschon die Haut ein -vorzügliches Leder für Damenschuhe und feinere Sattlerarbeiten -liefert und die Därme für Saiten von Musikinstrumenten sehr gesucht -sind. Schon Karl der Große befahl den Verwaltern seiner Güter, nicht -bloß Herden von Milchziegen, sondern auch von Böcken zu halten, -deren Hörner und Felle ihm abgeliefert werden sollten. Damals wurde -auch das Fleisch der Böcke gern gegessen, teils frisch, teils aber -geräuchert. Besonders aber dienten und dienen heute noch die Zicklein, -soweit man sie nicht aufziehen will, als leckerer Braten. Außer dem -trefflichen Fleisch liefern sie das beste Material für die Herstellung -von Glacéhandschuhen, für die allein aus der Schweiz nach Frankreich, -wo in Grenoble — dem alten Gratianopolis — in der Dauphinée das -Hauptzentrum für diesen Fabrikationszweig besteht, jährlich etwa 300000 -Stück ausgeführt werden. Die Ziegenhaare werden nur noch ausnahmsweise -verarbeitet, dagegen dienen Ziegenfelle den Hirten auf Korsika und -Sardinien als Bekleidung.</p> - -<p>Überhaupt ist die Hausziege am stärksten im gebirgigen Südeuropa von -Spanien bis Griechenland und Zypern vertreten und ist ihre Zucht -hier in manchen Gegenden wichtiger als die Schafzucht. Auch in den -Gebirgstälern der östlichen Karpathen, in Siebenbürgen, in den -österreichischen, schweizerischen und französischen Alpen ist die Ziege -ein gemeines Haustier. Nach Fankhauser beträgt in der Schweiz die Zahl -der Stallziegen etwa 180000, der Herdgeißen, die täglich ausgetrieben -werden, 164000 Stück und der während des Sommers in den Alpen -gesömmerten Ziegen ungefähr 65000 Stück. In Süd- und Mitteldeutschland -hat die Ziegenzucht in neuerer Zeit eine Zunahme erfahren, während sie -in Nordeuropa in Abnahme begriffen ist. Ganz unbedeutend ist sie in -England, etwas mehr in Schottland, reich dagegen in Irland vertreten. -In Frankreich läßt sich ein Rückgang ihrer Zucht feststellen, mit -Ausnahme der südlichen Departemente. In ganz Europa werden reichlich 20 -Millionen Ziegen gehalten.</p> - -<p>Wie in Europa finden sich die Ziegen von Bezoarabstammung auch in -Nordafrika und Westasien. Im tropischen Afrika sind sie zu einer -Kümmerform degeneriert, die wir als <em class="gesperrt">Zwergziege</em> vom äußersten -Osten bis zur Westküste in verschiedenen Schlägen antreffen. Einzelne -der<span class="pagenum"><a id="Seite_106"></a>[S. 106]</span>selben, wie besonders diejenigen Westafrikas, erinnern in ihrer -Färbung ganz an unsere gemsfarbige Ziege. Ihre dem heißen Klima -entsprechende kurze Behaarung ist rotbraun mit schwarzem Rückenstreifen -und dunkler Schulterbinde; andere neigen stark zu Leucismus, wie die -blendend weiße <em class="gesperrt">Somaliziege</em>, die aber als Erbstück der Stammform -sehr häufig einen schwarzen Rückenstreifen sowie eine über die Stirn -und zwei über die Augen verlaufende dunkle Binden beibehalten hat. -Alle diese Zwergziegen sind kurzbeinig und gehörnt, doch bleibt das -Gehörn stets kurz. Ebenfalls ein kurzes, nach hinten und außen in -einem Halbbogen verlaufendes Gehörn mit meist scharfer vorderer Kante -hat die gleichfalls von der Bezoarziege stammende <em class="gesperrt">Mamberziege</em> -Westasiens, deren Ausgangspunkt vermutlich Syrien ist, von wo aus deren -Zucht sich über den Orient verbreitete. Sie unterscheidet sich von -allen anderen Ziegenrassen durch die ungeheuer langen Hängeohren, die -die Kopflänge um das Doppelte übertreffen. Der gestreckte Kopf ist in -der Stirngegend sanft gewölbt, der Hals ziemlich lang, der Leib von -stattlicher Größe und hochgestellt. Die Behaarung erscheint am Kopf -kurz, am übrigen Körper sehr lang, zottig und seidenartig glänzend. -Die Färbung ist einförmig weiß, auch gelbbraun oder schwarz. Das -Verbreitungsgebiet dieser Ziegenrasse, die offenbar schon sehr alt -sein muß, da sie bereits Aristoteles bekannt war, erstreckt sich vom -Mittelmeer bis nach Persien und Mittelasien hinein. Hier grenzt an sie -eine andere, meist kleinere Ziegenrasse, die sich durch lange Behaarung -und schraubenartiges Gehörn auszeichnet und sich damit als Abkömmling -einer in den Bergen Afghanistans und Kaschmirs lebenden Wildziege, der -<em class="gesperrt">Schraubenziege</em> oder des <em class="gesperrt">Markhor</em> (<span class="antiqua">Capra falconeri</span>) -erweist. Es ist dies ein Gebirgstier von der Größe eines Steinbocks mit -gerade verlaufendem, korkzieherartig gedrehtem, zweikantigem Gehörn, -das eine Länge von 1,5 <span class="antiqua">m</span> erreicht und bei gewissen Varietäten -nach hinten und außen gebogen ist. Das fahlbraune Haarkleid ist auf dem -Rücken und am Vorderkörper stark verlängert. Ungleich den Steinböcken, -die sich an die schwer zugänglichen Felsenlabyrinthe des Gebirges -halten, liebt der Markhor Wälder mit felsigem Boden, in denen er sich -so viel wie möglich versteckt; nur gelegentlich kommt er auf offenes -Gelände hinaus. Wie andere Ziegen, gleich denen er in Herden lebt, -hält er sich mit Vorliebe an steilen Felsklippen auf. In Afghanistan, -wo Wälder meistens fehlen, wird er in steinigen Schluchten und an -steilen Berglehnen gefunden, von wo ihn nur starker Schneefall den -Tälern zutreibt. Er klettert vortrefflich und sein Weibchen<span class="pagenum"><a id="Seite_107"></a>[S. 107]</span> bringt -im Mai-Juni 1 oder 2 Junge zur Welt. Wiederholt hat sich der Markhor -erfolgreich mit Hausziegen gepaart. Sein Verbreitungsgebiet erstreckte -sich früher wahrscheinlich weiter nach Westen und reichte vielleicht -bis zu den Bergen im Osten von Persien. Am frühesten tritt uns ein -Abkömmling dieser innerasiatischen Wildziege in einem in Nordbabylonien -ausgegrabenen Bronzekopf aus dem Anfang des zweiten vorchristlichen -Jahrtausends entgegen. Auch aus späterer Zeit sind Darstellungen oft -langhaariger Ziegen mit langem, schraubenartig gewundenem, geradem -Gehörn und Bart auf uns gekommen, so auf Bildern aus der ersten Hälfte -des letzten vorchristlichen Jahrtausends, auf denen assyrische Krieger -sie als Beute vor sich hertreiben. Durch ihre Schlappohren und die -geringe Größe erweisen sie sich als weitgehend durch Domestikation -veränderte Haustiere.</p> - -<p>Diese Hausziege von Markhorabstammung drang dann mit der Zeit nach -Syrien und Ägypten vor, erhielt sich aber hier nicht rein, sondern -wurde weitgehend mit der Mamberziege gekreuzt. Diese Kreuzungsprodukte, -die sich teilweise durch Mopskopf und außerordentlich lange Ohren -auszeichnen, so daß letztere gelegentlich gestutzt werden müssen, damit -sie die Tiere nicht am Weiden hindern, sind heute von Ägypten über ganz -Vorder- und Mittelasien verbreitet.</p> - -<p>In reiner Form hat sich die Hausziege von Markhorabstammung nur in -der <em class="gesperrt">Kaschmirziege</em> erhalten, die die eigentliche Hausziege -Innerasiens ist. Auch sie ist gegenüber ihrem freilebenden Stammvater -bedeutend kleiner geworden. Sie ist ein gefällig gebautes Tier von -beinahe 1,5 <span class="antiqua">m</span> Gesamtlänge und 60 <span class="antiqua">cm</span> Schulterhöhe mit -einer ihrer kalten Heimat Tibet entsprechenden dichten Behaarung. Ein -langes, feines Grannenhaar überdeckt die kurze, flaumartig weiche -Wolle. Die Färbung wechselt, ist oft einfach weiß, gelb, braun oder -schwarz; häufig sind die Kopfseiten, der Hals und Kehlbart schwarz, -die übrigen Teile des Körpers aber silberweiß. Der gestreckte Leib -ist dick; der kurze Kopf trägt nicht sehr lange hängende Ohren und -in beiden Geschlechtern Hörner, die beim Männchen sehr lang und wie -bei der Stammform schraubenförmig gedreht sind, von der Wurzel an -auseinanderweichen und in schiefer Richtung auf- und rückwärts, beim -Weibchen dagegen fast gerade verlaufen. Ihr Stammland ist das Hochland -von Tibet von Ladak bis Lhassa. Von da an reicht ihr Verbreitungsgebiet -über Buchara bis zum Lande der Kirgisen einerseits und bis in die -Mongolei andererseits. Neuerdings wurde sie auch in das Gebiet der -Südabhänge des Himalaja nach Bengalen eingeführt. In Kaschmir<span class="pagenum"><a id="Seite_108"></a>[S. 108]</span> selbst -lebt sie nicht, sondern dort wird nur ihre aus Tibet stammende Wolle zu -den feinen Kaschmirschals verarbeitet, die einst Weltruf besaßen und -früher als ein äußerst gesuchter Handelsartikel in Menge exportiert -wurden. Unter der Herrschaft des Großmoguls sollen 40000 Schalwebereien -in Kaschmir bestanden haben. Doch sank dieser wichtige Erwerbszweig im -Laufe des vergangenen Jahrhunderts so sehr herab, daß viele tausend -Menschen, denen die Weberei ihren Lebensunterhalt verschaffte, aus -Mangel an Arbeit aus dem Lande auswanderten.</p> - -<p>Höchst schädigend auf diese Industrie wirkte die Tatsache, daß -Frankreich vor etwa hundert Jahren die Fabrikation dieser feinen -Wollwaren bei sich einführte. Der französische Arzt Bernier, der im -Jahre 1664 im Geleite des Großmoguls Kaschmir bereiste, erfuhr als -erster Europäer, daß zwei Ziegenarten, eine wild lebende und eine -gezähmte, solche Wolle liefern. Ein einzelnes Tier liefert 0,3–0,4 -<span class="antiqua">kg</span> brauchbaren Wollflaums. Am gesuchtesten ist das reine Weiß, -das in der Tat den Glanz und die Schönheit der Seide besitzt.</p> - -<p>Als Ternaux zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Schalweberei in -Frankreich einführte, kam er auf den Gedanken, statt der teuren -Kaschmirwolle die Kaschmirziegen selbst zu beschaffen. Zur Erreichung -dieses Zweckes bot sich ihm ein gewisser Jaubert an, der sich 1818 nach -Odessa einschiffte. Hier erfuhr er, daß die Nomadenstämme zwischen -Astrachan und Orenburg Kaschmirziegen hielten; er reiste zu ihnen, -überzeugte sich durch genaue Untersuchung des Flaums von der Echtheit -der Tiere und kaufte 1300 Stück an. Diese Herde brachte er nach Kaffa -in der Krim, schiffte sich mit ihr ein und landete im April 1819 in -Marseille. Aber nur 400 Stück der Herde hatten die lange, beschwerliche -Seereise ausgehalten, und diese waren so angegriffen, daß man wenig -Hoffnung hatte, Nachzucht von ihnen zu erhalten. Namentlich die Böcke -hatten sehr stark gelitten und gingen in der Folge auch tatsächlich -ein. Glücklicherweise sandten darauf fast zu gleicher Zeit die -französischen Naturforscher Diard und Duvaucel einen kräftigen Bock -der Kaschmirziege, den sie in Indien zum Geschenk erhalten hatten, an -den Tiergarten zu Paris. Er wurde der Stammvater all der zahlreichen -Kaschmirziegen, welche gegenwärtig in Frankreich leben und diesem Lande -jährlich 16 Millionen Mark einbringen. Von Frankreich aus kam dann die -Kaschmirziege auch nach Österreich und Württemberg; doch erhielt sich -leider hier die Nachzucht nicht.</p> - -<p>Eine hochgezüchtete Form der langhaarigen Mamberziege, die,<span class="pagenum"><a id="Seite_109"></a>[S. 109]</span> wie wir -sahen, weitgehend Blut der Kaschmirziege in sich aufnahm, ist die -<em class="gesperrt">Angoraziege</em>, ein schönes, großes Tier von gedrungenem Körperbau, -mit starken Beinen, kurzem Hals und Kopf, mit Hängeohren, aber nicht -korkzieherartig gewundenem Gehörn, wie sie es als teilweiser Abkömmling -der Kaschmirziege tragen könnte. Beide Geschlechter tragen Hörner. Die -des Bockes sind scharf gekantet und hinten stumpf zugespitzt, stehen -gewöhnlich wagrecht vom Kopfe ab und bilden eine weite, doppelte -Schraubenwindung, deren Spitze sich nach aufwärts richtet. Das Weibchen -trägt kleinere, schwächere, einfach gebogene, runde Hörner. Nur das -Gesicht, die Ohren und der unterste Teil der Beine sind mit kurzen, -glatt anliegenden Haaren bedeckt; der übrige Körper trägt eine überaus -reichliche, dichte, feine, weiche, seidenartig glänzende, lockig -gekräuselte Behaarung von meist gleichmäßiger weißer Farbe. Selten -zeigen sich auf dem weißen Grunde dunkle Flecken. Im Sommer fällt das -Vlies in großen Flocken aus, wächst aber sehr rasch nach. Französische -Züchter fanden, daß ein Vlies zwischen 1,25 und 2,5 <span class="antiqua">kg</span> wiegt.</p> - -<p>Ihren Namen trägt diese Ziegenrasse nach der kleinen Stadt Angora im -türkischen Paschalik Anadoli in Kleinasien, der schon im Altertum -hochberühmten Stadt Ankyra. Ihre Heimatsgegend ist trocken und heiß -im Sommer, jedoch sehr kalt im Winter, obwohl dieser nur 3–4 Monate -dauert. Erst wenn es keine Nahrung mehr auf den Bergen gibt, bringt -man die Ziegen in schlechte Ställe; das ganze übrige Jahr müssen sie -auf der Weide verweilen. Sie sind höchst empfindlich, obwohl die -schlechte Behandlung nicht dazu beiträgt, sie zu verweichlichen. Reine, -trockene Luft ist zu ihrem Gedeihen eine unumgänglich notwendige -Bedingung. Während der heißen Jahreszeit wäscht und kämmt man das Vlies -allmonatlich mehrere Male, um seine Schönheit zu erhalten. Die Zahl -der in Anatolien gehaltenen Angoraziegen wird auf eine halbe Million -geschätzt. Auf einen Bock kommen etwa 100 Ziegen und darüber. Angora -allein liefert fast 1 Million <span class="antiqua">kg</span> Wolle, die einem Wert von 3,8 -Millionen Mark entsprechen. Ein Teil davon wird im Lande selbst zur -Herstellung starker Stoffe für die Männer und feinerer für die Frauen, -sowie auch zu Strümpfen und Handschuhen verarbeitet, alles übrige geht -nach England. Man hat beobachtet, daß die Feinheit des Mohairs, wie man -diese Art Wolle bezeichnet, mit dem Alter seiner Erzeuger abnimmt.</p> - -<p>Die erste Notiz, die auf Angoraziegen deutet, findet sich bei dem -Venezianer Barbaro, der 1471 diese Ziegen bei Sert östlich von -Diarbekr<span class="pagenum"><a id="Seite_110"></a>[S. 110]</span> in Kleinasien antraf. Dort benutzte man deren Haare zur -Verfertigung eines feinen Wolltuchs, des Camelots, dessen Name -andeutet, daß es ursprünglich aus Kamelwolle hergestellt wurde. Dann -hat Bellon um 1580 diese weiße Wollziege in der Nähe von Konia, -dem alten Iconium, gesehen und erzählt 1589 in seinem in Antwerpen -erschienenen lateinischen Werke, daß sie noch nicht geschoren, sondern -nach dem älteren Verfahren gerupft werde. 1598 sah sie der deutsche -Harant auf Zypern und sagt, daß es damals schon welche in Böhmen gab. -Es scheinen dies nach Ed. Hahn die 1575 nach Wien gekommenen „Schafe -von Anguri“ gewesen zu sein, deren Zucht dann in den Kriegswirren -des folgenden Jahrhunderts unterging. Im 18. Jahrhundert hat sie -dann ein Mitglied der fürstlichen Familie von Lichtenstein wieder -eingeführt. 1725 hatten die Holländer sie am Kap der Guten Hoffnung zu -akklimatisieren versucht; 1740 hatte man sie in Schweden, 1771 in der -Pfalz und 1788 in Holland, England, Venezien usw. Zu derselben Zeit -bemühte sich Buffon um ihre Einführung in Frankreich, und in Südrußland -waren sie damals nach Pallas sogar sehr häufig. Aber alle diese -Kulturen verschwanden später wieder spurlos, teils durch Entartung der -Zuchttiere, teils aber auch weil die technische Verwendbarkeit der -Haare nicht den hohen auf sie gestellten Erwartungen entsprach.</p> - -<p>Weniger edle Zuchten der Angoraziege als im trockenen Hochland findet -man an anderen Orten Kleinasiens bis in die Tartarei. Deren ebenfalls -feines, langes Haar wird regelmäßig geschoren und hauptsächlich nach -Konstantinopel ausgeführt und in europäischen Fabriken verwoben. Eine -Abart davon wird in Persien von den dort häufig gehaltenen großen, -schwarzen oder gefleckten Ziegen gewonnen, deren Wolle regelmäßig -geschoren und zu Teppichen verarbeitet wird. Die Bergvölker verwenden -zur Bereitung der von ihren Frauen gewebten Teppiche das Haar der -sogenannten <em class="gesperrt">Murgüsziege</em>. In ganz Innerasien wird, wie oben -gesagt, die Kaschmirziege gehalten, deren langes Haar dort einen -wichtigen Handelsartikel bildet. In Tibet und in der Mongolei dient -das Tier auch als Transportmittel, indem man die Herden, mit Salz oder -einem andern Handelsartikel beladen, langsam weitertreibt. Nach Norden -hin verschwindet es und bildet bei den russischen Bauern in Sibirien -nur eine untergeordnete Rolle, ist dagegen in den Kaukasusländern stark -verbreitet. Seit dem Ende der 1880er Jahre gelangen als „japanische -Ziegenfelle“ ziemlich große Felle der langhaarigen <em class="gesperrt">Mongolenziege</em> -über China zu uns.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_111"></a>[S. 111]</span></p> - -<p>Wie in Afrika ist die Ziege auch in Südasien ein wichtiges Haustier. In -manchen Gegenden Ostindiens, wie besonders an der Malabarküste und bei -den Malaien der Sundainseln, trifft man eine eigentümliche Ziegenrasse -mit schafartigem Kopf, die von allen übrigen Rassen abweicht. Diese -hat jedenfalls ziemlich viel Blut vom <em class="gesperrt">Tahr</em> (<span class="antiqua">Hemitragus -jemlaicus</span>) in sich, einer stattlichen, im Äußeren der echten Ziege -sehr ähnlichen Halbziege, die im Himalaja in Höhen von 2000–2300 -<span class="antiqua">m</span> lebt, aber in einer Abart auch auf den Blauen Bergen vorkommt. -Dieses die hochgelegenen Bergwälder seiner Heimat bewohnende Tier -erreicht eine Schulterhöhe von 0,9–1,0 <span class="antiqua">m</span> und eine Körperlänge -von 1,45 <span class="antiqua">m</span>. Es hat einen langen Kopf mit schmalem, geradem -Gesicht und schwach quergerunzelte, stark zusammengedrückte 0,3–0,38 -<span class="antiqua">m</span> lange Hörner, die sich von der Wurzel an auseinander und stark -nach rückwärts krümmen, an der Spitze jedoch einander etwas nähern. -Es ist am Kopfe kürzer, am Körper länger behaart und trägt als alter -Bock eine zottige Halsmähne. Die dunkelbraune Färbung geht im Gesicht -und an der Vorderseite der Gliedmaßen fast in Schwarz über, auch läuft -ein dunkles Längsband über den Rücken. Junge Tiere sind graubraun. -Gleich den echten Ziegen bildet auch der Tahr Herden, in denen sich -die im Winter paarenden Tiere, deren Weibchen im Juni oder Juli in der -Regel je ein Junges werfen, den größten Teil des Jahres über nach den -Geschlechtern getrennt halten. Da er sich leicht mit der Hausziege -paart und, wie mehrfache Versuche ergaben, unschwer zu zähmen ist, -ist das Auftreten von Bastarden, die zu neuer Rassenbildung führten, -durchaus verständlich. Ein solches Produkt ist die von Ostindien bis -Celebes gehaltene <em class="gesperrt">Malaienziege</em>, ein hochbeiniges Tier mit -entschieden schafartigem Kopf, breiten, hängenden Ohren und einem mäßig -langen, im Bogen sich nach hinten wendenden, auffallend dicken Gehörn -mit gerundeten Kanten. Die Querwülste der Hornscheiden erscheinen -regelmäßig, breit und niedrig. Der wie derjenige des Tahr dunkelbraune, -kurzbehaarte Kopf mit schwarzer Stirnbinde und kastanienbraunen, -schwarz eingefaßten Ohren trägt lichtgelbbraune Augen, während der Leib -schwarz oder schiefergrau gefärbt und bald kurz, bald lang und zottig -behaart ist. Derselben Rasse gehört offenbar auch die <em class="gesperrt">kreuzhörnige -Ziege</em> von Tibet an, bei welcher sich die Hornspitzen nach innen -wenden.</p> - -<p>Amerika hat seine Ziegen durch die Europäer erhalten, und zwar waren -Spanier und Portugiesen, dann Engländer und Franzosen an deren Import -beteiligt. Erstere haben sie aus ihrer Heimat nach Süd<span class="pagenum"><a id="Seite_112"></a>[S. 112]</span>amerika, -letztere dagegen nach Nordamerika gebracht. Nach Garcilasso kamen -sie bereits 1544 nach Peru. Bedeutend früher waren sie in Mexiko -eingeführt, das heute besonders in den nördlichen Staaten Ziegen in -großer Zahl züchtet, um deren an der Luft getrocknetes Fleisch und -Felle in den Handel zu bringen. In den Vereinigten Staaten ist die -Ziegenzucht beschränkt, doch hat sich neuerdings in Kalifornien die -Angorazucht eingebürgert. Auf den Antillen wird neben der von den -Spaniern importierten gemeinen Hausziege auch die von den Negersklaven -aus Westafrika mitgebrachte Zwergziege, die dem Tropenklima gut -angepaßt ist, gehalten. Ebenso ist es in Brasilien, wo die Zwergziege, -wie ihre westafrikanische Stammutter, kurzgehörnt ist und glatt -anliegendes gelbrotes Haar besitzt mit einem über den Rücken -verlaufenden schwarzen Streifen. Peru hat auffallenderweise heute nur -wenig Ziegen, dagegen sind sie in den gebirgigen Teilen Chiles und -Argentiniens zahlreich und hat dort die Verwertung von deren Fleisch -und Fellen einen ziemlichen Umfang angenommen.</p> - -<p>Australien hat sein Ziegenmaterial erst zu Ende des 18. Jahrhunderts, -um 1788, zuerst aus Europa, dann aus Südasien erhalten; neuerdings -hat man dort auch Versuche mit der Einbürgerung der Kaschmir- und -Angoraziege gemacht, die im gebirgigen Südwesten von Erfolg begleitet -waren. Sehr gut eingelebt hat sich die Angoraziege in Neuseeland, deren -Bergweiden ihr vortrefflich zusagen. In den letzten Jahren hat sich der -Export ihrer Wolle aus jenem Lande bedeutend gehoben.</p> - -<p>Da sich die Ziege gegenüber dem Schaf durch größere Selbständigkeit -auszeichnet, ist es erklärlich, daß sie sich gern selbständig macht -und dann verwildert. Als geschickt kletterndes Gebirgstier weiß sie -sich dabei geschickt den Verfolgungen von seiten des Menschen zu -entziehen. So gab es schon im Altertum wie heute noch verschiedene -schwach oder gar nicht von Menschen bewohnte Inseln im Mittelmeer und -im Persischen Meerbusen, ebenso manche Gebirgsgegenden des Festlandes, -die von solchen verwilderten Ziegen bewohnt waren. So spricht Varro -von wilden Ziegen der Insel Samothrake, wie auch von den Gebirgen -von Fiscellum und Tetrica in Italien, die zweifellos nur verwilderte -Hausziegen und keine wildlebenden Bezoarziegen waren. Verschiedene der -ägäischen Inseln und der Italien umsäumenden Eilande bargen schon im -Altertum solche verwilderte Ziegen; von andern, die ihren Namen davon -erhielten, wie Capreae (das heutige Capri) und Capraria (das heutige -Capreja bei Sardinien), sind sie heute verschwunden. Auch<span class="pagenum"><a id="Seite_113"></a>[S. 113]</span> die von -Garibaldi nach seiner Internierung 1867 zurückgelassenen Ziegen traf -Heinrich v. Maltzan schon nach kurzer Zeit verwildert. Die meisten -wilden Ziegen von allen Mittelmeerinseln hat die nicht beständig von -Menschen bewohnte kleine Insel Tavolara bei Sardinien, auf der nach -Cetti bei Jagden im 18. Jahrhundert bis 500 Stück erlegt wurden. Auch -in Irland und Wales verwilderten in manchen Gebirgsgegenden Ziegen, die -dann in wenigen Generationen viel größere Hörner als ihre zahmen Ahnen -erhielten.</p> - -<p>Von den afrikanischen Inseln sind eine ganze Reihe mit verwilderten -Ziegen besetzt. Die ältesten sind wohl diejenigen von Teneriffe, wo -sie die Flanken des Vulkanberges bewohnen und die dunkelbraune Farbe -des dortigen Gesteins angenommen haben. Von Fuerteventura, einer -andern der Kanaren, erwähnt sie J. v. Minutoli. Älteren Datums sind -auch die verwilderten Ziegen der Kapverden, die schon im Jahre 1576 -sehr zahlreich waren. Der Naturforscher der Challengerexpedition, -Moseley, traf sie auf St. Vincent; auch dort hatten sie die Farbe des -umgebenden Gesteins angenommen und waren rotbraun geworden. Bald nach -der Entdeckung setzten Portugiesen — vielleicht 1509 Fernan Lopez — -Ziegen auf St. Helena aus, wo sie sich sehr rasch vermehrten, so daß -ein Einsiedler im 16. Jahrhundert deren jährlich etwa 500 schoß, um -von ihrem Fleisch zu leben, während er die Felle an ankehrende Segler -verkaufte. Thomas Herbert erzählt 1627, daß sie durch die beständigen -Nachstellungen von seiten des Menschen ungemein scheu und vorsichtig -geworden waren und, wie ihre wilden Vorfahren, Wachen ausstellten. -Zweifellos haben sie neben den verwilderten Schweinen das meiste dazu -beigetragen, nachdem diese Insel des einst sie bedeckenden Waldes -vom Menschen beraubt war, durch beständiges Abnagen der Knospen und -jungen Triebe den jungen Nachwuchs zu zerstören, so daß kein Baumwuchs -mehr aufkam und das Eiland zu dem öden Felsen wurde, als der er uns -heute entgegentritt. Auch Tristan da Cunha, Inaccessible, Mauritius, -Réunion (schon 1691 bei der Anwesenheit Leguats), die kleine verlassene -Inselgruppe Amsterdam und St. Paul, wie auch Sokotra bergen in den -Gebirgen des Innern verwilderte Ziegen, die vollkommene Wildfärbung -mit Ausmerzung aller hellen Töne angenommen haben. Gleicherweise gibt -es in der Inselwelt der Südsee da und dort verwilderte Ziegen, so -u. a. am Mauna Loa auf Hawaii, noch von Vancouver herrührend. Besonders -bekannt sind die verwilderten Ziegen auf der Insel Juan Fernandez -durch Defoes Robinson geworden. Diese waren von Juan Fernandez<span class="pagenum"><a id="Seite_114"></a>[S. 114]</span> selbst -bei der Entdeckung der Insel im Jahre 1563 ausgesetzt worden. Durch -diese Wildziegen bot die Insel in der Folge allen möglichen Piraten- -und Kaperschiffen eine bequeme Ruhe- und Verproviantierungsstation; -so haben sie auch dem Urrobinson Alexander Selkirk, dem Seefahrer -Dampier und andern Fleisch geliefert. Im 17. Jahrhundert sollen -französische Seeräuber dort sogar einen regelrechten Herdenbetrieb -eingerichtet haben. Um den Piraten diese angenehme Fleischversorgung -abzuschneiden, setzte die spanische Regierung 1675 Hunde auf der Insel -aus, die sich aber nicht bewährten; denn die Ziegen flüchteten sich -in die unzugänglichsten Teile der Insel, wohin ihnen die Hunde nicht -folgen konnten. Als dann die Hunde durch Nahrungsmangel umgekommen -waren, vermehrten sich die Ziegen wieder ungestört. Sie sollen -lange, weiche Haare besitzen. Auch auf der Schwesterinsel Masa fuera -gibt es verwilderte Ziegen. Auf den Galapagos sind sie, durch die -dort vorhandenen wilden Hunde beschränkt, nur gering an Zahl. Auf -den Falklandsinseln, wo es wilde Pferde und wilde Rinder gibt, die -aus einer von Argentinien ausgesandten verunglückten Kolonisation -hervorgingen, fehlen wilde Ziegen, da die Spanier bei der Besiedelung -der Insel offenbar keine solchen mitgebracht hatten.</p> - -<p>Da die Ziege durch ihre besondere Neigung zu Knospen und jungen Trieben -von Holzgewächsen überall dem Waldnachwuchse verhängnisvoll wird, sah -sich schon 1567 das Parlament von Grenoble gezwungen, in einem großen -Bezirk der Dauphinée das Halten der Ziegen ganz zu verbieten. Doch war -diese Maßregel undurchführbar, da die Leute dort eben einfach nicht -ohne die Ziege und deren Milch leben können. So ging die Waldzerstörung -ruhig weiter, bis die ganze Gegend zu jener kahlen, alles Kulturlandes -baren Felswildnis wurde, die zu verhängnisvollen Überschwemmungen und -Murbrüchen Veranlassung gab. Auch in Italien, Istrien, Griechenland, -Kreta, Zypern, Kleinasien und Syrien, die einst reichbewaldete -Gebiete waren, ist der Baumwuchs durch die Sorglosigkeit des Menschen -verschwunden. Und wenn auch da, wo infolgedessen der Humus nicht -weggeschwemmt wurde, neuer Wald wachsen könnte, kommt er überall dort -nicht auf, wo die Ziegen weiden und die jungen Baumpflanzen zugrunde -richten.</p> - -<p>Außer den drei genannten ist keine der andern, übrigens auf die -gebirgigen Gegenden der Alten Welt beschränkten Wildziegen gezähmt und -in den Dienst des Menschen gestellt worden. Einzig der <em class="gesperrt">Steinbock</em> -(<span class="antiqua">Capra ibex</span>), der in unsern Alpen auszusterben droht, ist mit -der Hausziege gekreuzt worden, um sein Dahinschwinden aufzuhalten.<span class="pagenum"><a id="Seite_115"></a>[S. 115]</span> -Alle Steinbockarten der europäischen wie der asiatischen Gebirge haben -als echte Hochgebirgstiere ihren Ausgang von Hochasien genommen, wo -der <em class="gesperrt">sibirische Steinbock</em> (<span class="antiqua">Capra sibirica</span>) der Stammform -wohl am nächsten steht. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich über -das sämtliche Hochgebirge Zentralasiens von Sibirien bis zum Himalaja. -Das Steinwild bildet Rudel von verschiedener Stärke, zu denen sich die -alten Böcke nur während der Paarungszeit gesellen, während sie den -übrigen Teil des Jahres ein einsiedlerisches Leben führen. Die Ziegen -und Jungen leben zu allen Jahreszeiten in einem niedrigeren Gürtel -als die Böcke, bei denen der Trieb nach der Höhe so ausgeprägt ist, -daß sie nur Nahrungsmangel und grimmige Kälte zwingen kann, tiefer -herabzusteigen. Mit bewunderungswürdiger Leichtigkeit und geradezu -unverständlicher Sicherheit klettern sie über die steilen Felswände und -springen über tiefe Abgründe von einer Klippe zur andern.</p> - -<p>Früher, als es noch Steinböcke in unsern Alpen gab, paarten sie -sich nicht selten freiwillig mit den auf den Alpenweiden grasenden -Hausziegen. Die so erzielten Bastarde werden bald äußerst wilde, -zudringliche Tiere, die dem Menschen keine Ruhe lassen, bis er sich -ihrer auf irgend welche Weise entledigt. Aber selbst das Aussetzen -dieser starken Tiere hat seine großen Schwierigkeiten. Echte -Alpensteinböcke gibt es nur noch in einem vom Könige von Italien -gehegten savoyischen Revier zwischen Monte Rosa und Mont Blanc. Nach -den Kulturüberresten der Pfahlbauzeit lebte er damals noch in den -Voralpen. Zur Römerzeit konnten noch hundert und mehr auf einmal für -die Kampfspiele der Arena lebendig gefangen werden. So berichtet Julius -Capitolinus, daß Kaiser Gordian im Jahre 242 für die Jagdspiele 200 -Steinböcke (<span class="antiqua">ibex</span>) aus den Alpen nach Rom schaffte, und bei -Flavius Vopiscus lesen wir, daß Kaiser Probus (reg. 276–282) zu den -Jagdspielen zahlreiche Steinböcke nach Italiens Hauptstadt befördern -ließ. Durch die rücksichtslose Jagd seit Erfindung der weitreichenden -Schießgewehre ist dieses edle Wild heute fast überall ausgerottet -worden. Seit hundert Jahren ist es in der Schweiz erloschen; in -Salzburg und Tirol verschwand es noch ein Jahrhundert früher.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_116"></a>[S. 116]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="IV_Das_Schaf">IV. Das Schaf.</h2> - -</div> - -<p>Wohl bald nach der Ziege trat das <em class="gesperrt">Schaf</em> in den Haustierstand -des Menschen ein, überflügelte dann aber im Laufe der Zeit jene an -wirtschaftlicher Bedeutung weit. Vielerorts ist es dem Gebirge, in dem -seine Ahnen einst heimisch waren, getreu geblieben und erscheint dort -meist in Gesellschaft der Ziege. Daneben hat es in der Gefolgschaft des -Menschen in ungeheuren Scharen die trockenen Steppengebiete vornehmlich -der Alten Welt bevölkert und ist hier zu einem eminenten Faktor im -Haushalte des Menschen geworden, von dem sein Dasein in vielen Fällen -geradezu abhängt. Daß der Erwerb dieses überaus genügsamen Haustieres -schon in recht früher Vorzeit stattgefunden haben muß, dafür sprechen -außer der weiten geographischen Verbreitung zu Beginn der historischen -Periode die Spaltung in zahlreiche, stark voneinander abweichende -Rassen und vor allem die völlige Umgestaltung des geistigen Charakters, -die durch Vererbung so sehr gefestigt ist, daß keinerlei Rückschlag -in die psychische Regsamkeit der wilden Ahnen möglich erscheint. So -sehr hat es infolge der vielhundertjährigen Bevormundung durch den -Menschen im Gegensatz zur Ziege alle eigene Initiative eingebüßt, daß -es sein willenloses Werkzeug geworden ist. Wir begreifen daher, wenn -Brehm seinen Charakter in folgender Weise schildert: „Das Hausschaf -ist ein ruhiges, geduldiges, sanftmütiges, einfältiges, knechtisches, -willenloses, furchtsames und feiges, kurzum ein langweiliges Geschöpf. -Besondere Eigenschaften vermag man ihm kaum zuzusprechen; einen -Charakter hat es nicht. Es begreift und lernt nichts, weiß sich -deshalb auch allein nicht zu helfen. Nähme es der eigennützige Mensch -nicht unter seinen ganz besonderen Schutz, es würde in kürzester Zeit -aufhören zu sein. Seine Furchtsamkeit ist lächerlich, seine Feigheit -erbärmlich. Jedes unbekannte Geräusch macht die ganze Herde stutzig, -Blitz und Donner, Sturm und<span class="pagenum"><a id="Seite_117"></a>[S. 117]</span> Unwetter überhaupt bringen sie gänzlich -aus der Fassung und vereiteln nicht selten die größten Anstrengungen -des Menschen.“</p> - -<p>In den Steppen von Rußland und Asien haben die Hirten oft viel zu -leiden. Bei Schneegestöber und Sturm zerstreuen sich die Herden, rennen -wie unsinnig in die Steppe hinaus, stürzen sich in Gewässer, selbst in -das Meer, bleiben dumm an einer und derselben Stelle stehen, lassen -sich widerstandslos einschneien und erfrieren, ohne daß sie daran -dächten, irgendwie vor dem Wetter sich zu sichern oder auch nur nach -Nahrung umherzuspähen. Zuweilen gehen Tausende an einem Tage zugrunde. -Auch in Rußland benutzt man die Ziege, um die Schafe zu führen; allein -selbst sie ist nicht immer imstande, dem dummen Tiere die nötige -Leitung angedeihen zu lassen. Beim Gewitter drängen sie sich dicht -zusammen und sind nicht von der Stelle zu bringen. „Schlägt der Blitz -in den Klumpen,“ sagt Lenz, „so werden gleich viele getötet; kommt -Feuer im Stalle aus, so laufen die Schafe nicht hinaus und rennen wohl -gar ins Feuer. Ich habe einmal einen großen, abgebrannten Stall voll -von gebratenen Schafen gesehen; man hatte trotz aller Mühe nur wenige -retten können.“ Das beste Mittel, Schafe aus ihrem brennenden Stalle -zu retten, bleibt immer, sie durch die ihnen bekannten Schäferhunde -herausjagen zu lassen.</p> - -<p>In gewissem Grade bekundet freilich auch das Schaf geistige Befähigung. -Es lernt seinen Pfleger kennen, folgt seinem Rufe und zeigt sich -einigermaßen gehorsam gegen ihn, scheint Sinn für Musik zu haben, hört -mindestens aufmerksam dem Gedudel des Hirten zu, empfindet und merkt -auch Veränderungen der Witterung vorher. Diese Unselbständigkeit des -Schafes hat auch zur Folge, daß es niemals, sich selbst überlassen, -wie die Ziege verwildert, sondern stets hilflos zugrunde geht. Seine -grenzenlose Dummheit trug auch schuld daran, daß früher, solange -es auch bei uns welche gab, Wölfe so schlimm unter diesen Tieren -hausten, wenn sie einmal eine Schafherde überfielen oder die Hürden -durchbrachen. Diesen Stumpfsinn muß es schon vor 2000 Jahren besessen -haben; denn Plinius sagt in seiner Naturgeschichte: „Das Schafvieh ist -ausgezeichnet dumm. Scheut sich die Herde irgendwohin zu gehen, so -braucht man nur eins am Horne hinzuziehen, so folgen die andern alsbald -nach.“</p> - -<p>Das Schaf liebt trockene und hochgelegene Gegenden mehr als niedere und -feuchte. Am besten gedeiht es, wenn es verschiedenerlei getrocknete -Pflanzen haben kann. Getreidefütterung macht es zu fett und schadet -der Güte der Wolle. Salz liebt es sehr, und frisches Trink<span class="pagenum"><a id="Seite_118"></a>[S. 118]</span>wasser ist -ihm ein unentbehrliches Bedürfnis. Die alten Römer ließen ihre Schafe -zwischen Mai und Juni zur Paarung; in unsern nördlicheren Breiten -geschieht dies von September bis Oktober. Dann werden die Lämmer, weil -das Schaf 144–150 Tage trächtig geht, in der zweiten Hälfte des Februar -geworfen und bekommen bald gutes, frisches Futter. Gewöhnlich bringt -das Mutterschaf nur ein einziges Lamm zur Welt; zwei Junge sind schon -ziemlich, drei sehr selten. Anfangs müssen die kleinen Tiere sorgfältig -gegen Witterungseinflüsse geschützt werden, später dürfen sie mit auf -die Weide gehen. Im ersten Lebensmonat brechen die Milchzähne durch, -im sechsten Monat stellt sich der erste bleibende Backenzahn ein, im -zweiten Lebensjahre fallen die beiden Milchschneidezähne aus und werden -durch bleibende ersetzt; erst im fünften Jahre werden die vorderen -Milchbackenzähne gewechselt und ist damit das Zahnen beendet. Das -Schaf kann 14 Jahre alt werden, doch fallen ihm schon im 9. oder 10. -Jahre die meisten Zähne aus, wodurch es unbrauchbar wird, weshalb es -dann so rasch als möglich gemästet und geschlachtet werden muß. Alle -Schafrassen lassen sich leicht untereinander kreuzen und pflanzen -sich ohne Schwierigkeit fort; deshalb läßt sich das Schaf leicht -veredeln. Es ist Wollieferant, aber auch hervorragendes Fleischtier -geworden, selbst als Milchtier hat es an manchen Orten eine gewisse -Bedeutung erlangt; daneben wird es auch zum Tragen von Lasten benutzt. -In einzelnen Kulturkreisen, besonders da, wo eine Abneigung gegen das -Schwein vorhanden ist, wird es speziell auf Fett gezüchtet. In diese -letzte Kategorie gehören die bei allen Nomaden Asiens und Afrikas so -beliebten Fettschwanz- und Fettsteißschafe.</p> - -<p>Erst neuerdings ist einige Klarheit in die Herkunft der verschiedenen -Schafrassen gekommen, die aus vier Quellen, nämlich einer -nordostafrikanischen, einer westasiatischen, einer zentralasiatischen -und einer südeuropäischen hervorgingen. Der Bildungsherd der ganzen -Schafgruppe, die sich in geologisch gesprochen erst neuerer Zeit vom -Stamme der Antilopen abzweigte, liegt offenbar in Asien, von wo sich -die einzelnen Glieder über die gebirgigen Teile von Asien, Europa und -das westliche Nordamerika verbreiteten. Alle Wildschafe sind echte -Gebirgstiere, die sich nur in bedeutenden Höhen wohlzufühlen scheinen -und teilweise über die Schneegrenze emporsteigen. Als solche sind -sie geistig begabt, sie schätzen die Gefahr ab und verteidigen sich -mit Mut. Die meisten derselben lassen sich, jung eingefangen, ohne -Mühe zähmen und behalten ihre Munterkeit wenigstens durch einige -Geschlechter bei,<span class="pagenum"><a id="Seite_119"></a>[S. 119]</span> pflanzen sich auch regelmäßig in der Gefangenschaft -fort. An Leute, die sich viel mit ihnen abgeben, schließen sie sich -innig an, folgen ihrem Rufe, nehmen gern Liebkosungen an und können -einen so hohen Grad von Zähmung erlangen, daß sie mit andern Haustieren -auf die Weide gesandt werden dürfen, ohne solch günstige Gelegenheit -zur Erlangung ihrer Freiheit zu benützen. Ihr Haarkleid ist ein nicht -sehr langes, etwas grobes Grannenhaar, unter welchem im Herbst zum -Schutze gegen die Kälte ein Wollkleid hervorsproßt, das im Frühjahr in -Fetzen und Flocken abgelöst und durch Schütteln des Tieres entfernt -wird. Unter dem Einfluß der künstlichen Züchtung hat sich bei den -Hausschafen ein dauerndes, vliesartiges Wollkleid entwickelt, das -den Wildschafen, aber auch gelegentlich zahmen Schafen fehlt. Ihr -Schädel erscheint an der Stirn abgeflacht und trägt ein im Querschnitt -dreikantiges Gehörn, das spiralig verläuft und bei den Böcken stark, -bei den Weibchen nur schwach oder gar nicht ausgebildet ist. Das Euter -der letzteren ist vierzitzig.</p> - -<p>In Mitteleuropa erscheint das Hausschaf bereits in neolithischer Zeit, -und zwar in einer merkwürdig kleinen Art, mit einer Schädelbildung -und Hörnern, die mehr ziegenartig sind und an unsere heutigen -Halbschafe erinnern. Es ist dies das <em class="gesperrt">Torfschaf</em> (<span class="antiqua">Ovis aries -palustris</span>), nach dem Finden seiner Überreste in den meist in -vertorftes Gelände eingebetteten Pfahlbauüberresten so genannt. Schon -L. Rütimeyer fiel es auf, daß seine Reste in den ältesten Pfahlbauten -noch spärlich sind und erst später häufiger werden. Diese Tatsache -konnte Th. Studer bestätigen. Erst mit der Bronzeperiode macht sich ein -entschiedener Aufschwung der Schafzucht bemerkbar, indem damals zum -erstenmal statt der althergebrachten Fell- und Pelzkleidung leichtere -und angenehmer zu tragende Wollkleider bei den Bewohnern Mitteleuropas -aufkamen, unter denen man allerdings ein grobgewebtes leinenes Hemd zu -tragen pflegte.</p> - -<p>Das Torfschaf der Neolithiker Mitteleuropas war ein kleines, fast -zwergartiges Schaf mit feinen, schlanken Extremitäten, langgestrecktem, -schmalem Schädel, wenig gewölbter Stirnfläche und zweikantigen -ziegenartigen Hörnchen. Die Augenhöhlen traten verhältnismäßig wenig -vor. Im Jahre 1862 machte dann L. Rütimeyer die überraschende Tatsache -bekannt, daß das Torfschaf der Pfahlbauern noch nicht ganz erloschen -sei, sondern in einem direkten und nur wenig abgeänderten, aber jetzt -im Aussterben begriffenen Abkömmling in dem <em class="gesperrt">Bündner</em>- oder -<em class="gesperrt">Nalpserschaf</em> weiterlebe. In dem vom Weltverkehr<span class="pagenum"><a id="Seite_120"></a>[S. 120]</span> abgelegenen -Bündner Oberlande hat sich dieses lebende Überbleibsel der schon -längst abgelaufenen Pfahlbauzeit, nebst den Nachkommen des sonst -überall verschwundenen Torfschweines der Neolithiker, bis auf unsere -Tage erhalten. Die osteologische Übereinstimmung der Schädel beider -Schafarten ist in der Tat eine höchst frappante. Die wichtigsten, -wohl durch Domestikationsveränderungen zu erklärenden Abweichungen -bestehen in einer ziemlich deutlichen Wölbung der Stirn und in einem -weniger steilen Abfall des Hinterhauptes. Die knöchernen Hornzapfen -sind bei beiden identisch, doch scheint das darauf gewachsene Gehörn -beim Nalpserschaf etwas kleiner geworden zu sein. Die Ohren sind bei -letzterem abstehend, verhältnismäßig klein, aber sehr beweglich. Das -Wollkleid ist dicht, aber wenig lang, so daß der Wollertrag ungünstig -ausfällt. Die vorherrschende Färbung desselben ist silbergrau, -eisengrau, dunkelbraun bis ganz schwarz. Dunkle Exemplare haben häufig -einen weißen Kopfstern und weiße Abzeichen an Schwanz und Füßen.</p> - -<p>Der durch fortgesetzte planmäßige Zuchtwahl bei den übrigen moderneren -Schafrassen erzielte Leucismus ist also bei diesem noch nicht erreicht -worden. Das durchschnittliche Lebendgewicht desselben beträgt 28 -<span class="antiqua">kg</span>. Der geistige Charakter der Tiere nähert sich als überaus -altertümliches Merkmal demjenigen der Ziege. An Lebhaftigkeit in den -Bewegungen, an Zutraulichkeit und natürlicher Intelligenz übertrifft -diese Rasse alle andern Schafrassen. Während Rütimeyer noch Herden -derselben aus den Nalpser Alpen erwähnt, hatte C. Keller 40 Jahre -später (im Sommer 1900) Mühe, in Disentis noch ein gutes Exemplar -reiner Rasse aufzutreiben. Am meisten soll diese Rasse zurzeit noch -in den Vriner Alpen angetroffen werden, geht aber auch dort ein, da -sie nach den Mitteilungen des bündnerischen Alpinspektors Solèr in -Vrin gegenwärtig stark mit Walliserschafen gekreuzt wird. Nur wenige -Ställe wiesen 1902 noch reines Blut auf. Keller hat damals noch eine -kleine Kolonie reinrassiger Tiere beziehen können, die gegenwärtig -im Tierpark des Sihlwaldes bei Zürich angesiedelt sind. Eine zweite -Kolonie dieser letzten Mohikaner hat man in Flims untergebracht, um -auch in Bünden noch eine Zuchtfamilie zu erhalten. Übrigens sollen auch -einzelne primitive Schafrassen Irlands Zusammenhänge mit dem alten -Torfschaf aufweisen. Auch wäre es möglich, in den abgelegenen Bergen -Albaniens noch Überreste dieser sonst überall als an Wolle quantitativ -und qualitativ minderwertigen und deshalb abgeschafften Schafrasse -zu finden, worauf hiermit etwaige Reisende aufmerksam gemacht werden -sollen.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel21a" > - -<p class="captop">Tafel 21.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel21a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Mähnenschaf im Tierpark Hellabrunn zu München.<br /> - (Nach einer Photographie von M. Obergaßner.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel21b" > - <img class="w100" src="images/tafel21b.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><div class="capright">(<span class="antiqua">Copyright by M. - Koch, Berlin.</span>)</div> - Muflon.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel22" > - -<p class="captop">Tafel 22.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel22.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Schieferplatte der vorhistorischen Negadazeit Ägyptens im - Museum von Gizeh, oben mit Darstellungen eines bantengartigen Hausrindes, - darunter von Eseln mit dem Schulterkreuz und zu unterst von sehr altertümlichen - Hausschafen, die schon durch die noch vorhandene Halsmähne als Abkömmlinge des - Mähnenschafes gekennzeichnet sind.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel22_gross.jpg" id="tafel22_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel23" > - -<p class="captop">Tafel 23.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel23.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Altägyptische Darstellungen von Stieren und Widdern aus - Sakkarah, 26. Dynastie, 663–526 v. Chr.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel23_gross.jpg" id="tafel23_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel24a" > - -<p class="captop">Tafel 24.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel24a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Steppenschaf (<span class="antiqua">Ovis arkal</span>)<br /> - (Nach Keller, Die Abstammung der ältesten Haustiere.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel24b" > - <img class="w100" src="images/tafel24b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Mykenische Schafe auf einer Elfenbeinschnitzerei von Menidi.<br /> - (Nach Perrot und Chippiez.)</div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_121"></a>[S. 121]</span></p> - -<p>Schon Rütimeyer hatte die Abstammung des Torfschafes vom -nordafrikanischen <em class="gesperrt">Mähnenschaf</em> (<span class="antiqua">Ovis tragelaphus</span>) -vermutet, aber sein Material war noch zu dürftig, um diesen Beweis -zu erbringen. Namentlich fehlten ihm die vermittelnden Glieder, -die nun der Züricher Zoologe Prof. Konrad Keller so glücklich war, -aufzufinden. Wir wissen nun, daß tatsächlich das Mähnenschaf der -wichtigste Stammvater des neolithischen Torfschafes ist. Es verdient -daher hier an erster Stelle besprochen zu werden. Es ist das äußerlich -ziegenähnlichste Wildschaf, das über das ganze nordafrikanische Gebirge -verbreitet zu sein scheint. Es ist ein stattliches Tier von oft über 90 -<span class="antiqua">cm</span> Schulterhöhe und mit trefflicher Schutzfärbung den gelblichen -Kalkfelsen seiner Heimatberge angepaßt. Es hält sich hier immer an der -der Wüste zugewandten Seite auf. Mehrere Tage kommt es ohne Wasser aus. -Da es aber schließlich gezwungen ist, von Zeit zu Zeit zur Tränke zu -gehen, alle Tränken jedoch von den Beduinen mit ihren Ziegenherden in -Anspruch genommen werden, hat es, um zum Ziele zu kommen, die Kunst -des Versteckens in ungewöhnlichem Grade ausgebildet. Die arabischen -Beduinen, die es oft genug hören, ohne es zu sehen, nennen es Arni, -wir dagegen gaben ihm den Namen Mähnenschaf, weil das sonst kurze, -graugelbe, bei alten Böcken dunklere, schwärzlich gesprenkelte Fell vom -Kinne ab sich zu einer im männlichen Geschlecht schließlich bis zur -Erde herabwallenden, im weiblichen dagegen nur schwach ausgebildeten -Vorderhalsmähne entwickelt. Verlängerte Haarbüschel hängen auch an -den Vorderläufen vom Ellbogen herab. Daher der französische Name -<span class="antiqua">mouflon à manchettes</span>. Die meisten von uns kennen dieses Tier aus -den zoologischen Gärten, in denen es sich gut halten läßt und leicht -fortpflanzt! Nicht nur das geradlinige Profil, das dunkelgefärbte, -verhältnismäßig hochstrebende Gehörn und der gerade ausgestreckte, -flache, unterseits nackte, oben büschelförmig behaarte Schwanz geben -ihm, besonders im weiblichen Geschlecht, etwas Ziegenartiges, sondern -es fehlen ihm auch wie bei diesen im Gegensatz zu den übrigen Schafen -Tränengruben und Tränendrüsen.</p> - -<p>Bereits im Jahre 1561 beschrieb Cajus Britannicus das Mähnenschaf, -dessen Fell ihm aus Mauretanien gebracht worden war. Erst im 19. -Jahrhundert erwähnten es wieder Pennaut und später Geoffroy. Letzterer -fand es in der Nähe von Kairo im Gebirge auf; andere Forscher -beobachteten es am oberen Nil und in Abessinien. Am häufigsten scheint -es noch im Atlas aufzutreten. Der Franzose Buvey schreibt über -dieses Tier: „Das Mähnenschaf wird im südlichen Algerien<span class="pagenum"><a id="Seite_122"></a>[S. 122]</span> von den -Einheimischen im allgemeinen Arni genannt. Unzweifelhaft wird es in den -höheren Teilen des Gebirges, im marokkanischen Atlas, noch häufiger -sein als in Algerien, da Abgeschiedenheit vom menschlichen Verkehr, -welche jenen Teil des Gebirges auszeichnet, einem Wiederkäuer nur -zusagen kann.</p> - -<p>Das Mähnenschaf liebt die höchsten Felsengrate der Gebirge, zu denen -man bloß durch ein Wirrsal zerklüfteter Stein- und Geröllmassen -gelangen kann; deshalb ist seine Jagd eine höchst mühselige, ja oft -gefährliche. Dazu kommt, daß sie nicht viel Gewinn verspricht; denn es -lebt meist einzeln, und nur zur Paarungszeit, welche in den November -fällt, sammeln sich mehrere Schafe und dann auch die Böcke, halten -einige Zeit zusammen und gehen hierauf wieder auseinander ihres Weges. -Die Araber sind große Liebhaber des Fleisches dieser Wildschafe. Das -Fleisch steht dem des Hirsches sehr nahe. Aus den Fellen bereiten die -Araber Fußdecken; die Haut wird hier und da gegerbt und zu Saffian -verwendet.</p> - -<p>Obwohl das Mähnenschaf zu den selteneren Tieren gezählt werden muß, -wird es doch manchmal jung von den Gebirgsbewohnern in Schlingen -gefangen und dann gewöhnlich gegen eine geringe Summe an die -Befehlshaber der zunächstliegenden Militärstationen abgegeben. Im -Garten des Gesellschaftshauses zu Biskra befand sich ein solches -junges Tier, das an einer 5 <span class="antiqua">m</span> hohen Mauer, der Umzäunung seines -Aufenthaltsortes, mit wenigen, fast senkrechten Sätzen emporsprang, -als ob es auf ebener Erde dahinliefe, und sich dann auf dem kaum -handbreiten First so sicher hielt, daß man glauben mußte, es sei völlig -vertraut da oben.“</p> - -<p>Irgendwo in Oberägypten muß in frühneolithischer Zeit dieses -Mähnenschaf gezähmt und in den Haustierstand erhoben worden sein. -Eine Schieferplatte des Museums von Gizeh aus der vorägyptischen -Negadazeit aus der Mitte des vierten vorchristlichen Jahrtausends -zeigt neben Rind und Esel starkgehörnte Hausschafe, die nach Keller -wegen der noch vorhandenen Halsmähne ihrer Herkunft nach direkt auf -das Mähnenschaf zurückweisen. Dieses Hausschaf der Negadazeit leitet -direkt zum ältesten Hausschaf der Ägypter des Alten Reiches (2980 bis -2475 v. Chr.) über, das auch in späterer Zeit, so in Gräbern von Beni -Hassan aus der 12. Dynastie (2000–1788 v. Chr.) mehrfach abgebildet -wird. Damals, zur Zeit des Mittleren Reiches (2160–1788 v. Chr.) kommen -bereits drei verschiedene Schläge dieser alten Rasse nebeneinander vor. -Erst im Neuen Reich (1580–1205 v. Chr.), da an die<span class="pagenum"><a id="Seite_123"></a>[S. 123]</span> Stelle der früheren -Abgeschlossenheit infolge der wiederholten Feldzüge und ausgiebiger -Handelsverbindungen eine regere Fühlung mit den vorderasiatischen -Kulturreichen begann, wanderte eine neue asiatische Schafrasse in -Ägypten ein, die nach und nach, wohl infolge der Gewinnung von mehr und -besserer Wolle, die Oberhand gewann und die älteren Schafrassen von -Mähnenschafabstammung verdrängte. Die damals mit großer Kunstfertigkeit -in harten Stein gehauenen Widder, die in ganzen Reihen vor den -Tempeln (z. B. von Karnak bei Theben) aufgestellt wurden und von -beiden Seiten die Prozessionsstraße einfaßten, sind zweifellos diesen -höher gezüchteten und deshalb höher geschätzten neuen asiatischen -Abkömmlingen nachgebildet.</p> - -<div class="figcenter illowe32_8125" id="bild18" > - <img class="w100" src="images/bild18.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 18. Altägyptisches Hausschaf des alten Reichs.<br /> - (Nach Darstellungen in Beni Hassan.)</div> -</div> - -<p>Von Ägypten aus kam teils durch Überfälle und damit verbundenem -Raub, teils durch Tauschhandel das altägyptische Schaf von -Mähnenschafabstammung nach dem Innern Arabiens, wo es heute noch bei -den konservativen Beduinen wenig verändert als <em class="gesperrt">Nedjeschaf</em> -gehalten wird, dann über Syrien und Kleinasien oder durch den -regen Schiffsverkehr direkt zu den Vorläufern der Träger der alten -Inselkultur des griechischen Archipels, den Mykenäern oder Minoern, -die im zweiten vorchristlichen Jahrtausend eine sehr hohe, weitgehend -von den Kulturen Vorderasiens und Ägyptens beeinflußte Kultur besaßen. -Wir wissen heute aus verschiedenen Funden von Schafdarstellungen aus<span class="pagenum"><a id="Seite_124"></a>[S. 124]</span> -dieser mykenischen Zeit, daß die Träger der späteren Inselkultur -ein dem Torfschaf der Mitteleuropäer sehr ähnliches Hausschaf mit -ziegenartigem Gehörn besaßen und dieses dank ihren Handelsverbindungen -sehr frühe an die verschiedenen Stämme Europas weitergaben. So ist in -einer Zeit, die vielleicht vor diejenige des Alten Reiches in Ägypten -fällt, das ziegenähnliche Hausschaf des Niltals bis zu den noch länger -in der Steinzeit verharrenden Stämmen Mitteleuropas gelangt.</p> - -<p>Auf einer mykenischen Elfenbeinschnitzerei, die 1879 in einem aus -der Zeit jener alten Inselkultur stammenden Kuppelgrabe von Menidi -in Attika gefunden wurde, sind sehr langköpfige zahme Schafe mit -ziemlich langem Schwanz und ziegenartig zweikantigem, hinter dem -Hals gebogenem, starkem Gehörn abgebildet, die durchaus afrikanische -Mähnenschafabstammung verraten. Ganz dieselbe eigentümliche Bildung -zeigen vier Schafköpfe, die in einen in Vaphio ausgegrabenen Amethyst -aus mykenischer Zeit eingraviert sind. Es kann also durchaus kein -Zweifel obwalten, daß die Schafrasse der Mykenäer vom Niltale, mit dem -sie rege Handelsverbindungen unterhielten, stammte. Von dort gelangte -diese zu den weiter nördlich wohnenden Stämmen, nachdem sie irgendwo -mit Schafrassen asiatischer Abstammung gekreuzt war, was ja bei deren -höherer Leistungsfähigkeit sehr nahelag.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="bild19" > - <img class="w100" src="images/bild19.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 19. Nach der Aussaat über den Acker getriebene - Schafe im alten Ägypten. Diese sollten mit ihren Füßen die Samenkörner - in den Boden treten.<br /> - (Nach Wilkinson.)</div> -</div> - -<p>Schon um die Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends wurde auch -dieses Haustier neben dem andern Vieh in größeren Herden im gebirgigen -Griechenland gehalten. In der Ilias spielen die Bergweiden mit den -Scharen braunroter Rinder, weißer oder schwarzer Schafe und den „sich -weit ausbreitenden Herden der meckernden Ziegen“ eine so wichtige -Rolle, daß die Herrensöhne selbst als Oberaufseher dahin gesandt -werden. Auf einer solchen Bergweide sprach Alexandros (Paris) den -drei aufeinander eifersüchtigen Göttinnen das berühmte Urteil, das<span class="pagenum"><a id="Seite_125"></a>[S. 125]</span> -seinem Volke so verderblich werden sollte. In der Verkleidung eines -Herrensohnes, der die Herden des Vaters beaufsichtigt, tritt Athene -dem heimkehrenden Odysseus entgegen. Auf der Bergweide weidet nach dem -homerischen Epos das Vieh tagsüber von bewaffneten Hirten und starken -Hunden bewacht. Mit einem Stabe, den er wirft, verhindert der Hirt, daß -sich die Tiere zu sehr zerstreuen. Am Abend werden die Herden in feste -Pferche oder Ställe eingetrieben. Dort werden wie die Kühe und Ziegen, -auch die Schafe gemolken, und in der Höhle des Zyklopen ist nach der -Beschreibung des Odyssee eine regelrechte Käserei eingerichtet, in der -die Milch seiner Schafe verwertet wird. Außerdem ist an den Schafen -das Fleisch und vor allem die Wolle wertvoll. Damals war der Löwe -noch mehr als der Wolf der Feind der Viehzucht, mit dem manch harter -Kampf ausgefochten wurde. Auch der schleichende Panther wurde den -Herden gefährlich und mit Hilfe einer Hundemeute wurden auch auf ihn -Treibjagden abgehalten.</p> - -<p>Während das nordafrikanische Mähnenschaf, die Stammform der Rasse, -ein stattliches Tier von 1,55 <span class="antiqua">m</span> Länge darstellt, ist das -im Bündnerschaf uns mehr oder weniger rein erhaltene Torfschaf -der Neolithiker durchschnittlich nur 0,84 <span class="antiqua">m</span> lang. Diese -Verkleinerung der Rasse ist wohl Folge der schlechten Haltung und nicht -in dem Sinne zu deuten, wie es Keller tut, der sagt: „Wir dürfen aber -annehmen, daß die Auslese die kleinen Tiere begünstigte, weil sie für -die Wanderung günstiger waren. Andere Schafrassen zeigen ja auch starke -Größenunterschiede, asiatische und afrikanische Rinder weisen neben -Riesenformen auch eigentliche Zwergformen auf.“</p> - -<p>Der wichtigste Unterschied im Schädelbau des Mähnenschafes und des -davon abzuleitenden Torf- beziehungsweise Bündnerschafes besteht darin, -daß letzteres eine, wenn auch seichte Tränengrube besitzt, die ersterem -völlig abgeht. Diese Eigentümlichkeit kann nur dadurch erklärt werden, -daß das Torf- und das davon abstammende Bündnerschaf auf ihrem Wege -vom Niltal nach Mitteleuropa etwas Blut der alsbald zu besprechenden -Hausschafe von asiatischer Abstammung erhielt, die alle dadurch -gekennzeichnet, daß sie wie ihr wilder Stammvater eine Tränengrube -besitzen. Sonst steht die allgemeine Bildung des Schädels beim Torf- -und Bündnerschaf wegen ihres ziegenartigen Charakters dem Mähnenschaf -viel näher als irgend einem echten Wildschaf, nur die Stirnbeine sind -beim Mähnenschaf flach, beim Torf- und Bündnerschaf dagegen gewölbt, -was entweder Folge der Domestikation oder der Kreuzung mit asiatischen -Schafrassen sein kann. Wie das<span class="pagenum"><a id="Seite_126"></a>[S. 126]</span> Mähnenschaf das langgeschwänzteste -Wildschaf ist, ist auch das Torf- wie das Bündnerschaf langschwänzig.</p> - -<p>Von dem zum Teil hängeohrigen altägyptischen Hausschaf von -Mähnenschafabstammung sind nur wenig veränderte Nachkommen im von -den Nubierstämmen am oberen Nil, vorzugsweise den Dinkas, gehaltenen -<em class="gesperrt">Dinkaschaf</em> noch am Leben. Dieses trägt noch als Reminiszenz an -seinen Ahnen einen mähnenartig an Hals und Vorderbrust herabfallenden -Haarmantel; der übrige Körper ist kurz behaart, wie auch der lange, -dürre Schwanz. Sein Gehörn ist durchaus ziegenartig, indem die kurzen, -kräftigen Hörnchen sich dem Hals entlang scharf nach hinten wenden, um -eine halbmondförmige Krümmung zu beschreiben. Die Färbung ist meist -rein weiß, teilweise auch rotbraun oder weiß und schwarz gefleckt. -Georg Schweinfurth fand dieses Schaf außer bei den Dinkas auch bei den -Nuër und Schilluknegern.</p> - -<p>Ein anderer Abkömmling des altägyptischen Hausschafes ist das ebenfalls -stark bemähnte und vorwiegend weiß gefärbte <em class="gesperrt">Fezzan-</em> oder -<em class="gesperrt">libysche Schaf</em>. Dessen dürrer Schwanz trägt am Ende wie sein -Ahnherr, das Mähnenschaf, eine an einen Kuhschwanz erinnernde große -Quaste.</p> - -<p>Ganz den Charakter des altägyptischen Schafes, wie es uns an den -Wänden der Grabkammern und als hieroglyphisches Zeichen abgebildet -entgegentritt, weist das in den Gegenden am oberen Lauf des Niger -lebende <em class="gesperrt">Nigerschaf</em>. Dieses ist hochbeinig, besitzt einen Kopf -mit Hängeohren und kleinen Ziegenhörnern und trägt ebenfalls am -Vorderkörper an die Mähne des Mähnenschafs und der davon abstammenden -ältesten Hausschafe Ägyptens erinnernde verlängerte Haare. Abkömmlinge -von ihm verbreiteten sich bis nach Senegambien und dem Golf von Guinea.</p> - -<p>Zweifellos enthalten auch die <em class="gesperrt">Senegalschafe</em>, dann das -hochbeinige, hängeohrige <em class="gesperrt">Guineaschaf</em>, das <em class="gesperrt">Kongoschaf</em> -und das kropfige <em class="gesperrt">Angolaschaf</em> oder <em class="gesperrt">Zunu</em> vorzugsweise -Mähnenschafblut, das aber mehr oder weniger stark mit solchem vom -Fettschwanzschaf asiatischer Abstammung gemischt ist.</p> - -<p>Der Stammvater dieses Fettschwanzschafes, das jetzt durch ganz -Nordafrika, von Ägypten bis Marokko, verbreitet ist und vom Niltal aus -nach Abessinien und zu den Somalis gelangte, wie aller asiatischer -Hausschafe überhaupt, ist das transkaspische <em class="gesperrt">Steppenschaf</em> -oder der <em class="gesperrt">Arkal</em> (<span class="antiqua">Ovis arkal</span>), der schon in sehr früher -Zeit in Westasien zum Haustier erhoben wurde. Er ist kleiner als -das Mähnenschaf, aber<span class="pagenum"><a id="Seite_127"></a>[S. 127]</span> größer als das alsbald zu besprechende -südeuropäische <em class="gesperrt">Muflon</em> (<span class="antiqua">Ovis musimon</span>), von dem sich die -Heidschnucken und Marschschafe ableiten. So sind denn die von jenem -abstammenden langschwänzigen Hausschafe durchschnittlich größer als die -von letzterem hervorgegangenen kurzschwänzigen. Am Schädel des Arkal -ist wie an demjenigen der Hausschafe asiatischer Abkunft die Stirne -schmal, die Hornzapfen liegen weiter auseinander wie beim Muflon, das -dreikantige Gehörn ist hellfarbig, regelmäßig gewulstet und zwischen -den starken Wulsten tief eingeschnitten, also mit dem Merinogehörn am -meisten übereinstimmend. Die Tränengruben erscheinen tiefer als bei -irgend einer andern Art. Die Augenhöhlen treten röhrenförmig hervor -und sind mit ihrer Achse schief nach vorn gerichtet, ein Merkmal, das -besonders beim chinesischen Schaf auffällt, das allerdings vorzugsweise -ein Argaliabkömmling ist.</p> - -<p>Im Gegensatz zu den meisten anderen Wildschafen Asiens ist der Arkal -kein Hochgebirgstier; er bewohnt vielmehr die niederen Vorberge -und geht selbst bis zur Küste des Kaspischen Meeres herab, dessen -Wasserspiegel bekanntlich unter dem Niveau des Mittelmeeres liegt. -Mehr als alle anderen Wildschafe lebt er in größeren Herden von 60 bis -100, gelegentlich auch 200 Stück; vereinzelte Stücke werden nur selten -angetroffen. Es ist ein wenig scheues, gutmütiges Tier, das sich leicht -jagen und fangen läßt. Kein Wunder also, daß sich der Mensch schon früh -seiner bemächtigte. Von ihm hochgezüchtete <em class="gesperrt">Fettschwanzschafe</em> -treten uns schon auf Reliefdarstellungen des 8. Jahrhunderts v. Chr. -entgegen, so auf einer Platte aus der Zeit Tiglatpilesars II. -um 745 v. Chr., die uns aus einer eroberten jüdischen Stadt durch -Soldaten weggetriebene Schafe mit ansehnlichem Fettschwanz und -kleinen Arkalhörnern zeigt. Solche Schafe, deren Hauptkennzeichen der -mittellange, dicke und sehr breite Fettschwanz bildet, kannte schon -der griechische Geschichtschreiber Herodot im 5. vorchristlichen -Jahrhundert. Er schreibt nämlich: „In Arabien gibt es ganz wunderliche -Schafe. Die eine Rasse hat Schwänze von drei Ellen Länge (= 1,5 -<span class="antiqua">m</span>), so daß man den Schwanz eines jeden Schafes auf ein Wägelchen -binden muß, damit er nicht auf der Erde hinschleife, sich da abreibe -und verwunde. Die andere Rasse hat Schwänze, welche eine Elle breit -werden.“ Er meint damit in starker Übertreibung die beiden heute noch -in ganz Westasien gehaltenen Fettschwanz- und Fettsteißschafe. Diesen -beiden Schafarten wurden starke Fettansammlungen im Unterhautzellgewebe -des Hinterteils angezüchtet, die bis 20 <span class="antiqua">kg</span> Gewicht erlangen -können. Die asiatischen Nomaden, denen im Gegensatz zu den Acker<span class="pagenum"><a id="Seite_128"></a>[S. 128]</span>bauern -die Haltung des Schweines als Fettspender in der Steppe unmöglich war, -verlegten sich schon sehr früh darauf, bei Schafen von Arkalabstammung -solche Fettwucherungen zu unterstützen. So erlangten sie das -Fettschwanzschaf, das nach Osten bis Turkestan reicht. Dort greifen sie -vielfach in das Gebiet der alsbald zu besprechenden Fettsteißschafe -über und liefern in den jungen Tieren das als Astrachan, Krimmer oder -Persianer geschätzte Pelzwerk. Dieses wird besonders von den Lämmern -der Karakulrasse gewonnen, die in Chiwa, Buchara und westlich davon bis -Astrachan gehalten wird.</p> - -<p>Die Rassen des Fettschwanzschafes mit mittellangem Schwanz, bei denen -der Schwanz höchstens bis zu den Hacken reicht, finden wir auf den -vorhin erwähnten assyrischen Darstellungen des 8. vorchristlichen -Jahrhunderts nie mit einem konvexen, sondern mit einem geraden Profil, -ja auf dem im Berliner Museum befindlichen Feldlager unter Sanherib, -der 705 v. Chr. seinem Vater Sargon als König von Assyrien folgte und -bis 681 regierte, da er von seinen eigenen Söhnen ermordet wurde, -finden wir deren Profillinie sogar etwas konkav. Diese gerade bis -konkave Profillinie, die wir bei allen Wildschafen treffen, zeigt an, -daß das erst mit einem unbedeutenden Fettschwanz versehene Schaf dem -wilden Vorfahren noch recht nahestand. Erst als die Domestikation -stärker eingewirkt hatte, wurde das Gesichtsprofil, wohl als Folge -des Schwächerwerdens des Gehörns, konvex, Verhältnisse, die wir in -gleicher Weise auch bei den Ziegen beobachten. Auch die Hörner, die -vorwiegend beim Widder vorkommen und dem Weibchen gewöhnlich fehlen, -deuten mit Sicherheit auf die Abstammung dieser Tiere vom Arkal, das -als Steppenschaf der Domestikation weit leichter zugänglich war als -eines der Hochgebirgsschafe. Die Hörner des Fettschwanzschafes sind -kurz und halbmondförmig nach hinten und nach der Seite gekrümmt. -Von den hierher gehörenden Rassen unterscheidet man das meist hell -gefärbte, kurzwollige, bucharische Fettschwanzschaf, das von den -Kirgisen und Tataren gehalten wird. Es kommt auch noch in Syrien und -Palästina vor. Sein Fettschwanz erreicht hier teilweise einen solchen -Umfang, daß er, wie Russel aus Syrien berichtet, am untern Ende durch -dünne Brettchen, die gelegentlich mit Rädchen versehen sind, gegen -Verletzungen geschützt wird. So konnte die schon von Herodot gemeldete -Sage aufkommen, der Schwanz der morgenländischen Schafe sei so schwer, -daß er auf Wägelchen gebunden werden müsse, damit sich die Tiere nicht -beim Nachschleifen desselben verletzen. In Ägypten wird es durch das -bis Abessinien verbreitete<span class="pagenum"><a id="Seite_129"></a>[S. 129]</span> ägyptische Fettschwanzschaf mit -ziemlich großem Kopf, langen und breiten Hängeohren und nur auf den -Widder beschränktem Gehörn abgelöst. Beim tunesischen und algerischen -Fettschwanzschaf ist der bis zum Fersengelenk reichende, tiefangesetzte -Schwanz nur in seinem oberen Teil mit Fett durchwachsen, gegen die -Spitze hin aber normal. Außer in ganz Nord- und Ostafrika hat sich -dieses Fettschwanzschaf auch in Südafrika eingebürgert.</p> - -<div class="figcenter illowe31_25 break-before" id="tafel25" > - -<p class="captop">Tafel 25.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel25.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Assyrische Fettschwanzschafe aus der Zeit Tiglatpilesars, - um 745 v. Chr.<br /> - (Nach Keller, die Abstammung der ältesten Haustiere.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel25_gross.jpg" id="tafel25_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel26a" > - -<p class="captop">Tafel 26.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel26a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Kirgisische Fettschwanzschafe mit ausfallender Winterwolle, - von Karl Hagenbeck in Stellingen importiert.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel26b" > - <img class="w100" src="images/tafel26b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Karakulschafe, von Karl Hagenbeck aus Buchara importiert.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel27a" > - -<p class="captop">Tafel 27.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel27a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Kampf von Widdern des Fettschwanzschafes vor dem Khan - von Chiwa.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel27b" > - <img class="w100" src="images/tafel27b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Fettschwanzschaf in Chiwa.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel28" > - -<p class="captop">Tafel 28.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel28.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Widder des Fettschwanzschafes in Chiwa.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel28_gross.jpg" id="tafel28_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel29a" > - -<p class="captop">Tafel 29.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel29a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">In England gezogene weiße orientalische Eselhengste, von - Karl Hagenbeck importiert.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel29b" > - <img class="w100" src="images/tafel29b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Ägyptischer Hausesel der Onagerrasse.<br /> - (Nach Aufnahme von Professor Keller in Die Abstammung der ältesten Haustiere.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel30a" > - -<p class="captop">Tafel 30.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel30a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Grauer abessinischer Esel mit deutlich sichtbarem - Schulterkreuz und zebraartiger Querstreifung an den Beinen.<br /> - (Aus Karl Hagenbecks Tierpark in Stellingen.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel30b" > - <img class="w100" src="images/tafel30b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Sartenfamilie auf einer säugenden Eselin in Turkestan.<br /> - (Nach einer Photographie von Arndt Thorer.)</div> -</div> - -<p>Beim anatolischen und syrischen Fettschwanzschaf ist der Fettschwanz -sehr lang und in der Höhe des Sprunggelenkes nach oben gekrümmt. -Diese werden in Kleinasien und Syrien am häufigsten gehalten und -haben vereinzelte Ausläufer bis nach Südeuropa gesandt, so nach der -Balkanhalbinsel, Süditalien und neuerdings (von Algier aus) auch nach -einigen Landstrichen des südlichen Frankreich. Das höchstgezüchtete -Fettschwanzschaf ist das persische, das von ansehnlicher Größe, aber -nicht sehr hoch gebaut ist. Das Vlies ist ziemlich dicht, mit mäßig -langer, gewellter Wolle, die sich nicht zum Versponnenwerden eignet -und deshalb auch kaum je technisch verwendet wird. Die Färbung ist -schmutzigweiß, silbergrau, braunschwarz, oft auch scheckig. Das -bogenförmige Gehörn ist von lichter Farbe, nicht groß, aber in beiden -Geschlechtern vorhanden. Der Fettschwanz ist sehr umfangreich, erreicht -nicht selten den vierten Teil des Gesamtgewichts und wird dann zur -unbequemen Last für das Tier.</p> - -<p>Ebenfalls langschwänzig, wie ursprünglich alle Schafe von -Arkalabstammung, aber statt auf Fett- auf Wollnutzung gezüchtet, -ist das <em class="gesperrt">westasiatische Wollschaf</em>, der Wolleerzeuger <span class="antiqua">par -excellence</span>, dessen Produkt schon im Altertum berühmt war. -Bereits zu Beginn des letzten vorchristlichen Jahrtausends trieben -die Phönikier einen schwunghaften Handel mit feinen und dazu noch -prächtig, meist mit Purpur gefärbten Wollstoffen, für die die -Küstenstämme Kleinasiens und Griechenlands willige Abnehmer waren. -Wie vordem in Syrien und Mesopotamien wurde später dieses Wollschaf -namentlich in Kleinasien gezüchtet und dessen Wolle vorzugsweise -über Milet nach Griechenland ausgeführt. Die griechische Sage läßt -ja im Argonautenzuge das goldene Vlies, d. h. wohl den gelbwolligen -Träger desselben, in Kolchis, am östlichen Ufer des Schwarzen Meeres, -holen. Dort muß es also schon früh Schafrassen mit besonders feiner -Wolle gegeben haben, nach deren Besitz man in Griechenland lüstern -war. Später fand über Samos ein lebhafter Import von hochgezüchteten -kleinasiatischen Wollschafen nach Griechenland statt, wo in der Folge -die Zuchtrassen von<span class="pagenum"><a id="Seite_130"></a>[S. 130]</span> Epirus und Attika einen bedeutenden Ruf erlangten. -Über Großgriechenland (Sizilien und Süditalien) gelangten diese edlen -Wollschafe asiatischer Abstammung zu den Römern, die sie weiter nach -Westen und Norden brachten. In der Folge überflügelte die iberische -Halbinsel mit ihren trockenen, der Schafzucht besonders günstigen -Hochsteppen in der Schafzucht und Wollverarbeitung alle übrigen -Mittelmeerländer, und Corduba, das heutige Cordova, wurde das Zentrum -der Wollindustrie. Hier züchtete man nach und nach aus dem asiatischen -Blute das Edelschaf, das unter dem Namen <em class="gesperrt">Merinoschaf</em> weltberühmt -wurde.</p> - -<p>Das gemeine Landschaf Spaniens ist das Churraschaf von Arkalabstammung, -neben dem schon im Altertum eine Abart mit besonders feiner Wolle -— wohl aus Kleinasien importiert — gehalten wurde. Bereits der 66 -n. Chr. gestorbene Grieche Strabon berichtet in seinem Werke über -Geographie: „Spanien erzeugt für den Handel herrliche Wolle, feine -Gewänder, und die dortigen Schafböcke werden teuer bezahlt.“ Im -Mittelalter, unter der maurischen Herrschaft, die die Landwirtschaft -so überaus förderte, wurden die Herden dieser Wollschafe noch mehr -veredelt. Später nahmen sich die Großgrundbesitzer und klösterlichen -Verwaltungen der blühenden Schafzucht an. Sie erhielten unter -Ferdinand V., dem Katholischen (geb. 1469, regierte 1479–1516), -weitgehende Privilegien und taten sich zu Mesta genannten Verbänden -zusammen, die sich selbst dem Privatbesitz gegenüber allerlei Rechte -anmaßten, so vor allem dasjenige, ohne Entschädigung an die Eigentümer -die Weidewege für die Wanderschafe über fremden Grund und Boden zu -bestimmen. Solches nehmen sie laut altem Herkommen bis auf den heutigen -Tag für sich in Anspruch. Übrigens hören wir bereits von römischen -Schriftstellern, daß es wie in Spanien, so auch in Italien Wanderherden -gab, die den Sommer im Gebirge und den Winter in der Ebene zubrachten -und dabei Rechte freien Durchzugs besaßen.</p> - -<p>Den Winter verbringen die Wanderherden der Merinoschafe meist in -der Estremadura, daneben auch in Andalusien und Neukastilien. -Im Sommer ziehen sie nordwärts nach Altkastilien, Leon, Burgos -usw. Dieses Wanderleben, an dem nur die edlen Zuchten teilnehmen, -wirkt höchst vorteilhaft auf den Gesundheitszustand dieser Schafe -ein. Die minderwertigen Zuchten gleicher Abstammung, wie z. B. -das weitverbreitete, grobwollige Churraschaf, genießen keine -Weideberechtigung und sind daher Standschafe geworden.</p> - -<p>Das Wort Merino ist dem Spanischen entlehnt und bezeichnete -ur<span class="pagenum"><a id="Seite_131"></a>[S. 131]</span>sprünglich einen vom König eingesetzten Richter, der in seinem -Bezirk große Machtbefugnisse ausübte; insbesondere war er ein -Weiderichter, der allerlei Anstände zu schlichten hatte, wenn die -Hirten mit ihren Wanderschafen (<span class="antiqua">oviejos transhumantes</span>) von -einer Gegend zur andern zogen. Er war also eine Art Schirmherr der -Schafherden und sein Name wurde später kurzweg auf die Wanderschafe -selbst übertragen. Die Merinoschafe sind mittelgroße Tiere mit -starkem, im Schnauzenteil abgestumpftem Kopf. Das Gehörn ist kräftig -entwickelt, schraubenförmig gewunden, dem Kopfe anliegend und mit -starken Querwülsten versehen. Die Tränengruben sind tief, die Ohren -schmal und zugespitzt, der Hals an der Kehle kropfartig verdickt, der -Körper in den Beinen niedriggestellt. Das starke Wollvlies ist äußerst -dicht und besteht aus Büscheln fein gekräuselter Wolle, die durch eine -Ausschwitzung von Wollfett (Lanolin) verklebt sind.</p> - -<div class="figcenter illowe21_875" id="bild20" > - <img class="w100" src="images/bild20.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 20. Der Tuchscherer.<br /> - (Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann.)</div> -</div> - -<p>Diese das ganze Jahr im Freien zubringenden Tiere werden während des -Weidebetriebs im Mai und Juni geschoren, nachher mit dem Stempel des -Eigentümers versehen und zum Schutze der Haut mit einer ockerhaltigen -Salbe bestrichen. Die Wolle wird sortiert, in besondern Waschanstalten -gewaschen und das Wollfett daraus ausgezogen. Seit dem Beginne des 18. -Jahrhunderts breiteten sich die spanischen Merinos nach verschiedenen -europäischen und später auch außereuropäischen Ländern aus, wobei -das Produkt Spaniens zum Teil überholt wurde und berühmte Zuchten -entstanden, wie die Rambouillets, Elektorals und Negrettis. Den -Anfang damit machte Frankreich, indem 1706 eine kleine Zuchtherde -durch Dauberton nach Montbard in Burgund gelangte. Weit wichtiger -war der 1753 vollzogene Im<span class="pagenum"><a id="Seite_132"></a>[S. 132]</span>port von 400 Merinos zur Errichtung der -Zuchtherde von Rambouillet. Der Transport der Tiere zu Fuß auf dem -Landwege von Altkastilien nach ihrem Bestimmungsorte dauerte volle -4<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Monate. Weiter wurde dann im Departement de l’Aisne der höchst -wertvolle Stamm der Mauchampschafe mit langer, seidenartiger Wolle -herangezüchtet. Im Jahre 1800 gab es in Frankreich bereits über -5000 dieser feinhaarigen Wollschafe. In Deutschland führte zuerst -Sachsen das spanische Edelschaf ein; der erste Transport, bestehend -aus 92 Böcken und 128 Mutterschafen, langte 1765 an. Dem Kurfürsten -Friedrich August zu Ehren erhielten die sächsischen Merinos den Namen -Elektoralschafe. In Preußen erfolgte die Einfuhr 1785. Österreich -gründete 1772 in der Nähe von Fiume eine Pflanzschule spanischer -Schafe; spätere Bezüge gelangten nach Mähren und Ungarn und waren -Veranlassung einer intensiven Zucht. Gleichzeitig führte sie Italien -und 1802 Rußland über Odessa nach dem Steppengebiet im Süden ein. Doch -hatte im letzteren Lande bereits Peter der Große um 1715 deutsche -Schafe zur Verbesserung der Wolle der russischen Schafe kommen lassen. -Schweden hatte die Merinos schon 1753 eingeführt; doch mißglückte der -Versuch völlig, sie in jenem Lande anzusiedeln. Noch großartiger als -hier entwickelte sich die Merinozucht in Steppenländern außerhalb -Europas, besonders in Australien, wo das Schaf, das heute dort das -wichtigste Haustier bildet, erst im Jahre 1788 eingeführt wurde. In -diesem Lande wurde in der Folge die Schafzucht die Grundbedingung des -ganzen ökonomischen Aufschwungs des Landes, trug aber zugleich zum -raschen Verschwinden der Ureinwohner viel bei. Letztere konnten nämlich -in ihren kommunistischen Anschauungen nicht begreifen, daß sie kein -Recht an den Schafen hätten, die doch die ihnen bis dahin zur Nahrung -dienenden Kängurus verdrängten. So begann, als diese sich zur Stillung -des Hungers an den Herden vergriffen, ein mit aller Scheußlichkeit -geführter Vernichtungskrieg gegen sie, die bald zur Ausrottung der -ganzen Rasse aus den Schafzucht treibenden Gegenden führte. Auf den -ausgedehnten grasreichen Weideflächen gediehen die eingeführten Schafe -so gut, daß der europäische Wollmarkt vom australischen Produkte -förmlich überschwemmt wurde. Auch auf Neuseeland nahm die Merinozucht -große Ausdehnung an. Ihr einziger Feind hier ist der mit dem Schwanz -50 <span class="antiqua">cm</span> lange Nestorpapagei, der sich bald daran gewöhnte, den -Schafen große Wunden beizubringen, die vom Schmerz gepeinigten Tiere -so lange zu quälen, bis sie eingingen,<span class="pagenum"><a id="Seite_133"></a>[S. 133]</span> und dann von ihrem Fleische zu -fressen, besonders aber deren Nierenfett herauszuholen.</p> - -<p>Im Kaplande bürgerte sich die Merinozucht schon 1782 durch Vermittlung -der Holländer ein. In England schlug die Einbürgerung dieser Schafrasse -trotz mehrfacher Versuche fehl. Es scheint, daß das dortige Klima für -sie zu feucht ist; denn die Merinoschafe verlangen trockene Luft und -gedeihen in Steppen am besten. Auf den Sandwichinseln kommen sie nur -mäßig fort, vorzüglich dagegen im Westen der Vereinigten Staaten, -in Argentinien und Uruguay, wo gewaltige Herden dieser geschätzten -Wollerzeuger weiden.</p> - -<p>Ein weniger hochgezüchtetes Edelschaf asiatischer Abstammung als -das Merino ist das der Stammform desselben noch recht nahestehende -<em class="gesperrt">Sardenschaf</em>, das sich auf der Insel Sardinien in einer -starken Kolonie erhielt und augenscheinlich eine sehr alte Form des -Hausschafes darstellt. Ebenfalls weniger veredelte Abkömmlinge des -asiatischen Wollschafes von Arkalabstammung sind die langschwänzigen -<em class="gesperrt">Zackelschafe</em>, die in beiden Geschlechtern bald merinoartig -gewundene, bald in langgezogener Spirale abstehende Hörner tragen. Von -letzteren, die man als Zackenhörner bezeichnet, haben sie den Namen -Zackelschafe erhalten. Dieser eigenartige Stamm mit grober Wolle nahm -seinen Ausgangspunkt von Südosteuropa. Die wichtigsten Wohngebiete -desselben sind Kreta, Mazedonien und die übrigen Balkanländer, das -Donaugebiet bis nach Ungarn und Siebenbürgen. Das kretische Zackelschaf -ist ziemlich groß mit kräftigen Beinen und vorwiegend schmutzigweißer -Haarfarbe. Die Spitzen des in Spiraltouren nach rückwärts aufstehenden -Gehörns stehen weit auseinander. Ähnlich gebaut, aber etwas kleiner und -mit beinahe wagrecht auseinander stehenden Schraubenhörnern versehen, -die beim Widder länger als beim Mutterschaf sind, ist das ungarische -Zackelschaf. Sein Fleisch gilt als sehr schmackhaft. Die grobe -Wolle wird zu Teppichen, Decken und groben Zeugen verarbeitet. Die -gegerbte Haut liefert ein weiches Leder. Nahe verwandt mit ihm ist das -mazedonische Zackelschaf.</p> - -<p>Abkömmlinge der osteuropäischen Zackelschafe drangen früher auch nach -Westeuropa vor. Sie spielten unter den früheren wirtschaftlichen -Verhältnissen eine gewisse Rolle, sind aber gegenwärtig meist stark im -Rückgang begriffen. Dahin gehören das jetzt selten gewordene bayerische -<em class="gesperrt">Zaupelschaf</em>, das pommersche und hannoversche <em class="gesperrt">Landschaf</em> -und als westlichster Ausläufer das englische <em class="gesperrt">Norfolkschaf</em>, das -früher wegen<span class="pagenum"><a id="Seite_134"></a>[S. 134]</span> seiner Genügsamkeit eine große Verbreitung besaß. Diesen -Zackelschafen nahe verwandt ist das in der Bergregion des Oberwallis -stark verbreitete, ganz schwarze oder schwarz und weiß gefleckte -<em class="gesperrt">Walliserschaf</em>. Es erinnert an das Norfolkschaf. Sein ziemlich -starkes Gehörn ist spiralig ausgezogen und von dunkler Färbung; neben -behörnten kommen aber auch hornlose Individuen vor. Ein Abkömmling -dieses Walliserschafes ist das hornlose <em class="gesperrt">Frutigerschaf</em> im Berner -Oberland.</p> - -<p>Ein diesem Formenkreis zugehörender starker Seitenzweig von hornlosen -langschwänzigen Schafen umfaßt das stattliche, meist hängeohrige -<em class="gesperrt">Bergamaskerschaf</em>, daß in den nach Süden mündenden Tälern des -mittleren Alpengebietes gehalten und auf den hohen Alpweiden gesömmert -wird, dann das diesem ähnliche paduanische und steirische Schaf. -Entferntere Ausläufer sind das südfranzösische und <em class="gesperrt">englische -Bergschaf</em>, dann das <em class="gesperrt">Rhön-</em> und <em class="gesperrt">Thüringer Schaf</em>.</p> - -<p>Mit Schafen dieser asiatischen Arkalabstammung haben wir es stets zu -tun da, wo bei den alten Schriftstellern von Schafen überhaupt die Rede -ist. Von ihm schreibt der römische landwirtschaftliche Schriftsteller -Columella um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr.: „Das Schaf ist -ein äußerst nützliches Tier, es gibt uns Kleidung, Käse, Milch und -verschiedene Gerichte. Am besten ist die weiße Wolle, weil man sie -beliebig färben kann.“ Sein Zeitgenosse Plinius bemerkt: „Großen Wert -hat das Schaf als Opfertier und wegen des Gebrauchs, den wir von seiner -Wolle machen. Es gibt zwei Hauptrassen: die eine ist weichlicher und -wird mit einer Decke belegt, welche man in bester Sorte aus Arabien -bezieht, die andere Art ist die gemeine. In Syrien gibt es Schafe -mit ellenlangen Schwänzen.“ Damit meint er die schon damals dort -gehaltenen Fettschwanzschafe. Der drei Menschenalter vor diesen lebende -gelehrte Römer Varro sagt: „Die tarentinischen und attischen Schafe -haben eine wertvolle Wolle und werden mit Pelzen bedeckt, damit sie -nicht schmutzig werden. Nach der Schur wird das Schaf mit Wein und Öl -gesalbt, wozu einige auch weißes Wachs und Schweineschmalz nehmen. -Wunden, die das Tier bei der Schur bekommt, werden mit Teer bestrichen. -Es gibt auch Leute, welche die Schafe nicht scheren, sondern rupfen, -was früher allgemein üblich war.“ In der Tat ist das Ausrupfen der -Wolle die von Völkern auf primitiver Kulturstufe stets geübte Sitte, -die wir auch den Pfahlbauleuten der späteren Steinzeit zuschreiben -dürfen. Womit sonst als mit den Fingern hätten sich diese die Wolle -ihrer noch wenig<span class="pagenum"><a id="Seite_135"></a>[S. 135]</span> hochgezüchteten Schafe holen können! Heute noch wird -allgemein von den Arabern die Kamelwolle mit den Händen ausgerupft und -nie mit der Schere entfernt. Der zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. -lebende griechische Schriftsteller Älian berichtet: „Die lydischen und -mazedonischen Schafe sollen mit Fischen gefüttert und von dieser Kost -fett werden.“ Wir haben früher gesehen, daß solches Futter heute noch -auf Island an die sonst ausschließlich Gras fressenden Haustiere des -Menschen verfüttert wird.</p> - -<p>Nachdem einmal die Schafzucht in den Mittelmeerländern volkstümlich -geworden und ihr Nutzen klar erkannt worden war, kann es uns -nicht wundern, daß hier später auch das einheimische Wildmaterial -der Domestikation umerzogen wurde, um daraus neue Schafrassen -heranzuziehen. Dazu diente das einst sämtliche Bergländer Südeuropas -und der angrenzenden Inseln bewohnende <em class="gesperrt">Muflon</em> (<span class="antiqua">Ovis -musimon</span>). Dieses kleinste aller Wildschafe ist der Stammvater der -heute nach dem Norden von Europa gedrängten kleinen, kurzschwänzigen -Hausschafe. Einst auch in Südeuropa gehalten, wurde es hier später -vollständig durch die leistungsfähigeren Hausschafe von asiatischer -Arkalabstammung verdrängt. Das Muflon kommt in Cypern bis zur Höhe -von 2000 <span class="antiqua">m</span> vor, ist auf Sardinien noch vorhanden und lebte -vor kurzem auch in Korsika. Er wird einschließlich des höchstens -10 <span class="antiqua">cm</span> langen Schwanzes 1,25 <span class="antiqua">m</span> lang, am Widerrist 70 -<span class="antiqua">cm</span> hoch und 40–50 <span class="antiqua">kg</span> schwer. Er ist gedrungen gebaut, -in der Rückenlinie dunkelbraun, sonst braunrot gefärbt; dabei spielt -der Kopf ins Aschgraue. Das Gehörn des Bockes ist stark und in einer -Länge von 65 <span class="antiqua">cm</span> nach außen hinten und zuletzt nach innen unten -gebogen; es ist an der Wurzel sehr dick, im Querschnitt dreieckig. Das -merklich kleinere Weibchen unterscheidet sich durch seine mehr ins -Fahle spielende Färbung sowie durch das Fehlen oder seltene Vorkommen -des Gehörns vom Bock.</p> - -<p>Wie der Arkal lebt das Muflon im Gegensatz zum Mähnenschaf in Rudeln, -deren Leitung ein alter, starker Bock übernimmt. Diese Rudel erwählen -sich die höchsten Berggipfel zum Aufenthalt und nehmen hier an -schroffen, fast unzugänglichen Felswänden ihren Stand. Wie bei andern -gesellig lebenden Wiederkäuern halten stets einige Stück sorgfältig -Umschau, um die Genossen bei der Wahrnehmung eines verdächtigen -Gegenstandes sofort zu warnen und mit ihnen flüchtig zu werden. Zur -Paarungszeit trennen sich die Rudel in kleine, aus einem Bock und -mehreren Schafen bestehende Trupps,<span class="pagenum"><a id="Seite_136"></a>[S. 136]</span> welche der leitende Widder erst -durch tapfer durchgefochtene Kämpfe sich erworben hat. Das Schaf bringt -im April oder Mai 1–2 Junge zur Welt, die der Mutter schon nach wenigen -Tagen auf den halsbrecherischsten Pfaden mit der größten Sicherheit -folgen und bald ebenso gewandt wie sie klettern. Alle Bewegungen des -Muflon sind schnell, gewandt und sicher. Erwachsene Tiere vermag man -kaum je zu fangen, junge nur dann, wenn man ihre Mutter weggeschossen -hat. Sie gewöhnen sich bald an ihren Pfleger, sind anhänglich an ihn, -bewahren ein munteres, ja mutwilliges Wesen, zeigen aber nur eine -geringe Intelligenz.</p> - -<p>Noch im Altertum muß dieses Wildschaf auf den Gebirgen Südeuropas -recht häufig gewesen sein; denn Julius Capitolinus berichtet, daß -Kaiser Gordian im Jahre 238 n. Chr. 100 wilde Schafe zu den Jagdspielen -nach Rom brachte. Von Kaiser Probus, der von 276 bis 282 n. Chr. -regierte, meldet Flavius Vopiscus, daß er so viel wilde Schafe als er -auftreiben konnte, nach Rom kommen ließ. Schon früh wurde es irgendwo -im östlichen Mittelmeergebiet gezähmt, wozu wohl die hier bereits -gehaltenen ältesten Hausschafe von Mähnenschafabstammung die Anregung -gaben. Schon zur Bronzezeit tauchen, zunächst allerdings noch spärlich, -großgehörnte Hausschafe in den Pfahlbauten nördlich der Alpen auf, -welche durch ihr großes Gehörn und die in ihrem Bau mit denjenigen -des Muflon übereinstimmenden Hornzapfen ihre Herkunft von diesem -südeuropäischen Wildschafe beweisen. Gegen das Ende der Bronzezeit -erscheinen dann auch hornlose Hausschafe in der Schweiz, welche im -Süden von gehörnten Muflonabkömmlingen gezüchtet worden waren. In der -helvetisch-römischen Niederlassung von Vindonissa fanden sich beide -Schafarten nebeneinander vor. In der Folge aber wurden sie hier wie -auch das ältere Torfschaf von den von den Römern eingeführten, mehr und -feinere Wolle liefernden Schafen asiatischer Abstammung verdrängt. Nur -im Norden erhielten sie sich teilweise in eigentlichen Kümmerformen -mit seit der Römerzeit bedeutend verkleinertem Gehörn. Es sind dies -die nur einen halben Meter hoch werdenden, schwarz, braun oder grau -gefärbten <em class="gesperrt">Heideschafe</em>, die <em class="gesperrt">Heidschnucken</em>, die als äußerst -genügsame Rasse in Gebieten mit primitiver Wirtschaft, namentlich in -der norddeutschen Heide bis nach Oldenburg und Ostfriesland, gehalten -werden. Nahe verwandt mit ihm sind das die Bergländer Skandinaviens -bewohnende <em class="gesperrt">skandinavische Schaf</em>, das <em class="gesperrt">finnische Schaf</em> -und das bis nach Sibirien hineinreichende <em class="gesperrt">nordrussische Schaf</em>, -dann das <em class="gesperrt">Hebriden</em>-,<span class="pagenum"><a id="Seite_137"></a>[S. 137]</span> <em class="gesperrt">Faröer</em>- und <em class="gesperrt">Shetlandschaf</em>. -Das letztere ist bald klein gehörnt, bald hornlos. Sein Fleisch bildet -neben Fischen die Hauptnahrung der Bewohner jener rauhen Eilande. Der -westliche Ausläufer ist das <em class="gesperrt">isländische Schaf</em>, dessen Herden ein -elendes Dasein fristen und vielfach mit getrockneten Fischen ernährt -werden. Der Wollertrag ist bei all diesen Zwergformen ein geringer.</p> - -<p>Im Gegensatz zu diesen überaus genügsamen Heideschafen stehen die -ebenfalls vom Muflon abstammenden <em class="gesperrt">Marschschafe</em>, die fette Weide -beanspruchen und auf mageren Triften nur schlecht gedeihen. Ihre -bessere Ernährung macht sich in einer bedeutenderen Größe und großen -Fruchtbarkeit geltend. Ihre Haarfarbe ist schmutzig gelblichweiß, -rötlichbraun oder einfarbig schwarz. Das Hauptmerkmal bildet neben dem -kurzen Schwanz ihre vollkommene Hornlosigkeit. Außer Fleisch und Wolle, -die zu Strickgarn und gröberen Stoffen, wie Teppichen und dergleichen -verarbeitet wird, liefern sie auch Milch, welche zur Käsebereitung -dient. Es sind Vertreter der schon in der Bronzezeit aus dem Süden -nördlich der Alpen eingewanderten hornlosen Schafe, die in den -Marschen Nordwestdeutschlands, Hollands, Belgiens und Nordfrankreichs -heimisch wurden, weiter im Süden aber wie die übrigen Hausschafe von -Muflonabstammung von asiatischen Rassen verdrängt wurden. Es sind -dies die friesischen, holländischen, belgischen und nordfranzösischen -Schafe. Unter letzteren ist besonders das <em class="gesperrt">Roquefortschaf</em> -bekannt, das den berühmten Schafkäse dieses Namens liefert. Dieser -wird in Roquefort, im französischen Departement Aveyron, in der Weise -gewonnen, daß man die zum Gerinnen gebrachte Schafmilch mit von einer -spezifischen Schimmelsorte bewachsenem Brote vermischt. Dieses Brot -wird eigens für die Käsebereitung aus einer Mischung von Weizen- und -Gerstenmehl mit Sauerteig hergestellt und der betreffende Schimmelpilz -darauf zur Ansiedelung gebracht. Der damit hergestellte Schafkäse reift -dann in 30–40 Tagen in Felsenhöhlen, wobei er sich mit einer dicken -Schimmelschicht bedeckt. Diese wird von Zeit zu Zeit entfernt. Diese -Fabrikation ist schon recht alt und wird bereits aus der zweiten Hälfte -des 9. Jahrhunderts erwähnt.</p> - -<p>Außer den drei genannten Wildschafen ist endlich noch ein weiteres -Wildschaf vom Menschen domestiziert worden. Es ist dies das -zentralasiatische <em class="gesperrt">Argali</em> (<span class="antiqua">Ovis argali</span>), von den Mongolen -so genannt, ein gewaltiges Tier von der Größe eines dreivierteljährigen -Kalbes, das die spärlich bewaldeten Bergzüge Innerasiens nördlich vom -Hochlande Tibets vom Alatau bis zum Altai und von Akmolinsk im Westen -bis<span class="pagenum"><a id="Seite_138"></a>[S. 138]</span> zum Südostrande der mongolischen Hochebene im Osten in einer -Höhe von 600–1000 <span class="antiqua">m</span> bewohnt. Es besitzt ein mächtiges, von der -Wurzel an mit ringsumlaufenden wellenförmigen Wülsten bedecktes Gehörn, -das sich nach hinten außen wendet. Dichtstehende wellige Grannen -nebst feinen, kurzen Wollhaaren bilden das überall sehr gleichmäßige, -jeglicher Mähne entbehrende Haarkleid, dessen vorherrschende Färbung, -ein mattes Fahlgrau, im Gesicht, an Schenkeln wie am Hinterbauch in -ein merklich dunkleres Bräunlichgrau, im Vorderteil der Schnauze, auf -dem breiten Spiegel am Steiß, in der untern Hälfte der Beine aber in -Gräulichweiß übergeht. Es meidet feuchte, waldbedeckte Gebirge und -größere Höhen, lebt das ganze Jahr über etwa auf demselben Gebiete -und wechselt höchstens von einem Bergzuge zum andern. Bis gegen die -Paarungszeit leben Böcke und Schafe getrennt, letztere zu 3–5, erstere -meist einzeln. Kurz vor der Paarungszeit vereinigen sie sich zu kleinen -Herden von 10, höchstens 15 Stück. Während des Sommers frißt das -Argali alle Pflanzen, die auch dem Hausschafe behagen, während des -Winters begnügt es sich mit Flechten, Moos und getrocknetem Gras, die -der Wind auf den Graten durch Wegfegen des Schnees bloßgelegt hat. -Wählerischer als in der Äsung zeigt es sich beim Trinken, da es stets -zu bestimmten Quellen kommt; auch salzige Stellen werden zum Lecken -oft besucht. Solange der Schnee nicht allzudicht liegt, kümmert es -der Winter wenig, denn sein dichtes Fell schützt es gegen die Unbill -der Witterung. Seine Sinne sind ausgezeichnet entwickelt. In seinem -Wesen spricht sich Bedachtsamkeit und Selbstbewußtsein aus; es ist -neugierig, wenig scheu, zeigt sich aber überall sehr vorsichtig, wo es -durch wiederholte Verfolgung von seiten des Menschen gewitzigt wurde -und seine heimtückische Art kennen lernte. Die Jagd darauf ist durchaus -nicht leicht. Sein Fleisch ist trotz seines strengen Beigeschmacks -wohlschmeckend und wird von den Mongolen und Kirgisen sehr geschätzt.</p> - -<p>Bei solchen Vorzügen ist es kein Wunder, daß sich der Mensch schon -früh auch dieses Wildschafes bemächtigte, um es der Domestikation -zu unterwerfen. Es ist der Stammvater der großhörnigen Schafe, -die in Zentralasien innerhalb der Verbreitungszone des Argali als -Schlachttiere und Wollspender besonders auf der Salzsteppe gehalten -werden. Dabei hat sich im Haustierstande das Gehörn verkleinert. Noch -am wenigsten ist dies der Fall bei den Hausschafen Russisch-Turkestans, -mehr dagegen bei denen Tibets und der Südabhänge des Himalaja von -Kumaon bis Sikkim. Bei diesen tragen beide<span class="pagenum"><a id="Seite_139"></a>[S. 139]</span> Geschlechter Hörner, und -zwar stoßen sie wie beim Argali auf der Stirne fast zusammen; dabei -sind sie nach außen hin um den Kopf gewunden und noch reich mit -Querwülsten versehen in derselben Weise wie beim Argali.</p> - -<p>Durch spezielle Züchtung zur Vermehrung des den Hirtenvölkern so -wertvollen Fettes, dessen sie sich zum Braten der Mehlspeise und des -Reises bedienten, entwickelten sich aus ihnen im Laufe der Zeit die -<em class="gesperrt">Fettsteißschafe</em>. Da der Schwanz bei ihnen im Gegensatz zu -den Abkömmlingen des Arkal zu kurz war, um ihn zur Fettablagerung -heranzuziehen, wurde der Steiß dazu ausersehen. Hier bildet die -Fettmasse zwei gewölbte Kissen, die ansehnliche Größe erreichen können. -Auch dieses Schaf besitzt wie die andern Rassen von Argaliabstammung -in beiden Geschlechtern spiralig um den Kopf gewundene Hörner mit -Querwülsten, die aber bei manchen hochgezüchteten Rassen schon -ziemlich klein geworden, ja teilweise bei den Weibchen ganz in Wegfall -gekommen sind. Es ist dies speziell beim <em class="gesperrt">Tatarenschaf</em> der -Fall, das vom Ostrand des Schwarzen Meeres bis zum Baikalsee das am -häufigsten gehaltene Schaf ist und den Hauptreichtum der dortigen -Steppenvölker bildet. Bei den Kirgisen gilt noch heute die uralte -Sitte, das einjährige Lamm als Tauscheinheit zu betrachten, wie bei den -alten Römern vor dem Aufkommen der Münzen durch die Vermittlung der -süditalischen Griechen das Kleinvieh (<span class="antiqua">pecus</span>) die Werteinheit -bildete, woher noch der spätere Ausdruck <span class="antiqua">pecunia</span> für Geld, -Vermögen herrührt.</p> - -<p>Beim Tatarenschaf ist der Kopf gestreckt, der Nasenrücken nur wenig -gewölbt und die Ohren sind als Zeichen längerer Domestikation durch -Degeneration der sie aufrichtenden Muskeln hängend geworden. Die Widder -sind stärker behörnt als die Mutterschafe, die stets kleinhörnig sind, -wenn sie überhaupt noch, was sehr häufig der Fall ist, Hörner besitzen -und nicht völlig hornlos geworden sind. Der Fettklumpen am Steiß ist -sehr umfangreich und gleicht zwei miteinander verwachsenen Halbkugeln, -zwischen denen ein ganz kurzer Schwanzstummel hervorragt. Die Haarfarbe -ist meist weiß, seltener rotbraun oder schwarz. Die filzige Wolle -ist kurz und grob und zum Versponnenwerden ungeeignet. Östlich vom -Baikalsee und der Mongolei schließt sich an das Tatarenschaf das -ebenfalls vom Argali abzuleitende, aber als Zeichen einer sehr hoch -getriebenen Zucht bereits völlig hornlos gewordene <em class="gesperrt">chinesische -Schaf</em>, das allerdings nur einen schwach entwickelten Fettsteiß -besitzt, da seine Züchter als Ackerbauer im Sesam<span class="pagenum"><a id="Seite_140"></a>[S. 140]</span> und in manchen auf -Öl angebauten Retticharten genugsam pflanzliches Fett zur Verfügung -hatten, so daß sie auf die Gewinnung tierischen Fettes kein besonderes -Gewicht legten.</p> - -<p>Von seiner zentralasiatischen Heimat hat sich das Fettsteißschaf von -Argaliabstammung auch weithin nach Süden verbreitet, so nach Persien -und Arabien. Von letzterem Lande verbreitete es sich in die Länder -am oberen Nil bis in das Gebiet der Dinkas, die es ebenfalls halten, -und in die Somaliländer, wo es überall in Menge gezüchtet wird. Es -ist wie das chinesische Schaf als hochgezüchtetes Hausschaf in beiden -Geschlechtern völlig hornlos geworden und fast stets von weißer Farbe -mit tiefschwarzem Kopf und Hals. In der Gegend von Massaua fand C. -Keller neben schwarzköpfigen Schafen auch braungefärbte und gefleckte -Tiere. Häufig pflegt man ihnen die Ohren bis auf einen kurzen Stumpf -abzuschneiden. Es hat gleichfalls keine verspinnbare Wolle, sondern ein -straffes, glattanliegendes Grannenhaar. Für die es haltenden Stämme -ist es fast ausschließlich Fleischlieferant; daneben bilden die Häute -einen nicht unwichtigen Exportartikel. Bei Abmagerung verschwindet der -überhaupt schwach entwickelte herzförmige Fettsteiß fast vollständig. -Auch Südafrika besitzt Fettsteißschafe; ebenso der ostafrikanische -Archipel, doch sind sie dort nicht zahlreich. Im Innern von Madagaskar -findet man sie bei den Howas, aber in einer degenerierten Rasse, deren -Fleisch trocken ist. An der Küste dieser großen Insel scheinen sie -nicht zu gedeihen. Von Persien aus nach Osten nehmen sie rasch an -Menge ab und erreichen nicht mehr Indien, das als von vorzugsweise -Ackerbauern bewohnt und mit einem heißen Klima ausgestattet, geringen -Bedarf an tierischem Fett besaß. In Birma wurden sie erst 1855 -eingeführt, sind jedoch dort nicht von Bedeutung geworden.</p> - -<p>Wenn wir Europäer uns auch keine Fettsteißschafe wünschen, so wäre -es doch sehr angezeigt, wenn ein Tierzüchter wie Herr Falz-Fein in -seinem großen Tierpark Askania Nova auf der südrussischen Steppe oder -ein Tierimportgeschäft wie dasjenige Hagenbecks in Stellingen bei -Hamburg den Argali aus seiner Gebirgsheimat zu Zuchtzwecken in Europa -einführen würde. Es würde sich außer zur selbständigen Zucht besonders -zur Kreuzung mit den teilweise durch Inzucht degenerierten Hausschafen -sehr eignen. So hat man in solcher Weise das leichter zu erlangende -Muflon mehrfach zur Bastardierung mit Hausschafen verwendet. Beide -Wildschafarten wären auch, wie das in derselben Weise zu benützende -zentralasiatische Wildschaf <span class="antiqua">Ovis poli</span> (nach dem Venezianer<span class="pagenum"><a id="Seite_141"></a>[S. 141]</span> -Marco Polo so genannt) und andere Wildschafe teils aus Asien, teils aus -Nordamerika zur Akklimatisation zum Zwecke der Belebung der Alpen und -Voralpen geeignet und böten zudem dem Jäger ein willkommenes Wildpret.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="bild21" > - <img class="w100" src="images/bild21.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 21. Altägyptische Tierärzte, kranke Haustiere behandelnd.<br /> - - 1. Fütterung kranker Gänse. 2. Behandlung von zwei zahmen Säbelantilopen durch - den Priester Nechta. 4. Behandlung kranker Ziegen. Das Vorderbein ist - festgebunden, damit das Tier stillhält. 7. Kranke Rinder erhalten Medizin.<br /> - - (Nach Wilkinson.)</div> -</div> - -<p>Von andern Horntieren aus der Familie der Paarzeher kämen -zur Domestikation von seiten des Menschen noch verschiedene -<em class="gesperrt">Antilopen</em> in Betracht, von denen tatsächlich auch verschiedene -Vertreter von den alten Ägyptern zu Haustieren erhoben wurden, deren -Zucht aber später wieder vollkommen verloren ging. So finden wir in -Grabmalereien des Alten Reiches, der 4., 5. und 6. Dynastie (2980–2475 -v. Chr.), neben Ziege und Schaf auch den einheimischen <em class="gesperrt">Steinbock</em> -(<span class="antiqua">Capra sinaitica</span>), die <em class="gesperrt">Gazelle</em> (<span class="antiqua">Antilope dorcas</span>), -die <em class="gesperrt">Säbelantilope</em> oder <em class="gesperrt">Steppenkuh</em> (<span class="antiqua">Oryx leucoryx</span>) -und den <em class="gesperrt">Wasserbock</em> (<span class="antiqua">Kobus ellipsiprymnus</span>) in des Menschen -Hegung und Pflege. Nach den begleitenden Inschriften müssen diese -damals auf den Gütern der Fürsten große Herden gebildet haben und mit -Schafen, Rindern und Ziegen zusammen geweidet haben. Zur Zeit der 12. -Dynastie, während des Mittleren Reiches (2160–1788 v. Chr.), bildete -nur noch eine der drei Antilopenarten, die Säbelantilope, von Hirten -bewachte Herden, während die beiden andern samt dem Steinbocke wieder -wie in Urzeiten als Wild gejagt wurden. Und wieder ein Jahrtausend -später, zur Zeit des Neuen Reiches (1580 bis 1205 v. Chr.), war -auch diese letzte Gazellenart in Ägypten aus der Zucht von seiten -des Menschen verschwunden, und blieben fortan von Paarzehern außer -Rindern nur Schafe und Ziegen als Haus- und Nutztiere der Bewohner -des Nillandes zurück. Der französische Archäologe François Lenormant -meint in seinem Buche: <span class="antiqua">Les premières civilisations</span>, dessen -erster Teil die vorhistorische Archäologie Ägyptens<span class="pagenum"><a id="Seite_142"></a>[S. 142]</span> betrifft, daß -der Einfall der Hyksos- oder Schasu-Beduinen (um 1650 v. Chr.) dieser -nationalägyptischen Zucht ein Ende bereitet habe. Es ist dies höchst -wahrscheinlich und dieses Ereignis nicht nur, wie Julius Lippert in -seiner Kulturgeschichte der Menschheit (Bd. 1 S. 503) glaubt, der -Schlußmoment in einem ganz natürlichen Ausleseprozeß; denn es ist nicht -einzusehen, weshalb diese Tiere nicht fernerhin in des Menschen Hegung -und Pflege hätten bleiben können.</p> - -<p>Dieser Autor schreibt daran anschließend: „Wir dürfen uns diese älteste -Art ‚Zähmung‘ großer Herden, die niemals die freie Weide verließen, -nicht anders vorstellen, als etwa die Hegung des Wildes in unseren -‚Tiergärten‘, nur daß die großen Besitzer etwa die gegen die Wüste hin -offene Grenze ihres Geheges durch ein Überwachen mit Hirten und Hunden -abschlossen, während gegen das fruchtbare Land hin Wassergräben die -Grenze bildeten. Welche Verwendung solche zur Güterbegrenzung fanden, -das bezeugt unter anderem die ägyptische Vorstellung vom Jenseits, -das nicht ohne solche Begrenzung gedacht werden konnte. Nach der -Wüste hin mochten aber den Hirten natürliche Terrainverhältnisse zu -Hilfe gekommen sein, abgesehen davon, daß die oasenartig gelegenen -Weiden selbst Anziehungspunkte für die wilden Herden der Grasfresser -bildeten. Darstellungen von Jagdszenen zeigen uns, wie die so von -Hunden zusammengedrängten Tiere lebendig ergriffen wurden, während man -andere durch die Fangleine zu Falle brachte. Während sich dieser Stufe -von Hegung noch eine große Anzahl von Weidetieren willig anbequemte, -mußte bei einer näheren Heranziehung an das stabile Haus des Menschen -immer mehr Gattungen ausscheiden, während Schaf und Ziege als die -ausgesiebten Arten auch dann noch zurückblieben.“</p> - -<p>Was die Darstellungen an den Grabwänden der Vornehmen aus der 4. und 5. -Dynastie anbetrifft, so finden wir also die Säbelantilope (altägyptisch -<span class="antiqua">mut</span> genannt), die Gazelle (altägyptisch <span class="antiqua">kehes</span>) und den -Wasserbock (altägyptisch <span class="antiqua">nutu</span>) mit dem noch heute auf dem -Gebirge zwischen Niltal und Rotem Meer besonders in Mittelägypten -vorkommenden Steinbock (altägyptisch <span class="antiqua">naâ</span>) vollkommen -domestiziert auf den Gütern der Großen des Reichs angesiedelt. Daß sie -sich als echte Haustiere auch in der Gefangenschaft fortpflanzten, -beweist schon die Szene aus dem Grabe des Nub hotep aus der 4. Dynastie -der großen Pyramidenerbauer von Giseh (2930–1750 v. Chr.), die zeigt, -wie mitten in der Herde eine Gazelle ihr Junges an ihrem Euter trinken -läßt, dann die verschiedenen Darstellungen, in denen die Hirten auf -ihren<span class="pagenum"><a id="Seite_143"></a>[S. 143]</span> Armen oder auf ihren Schultern die Antilopenjungen wie junge -Kälber, Zicklein und Lämmer tragen. Im Grabe des Ma nefer der 5. -Dynastie (2750–2625 v. Chr.) in Sakkara sehen wir, wie Hirten außer -den Säbelantilopen, Gazellen, Wasserböcken und ägyptischen Steinböcken -auch <em class="gesperrt">Springböcke</em> (<span class="antiqua">Antilope euchore</span>) — altägyptisch -<span class="antiqua">schekes</span> genannt — herbeitreiben, um sie von den Schreibern -notieren zu lassen. Es ist dies die einzige Darstellung dieser Antilope -im Stande der Hegung; denn auf allen andern Bildern wird sie stets nur -als von den Windhunden der Ägypter verfolgtes Wild dargestellt. Diese -Antilopenart muß also nur ganz vorübergehend in des Menschen Zucht -gestanden haben.</p> - -<p>Welchen Umfang diese Antilopenzucht in Ägypten in der ersten Hälfte -des dritten vorchristlichen Jahrtausends angenommen hatte, beweist -die Inschrift auf dem Grabe des Sabu in Sakkara aus der 6. Dynastie -(2625–2475 v. Chr.), in welcher als Besitztum des Verstorbenen 1235 -Rinder und 1220 Kälber der für gewöhnlich dargestellten langhörnigen -Rasse, 1360 Rinder und 1138 Kälber der kurzhörnigen Rasse, 405 Rinder -einer besonderen, seltenen Rasse nebst 1308 Säbelantilopen, 1135 -Gazellen und 1244 Wasserböcke angegeben sind.</p> - -<p>Ein Basrelief des Grabes des Itefa in Sakkara aus der 5. Dynastie -stellt, wie leicht zu erkennen ist und zudem durch eine begleitende -Inschrift erläutert wird, die Mästung der Säbelantilope, des -Wasserbocks und des Rindes dar, indem den betreffenden Tieren durch -einen Knecht ein besonders nahrhafter Mehlteig mit der Hand ins Maul -gestrichen wird.</p> - -<p>In den Grabdarstellungen des Mittleren Reiches (11. und 12. Dynastie, -2160–1788 v. Chr.) findet sich, wie gesagt, keine Spur mehr von der -Zucht der Gazelle und des Wasserbocks. Diese Tiere finden sich nur -noch als Jagdwild dargestellt. Einzig die Säbelantilope findet sich -noch in größeren Herden gezähmt. In den berühmten Grabmälern von Beni -Hassan aus der 12. Dynastie (2000–1788 v. Chr.) sehen wir die Herden -dieser Antilopenart durch ihre Hirten geführt neben Herden von Rindern, -Schafen und Ziegen. Im Grabe des Num hotep, dem schönsten von allen, -hat der Künstler ebenfalls das Mästen der Säbelantilopen durch den mit -der Hand ins Maul gestrichenen Mehlteig dargestellt, neben solchem von -Rindern, Ziegen und Gänsen vermittelst desselben Verfahrens.</p> - -<p>Erst in den Grabmalereien des Neuen Reiches (18. u. 19. Dynastie,<span class="pagenum"><a id="Seite_144"></a>[S. 144]</span> -1580–1205 v. Chr.) ist auch die Haltung von Säbelantilopen völlig -aufgegeben worden und finden wir darin auch dieses Wild nur vom -Menschen mit Hilfe von Windhunden aller Art gejagt.</p> - -<p>Leider ist später nie mehr ein Domestikationsversuch mit diesen -und andern Gazellen gemacht worden. Und weiter südlich hat der auf -niedriger Kulturstufe stehengebliebene Neger niemals an solche -Errungenschaften gedacht. Selbst die Europäer taten es nicht, als sie -sich am Kap der Guten Hoffnung festsetzten. Da schossen die Buren -mit ihren weittragenden Flinten vielfach zwecklos jene gewaltigen -Antilopenherden zusammen, denen sie zu gewissen Jahreszeiten auf -deren Wanderungen begegneten. Unter ihnen wird die <em class="gesperrt">Kuhantilope</em> -(<span class="antiqua">Bubalis caama</span>), das Hartebeest der Buren oder Kama der -Betschuanen, wenn von Jugend an unter menschlicher Pflege stehend, -ungemein zahm und folgt ihrem Pfleger auf dem Fuß. Erst erwachsen zeigt -sich insbesondere bei den Böcken die Rauflust ihres Geschlechts.</p> - -<p>Besonders geeignet und recht eigentlich dazu prädestiniert, vom -Menschen in Zucht genommen zu werden, ist die gewaltige, am Widerrist -bis gegen 2 <span class="antiqua">m</span> Höhe und ein Gewicht von 1000 <span class="antiqua">kg</span> -erreichende <em class="gesperrt">Elenantilope</em> (<span class="antiqua">Buselaphus oreas</span>). Nach den -übereinstimmenden Berichten der Reisenden sollen diese Tiere auf weite -Entfernungen kaum von den Zeburindern zu unterscheiden sein, weil auch -die Stellungen und Bewegungen der ruhenden und grasenden Tiergestalten -ganz dieselben sind. Nach Holub soll zwar der Kaffernstamm der -Matabeles Herden zahmer Elenantilopen besessen haben; doch ist dies -nur eine vorübergehende Zucht gewesen, die keine weiteren Folgen -zeitigte. Jedenfalls sollte unbedingt auch von europäischer Seite der -Versuch der Zähmung dieser größten aller Antilopen gemacht werden, -bevor sie vom Erdboden verschwindet; denn sie besitzt auch erwachsen, -im Gegensatz zu den rauflustigen Kuhantilopen, einen recht gutmütigen, -sanften Charakter und pflanzt sich auch in der Gefangenschaft ohne alle -Schwierigkeiten fort. Ihr Fleisch wird als ganz vorzüglich gerühmt.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_145"></a>[S. 145]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="V_Das_Schwein">V. Das Schwein.</h2> - -</div> - -<p>Ausschließlich zur Gewinnung von Fleisch und Fett hat der Mensch das -Wildschwein in den Haustierstand erhoben. Während der wandernde Nomade -hierzu in erster Linie das Schaf mit den ihm am Schwanz oder am Steiß -angezüchteten Fettmassen benutzte, hielt sich der ansässige Ackerbauer -an das von ihm leichter zu haltende Schwein. In den sumpfigen -Waldstrecken muß der Mensch gar häufig dem Wildschwein begegnet sein -und es, wie uns schon die paläolithischen Darstellungen desselben -an den Wänden von Höhlen Nordspaniens und Südfrankreichs beweisen, -mit Vorliebe erlegt und gegessen haben. Aber nicht das europäische, -sondern das südasiatische Wildschwein ist zuerst in menschliche Pflege -genommen und zur Würde eines Haustieres erhoben worden. Dies geschah -wohl einfach so, daß eines selbständigen Lebens ohne Muttermilch -fähige ältere Frischlinge nach Tötung der Mutter gefangen und in -eingehegte Plätze gesperrt wurden, um sie großzuziehen und gelegentlich -bei Nahrungsmangel infolge Unergiebigkeit der Jagd zu verspeisen. -Südostasien ist der weitaus älteste Herd der Schweinezucht, die jetzt -noch dort eine wichtige Rolle spielt. Dort wurde das einheimische -Wildschwein in Pflege genommen. Es ist dies das <em class="gesperrt">Bindenschwein</em> -(<span class="antiqua">Sus vittatus</span>), so genannt, weil es eine von der Wange über -den Hals verlaufende weiße Binde aufweist, ein Überbleibsel der aus -dunkeln Längsstreifen bestehenden Zeichnung der älteren Schweine, -die sich noch im Jugendkleide auch unseres erwachsen nicht mehr -gestreiften europäischen Wildschweins zeigt. Dieses Bindenschwein wird -jetzt hauptsächlich auf Java, Sumatra und Borneo gefunden, war aber -einst höchstwahrscheinlich auch in Hinterindien verbreitet. Von dort -kam es gezähmt schon sehr früh nach China, wo es bereits im vierten -Jahrtausend v. Chr. in Menge gezüchtet wurde; ebenso nach Indien und -Westasien, von wo es bereits zu Beginn des dritten vorchristlichen -Jahrtausends nach Ägypten vor<span class="pagenum"><a id="Seite_146"></a>[S. 146]</span>gedrungen war. So hat Flinders Petri aus -der 1. Dynastie (3400 bis 3200 v. Chr.) eine recht gute Umrißzeichnung -des Schweins in Oberägypten gefunden, das offenbar gemästet war -und wie die indischen Schweine Stehohren besitzt. Von da an fehlen -bildliche Darstellungen des altägyptischen Hausschweins bis zur Zeit -des Neuen Reiches (18. und 19. Dynastie, 1580–1205 v. Chr.), so daß -man früher glaubte, das Schwein sei erst zur Zeit der 18. Dynastie -ins Niltal eingeführt worden. Dies ist aber durchaus falsch. Von der -ältesten Königszeit an wurden Schweine in Ägypten gehalten und, wie -uns griechische Schriftsteller mitteilen, zum Eintreten der Saat in -den frisch gepflügten und geeggten Acker benutzt; doch galten sie -dem Ägypter, wohl weil sie gelegentlich auch Aas verzehrten, als -unreine Tiere, und so hütete man sich eben, sie an den Wänden der -Tempel und Grabkammern abzubilden. So berichtet der zu Beginn des 2. -Jahrhunderts n. Chr. lebende Claudius Älianus in seinem griechisch -geschriebenen Werk über die Tiere: „Das Schwein ist so gefräßig, daß -es weder seine eigenen Jungen, noch menschliche Leichen verschont; -deshalb verabscheuen es die Ägypter. Der Ägypter Manetho, ein Mann -(Priester) von hoher Weisheit, behauptet auch, daß man aussätzig wird, -wenn man Schweinemilch genießt.“ Lange vor ihm schrieb der griechische -Geschichtschreiber Herodot, der im 5. Jahrhundert v. Chr. Ägypten -selbst bereiste: „Bei den Ägyptern gilt das Schwein für ein unreines -Tier. Wird jemand zufällig von einem solchen am Kleide berührt, so -geht er gleich an den Fluß und wäscht sich. Unter allen eingeborenen -Ägyptern sind die Schweinehirten die einzigen, die in keinen Tempel -gehen dürfen; auch kann ein Schweinehirt in Ägypten nur die Tochter -eines Schweinehirten heiraten, weil ihm kein anderer seine Tochter -gibt. Keiner Gottheit opfern die Ägypter ein Schwein, mit Ausnahme -der Mondgöttin und dem Bacchos, und zwar bei Vollmond. Das Schwein, -das diesen Gottheiten geopfert wird, wird noch an demselben Tage -gegessen. Arme Leute, welche kein wirkliches Schwein haben, backen -eins aus Teig und opfern es.“ Herodot sah selbst, wie die Schweine im -Nildelta zum Einstampfen der Saat verwendet wurden. Bei einem Tiere, -das so verachtet war, daß diejenigen, die sich mit dessen Aufzucht -befaßten, nicht einmal einen Tempel betreten durften, um ihn nicht zu -verunreinigen, ist es kein Wunder, daß es in der älteren Zeit nicht -an heiligen Bauten dargestellt wurde. Erst zur Zeit der 18. Dynastie -war man so freidenkend geworden, daß man in Grabdenkmälern jener Zeit -in Theben dieses Borstentier<span class="pagenum"><a id="Seite_147"></a>[S. 147]</span> wie die übrigen Herdentiere darstellte. -Aber auch damals werden nur die Ärmsten in Ägypten das Fleisch dieses -verachteten Tieres gegessen haben.</p> - -<div class="figcenter illowe32_8125" id="bild22" > - <img class="w100" src="images/bild22.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 22. Altägyptische Darstellungen von Schweinen aus der - Zeit des Neuen Reichs. 1. Ein Mutterschwein mit Jungen. 2. Ferkel. 3. Eber, - <span class="antiqua">a</span> geknotete Peitsche, mit welcher die Schweine auf - die Weide getrieben wurden. (Nach Wilkinson.)</div> -</div> - -<p>Anders als in Ägypten stand es im alten Griechenland und Rom, wo das -Wildschwein im Gegensatz zum Niltal, wo es in geschichtlicher Zeit -ausgerottet war, häufig vorkam, viel gejagt und sein Fleisch gern -gegessen wurde. Dementsprechend war auch das Fleisch des Hausschweines -als Speise geschätzt. Schon bei Homer ist vielfach von Herden des -zahmen Hausschweins die Rede und war der Stand der Schweinehirten -durchaus nicht verachtet, sonst wäre dem Sauhirten des Odysseus auf -Ithaka mit Namen Eumaios sicher nicht der Ehrentitel des „Göttlichen“ -gegeben worden. Nach dem Urteile der gebildetsten Griechen hatte -die Schweinezucht viele Vorteile für sich. So schreibt der berühmte -Aristoteles im 4. Jahrhundert v. Chr.: „Von allen Tieren gewöhnt sich -das Schwein am leichtesten an jedes Futter, wird auch am schnellsten -groß und dick. In 60 Tagen kann man es ausmästen. Wer sich mit der Mast -beschäftigt, füttert die Schweine die drei ersten Tage mager, dann -werden sie bei gutem Futter desto schneller fett, wie meist alle Tiere, -die recht ausgehungert sind. Das Fettwerden<span class="pagenum"><a id="Seite_148"></a>[S. 148]</span> wird durch Ruhe befördert -und geht beim Schwein schneller vor sich, wenn es sich im Schlamm -wälzen kann. Dieses Tier kämpft selbst gegen den Wolf.“</p> - -<p>Wie bei den Griechen wurde auch bei den Römern eine ausgedehnte -Schweinezucht getrieben und dieses Haustier mit Vorliebe als Opfer -geschlachtet. Der gelehrte Varro (116–27 v. Chr.) meint sogar — -allerdings durchaus falsch — die griechische Bezeichnung <span class="antiqua">hys</span> -habe ursprünglich <span class="antiqua">thys</span> gelautet und daher komme das Verbum -<span class="antiqua">thýein</span> opfern. Er fährt dann fort: „Schweine scheinen die ersten -Opfertiere gewesen zu sein. Beim Anfang der Ernte, beim Schließen von -Bündnissen, bei Hochzeiten werden Schweine geopfert.</p> - -<p>Der Sage nach hat die Natur das Schwein geschaffen, daß es verschmaust -werden soll, auch hat sie ihm, da sie es nicht von vornherein einsalzen -wollte, die Seele statt des Salzes gegeben, um sein Fleisch, solange -es lebt, vor Fäulnis zu schützen. Die besten Speckseiten und Schinken -kommen aus Gallien nach Rom. Cato sagt, daß in Gallien die Schweine -so fett werden, daß sie weder stehen noch gehen können und auf Wagen -fortgeschafft werden müssen, wenn sie an einen anderen Ort sollen. Der -Spanier Attilius, ein durchaus rechtlicher Mann, sagte mir, daß ihm der -Senator Volumnius von einem in Lusitanien (Portugal) geschlachteten -Schwein ein Stück Fleisch mit zwei Rippen zusandte, das 23 Pfund wog; -die Dicke des Specks habe von der Haut bis zu den Knochen 1 Fuß 3 -Zoll betragen. Es hat mir auch jemand gesagt, er habe in Arkadien ein -Schwein gesehen, das sich vor Fett nicht rühren konnte, und in dessen -Speck eine Maus nistete. Das soll auch anderwärts vorgekommen sein.</p> - -<p>Für das Schweinevieh paßt eine sumpfige Weide am besten; denn es hat -seinen Gefallen an Wasser und Schlamm. Das Hauptfutter besteht aus -Eicheln, Bohnen, Gerste und anderem Getreide, davon wird es fett und -wohlschmeckend. Im Sommer treibt man es früh auf die Weide, bevor -die große Hitze eintritt, mittags bringt man es im Schatten und bei -Wasser unter, abends läßt man es abermals weiden. Im Winter treibt man -es nicht eher aus, als bis Reif und Eis weggetaut sind. Die ersten -Jungen bekommt man von den Sauen, wenn sie zwei, die letzten, wenn sie -sieben Jahre alt sind. Man läßt die Ferkel (<span class="antiqua">porculi</span>) zwei Monate -bei der Alten und trennt sie dann, zu welcher Zeit sie schon fressen -können, von ihr. Die im Winter geborenen sind klein, werden auch -schlecht gesäugt, weil die Alte dann wenig Milch hat und die Ferkel -ihr aus Hunger die Euter wund<span class="pagenum"><a id="Seite_149"></a>[S. 149]</span> beißen. Man gibt der Sau mit ihren -Ferkeln einen eigenen Koben. Dieser wird gehörig rein gehalten und -öfters nachgesehen, ob die Alte ein Junges totgedrückt hat. Sie bekommt -übrigens zweimal jährlich Junge. Um die Milch zu vermehren, muß sie -gut gefüttert werden, namentlich mit eingeweichter Gerste. Solange die -Jungen saugen, heißen sie <span class="antiqua">lactentes</span>. Die Saugschweinchen sind -vom 10. Tage an zu Opfern tauglich und heißen deshalb <span class="antiqua">sacres</span>. -Abgesetzte Saugschweine heißen <span class="antiqua">delici</span> oder gewöhnlicher -<span class="antiqua">nefrendes</span>, weil sie noch keine Bohnen kauen (<span class="antiqua">frendere</span>) -können. <span class="antiqua">Porcus</span> ist ein altgriechisches Wort. Jetzt sagen die -Griechen <span class="antiqua">choíros</span>. Die Sau (<span class="antiqua">scrofa</span> oder <span class="antiqua">varro</span>) muß, -wenn sie säugt, täglich zweimal getränkt werden. Eigentlich muß sie so -viel Junge bekommen, als sie Euterstriche hat. Bekommt sie weniger, so -taugt sie nicht zur Zucht; bekommt sie mehr, so weissagt sie dadurch -Wunderdinge. Das älteste bekannte Beispiel dieser Art stammt von der -Sau des Äneas, welche 30 weiße Ferkel bekam. Die Prophezeiung traf ein, -indem 30 Jahre später die Lavinienser die Stadt Alba gründeten. Noch -jetzt findet man in Lavinium die Bildnisse der 30 Ferkel in Bronze -aufgestellt und die Sau selbst wird, gut eingesalzen, von den Priestern -gezeigt.</p> - -<p>Die Schweine werden vom Schweinehirten gewöhnt, alles nach dem Klang -des Hirtenhorns zu tun. So z. B. stößt er ins Horn, wenn er sie aus -den Ställen läßt, wenn er sie im Walde zusammenruft usw. Die Herde -alter Schweine kann aus 100 bis 150 Stück, diejenige junger aus doppelt -soviel bestehen.“</p> - -<p>Der ältere Plinius schreibt: „Wenn Schweine ihre Jungen fressen, so -sieht man das nicht als schlimme Vorbedeutung an. Das Ferkel gibt am 5. -Tage ein reines Opfer, das Lamm am 8., das Kalb am 30. Das Schwein ist -überaus dumm, doch kennt man auch ein Beispiel, daß gestohlene Schweine -die Stimme ihres Herrn erkannten, das Schiff, auf das die Räuber sie -gebracht, versenkten, indem sie auf der einen Seite das Übergewicht -gaben, und dann zurückschwammen; auch lernen die Anführer der Herde den -Markt und die Häuser finden. Die Kunst, bei Sauen eine große Leber wie -bei Gänsen zu erzeugen, ist eine Erfindung des Marcus Apicius (eines -berühmten Feinschmeckers, der auch ein Kochbuch für die feine Küche -schrieb) und besteht darin, daß man sie mit trockenen Feigen tüchtig -füttert und mästet, ihnen dann Met zu trinken gibt und sie plötzlich -tötet. Kern anderes Tier liefert Speisen von verschiedenerem Geschmack -für die Küche; denn wenn von anderen Tieren jedes nur einerlei -Geschmack hat, so hat das<span class="pagenum"><a id="Seite_150"></a>[S. 150]</span> Schwein dagegen fünfzigerlei, weswegen auch -durch mancherlei Gesetze den Zensoren einzelne Teile, wie Euter, Kopf -usw., bei Gastmählern verboten sind; aber freilich kehrt sich nicht -jeder an solche Gesetze.“ Die Feinschmecker Roms begnügten sich aber -in der Regel nicht mit dem gewöhnlichen Schweinefleisch, das auch -gesalzen und geräuchert wurde, wie dies heute noch geschieht, sondern -ließen sich mit Vorliebe solches aus Sardinien kommen, von wo aus große -Schweinezüchter (<span class="antiqua">suarii</span>), die zur Kaiserzeit besondere Rechte -erlangt hatten, den Markt mit besonders feiner Ware versorgten.</p> - -<p>Welcher Tafelluxus im kaiserlichen Rom und im üppigen Alexandreia -herrschte, zeigen uns folgende Tatsachen. Petronius meldet: „Die -Tafel war gedeckt: ein ganzer gebratener Eber ward aufgetragen. Das -Jagdmesser wurde erhoben und in des Ebers Bauch gestoßen, — da flogen -zur Belustigung der Gäste aus der Wunde Drosseln hervor.“ Der um 220 n. -Chr. in Alexandreia lebende Grieche Athenaios erzählt, wie bei einem -Gastmahle eine silberne, reichvergoldete große Schüssel auf die Tafel -kam, auf der ein erwachsenes Schwein gebraten auf dem Rücken lag und -seine Beine zum Himmel streckte. Als sein Bauch mit einem Schnitte -geöffnet ward, fand sichs, daß es mit gebratenen Drosseln, anderen -kleinen Vögeln, Austern usw. gefüllt und in die Zwischenräume Eidotter -gebracht war.</p> - -<p>Ein anderes Mal ward ein Schwein aufgetragen, an dem mit Aufwand -großer Kunst die eine Hälfte gebraten, die andere gekocht war. Alle -bewunderten dies Gericht. Drob freute sich der Koch, nahm eine stolze -Miene an und fragte: Na, wer von euch kann angeben, wie das Tier -geschlachtet und wie sein Bauch mit tausend herrlichen Leckerbissen -gefüllt ist? Er enthält Drosseln, andere kleine Vögel, gehacktes -Schweinefleisch, Eidotter, Hühner, gepfefferte Fleischklößchen usw. Der -Schriftsteller Macrobius sagt, daß diese mit kleinen Tieren gefüllten -Schweine von den Kennern in Anlehnung an das sagenhafte trojanische -Pferd Trojanische genannt wurden.</p> - -<p>Der Geschichtschreiber Älius Lampridius berichtet in seiner Biographie -des Alexander Severus (222–235 n. Chr.), dieser Kaiser pflegte sich -während der Mittagstafel damit zu belustigen, daß er spielende -Spanferkel oder kämpfende Rebhühner oder hin und her fliegende Vögel -betrachtete. Seine Vogelhäuser enthielten Pfauen, Fasane, Haushühner, -Enten, Rebhühner und eine Unzahl Tauben. Als unter seiner Regierung -das römische Volk sich über eine Fleischteuerung beklagte, habe -er Erkundigungen eingezogen und erfahren, daß es vorzüglich an<span class="pagenum"><a id="Seite_151"></a>[S. 151]</span> -Schweine- und Rindfleisch fehlte. Da gab er den Befehl: Niemand dürfe -eine säugende Sau, ein saugendes Ferkel, eine alte oder junge Kuh -schlachten. Da sei schon in zwei Jahren Fleisch in Menge und wohlfeil -zu haben gewesen.</p> - -<p>Nicht selten sind uns bildliche Darstellungen des Schweins aus -römischer Zeit erhalten geblieben, die, wie beispielsweise das -prächtige Basrelief vom großen Staatsaltar auf dem Forum Romanum, eine -durch weitgehende Zucht kurzköpfige, sehr mastfähige Rasse mit runden -Formen zeigen. Deren Beziehungen zum indischen Hausschwein sollen nach -C. Keller recht deutlich ausgeprägt sein. Noch heute ist das asiatische -Blut im Hausschwein der römischen Kampagna unverkennbar. Dieselbe -Schweinerasse wurde nach Überresten in Herculanum und Pompeji zur Zeit -von deren Untergang gehalten; eine in Portici gefundene Bronzestatuette -bringt deren Merkmale sehr charakteristisch zum Ausdruck.</p> - -<p>Bei den alten Germanen war die Schweinezucht sehr beliebt, da dieses -Tier nach dem Pferd den beliebtesten Braten lieferte und deshalb gern -geopfert wurde. Unter den Karolingern wurde es viel gehalten. So -schärfte Karl der Große seinen Verwaltern ein, diese Tiere in möglichst -großer Zahl auf seinen Landgütern zu halten. So finden wir in den -Verzeichnissen der Königshöfe eine große Zahl derselben, so in Asnapium -260 große und 100 kleine Schweine, daneben 5 Eber, in Grisenweiler 150 -große und 100 kleine Schweine. Sie wurden in die Wälder zur Eichel- und -Buchenmast getrieben. Außer eingesalzenem Fleisch, besonders Schinken -und Speck, wurden auch Würste beim Schweineschlachten im Frühwinter -hergestellt. Schon im 12. Jahrhundert begannen westfälische Schweine -und Schinken berühmt zu werden. Noch das ganze Mittelalter hindurch -wurden wilde Eber auf zahme Sauen gesetzt, um eine bessere Zucht zu -erlangen.</p> - -<p>Das älteste Hausschwein der vorgeschichtlichen Völker Süd- und -Mitteleuropas war nach den auf uns gekommenen Schädelüberresten nicht -ein Abkömmling des gezähmten einheimischen Wildschweins, sondern, -wie die genau vorgenommenen vergleichend anatomischen Feststellungen -beweisen, ein solcher des südasiatischen Bindenschweins. In den -ältesten Pfahlbauten und Landniederlassungen Mitteleuropas der -neolithischen Zeit fehlte dieses zahme Hausschwein südasiatischer -Herkunft noch durchaus. Es tritt uns erst in einer späteren Zeit -der neolithischen Kultur in Überbleibseln entgegen und wurde dann -namentlich in der Bronzezeit in steigender Menge gehalten. Es ist -dies das<span class="pagenum"><a id="Seite_152"></a>[S. 152]</span> <em class="gesperrt">Torfschwein</em> (<span class="antiqua">Sus scrofa palustris</span>), von L. -Rütimeyer so genannt, weil uns eben seine Reste, wie diejenigen -der ältesten Haustiere überhaupt, vorzugsweise in den inzwischen -vertorften Seegründen, wo einst die Pfahlbauniederlassungen gestanden -hatten, entgegentreten. Es war ein zierlich gebautes Tier von mäßiger -Größe, das sich in seinem Schädelbau durchaus von demjenigen des -einheimischen Wildschweins entfernt, aber nahe Beziehungen zu dem -des südindischen Bindenschweins aufweist. Da man es damals nicht in -Stallungen bannte, sondern ähnlich wie das Hausschwein der Malaien -der indonesischen Inselwelt ziemlich frei umherlaufen ließ, wich sein -Schädel vom Wildschweincharakter nur wenig ab. Daher glaubte Rütimeyer -zunächst, daß das Torfschwein ursprünglich wild bei uns gelebt habe. -Doch kam er später von dieser Annahme zurück, und heute wissen wir mit -Bestimmtheit, daß sein Stammvater das südindische Bindenschwein war. -Bei letzterem ist, wie beim Torfschwein, der Schädel verhältnismäßig -kurz, breit und hoch, die Tränenbeine sind kurz und hoch, nähern sich -also der quadratischen Form; der knöcherne Gaumen scheint nach vorn -verbreitert, so daß die vorderen Backenzähne stark auseinandergedrängt -werden. Demgegenüber ist der Schädel des europäischen Wildschweins -und der erst später von ihm gewonnenen Hausschweine niedrig, schmal -und langgestreckt. Die Tränenbeine sind lang und niedrig, also mehr -rechteckig, der knöcherne Gaumen ist nach vorn nicht verbreitert, so -daß die Backenzähne annähernd parallel zueinander stehen.</p> - -<p>Bei allen Schweinen aber ist die Wildform im Bau des Schädels von der -Kulturform verschieden. Erstere wühlt im Boden nach eßbaren Knollen und -Wurzeln, letztere hat sich dies in der Gefangenschaft fast abgewöhnt; -infolgedessen ist ihr Schädel im Profil nicht mehr gerade, sondern -zwischen Stirn und Nase eingeknickt. Die fächerförmige Schuppe des -Hinterhauptbeins ist nicht mehr wie beim Wildschwein nach hinten -gerichtet, sondern steigt mit der Stirn- und Scheitelgegend mehr oder -weniger senkrecht empor. Während der jugendliche Wildschweinschädel -anfänglich den indifferenten Typus des Säugetierschädels wiederholt, -wird er später gestreckt und erhält scharf ausgeprägte Knochenleisten, -im Gegensatz zu demjenigen des zahmen Schweins, bei dem die -Nackenmuskulatur durch Nichtgebrauch schwächer wird und der Eckzahn an -Größe abnimmt.</p> - -<p>Dieses Torfschwein kam zweifellos über Westasien aus seiner -südindischen Heimat nach Europa, wenn wir nicht annehmen wollen, daß -sich sein Verbreitungsgebiet einst bis nach Westasien erstreckte, wo<span class="pagenum"><a id="Seite_153"></a>[S. 153]</span> -es dann hätte gezähmt werden können. Genaueres wissen wir über diese -Wanderung nicht. Wir wissen nur, daß das Hausschwein im Altertum auch -in Mesopotamien gehalten wurde. So ist uns aus der assyrischen Zeit -in Kujundschick das Bild eines Mutterschweins mit Ferkeln erhalten -geblieben. Im Gegensatz zu Layard, der darin eine Wildsau erblicken zu -müssen meinte, glaubt Keller aus dem feinen, verhältnismäßig kurzen -Kopf darin einen Abkömmling des südindischen Bindenschweins erkennen -zu dürfen. Allerdings hat später der ganze semitische Kulturkreis das -Schwein als Haustier abgelehnt, so daß es in der Folge aus Westasien, -soweit semitische Stämme zu finden waren, verschwand. Anders bei den -Ariern, denen der Schweinebraten, gleichgültig ob vom wilden oder -zahmen Schwein, ein Festessen war. So verspeisen die Helden in Wallhall -täglich den göttlichen Eber Särimni, der täglich wiederum neu ersteht, -um sich von den Asen verspeisen zu lassen. So war es auch schon bei -den Mitteleuropäern zu Ende der Stein- und zu Beginn der Bronzezeit. -Diese liebten außer dem ihnen noch reichlich zur Verfügung stehenden -Wildschweinbraten auch etwa solchen vom Hausschwein, besonders -nachdem es von der Eichelmast im Herbste recht fett geworden war, zu -verzehren und sich aus dem Überschuß durch Einsalzen und Räuchern -Winterproviant zuzulegen. Da nun das halb wild gehaltene Torfschwein -nicht selten Gelegenheit bekam, sich mit wilden Ebern zu begatten, so -entstand bald eine größere Mischrasse. Schon Plinius meldet in seiner -Naturgeschichte: „Das zahme Schwein paart sich sehr leicht mit dem -Wildschwein.“ Diese Tatsache war also schon im Altertum, wo sich bei -der großen Häufigkeit der Wildsauen viel mehr Gelegenheit zu solchen -Beobachtungen bot als heute, allgemein bekannt.</p> - -<p>Erst ganz am Schluß der neolithischen Zeit kam in Mitteleuropa ein -kräftigeres und größeres Hausschwein auf, das offenbar ein mehr oder -weniger reiner Abkömmling des einheimischen Wildschweins war; denn -was lag näher, als einmal dieses größere Tier nicht bloß zur Kreuzung -mit dem kleineren Torfschwein, sondern zur Reinzucht zu verwenden. -Das Wildmaterial lag ja gleichsam vor der Tür und wird oft genug in -halberwachsenen Frischlingen der Wildsau lebend in die Niederlassungen -der Steinzeitjäger gebracht worden sein. Von der Metallzeit an wurde -dann in Mitteleuropa das Torfschwein asiatischer Abstammung immer -mehr vom leistungsfähigeren Hausschwein europäischer Zucht aus dem -einheimischen Wildschwein verdrängt. Doch war es noch während der -helvetisch-römischen Zeit in der Schweiz<span class="pagenum"><a id="Seite_154"></a>[S. 154]</span> stark verbreitet. So gehören -von den in der Römerkolonie Vindonissa aufgefundenen Resten 28 -Knochenstücke ihm an, während das europäische Landschwein nur durch 10 -solche vertreten war. Noch am meisten Torfschweinblut weist das alte -<em class="gesperrt">Bündnerschwein</em> auf. Auch die Hausschweine in den entlegenen -Tälern um das Gotthardgebiet herum, im Tessin und oberen Wallis, stehen -dem alten Torfschweintypus nahe, während in den südlichen Tälern des -Wallis ein schwarzes oder fuchsrotes Schwein gehalten wird, das nach -der Kopfform ein unverkennbares Kreuzungsprodukt des Torfschweins mit -dem Landschwein von europäischer Abstammung ist.</p> - -<p>In den romanischen Ländern südlich der Alpen, vor allem in ganz -Italien, Spanien und Portugal, wird das schwach behaarte <em class="gesperrt">romanische -Schwein</em> von meist dunkler Farbe, mit kurzem Kopf, längerem Rüssel -als beim indischen Schwein und geradlinigem, breitem Rücken gezüchtet, -das ebenfalls neben asiatischem auch reichlich europäisches Blut -enthält. Noch mehr asiatisches als europäisches Blut besitzt das durch -seine krause Behaarung ausgezeichnete <em class="gesperrt">kraushaarige Schwein</em> von -dunkler Farbe mit kurzem Rumpf, kantigem Rücken und etwas spitzem -Gesicht, das hauptsächlich über Ungarn und die anstoßenden Balkanländer -verbreitet ist.</p> - -<p>Je mehr wir nun in Europa nach Norden gehen, um so reiner tritt das -europäische Blut auf. Diese Hausschweine europäischer Abstammung -besitzen statt des verhältnismäßig breiten, ebenen Rückens einen -erhöhten „Karpfenrücken“ infolge des seitlich zusammengedrückten -Rumpfes. Statt der breiten Brust besitzen sie eine flachrippige Brust. -Statt des in der Nasengegend eingesenkten Kopfes mit kurzem Rüssel -haben sie eine gestreckte, oft völlig wildschweinähnliche Schnauze. -Die Beine sind verhältnismäßig hoch. Es ist dies das <em class="gesperrt">europäische -Hausschwein</em>, von dem eine Unterart mit großen, hängenden Ohren -und schmälerer Stirn und eine solche mit kurzen aufrecht gestellten -Ohren und breiter Stirn unterschieden wird. In Norddeutschland und -Dänemark scheint ursprünglich das Torfschwein gefehlt zu haben und -nur das europäische Blut gehalten worden zu sein. Die prähistorischen -Knochenreste weisen auf eine durch kümmerliche Haltung sehr klein -gewordene Rasse hin. Überhaupt hat das Schwein im allgemeinen seit -seiner Überführung in den Haustierstand an Größe abgenommen, offenbar -deshalb, weil die freie Natur günstigere Entwicklungsbedingungen -darbietet als die Knechtschaft unter dem Menschen. Erst die moderne<span class="pagenum"><a id="Seite_155"></a>[S. 155]</span> -rationelle Tierzucht hat durch Darbietung besserer Lebensbedingungen -die Größe wieder zu steigern vermocht.</p> - -<p>Das der südostasiatischen Wildform noch am nächsten stehende, weil -immer wieder durch Kreuzung mit jener aufgefrischte <em class="gesperrt">asiatische -Hausschwein</em> kommt in mehr primitiven, meist sehr mastfähigen -Schlägen im ganzen östlichen Asien vor, so von der Mongolei durch -ganz China, Annam, Siam und Hinterindien bis zu den Sundainseln und -nach Neuguinea einerseits und Indien und Ostafrika andererseits. Es -ist das das weitaus wichtigste Zuchtgebiet zahmer Schweine, indem es -sowohl bei den mongolischen und malaiischen, wie auch den Papuastämmen -das bei weitem wertvollste und oft einzige Haustier neben dem Hunde -ist. Sein Fleisch und sein Fett sind für diese Stämme, soweit sie -nicht an der Küste leben und viel Seetiere genießen, die wichtigsten -animalischen Lebensmittel. Obenan steht das gewaltige China, wo die -Schweinezucht gegen 6000 Jahre alt ist. Dabei hat Nordchina eine -primitivere, meist schwarzgefärbte Rasse, während Südchina höher -gezüchtete Kulturschweine von meist weißer Farbe besitzt. Im Norden -ist die Haltung dieses Haustieres eine wenig sorgfältige. Hier leben -die Schweine ohne Schutz im Freien und sind selbst in dem recht rauhen -Winter aller Unbill der Witterung preisgegeben. Daraus erklärt sich das -Vorhandensein auffallend dichter und langer Behaarung als Wärmeschutz -der ursprünglich aus einem warmen Klima stammenden Tierart. Die überall -auf dem Lande gezüchteten Schweine werden meistens nach den Städten -verkauft, wo der Bedarf an Schweinefleisch ein sehr großer ist, indem -der wohlhabende Chinese nicht nur kein Opfer ohne dieses begeht, -sondern auch bei allen festlichen Gelegenheiten seine Familienglieder -und Freunde damit bewirtet.</p> - -<p>In der Mandschurei ist die Schweinezucht besonders in der mittleren -Provinz Kirin entwickelt. Dieselbe Rasse wird auch in den Amurländern -gehalten und geht bis nach Sibirien hinein. Doch tritt in letzterem -Lande die Schweinezucht schon aus klimatischen Gründen gegenüber der -Schafzucht zurück. Auffallenderweise besitzt Japan sehr wenig Schweine. -Die Zucht dieses Haustieres ist in jenem Lande stark vernachlässigt und -auf eine einzige Provinz, Kangoschima, beschränkt. Sehr blühend ist -sie dagegen in ganz Hinterindien, auf den Philippinen und Sundainseln, -wo überall das Schweinefleisch ein wichtiges Nahrungsmittel bildet. -In Neuguinea ist das Schwein neben dem Hund das einzige Haustier, das -überall in der Umgebung der Dörfer ziemlich<span class="pagenum"><a id="Seite_156"></a>[S. 156]</span> frei gehalten wird, so -daß es vielfach verwildert ist. Seine Nahrung besteht hier vorwiegend -in Taroknollen. Auch Indien hat vorwiegend dunkelgefärbte Schweine, -die in Schläge mit kurzen, aufrechtstehenden und in solche mit großen, -herabhängenden Ohren zerfallen.</p> - -<p>Im ganzen mittleren und westlichen Asien ist, soweit der Islam -vordrang, das Schwein als unrein verpönt und deshalb die einst auch -hier im Altertum betriebene Schweinezucht verdrängt worden. Hier ist -an seiner Stelle überall das Schaf, das von dem Fluche Muhammeds nicht -getroffen wurde, der Lieferant von tierischem Fett und Fleisch. Wie -die Ostasiaten und Malaien Schweinefleisch zu ihrem Reis essen — nach -der nicht unwahrscheinlichen Sage soll Buddha an einer Überladung des -Magens mit Schweinebraten seinen Tod geholt haben — so genießen die -Westasiaten Hammelfleisch zu ihrem Palaw genannten Reisgericht. Aber -das war im Altertum noch nicht so. Um die Zeit der Entstehung des -Christentums war das Schwein noch nicht aus Westasien verschwunden. Das -beweist die bekannte Legende von den Schweinen der Gaddarener, in die -die unreinen Geister fuhren. Immerhin haben die Semiten im allgemeinen, -nicht nur die Juden, die solchen Abscheu wie so manches andere aus -der Zeit ihrer Gefangenschaft in Ägypten hätten entlehnen können, das -Schwein als unrein verpönt. Und diese Ächtung des Schweins hat in der -Folge auch die aus dem Orient zu den Griechen und Römern gekommenen -Kulte begleitet. So wurden der aus der semitischen Ischtar-Astarte -hervorgegangenen Aphrodite auch in Griechenland keine Schweine -geopfert, so wenig als der jener entsprechenden Venus in Rom.</p> - -<p>Wie sehr die Muhammedaner das Schwein scheuen, geht aus der drolligen -Geschichte hervor, die der, um ungefährdet im Orient reisen und -selbst die allen Ungläubigen streng verbotenen heiligen Stätten in -Mekka und Medina besuchen zu können, zum Islam übergetretene Baseler -Burckhardt (Scheik Ibrahim) in seinem Buche: Reisen in Arabien (Weimar -1830) erzählt. In Dschidda, der Hafenstadt Mekkas, war — wohl einem -christlichen Schiffer entlaufen — ein Schwein ans Land gekommen -und führte in der Nähe des Marktes ein freudenvolles Dasein, weil -die Marktleute lieber ihre Waren im Stiche ließen und sie dem Tiere -Satans preisgaben, als sich durch die Berührung mit demselben zu -verunreinigen. Alle ihre Flüche und Drohungen störten natürlich das -biedere Borstentier sehr wenig. Im ganzen Gebiete des Islam dürfen -auch die Christen nur ausnahmsweise Schweine halten. So ziehen die -Armenier in der Türkei und in Persien gern wild<span class="pagenum"><a id="Seite_157"></a>[S. 157]</span>gefangene Frischlinge -auf, um sie fett werden zu lassen und dann zu schlachten und zu -verspeisen. Nur in den Marställen der Großen wird, um die „böse Luft“, -alle Verhexung und etwaige Krankheitserreger in seinen unreinen Leib -abzuleiten, gern ein Schwein gehalten, wie noch vor gar nicht langer -Zeit bei den Christen für solche Zwecke ein Ziegenbock gehalten wurde. -Letzteres ist eine Reminiszenz an den Ziegenbock der Israeliten, der -am Versöhnungstage mit allen Sünden des Volkes beladen in die Wüste -getrieben und sich selbst überlassen wurde. Daher stammt unsere -Bezeichnung Sündenbock.</p> - -<p>Welch seltsame Form das Bewußtsein der eigenen Größe annehmen kann, -schreibt Ed. Hahn in seinem Buche über die Haustiere und ihre -Beziehungen zur Wirtschaft des Menschen (Leipzig 1896), beweist, daß -die Venezianer am Ausgang des 15. Jahrhunderts eine ansehnliche Summe -dafür ausgaben, daß sie in ihrer Faktorei in Alexandrien ein Schwein -halten durften; einmal ärgerten sie damit die Ungläubigen, allerdings -für ihr gutes Geld, und dann bewiesen sie den andern Christen ihre -ungeheure Überlegenheit durch diesen sonderbaren Vertreter des Löwen -von San Marco.</p> - -<p>In Ägypten wird heute das Schwein nur von den christlichen Kopten -gehalten. In ganz Nordafrika befaßt sich natürlich auch nur das -christliche Element mit dessen Zucht. In den oberen Nilländern wurde -es von den Negern übernommen; besonders in Sennar halten es die -Eingeborenen, um dessen wohlschmeckendes Fleisch zu essen. In Ostafrika -fehlt es natürlich im mohammedanischen Somaliland vollständig, -dagegen trifft man Schweine indischer Abstammung in Mozambique. Auch -auf Madagaskar wurde es offenbar unter dem Einfluß der Araber an -der Westküste verdrängt; so züchten es die Sakalaven nicht. Dagegen -findet man im Innern der Insel, im Gebiet der Howas, eine kleine, -schwarze Rasse. Auf den Maskarenen und auf der Insel Réunion ist die -Schweinezucht auf die bergigen Gegenden beschränkt. In ganz Inner- -und Westafrika ist das Schwein nur selten anzutreffen, außer in den -Küstengegenden von Angola, wo es von den Portugiesen eingeführt wurde. -In Natal wurde es 1825 eingebürgert.</p> - -<p>In Europa hat das Schwein nur in ganz kleinen Bezirken, wo einst -Mohammedaner herrschten, an Wichtigkeit verloren, so in Griechenland. -In Italien, Südfrankreich und Nordspanien ist es im Gebiet der -Eichen- und Kastanienwälder das wichtigste Nutztier des Menschen; -ebenso in Sardinien und Sizilien. Eine erhebliche Schweinezucht weist -Mittelitalien auf, dann Spanien in der Estramadura, verschiedene -Pro<span class="pagenum"><a id="Seite_158"></a>[S. 158]</span>vinzen Portugals und Südwestfrankreich im Gebiete der Garonne. Die -wichtigsten Produktionsländer für Schweine, welche davon stark nach -Westeuropa exportieren, sind Serbien und Ungarn. In Süddeutschland -findet man die intensivste Zucht in Bayern; dort wird die große -wildschweinähnliche, in der vordern Körperhälfte weiße, in der -hintern dagegen meist rote Landrasse noch in starker Verbreitung -angetroffen. In Deutschland sind die nordischen Marschen relativ arm -an Hausschweinen, reicher dagegen Westfalen, Hannover, Braunschweig, -Thüringen und Sachsen. Meist sind in Deutschland wie in der Schweiz, -in Belgien, Holland und Nordeuropa die einheimischen Rassen durch -hochgezüchtete englische Rassen verdrängt worden. Nachdem nämlich schon -um 1740 durch die schwedisch-ostindische Gesellschaft Mastschweine -besonderer Güte aus Südchina zur Hebung des einheimischen Schweins -durch Kreuzung nach Schweden eingeführt worden waren, nahm die -englisch-ostindische Gesellschaft zu Beginn des vorigen Jahrhunderts -diese Bestrebungen im großen Maßstabe auf. So wurden in England durch -Kreuzung mit hochgezüchteten chinesischen Rassen die weltberühmten -edlen Schläge gezüchtet, welche später in allen Kulturländern -eingeführt wurden und hier nach und nach die weniger leistungsfähigen -einheimischen Schläge verdrängten. Damit hat das asiatische Schwein -einen vollständigen Sieg über die Hausschweine europäischen Blutes -erlangt. Die wichtigsten Schläge desselben werden als Yorkshire, -Berkshire, Suffolk und Leicester bezeichnet, lassen aber keine scharfe -Grenze zwischen sich ziehen. Der Körperumriß nähert sich bei ihnen -einem Rechteck, die Beine sind fein gebaut und kurz. Das Gesicht -ist extrem verkürzt und die Gegend zwischen Nase und Stirn stark -eingeknickt. Es gibt kurz- und langohrige, kleine und große Schläge. -Die Färbung kann schwarz, rotgelb, weiß oder bunt sein. Die größte -Schweinezucht weist Yorkshire und Westmoreland auf. Auch Irland besitzt -große Zuchten, weniger dagegen Schottland. Außer nach Belgien, das -besonders in der Provinz Lüttich englisches Blut züchtet, kam dieses -besonders nach Nordamerika, wo seine Zucht heute eine der wichtigsten -nationalen Industrien der Vereinigten Staaten bildet. Dort kamen ihm -zunächst die zahlreichen Nüsse und Eicheln des Waldes zugute, während -jetzt der größte Teil der Schweine des Westens mit Mais gefüttert wird. -Welchen Umfang die Schweinezucht in den Staaten der Union angenommen -hat, beweist am besten die Tatsache, daß die Zahl der Schweine, die im -Jahre 1860 etwa 30 Millionen betrug, sich heute mehr als verdoppelt -hat. Nach H. Moos wird die<span class="pagenum"><a id="Seite_159"></a>[S. 159]</span> Zucht überall nach demselben Muster -betrieben. Es werden vorwiegend schwarze, frühreife Schläge gehalten; -unter ihnen ist am verbreitetsten das Poland-Chinaschwein und nachher -die Berkshirerasse. Das Zuchtmaterial wird sorgfältig ausgewählt. Meist -werden junge Tiere im Alter von 7–10 Monaten im Gewicht von 90–140 -<span class="antiqua">kg</span> geschlachtet, nachdem sie außer Mais besonders auch Klee -erhielten. Die größten Schlächtereien besitzt Chicago.</p> - -<p>Mehr nach dem Süden zu tritt die Schweinezucht in Amerika in den -Hintergrund. Schon in Mexiko ist sie sehr gering und in Südamerika nur -in Brasilien da von erheblicher Bedeutung, wo deutsche Ansiedlungen -sich befinden. In Argentinien ist sie seit längerer Zeit stark im -Niedergang begriffen. Einige Zeit hindurch hatte eine ziemlich rege -Ausfuhr von dort nach Brasilien bestanden; sie hörte dann bald auf. Es -fehlt eben jenem Gebiet an einem rationellen Betrieb der Schweinezucht, -ohne den die Konkurrenz mit Amerika nicht aufzunehmen ist. Übrigens -gelangte das Hausschwein spanischer Rasse schon 1493 durch Kolumbus -auf die Antillen und verbreitete sich von da mit der spanischen -Kolonisation nach dem amerikanischen Festlande, wo es noch heute -vielfach angetroffen wird.</p> - -<p>Australien, das erst im 18. Jahrhundert das Hausschwein durch die -Engländer eingeführt erhielt, besitzt heute sehr gute englische Rassen, -vor allem die Berkshires, welche vortrefflich gedeihen und zu einer -ausgedehnten Zucht Veranlassung gaben. Da im Lande selbst der Konsum -an Schweinefleisch nicht sehr groß ist, werden die Produkte meist zum -Export gebracht. Neuseeland besitzt ziemlich starke Zuchten, so daß -auch jenes Land schon eine ausgedehnte Ausfuhr von Schweinefleisch nach -Europa betreibt.</p> - -<p>Der neueste Import aus Japan ist das <em class="gesperrt">Maskenschwein</em>, das 1861 -durch den Tierhändler Jamrach, den Konkurrenten von Hagenbeck, in -zoologischen Gärten Deutschlands eingeführt wurde. Es steht dem -chinesischen Hausschwein nahe, besitzt aber auffallend große Ohren und -durch starke Verkürzung des Oberkiefers ein faltiges Gesicht, daher -sein Name. Es ist aber nicht japanischen, sondern indischen Ursprungs, -und zwar eine besondere Art des großohrigen, indischen Schweins.</p> - -<p>Da das Hausschwein bei Völkern auf primitiver Kulturstufe ein -halbwildes Leben führt, ist es kein Wunder, daß es sich öfter -der Aufsicht des Menschen entzieht und völlig verwildert. Solche -verwilderte Hausschweine sind in Süd- und Ostasien nichts seltenes und -lassen sich<span class="pagenum"><a id="Seite_160"></a>[S. 160]</span> auf den verschiedensten Gebieten der Erde, besonders auf -Inseln, wo sie keine größeren Feinde haben, nachweisen. Dabei nehmen -sie schon nach wenigen Generationen ganz oder teilweise das Aussehen -der wilden Stammform an. In Europa kommen verwilderte Hausschweine auf -Sardinien und den Kykladen vor; weiter finden sich solche im oberen -Nilgebiet, auf den Kanaren, Tristan da Cunha, Réunion und St. Helena. -Auf letzterer Insel gab es nach Cavendish schon 1588 welche; Tavernier -traf deren noch 1649 an. Neben den vielen verwilderten Ziegen trugen -sie wesentlich dazu bei, den jung aufsprossenden Wald zu zerstören. Auf -Jamaika, St. Domingo, St. Thomas und anderen westindischen Inseln gibt -es solche, wahrscheinlich aus den Resten der spanischen Kolonisation -herrührend. Auch in Venezuela, Brasilien, Paraguay und Peru gibt es -verwilderte Schweine verschiedener Art, teils schwarze mit stehenden -Ohren, teils heller gefärbte mit den Hängeohren ihrer chinesischen -Vorfahren. Auf den Bermudas, den Galapagos, den Andamanen, Nikobaren -und zahlreichen Inseln Melanesiens, Mikronesiens und Polynesiens sind -ebenfalls verwilderte Hausschweine anzutreffen. Auf Neuseeland gibt -es solche, die die konkave Form des Gesichts ihrer chinesischen Ahnen -beibehielten.</p> - -<p>Schwein und Huhn sind die einzigen Tiere, bei denen die Operation der -Kastration zur Mast in größerem Umfang auch beim weiblichen Geschlecht -vorgenommen wird. Im Altertum begnügte man sich, wie Columella -berichtet, in solchen Fällen zur Verhinderung einer Befruchtung -die Scheide narbig zu verschließen; erst im Mittelalter wurde die -Beseitigung der Eierstöcke vorgenommen. Solche Tiere nannte man dann -Nonnen. Ein solcher Schweineschneider in Ungarn war es, der es als -erster wagte, bei seiner Tochter, die nicht auf natürlichem Wege -niederzukommen vermochte, den Kaiserschnitt durch Eröffnung des Bauches -und der Gebärmutter vorzunehmen. Dabei rettete er Mutter und Kind das -Leben. Erst hernach haben dann die Ärzte diese Operation vorzunehmen -gewagt.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_161"></a>[S. 161]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="VI_Der_Esel">VI. Der Esel.</h2> - -</div> - -<p>Weit früher als das Pferd hat sich der Mensch den Esel gezähmt, nicht -um sein Fleisch oder seine Milch oder sein Haarkleid zu benutzen, -sondern um ihn als Transporttier zu verwenden. Als das Rind schon -längst Haustier geworden war und an den Pflug, wie auch an den Wagen -gespannt wurde, kam man noch nicht auf den Gedanken, auf ihm Lasten -fortzubewegen. Dazu diente im ältesten Ägypten der Esel, der allerdings -ausschließlich als Last- und noch nicht als Zugtier benutzt wurde. -Außer den Lasten transportierte man auch die unbehilflichen Mitglieder -der Familie, wie etwa Weiber und Kinder, auf dem Esel, den der Mann -dann führte. Er selbst bestieg ihn nicht, um als Reiter mit größerer -Geschwindigkeit das Land zu durchstreifen. Dies geschah erst, als -der vornehmere und anspruchsvollere Vetter des Esels, das Pferd, vom -Menschen domestiziert wurde und dann freilich seinem bescheidenem -Verwandten den Rang ablief und weit ausgedehntere Verbreitung fand. -Aber im hamitisch-semitischen Kulturkreis ist der Esel bis heute in -hoher Wertschätzung geblieben; nur in Südeuropa, wo er sich ebenfalls -stark einbürgerte, sank er zum verachteten und mißhandelten Geschöpf -herab, dem man seine sprichwörtliche Starrköpfigkeit als Dummheit -auslegt.</p> - -<p>Die ältesten Spuren zahmer Esel, die uns bis heute bekannt geworden -sind, lassen sich im Niltal nachweisen und reichen dort bis in die -urägyptische Zeit, die um die Mitte des vierten Jahrtausends v. -Chr. zu setzende Negadaperiode, zurück. So besitzen wir auf einer -bereits früher erwähnten Schieferplatte des Museums in Giseh aus -der Negadazeit, die de Morgan zuerst veröffentlichte, treffliche -Abbildungen des Esels. Er ist dort in einer ganzen Reihe von -Tieren mit großen, aufrechtstehenden Ohren neben dem Hausrind von -Bantengabstammung und dem Hausschaf von Mähnenschafdescendenz -dargestellt in der Form des gewöhnlichen Hausesels mit schwarzem -Schulterkreuz, das<span class="pagenum"><a id="Seite_162"></a>[S. 162]</span> auf allen Figuren deutlich erkennbar ist. -Schon während des Alten Reichs in der ersten Hälfte des dritten -vorchristlichen Jahrtausends war die Zucht des Esels in Ägypten -eine stark ausgedehnte. Im Grabe des Chafra ank in Giseh aus der 4. -Dynastie (2930–2750 v. Chr.), der Zeit der großen Pyramidenerbauer, -eines hohen Würdenträgers unter der Regierung des Chefren, berichtet -ein Oberschreiber seinem Herrn, er besitze einen Viehstand von nicht -weniger als 5023 Stück, darunter 760 Esel. In anderen Gräbern derselben -Periode wird, vermutlich mit etwas Übertreibung, gemeldet, daß die -Besitzer über mehr als tausend, ja Tausende von Eseln verfügten.</p> - -<p>Zur Zeit der ältesten Dynastien wird der Esel häufig auf den -Grabwänden dargestellt, da sich das bürgerliche Leben ohne ihn gar -nicht vorstellen ließ. Er wurde ausschließlich als Lasttier, daneben -etwa noch wie Schafe und Rinder zum Dreschen auf der Tenne, d. h. -zum Austreten der Körner der Feldfrüchte mit den Hufen verwendet. -Doch diente er daneben bereits als Reittier, doch nicht in der Weise, -daß sich die Ägypter auf seinen Rücken setzten, sondern so, daß ein -Reitsessel zwischen zwei Eseln befestigt wurde, um darin die über -Land reisende vornehme Person aufzunehmen. Erst als zur Zeit des -Neuen Reiches (um 1580 v. Chr.) infolge der regen Beziehungen mit -den Völkern Vorderasiens das Pferd als wertvolles Kriegsinstrument, -das den Schlachtwagen zog, nach dem Nillande kam und hier unter den -kriegerischen Pharaonen der 18. und 19. Dynastie in Menge gezüchtet -wurde, trat der Esel gegenüber dieser neuen Erwerbung etwas in -den Hintergrund, um allerdings später wieder seine Vorherrschaft -anzutreten, die er in jenem Lande bis heute zu behaupten vermochte.</p> - -<p>Woher bezogen nun die vorpharaonischen Ägypter der Negadaperiode -den Hausesel? Zweifellos aus Nubien, wo der ostafrikanische -<em class="gesperrt">Steppenesel</em> (<span class="antiqua">Asinus taeniopus</span>) von hamitischen -Volksstämmen, wahrscheinlich den Vorfahren der heutigen Galla, -gezähmt und damit in den Haustierstand übergeführt worden war. Der -Steppenesel findet sich heute noch in den Steppen Obernubiens, am -häufigsten in den Ebenen von Barka und um den Atbara, den Hauptzufluß -des Nils. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich aber bis an die Küste -des Roten Meeres. Wie bei allen Steppentieren ist Geselligkeit ein -Grundzug seines Wesens. Das ausnehmend scheue und vorsichtige Tier -lebt in kleinen Rudeln, wobei eine Herde von 10–15 Stuten von einem -Hengst geführt, bewacht und verteidigt wird. Als Mittelglied zwischen -seinen streifenlosen, asiatischen Verwandten und den afrikanischen -Tigerpferden sind<span class="pagenum"><a id="Seite_163"></a>[S. 163]</span> seine Füße leicht — von unten nach oben in -abnehmender Stärke — gestreift und zieht sich dem Rücken entlang -vom Schwanz bis zur Schulter ein schwarzes Band, das sich hier in -zwei gegen die Seitenbuge hin verlaufende Arme teilt. Es ist dies das -vorgenannte Rückenkreuz, das sich bei seinen gezähmten Nachkommen noch -teilweise erhielt. Außerordentlich stark ausgesprochen war es noch nach -der Abbildung bei den Hauseseln der Negadazeit, die also dem Stammvater -noch hochgradig ähnlich gesehen haben müssen, ja, kaum von ihm -abwichen, was also eine sehr junge Zucht bedeutet. Diese Negadahausesel -haben auch die typische Kopfbildung und die aufrechtgestellten, großen -Ohren des ostafrikanischen Steppenesels, von dem wildeingefangene Tiere -bis auf den heutigen Tag je und je zur Veredlung der Eselzucht in ihrer -Heimat verwendet werden. Wie vermutlich schon die alten Ägypter gaben -die alten Römer große Summen für diese Veredelung aus, was die Araber -jetzt noch tun. Deshalb haben sie auch ein so edles Eselmaterial, -demgegenüber unser durch Inzucht und Vernachlässigung herabgekommenes -Eselmaterial keinen Vergleich aushält.</p> - -<p>Vom Niltal her wurden schon sehr früh die Juden und übrigen Semiten -Vorderasiens mit dem Hausesel bekannt, der, wie in Ägypten, so auch -bei ihnen eine sehr geachtete Stellung einnahm. Er diente auch -hier zum Tragen von Lasten aller Art. So sehen wir auf einer der -Wandmalereien des Grabes von Num hotep in Beni Hassan unter einem der -ersten Könige der 12. Dynastie (2000–1788 v. Chr.) die Einwanderung -eines semitischen Stammes von Hirten in das Land Gosen am Delta. Diese -Nomaden werden darauf als Aamu bezeichnet und wandern mit ihren Herden -nach Unterägypten ein, als einzige Lasttiere Esel mit großen Ohren -mit sich führend, auf denen sie alle ihre Habe und die kleinen, des -Gehens unfähigen Kinder aufgeladen haben. Überall im Alten Testament -ist an Stelle des Pferdes der Esel der treue Begleiter des Vieh -hütenden Nomaden. Von den Zeiten Abrahams an war es der Stolz des -Oberhauptes der Familie, zahlreiche Esel neben den Schafen und Rindern -zu besitzen, und später, als dies aufkam, alle seine Söhne auf Eseln -beritten zu sehen. Nach demselben Grundsatze, an dem heute noch der -Japaner speziell in bezug auf das pflügende Rind streng festhält, -sollte das Arbeitstier nicht zugleich auch zur Nahrung dienen. Deshalb -enthielten sich die Juden ausdrücklich des Fleisches vom Esel, was -ursprünglich nicht alle semitischen Stämme getan zu haben scheinen. -Ja, wahrscheinlich haben auch die vorpharaonischen Bewohner Ägyptens -gelegentlich den zahmen<span class="pagenum"><a id="Seite_164"></a>[S. 164]</span> Esel geschlachtet und als willkommene Speise -verwendet. Aber die Juden enthielten sich nicht nur des Schlachtens von -Eseln, sondern lösten sogar nach dem Gesetz die dem Tode verfallene -Erstgeburt desselben wie diejenige des Menschen durch das Opfern eines -Schafes ab.</p> - -<p>Über Syrien und Kleinasien kam der Hausesel zu Beginn des letzten -vorchristlichen Jahrtausends in die Balkanhalbinsel, wo er vermutlich -<span class="antiqua">asnas</span> hieß, und von da zuerst zu den Griechen als <span class="antiqua">ónos</span> -und später auch als <span class="antiqua">asinus</span> zu den Römern. In der homerischen -Zeit, da Viehzucht und Ackerbau vorherrschten, war der Esel noch -nicht das gebräuchliche Lasttier, sondern ein durch seine Seltenheit -wertvolles Zuchttier, das zur Gewinnung der damals schon geschätzten -Maultiere diente. Nur an einer zweifellos später eingeschobenen Stelle -der Ilias wird er in einem Gleichnisse erwähnt. In der ältesten, sich -an Homer anschließenden griechischen Lyrik wird er als Zuchttier -erwähnt, das viel zu kostbar war, um der Feld- und Hausarbeit zu -dienen. In einem Fragmente des Lyrikers Archilochos von Paros (um 700 -v. Chr.) wird von einem Menschen gesagt, daß ihm das Glied anschwoll, -wie das des mit Korn gefütterten Zuchtesels aus Priene (einer Stadt -der kleinasiatischen Küste nördlich von Milet). Auch Simonides von -Amorgos, der jüngere Zeitgenosse des Archilochos, kennt den Esel nur -als Zuchttier und legt in einem Gedicht einigen Weibern dessen Art bei, -die träge, gefräßig und geil sei. Erst der Dichter Tyrtaios aus Attika -um 684 v. Chr. spricht vom Esel als Lasttier, das die Kornfrucht vom -Acker nach Hause tragen müsse.</p> - -<p>Im Gegensatz zu dem als Beschäler der Pferdestute gehaltenen -Eselhengst war bei den ältesten Griechen das von einem solchen mit -einer Pferdestute erzeugte <em class="gesperrt">Maultier</em> als <span class="antiqua">hemíonos</span>, -d. h. Halbesel, oder <span class="antiqua">oreús</span>, d. h. Bergtier, das eigentliche -Arbeitstier, sowohl bei der Feldbestellung als im Geschirr vor -dem Wagen und beim Schleppen von Lasten; deshalb wird es gern als -vielduldend und mühselig bezeichnet. Schon weil es stärker war als -der Esel wurde es diesem vorgezogen, wie Theognis (der um 560 v. Chr. -lebende Dichter aus Megara) ausdrücklich bezeugt. Nach Homer stammte -das Maultier von den Enetern, einem paphlagonischen Volke aus dem -pontischen, d. h. gegen das Schwarze Meere zu gelegenen Kleinasien, -her. An einer andern Stelle der Ilias hatten die Bewohner von Mysien -dem König Priamos von Ilion Maultiere geschenkt nach dem 24. Buche, -Vers 277:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">„Schirrten die Maultiere an, starkhufige, kräftig zur Arbeit,</div> - <div class="verse indent0">Welche die Myser dem Greise verehrt als edle Geschenke.“</div> - </div> -</div> -</div> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_165"></a>[S. 165]</span></p> -<p>In einem Fragment des jonischen Dichters Anakreon (550–478 v. Chr.) -werden die Myser geradezu als Erfinder der Maultierzucht durch Kreuzung -von Eselhengsten mit Pferdestuten bezeichnet. Schon im Alten Testament -bei Ezechiel (596 v. Chr.) wird die Landschaft Thogarma, d. h. Armenien -oder Kappadozien als diejenige bezeichnet, die die besten Maulesel -lieferte. Den Israeliten selbst verbot das Gesetz diese Zucht. Noch -später hören wir mehrfach, so bei Aristoteles, Plutarch und Plinius, -die Maultiere Kappadoziens und Galatiens als besonders edle Zucht -rühmen; von den ersteren wird berichtet, sie seien fruchtbar, also -unter besonders günstige Naturverhältnisse gestellt.</p> - -<p>Merkwürdig ist bei dieser Wertschätzung des Maultiers als Ersatz des -Esels, daß, vielleicht durch semitische Anschauungen beeinflußt, seit -der mythischen Zeit in Elis im Peloponnes das Verbot bestand, Maultiere -im Lande selbst zu erzeugen. So soll der König von Pisa in Elis, -Oinomaos, der Sohn des Meergottes Poseidon und Vater der Hippodameia, -deren Freier er hinterlistig beim Wettfahren tötete, bis er von -Pelops durch List überwunden wurde, einen Fluch über diese Zeugung -ausgesprochen haben, und seither brachten die Eleer ihre Stuten außer -Landes, um sie dort von Eseln belegen zu lassen, wie uns Herodot und -Pausanias gleicherweise bezeugen. Vielleicht, meint V. Hehn, war in -diesem elischen Brauch nur die durch Religion festgehaltene Anschauung -der ältesten Zeit aufbewahrt, da es in Griechenland keine anderen als -vom Orient eingeführte Maultiere gab und das Volksgefühl sich gegen -solche widernatürliche Mischung noch sträubte. Auch in Homers Odyssee -wird vom Bewohner Ithakas Naëmon gesagt, er besitze in dem weidereichen -Elis zwölf Stuten mit den dazu gehörigen Maultierfüllen. Von einem -Eselhengste aber ist dort nirgends die Rede. Gemäß der Bedeutung des -Wortes <span class="antiqua">oreús</span>, d. h. Bergtier für Maultier, wird in der Ilias -an einer Stelle geschildert, wie das Maultier mühsam Balken und -Schiffsbauholz aus den Bergen hinabgeschleppt habe, an einer andern, -wie die Männer mit Äxten, Seilen und Maultieren in das bewaldete -Idagebirge hinaufziehen, um Holz für den Scheiterhaufen von Achills -Freund Patroklos zu holen; wie dann nach dem Fällen und Zerkleinern der -Bäume die Last den Maultieren aufgebunden wird, die sie dann stampfend -in die Ebene hinabtragen.</p> - -<p>Dieselbe Wertschätzung des Maultiers wie bei den Griechen finden wir -auch bei den Römern. So sagt beispielsweise der ältere Plinius in -seiner Naturgeschichte: „Das Maultier (<span class="antiqua">mulus</span>) ist zur Arbeit -ganz<span class="pagenum"><a id="Seite_166"></a>[S. 166]</span> ausgezeichnet gut.“ Daneben waren aber auch die Esel in hoher -Achtung; denn derselbe Autor sagt an einer anderen Stelle von diesem -Tiere: „Der Gewinn, welchen man aus Eseln zieht, übertrifft den der -fruchtbarsten Landgüter.“ Des Plinius Zeitgenosse Columella sagt -rühmend von ihm: „Der gemeine Esel (<span class="antiqua">asellus</span>) ist mit geringem -Futter, wie Blättern, Dornen, Zweigen, Spreu usw. zufrieden, braucht -auch nur geringe Pflege, hält Prügel und Mangel aus, wird selten krank -und erträgt die Arbeit leicht. Auf dem Lande ist er ganz unentbehrlich, -weil er die Mühle treiben und allerlei Gegenstände in die Stadt und von -da zurücktragen muß.“</p> - -<p>Hundert Jahre vor diesen beiden schreibt der gelehrte Varro: „Was -die zahmen Esel betrifft, so werden in Griechenland die arkadischen -sehr geschätzt, in Italien dagegen die von Reate, und ich weiß einen -Fall, wo ein solcher mit 60000 Sesterzien (= 9000 Mark) bezahlt wurde -und in Rom ein Viergespann von Eseln mit 400000 Sesterzien (= 60000 -Mark).“ Weiter meint er: „Der Wildesel, der herdenweise in Phrygien und -Lykaonien lebt — offenbar ist hier vom später zu besprechenden Onager -die Rede, dessen Verbreitungsgebiet sich damals westlich noch bis dort -erstreckt zu haben scheint — kann man leicht zähmen, den zahmen Esel -aber nicht in einen wilden umschaffen. Man braucht den Wildesel gern -zur Zucht. Das Junge des zahmen Esels läßt man im ersten Jahre ganz -bei seiner Mutter, im zweiten nur bei Nacht, jedoch so, daß beide -angebunden sind; im dritten wird es zu seiner Arbeit dressiert. Die -meisten werden gebraucht, um die Mühle zu drehen, oder zum Tragen und -Fahren, in leichtem Boden auch zum Pflügen. Kaufleute halten auch ganze -Herden, um Öl, Wein, Getreide usw. zu transportieren.“ Jung wurden -sie auch verspeist. So schreibt Plinius in seiner Naturgeschichte, -Maecenas, der reiche Freund des Kaisers Augustus, habe die Mode -aufgebracht, junge Esel zu essen. Derselbe Autor berichtet: „Die -Eselsmilch soll die Haut weiß machen; deshalb führte Poppaea, die -Gemahlin Neros, immer 500 milchende Eselinnen mit sich und badete in -deren Milch.“</p> - -<p>Seit dem Altertum hat sich der Esel als wichtigstes Arbeitstier -überall in den Mittelmeerländern unentbehrlich gemacht, ist aber durch -schlechte Haltung immer kleiner und unansehnlicher geworden. Dabei -hat er eine mattere, aschgraue Farbe und schlaffere Ohren bekommen. -Oken sagt von ihm: „Der zahme Esel ist durch die lange Mißhandlung so -sehr heruntergekommen, daß er seinen Stammeltern fast gar<span class="pagenum"><a id="Seite_167"></a>[S. 167]</span> nicht mehr -gleicht. Der Mut hat sich bei ihm in Widerspenstigkeit verwandelt, die -Hurtigkeit in Langsamkeit, die Lebhaftigkeit in Trägheit, die Klugheit -in Dummheit, die Liebe zur Freiheit in Geduld, der Mut in Ertragung der -Prügel.“ Tatsächlich ist an diesem treuen Arbeitstiere des Menschen -im Laufe der Jahrhunderte unsäglich viel gesündigt worden, daher sein -widerstrebender, eigensinniger Charakter!</p> - -<p>Gemäß seiner Herkunft aus einer heißen Steppe fühlt er sich um so -wohler, je wärmer und trockener das Land ist. Feuchtigkeit und Kälte -verträgt er viel weniger als das hierin weniger empfindliche Pferd. -Schon Plinius sagt: „Kälte kann dieses Tier (der Esel) nicht gut -vertragen.“ In bezug auf Futter ist er durchaus nicht wählerisch und -begnügt sich mit sehr geringen Mengen davon. Brehm sagt von ihm: -„Gras und Heu, welches eine wohlerzogene Kuh mit Abscheu verratendem -Schnauben liegen läßt und das Pferd unwillig verschmäht, sind ihm -noch Leckerbissen: er nimmt selbst mit Disteln, dornigen Sträuchern -und Kräutern vorlieb. Bloß in der Wahl des Getränkes ist er sorgsam, -denn er rührt kein Wasser an, welches trübe ist; salzig, brackig -<em class="gesperrt">darf</em>, rein <em class="gesperrt">muß</em> es sein. In Wüsten hat man oft sehr große -Not mit dem Esel, weil er, alles Durstes ungeachtet, nicht von dem -trüben Schlauchwasser trinken will.“</p> - -<div class="figcenter illowe22_1875" id="bild23" > - <img class="w100" src="images/bild23.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 23. Altdeutscher Mülleresel.<br /> - (Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann.)</div> -</div> - -<p>Die Paarungszeit des Esels fällt in die letzten Frühlings- und ersten -Sommermonate. Etwa 11 Monate nach der Paarung wirft die Eselin ein -— höchst selten zwei — vollkommen ausgebildetes, sehendes Junges, -das sie mit großer Zärtlichkeit ableckt und das ihr sofort zu folgen -vermag. Schon eine halbe Stunde nach der Geburt bietet ihm seine Mutter -das Euter dar, das ihm die nächste Nahrung spendet.<span class="pagenum"><a id="Seite_168"></a>[S. 168]</span> Nach 5–6 Monaten -kann das Eselsfüllen entwöhnt werden, folgt aber noch lange seiner -Mutter auf allen Wegen nach. Es ist ein überaus munteres, lebhaftes -Tier, das die possierlichsten Sprünge ausführt. Schon im zweiten Jahre -ist es erwachsen; aber erst im dritten Jahre erreicht es seine volle -Kraft, um selbst bei harter Arbeit ein Alter von über 30 Jahren zu -erreichen.</p> - -<p>Im Volksleben Mitteleuropas spielte der Esel nur als Mülleresel, der -die Säcke nach und von der Mühle trug, eine beschränkte Rolle und -wurde nie das volkstümliche Haustier wie in Südeuropa oder gar im -Orient. Er kam einst im Mittelalter vorzugsweise durch die Mönchsorden -nach Deutschland in die Klöster, um hier als Lasttier verwendet zu -werden. So erlaubte z. B. Herzog Konrad I. von Urach 1263 -den Franziskanern in Freiburg im Breisgau „mit drei Eseln aus dem -Herzogenwald Holz zu holen.“ Aus den Klöstern ging er dann später -teilweise zu den Laien über. Aber im allgemeinen kam er im Laufe der -Zeit als schlecht gefüttertes und fast ungepflegtes Arbeitstier des -kleinen, armen Mannes zu einem blöden Jammerwesen herunter und wurde so -für den Volksmund zum sprichwörtlichen Vertreter der Dummheit. Nicht -viel besser erging es dem Esel in den Mittelmeerländern, obwohl er -dort viel zahlreicher gehalten wird und zum geradezu unentbehrlichen -Gehilfen des Menschen, speziell des Gartenbauers, wurde. Auch hier -ist das Leben des armen „Packesels“ eine Kette von Anstrengungen, -Leiden und Entbehrungen gepaart mit zahlreichen Mißhandlungen. Erst im -Morgenlande sehen wir aus diesem Proletarier unter den Haustieren des -Abendlandes einen mit weit größerer Sorgfalt als bei uns behandelten -Diener und Genossen des Menschen werden, der es sogar zu einigem Adel -der äußeren Erscheinung, wie des Charakters bringt. Brehm schreibt in -seinem bekannten Tierleben: „Der nordische Esel ist, wie allbekannt, -ein träger, eigensinniger, oft störrischer Gesell, welcher allgemein, -wenn auch mit Unrecht, als Sinnbild der Einfalt und Dummheit gilt, der -südliche Esel dagegen, zumal der ägyptische, ein schönes, lebendiges, -außerordentlich fleißiges und ausdauerndes Geschöpf, welches in seinen -Leistungen gar nicht weit hinter dem Pferde zurücksteht, ja es in -mancher Hinsicht noch übertrifft. Ihn behandelt man auch mit weit -größerer Sorgfalt als den unsrigen. In vielen Gegenden des Morgenlandes -hält man die besten Rassen so rein wie die des edelsten Pferdes, -füttert die Tiere sehr gut, plagt sie in der Jugend nicht so viel und -kann deshalb von den erwachsenen Dienste verlangen, welche unser<span class="pagenum"><a id="Seite_169"></a>[S. 169]</span> Esel -gar nicht zu leisten imstande sein würde. Man hat vollkommen recht, -viele Sorgfalt auf die Zucht des Esels zu verwenden; denn er ist dort -Haustier im vollsten Sinne des Wortes: er findet sich im Palast des -Reichsten wie in der Hütte des Ärmsten und ist der unentbehrlichste -Diener, welchen der Südländer kennt. Schon in Griechenland und Spanien -trifft man sehr schöne Esel, obgleich sie noch weit hinter den im -Morgenlande, zumal in Persien, Turkmenien und Ägypten gebräuchlichen -zurückstehen. Der griechische und der spanische Esel kommen einem -kleinen Maultier an Größe gleich; ihr Haar ist glatt und weich, die -Mähne ziemlich, die Schwanzquaste verhältnismäßig sehr lang; die Ohren -sind lang, aber fein gebaut, die Augen glänzend. Große Ausdauer, ein -leichter, fördernder Gang und ein sanfter Galopp stempeln diese Esel zu -unübertrefflichen Reittieren.“</p> - -<p>Noch weit schöner als diese Esel von ostafrikanischer Abstammung -sind die arabischen Esel, zumal diejenigen, welche in Jemen gezogen -werden. Es gibt zwei Rassen, eine große, mutige, rasche, zum Reiten -höchst geeignete, und eine kleine, schwächere, welche gewöhnlich zum -Lasttragen benutzt wird. Der große Esel ist wahrscheinlich durch -Kreuzung mit dem Onager und seinen Nachkommen veredelt worden. Ganz -ähnliche Rassen finden sich in Persien und Ägypten, wo man viel Geld -für einen guten Esel ausgibt. Ein allen Anforderungen entsprechender -Reitesel steht höher im Preis als ein mittelmäßiges Pferd, und es ist -gar nicht selten, daß man bis 1500 Mark unseres Geldes für ihn bezahlt. -„Etwas Nutzbareres und Braveres von einer Kreatur als dieser Esel“, -sagt Bogumil Goltz, „ist nicht denkbar. Der größte Kerl wirft sich auf -ein Exemplar, welches oft nicht größer als ein Kalb von sechs Wochen -ist, und setzt es in Galopp. Diese schwach gebauten Tiere gehen einen -trefflichen Paß; wo sie aber die Kräfte hernehmen, stundenlang einen -ausgewachsenen Menschen selbst bei großer Hitze im Trab und Galopp -herumzuschleppen, das scheint mir fast über die Natur hinaus in die -Eselsmysterien zu gehen.“ Man verschneidet den Reiteseln das Haar sehr -sorgsam und kurz am ganzen Körper, während man es an den Schenkeln in -seiner vollen Länge stehen läßt; dort werden dann noch allerlei Figuren -und Schnörkel eingeschnitten, und die Tiere erhalten dadurch ein ganz -eigentümliches Aussehen.</p> - -<p>Weiter nach dem Innern, wo das nützliche Geschöpf ebenfalls als -Haustier gehalten wird, sieht man wenige edle Esel, und auch diese -werden erst eingeführt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_170"></a>[S. 170]</span></p> - -<p>Die hier erwähnte hochgeschätzte, edlere Eselrasse, welche größer, -von schlankerer Gestalt und feineren Gliedmaßen, mit kürzeren Ohren, -isabellfarben bis weiß ist und wegen ihrer Gutartigkeit und Lenksamkeit -häufig von vornehmen Damen geritten wird, ist tatsächlich kein -Abkömmling des afrikanischen Steppenesels, von dem die gewöhnlichen -Eselrassen abstammen, sondern des <em class="gesperrt">westasiatischen Steppenesels</em>, -des <em class="gesperrt">Onager</em> der Alten (<span class="antiqua">Asinus onager</span>), der auch in der -Bibel mehrfach erwähnt wird. Dieses von Syrien über Arabien, Persien -bis Indien verbreitete Tier ist merklich kleiner als der die Steppen -Zentralasiens nördlich von Tibet in kleinen, äußerst scheuen Herden -bewohnende edelste Wildesel, der <em class="gesperrt">Kulan</em> der Kirgisen oder -<em class="gesperrt">Dschiggetai</em>, d. h. zu deutsch Langohr der Mongolen, der mit dem -Schwanz 2,5 <span class="antiqua">m</span> lang wird bei einer Höhe am Widerrist von 1,3–1,5 -<span class="antiqua">m</span>, aber doch größer und feingliedriger als der gemeine Esel. -Sein Kopf ist verhältnismäßig noch höher und größer als beim Kulan, die -dicken Lippen sind bis an den Rand mit steifen, borstigen Haaren dicht -bekleidet, die Ohren ziemlich lang, jedoch kürzer als beim Esel. Die -vorherrschende Färbung ist ein silberiges Weiß, das auf der Oberseite -des Kopfes, an den Seitenflächen des Halses und des Rumpfes, sowie an -den Hüften in ein blasses Isabellgelb übergeht. Am Seitenbug zieht -sich ein weißer Streifen von Handbreite herab. Ein zweiter Streifen -verläuft längs des ganzen Rückens und an der Hinterseite der Schenkel; -in seiner Mitte liegt der kaffeebraun gefärbte Riemen. Die Behaarung -ist seidenartiger und weicher als beim Pferde, im Sommer äußerst glatt -und zart, im Winter wolliger.</p> - -<p>Der Onager ist äußerst scheu, vorsichtig und schnellfüßig, so daß ihm -in offener Steppe gar nicht beizukommen ist. Er lebt in kleinen, aus -Stuten und Füllen beiderlei Geschlechts bestehenden Herden, die von -einem Haupthengst geführt werden. Er ist außerordentlich genügsam und -kommt höchstens jeden zweiten Tag zur Tränke, weshalb der Anstand auf -ihn meist vergeblich ist. Salzhaltige Pflanzen, wie sie die Salzsteppe -seiner Heimat in Menge hervorbringt, sind seine angenehmste Nahrung. -Salziges Wasser liebt er mehr als süßes, jedoch muß es rein sein; denn -trübes trinkt er nie.</p> - -<p>Schon im frühen Altertum wurde dieses Wildpferd in Vorderasien gefangen -und gezähmt, um dem Menschen dienstbar zu sein. So haben ihn schon -die Sumerer in Mesopotamien zum Kriegführen verwendet, lange bevor -das Pferd aus Innerasien zu ihnen gelangte. Als aber letzteres im -Zweistromland Aufnahme gefunden hatte, ver<span class="pagenum"><a id="Seite_171"></a>[S. 171]</span>drängte es für diesen -Zweck den älteren Esel. So finden wir unter den Kriegsszenen der -Assyrer stets nur das Pferd als Zugtier am zweirädrigen Kriegswagen -abgebildet, während der als Lasttier hauptsächlich landwirtschaftlichen -Zwecken dienende Esel hier fehlt. Dagegen findet sich das Einfangen -des Wildesels gelegentlich auf den Jagddarstellungen. Eine solche -besitzen wir beispielsweise auf dem Basrelief einer Marmorplatte aus -dem etwa 668 v. Chr. gebauten Palast des Asurbanipal in Kujundschik. -Hier hat der assyrische Künstler eine Jagdszene wiedergegeben, die an -packender Naturtreue den besten Leistungen der antiken Tierdarstellung -an die Seite zu stellen ist. Zwei mit bis zu den Knien reichenden -befransten Gewändern bekleidete Männer mit hohen Sandalen und wellig -gescheiteltem Haupthaar ohne Bart führen zwischen sich an Stricken -einen mit dem Lasso gefangenen jungen Onagerhengst, während darunter -zwei wilde Onager in eiligstem Lauf, der eine mit den Hinterbeinen wild -um sich schlagend, in entgegengesetzter Richtung davoneilen. Der ganze -Körperbau, die Bildung des Kopfes und Halses mit der kurzen Mähne, -dann vor allem der an der Spitze mit Haarquaste versehene Eselsschwanz -weisen mit Bestimmtheit auf den westasiatischen Onager und nicht auf -das Wildpferd, wie Konrad Keller darzutun versucht. Solche Wildlinge -wurden wohl auch zur Auffrischung der einheimischen Eselzucht verwendet.</p> - -<p>Noch weit später sind je und je wilde Onager in Westasien gefangen -worden, müssen also damals in der dortigen Steppe noch in namhaften -Herden gelebt haben. So wurden sie auch wiederholt zur Kaiserzeit bei -den großen Zirkusspielen in Rom vorgeführt und allerlei Raubtiere auf -sie gehetzt. So schreibt Julius Capitolinus in seiner Biographie des -Gordian, der 238, 80 Jahre alt, mit seinem Sohne zum Kaiser ausgerufen -wurde, sich aber 36 Tage nachher, als letzterer vor Karthago geschlagen -ward und fiel, tötete, er habe, als er unter Caracalla und Alexander -Severus Konsul war, einmal bei den von ihm gegebenen Jagdspielen im -Zirkus Maximus in Rom 30 Wildesel — wohl ein seltsames Schauspiel für -die sonst so verwöhnten Römer — auftreten lassen. Noch seltener gab -es dort das ebenso flüchtige Tigerpferd Afrikas, das Zebra, von den -Römern <span class="antiqua">hippotigris</span> genannt, zu sehen. So berichtet ein anderer -römischer Schriftsteller, daß Kaiser Caracalla im Jahre 211 neben -Tiger, Elefant und Nashorn auch einen Hippotigris auftreten ließ und -eigenhändig tötete.</p> - -<p>Schon frühe, wenn auch bedeutend später als der afrikanische<span class="pagenum"><a id="Seite_172"></a>[S. 172]</span> -Steppenesel, ist dieser südwestasiatische Steppenesel, jung eingefangen -und an des Menschen Gegenwart und Pflege gewöhnt, zum Haustiere -desselben geworden. Doch wurde er in seiner Heimat nicht so regelmäßig -wie der Hausesel bei den Ägyptern und den mit diesem in der Folge -beschenkten Völkern gehalten, so daß sich wohl erst spät eine -eigentliche Zucht ausbildete. So berichtet der Vater der griechischen -Geschichtsschreibung, Herodot, daß die 580 im Heere des Xerxes, bei -seinem Zuge gegen Griechenland, befindlichen Inder Streitwagen führten, -die teils mit Pferden, teils mit Wildeseln (<span class="antiqua">ónos ágrios</span>, eben -dem Onager) bespannt waren. Von eben diesem Onager, der damals noch -häufiger als heute angetroffen wurde, berichtet Xenophon vom Jahre -401 v. Chr. von seiner Expedition zugunsten des Cyrus: „Als Cyrus der -Jüngere durch Arabien, im Westen des Euphrats, hinzog, kam er durch -eine ganz unabsehbare Ebene, woselbst es sehr viele Wildesel gab. Diese -liefen viel schneller als Pferde und konnten nur gefangen werden, indem -Reiter sich in großen Entfernungen voneinander aufstellten und so im -Jagen wechselten. Das Wildpret dieser Tiere glich dem des Hirsches, war -aber zarter.“</p> - -<p>Dieser westasiatische Hausesel ist gemäß seiner Abstammung vom Onager -nicht grau, wie der sich vom afrikanischen Steppenesel ableitende -Hausesel, sondern weiß oder isabellfarben und viel größer als jener. -Ja, sie geben dem Pferd an Größe nicht viel nach. Am meisten werden -sie in Südostarabien gezogen und kommen dann als <em class="gesperrt">Maskatesel</em> in -den Handel. Man trifft sie außer in Arabien besonders viel in Persien -und Mesopotamien als Reittiere verwendet, da sie nicht nur stark -gebaut, sondern, im Gegensatz zum störrischen Wesen ihres afrikanischen -Vetters, lenksam und dabei ausdauernd sind. In Mesopotamien (Bagdad) -kommen sie neben dem gewöhnlichen Lastesel häufig auf den Markt und -gelten dort 25 türkische Pfund (= 560 Mark). Die besten Zuchten stammen -aus Nedje in Zentralarabien. Als schöne und edle Rassetiere werden -sie mit Vorliebe von den vornehmen und reichen Orientalen gehalten, -die sich solchen Luxus leisten können. Das gemeine Volk aber begnügt -sich mit dem weniger edlen Grautier, dem Abkömmling des afrikanischen -Steppenesels, der sich allein als Arbeitstier über größere Gebiete der -Erde verbreitet hat. Wie seit dem frühesten Altertum spielt letzterer -heute noch in Ägypten als Reit- und Transporttier der Eingeborenen -eine wichtige Rolle und gehört überall, besonders in den Städten, -zur Staffage des Straßenlebens. Durch ganz Afrika hat er bei den -hamo-semitischen Stämmen die größte Ver<span class="pagenum"><a id="Seite_173"></a>[S. 173]</span>breitung gefunden, während -ihn die Neger ablehnten. Im äußersten Osten, in den Somaliländern, -ist er lediglich Lasttier, das den Karawanen folgt. Doch wird er dort -nicht gerade zahlreich gehalten, da in den dortigen Steppenländern das -Kamel leistungsfähiger ist. Auch in Abessinien wird er in den höheren -Lagen ziemlich viel als Lasttier verwendet, aber auch ausgiebig zur -Maultierzucht benutzt. Die am weitesten nach Innerafrika vorgeschobenen -Hamiten, die Gallas und die Massai, halten zahme Esel in großer Zahl. -Es sind kräftige, graue Tiere mit scharfgezeichnetem Schulterkreuz. -Vom oberen Niltal hat sich das Tier stark nach den Haussaländern -verbreitet, wo es ebenfalls vorzugsweise als Lasttier benutzt wird. -Ebenso ist es in Südafrika häufig, da es gegen gewisse hier umgehende -Krankheiten, besonders die Tsetse, widerstandsfähiger als das Pferd -ist. Die ersten Esel kamen bereits 1689 aus Persien nach dem Kap und -wurden in der Folge vorwiegend durch die Buren weiter nördlich bis zum -Sambesi verbreitet.</p> - -<p>In Arabien, Mesopotamien, Persien und Afghanistan wird neben dem -großen, hellen Hausesel von Onagerabstammung sein kleiner, grauer, -afrikanischer Verwandter ebenfalls häufig gehalten. Große, auffallend -stark gebaute Esel von vorwiegend Onagerblut findet man bei den -Turkmenen. In der Mongolei und Mandschurei besteht eine starke -Eselzucht, die von ihrem Überschuß vielfach an chinesische Kleinhändler -abgibt. Doch ist der Esel in China so unwichtig, daß er nicht einmal -nach Japan kam, wo man nur das Pferd verwendet. In Indochina und -Indonesien fehlt er ganz. In Ostindien findet man ihn nur selten, -z. B. in Cotschin, wo sich Araber aufhalten. Kleinasien dagegen besitzt -wie ganz Westasien eine Menge von Eseln, doch überwiegend Grautiere -von ziemlich elender Erscheinung, weil sie schlecht gehalten werden. -Auch in Griechenland finden wir den Esel häufig, weniger dagegen in -den Balkanländern. Bedeutende Eselzuchten weist Süditalien auf. Auf -Sizilien und der Insel Pantellaria wird eine stattliche Rasse gehalten, -während die Esel Sardiniens sehr klein sind. In Südfrankreich dient der -Esel vorzugsweise zur Maultierzucht, die auch in Spanien und Portugal -eine sehr wichtige Rolle spielt. Daneben wird aber auch der Esel auf -der Iberischen Halbinsel viel verwendet; ja man kann sagen, daß das -Grautier neben Ägypten und Westasien hier am häufigsten gezüchtet -wird. Von Spanien aus wurde der Esel im 16. Jahrhundert in Amerika -eingebürgert, ist aber hier stark vernachlässigt. Seine Hauptbedeutung -beruht hier in der<span class="pagenum"><a id="Seite_174"></a>[S. 174]</span> Maultierzucht. Der erste Esel, den Garcilasso -auf der Hochebene von Peru sah, war dazu bestimmt. In Australien -ist seine wirtschaftliche Bedeutung, wie auch in Mitteleuropa, ohne -Belang geblieben. Früher wurde er in der Westschweiz häufig gehalten, -besonders in den Kantonen Genf und Waadt. Neuerdings ist er wesentlich -durch die Bemühungen der Tierschutzvereine in verschiedenen Städten -Deutschlands als Zugtier eingebürgert worden. Im Norden besitzt Irland -stellenweise, z. B. in Connaught, eine starke Eselzucht. Auch in -England, wo er früher nahezu fehlte, wird er jetzt häufig, wenigstens -im Süden, als Zugtier von den Kleinhändlern gehalten.</p> - -<p>Es ist schon mehrfach von den Kreuzungsprodukten von Esel und Pferd -die Rede gewesen, die schon im frühen Altertum in Westasien und den -Mittelmeerländern eine wichtige Rolle spielten und heute noch besonders -in den romanischen Ländern sehr zahlreich gehalten werden. Dabei -unterscheidet man den <em class="gesperrt">Maulesel</em> (lat. <span class="antiqua">hinnus</span>) als Produkt -der Kreuzung von Pferdehengst mit Eselstute und das <em class="gesperrt">Maultier</em> -(lat. <span class="antiqua">mulus</span>) als dasjenige von Eselhengst mit Pferdestute. In -beiden Fällen schlägt der Bastard mehr nach der Mutter aus. So gleicht -der Maulesel mehr dem Esel, sieht aber wegen des relativ schweren -Rumpfes in Verbindung mit schwachen Gliedmaßen unschön aus und ist nie -zu größerer Bedeutung gelangt. Man findet ihn heute nur sporadisch, -so besonders in Abessinien, Nubien, Marokko, auf den Balearen, in -Sizilien und Istrien. Dagegen war er im Altertum in manchen Gegenden -nicht gar selten zu finden, so in Assyrien, wo er im Dienste der -Haus- und Landwirtschaft als Lasttier wie der Esel gebraucht wurde. -Zu sehr großer Bedeutung gelangte dagegen das Maultier, das mehr dem -Pferde gleicht, viel leistungsfähiger ist, und mit seinen kleinen, -zierlicheren Hufen ein weit besserer Bergsteiger ist als das Pferd -und deshalb besonders viel als Saumtier gehalten wird. Von ihm werden -weit mehr Männchen als Weibchen geboren. Sie sind in der Regel, aber -durchaus nicht in allen Fällen unfruchtbar, wie man gemeinhin glaubt, -nur ist ihr Geschlechtstrieb bedeutend herabgesetzt. Dabei sollen sie -sehr alt werden, viel älter als beide Eltern. Auch im Charakter ist die -mütterliche Abstammung maßgebend. So halten sich nach Dobrizhoffer die -Maulesel zu den Eseln, die Maultiere jedoch zu den Pferden. Deshalb -führt im romanischen Südamerika jede <span class="antiqua">tropa</span> Maultiere ein Pferd, -die <span class="antiqua">madrinha</span>, mit der Schelle als Leittier. Nebenbei bemerkt -kommt natürlich die Benennung Maulesel und Maultier vom lateinischen -<span class="antiqua">mulus</span>.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_175"></a>[S. 175]</span></p> - -<p>Wie kam nun der Mensch dazu, eine solche auf den ersten Blick -unnatürliche und sonst bei den Haustieren durchaus nicht gebräuchliche -Bastardierung zwischen Esel und Pferd vorzunehmen? Darauf läßt sich -keine bestimmte Antwort geben. Eduard Hahn hat sie bereits mit dem -Eindringen des Pferdes selbst aus Hochasien nach Westen in Verbindung -bringen zu dürfen geglaubt. Als das erste Reitervolk aus Innerasien -nach den Kulturländern im Süden und Westen vorstieß, werden die -Bewohner vor solch ungewohntem Anblick in denselben Schrecken geraten -sein wie die alten Griechen, die aus solcher Reminiszenz ihre Sage -von den Kentauren schufen, die halb Mensch halb Tier (Pferd) sein -sollten. Vielleicht, ja wahrscheinlich, daß dieses Volk statt der -wilden, ungestümen Hengste nur die sanfteren Stuten ritt, wie dies -die Araber aus altgeheiligter Sitte heute noch tun. Zur Begründung -dieser Gewohnheit sagen sie, wenn sie einmal einen nächtlichen Überfall -machten und es wäre ein Hengst dabei, so könnte er, wenn er die -Anwesenheit der Stuten im Lager röche, wiehern und dadurch die Feinde -alarmieren. Dies soll unter allen Umständen vermieden werden! Ritt -nun der ungläubige Araber nur Stuten, so ritt schon aus nationalem -Gegensatz der gläubige Spanier nur Hengste. Wo Spanier in Südamerika -leben, gilt es heute noch für eine Schande, die kaum ein Neger auf sich -lädt, eine Stute zu besteigen.</p> - -<p>Wie vielleicht jenes alte Reitervolk, das aus Innerasien hervorbrach, -ritten nach dem Zeugnisse des Römers Trebellius Pollio die Skythen nur -Stuten, indem man vermutlich die überschüssigen Hengste, die nicht zur -Zucht gebraucht wurden, als Opfertiere schlachtete.</p> - -<p>Fingen nun die betreffenden Westasiaten, die von diesem Reitervolke -heimgesucht wurden, die ihrer Reiter entledigten Stuten, so konnte -es nicht ausbleiben, daß diese mit dem hier bereits als Haustier -gehaltenen Esel zusammengesperrt wurden, wobei sich Gelegenheit zur -Bastardierung von selbst ergab. So etwa ist der Ursprung der in -Westasien sehr alten Maultierzucht zu erklären.</p> - -<p>Als man dann später die Vorteile dieser Bastardierung inne geworden -war, pflegte man sie neben der Pferdezucht auszuüben. Nur manche -Völker, wie beispielsweise die Juden, lehnten sie als ungehörig ab. -So verbot das Gesetz den Juden, wie jede Bastardierung überhaupt, -so auch diese. Bei den alten Persern waren die Maultiere ebenso -gebräuchliche als beliebte Arbeitstiere wie bei den ältesten Griechen. -Wir haben bereits gesehen, welche Verbreitung die Maultiere bereits in -homerischer Zeit hatten und wie die Esel damals nur<span class="pagenum"><a id="Seite_176"></a>[S. 176]</span> als Beschäler der -Pferdestuten, also als Zuchttiere für die Maultiergewinnung benutzt -wurden. Nicht anders scheint es bei den Mykenäern und dem ganzen -illyrischen Kulturkreis zur Mitte des zweiten vorgeschichtlichen -Jahrtausends gewesen zu sein, indem hier nach den Abbildungen das -Maultier neben dem Pferd zum Ziehen der zweiräderigen Wagen und daneben -auch zum Reiten ohne Schabracke und Sattel oder Bügel benutzt wurde. Im -Heere der Perser spielten die Maultiere wie die Esel zur Beförderung -der Bagage eine wichtige Rolle. So meldet uns der griechische -Geschichtschreiber Herodot: „Als der Perserkönig Darius (im Jahre 513 -v. Chr.) über die Donau gegangen war, um gegen die Skythen Krieg zu -führen, zeigte sichs bald, daß die feindliche Reiterei der seinigen -weit überlegen war. Indessen fand sichs, daß die Perser an den Eseln -und Maultieren, welche in ihrem Lager waren, mächtige Bundesgenossen -hatten; denn die skythischen Pferde nahmen vor ihnen Reißaus, weil sie -dergleichen nie gesehen hatten, und fürchteten sich nicht bloß vor -ihrem Anblick, sondern auch vor ihrer Stimme.</p> - -<p>Als endlich Darius doch in Not geriet, blieb ihm nichts übrig, als sich -zurückzuziehen, und dabei brauchte er folgende List: wie es Nacht war, -ließ er die Esel im Lager anbinden und Feuer anmachen. Darauf zog er -heimlich mit dem Heer von dannen, während die Skythen sicher glaubten, -er wäre noch da; denn sie hörten die Esel laut schreien. Diese Tiere -schrieen aber deswegen, weil ihre Herren weggegangen waren.“</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel31a" > - -<p class="captop">Tafel 31.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel31a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Für die Maultierzucht verwendeter, sehr schwerer - italienischer Eselhengst. Größe 1,54 <span class="antiqua">m</span> Stockmaß, - dreijährig.<br /> - (Aus Karl Hagenbecks Tierpark in Stellingen.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel31b" > - <img class="w100" src="images/tafel31b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Großes Arbeitsmaultier, von Karl Hagenbeck aus Nordamerika - importiert. Größe 1,80 <span class="antiqua">m</span> Stockmaß.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel32a" > - -<p class="captop">Tafel 32.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel32a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Zebroid von Karl Hagenbecks Tierpark in Stellingen.<br /> - Vater Zebrahengst, Mutter Pferdestute.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel32b" > - <img class="w100" src="images/tafel32b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Grevy-Zebras in Karl Hagenbecks Tierpark in Stellingen.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel33a" > - -<p class="captop">Tafel 33.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel33a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Zebrastute mit Zebroidenfohlen (Vater Pferd) in - Deutsch-Ostafrika.<br /> - (Nach einer Photographie der deutschen Kolonialschule in Witzenhausen.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel33b" > - <img class="w100" src="images/tafel33b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Ein Paar eingefahrener verschiedenartiger Zebras mit der - Familie Hagenbeck im Tierpark in Stellingen.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel34" > - -<p class="captop">Tafel 34.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel34.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Weidende Zebraherde in der ostafrikanischen Massaisteppe am - Fuße des Kilimandscharo.<br /> - (Nach unretuschierter Naturaufnahme von Karl G. Schillings aus seinem Buche - „Mit Blitzlicht und Büchse“.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel34_gross.jpg" id="tafel34_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Wie bei den alten Griechen, so hat auch bei den Römern das Maultier als -nützliches Arbeitswesen weite Verbreitung gefunden. Hat doch seine fast -aufgehobene Geschlechtlichkeit im Verein mit seinem leistungsfähigen -Körper, der die Stärke des Pferdes mit der Zähigkeit, Ausdauer und -Genügsamkeit des Esels verbindet, es bis auf den heutigen Tag überall -in den von der altrömischen Kultur befruchteten romanischen Ländern -zu besonderer Wertschätzung geführt. Schon der ältere Plinius sagt in -seiner Naturgeschichte: „Das Maultier ist zur Arbeit ganz ausgezeichnet -gut, der Maulesel dagegen ist unlenksam und unbändig faul. In der -Regel bekommen Maultiere und Maulesel keine Jungen; doch geschieht -es allerdings mitunter und dann hat man es immer für ein Zeichen -bevorstehenden Unglücks gehalten.“ Dieser Aberglaube ist von den Römern -auf die Romanen übergegangen. So berichtet Bollaert, daß eine der -besten Silberminen bei Iquique ihren Ertrag einstellte, als ein weißes -Maultier ein Junges warf. In ganz<span class="pagenum"><a id="Seite_177"></a>[S. 177]</span> Südamerika hat man einen solchen -Schrecken vor diesen Maultiergeburten, daß schon in verschiedenen -Fällen Mutter und Kind gleich auf einen Scheiterhaufen gebracht und -verbrannt worden sein sollen. Wie Älian berichtet, benutzten die -Römer, besonders zum Ziehen von Reisewagen, Stuten oder Maultiere. -Diese waren dann bei den Vornehmen vielfach kostbar beschlagen und -mit bunten Bändern geschmückt. So berichtet Plinius von Kaiser Neros -Gemahlin Poppaea, sie habe die Hufe ihrer Maultiere mit Gold beschlagen -lassen. Und Sueton schreibt: „Wenn Kaiser Nero eine Reise machte, so -hatte er immer wenigstens tausend Staatskarossen bei sich; die Hufe -der vorgespannten Maultiere waren mit Silber beschlagen, die Kutscher -waren in kanusinische Wolle gekleidet.“ Varro rühmt den Mut dieser -Tiere, indem er sagt: „Die Maultiere sind von Natur mutig, und mir ist -ein Beispiel bekannt, wo sich ein Wolf an eine Herde von Maultieren -schlich, diese ihn aber umringten und mit den Hufen totschlugen.“</p> - -<p>Heute noch wird in den Gebirgsländern Südeuropas, besonders in Italien -und Spanien, dann in Österreich und der Schweiz — hier besonders im -Kanton Wallis —, das Maultier zum Befördern von Lasten als Saumtier, -oder an den zweiräderigen Wagen angespannt, dem Pferde vorgezogen. -Seine Genügsamkeit, seine große Ausdauer und die selbst auf dem -schwierigsten Terrain sichere Gangart — alles Erbstücke vom Esel -— in Verbindung mit der durch die vom Pferd ererbte Körpergröße -ermöglichten größeren Leistungsfähigkeit beim Lastentragen machen es -den Gebirgsbewohnern geradezu unentbehrlich. Deshalb wird es auch zum -Befördern der Gebirgsartillerie dem Pferde vorgezogen. Auf eine hohe -Stufe ist die Maultierzucht in Südfrankreich gelangt, wo Poitou und -Deux Sèvres einen starken Export betreiben. Außer in den romanischen -Ländern trifft man diese Zucht nur noch in Irland häufiger. Auf -asiatischem Boden hat Persien ausgezeichnete Maultiere; auch Nordchina -ist in dieser Richtung hervorragend. In Nordafrika züchten Algerien -und Ägypten diesen Bastard in größerer Zahl, am berühmtesten ist aber -das gebirgige Abessinien durch seine Maultierzucht. Sie wird dort -dadurch erleichtert, daß einmal der dortige Pferdeschlag nicht sehr -groß ist und die Abneigung des Pferdes gegen den niedern Verwandten -dadurch verringert wird, daß Pferd und Esel von Jugend auf zusammen -aufgezogen werden. In der Neuen Welt hat die Maultierzucht namentlich -im spanischen Südamerika außerordentliche Verbreitung gefunden. So -wurden früher nicht weniger als 80000 Stück jährlich von Argentinien -nach Peru<span class="pagenum"><a id="Seite_178"></a>[S. 178]</span> exportiert. Auch in Mexiko und den Südstaaten der Union hat -die Maultierzucht zunehmende Bedeutung erlangt.</p> - -<p>Wie der Wildesel würde auch das <em class="gesperrt">Zebra</em> (<span class="antiqua">Equus zebra</span>) ein -geeignetes Objekt für die Domestikation von seiten des Menschen sein. -Durch die unablässigen Verfolgungen von Seiten des Menschen ist seine -Verbreitung eine sehr beschränkte geworden. Früher war es ein gemeines -Tier der afrikanischen Steppe, das in Herden bis zu 100 Stück lebte, -die einzelnen Arten streng voneinander gesondert, aber sich gern -unter Antilopen und Strauße mengend. Da ihr Gesicht, wie bei allen -Pferden, weniger gut ausgebildet ist, während ihr Geruch vorzüglich -ist, kam ihnen die Symbiose mit den gut sehenden, außerordentlich -wachsamen Straußen sehr zugute. Letztere ihrerseits fraßen gern die im -Zebradung lebenden großen Mistkäfer. Eine ähnliche Lebensgemeinschaft -zu gegenseitiger Förderung besteht in Südamerika zwischen Hirschen und -Nandus, im Kaukasus zwischen Steinböcken und Berghühnern.</p> - -<p>Die Zebras sind wie die Wildesel typische Steppentiere, die sich aber -im Gegensatz zu jenen nie allzuweit vom Wasser entfernen, da es ihnen -bei der sehr harten, vielfach salzhaltigen Nahrung ein Bedürfnis ist, -täglich zu trinken. Wie alle diese Tiere benutzen sie gewöhnlich die -Nacht, um oft über weite Strecken zum Wasser zu gelangen, an dem sie -ihren Durst zu stillen vermögen. Früher galt das Zebra für zu wild, -um gezähmt werden zu können. Doch ist diese vorgefaßte Meinung durch -den praktischen Erfolg widerlegt worden. So gibt es nicht nur in -Deutsch-Ostafrika, sondern selbst in London als Zugtiere dressierte -Zebras, die ihren Dienst vortrefflich tun. In letzterer Stadt fährt -Baron W. von Rothschild im dichtesten Straßengewühl mit vier Zebras -so glatt und flott wie mit dem besten Viererzug aus Pferden. Da das -Zebra unter der Tsetsekrankheit nicht leidet, ist es dazu berufen, in -weiten Gebieten Afrikas als Zugtier das Pferd zu ersetzen, das dort -nicht gehalten werden kann, da es regelmäßig daran erliegt. Zum Reiten -ist es allerdings zu schwach. Von allen Zebraarten hätte nur das -Grevyzebra (<span class="antiqua">Equus grevyi</span>) die erforderliche Größe und Kraft, -um ein brauchbares Reittier abzugeben. Da sich die Zebras sehr leicht -mit Pferd und Esel kreuzen lassen, scheint eine solche Kreuzung von -großer Bedeutung, da die daraus resultierenden Bastarde, die man als -<em class="gesperrt">Zebroide</em> bezeichnet, sehr leistungsfähig sind und gegenüber dem -Maultier unverkennbare Vorzüge aufweisen, so daß sie diesem vielleicht -in Bälde den Rang streitig machen werden. Verschiedene Gestüte haben<span class="pagenum"><a id="Seite_179"></a>[S. 179]</span> -sehr günstige Erfahrungen mit diesen Tieren gemacht, die durch ihre -mehr pferdeähnliche Erscheinung in Verbindung mit der Zebrazeichnung -recht stattliche Luxustiere sind. Außer Schnelligkeit und Ausdauer -wird ihnen große Gelehrigkeit nachgerühmt. An Muskelstärke übertreffen -diese Zebroide die Maultiere und lassen die Störrigkeit der letzteren -ganz vermissen; außerdem sind sie weniger scheu. Jedenfalls haben -diese Tiere eine bedeutende Zukunft, da sie eine besonders gute -Rassenmischung darzustellen scheinen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_180"></a>[S. 180]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="VII_Das_Pferd">VII. Das Pferd.</h2> - -</div> - -<p>Erst längere Zeit nach dem ostafrikanischen Wildesel ist irgendwo in -Zentralasien das flüchtige <em class="gesperrt">Wildpferd</em> (<span class="antiqua">Equus caballus</span>) -vom Menschen gezähmt und zunächst als ausschließliches Werkzeug des -Krieges benützt worden. Einst hat es nicht nur in Asien, sondern -überall auch in Europa Wildpferde gegeben. Wie der nordamerikanische -Bison die ausgedehnten Prärien und der europäische Wisent den -Wald bewohnte, so war offenbar auch das europäische Wildpferd in -frühgeschichtlicher Zeit mehr ein Waldtier, während es von Rußland -an ein ausgesprochenes Steppentier wie einst in der Diluvialzeit -geblieben war. In verschiedenen Epochen der Eiszeit hat neben dem -Wildbüffel das Wildpferd das wichtigste Nahrungstier des Menschen -gebildet, dessen Knochen sich an manchen einstigen Lagerplätzen des -Diluvialmenschen zu mächtigen Abfallhaufen auftürmten. So findet sich -an der Fundstelle von Solutré bei Mâcon nördlich von Lyon im Rhonetal -eine gegen 4000 <span class="antiqua">qm</span> bedeckende Schicht von 0,5–2,3 <span class="antiqua">m</span> -Mächtigkeit, bestehend fast ausschließlich aus Knochen des diluvialen -Wildpferdes, das damals in zahlreichen Herden das Rhonetal bewohnt -haben muß und trotz seiner Flüchtigkeit dem primitiven Jäger zahlreich -zur Beute fiel. Die Gesamtzahl der auf jenem einzigen Platze einst vom -Eiszeitmenschen verspeisten Wildpferde schätzt Toussaint auf wenigstens -40000, andere auf etwa 100000, meist vier- bis siebenjährige, also -im besten Fleischzustand erbeutete Tiere. Dieses heute in Europa -ausgestorbene diluviale Wildpferd, von dem sich auch mehrfach -treffliche Zeichnungen von der Hand des Eiszeitjägers der jüngsten -Phase der älteren Steinzeit an den Höhlenwänden, auf Steinplatten und -auf allerlei Knochenstücken erhielten, besaß einen größeren Kopf, -stärkere Zähne und kräftigere Kiefer als das heute lebende Pferd, war -aber, wie man an einem aus Bruchstücken zusammengesetzten Skelett im -Naturhistorischen Museum in Lyon sehen kann, ziemlich groß und schlank -gebaut. Auch<span class="pagenum"><a id="Seite_181"></a>[S. 181]</span> die Fundstelle von La Micoque im Vézèretal unweit von -Laugerie haute birgt eine gewaltige Menge von Knochen dieses Tieres, -dessen Röhrenknochen stets aufgeschlagen wurden, um das Markfett, nach -dem jene Leute sehr lüstern waren, noch lebenswarm auszusaugen.</p> - -<div class="figcenter illowe36_5625" id="bild24" > - <img class="w100" src="images/bild24.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 24. Darstellung von Wildpferden auf einem Zierstab - der Magdalénienjäger Südfrankreichs aus Renntierhorn.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe35_3125" id="bild25" > - <img class="w100" src="images/bild25.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 25. Darstellung eines Wildpferdes — meist als - Steppenesel aufgefaßt — mit übertrieben langem Körper und allzu kleinem - Kopf aus dem Keßlerloch bei Thaingen. (Nach Photogramm von - <span class="antiqua">Dr.</span> Nüesch.)</div> -</div> - -<p>In späterer Zeit ist das Wildpferd infolge der fortgesetzten -Verfolgungen zunächst in Süd- und Mitteleuropa immer seltener -geworden, wenn auch noch der Römer Varro aus der ersten Hälfte des -letzten vorchristlichen Jahrhunderts schreibt: „In mehreren Gegenden -des westlichen Spanien gibt es wilde Pferde.“ Im Speisezettel der -Neolithiker hat es keine nennenswerte Rolle mehr gespielt, wenn es auch -noch hier und da erlegt wurde. Nur in Nordeuropa gab es noch lange -Zeit in entlegenen Waldgebieten, wo sie vor Ausrottung von seiten des -Menschen geschützt waren, solche. Dies war auch in Schweden der Fall, -wo Sjörgren im November 1900 bei Ingelstad einen Pferde<span class="pagenum"><a id="Seite_182"></a>[S. 182]</span>schädel aus der -jüngeren Steinzeit fand, in dem noch, wie auf den Abbildungen 28 und -29 zu sehen ist, die abgebrochene Klinge eines Steinmessers steckte. -Das Alter des Pferdes dürfte auf zwei Jahre anzuschlagen sein, und, da -man ein so junges Tier, wäre es gezähmt gewesen, gewiß nicht als Opfer -vermutlich an den Kriegsgott geschlachtet hätte, so läßt dies auf eine -Wildform schließen. Von Schriftstellern des Altertums schreibt der -ältere Plinius, wohl auf verbürgte Nachrichten gestützt: „Im Norden -findet man Herden von wilden Pferden.“ Auch Strabon berichtet, daß in -den Alpen, wie wilde Stiere, so auch wilde Pferde lebten. Vermutlich -stammten die 30 wilden Pferde, die nach Julius Capitolinus der Kaiser -Gordianus für die Jagdspiele im <span class="antiqua">Circus maximus</span> nach Rom schaffen -ließ, von dort oder aus Spanien. Später meldet Venantius Fortunatus, -daß in den Ardennen oder Vogesen neben dem Bären, Hirsch und Eber auch -wilde Pferde gejagt wurden. Der langobardische Geschichtschreiber -Paulus Diaconus im 9. Jahrhundert v. Chr. sagt, daß es den Bewohnern -Italiens ein Wunder gewesen sei, als sie unter dem Könige Agilulf -dorthin gebrachte „Waldpferde“ und Wisente sahen. Am längsten gab es -diese Tiere weiter nördlich in Deutschland, das noch von ausgedehnten -Waldungen bedeckt war, in denen diese Tiere eine Zuflucht fanden. So -aßen nach Hieronymus die deutschen Volksstämme der Quaden und Vandalen, -wie auch die weiter östlich wohnenden Sarmaten das Fleisch wilder -Pferde, das ihnen dann die christlichen Priester bei der Einführung des -Christentums strengstens untersagten. Der Apostel der Deutschen, der -heilige Winfried oder Bonifacius, der den 5. Juni 755 bei Dokkum in -Friesland den Märtyrertod starb, scheint dies in manchen Fällen noch -gestattet zu haben; da aber solche Mahlzeiten stets mit heidnischen -Opfern an den Gott Wodan verbunden waren, so verbot der Papst in Rom -bald solche Abgötterei. Schon Papst Gregor III. schrieb um 732 -an Bonifacius: „Du hast einigen erlaubt, das Fleisch von wilden Pferden -zu essen, den meisten auch das von zahmen. Von nun an, heiligster -Bruder, gestatte dies auf keine Weise mehr.“</p> - -<div class="figcenter illowe16_875" id="bild26" > - <img class="w100" src="images/bild26.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 26. Darstellung eines Wildpferdes aus diluvialer - Zeit in der Höhle von La Mouthe in der Dordogne. (Nach Emile Rivière.)</div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_183"></a>[S. 183]</span></p> - -<p>In den Benediktionen oder Segenssprüchen zu den beim gemeinsamen Mahle -aufgetragenen Speisen des Mönches Ekkehard IV., <span class="antiqua">magister -scholarum</span> ums Jahr 1000, ist auch von wilden Pferden die Rede, -die gelegentlich im waldigen Gürtel um die Einöde des Klosters St. -Gallen erlegt wurden und deren ausdrücklich als „süß“ bezeichnetes -Fleisch dann auf die Klostertafel gelangte. Vielleicht ist der -„grimme Schelch“ des Nibelungenliedes, den Siegfried im Wasgenwald -erlegte, ein Wildpferdhengst (mit beschälen zusammenhängend) gewesen. -In der Weingartner Liederhandschrift spricht Winsbeke in Strophe 46 -die Erfahrung aus: „Ein Füllen in einer wilden Herde Pferde wird, -eingefangen, eher zahm, als daß ein ungeratener Mensch in seinem -Innern Scham empfinden lerne.“ Im Sachsenspiegel bestimmt eine Glosse, -daß bei der Zuweisung der fahrenden Habe einer Frau wilde Pferde, -die man nicht immer in Hut behalte, nicht zu rechnen seien. In einer -westfälischen Urkunde vom Jahre 1316 wird einem gewissen Hermann die -Fischerei im ganzen Walde und die wilden Pferde samt der Jagd in -jenem Wildforst zugeteilt. 1316 kamen im Münsterschen wilde Pferde -vor, die dem zustanden, der den Wildbann inne hatte. Noch ums Jahr -1593 lebten im entlegenen Gebirgsteile der Vogesen wilde Pferde, wie -der Elsässer Helisäus Rößlin schreibt. „Diese Wildpferde sind in -ihrer Art viel wilder und scheuer, dann in vielen Landen die Hirsch, -auch viel schwerer und mühsamlicher zu fangen, ebensowohl in Garnen -als die Hirsch, so sie aber zahm gemachet, das doch mit viel Müh und -Arbeit geschehen muß, sind es die allerbesten Pferde, spanischen und -türkischen Pferden gleich, in vielen Stücken ihnen aber fürgehen und -härter seind, dieweil sie sonderlich der Kälte gewohnet und rauhes -Futter, im Gang aber und in den Füßen fest, sicher und gewiß seind, -weil der Berg und Felsen, gleich wie die Gemsen, gewohnet.“ Diese -Wildpferde der Vogesen müssen noch bis ins 17. Jahrhundert gelebt -haben; denn wir erfahren, daß 1616 drei Wildpferdschützen von der Stadt -Kaiserslautern angestellt wurden, um die Felder der Bürgerschaft vor -Schaden durch jene zu bewahren.</p> - -<p>Noch viel länger als hier hielt sich das Wildpferd in den ausgedehnten -Waldgebieten von Norddeutschland, Polen und Rußland. So kamen nach -Erasmus Stella noch im Anfang des 16. Jahrhunderts wilde Pferde in -Preußen vor. Das Land der Pommern wird zur Zeit des Bischofs Otto -von Bamberg in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts als reich an -Wild aller Art, auch Wildpferden und Wisenten,<span class="pagenum"><a id="Seite_184"></a>[S. 184]</span> angegeben. Im Jahre -1132 brachte der Herzog Sobieslaus von Böhmen von einem Feldzuge nach -Schlesien eine Anzahl wilder Pferde heim. Nach Töppen jagte man zur -Zeit der Deutschordensritter wilde Pferde wie anderes Wild vornehmlich -um ihrer Häute willen. Noch Herzog Albrecht erließ um 1543 ein Mandat -an den Hauptmann zu Lyck, in welchem er ihm befahl, für die Erhaltung -der „wilden Rosse“ zu sorgen. Auch für Polen und Litauen gehen die -Hinweisungen auf das Pferd als Jagdtier bis tief ins 17. Jahrhundert -hinauf. Für Rußland haben wir einen Bericht von Wladimir Monomach, dem -von 1053–1125 lebenden Fürsten von Tschernigow, der in seiner für die -Söhne verfaßten Lebensbeschreibung von sich selbst erzählt: „Aber in -Tschernigow tat ich dies: ich fing und fesselte eigenhändig 10–20 wilde -Pferde lebendig, und als ich längs des Flusses Roßj ritt, fing ich mit -den Händen ebensolche wilde Pferde.“</p> - -<p>Diese herrenlosen wilden Pferde sind nicht mit den noch lange in -Europa gehaltenen „wilden Gestüten“ zu verwechseln, die ihre Besitzer -hatten und nicht abgeschossen werden durften. Diese halbwilden Pferde -lebten das ganze Jahr über im Freien, ohne daß sie sich einer irgend -nennenswerten Fürsorge zu erfreuen gehabt hätten. Das letzte dieser -wilden Gestüte bestand in Deutschland im Duisburger Walde und wurde -erst von Napoleon I. aufgelöst.</p> - -<p>Wenn nun auch Europa keine wilden Pferde mehr besitzt, so leben -doch in den weiten Steppen Südrußlands verwilderte Pferde, die alle -Eigenschaften wilder Tiere aufweisen und von Tataren und Kosaken auch -als solche angesehen werden. Es sind dies die <em class="gesperrt">Tarpane</em>, kleine -Pferde mit dünnen, aber kräftigen Beinen, ziemlich langem und dünnem -Halse, verhältnismäßig dickem Kopfe, spitzigen, nach vorwärts geneigten -Ohren und kleinen, lebhaften Augen. Ihre Behaarung ist im Sommer -kurz, gelbbraun, im Winter lang, heller bis fast weiß, wobei sich am -Kinn eine Art Bart bildet. Die kurze, dichte, gekräuselte Mähne und -der mittellange Schwanz sehen dunkler aus als der Körper. Schecken -kommen niemals, Rappen nur sehr selten vor. Sie bewohnen in größeren -Herden die ungeheure Steppe und wandern von Ort zu Ort, indem sie -außerordentlich aufmerksam mit weit geöffneten Nüstern und gespitzten -Ohren sichern und so beizeiten jeder Gefahr zu entgehen wissen. Die -Herde zerfällt in kleinere Gesellschaften von Stuten und Fohlen, die -von einem Hengste beherrscht und geführt werden. Er sorgt für deren -Sicherheit und treibt sie bei der geringsten Gefahr zu wilder Flucht -an. Gegen hungrig umherschleichende Wölfe geht er<span class="pagenum"><a id="Seite_185"></a>[S. 185]</span> mutig wiehernd vor -und schlägt sie mit seinen Vorderhufen zu Boden. Der Tarpan ist schwer -zu zähmen. Seine Wildheit und Stärke spotten sogar der Künste der -pferdekundigen Mongolen. Er schadet den pferdehaltenden Völkern durch -Wegführen der freiweidenden Stuten und wird deshalb mit Eifer verfolgt.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel35a" > - -<p class="captop">Tafel 35.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel35a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Assyrische Darstellung einer Jagd auf Onager (nach Keller auf - Przewalskis Wildpferd) am Palast des Assurbanipal in Kujundschik, etwa - 668 v. Chr.<br /> - (Nach Keller, Die Abstammung der ältesten Haustiere.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel35b" > - <img class="w100" src="images/tafel35b.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><div class="capright">(<span class="antiqua">Copyright by M. - Koch, Berlin.</span>)</div> - Przewalskis Wildpferd.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel36" > - -<p class="captop">Tafel 36.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel36.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Der Assyrerkönig Assurbanipal (668–626 v. Chr.) in einem von - drei Pferden gezogenen Streitwagen auf der Löwenjagd. (Nach einer - Photographie von Mansell & Cie. in London.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel36_gross.jpg" id="tafel36_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Dieselben Charaktereigenschaften zeigen auch die anderswo, namentlich -in Argentinien verwilderten Pferde, die als Cimarrones in großen Herden -die Pampas bewohnen. Nach Azara sollen sie von fünf bis acht bei der -Aufgabe der 1535 gegründeten Stadt Buenos Aires zurückgebliebenen -und sich selbst überlassenen Hauspferden stammen. Als im Jahre 1580 -derselbe Platz wieder besiedelt wurde, fand man bereits eine Menge -verwilderter Pferde vor, die aus diesen zurückgelassenen hervorgegangen -waren. Dies ist der Ursprung der unzählbaren Pferdescharen, die sich in -der Folge am Rio de la Plata (dem Silberstrom) herrenlos umhertrieben -und von denen jeder nach Belieben einfangen und für sich gebrauchen -konnte. Die Indianer der Pampas machen Jagd auf sie, um ihr Fleisch zu -essen. Sie fangen auch manche, um sie zu zähmen und als Reittiere zu -gebrauchen, wie sie es den Weißen absahen. Die Spanier jedoch machen -kaum mehr Gebrauch von ihnen. Höchst selten fängt man einen Wildling, -um ihn zu zähmen. Die in Paraguay vorkommenden Pferde sind zwar nicht -herrenlos, leben aber beinahe so frei wie diese, indem sie ebenfalls -das ganze Jahr unter freiem Himmel zubringen. Alle acht Tage treibt -man sie zusammen, damit sie sich nicht versprengen, untersucht ihre -Wunden, bestreicht sie mit Lehm und schneidet ihnen alle drei Jahre die -Mähne und den Schwanz ab, um das Roßhaar zu verkaufen. An Veredelung -derselben denkt niemand.</p> - -<p>Rengger schreibt über sie: „Gewöhnlich leben die Pferde truppweise in -einem bestimmten Gebiet, an welches sie von Jugend auf gewöhnt worden -sind. Jedem Hengste gibt man 12–18 Stuten, welche er zusammenhält und -gegen fremde Hengste verteidigt. Die Füllen leben mit ihren Müttern -bis ins dritte oder vierte Jahr. Diese zeigen für jene, solange sie -noch saugen, große Anhänglichkeit und verteidigen sie zuweilen sogar -gegen den Jaguar. Wenn die Pferde etwas über zwei oder drei Jahre alt -sind, wählt man unter den jungen Hengsten einen aus, teilt ihm junge -Stuten zu und gewöhnt ihn mit denselben in einem besonderen Gebiete zu -weiden. Alle Pferde, die zu einem Trupp gehören, mischen sich nie unter -andere und halten so fest zusammen, daß es schwer hält, ein weidendes -Tier von den übrigen zu<span class="pagenum"><a id="Seite_186"></a>[S. 186]</span> trennen. Werden sie miteinander vermengt, -z. B. beim Zusammentreiben aller Pferde einer Meierei, so finden sie sich -nachher gleich wieder auf. Die Tiere zeigen übrigens nicht allein für -ihre Gefährten, sondern auch für ihre Weiden große Anhänglichkeit. -Ich habe welche gesehen, die aus einer Entfernung von 80 Stunden auf -die altgewohnten Plätze zurückgekehrt waren. Um so sonderbarer ist -die Erscheinung, daß zuweilen die Pferde ganzer Gegenden aufbrechen -und entweder einzeln oder haufenweise davonrennen. Dies geschieht -hauptsächlich, wenn nach trockener Witterung plötzlich starker Regen -fällt, und wahrscheinlich aus Furcht vor dem Hagel, welcher nicht -selten das erste Gewitter begleitet.</p> - -<p>Die Sinne dieser fast wild lebenden Tiere scheinen schärfer zu sein -als die europäischer Pferde. Ihr Gehör ist äußerst fein; bei Nacht -verraten sie durch Bewegungen der Ohren, daß sie das leiseste, dem -Reiter vollkommen unhörbare Geräusch vernommen haben. Ihr Gesicht ist, -wie bei allen Pferden, ziemlich schwach; aber sie erlangen durch ihr -Freileben große Übung, die Gegenstände aus bedeutender Entfernung zu -unterscheiden. Vermittelst ihres Geruchsinnes machen sie sich mit ihrer -Umgebung bekannt. Sie beriechen alles, was ihnen fremd erscheint. Durch -diesen Sinn lernen sie ihren Reiter, das Reitzeug, den Schuppen, in dem -sie gesattelt werden, usw. kennen, durch ihn wissen sie in sumpfigen -Gegenden die bodenlosen Stellen auszumitteln, durch ihn finden sie in -dunkler Nacht oder bei dichtem Nebel den Weg nach ihrem Wohnorte oder -nach ihrer Weide. Gute Pferde beriechen ihren Reiter im Augenblicke, -wenn er aufsteigt, und ich habe solche gesehen, welche denselben gar -nicht aufsteigen ließen oder sich seiner Leitung widersetzten, wenn er -nicht einen Poncho oder Mantel mit sich führte, wie ihn die Landleute, -welche die Pferde bändigen und zureiten, immer tragen. Auf größere -Entfernung hin wittern sie freilich nicht. Ich habe selten ein Pferd -gesehen, welches einen Jaguar auf 50 Schritte gewittert hätte. Sie -machen daher in den bewohnten Gegenden von Paraguay die häufigste Beute -dieses Raubtieres aus.“</p> - -<p>Das Leben der verwilderten Pferde in den weiter nach Norden hin -gelegenen Llanos hat Alexander von Humboldt aus eigener Anschauung -meisterhaft geschildert. Diese Herden werden viel von den Indianern -nicht nur des Fleisches und der Häute wegen verfolgt, sondern auch um -sie zu fangen und als Reittiere zu verwenden. Dabei quälen sie die mit -dem Lasso eingefangenen jungen Tiere so lange, bis sie durch Hunger und -Durst klein beigeben und den Menschen auf<span class="pagenum"><a id="Seite_187"></a>[S. 187]</span>sitzen lassen. Überall ist -bei den Rothäuten der Pferdediebstahl ein für ehrenvoll angesehener -Beruf, dem sie sich mit Eifer hingeben.</p> - -<p>Bau und Eigenart des Pferdes weisen auf die weite Steppe als die -ursprüngliche Heimat dieses Schnelläufers hin. Und zwar hat nicht -sowohl das Fluchtvermögen vor etwaigen Feinden, als die Notwendigkeit, -in Trockenzeiten weite Strecken von einem nicht ausgetrockneten -Tümpel zum andern zurücklegen zu müssen, wie bei den Wildeseln -auch beim Wildpferd aus der ursprünglich vorhandenen Fünfzehigkeit -die Stelzenfüßigkeit eines einzigen, des mittleren Zehens bewirkt. -Diese Einhufer sind die Endglieder einer einseitigen Entwicklung zur -Erlangung möglichst großer Schnelligkeit. So ist auch das einzige -heute noch lebende Wildpferd im eigentlichen Sinne des Wortes — und -nicht nur ein verwildertes Pferd — das von dem russischen Reisenden -Przewalski 1879 in Innerasien entdeckte <em class="gesperrt">Przewalskische Pferd</em>. -Während seines Aufenthaltes im Militärposten von Saisan erhielt er das -Fell und den Schädel eines wilden Pferdes, das die Kirgisen in der -Sandwüste Kanabo erlegt hatten. Das Exemplar gelangte in den Besitz des -Museums der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg -und wurde von Poljakow unter dem Namen <span class="antiqua">Equus przewalski</span> als -neue Art beschrieben. Alles deutet mit Sicherheit darauf hin, daß wir -es hier mit einer echten Wildform und nicht wie beim Tarpan mit einem -verwilderten Hauspferd zu tun haben. Dieses Wildpferd haben seither -auch andere europäische Reisende in der Dsungarei, d. h. den Wüsten -zwischen Altai und Tianschangebirge, beobachtet und teilweise in -lebenden jungen Exemplaren nach Europa gebracht. So vermochte Büchner -1899 zehn Fohlen, die von säugenden zahmen Mongolenstuten genährt -wurden, mit ihren Pflegemüttern nach Südrußland zu bringen, wo sie im -großen Wildpark von Falz-Fein in Askania nova akklimatisiert wurden. -Später hat dann der unternehmende Tierhändler Karl Hagenbeck in -Stellingen bei Hamburg ebenfalls durch eine eigene, sehr kostspielige -Expedition über ein Dutzend Wildpferdfohlen aus der Dsungarei zu holen -vermocht, um damit in Deutschland vielversprechende Zuchtversuche zu -machen.</p> - -<p>Das Przewalskische Pferd — von den Kirgisen Kertag, von den Mongolen -Taki genannt — lebt in Herden von 5–15 Stück unter Anführung eines -alten Hengstes. Seine Statur ist klein, fast ponyartig; es ist mit -einem zottigen Haarpelz von hellgraubrauner Farbe bedeckt, das an -den Beinen vom Knie an bis zu den Hufen dunkler wird. Die Ohren -sind kurz, die dunkle Mähne ist im Gegensatz zu<span class="pagenum"><a id="Seite_188"></a>[S. 188]</span> demjenigen des -domestizierten Pferdes aufgerichtet, ferner fehlt ein Stirnschopf und -die Schweifwurzel ist kürzer behaart. Übrigens besteht die kurze Mähne -aus zweierlei Haar, einem äußeren paarigen Streifen von graubrauner -Farbe an jeder Seite und einem mittleren schwarzen, der sich als -sogenannter Aalstreifen über den Rücken fortsetzt. Ebenso ist der -Schweif zweifarbig. Der kürzer behaarte Teil, die Schweifwurzel, ist -graubraun wie der Körper, der übrige Teil des Schweifes aber schwarz -gefärbt. Eine solche Färbungsverschiedenheit von Mähne und Schweif -findet sich als Rückschlag in einen früheren Zustand nur ganz selten -bei Hauspferden.</p> - -<p>Dieses Wildpferd hat offenbar schon der durch Sibirien reisende -Deutsch-Russe Pallas gekannt. Er beschrieb es unter dem Namen <span class="antiqua">Equus -equiferus</span>. Der Russe Tscherski, der neuerdings eine genaue -Untersuchung des von Przewalski aufgebrachten Originalschädels vornahm, -betonte, daß man es hier mit einem den echten Pferden zugehörenden Tier -zu tun hat. Der Hirnteil erreicht eine Breite, die über dem Mittel der -Vertreter orientalischer Pferde steht, die Stirnknochen erscheinen -flach und die Nasenbeine verschmälern sich langsam nach vorn, also -nicht plötzlich wie beim Esel. Der Schädel steht seinem ganzen Bau -nach demjenigen des russischen Pferdes am nächsten. Seither hat auch -Tichomiroff durch erneuerte Untersuchungen festgestellt, daß dieses -zweifellos wilde und nicht nur verwilderte Pferd, das früher wohl -weit über Innerasien verbreitet war, tatsächlich dem Hauspferd sehr -nahesteht. Wir haben in ihm die Stammquelle der zuerst domestizierten -asiatischen Pferde zu erblicken.</p> - -<p>Zweifellos ist irgendwo in Zentralasien, vermutlich von einem -turanischen Volke, ein dem Przewalskischen nahestehendes Wildpferd, -jung eingefangen und gezähmt, zum Gehilfen des Menschen erhoben und an -seine Gegenwart gewöhnt worden. Von den weiten Ebenen Turans kam es -zu Ende des vierten vorchristlichen Jahrtausends nach dem Berglande -Iran und von da nach Mesopotamien, wo es kennzeichnenderweise den -Namen „Esel des Ostens“ oder „Esel des Berglandes“ erhielt. Da dort -der Onager als Wildling heimisch und zudem der Esel als Haustier -bekannt war, benannte man diesen Verwandten einfach nach ihm mit einem -unterscheidenden Beinamen. Wie in Babylonien war es um 2000 v. Chr. -auch in Indien bekannt. Auch in China ist seine Einfuhr eine sehr alte; -wenigstens verwendete man es nach den Angaben des Schuking schon etwa -2000 Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_189"></a>[S. 189]</span></p> - -<p>Als vornehmstes Werkzeug des Krieges wurde es im Zweistromland bei -den kriegerischen Assyriern, nach der Fülle der auf uns gekommenen -Pferdedarstellungen zu schließen, in großer Menge gezogen. Meist -begegnet uns auf den altassyrischen Monumenten ein langschweifiges -Pferd, daneben eine andere Rasse mit kurzem Schweif und nackter Rübe. -Außer zum Reiten diente es vornehmlich zum Ziehen des zweiräderigen -Kriegswagens, auf welchem fechtend die Schwerbewaffneten in den -Kampf zogen. Außer dem mächtigen König von Assur benutzten auch -seine Generale und Unterführer den von einem Wagenlenker geleiteten -Kriegswagen bei ihren Feldzügen. Offenbar war der zweiräderige Wagen -bei den Assyriern viel populärer als das Reiten auf dem Pferde, ohne -Bügel, nur auf einer Decke sitzend.</p> - -<p>Im alten Reiche Ägyptens war das Pferd völlig unbekannt; als Last- -und Arbeitstier wurde damals ausschließlich der Esel gehalten. Nicht -anders war es noch im Mittleren Reich (2160–1788 v. Chr.). Erst -im 17. Jahrhundert, um 1680 v. Chr., scheinen die Hyksos — oder -Schasu(beduinen), wie sie von den Ägyptern genannt werden — das -Pferd aus Westasien, wo es überall Eingang gefunden hatte, nach dem -bis dahin ziemlich abgeschlossenen Niltal gebracht zu haben. Hier -bürgerte es sich rasch ein und erscheint dann von der 18. Dynastie an -(1580–1350 v. Chr.) unter den Tutmosis und Amenophis, dann namentlich -in der 19. Dynastie (1350–1205 v. Chr.) unter den Ramses und Sethos -als hochgeschätztes Haustier, dem von den Großen sorgfältige Pflege -angediehen lassen wurde. Mit dem asiatischen Kriegswagen wurde das -Tier, nach asiatischer Weise daran angespannt, zum Ziehen desselben -verwendet. Die ägyptische Bezeichnung <span class="antiqua">sus</span> für Pferd ist ein -semitisches Wort und die ägyptische Benennung des Streitwagens ist -ebensosehr semitisch und dem Hebräischen fast vollständig gleich. -Nach den spärlichen Stellen im Alten Testament, da vom Pferde und von -dem von ihm gezogenen Kriegswagen die Rede ist, sind dies Attribute -der kriegerischen Nachbarn und Feinde des Volkes Israel, an denen es -keinen Teil hat. Als Haus- und Herdentier der altjüdischen Patriarchen -erscheint es durchaus nicht und nimmt auch an den Wanderungen und -Kämpfen der Juden keinen Anteil. Bei ihnen wie bei den Ismaeliten -oder Arabern ist es zuerst der Esel und später das Kamel, auf dem sie -reiten. In Übereinstimmung damit berichtet Herodot von den im Heere -des Xerxes weilenden Arabern: „Die Araber waren alle auf Kamelen -beritten, die den Pferden an Schnelligkeit nicht nachgaben.“ Auch nach -Strabor gab es im Glücklichen Arabien keine Pferde, noch Maultiere;<span class="pagenum"><a id="Seite_190"></a>[S. 190]</span> -denn er schreibt: „An Haus- und Herdetieren ist dort Überfluß, wenn -man Pferde, Maultiere und Schweine ausnimmt.“ Ähnlich sagt er vom -Lande der Nabatäer: „Pferde sind in dem Lande keine; deren Stelle in -der Dienstleistung vertreten die Kamele.“ Dabei war dieser Autor, der -Freund und Genosse des Älius Gallus, des Feldherrn, der die große -mißlungene Expedition nach Arabien gemacht hatte, über diese Halbinsel -so genau wie nur sonst jemand in damaliger Zeit unterrichtet. Noch -in der Schlacht bei Magnesia, in der er 190 v. Chr. zum zweitenmal -den Römern erlag, führte Antiochus der Große, wie einst Xerxes, auf -Dromedaren berittene Araber ins Gefecht.</p> - -<p>Anders war es in Ägypten zur Zeit des Neuen Reiches (1580 bis 1205 v. -Chr.). Hier diente das Pferd nur ganz ausnahmsweise zum Reiten, ganz -gewöhnlich aber, schön aufgezäumt und mit einem wallenden Busche von -Straußenfedern geziert, zum Ziehen des leichten Kriegswagens, auf -dem der Pharao mit seinen Offizieren in die Schlacht zog. Da kämpfte -man in den in Westasien geführten Schlachten Wagen gegen Wagen, Mann -gegen Mann. Offenbar wurde auf die Pflege der Pferde große Sorgfalt -verwendet und viel Gewicht auf gute Rasse gelegt. Der Kutscher war -eine wichtige Person im vornehmen Hause, und selbst Prinzen leiteten -am Hofe das Gespann, das zwei Pferde zählte. Die Leibpferde erhielten -schöne Namen. So wird uns auf den Darstellungen der Feldzüge der -verschiedenen Pharaonen an den Tempelwänden jeweilen genau angegeben, -wie die Pferde hießen, die in dieser oder jener Schlacht das reich -ausgestattete Gespann des Königs zogen. Auf diese Weise wissen wir vom -Tempel in Theben, daß das Lieblingsgespann Ramses II. (1292–1225 -v. Chr.) „Sieg zu Theben“ und „Zufriedene Nura“ hieß. Es waren dies -die beiden Pferde, die eben jenen König im Jahre 1280 aus der großen -Gefahr retteten, als er mit geringer Begleitung dem Gros seines Heeres -vorauseilend bei der Stadt Kadesch am Orontes in einen Hinterhalt der -Chetiter unter ihrem König Mutallu gefallen war und jede Hoffnung, -heil aus der mißlichen Lage zu entrinnen, vergebens schien. Zum Dank -ließ dann der König, wie uns im Schlachtenbericht des Pentaur erzählt -wird, diesem seinem Gespann künftighin ganz ausnahmsweise sorgsame -Behandlung zuteil werden. Das Kriegsgespann Ramses III. (1198 -bis 1167 v. Chr.) trug die Namen: „Ammon siegt mit Macht“ und „Geliebt -von Ammon“. Nach den bildlichen Darstellungen sind es außerordentlich -edle, feurige Tiere von feinem Gliederbau und ziemlicher Größe mit -langer, flatternder Mähne und prächtigem Schweif, der<span class="pagenum"><a id="Seite_192"></a>[S. 192]</span> vielfach in der -Mitte geknotet wurde, damit er nicht am Boden schleife. Als bevorzugte -Nahrung erhielten sie statt Hafer, wie bei uns, Gerste, die bis auf -den heutigen Tag in den Mittelmeerländern ihre alte Bedeutung als -Pferdekraftmittel behielt.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="bild27" > - <img class="w100" src="images/bild27.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 27. König Sethos I. von Ägypten (regierte -von 1313–1292 v. Chr.) auf dem Kriegswagen gegen die Cheta in -Vorderasien kämpfend dargestellt. (Nach Wilkinson.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/bild27_gross.jpg" id="bild27_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Während die Ägypter neben den auf Kriegswagen kämpfenden Elitetruppen -keine auf Pferden berittene Mannschaft besaßen, ist es interessant -zu sehen, daß auf den zahlreichen Schlachtenbildern des 16. und 15. -Jahrhunderts v. Chr., als Ägypten seine Macht weit nach Westasien -ausdehnte, die Chetiter zwar auch vorzugsweise auf Kriegswagen -kämpften, daneben aber auch, im Gegensatz zu den Ägyptern, teilweise -auf Pferden ritten. So scheint in der Schlacht von Kadesch, in der -Ramses II. das ägyptische Heer befehligte, ein berittener -Chetiter mit einem Bogen bewaffnet und ein anderer, ebenfalls zu -Pferd, eine Infanterieabteilung anzuführen. An einer Wand des großen -Reichstempels von Karnak in Theben sehen wir mitten unter den -Kanaanitern, die gegen die Stadt Askalon (im Text Askalunu genannt) -flüchten, noch einen auf einem Pferde sitzend dargestellt. Auch -die Assyrier (Rotennu) machen auf diesen Darstellungen neben dem -Kriegswagen vielfach vom Pferde auch zum Reiten Gebrauch. In zwei -Darstellungen aus der Zeit der 18. Dynastie, unter Tutmes III. -(1480–1447 v. Chr.) und Tutankhamen, sehen wir Assyrier dem Pharao -als Tribut wertvolle Rassepferde überbringen. Auch die Einwohner des -Libanon (Lemenu genannt) kennen neben den Kriegswagen Reiter.</p> - -<p>Damals besaß aber kein anderes Volk Afrikas außer den Ägyptern das -Pferd. Auf allen kriegerischen Darstellungen kämpfen sowohl die Neger -Äthiopiens, als auch die blonden Libyer (Lebu) stets zu Fuß und -besitzen außer Rindern und Schafen, die man durch die siegreichen -Ägypter fortgeführt werden sieht, keine Pferde. Das war allerdings -um die Mitte des letzten Jahrtausends v. Chr. anders; denn Herodot -berichtet uns, daß die Libyer von den Ufern des Tritonsees gewöhnlich -auf von vier Pferden gezogenen Kriegswagen kämpften. Es wäre merkwürdig -gewesen, wenn nicht mit der Zeit auch die Nachbarvölker dieses edle -Tier und das zu ihm gehörende Gerät, den leichten, zweiräderigen -Streitwagen, von den Ägyptern übernommen hätten. Erfahren wir doch, -daß das libysche Volk der Maschuasch schon zur Zeit Ramses III. -(1198–1167 v. Chr.) neben dem Esel auch schon das Pferd als Haustier -besaß, da dieser König nach einer ihm beigebrachten Niederlage laut -einer auf uns gekommenen Inschrift 183 Pferde und Esel von ihm -erbeutete.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_193"></a>[S. 193]</span></p> - -<p>In der zweiten Hälfte des vorletzten vorchristlichen Jahrtausends -hatte die Pferdezucht in Ägypten größere Ausdehnung erlangt, so daß -die westasiatischen Kulturvölker ihr edelstes Pferdematerial von dort -importierten. Zur Zeit des Königs Salomo, der von 993–953 v. Chr. -regierte, bezog der König von Israel viele Pferde seines prunkvollen -Hofhaltes und seiner Armee aus Ägypten und machte nebenbei noch ein -gutes Geschäft damit, indem er dieses vielbegehrte Material an die -Könige der Aramäer und Chetiter weiterverkaufte.</p> - -<p>Damals waren in Ägypten die Gestüte königliches Eigentum, dem die -Könige große Aufmerksamkeit schenkten. In Dschebel Barkal (dem alten -Nepata) fand Mariette eine merkwürdige Stele, auf der erzählt wird, -wie ums Jahr 745 v. Chr. der äthiopische König Pianki Meriamen das -damals von zahlreichen, aufeinander eifersüchtigen kleinen Fürsten -beherrschte Ägypten eroberte. Aus der Schilderung erfahren wir unter -anderem, daß die Aufzucht des Pferdes für den Export damals eine der -wichtigsten Einnahmequellen des Landes war. Jeder der zahlreichen -Teilkönige besaß einen Marstall und ein Gestüt, dessen beste Pferde er -dem damals siegreich vordringenden Könige der Äthiopier anzubieten sich -beeilte. Letzterer nahm diese Geschenke stets wohlwollend in Empfang. -Seine erste Sorge, wenn er wiederum ein neues Teilreich erobert hatte, -war, in höchst eigener Person die königlichen Marställe und Gestüte zu -besichtigen. In einer Stadt, Hermopolis in Mittelägypten, fand er diese -Etablissemente vernachlässigt und die Pferde schlecht gehalten. Da -geriet er in großen Zorn und rief aus: Bei meinem Leben, bei der Liebe -des Gottes Re, der den Atem meiner Nase erneuert, es gibt in meinen -Augen keinen größeren Fehler, als meine Pferde hungern zu lassen!</p> - -<p>Bei solcher Wertschätzung der ägyptischen Pferdezucht kann es uns -nicht wundern, daß 80 Jahre später, im Jahre 665, als der assyrische -König Asurbanipal die ägyptische Residenzstadt Theben einnahm und -plündern ließ, er vor allem in dem uns noch erhaltenen Beuteverzeichnis -in Keilinschrift, das das Britische Museum besitzt, „große Pferde“ -erwähnt. Diese Bezeichnung verdient besonders gewürdigt zu werden, denn -sie schließt sich an die dieselbe Tatsache bezeugenden Darstellungen -an den Tempelwänden zur Zeit der jüngeren Dynastien Ägyptens an, -woraus hervorgeht, daß sich mit der Zeit in Ägypten eine besondere -Pferderasse gebildet hatte, die größer und stärker war als die in -Syrien und Babylonien gezüchtete. Es ist zweifellos diejenige Rasse, -die sich unverändert in Dongolah, im Innern, erhielt<span class="pagenum"><a id="Seite_194"></a>[S. 194]</span> und den mit -Wattepanzern aus Baumwolle für Pferde und Mensch umgebenen Reitern als -hochgeschätztes Kriegsmittel dient.</p> - -<p>Durch die Handelsbeziehungen mit Ägypten und Vorderasien hat auch das -alte Kulturvolk der Mykenäer auf Kreta und den Ländern am Ägäischen -Meer schon vor der Mitte des vorletzten Jahrtausends v. Chr. das Pferd -und den von ihm gezogenen zweiräderigen Kriegswagen kennen gelernt und -übernommen. So treffen wir schon in den ältesten Partien der Ilias, die -teilweise noch Erinnerungen an jene älteste Kulturblüte Griechenlands -wach erhält, das Pferd und den Kriegswagen als geschätzte Artikel -erwähnt. Sie erwähnt auch in erster Linie der Held Achilleus, wenn er -von der ägyptischen Hauptstadt spricht:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">„Theben, die hunderttorige Stadt, es fahren aus jedem</div> - <div class="verse indent0">Tor zweihundert Männer heraus mit Rossen und Wagen.“ —</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Unter diesen Wagen sind natürlich ausschließlich Kriegswagen gemeint. -Auf einer frühmykenischen Grabstele aus Agamemnons einstiger Residenz, -dem „goldreichen Mykene“, sehen wir in ungeschickter, roher Darstellung -einen Mann auf einem von zwei Pferden bespannten leichten Streitwagen -dahinfahren. Und überall in der Ilias ist bei den Kämpfen zwischen -den Griechen und Troern vor Ilions Veste vom feurigen Renner und -dem von ihm gezogenen Streitwagen die Rede, auf dem die Helden in -die „männermordende Feldschlacht“ zogen, nachdem sie sich „zum -Kampfe gegürtet“, d. h. das bis zu den Knien reichende Hemd mit ganz -kurzen Ärmeln, den Chiton, damit er nicht die Bewegungen hindere, -hinaufgenommen und mit einem Ledergürtel in dieser Stellung fixiert -hatten. Dann hatten sie die ledernen Beinschienen angezogen, die -zum Schutze der Schienbeine vor dem Anschlagen des gewaltigen, den -ganzen Mann bis zum Kinn vor den feindlichen Geschossen deckenden -Lederschildes dagegen dienten. Dieser ursprünglich von einer ganzen, -bis 50 <span class="antiqua">kg</span> wiegenden Rindshaut, später aus mehreren solchen -hergestellte Schild war in der Mitte zum besseren Schutze eingezogen -und daran waren zwei Querspreizen befestigt, an denen man ihn halten -konnte. Für gewöhnlich geschah dies aber nicht, wie es mit dem erst -später aufgekommenen kleinen Rundschild geschah, sondern der Schild -wurde an einem Tragriemen getragen, der auf der nackten rechten -Schulter auflag. Auf der Brust und auf dem Rücken kreuzte sich der -letztere mit dem Riemen, der auf der linken Schulter auflag und an -welchem auf der rechten Seite das Schwert getragen wurde. Beim Gehen -trug man den Riesenschild auf dem Rücken, im Kampfe dagegen vor sich; -beim Rückzuge nahm man<span class="pagenum"><a id="Seite_195"></a>[S. 195]</span> ihn wieder auf den Rücken. Welches Gewicht -diese Riesenschilde gelegentlich gehabt haben müssen, kann man sich -vorstellen, wenn man in der Ilias vom siebenhäutigen Schilde des -starken Priamossohnes Hektor liest.</p> - -<p>Bei solcher schweren Bürde waren die Helden gezwungen, in einem -zweiräderigen Streitwagen, in welchem sie den gewaltigen Schild vor -sich hinstellen konnten, in die Schlacht zu fahren. Dort angekommen, -kämpften sie stets zu Fuß, Mann gegen Mann, und nicht vom Wagen herab -wie die Vorderasiaten und Ägypter. In der Ilias sind nur fünf, und -zwar alles nachweisbar späte Stellen, in welchen auch von den Griechen -von dem mit zwei flinken Pferden bespannten Wagen herab gekämpft wird. -Auch zum Fliehen bediente man sich wiederum des Wagens, indem der außer -Schußweite auf den Ausgang des Einzelkampfes wartende Wagenlenker bei -Bedrängnis seines Herrn rasch herbeieilte, um ihn aufzunehmen und in -Sicherheit zu bringen. Bei Homer haben nur die Bogenschützen keine -Schilde und fahren deshalb nie. Ja, ein Held, der zwölf Wagen und die -dazu gehörenden prächtigen Doppelgespanne sein Eigen nannte, ließ -diese seine Habe vorsichtigerweise zu Hause und kämpfte zu Fuß als -Bogenschütze.</p> - -<p>Der Panzer ist dem homerischen Epos durchaus fremd und war bei dem -vorhin beschriebenen gewaltigen Schilde durchaus unnötig, ganz -abgesehen davon, daß er den Mann, der am schweren Schilde genug zu -schleppen hatte, noch unnötig beschwert hätte. Selbst der Kriegsgott -Ares trug nach der Schilderung in der Ilias keinen Panzer. Die einzige -Bewaffnung der Helden wie auch ihres Anführers ist außer dem Helm -von Leder, vielfach mit Eberzähnen überstickt, wie solche in einem -Volksgrabe von Mykenä gefunden wurden, und dem vorgenannten großen -Schild der mäßig lange Wurfspeer und das kurze Schwert an der rechten -Seite. Wer unbeschildet war, trug Pfeil und Bogen. Wer aber als -„Schwerbewaffneter“ in den Kampf zog, ließ sich, wenn er es irgendwie -vermochte, auf dem Streitwagen dahin führen. So begreifen wir die -Notwendigkeit der homerischen Helden, einen Streitwagen zu führen, und -fühlen mit dem Dichter, der das edle Pferd als Liebling und Begleiter -der Krieger in prächtigen Schilderungen verherrlicht, wie etwa in der -folgenden:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">„Gleich wie das Roß, das lang im Stall sich genährt an der Krippe,</div> - <div class="verse indent0">Seine Fessel zerreißt und stampfenden Hufs durch die Ebne</div> - <div class="verse indent0">Rennt, sich zu baden gewohnt in dem schön hinwallenden Strome,</div><span class="pagenum"><a id="Seite_196"></a>[S. 196]</span> - <div class="verse indent0">Strotzend von Kraft; hoch trägt es das Haupt und umher an den Schultern</div> - <div class="verse indent0">Flattern die Mähnen empor. Im Gefühl der eigenen Schönheit</div> - <div class="verse indent0">Tragen die Schenkel es leicht zur gewohnten Weide der Stuten, —</div> - <div class="verse indent0">So schritt Priamos Sohn von Pergamons Veste hernieder,</div> - <div class="verse indent0">Paris im leuchtenden Waffenglanz, der Sonne vergleichbar,</div> - <div class="verse indent0">Freudig und stolz, rasch trugen die Schenkel ihn —“</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>In der klassischen Zeit Griechenlands waren die großen, -schweren Schilde, wie auch die Streitwagen zum Transporte der -„schwerbewaffneten“ Helden außer Gebrauch gekommen; dafür führte man -am linken Arm getragene kleine Rundschilde und einen Panzer, wenn man -zu Fuß ging, keinen Panzer dagegen, wenn man zu Pferde kämpfte. In -letzterem Falle ritt man ohne Sattel und Bügel auf dem Pferderücken, -dem man höchstens etwa eine Decke auflegte. Jeder von uns kennt ja -die Art des Reitens der Griechen und später auch der Römer an den -mancherlei auf uns gekommenen antiken Darstellungen von Reitern, in -erster Linie von der herrlichen Darstellung reitender junger Athener -am Panathenäenzuge auf dem berühmten Friese des Parthenon und an den -mancherlei Grabdenkmälern in Germanien verstorbener römischer Soldaten. -Schon der griechische Feldherr und Staatsmann Xenophon schrieb zu -Beginn des 4. Jahrhunderts v. Chr. ein Werk über die Reitkunst. Darin -ist von den Regeln die Rede, nach welchen man die Güte eines Pferdes -beurteilen, es dressieren und reiten soll, fernerhin ist angegeben, wie -Roß und Mann angetan sein und wie Speer und Schwert gebraucht werden -sollen.</p> - -<p>Das berühmteste aller Pferde von Griechen, die nebenbei bemerkt -ausnahmslos von edler asiatischer Zucht waren, war das Leibroß -Alexanders des Großen (356–323 v. Chr.), Bukephalos, d. h. Stierkopf, -mit Namen. Nach den Angaben in der Naturgeschichte des älteren Plinius -soll Alexanders Vater Philippos es ihm, als er noch ganz jung war, aus -der Herde des Pharsaliers Philonikos um den Preis von 13 Talenten, -d. h. 45000 Mark, gekauft haben, weil es ihm so wohl gefiel. „Obgleich -dieses Pferd für gewöhnlich jeden Reiter aufnahm, so litt es doch, wenn -es mit dem königlichen Schmucke geziert war, keinen als Alexander. -Vorzügliche Dienste leistete es in Schlachten: bei der Belagerung -von Theben (im Jahre 335) ließ es, obgleich schwer verwundet, den -König doch nicht auf ein anderes steigen.“ Später gab es noch andere -Beweise seiner Klugheit und Anhänglichkeit,<span class="pagenum"><a id="Seite_197"></a>[S. 197]</span> begleitete seinen Herrn -bis nach Indien und als es einige Zeit nach der Schlacht gegen König -Porus „entweder an seinen Wunden oder an Altersschwäche starb,“ wie -sich der Geschichtschreiber Plutarch ausdrückt, „betrauerte Alexander -dasselbe wie einen Freund und baute ihm zu Ehren am Hydaspes die Stadt -Bukephaleia. — Er soll auch einem seiner Hunde, welcher Peritas hieß, -zu Ehren eine Stadt gebaut haben.“</p> - -<p>Nach demselben Plinius soll wie Alexanders, so auch Julius Cäsars -Pferd keinen andern Reiter auf sich gelitten haben. Dieses Pferd -soll Menschenfüßen ähnliche Vorderfüße besessen haben, „was auch an -seiner vor dem Venustempel aufgestellten Bildsäule ausgedrückt ist“. -Er meint damit wohl die unschönen langen Hufe, die lange im Stall -stehende Pferde bekommen. Daß nun der stolze Diktator Cäsar einen -solchen minderwertigen Gaul gehabt haben soll, ist kaum anzunehmen, -noch weniger, daß er sich mit einem solchen Klepper auf einer Bildsäule -verewigt habe.</p> - -<p>Noch vieles sonst weiß dieser Autor von Pferden zu sagen, von dem -wir Einiges hier mitteilen möchten. Er schreibt: „Als vorzüglich -werden die skythischen Pferde gerühmt. Als ein Anführer der Skythen -in einem Zweikampfe getötet worden war, wurde sein Feind, da er ihm -die Waffen abnehmen wollte, von dessen Pferd durch Biß und Hufschlag -niedergemacht. Die Gelehrigkeit der Pferde ist so groß, daß alle Pferde -der sybaritischen Reiterei nach dem Takte der Musik zu tanzen gewöhnt -waren. — Die Pferde haben ein Vorgefühl von bevorstehenden Schlachten, -trauern über ihren verlorenen Herrn und vergießen zuweilen Tränen der -Sehnsucht. Als König Nikomedes getötet worden war, hungerte sich sein -Pferd zu Tode. Phylarchus erzählt, daß, als der Galater Centaretus -das Pferd des in der Schlacht gefallenen Antiochus siegestrunken -bestiegen hatte, das edle Tier sich unwillig in die Zügel gelegt und in -einen Abgrund gestürzt habe, so daß beide zerschmetterten. Philistus -schreibt, das Pferd des Dionysius sei von diesem im Schlamme steckend -verlassen worden, habe sich wieder herausgearbeitet, sei den Spuren -seines Herrn nachgezogen, unterwegs habe sich ein Bienenschwarm an -seine Mähne gehängt. Durch diese gute Vorbedeutung ermutigt, habe sich -Dionysius dann der Herrschaft bemächtigt.</p> - -<p>Die unbeschreibliche Klugheit der Pferde lernen diejenigen schätzen, -welche reitend den Speer werfen, denn sie unterstützen des Reiters -Anstrengung durch die Stellung ihres Körpers. Die auf der Erde<span class="pagenum"><a id="Seite_198"></a>[S. 198]</span> -liegenden Speere heben sie auf und reichen sie dem Reiter. (Plinius, -ein tüchtiger Reitergeneral, schrieb ein besonderes Buch „über die -Kunst des Kavalleristen, den Speer zu werfen“.) — Die in der Rennbahn -zum Wettlauf Angeschirrten zeigen deutlich, daß sie die Mahnungen -verstehen und den Ruhm zu schätzen wissen. Bei den Säkularspielen des -Kaisers Claudius wurde beim Wettlauf ein Wagenlenker namens Corax -(Rabe) vom Wagen geschleudert; aber seine Pferde kamen allen zuvor, -versperrten den einen den Weg, warfen andere um, kurz taten alles, -was sie unter der Leitung eines geschickten Wagenlenkers hätten tun -können, und standen zur Beschämung der Menschen zuerst am Ziele. — Für -eine wichtige Vorbedeutung galt es bei unsern Voreltern, daß Pferde -von einem Wagen, von welchem der Fuhrmann herabgestürzt war, als ob -er noch daraufstände, aufs Kapitol und dreimal um den Tempel liefen; -aber noch wichtiger schien es, als Pferde mit Kränzen und Palmzweigen -von Veji aufs Kapitol gerannt kamen. nachdem Ratumenna, der dort im -Wettlaufe gesiegt hatte, vom Wagen gestürzt war. Das Tor, durch das -sie hereinkamen, heißt seitdem das Ratumennische. Wenn die Sarmaten -(ein Nomadenvolk im Norden des Schwarzen Meeres) eine weite Reise -unternehmen wollen, so bereiten sie die Pferde tags zuvor durch Fasten -darauf vor, geben ihnen auch nur wenig zu saufen und reiten dann ohne -auszuruhen 150000 Schritte weit. — Hengste können 50 Jahre alt werden; -Stuten aber sterben früher. Hengste wachsen bis ins 6., Stuten bis ins -5. Jahr.“ Umgekehrt wie Plinius schreibt Aristoteles: „Der Hengst wird -35, die Stute über 40 Jahre; ja, es ist schon einmal ein Pferd 75 Jahre -alt geworden.“</p> - -<p>Welche Bedeutung die Pferde schon bei den Griechen, besonders aber bei -den Römern bei den Rennen zu Wagen und unter dem Reiter erlangt hatten, -ist aus mancherlei Angaben von Schriftstellern zu ersehen. So berichtet -Pausanias (der Bädeker des Altertums, dem wir wertvolle Nachrichten -über verschiedene Kultstätten und der darin aufgestellten Weihgeschenke -verdanken, er lebte im 2. Jahrhundert n. Chr.): „In der 66. Olympiade -gewann Kleosthenes zu Olympia den Preis im Wagenrennen und stellte dann -in Olympia den betreffenden Wagen nebst seiner eigenen Bildsäule und -der seines Wagenlenkers und seiner Pferde auf. Es sind auch die Namen -der Pferde (bei den Wettrennen mit Wagen in der Rennbahn fuhr man stets -mit einem Viergespann): Phönix, Korax, Knacias und Samos, angemerkt. -Auf dem Wagen steht die Aufschrift: „Kleosthenes aus Epidamnos hat<span class="pagenum"><a id="Seite_199"></a>[S. 199]</span> -mit Rossen im schönen Wettkampfe des Zeus gesiegt.“ — Der Korinthier -Phidolas hatte nach Olympia einen Wettrenner mit Namen Aura gebracht. -Dieser warf gleich beim Beginn des Laufes seinen Reiter ab, lief aber -doch ganz regelmäßig weiter und gewann den Preis. Phidolas bekam die -Erlaubnis, die Bildsäule seines Pferdes zu Olympia aufzustellen“.</p> - -<p>Bei den Griechen wurden berühmte Pferde nicht nur im Leben, sondern -auch nach dem Tode ausgezeichnet und mit Denkmälern geehrt. So schreibt -Herodot: „Der Athener Kimon, Vater des Miltiades, siegte zu Olympia -dreimal mit dem Viergespann. Das Grab Kimons steht vor Athen an der -Hohlen Straße, ihm gegenüber das Grabmal seiner vier siegreichen Rosse. -Nur die Rosse des Lakoniers Euagoras haben es jenen gleichgetan.“ Aber -erst zur römischen Kaiserzeit wurde die Pferdeverehrung auf die Spitze -getrieben. So berichtet uns der Geschichtschreiber Dio Cassius: „Kaiser -Caligula hatte ein Pferd namens Incitatus (d. h. der Angespornte), -das mit ihm speiste, die Gerste aus einer goldenen Schüssel fraß, den -Wein aus goldenen Pokalen trank. Bei diesem Pferd pflegte der Kaiser -zu schwören; auch wollte er es zum Konsul ernennen, aber der Tod -vereitelte dieses Plänchen. — Der Kaiser baute sich auch selbst einen -Tempel, bestellte seine Gemahlin, sein Pferd und mehrere reiche Leute -zu Priestern und ließ sich täglich Vögel von delikatem Geschmack und -teurem Preise opfern. — Kaiser Nero hatte eine merkwürdige Liebhaberei -für Wettrennen. Waren ausgezeichnete Renner da, so ließ er sie einen -prachtvollen Staatsrock anziehen und ihnen regelmäßigen Gehalt -bezahlen. Dadurch kam es bald dahin, daß die Besitzer solcher Pferde -und deren Stallknechte so übermütig wurden, daß sie sich sogar gegen -Generäle und Konsuln flegelhaft benahmen. Der General Aulus Fabricius -wußte sich aber zu helfen und rächte sich damit, daß er Wagen mit -Hunden bespannte. — Kaiser Hadrian war ein sehr eifriger Jäger, brach -einmal auf der Jagd das Schlüsselbein und ward lahm, ließ aber seinem -Jagdpferde namens Borysthenes, als es gestorben war, eine Denksäule -mit einer Aufschrift setzen. — Kaiser Commodus hatte einen Wettrenner -gern, der Pertinax hieß. Als dieser einmal gesiegt hatte, schrieen -die Leute: ‚Pertinax ist Sieger!‘ Als das Pferd alt wurde, ließ ihm -Commodus die Hufe vergolden, eine vergoldete Schabracke auflegen und -befahl, es in den Zirkus zu führen. Als es da erschien, schrieen -die Leute: ‚Da kommt Pertinax!‘ Dies waren die Vorbedeutungen, die -anzeigten, daß der Ligurier Pertinax nach der Ermordung des Commodus -Kaiser werden<span class="pagenum"><a id="Seite_200"></a>[S. 200]</span> mußte“. Julius Capitolinus berichtet: „Kaiser Verus -trug stets das goldene Bild seines Pferdes namens Volucer bei sich. Er -fütterte das Tier mit Rosinen, Nuß- und Mandelkernen, er schmückte es -mit purpurfarbigen Schabracken und errichtete ihm, als es gestorben -war, auf dem Vatikan ein Grabmal“ und Älius Lampridius meldet: „Kaiser -Heliogabalus fütterte seine Pferde mit Rosinen, die er aus Apamea in -Phrygien bezog“.</p> - -<div class="figcenter illowe20" id="bild28" > - <img class="w100" src="images/bild28.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 28. Ein im Jahre 1900 in Schonen, Südschweden, - an einem vorgeschichtlichen Opferplatz ausgegrabener Pferdeschädel - mit noch in der Stirne steckendem abgebrochenem Steindolch in - Seitenansicht. (Nach Gunnar Andersson.)</div> -</div> - -<p>Nach Älian sollen die Oreïten und Adraster (indische Völker) ihre -Pferde mit Fischen gefüttert haben, ebenso die Kelten. Wir sahen -bereits bei der Besprechung des Rindes, daß man tatsächlich in -grasarmen Gegenden, so z. B. auf der Insel Island, zu einem solchen -Hilfsmittel griff und es an manchen Orten heute noch tut. Auch -scheinen die indogermanischen Stämme bis in die historische Zeit das -Pferdefleisch als besonderen Leckerbissen geliebt zu haben. Bei den -alten Germanen galt es als vornehmstes Opfer, ein Pferd zu schlachten -und dessen Fleisch beim Göttermahle zu verspeisen. Daß sich die -Gottheit besser des Opfers erinnere, wurde der abgefleischte und -des Gehirns entleerte Schädel gern am Dachfirst befestigt. Da nun -das Pferdefleischessen stets mit heidnischen Opfern verbunden war, -wurde dasselbe als minderwertig und unrein erklärt. Als alles dies -nichts fruchtete, wurde von Rom aus die Todesstrafe darauf gesetzt. -So vermochte man mit vieler Mühe den alten Deutschen die Freude am -Pferdefleischgenusse zu verleiden, so daß heute, da die Gründe, die zu -dessen Verbot führten, hinfällig geworden sind, die Tierschutzvereine -die größte Mühe haben, das damals dem Volke beigebrachte Vorurteil -zu beseitigen. Auch die Römer opferten jährlich im Oktober auf dem -Marsfelde dem Mars ein Pferd. Dieses hieß beim Volke das Oktoberpferd. -Ferner opferten die Massageten, Parther und Skythen ihrer<span class="pagenum"><a id="Seite_201"></a>[S. 201]</span> obersten -Gottheit Pferde, ebenso die Perser. Strabon berichtet, daß Alexander -der Große in Pasargadä, der alten Residenzstadt der Perserkönige, das -Grabmal des Cyrus von Magiern bewacht fand, denen täglich ein Schaf und -monatlich ein Pferd zur Nahrung verabreicht wurde. Neben dem Fleisch -haben nur die Steppenvölker Südrußlands und Asiens auch die Milch der -Pferde genossen, und zwar stellten sie mit Vorliebe daraus ein von den -Kirgisen als Kumis bezeichnetes berauschendes Getränk her. Bei den -Germanen war dies nicht der Brauch, wohl aber bei den Litauern und -Esten, die solche Sitte von den südöstlichen Nachbarn angenommen hatten.</p> - -<div class="figcenter illowe25_9375" id="bild29" > - <img class="w100" src="images/bild29.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 29. Der in der vorhergehenden Abbildung dargestellte - Pferdeschädel mit Steindolch in Rückansicht. Die ganze Form und Bearbeitung des - Dolches beweist, daß er der jüngeren schwedischen Steinzeit angehört. Die Art und - Weise, wie der Dolch in den Schädel hineingetrieben ist, zeigt, daß dies von - geübter Hand und mit großer Kraft zu Lebzeiten des bei irgend welchem Götterfeste - geopferten Tieres geschah; denn er ist, ohne den Schädelknochen auch nur im - geringsten zu splittern, 4,7 <span class="antiqua">cm</span> tief ins Gehirn - gedrungen und muß augenblicklich tödlich gewirkt haben.</div> -</div> - -<p>Bei den Germanen und den mit ihnen verwandten Wenden hatte das Pferd -eine besondere sakrale Bedeutung, indem es, besonders in weißgefärbten -Exemplaren, als dem Kriegsgott heiliges Tier galt, das man ihm zu -Ehren in dessen heiligen Hainen in halber Freiheit hielt, in der -Annahme, daß sich der Gott ebensosehr als der Mensch an solchem -Besitz erfreuen werde. Überreste von dieser uralten Sitte lassen sich -mehrfach in Ortsbezeichnungen nachweisen. So rührt das Mecklenburgische -Schwerin vom wendischen Worte Zuarin, das Tiergarten bedeutet, her. -Gemeint damit ist aber nicht ein Wildpark für das Jagdvergnügen der -Vornehmen, sondern ein heiliger Hain, in welchem das dem slavischen -Kriegsgotte Swantewit geheiligte Tier, das Pferd, gezüchtet wurde. -Solche Pferdezucht in eingehegten heiligen Bezirken läßt sich auch für -Deutschland nachweisen und hielt sich auch<span class="pagenum"><a id="Seite_202"></a>[S. 202]</span> nach der Einführung des -Christentums für profane Zwecke im Gebrauch. So hat Stuttgart, d. h. -Stutengarten, seinen Namen von dem Gestüt, das Kaiser Ottos I. -Sohn Liutolf im Jahre 949 in den dortigen Waldungen anlegte.</p> - -<p>Die Pferde der Germanen, die von den aus dem Süden und Osten -eingeführten orientalischen Pferden abstammten, waren nach den -Schilderungen der Römer nur unscheinbare, aber äußerst leistungsfähige -und gut dressierte Tiere. So berichtet Julius Cäsar darüber: „Die -Pferde der Germanen sind häßlich, jedoch durch die tägliche Übung sehr -ausdauernd. In der Schlacht springen die germanischen Reiter oft vom -Pferde, kämpfen zu Fuß und ziehen sich, wenn es sein muß, wieder zu -ihren Pferden zurück; denn diese sind gewohnt, die bestimmte Stelle -nicht zu verlassen. Sie reiten ohne Decke auf dem bloßen Pferde.“ -Vielfach war den Reitern als willkommener Kampfgenosse auch ein -Unberittener beigegeben, der sich beim Traben oder Galoppieren an -der Pferdemähne hielt, um folgen zu können. Solchermaßen schildert -uns Cäsar das Heer des germanischen Fürsten Ariovist, das aus 6000 -Reitern und ebensoviel Fußkämpfern bestand. Nach Dio Cassius galten -die Bataver, am Unterlaufe des Rheins, als die besten Reiter unter -den Germanen, die bewaffnet mit ihren Pferden sogar über den Rhein -schwammen, was den Römern einigermaßen imponiert haben muß.</p> - -<p>Am berühmtesten von allen Pferden Deutschlands waren im frühen -Mittelalter die thüringischen. König Hermanfried schenkte dem -Frankenfürsten Theoderich, aus dessen Familie er die Amelberg freite, -nach Landessitte mehrere weiße Pferde, wie Hochzeitspferde sein sollen. -Diese sollen besonders angenehm zum Reiten gewesen sein, „man schien -auf denselben zu ruhen,“ so sanft gingen sie. Sie wurden natürlich von -ihren Herrn mit besonderen Namen benannt, die uns teilweise erhalten -sind. So nannte Attila sein Lieblingspferd Löwe, ein anderes Leibpferd -Dunkelbraun. Ihr Preis war ein verhältnismäßig hoher, so daß als -Zugtier für die Landwirtschaft das Rind vorgezogen wurde. Galt doch -in einer Urkunde von 884 ein Pferd 10 Solidi, d. h. so viel als 10 -Kühe. Karl der Große verbesserte die Stutereien seiner Güter. Eine -solche hieß <span class="antiqua">stuot</span> und stand unter einem <span class="antiqua">mareskalk</span>, -d. h. Pferdeknecht. Dieser gehörte an den fürstlichen und bischöflichen -Hofhaltungen zu den vornehmsten Ministerialen oder hörigen -Dienstmannen, denen stets ein eigenes Pferd für ihren Dienst zustand. -Die Pferde wurden zur Arbeit stets beschlagen, und die Hengste, -damit sie ihr feu<span class="pagenum"><a id="Seite_203"></a>[S. 203]</span>riges Temperament mäßigen sollten, verschnitten. -Im 12. Jahrhundert erhielt das Stift Fulda noch 20 ungelernte Pferde -geschenkt. Wenn ein einzelner Mann so viel Pferde wegschenken kann, so -läßt dies vermuten, daß er eine ziemlich ausgedehnte Zucht gehabt haben -muß. Im Laufe des Mittelalters hat dann die Pferdezucht eine stetige -Verbesserung erfahren, bis sie sehr leistungsfähige Tiere lieferte.</p> - -<p>Das Hauspferd asiatischer Abstammung erschien nach den Funden in -Pfahlbauten schon zu Ende der jüngeren Steinzeit in Mitteleuropa in -einzelnen, allerdings noch seltenen Exemplaren, die jedenfalls als -wichtige Kriegsgehilfen sehr geschätzt waren. Erst in den Stationen -der Bronzezeit erscheint es häufiger, um erst in der Römerzeit in -Helvetien größere Verbreitung zu finden, wie wir aus den Überresten -beispielsweise der römisch-helvetischen Kolonie Vindonissa ersehen. Es -war wie alle orientalischen Pferde, von denen bis jetzt die Rede war, -leicht gebaut und besaß zierliche Gliedmaßen mit hohen zylindrischen -Hufen und einem feingezeichneten, im Profil mehr oder weniger konkaven -Kopf. Das trockene, d. h. wenig fleischige Gesicht trat bei ihm -gegenüber dem Hirnschädel zurück. Die Kruppe fiel nach hinten wenig -ab und die Schweifwurzel lag in der Verlängerung der Rückenlinie. Nun -finden wir zur Römerzeit in Helvetien neben dieser graziösen, auch -eine plumpere Rasse mit massigen Formen, einem schwergebauten Kopf -und kräftigen Gliedmaßen, mit flachen Hufen und starker Haarbildung -darüber. Das fleischige Gesicht ist im Verhältnis zum Hinterteil des -Schädels stark in die Länge gezogen. Das Schädelprofil erscheint bei -ihm, statt konvex wie beim vorigen, deutlich konkav, d. h. geramst. Die -Kruppe fällt steil ab und die Schweifwurzel springt aus der Rückenlinie -heraus. Zu diesen anatomischen Merkmalen kommen noch Unterschiede der -Bezahnung. So besteht bei diesem plumper gebauten Pferd ein durch die -ungewöhnlich starke Entwicklung des Gesichtsteils bedingtes mehr in die -Längegezogensein der Backenzähne. Dabei zeigen sie eine kompliziertere -Faltung des Schmelzüberzuges als die zierlichere orientalische Rasse.</p> - -<p>Während nun das im Schädelbau sich mehr dem Esel nähernde -<em class="gesperrt">orientalische</em> oder <em class="gesperrt">warmblütige Pferd</em> den Ahnherrn aller -schnellfüßigen Reit- und Wagenpferde darstellt, ist dieses plumpere, -aber kräftigere <em class="gesperrt">okzidentale</em> oder <em class="gesperrt">kaltblütige Pferd</em> der -Stammvater des schweren deutschen Karrengauls, dessen Vorfahren die -mit schwerer Rüstung für Mensch und Tier bewehrten mittelalterlichen -Ritter trugen, dann des flandrischen, normannischen und luxemburgischen -Karrengauls,<span class="pagenum"><a id="Seite_204"></a>[S. 204]</span> die sämtlich vorzügliche Arbeitspferde sind. Mit -ihrer breiten Brust und dem starken Körper repräsentieren sie den -herkulischen Pferdetypus. Dieser ging aus dem einheimischen kräftigeren -Wildpferde Europas hervor, das zu zähmen und in den menschlichen Dienst -zu stellen sehr nahe lag, nachdem man einmal an dem aus dem Morgenlande -hier eingeführten leichteren Hauspferde den Nutzen dieses Tieres -erkannt hatte.</p> - -<div class="figcenter illowe16_875" id="bild30" > - <img class="w100" src="images/bild30.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 30. Darstellung eines Wildpferdhengstes des - schwereren Schlages aus der Höhle von Combarelles mit allerlei zeltartigen - Figuren beschrieben, die fälschlicherweise manche Forscher annehmen ließen, es - liege hier ein halbgezähmtes Tier vor, das mit einer Decke versehen sei.<br /> - Breite der Originalzeichnung 1 <span class="antiqua">m</span>.<br /> - (Nach Capitan und Breuil.)</div> -</div> - -<p>Schon unter den diluvialen Wildpferden Europas lassen sich zwei Arten -unterscheiden, nämlich eine kleinere, leichte, die mehr im Süden -wohnte, und eine größere, derbere, die mehr im Norden lebte. Letztere -wurde besonders von Nehring genauer untersucht. Wie in Europa war es -sicher auch in Asien. Dort ist nun allerdings das zierlichere, mehr -im Süden lebende warmblütige Pferd zuerst gezähmt und in des Menschen -Dienst gestellt worden. Es hat sich dann im Laufe der Jahrhunderte in -verschiedene Schläge gespalten. Aber neben ihm gab es nach Norden zu -auch eine schwere, kaltblütige Art, die unabhängig vom okzidentalen -Pferde Europas gezähmt und in den Haustierstand übergeführt wurde. -Dieses schwere Pferd mit allen Kennzeichen der kaltblütigen -Rassengruppe, nur mit einigen Abweichungen im Schweifansatz, wie sie -für das Przewalskische Pferd typisch sind, ist in Mittelasien schon -frühe der Zähmung unterworfen und in den menschlichen Dienst gestellt -worden. So tritt es uns in typischer Weise, durch seine Kleinheit sich -als durch Zucht noch wenig verändertes Przewalski-Wildpferd zu erkennen -gebend, auf einem altpersischen Relief von Persepolis entgegen. Dort -dient es, reich geschirrt, zwei bärtigen Fürsten in langer Gewandung -und mit teils helm-, teils tiaraartiger Kopfbedeckung zum Reiten. Auch -die mit dem Przewalski-Pferd trefflich übereinstimmende Kleinheit -dieses Tieres tritt auf diesen Reiterbildnissen wie auf anderen Bildern -dieser Zeit, in denen die Tiere wie auf unserer Abbildung an einen -Kriegswagen angespannt geführt werden, deutlich hervor. In letzterem -Falle werden die Tiere<span class="pagenum"><a id="Seite_205"></a>[S. 205]</span> in der Weise geführt, daß der Führer den -Arm über den Rücken legt und so mit der Hand den Zügel der von ihm -abgewandten Seite hält.</p> - -<p>Wenn nun Krämer zeigte, daß nach der Schweiz, speziell Vindonissa, erst -die Römer schwere Pferde einführten, so können sie diese ganz gut aus -Asien bezogen haben; denn damals gab es nicht nur in Persien, sondern -auch in Kleinasien solche schwere, kaltblütige Schläge. So findet sich -beispielsweise auf einer Münze der kleinasiatischen Stadt Larissa die -charakteristische Darstellung eines kaltblütigen Pferdes. Diese Rasse -scheinen die Römer zur Berittenmachung ihrer schwerbewaffneten Reiterei -bevorzugt zu haben und führten sie deshalb bei sich ein. Durch Kreuzung -mit dieser wurde in der Folge das kleinere leichte Pferd, das über alle -Mittelmeerländer verbreitet war, etwas größer und stärker.</p> - -<div class="figcenter illowe33_125" id="bild31" > - <img class="w100" src="images/bild31.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 31. Altpersischer Kriegswagen von kleinen Pferden eines - schweren Schlages gezogen auf einem Relief in Persepolis. (Nach Sir Porter.)</div> -</div> - -<p>Sicher war das Hauspferd Europas zur Bronzezeit ein Abkömmling der -zierlichen warmblütigen asiatischen Rasse, wurde dann aber auch aus -dem massenhaft vorkommenden einheimischen Wildmaterial gezogen; denn -anders ist es nicht erklärlich, daß die Gallier schon im Jahre 280 v. -Chr. bei ihrem Einfall in Griechenland 60000 Reiter ins Feld stellen -konnten. Da dieser Volksstamm schon früher eine tüchtige Reiterei bei -sich ausgebildet hatte, kann es uns nicht wundern, daß sie in späterer -Zeit eine besondere Schutzgöttin der Pferde, namens Epona, verehrten. -Aus der ganzen Hinterlassenschaft der keltischen<span class="pagenum"><a id="Seite_206"></a>[S. 206]</span> Volksstämme läßt sich -ersehen, daß sie schon lange bevor sie mit der römischen Kultur bekannt -wurden, eine ausgebildete Pferdezucht trieben. Ihre Zuchtprodukte -wurden dann an die Nachbarn verhandelt. So kam das keltische Pferd auch -nach Spanien, das ebenfalls schon vor der Einnahme durch die Römer eine -blühende Pferdezucht besaß. Von Spanien aus drang dieses Pferd nach -Nordafrika vor; denn Publius Vegetius sagt ausdrücklich, daß die Pferde -der römischen Provinz Afrika (dem heutigen Algerien) spanischen Blutes -seien.</p> - -<p>Was die warmblütigen orientalischen Pferde anbetrifft, so ist heute -der edelste Vertreter derselben der <em class="gesperrt">Araber</em>, der in reinster -Rasse vorzugsweise in der Nedjed genannten unwirtlichen Hochebene -Mittelarabiens gezogen wird und mit Recht den höchsten Stolz seines -Besitzers ausmacht. Die Araber unterscheiden viele Familien ihrer -Pferde, über die sie genaue Stammbäume führen, und jeder Stamm rühmt -sich im Besitze einer besonders guten Rasse zu sein. Im ganzen -unterscheidet man 21 Blutstämme oder Familien, von denen die 5 -vornehmsten unter dem Namen „Khamsa“ zusammengefaßt werden. Sie sollen -angeblich von den 5 Stuten Salomos abstammen.</p> - -<p>Wie überaus hoch der Araber diese hochedeln Tiere, die ja tatsächlich -seinen wichtigsten Besitz ausmachen, schätzt, das beweisen die -Lobeserhebungen, die er ihnen spendet: „Sage mir nicht, daß dieses Tier -mein Pferd ist; sage, daß es mein Sohn ist! Es läuft schneller als der -Sturmwind, schneller noch, als der Blick über die Ebene schweift. Es -ist rein wie das Gold. Sein Auge ist klar und so scharf, daß es ein -Härchen im Dunkeln sieht. Es erreicht die Gazelle im Laufe. Zu dem -Adler sagt es: Ich eile wie du dahin! Wenn es das Jauchzen der Mädchen -vernimmt, wiehert es vor Freude, und an dem Pfeifen der Kugeln erhebt -sich sein Herz. Aus der Hand der Frauen erbettelt es sich Almosen, den -Feind dagegen schlägt es mit den Hufen ins Gesicht. Wenn es laufen -kann nach Herzenslust, vergießt es Tränen aus seinen Augen. Ihm gilt -es gleich, ob der Himmel rein ist oder der Sturmwind das Licht der -Sonne mit Staub verhüllt; denn es ist ein edles Roß, das das Wüten -des Sturmes verachtet. In dieser Welt gibt es kein zweites, das ihm -gleicht. Schnell wie eine Schwalbe eilt es dahin. So leicht ist es, -daß es auf der Brust deiner Geliebten tanzen könnte, ohne sie zu -belästigen. Sein Schritt ist so sanft, daß du im vollsten Laufe eine -Tasse Kaffee auf seinem Rücken trinken kannst, ohne einen Tropfen zu -verschütten. Es versteht alles wie ein Sohn Adams, nur daß ihm die -Sprache fehlt.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_207"></a>[S. 207]</span></p> - -<p>Dem durch gute Lungen ausgezeichneten arabischen Pferd kommt seine -Genügsamkeit sehr zu statten; denn es wird von seinem Herrn, der selber -nicht viel besitzt, recht knapp gehalten. Mit 18 Monaten beginnt -seine Erziehung, indem ein Knabe es zu reiten versucht. Im dritten -Lebensjahre legt man ihm den Sattel auf und sucht nach und nach alle -seine Kräfte und Fähigkeiten zu entwickeln. Erst wenn es das 7. Jahr -erreicht hat, sieht man es als erzogen an, und deshalb sagt das -arabische Sprichwort: „Sieben Jahre für meinen Bruder, sieben Jahre -für mich und sieben Jahre für meinen Feind.“ Dieser Araber ging im -Laufe des Mittelalters aus dem schon im Altertum berühmten persischen -Pferde hervor und steht in näherer Beziehung zum nordafrikanischen -Berberpferde, von dem die Mauren in Spanien einst die besten Zuchten -hatten. Sein Blut kreist in allen edeln Reit- und Wagenpferden -europäischer Rasse, vor allem auch im englischen Vollblut, über das wir -hier einiges Authentische mitteilen möchten.</p> - -<p>Zunächst ist festzustellen, daß die bis jetzt herrschende, auf die -Zeugnisse der klassischen Schriftsteller gestützte Annahme, daß -Arabien im Altertum fast nur Kamele und keine Pferde gezogen habe, -nicht ganz richtig ist. Schon sehr früh gab es dort auch Pferde, die -von den Siegern annektiert und mitgenommen wurden. So zählt Flavius -Josephus unter der arabischen Beute des von 668–626 über Assyrien -herrschenden Königs Asurbanipal ausdrücklich auch Pferde auf. Außerdem -wird auf himjaritischen Inschriften öfter das Pferd erwähnt, auch -sind zwei Bronzestatuetten von solchen bekannt. In den Ruinen von -Nâ-it im Gebiete der Haschid sind nach dem Bericht des arabischen -Schriftstellers Al-Hamdani mehrfach Darstellungen von Pferden -gefunden worden. Doch hat die Aufzucht einer edleren Pferderasse -erst im Mittelalter durch die Mohammedaner stattgefunden, die auf -ihren Feldzügen großes Gewicht auf eine gute Reiterei legten. Zur -Zucht verwandten sie das damals am höchsten gezüchtete, nämlich das -persische Pferd, das schon im Altertum durch seine Leistungsfähigkeit -berühmt war. Die Griechen erstaunten, als sie im persischen Reiche -den auf schnellfüßigen Pferden durch Berittene besorgten, trefflich -funktionierenden Meldedienst und das auf gut unterhaltenen Straßen -vorzüglich eingerichtete Postwesen kennen lernten. Neben den persischen -waren auch die vorderasiatischen Pferde hochgeschätzt. So ließ König -Salomo Zuchtpferde aus Kilikien und Kappadokien holen, und König -Philipp von Makedonien begann seine Stammzucht, der sein Sohn Alexander -die treffliche Reiterei verdankte, angeblich mit 20000 skythischen -Stuten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_208"></a>[S. 208]</span></p> - -<p>Auch die Griechen suchten schon früh möglichst rasche und -ausdauernde Pferde zu züchten. Dies geschah wie heute auf Grund von -Leistungsprüfungen, und zwar in bezug auf Geschwindigkeit und Ausdauer. -Dazu dienten in erster Linie die olympischen, pythischen, nemeischen -und isthmischen Spiele, bei welchen sowohl Wagenrennen als Rennen -unter den Reitern abgehalten wurden. Letztere waren noch wichtiger -als die ersteren, und man hatte Jockeis und Herrenreiter, auch Geld- -und Ehrenpreise wie heute. Ein Rennen zu gewinnen galt als höchste -Ehre und man kann sich deshalb vorstellen, mit welchem Eifer die -Zucht rascher Pferde betrieben wurde. Schon damals war das Rennpferd -durchaus verschieden vom Pferd der Landeszucht. Es wird mehrfach mit -seinen typischen Merkmalen abgebildet, so beispielsweise auch auf einer -ums Jahr 450 v. Chr., also um die Zeit der Erbauung des Parthenon, -hergestellten griechischen Vase. Auf ihr sehen wir die Pfosten der -Rennbahn, den Zielrichter mit der Schärpe, den leichtgewinnenden -Sieger, der den noch heute typischen Fehler macht, sich am Ziel -umzusehen, während der zweite und dritte ein sog. Finish mit der -Peitsche reiten. Die hier dargestellten Rennpferde sind länger im Hals, -haben andere Schulter und Kruppe als die gewöhnlichen Reitpferde, -die uns auf dem Parthenonfries entgegentreten und waren zweifellos -orientalischen Ursprungs.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel37" > - -<p class="captop">Tafel 37.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel37.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Anschirren eines Rennwagens, darunter ein Tierfries. Von - einer jüngeren attischen Vase in Berlin.<br /> - (Nach Gerhard, Auserlesene Vasenbilder.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel37_gross.jpg" id="tafel37_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe34_375 break-before" id="tafel38" > - -<p class="captop">Tafel 38.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel38.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Griechische Jünglinge zu Pferd am Panathenäenfestzug vom - Friese des Parthenon.<br /> - (Nach einer Photographie von Mansell & Cie. in London.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel38_gross.jpg" id="tafel38_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel39" > - -<p class="captop">Tafel 39.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel39.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Ausgewachsenes Shetlandpony neben einer gewöhnlichen - Hausziege in Karl Hagenbecks Tierpark in Stellingen.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel39_gross.jpg" id="tafel39_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel40a" > - -<p class="captop">Tafel 40.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel40a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Ungepflegtes Mongolenpferd, wie es in halbwilden Herden im - Westen Chinas lebt. Durch Pflege läßt sich daraus ein zwar kleiner, aber sehr - ausdauernder Schlag gewinnen. (Nach Photographie von Buchmann in Tayanfu.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel40b" > - <img class="w100" src="images/tafel40b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">In Deutschland gezogener Araberhengst von Karl Hagenbecks - Tierpark in Stellingen.</div> -</div> - -<p>Von den Griechen übernahmen dann die Römer die Freude an den Wettrennen -und die Hochschätzung der Rennpferde. Letztere brachten sie auch in -ihre Kolonien. So hielt beispielsweise Kaiser Severus, der von 206–210 -in England weilte, mit von Rom dahin importierten Pferden ein Rennen -im York ab. Aber auch an zahlreichen andern Orten Englands gab es -damals schon Rennen mit hochgezüchteten Pferden, so z. B. in Chester, -wo noch ein Teil der antiken Rennbahn erhalten ist. Seitdem blieben -die Rennen in jenem Lande ein nationaler Sport; aber von einer Zucht -zu Rennzwecken war damals und das ganze Mittelalter hindurch keine -Rede. Wenn auch öfter edle Pferde, namentlich zur Zeit der Kreuzzüge, -ins Land gebracht wurden, so blieb man dort im Laufe der Jahrhunderte -doch nur bei einem mäßig geschwinden Pferd, dem <span class="antiqua">galloway</span>. -Das Bestreben, dieses kleine und nur mäßig leistungsfähige Pferd zu -verbessern, war der Anlaß, daß man im 17. Jahrhundert anfing, in -erheblichem Maße orientalische Pferde einzuführen. Von besonderer -Wichtigkeit war ein Import von 30–40 orientalischen Stuten, den -„<span class="antiqua">royal mares</span>“, die Karl II. etwa 1670 einführte. Im -Laufe des 17. und zu Anfang des 18. Jahr<span class="pagenum"><a id="Seite_209"></a>[S. 209]</span>hunderts führte man -zudem nicht weniger als 26 orientalische Hengste in England ein, -um die Zucht aufzufrischen. Von diesen war Darley Arabian nach dem -bedeutendsten deutschen Rennstallbesitzer, Arthur von Weinberg, der -wichtigste Stammvater, den etwa 90 Prozent aller heutigen Vollblüter -zu ihrem Ahnen haben sollen. Nach ihm kommt an Bedeutung der 1728 -importierte Godolphin Arabian, den ein Engländer in Paris vor einem -Wasserwagen entdeckte und der im Beginn der englischen Vollblutzucht -eine große Rolle spielte. Mit dem Import dieser Hengste beginnt das -erste Aufzeichnen der Stammbäume im großen Gestütsbuch. Doch war -zunächst noch von keiner systematischen Zucht die Rede. Die einzige -Richtschnur war damals, daß für die Stuten der Vater, für die Hengste -aber die Mutter in erster Linie maßgebend sei. Man wollte Rennen -gewinnen und züchtete unbekümmert um Theorien stets von den besten, -d. h. raschesten Pferden. So konzentrierte sich im Gegensatz zu -den Ratschlägen der Theoretiker die Zucht auf eine immer geringer -werdende Zahl von männlichen Linien, bis schließlich fast nur eine -einzige Linie übrigblieb. Wie die heutigen Vollblutpferde auf wenige -Hengste, so gehen sie, wie zuerst deutsche Forscher feststellten, zum -größten Teil auf fünf Stuten zurück. Sie sind trotz der weitgehenden -Inzucht außerordentlich leistungsfähig, haben eine Verlängerung von -Oberarm- und Oberschenkelknochen zur möglichst raschen Fortbewegung -erhalten und sind sehr frühreif. Während die Vollblutpferde schon mit -18 Monaten geritten werden und zweijährig Rennen laufen, kann man das -Halbblutpferd, z. B. die Remonten der Kavallerie, meist erst vierjährig -überhaupt anreiten.</p> - -<p>Das arabische, wie auch das mit ihm nahe verwandte maurisch-berberische -Pferd wurde wie in England, so auch auf dem Kontinent mit leichten -und schweren einheimischen Schlägen gekreuzt und dadurch die -verschiedensten Gebrauchspferde erhalten, die je nachdem zum -Reiten, Fahren oder Ziehen besonders geeignet sind. Näher auf die -Abstammungsverhältnisse und die Eigentümlichkeiten der verschiedenen -Pferderassen einzugehen, verbietet schon der beschränkte Rahmen dieses -Buches. Es sei hier nur bemerkt, daß in Europa die Pferdezucht in den -weiten Steppen des Ostens am bedeutendsten ist. So besitzt Rußland -zahlreiche starke Gestüte in den Steppen am Don und am rechten Ufer -der untern Wolga. Das russische Pferd ist klein, aber äußerst genügsam -und ausdauernd. Auch in Ungarn und Siebenbürgen werden viele und gute -Pferde für den Export gezüchtet. In Galizien, in der Bukowina und in -der südöstlichen Steiermark findet sich gleicherweise ein<span class="pagenum"><a id="Seite_210"></a>[S. 210]</span> leichter -Schlag, während die weiter nördlich und östlich davon gelegenen -Länder kräftigere Arbeitstiere ziehen, in denen reichlich Blut des -schweren okzidentalen Pferdes beigemischt ist. In Hannover, Holstein -und Mecklenburg werden viele edle Reitpferde gezogen. Dänemark -züchtet die besten in Jütland. Skandinavien, Wales, Schottland, die -Shettlandsinseln und Island besitzen ponyartige kleine Schläge, die im -Winter einen langen, krausen Haarpelz erhalten. Belgien, die Normandie -und gewisse Gegenden Englands züchten mit Vorliebe schwere, kaltblütige -Arbeitspferde. In Spanien wird vorzugsweise das aus Nordafrika -eingeführte Berberpferd gezogen. Die besten Gestüte besitzt Andalusien. -Die europäischen Mittelmeerländer sind wenig reich an Pferden, weil -Esel und Maultier dort stark verbreitet sind. Besonders in Griechenland -ist die im Altertum blühende Pferdezucht in argen Verfall geraten. -Italien besitzt nur lokal ein erhebliches Pferdematerial. Die schönste -Rasse findet sich in der römischen Campagna, wo die Wagenpferde der -Kardinäle und Patrizier gezüchtet werden. Den größten Pferdereichtum -trifft man in Sardinien an. Nach Cetti ist dort das Pferd vielfach -verwildert, soll angeblich nicht mehr zu bändigen sein und wird -vielfach erlegt, hauptsächlich um das Fell zu gewinnen. Es haust hier -namentlich in den ausgedehnten Waldungen im Innern.</p> - -<p>Bald nach ihrer Entdeckung erhielt die Neue Welt das Pferd durch -die Spanier, und zwar waren es Andalusier, die dort, speziell in -Mexiko, eingeführt wurden. Doch sind sie nach und nach entartet und -vielfach verwildert. Indessen sind heute die verwilderten Herden bis -auf einzelne in Patagonien lebende Trupps auf einen 1865 erlassenen -Befehl der Regierung hin vernichtet worden, da sie nicht nur die Weiden -beeinträchtigten, sondern vielfach auch die zahmen Pferde entführten. -Gegenwärtig nehmen die Vereinigten Staaten von Nordamerika den -bedeutendsten Rang in der Pferdezucht ein. Berühmt ist die neuerdings -aufgekommene Traberzucht, deren Grundstock das amerikanische Vollblut -bildet.</p> - -<p>In Australien wurde die Pferdezucht ebenfalls erst von den Europäern -eingeführt. Das Material stammt aus England, der Kapkolonie und von -den Sundainseln. In Indonesien werden mehr kleine Schläge gezüchtet, -ebenso in Oberbirma und Südindien. In Nordwestindien wird viel ein dem -Afghanenpferde verwandter Schlag gehalten. In China zieht hauptsächlich -die Mandschurei Pferde, auf deren Haltung aber wenig Sorgfalt verwendet -wird. Japan züchtete<span class="pagenum"><a id="Seite_211"></a>[S. 211]</span> früher im Norden der Hauptinsel einen kräftigen -Schlag; neuerdings wurden besonders europäische und amerikanische -Rassen importiert.</p> - -<p>Am zahlreichsten wird das Pferd in Innerasien gezüchtet. In Turkestan -ist es das wichtigste, unentbehrlichste Haustier, das von jedermann -gehalten wird. Persien hat drei verschiedene edle Schläge, einen -kleineren im Gebirge und größere in den Ebenen. Die edelste Zucht von -persisch-arabischem Blut trifft man in Schiras. Klein und unansehnlich, -aber äußerst leistungsfähig ist das Kirgisenpferd, das auch von den -Kalmücken und andern Mongolenstämmen in großen Mengen gehalten und -auch zur Milchgewinnung benutzt wird. In Afrika, das einst seinen -Pferdebestand Asien entlehnte, werden besonders im Norden und Osten -viel Pferde gezogen. Ägypten, Abessinien, die Somaliländer und der -Sudan besitzen verdorbene arabische Schläge, die als Reittiere ungemein -leistungsfähig sind und Wassermangel vielfach besser als andere -Schläge ertragen. Das zähe Gallapferd findet beim abessinischen Heere -ausgiebige Verwendung. In Südafrika werden besonders in der Kapkolonie -und in Transvaal kleine, sehr ausdauernde Pferde gezüchtet. Überall in -den Tropenländern, wo das Klima zu feucht ist, hält es sich schlecht, -deshalb haben die Portugiesen in ihren afrikanischen Kolonien den -Reitstier eingeführt.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_212"></a>[S. 212]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="VIII_Das_Kamel">VIII. Das Kamel.</h2> - -</div> - -<p>Die Kameliden sind der älteste Zweig der Wiederkäuer, der sich -schon im Miozän von der Gesamtfamilie trennte, bevor sich bei ihren -Vertretern Hörner oder Geweihe ausgebildet hatten. Sie sind die -einzigen Wiederkäuer, die noch im Oberkiefer Schneidezähne — im -ganzen vier — besitzen. Mit den ältesten Pferden entwickelten sie -sich in Nordamerika, wo während der jüngeren Tertiärzeit die reichste -Entfaltung derselben nachweisbar ist. Doch erlosch dort die Gruppe -mit dem Eintritt der Eiszeit, während die Kamele nach Asien und die -Schafkamele oder Lamas nach Südamerika auswanderten, wo sie sich auf -den Höhen der Anden erhielten.</p> - -<p>Noch heute lebt ein winziger Überrest der Kamele in ihrer -ursprünglichen Wildheit in der innerasiatischen Wüste in der Dsungarei, -ebendort, wo auch die letzten Wildpferde zu finden sind. Schon der -russische Reisende Przewalski hatte von ihrem Vorkommen im Gebiet des -Lob Nor, d. h. im westlichen Teil der Wüste Gobi, berichtet. Doch erhob -man damals dagegen den Einwand, es möchten dies einzelne entlaufene -und verwilderte Kamele gewesen sein. Indessen hat dann später der -schwedische Reisende Sven Hedin auf Grund eigener Beobachtung das -Vorkommen von eigentlichen Wildkamelen in jenen menschenleeren Einöden -festgestellt. In einem Brief aus Obdal vom Juni 1900 schreibt dieser -Autor in der Umschau: „In der Gegend, die wir durchwanderten, kamen -wilde Kamele in großer Anzahl vor, und wir sahen und beobachteten sie -täglich durch unsere Ferngläser. Sie halten sich längs des Fußes der -Berge und in der Wüste auf, begeben sich aber von Zeit zu Zeit zu den -schirmenden Quellen, um zu trinken und zu grasen. Es gewährt einen -herrlichen Anblick, wenn man eine solche Herde, nachdem man ihr den -Wind abgefangen, unvermutet überrascht. Die Karawane mußte, während -unsere Jäger sich an die Tiere heranschlichen, in solchen Fällen immer -Halt machen. Einige der Kamele<span class="pagenum"><a id="Seite_213"></a>[S. 213]</span> standen gewöhnlich aufgerichtet als -Späher da, während die andern sich in liegender Stellung ausruhten. -Bei Jardang Bulak schoß der Kosake Tjernoff ein prächtiges Kamel, bei -Altimisch Bulak unser Führer Abdu Rehim ein anderes. Ich meinerseits -zog es vor, mit einem starken Fernrohr bewaffnet, ihre Bewegungen zu -beobachten. Es liegt ein märchenhafter Glanz über diesen gewaltigen, -stattlichen Tieren, an deren Existenz die Gelehrten bis in die neueste -Zeit hinein gezweifelt haben. Es erweckte mein Staunen, daß wir diese -Tiere immer nur in den unwirtlichsten, sterilsten und wasserärmsten -Wüsten antrafen, wo wir mit unsern zahmen Kamelen Gefahr liefen, -vor Durst umzukommen; und doch finden sie nur in solcher Umgebung -ihr Fortkommen und sind so scheu, daß sie, wenn sie in meilenweiter -Entfernung eine Karawane wittern, tage- und nächtelang fliehen und man -nur aus den frischen Spuren ersehen kann, daß sie erst ganz kürzlich -aufgebrochen waren.</p> - -<p>Wunderschön ist auch der Anblick einer durch unsere Annäherung oder -vielmehr durch einen Büchsenschuß erschreckten fliehenden Herde. Sie -sehen sich nicht um, sie fliehen bloß und sie fliegen über die Wüste -dahin wie der Wind und verschwinden in einigen Minuten am Horizonte, -um erst wieder Halt zu machen, wenn sie sich ganz sicher fühlen, weit, -weit hinten im Sande.</p> - -<p>Es gibt sowohl Mongolen als Muhammedaner, welche nur von der Jagd -auf wilde Kamele im Kurruktag und den weiter östlich davon gelegenen -Gegenden leben. Diese Jäger sind mit den Gewohnheiten und dem Leben -der wilden Kamele durch und durch vertraut. Sie jagen die Weibchen nur -während der Brunstzeit, wo die Männchen mörderische Gefechte um ihre -Gunst ausfechten. Der Stärkste ist der Herrscher und kann mitunter mit -5–6 Weibchen umherwandern, während die Besiegten, die fürchterliche -Wunden davontragen und denen oft große Stücke Fleisch an den Seiten -herausgerissen sind, einsam und verschmäht in der Wüste leben und sich -den Familienherden nicht zu nahen wagen, wahrscheinlich aber doch der -Hoffnung auf Glück das nächste Mal leben. Die Wüste gewinnt durch ihr -Erscheinen bedeutend an Leben, und die Männer werden ganz wild, sobald -der Ruf erschallt: „<span class="antiqua">java tuga</span>“ (wilde Kamele)!</p> - -<p>Einer unserer Jäger verfolgte einmal ein großes schwarzes Männchen, -das einen Schuß in das Bein erhalten hatte, aber in südlicher Richtung -weiterhinkte, volle zwanzig Stunden lang und kam müde und durstig -zurück, ohne daß es ihm gelungen war, das Tier wieder<span class="pagenum"><a id="Seite_214"></a>[S. 214]</span> in Schußweite zu -bekommen. Wie sonderbar ist doch die Welt, in der diese Tiere leben, -und doch müssen sie das Gefühl haben, daß außerhalb ihrer friedlichen -Fluren der Feind lauert, denn sonst würden sie nicht eine so stark -ausgeprägte Furcht vor den Menschen hegen. Ihre einzige Gesellschaft -ist der Buran, der schwarze Sturm, der in dieser Gegend unumschränkt -herrscht und mit dem auch wir in intime Beziehung gerieten.“</p> - -<p>Diese von der südlichen Dsungarei durch Ostturkestan und Nordtibet -verbreiteten wilden Kamele schützen sich wie ihre gezähmten Abkömmlinge -vor diesen fürchterlichen Sandstürmen, indem sie ihre Nasenlöcher -hermetisch verschließen. Sie besitzen zwei Höcker, wie die von ihnen -in direkter Linie abstammenden, in Ost- und Mittelasien als Haustiere -lebenden baktrischen Kamele oder Trampeltiere, nur sind sie kleiner -als die vom Menschen gezüchteten Höcker. Diese sind, wie der Buckel -des Zebus, Ansammlungen von Reservefett, die bei den gezähmten Formen -ein Gewicht von 2–5 <span class="antiqua">kg</span> erlangen. Diese Höcker lassen sich durch -Mästung wie beim Höckerrind zu extremen Dimensionen steigern, können -aber durch längere Zeit fortgesetzte Anstrengung bei knapper Nahrung -in wenigen Wochen zum Verschwinden gebracht werden. Das weiter durch -Kultur veränderte einhöckerige Kamel oder Dromedar, das sich von seinem -Ursprungslande Zentralasien am weitesten westlich nach Afrika hinein -entfernte, ist artlich durchaus nicht von diesem zweihöckerigen Kamel -oder Trampeltier verschieden. So hat es, wie Lombardini in Pisa 1879 -nachwies, während des Fötallebens ebenfalls die Anlage zu zwei Höckern, -die sich aber noch im Mutterleibe zu einem einzigen vereinigen. Für die -Abstammungsgeschichte ist diese Tatsache von größter Wichtigkeit, indem -wir so mit einer einzigen wilden Stammform auskommen, das zweihöckerige -Kamel als die ursprünglichere zahme Rasse und davon das Dromedar als -jüngere Zuchtrasse ableiten können.</p> - -<p>Auch physiologische Gründe sprechen für die Zusammengehörigkeit beider -Hauptrassen, indem sich das zwei- und einhöckerige Kamel leicht -kreuzen lassen und fruchtbare Bastarde liefern, bei denen sich die -Zweihöckerigkeit in ausgesprochener Weise geltend macht. Gleicherweise -stimmen die geistigen Eigenschaften bei den Tierarten auffallend -miteinander überein. Beide Formen sind wenig begabt, wie es die tiefe -Stellung der Familie im Stammbaum der Wiederkäuer mit sich bringt; -beide zeigen neben Indifferenz, Dummheit und störrischem Wesen eine -auffallend geringe Anhänglichkeit an den Menschen. Immerhin ist das<span class="pagenum"><a id="Seite_215"></a>[S. 215]</span> -Trampeltier als die ursprünglichere Form gutartiger als das Dromedar, -läßt sich leichter einfangen und gehorcht seinem Herrn williger.</p> - -<p>Beide Tierarten gedeihen nicht auf üppiger Weide, sondern verlangen im -Gegenteil dürre Steppenpflanzen, welche anderen Tieren kaum genügen -würden, besonders aber Salzpflanzen. Dabei ist das Trampeltier noch -bedürfnisloser als das Dromedar und frißt die bittersten und salzigsten -Wüstenkräuter, die von den übrigen Steppentieren durchaus verschmäht -werden. Dazu saufen sie selbst das äußerst salzhaltige Wasser der -Steppe, das kein anderes Tier anrührt, und sind überhaupt auch darin -höchst bedürfnislos. Aristoteles schreibt sogar von ihnen: „Die Kamele -saufen lieber trübes als reines Wasser, und trüben es, wenn sie es -rein vorfinden, erst absichtlich, wenn sie saufen wollen. Übrigens -können sie recht gut vier Tage ohne Getränk aushalten, nehmen aber auch -nachher desto mehr zu sich. Sie leben meist 30 Jahre, zuweilen auch bis -hundert.“</p> - -<p>Irgendwo in seiner zentralasiatischen Heimat ist das <em class="gesperrt">zweihöckerige -Kamel</em>, das <em class="gesperrt">Trampeltier</em> (<span class="antiqua">Camelus bactrianus</span>) in -vorgeschichtlicher Zeit vom Menschen gezähmt und in den Haustierstand -übergeführt worden. Bis auf den heutigen Tag ist es ausschließlich -auf Innerasien beschränkt und ist zu den Mongolen Ostasiens und nach -dem südlichen Sibirien vorgedrungen. Hier überall bis tief nach China -hinein ist es dem Menschen eines der nützlichsten Haustiere, das -vorzugsweise als Lasttier, seltener zum Ziehen des Wagens und des -Pfluges verwendet wird. Außer seiner Arbeitskraft verwendet man Fleisch -und Fell und nutzt seine Milch und seine Haare aus. Mit ihm durchzieht -man die wasserlosen Wüstenstrecken, in denen Pferde nicht zu gebrauchen -sind und ihre Dienste versagen würden. Mit ihm erklimmt man Gebirge bis -über 4000 <span class="antiqua">m</span> Höhe, in denen nur noch der Yak aushält. Brehm sagt -von ihm: „Das Pferd ist der Genosse, das Trampeltier der Diener des -Steppenbewohners.“</p> - -<p>Derselbe Autor bemerkt: „Ein kräftiges Trampeltier legt mit 220 -<span class="antiqua">kg</span>, ein sehr starkes mit noch 50 <span class="antiqua">kg</span> mehr täglich 30–40 -<span class="antiqua">km</span>, mit der Hälfte der Last aber im Trabe fast das Doppelte -zurück, vermag im Sommer 2 oder 3, im Winter 5–8 Tage zu dursten, halb -so lange ohne Beschwerde zu hungern und beansprucht bei längeren Reisen -nur alle 6–8 Tage eine Rast von 24 Stunden Dauer. In der Kirgisensteppe -wird es übrigens nicht ausschließlich als Lasttier, sondern einzeln wie -paarweise auch als Zugtier verwendet und tritt auf Flugsandstrecken -sogar an Stelle der Postpferde.“ Doch geht es<span class="pagenum"><a id="Seite_216"></a>[S. 216]</span> nur im Schritt und stößt -dabei vielfach unwillige Laute aus, die einem auf die Dauer unangenehm -werden.</p> - -<p>Auf der Oberseite des Nackens haben die Trampeltiere, wie die von ihnen -abstammenden Kamele, zwei Paar dichtstehender Drüsen, die beim Männchen -in der Brunstzeit eine dunkle Schmiere absondern und dann die ganze -Nackenmähne besudeln. Die Begattung wird vollzogen, indem sich das -Weibchen, durch einige derb kneifende Bisse von seiten des Männchens in -Hals, Höcker und Beine veranlaßt, wie sonst zur Belastung niederkniet. -Das nach 12 Monate währender Tragzeit im Frühling geborene Junge von 30 -<span class="antiqua">cm</span> Höhe entwickelt sich, von der Mutter an ihrem vierzitzigen -Euter ein volles Jahr lang ernährt, rasch. Schon im zweiten Jahre -beginnt man mit seiner Abrichtung, indem man dem Füllen die Nase -durchsticht und ihm durch die so entstandene Öffnung den Zaumpflock -durchsteckt. Im dritten Jahre wird es zu kurzen Ritten, im vierten zum -Tragen leichter Lasten benutzt. Im fünften Jahre gilt es als erwachsen -und arbeitsfähig und kann bei guter Behandlung bis zum 25. Jahre -Dienste tun.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel41" > - -<p class="captop">Tafel 41.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel41.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Kamele und Pferde in einem Hochzeitszug der Teke-Turkmenen.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel41_gross.jpg" id="tafel41_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe35_9375 break-before" id="tafel42" > - -<p class="captop">Tafel 42.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel42.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Zweihöckeriges Kamel, sog. Trampeltier, aus Turkestan, von - Karl Hagenbeck in Stellingen importiert.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel42_gross.jpg" id="tafel42_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel43" > - -<p class="captop">Tafel 43.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel43.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Mit Kamelen pflügende Teke-Turkmenen in Merw.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel43_gross.jpg" id="tafel43_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel44a" > - -<p class="captop">Tafel 44.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel44a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Kamelkarawane in Biskra. (Nach einer Photographie von - <span class="antiqua">Dr.</span> H. von Baeyer.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel44b" > - <img class="w100" src="images/tafel44b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Kirgisen auf dem Marsch; rechts dahinter eine Jurte.</div> -</div> - -<p>Wie in Zentalasien und der Mongolei spielt das Trampeltier auch in -China eine wichtige Rolle im Karawanenverkehr. Im südwestlichen -Sibirien wird dasselbe seit der raschen Entwicklung der Landwirtschaft -häufig vor den Pflug gespannt. Über den Ostrand Asiens vermochte es -nicht vorzudringen, weil für die Küsten- und Inselgebiete der Büffel -besser paßt. Während des chinesisch-japanischen Krieges wurde es -zahlreich in China angekauft und nach Japan eingeführt; da man aber -nichts mit ihm anzufangen wußte, verschwand es wieder von dort. Nach -Westen ist das Trampeltier über Persien nach Mesopotamien und bis -zum Kaukasus vorgedrungen, kommt auch sporadisch in Südrußland vor. -In einer Grenzzone, die vom nördlichen Kleinasien durch Persien, -Afghanistan und Beludschistan bis nach Indien reicht, findet sich das -Trampeltier mit dem Dromedar zusammen. Südlich von dieser Mischzone -findet sich überall ausschließlich das <em class="gesperrt">einhöckerige Kamel</em> oder -<em class="gesperrt">Dromedar</em> (<span class="antiqua">Camelus dromedarius</span>), das als südliche, mehr -wärmeliebende Abart von Syrien und Arabien aus in ganz Nordafrika -die ausschließliche Herrschaft erlangte. In Arabien, Ägypten und -Nubien wird seine Zucht stark betrieben, ebenso bei den Somalis und -Gallas. Nach Süden ist es bis Sansibar, in Nordafrika bis Marokko -und die Kanarischen Inseln vorgedrungen. Es ist das Gimel der alten -Juden oder das Djemmel der Araber, aus welch letzterem die Griechen -<span class="antiqua">kámēlos</span> machten, das dann als <span class="antiqua">camelus</span><span class="pagenum"><a id="Seite_217"></a>[S. 217]</span> zu den Römern -gelangte. Der aus Sizilien gebürtige griechische Geschichtschreiber -Diodoros sagt: „Arabien besitzt viele und vorzügliche Kamele, auch -von der zweihöckerigen Rasse. Die Kamele sind den Einwohnern sehr -nützlich, indem sie durch Milch und Fleisch treffliche Nahrung bieten -und Menschen und Lasten tragen. Die leicht und schlankgebauten sind -schnell und können durch wasserlose Wüsten große Tagesmärsche machen. -Sie tragen auch im Kriege zwei Bogenschützen, wovon der eine nach vorn, -der andere nach hinten gewendet sitzt. — Dromedare (vom griechischen -<span class="antiqua">dromeín</span>, laufen) nennt man die schnellen Kamele, die in einem -Tage beinahe 1500 Stadien (= 277 <span class="antiqua">km</span>) zurücklegen können.“ Und -sein Volksgenosse Strabon schreibt: „Die in Zelten wohnenden Araber der -dürren Wüste zwischen Mesopotamien und Coelesyrien bauen wenig Land -oder gar keins an, haben aber Herden von allerlei Vieh, besonders von -Kamelen“, und an einer andern Stelle: „Alexander der Große sandte Leute -auf Dromedaren nach Ekbatana, welche in 11 Tagen den 30–40 gewöhnliche -Tagereisen betragenden Weg zurücklegten.“</p> - -<p>Älian berichtet: „Die Kamele am Kaspischen Meere sind zahllos, -tragen viele, sehr weiche Haare, welche der feinsten Schafwolle -nicht nachstehen. Priester und reiche Leute tragen daraus gefertigte -Kleider.“ Der griechische Geschichtschreiber Herodot erwähnt sie -mehrfach; so schreibt er: „Die Araber in der Armee des Xerxes (die -580 v. Chr. nach Griechenland zog) hatten sämtlich Kamele, die an -Schnelligkeit den Pferden nicht nachstanden.“ — „Als Xerxes nach -Griechenland gegangen war und nach Therma zog, fielen Löwen seine -Kamele an.“ Weiter meldet er, wie Cyrus sich listigerweise die -Unkenntnis dieser Tierart bei seinen Gegnern zu Nutzen machte: „Als -Cyrus vor Sardes rückte, stellte sich ihm Krösus in der Ebene mit -einer trefflichen Reiterei entgegen. Cyrus errang jedoch auf folgende -Weise den Sieg: Vor seiner Armee stellte er alle Kamele, welche die -Bagage des Heeres trugen, auf, nachdem er ihnen die Last abgenommen und -bewehrte Männer hatte aufsitzen lassen. Hinter den Kamelen ordnete er -die Fußsoldaten und hinter diesen die Reiter. Er sah voraus, daß die -Pferde im Heere des Krösus, welche noch keine Kamele gesehen hatten, -sich vor diesen Tieren fürchten würden. Die List gelang: denn die -lydischen Pferde ergriffen gleich beim Zusammentreffen die Flucht, -wodurch sich der Sieg für Cyrus entschied.“</p> - -<p>Auch die Bewohner Roms bekamen zur Kaiserzeit gelegentlich -morgenländische Kamele zu sehen; so erwähnt Suetonius in seiner<span class="pagenum"><a id="Seite_218"></a>[S. 218]</span> -Biographie des Kaisers Nero: „Kaiser Nero gab Spiele aller Art und -zeigte bei denen im Zirkus auch Wagen, vor die vier Kamele gespannt -waren.“ Das war damals noch etwas Neues. Erst der extravagante, in -Syrien aufgewachsene Kaiser Heliogabalus (218–222 n. Chr.) ließ dieses -in Italien als Wunder angestaunte Tier in größerer Menge dahin bringen, -ja sogar als Rarität schlachten. Sein Biograph Älius Lampridius -berichtet: „Heliogabalus schaffte sich 600 Wagen mit Kamelen an und -sagte, das sei gar nicht viel; der König von Persien halte sich ja -zehntausend Kamele. Er ließ sich auch öfter ein Gericht zubereiten, das -aus Kamelfersen, aus von lebenden Hühnern abgeschnittenen Kämmen und -aus Zungen von Pfauen und Nachtigallen bestand, weil man sagte, solch -ein Gericht schütze vor Epilepsie. Überhaupt tischte er nicht selten -Kamelbraten auf.“</p> - -<p>Aus dem irgendwo in Innerasien schon in vorgeschichtlicher Zeit aus dem -wilden Kamel gewonnenen Trampeltier ist durch einseitige Weiterzüchtung -das Dromedar gewonnen worden. Beide Kamelrassen gelangten bereits -scharf in ihren Sonderheiten ausgeprägt verhältnismäßig spät nach -Westasien, wo sie uns erst zu Beginn des letzten Jahrtausends v. -Chr. in Assyrien entgegentreten. So finden wir auf dem berühmten -schwarzen Obelisken von Nimrud im Britischen Museum in London, wie -dem assyrischen Könige Salmanassar II. (860 bis 825 v. Chr.), -der den größten Teil Syriens eroberte und in Kalach einen prächtigen -Palast erbaute, ein recht naturgetreu dargestelltes zweihöckeriges -Kamel als Tribut gebracht wird. Dann ist uns in Kujundschik, wie auch -in Nimrud die Darstellung je eines beladenen einhöckerigen Kameles -erhalten geblieben. In Niniveh fand Place ein Basrelief aus dem 7. -vorchristlichen Jahrhundert, auf dem ein assyrischer Bogenschütze auf -einem Dromedar reitend dargestellt ist.</p> - -<p>In den jüngeren Epochen der jüdischen Geschichte wird uns mehrfach -von südarabischen Karawanenzügen berichtet, die aus Tragkamelen -bestanden. Es war dies zu einer Zeit, da die Juden selbst noch keine -solchen besaßen, sondern sich ausschließlich der Esel zum Lastentragen -bedienten. Nach Ägypten kam das Kamel von Syrien aus erst im 4. -Jahrhundert v. Chr., wie Adolf Erman feststellte. Erst von jener -Zeit an lassen sich Terrakotten mit Kameldarstellungen und Urkunden -über Verkäufe dieser Tiere in Ägypten nachweisen. Plinius berichtet, -daß zu seiner Zeit, also um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr., -eine Karawanenverbindung von Koptos am oberen Nil nach Berenike am -Roten Meer mit Kamelen bestand. Später schildert Philostratus einen<span class="pagenum"><a id="Seite_219"></a>[S. 219]</span> -Touristenverkehr nach den Pyramiden mit Kamelen. Aber erst Ammianus -Marcellinus weiß 353 von räuberischen Wüstenbewohnern zu berichten, die -mit ihren Kamelen bis zu den Nilkatarakten hin schweiften.</p> - -<p>Sehr langsam drang das Kamel im Altertum vom Niltal weiter westlich -über Nordafrika vor. Erst im sogenannten afrikanischen Krieg, den -Cäsar gegen die Pompejaner und den mit ihnen verbündeten König Juba -von Numidien führte, wird berichtet, daß nach der Niederlage von -Thapsus im Jahre 48 v. Chr. 24 Kamele mit dem Throne jenes Königs -erbeutet wurden. Während der friedlichen Kaiserzeit wird sich das Kamel -weiter über Nordafrika verbreitet haben. So wird auf den bildlichen -Darstellungen des heiligen Menas, eines Offiziers aus Ägypten, der -296 während der Diocletianischen Christenverfolgung den Märtyrertod -erlitt und Gegenstand eines speziellen Kultes in der Oase von Mariût -auf der Karawanenstraße zwischen Karthago und Alexandrien wurde, stets -das Kamel dargestellt. Erst kürzlich sind dessen Heiligtümer vom -Frankfurter Archäologen Karl Kaufmann ausgegraben worden. Jedenfalls -fand das germanische Volk der Vandalen, als es 439 unter Geiserich -von Spanien nach Afrika übersetzte, ziemliche Herden von Kamelen -bei den Nomadenstämmen um das Atlasgebirge. Eine neue Zuwanderung -nomadisierender Elemente fand mit den Arabern von Osten her statt, -die jedenfalls auch Kamele mitbrachten und der Zucht dieses Tieres in -Nordafrika besondere Aufmerksamkeit schenkten.</p> - -<p>Ist das Kamel auch ein ausgesprochenes Wüstentier und jetzt das einzige -Transportmittel, das für die Wüste Sahara in Betracht kommt, so ist es -gleichwohl bei den Stämmen im Innern nicht häufig, sondern wird nur von -den Beduinen der Randsteppen in größeren Herden gehalten. Es gedeiht -nur in einem heißen, trockenen Klima und wird in den verschiedensten -Rassen gezüchtet, in großen, schweren Formen, die mehr zum Tragen -schwerer Lasten bis zu 400 <span class="antiqua">kg</span> geeignet sind, und in zierlichen, -schlanken, leichten Reitkamelen, den Meharis. Das Heimatszentrum der -letzteren ist Arabien, das heute noch die schnellsten Läufer liefert, -dasjenige der letzteren dagegen Ägypten.</p> - -<p>Südlich vom Wüstengürtel der Sahara hat das Kamel keine größere -Verbreitung erlangt. Auch in Südeuropa gedeiht es nur an einigen -wenigen Orten, so in der auf einer Ebene bei Pisa gelegenen -Kamelstüterei von San Rossore, wo 1810 40, 1841 41 und später etwa 200 -Kamele lebten. Von diesen stammt die Mehrzahl der auf<span class="pagenum"><a id="Seite_220"></a>[S. 220]</span> den Jahrmärkten -bei uns gezeigten Tiere. Dort wurden sie 1622 von Ferdinand II. -von Toskana und ein zweites Mal 1738 eingeführt. Der Versuch, das Kamel -in Sizilien einzuführen und dort als Lasttier in den Schwefelbergwerken -zu gebrauchen, scheiterte an der Feuchtigkeit des Klimas. In Spanien -scheint es besser zu gedeihen.</p> - -<p>Gleich nach der Eroberung Perus suchte man das Kamel auch hier -einzuführen. So sah Garcilasso um 1550 kleine Herden, die Juan de -Reinaga eingeführt hatte; sie hatten damals wenig oder keine Jungen. -1570 sah dann Acosta neu von den Kanaren eingeführte Tiere. Um 1750 -versuchte man sie auf Jamaika einzuführen. Als man sie aber hatte, -wußte man nichts mit ihnen anzufangen. 1800 traf A. v. Humboldt Kamele -von den Kanaren in Venezuela. Um 1845 gab es Kamele in Bolivien. Doch -kamen sie hier überall herunter, weil ihnen der Feuchtigkeitsgehalt der -Luft zu groß war. Auch in Nordamerika konnten sie sich auf die Dauer -nicht halten. So führte im Jahre 1856 die Regierung der Vereinigten -Staaten 57 aus Smyrna bezogene Dromedare in Texas, Arizona und -Neumexiko ein, die während des nordamerikanischen Bürgerkriegs sämtlich -in die Hände der Konföderierten fielen. Von ihnen wurden sie zur -Beförderung der Post gebraucht und legten im Tag angeblich bis gegen -200 <span class="antiqua">km</span> zurück. Zu den beim Friedensschluß noch lebenden und von -der Regierung der Vereinigten Staaten wieder übernommenen Tieren wurden -1866 neu eingeführte gesellt, die mit den alten zu Züchtungszwecken -über Arizona und Texas verteilt wurden. Da jedoch viele starben und der -Versuch, das Dromedar in Nordamerika zu züchten, mißglückte, ließ man -die Überlebenden laufen, und es scheint, daß in den wilden Gegenden von -Kalifornien und Arizona noch heute welche leben; diese führen im Laufe -des Jahres weite Wanderungen aus. In Australien hat sich das Dromedar -besser eingebürgert und bei der Erforschung der inneraustralischen -Wüsten sehr große Dienste geleistet. Die erst vor drei Jahrzehnten aus -Afghanistan eingeführten Tiere werden gegenwärtig in Westaustralien -stark benutzt. Die deutsche Regierung führte sie beim letzten Aufstand -der Bastardhottentotten auch in ihrer südwestafrikanischen Kolonie ein, -wo sie sich bis heute gut erhielten und trefflich bewährten.</p> - -<p>Außer in Arabien und Mesopotamien wird auch in Persien, Afghanistan, -Beludschistan und in den Somaliländern die Kamelzucht sehr stark -betrieben. Das Reitkamel vermag 16 Stunden lang zu traben und legt -dabei bequem eine Entfernung von 140 <span class="antiqua">km</span> zurück.<span class="pagenum"><a id="Seite_221"></a>[S. 221]</span> Ordentlich -gefüttert und getränkt vermag es ohne Rasttag dazwischen 3–4 Tage -solche Anstrengung auszuhalten. Die Lastkamele aber durchmessen mit -einer bis 250 <span class="antiqua">kg</span> schweren Last in 12 Stunden bis 50 <span class="antiqua">km</span>. -Außer durch ihre Arbeit nützen die Kamele auch durch ihre dicke, fette -Milch, die bei den Beduinen besonders an Pferdefüllen verfüttert, -sonst auch vom Menschen genossen wird. Die jungen Tiere dienen als -Fleischlieferanten. Die ausgehende Wolle dient zur Herstellung von -Tuch und Stricken, aus den elfenbeinharten Knochen werden allerlei -Drechslerwaren angefertigt. In der Wüste ist ihr Dünger das einzige -dem Menschen zur Verfügung stehende Brennmaterial. Nach Denham und -Clapperton haben die Kamele der Tibbukuriere kleine Körbe unter -dem Schwanze. Mit dem darin angesammelten Dünger kochten dann die -Reiter abends ihren Kaffee. Der Schweiß der Kamele ist so salzig, daß -die Schafe und Ziegen ihn lecken. Ein junges oder schwaches Kamel -kostet manchmal nur 30 Mark, während ein gutes Lastkamel mit 90 und -ein Reitdromedar mit 200–300 Mark unseres Geldes bezahlt wird. Die -geschätztesten Tiere werden in der Nedjed genannten unwirtlichen -Hochebene Mittelarabiens gezüchtet und weithin exportiert.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_222"></a>[S. 222]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="IX_Das_Lama">IX. Das Lama.</h2> - -</div> - -<p>Die südamerikanischen Schafkamele (<span class="antiqua">Auchenia</span>, d. h. Halstier), -welche gleichsam eine Miniaturausgabe der stattlichen altweltlichen -Kamele darstellen, sind in zwei Formen, dem <em class="gesperrt">Lama</em> und -<em class="gesperrt">Alpaca</em>, zu Haustieren gemacht worden. Und zwar gehören sie zu -den wenigen Arten, welche von den Indianern aus eigener Initiative -gezähmt wurden. Damit hat dann der Mensch Gebirgsregionen der Kultur -erschlossen, die ohne diese Gehilfen auf die Dauer nicht zu bewohnen -gewesen wären. Deshalb begreifen wir sehr wohl, daß sie in ihrer -Heimat eine Kultbedeutung erlangt hatten. Wie die ältesten spanischen -Chronisten berichten, verwendete man sie zu Totenopfern und aß ihr -Fleisch zur Versöhnung des betreffenden abgeschiedenen Geistes. -So findet man Köpfe und sonstige Knochenüberreste dieser Tiere in -vorspanischen Gräbern von Peru.</p> - -<p>Noch heute leben zwei Arten von Schafkamelen in vollkommen wildem -Zustande, nämlich das <em class="gesperrt">Guanaco</em> (<span class="antiqua">Auchenia huanaco</span>) und -das <em class="gesperrt">Vicuña</em> (<span class="antiqua">Auchenia vicuña</span>). Beide bewohnen, wie -auch die aus ihnen gezähmten Nachkommen, das Lama und Alpaca, das -Hochgebirge der Anden vom Feuerland bis zum nördlichen Peru. Das -Guanaco ist namentlich im südlichen Teile des Gebirges häufig. Es lebt -gesellig in Rudeln, die gewöhnlich aus zahlreichen, von einem Männchen -angeführten Weibchen bestehen. Die Männchen erreichen die Größe eines -Edelhirsches, die Weibchen sind kleiner. Beide sind von einem ziemlich -langen, aber lockern Pelz von schmutzig rotbrauner, an Brust und Bauch -weißlicher Farbe bedeckt, das aus kürzerem, feinerem Wollhaar und -dünnerem, längerem Grannenhaar besteht. Der dünne lange Hals ist nach -vorn gekrümmt und trägt einen seitlich zusammengedrückten Kopf. Die -raschen und lebhaften Tiere klettern sehr gut und laufen gemsenartig -an den steilsten Gehängen und Abstürzen dahin, selbst da, wo der -geübteste Bergsteiger nicht Fuß fassen kann.<span class="pagenum"><a id="Seite_223"></a>[S. 223]</span> Dabei hält der leitende -Hengst einige Schritt vom Rudel entfernt Wache, während seine Herde -unbekümmert weidet. Bei der geringsten Gefahr stößt er ein lautes, -wieherndes Blöken aus, worauf alle Tiere den Kopf erheben, scharf nach -allen Seiten ausschauen und sich dann rasch zur Flucht wenden.</p> - -<p>Kleiner und zierlicher als das Guanaco, auch weniger weit verbreitet, -ist das Vicuña mit dem durch seine Feinheit berühmten ockerfarbigen -Vließ und den langen, weißen Schulterbüscheln. Es steigt weniger hoch -als jenes und weidet mit Vorliebe auf den Grasmatten der Anden. Da -es weiche Sohlen hat, zieht es sich, auch verfolgt, niemals auf die -steinigen Halden zurück. Im Februar wirft jedes Weibchen ein Junges, -das schon gleich nach der Geburt eine große Schnelligkeit und Ausdauer -entwickelt, also mit seiner Mutter leicht zu fliehen vermag. Als -Weibchen bleibt es, auch erwachsen, bei der Herde; als Männchen jedoch -wird es durch Beißen und Schlagen fortgetrieben und vereinigt sich dann -mit seinesgleichen zu einem besonderen Rudel.</p> - -<p>Jung eingefangen lassen sich Guanaco und Vicuña leicht zähmen und -schließen sich bald zutraulich an ihren Pfleger. Mit zunehmendem -Alter aber werden sie tückisch und speien dann den Menschen bei jeder -Gelegenheit an, was gerade keine angenehme Gewohnheit ist. Zudem -gebärden sie sich unbändig und sind nicht zur Paarung zu bringen. -Gleichwohl sind die Guanacos schon in vorgeschichtlicher Zeit von den -Indianern auf den Anden Perus gezähmt und in den Dienst des Menschen -gestellt worden. Da nun die kurze und straffe Wolle des wilden Guanaco -minderwertig ist, stellte man ihm viel weniger nach als dem äußerst -feinwolligen Vicuña, das von den Europäern planlos abgeschossen -wurde, so daß es stark dezimiert erscheint und seine Wolle kaum mehr -zu haben ist. Man stellte einst daraus wertvolle Decken her, die, -weil ungefärbt, niemals bleichten. Aus der französischen Bezeichnung -des Tieres bildete sich die auch im Deutschen übliche Benennung -<span class="antiqua">vigogne</span> für solche Gewebe. Die sehr teure echte Vigognewolle -dient jetzt bei uns hauptsächlich dazu, der Oberfläche unserer feinen -Filzhüte ihren seidigen Glanz zu verleihen.</p> - -<p>Den Gegensatz zu diesen Wildformen bilden das Lama und das Alpaca, die -nur in zahmem Zustande bekannt sind. Ersteres ist durch Domestikation -aus dem Guanaco hervorgegangen, letzteres dagegen ist wahrscheinlich -ein Kreuzungsprodukt beider Arten, das besonders zur Erlangung einer -feinen Wolle gezüchtet wurde. Wahrscheinlich hat es<span class="pagenum"><a id="Seite_224"></a>[S. 224]</span> aber weit mehr -Lama- als Vicuñablut, so daß es manche Autoren als eine zu speziellen -Zwecken verändertes Lama betrachten. Ganz sicher läßt sich indessen -die Abstammung nicht bestimmen, da beide Formen sich beim Eindringen -der Spanier in Südamerika als fertige Züchtungsprodukte vorfanden. -1541 gab Pedro de Cieza, dann wiederum 1615 Antonio de Herrera eine -gute Beschreibung der beiden zahmen Schafkamele mit ihren besonderen -Eigenarten.</p> - -<p>Bei den alten Peruanern spielten Lama und Alpaca im Leben eine wichtige -Rolle. Die Zähmung beider Haustierarten wurde von ihnen in das früheste -Zeitalter menschlichen Daseins verlegt, als noch Halbgötter auf Erden -lebten. Und zwar geschah sie zunächst auch nicht aus praktischen -Gründen, sondern aus Gründen des Kultes, um nicht etwa in Notfällen in -Verlegenheit wegen Opfertieren zu kommen.</p> - -<p>Überall im Lande trafen die Spanier große Herden dieser Tiere an, die -die wichtigsten Nutztiere der Peruaner bildeten, indem sie dieselben -nicht nur zum Transport über die hohen Pässe der Anden benutzten, -sondern auch Fleisch, Fell und Haare derselben verwendeten.</p> - -<p>Das <em class="gesperrt">Lama</em>, eigentlich Llama (<span class="antiqua">Auchenia lama</span>), wird heute -noch wie einst vorzugsweise in Peru gefunden und gedeiht am besten -in der verdünnten Luft der Hochebenen. Es wird etwas größer als das -Guanaco, aus dem es hervorging, und zeichnet sich durch Schwielen -an der Brust und an der Vorderseite der Handwurzelgelenke aus. Als -altes Haustier tritt es in den verschiedensten Farbenvarietäten auf: -weiß, gescheckt, fuchsrot und dunkelbraun bis schwarz. Auch schwankt -die Wolle bei den verschiedenen Abarten in bezug auf Länge, Dichte -und Feinheit. Am kürzesten behaart sind die Arbeitstiere, von denen -nur die Männchen zum Tragen von Lasten verwendet werden, während die -Weibchen außer zur Zucht zur Fleisch- und etwa noch zur Milchgewinnung -benutzt werden. Mit einer Warenlast von 50 <span class="antiqua">kg</span> und darüber -beladen marschiert, von einem Treiber geleitet, ein Tier hinter dem -andern sichern Schrittes an den steilsten Abhängen vorbei über die -höchsten Pässe der Kordilleren. Stevensohn schreibt: „Nichts sieht -schöner aus als ein Zug dieser Tiere, wenn sie mit ihrer etwa einen -Zentner schweren Ladung auf dem Rücken, eins hinter dem andern in der -größten Ordnung einherschreiten, angeführt von dem Leittiere, welches -mit einem geschmackvoll verzierten Halfter, einem Glöckchen und einer -Fahne auf dem Kopfe geschmückt ist. So ziehen sie die schneebedeckten -Gipfel der Kordilleren oder den Seiten der Gebirge entlang, auf Wegen, -auf denen selbst Pferde oder Maultiere<span class="pagenum"><a id="Seite_225"></a>[S. 225]</span> schwerlich fortkommen -möchten; dabei sind sie so gehorsam, daß ihre Treiber weder Peitsche -noch Stachel bedürfen, um sie zu lenken und vorwärts zu treiben. Ruhig -und ohne anzuhalten schreiten sie ihrem Ziele zu.“ Ihr Mist wird von -den Indianern gesammelt und überall als das fast ausschließliche -Brennmaterial auf den Markt gebracht. Das Einsammeln desselben wird -dadurch erleichtert, daß die Lamas, wie auch ihre Verwandten, die -Gewohnheit haben, für die Ablagerung ihrer Exkremente gemeinsame Plätze -aufzusuchen. Zum Reiten wurde das Lama niemals verwendet, da es dazu -zu schwach ist. Seine grobe Wolle spielt als Gespinnstmaterial keine -bedeutende Rolle. Dazu wird vielmehr das lange, feine Vließ der zweiten -domestizierten Form, des Alpacas, verwendet.</p> - -<div class="figcenter illowe24_25 break-before" id="tafel45" > - -<p class="captop">Tafel 45.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel45.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Lama im Tierpark Hellabrunn zu München.<br /> - (Nach einer Photographie von M. Obergaßner.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel45_gross.jpg" id="tafel45_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe30_75 break-before" id="tafel46" > - -<p class="captop">Tafel 46.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel46.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><div class="capright">(<span class="antiqua">Copyright - Underwood & Underwood in London.</span>)</div> - Norwegische Renntierherde in Hardanger, mißtrauisch die Ankunft von - Fremden abwartend.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel46_gross.jpg" id="tafel46_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Das <em class="gesperrt">Alpaca</em> oder <em class="gesperrt">Paco</em> (<span class="antiqua">Auchenia pacos</span>) ist kleiner -und gedrungener als das Lama und gleicht äußerlich einem Schafe, hat -aber einen längeren Hals und einen zierlicheren Kopf. Sein langes -und ausnehmend weiches Vließ erreicht an den Seiten des Rumpfes eine -Länge von 10–12 <span class="antiqua">cm</span>. Die Färbung ist meistens ganz schwarz -oder ganz weiß; es gibt aber von ihm wie vom Lama buntscheckige -Individuen. Die Alpacazucht wird besonders auf den Hochebenen des -südlichen Peru und nördlichen Bolivia stark betrieben, geht aber nicht -so weit hinunter wie die Zucht des Lamas. Hier leben diese Tiere in -halbzahmem Zustande in großen Herden in 4000–5000 <span class="antiqua">m</span> Höhe das -ganze Jahr über im Freien. Zur Gewinnung ihrer sehr geschätzten Wolle -werden sie gewöhnlich nur alle zwei Jahre geschoren. Dazu treibt man -sie in der warmen Jahreszeit in die Hütten, wobei sie sich allerdings -sehr störrisch benehmen. Wird ein Tier von der Herde getrennt, so -wirft es sich auf die Erde und ist weder durch Schmeichelei, noch -durch Schläge zu bewegen, wieder aufzustehen. Einzelne können nur -dadurch fortgeschafft werden, daß man sie den Herden von Lamas und -Schafen beigesellt. Aus ihrer Wolle werden seit uralter Zeit Decken, -Mäntel und Kleiderstoffe verfertigt. Sehr schön gemusterte Proben -der altperuanischen Textilkunst besitzt namentlich das Berliner -Völkermuseum. Doch züchtet man das Alpaca außer der Wolle wegen auch -zur Gewinnung des höchst schmackhaften Fleisches. Zum Lasttragen wird -es nicht verwendet, wozu es auch etwas zu schwach wäre.</p> - -<p>Wiederholt hat man versucht, Lamas und Alpacas auch außerhalb ihrer -hochgelegenen Heimat zu akklimatisieren; doch schlugen bis jetzt alle -diesbezüglichen Versuche fehl. So werden sie nur etwa in zoologischen -Gärten gehalten. Das erste Lama, das man in Europa zu<span class="pagenum"><a id="Seite_226"></a>[S. 226]</span> sehen bekam, war -noch vor der Eroberung Perus durch Pizarro, als er bei Karl V. -um Hilfe bat, gezeigt worden. Im Jahre 1643 sollte Admiral Brouwer -bei seiner mißglückten Expedition gegen Chile das Vicuña im damals -holländischen Nordbrasilien einführen. 1799 hatte man weiße Vicuñas -nach Buenos Aires gebracht; 1808 sah Bory de St. Vincent einen kleinen -Lamabestand in Cadiz. Das waren wohl die Tiere, die Karl IV. -hatte kommen lassen. Dann schenkte auch Kaiserin Josephine welche; -aber alle diese Ansiedelungsversuche verliefen völlig erfolglos. -In Australien hat man, nachdem 1852 der erste Versuch verunglückt -war, 1856 256 Tiere meist gemischten Blutes angesiedelt, aber trotz -der ausgesetzten Prämie von 250000 Franken kein Glück damit gehabt; -ebensowenig in Kuba trotz anfänglichen Gelingens. Teilweise ist eine -als Caracha bezeichnete ansteckende Krankheit daran schuld, die -besonders die Alpacas ergreift und an ihnen eiternde Wunden an den -Vorderbeinen und den Geschlechtsteilen hervorruft, woran sie häufig -eingehen.</p> - -<p>Alpaca und Lama können leicht miteinander gekreuzt werden. Die -Mischlinge, die unter dem Namen Guarizos oder Machorras bekannt sind, -bieten aber durchaus keine Vorteile vor jenen. Als Lasttiere lassen sie -sich ebensowenig gebrauchen als die Alpacas; auch erben sie die feine -Wolle der letzteren nicht. Übrigens findet das Lama in Peru seit der -Einführung des Maultiers und des Pferdes viel weniger Verwendung als -Lasttier im Vergleich zu früher, da es noch ausschließlich als solches -verwendet wurde. Zur Zeit der spanischen Eroberung gab es namentlich -im südlichen Peru ungeheure Herden davon. Damals wurden nicht selten -Züge von 500 oder selbst 1000 Stück angetroffen, alle mit Silberbarren -beladen und unter Obhut weniger Männer ihres Weges ziehend. Für die -Wegschaffung der Minenerzeugnisse von Potosi sollen zu jener Zeit -allein über 300000 Lamas gebraucht worden sein. Der Spanier Acosta -berichtet darüber: „Ich habe mich oft gewundert, diese Schafherden mit -2000–3000 Silberbarren, welche über 300000 Dukaten wert sind, beladen -zu sehen, ohne eine andere Begleitung als einige Indianer, welche die -Schafe leiten, beladen und abladen, und dabei höchstens noch einige -Spanier. Sie schlafen alle Nächte mitten im Felde, und dennoch hat -man auf diesem langen Wege noch nie etwas verloren; so groß ist die -Sicherheit in Peru. An Ruheplätzen, wo es Quellen und Weiden gibt, -laden die Führer sie ab, schlagen Zelte auf, kochen und fühlen sich, -ungeachtet der langen Reise, wohl. Erfordert diese nur einen Tag, so -tragen jene<span class="pagenum"><a id="Seite_227"></a>[S. 227]</span> Schafe 8 Arrobas (92 <span class="antiqua">kg</span>) und gehen damit 8–10 -Leguas (29 bis 36 <span class="antiqua">km</span>); das müssen jedoch bloß diejenigen tun, -welche den armen, durch Peru wandernden Soldaten gehören. Alle diese -Tiere lieben die kalte Luft und finden sich wohl im Gebirge, sterben -aber in Ebenen wegen der Hitze. Bisweilen sind sie ganz mit Eis und -Reif bedeckt und bleiben doch gesund. Die kurzhaarigen geben oft -Veranlassung zum Lachen. Manchmal halten sie plötzlich auf dem Wege an, -richten den Hals in die Höhe, sehen die Leute sehr aufmerksam an und -bleiben lange Zeit unbeweglich, ohne Furcht oder Unzufriedenheit zu -zeigen. Ein anderes Mal werden sie plötzlich scheu und rennen mit ihrer -Ladung auf die höchsten Felsen, so daß man sie herunterschießen muß, um -die Silberbarren nicht zu verlieren.“ Meyer schlägt die Wichtigkeit des -Lamas für die Peruaner ebenso hoch an wie die des Renntieres, von dem -alsbald die Rede sein wird, für die Lappländer.</p> - -<p>Neuerdings beabsichtigt die preußische Regierung, das überaus genügsame -Tier, dessen Fleisch einen sehr zarten Geschmack besitzt, in den -sonstwie wenig brauchbaren Ländereien, so zunächst auf der Lüneburger -Heide, einzuführen. Ob ihr die Akklimatisation gelingen wird, ist -allerdings höchst fraglich, da diese Tiere im Tiefland nicht gedeihen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_228"></a>[S. 228]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="X_Das_Renntier">X. Das Renntier.</h2> - -</div> - -<p>Im <em class="gesperrt">Renntier</em> (<span class="antiqua">Rangifer tarandus</span>), einem der jüngst -erworbenen Haussäugetiere, das nur sehr oberflächlich gezähmt ist und -sich noch weitgehender Freiheit und Selbständigkeit erfreut, haben -wir den einzigen Vertreter der Familie der Hirsche vor uns, den der -Mensch in seine Abhängigkeit brachte. Den Übergang von den eigentlichen -Hirschen zum Renntier bildet der in den menschenleeren Einöden -Nordchinas lebende <em class="gesperrt">Milu</em> der Chinesen oder <em class="gesperrt">Davidshirsch</em> -(<span class="antiqua">Elaphurus davidianus</span>) der Europäer, so genannt, weil ihn 1865 -der französische Missionar David durch einen Blick über die Mauer -des kaiserlichen Wildparks bei Peking entdeckte. Dort wird dieses -äußerst scheue und seltene Tier zum Vergnügen des Kaisers von China -und seines Hofes in Gehegen gehalten. Durch die Vermittlung des -damaligen deutschen Gesandten in Peking, v. Brandt, kamen von dort zwei -Hirsche und ein Tier als außerordentliche Seltenheit in den Berliner -Zoologischen Garten und von da auch in denjenigen von Köln. In seinem -ganzen Bau, besonders der Füße, aber auch des Gehörns, erinnert der -Milu viel mehr an das Renntier als an den Hirsch und läßt wie dieser -bei jedem Schritt ein eigentümliches Knistern in den Fußgelenken hören, -was sonst den Hirschen nicht zukommt.</p> - -<p>Die geweihtragenden Wiederkäuer eigneten sich im allgemeinen deswegen -nicht zur Domestikation, weil sie ausgesprochene Waldbewohner sind -und sich deshalb zum dauernden Aufenthalt im offenen Lande nicht -recht verwenden lassen. Davon macht nur das Renntier eine Ausnahme; -denn schon im Wildzustande meidet es den Wald und bewohnt heute im -Norden jenen Gürtel, der sich zwischen der Waldzone und dem Eismeer -ausdehnt und den man als Tundra oder Moossteppe bezeichnet. Hier lebt -es vorzugsweise von der Renntierflechte. Damit es nun mit seinen Füßen -im moorigen Boden der Tundra nicht zu weit einsinke, besitzen die -niedrigen, kräftigen Beine<span class="pagenum"><a id="Seite_229"></a>[S. 229]</span> breit ausladende Hufe und bis auf den Boden -hinabreichende Afterklauen. Auf dem dicken, wenig aufgerichteten Hals -sitzt der nach vorn nur wenig verschmälerte Kopf mit dem ausnahmsweise -in beiden Geschlechtern entwickelten, bei den Weibchen nur kleineren, -zackigen Geweih. Das dunkelbraune Sommerkleid ist weniger dicht und -lang als das grauweiße Winterkleid, das sehr warmhält und seinen Träger -vor der großen Kälte seiner Heimat schützt. Der Vorderhals trägt eine -bis zur Brust herabreichende Mähne.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="bild32" > - <img class="w100" src="images/bild32.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 32. Darstellung eines weidenden Renntierweibchens - auf dem aus Renntierhorn verfertigten Bruchstück eines Kommandostabes aus dem - Keßlerloch bei Thaingen. (Nach Photogramm von <span class="antiqua">Dr.</span> - Nüesch.)</div> -</div> - -<p>Das wilde Renn lebt durchschnittlich nördlich vom 60. bis zum 80. -Breitengrad der Alten wie auch der Neuen Welt. Die nordamerikanische -Form ist nur etwas größer und dunkler gefärbt und wird als -<em class="gesperrt">Karibu</em> bezeichnet. Von ihm leben im Tundrengebiet Nordamerikas -und in Grönland stattliche Herden bis zu 200 Stück, denen die Indianer -stark nachstellen, die sie mit Pfeil oder Gewehr erlegen oder in -Hürden aus Buschwerk treiben, um sie nachher mit Speer und Keule -niederzuschlagen. Das altweltliche Renn, von dem man das größere -„Waldrenn“ vom kleineren „Tundrarenn“ unterscheidet, die beide -domestiziert wurden, lebt noch in großer Zahl wild auf Spitzbergen. -Auf Island wurde es im Jahre 1770 eingeführt, ist dort vollständig -verwildert und hat sich bereits in namhafter Zahl über alle Gebirge der -Insel verbreitet. Es liebt die Geselligkeit überaus und lebt in Herden -von 200–300 Stück, die gern wandern, so im Sommer, um der Mückenplage -zu entgehen, nach den höheren, kühler gelegenen Gebieten,<span class="pagenum"><a id="Seite_230"></a>[S. 230]</span> im Winter -dagegen nach den weniger hoch mit Schnee bedeckten Niederungen. Es -wittert ausgezeichnet, ist scheu und vorsichtig, wo es unter den -Verfolgungen des Menschen zu leiden hat, kommt aber vertrauensvoll an -Kühe und Pferde heran, die in seinem Gebiete weiden, mischt sich auch -da, wo es Zahme seiner Art gibt, gern unter diese, obschon es recht -wohl weiß, daß es nicht mit seinesgleichen zu tun hat. Hieraus geht -hervor, daß die Furcht und Scheu vor dem Menschen die Folge der bösen -Erfahrung ist, die es mit ihm gemacht hat, daß es also kein dummes Tier -sein kann. Ende September ist die Brunst und Mitte April wird das Junge -geworfen und längere Zeit von seiner Mutter gesäugt.</p> - -<div class="figcenter illowe17_5" id="bild33" > - <img class="w100" src="images/bild33.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 33. Darstellung eines Renntiermännchens aus der - Höhle von Combarelles, stark verkleinert.<br /> - (Nach Capitan und Breuil.)</div> -</div> - -<p>Der europäische Diluvialjäger lebte vorzugsweise vom Renntier, das -damals während der Kälteperiode bis gegen das Mittelmeer hinunter in -großen Herden lebte und dem Menschen das weitaus wichtigste Beutetier -war. Um es leichter in seine Gewalt zu bringen, zeichnete er es unter -Murmeln von Zaubersprüchen, wie dies heute noch manche auf derselben -Kulturstufe lebende Jägerstämme tun, an die Wände der Höhlen, die er -bewohnte, und an allerlei Gegenstände seines Besitzes, wohl auch die -aus gegerbtem Renntierfell bestehenden Zeltwände auf Stangen. Dabei -galt der Glaube, daß, je naturgetreuer das Tier dargestellt werde, es -um so sicherer in des Menschen Gewalt gelange. Außer dem Fell, das -ihm seine Kleidung und Zeltumhüllung, wie auch Riemen und Schlingen -aller Art lieferte, wurden nicht nur das Fleisch und alle Eingeweide -vom hungrigen Renntierjäger verzehrt, sondern auch das Geweih und die -Knochen des Tieres als bald noch wichtigeres Werkzeugmaterial als -der Feuerstein benutzt. So war die ganze Kultur der Magdalénienjäger -der frühen Nacheiszeit ganz wesentlich auf die Erbeutung des damals -ausschließlich wildlebenden und durchaus noch nicht vom Menschen -in Herden vereinigten Renntiers gegründet, wie solches heute noch -von den auf der reinen Jägerstufe verbliebenen Indianern Kanadas -und noch höherer Breiten geübt wird. Auch diese leben, wie King -berichtet, fast ausschließlich<span class="pagenum"><a id="Seite_231"></a>[S. 231]</span> vom Renn. Sie erlegen das Wild auf -seinen Wanderungen mit der Feuerwaffe, fangen es in Schlingen, töten -es beim Durchschwimmen der Flüsse mit Wurfspeeren, graben tiefe, mit -dünnem Astwerk und Laub verdeckte Fallgruben oder errichten an den -Furten, die sie durchschreiten müssen, zwei aufeinander zulaufende -Zäune aus Stecken, die da und dort schmale Lücken lassen. In eine jede -solche Lücke legen sie eine Schlinge. Wenn das Rudel zwischen die -Zäune getrieben wird, fangen sich einzelne Individuen, die seitlich -durchbrechen wollen, darin und werden abgestochen. Das Fleisch essen -sie roh und braten und räuchern den nicht sofort zu bewältigenden -Rest am Feuer. Aus den Geweihen und Knochen verfertigen sie ihre -verschiedenen Knochenwerkzeuge, vor allem die Fischspeere und Angeln. -Mit den gespaltenen Schienbeinen und anderen Teilen schaben sie, -wie das Fleisch von den Knochen, so Fett und Haar von den Häuten -ab, und mit Renntiergehirn reiben sie das Innere der Felle ein, um -sie geschmeidig zu machen. Das durch Räuchern mit feuchtem Holze -konservierte Leder alter Tiere hängen sie um ihre Zeltstangen, während -sie aus dem pelzartig weichen Fell jüngerer Tiere ihre Kleidung -herstellen, die sie mit Nadeln aus Renntierhorn vermittelst Sehnenfäden -vom Renntier nähen. Vom Kopf bis zu den Füßen sind sie in Renntierpelze -gehüllt, werfen ein weichgegerbtes Renntierfell auf den Schnee, decken -sich mit einem andern solchen zu und sind so imstande, der grimmigsten -Kälte Trotz zu bieten. Kein Teil des Renntiers bleibt von ihnen -unbenutzt, nicht einmal der aus aufgeweichten und halb aufgelösten -Renntierflechten bestehende Mageninhalt, der mit Blut vermischt ein -ihnen höchst schmackhaft vorkommendes Gericht liefert, von dem sie nur -ihren besten Freunden anbieten.</p> - -<div class="figcenter illowe23_75" id="bild34" > - <img class="w100" src="images/bild34.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 34. Von Magdalénienjägern auf ein Knochenstück - eingeritzte Renntiere, worunter ein Männchen ein Weibchen beschnüffelnd, aus dem - <span class="antiqua">abri</span> von La Madeleine in der Dordogne. - (Etwa natürl. Größe.)</div> -</div> - -<p>Das wilde Renntier hat aber auch noch andere Feinde als den Menschen. -Der gefährlichste von ihnen ist der Wolf, der stets, besonders im -Winter, die Rudel umlagert. In Norwegen mußten die Renntierzuchten, -welche man auf den südlichen Gebirgen anlegen wollte, der<span class="pagenum"><a id="Seite_232"></a>[S. 232]</span> Wölfe wegen -aufgegeben werden. Auch Vielfraß, Luchs und Bär stellen den Renntieren -nach. Sonst setzen ihm hauptsächlich die Mückenschwärme stark zu und -peinigen es im Sommer auf höchst unangenehme Weise.</p> - -<p>Jung eingefangene Renntiere werden bald zahm. „Man würde sich aber“, -sagt Brehm, „einen falschen Begriff machen, wenn man die Renntiere, -was die Zähmung anlangt, den in den Hausstand übergegangenen Tieren -gleichstellen wollte. Nicht einmal die Nachkommen derjenigen, welche -seit undenklichen Zeiten in der Gefangenschaft leben, sind so zahm wie -unsere Haustiere, sondern befinden sich immer noch in einem Zustande -von Halbwildheit. Nur Lappen und deren Hunde sind imstande, solche -Herden zu leiten und zu beherrschen.“</p> - -<div class="figcenter illowe40_625" id="bild35" > - <img class="w100" src="images/bild35.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 35. Aus Renntierhorn geschnitzter Dolch eines - Magdalénienjägers, dessen Griff ein Renntier darstellt, das, um die Hand beim - Fassen der Waffe nicht zu behindern, die Schnauze erhebt und sein Gehörn in den - Rücken drückt. Aus dem gleichen Grunde sind seine Vorderfüße unter den Bauch - gebogen, als ob es davonspringen wolle. Aus dem südfranzösischen - <span class="antiqua">abri</span> von Laugerie basse in der Dordogne. - (<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">3</span></span> natürl. Größe.)</div> -</div> - -<p>Das Renntier ist sehr spät vom Menschen zum Haustier erhoben worden -und ist im ganzen jetzt noch recht mangelhaft domestiziert. Wann dies -geschah, läßt sich nicht mehr bestimmen; doch kann dies vor nicht viel -mehr als 500 Jahren geschehen sein. Nach Frijs in Christiania waren -die Lappen im Norden Skandinaviens im 9. Jahrhundert noch Fischer und -Jäger, die außer dem Hund noch keinerlei Nutztiere besaßen und das -Renn nur als Wild kannten. Erst im 16. Jahrhundert gibt uns Olaus -Magnus Kenntnis von zahmen Renntieren, die in ihrem Besitze waren. -Julius Lippert hält es für wahrscheinlich, daß die Renntierzucht von -Skandinavien ausging, während sie Eduard Hahn in ihrem Ursprung nach -Nordasien verlegt und der Meinung ist, sie habe sich später von dort -nach Westen ausgedehnt. Uns scheint diese letztere Annahme die allein -richtige, da dort sicher die Renntierzucht eine ältere ist als in -Nordeuropa.</p> - -<p>Für die am Nordrande der Alten Welt lebenden Fischervölker, für deren -Lebensweise der Hund zwar wichtig, aber nicht ausreichend<span class="pagenum"><a id="Seite_233"></a>[S. 233]</span> war, -wurde der Erwerb des Renns als Haustier von unschätzbarem Werte. -Es war das einzige Wildmaterial, das ihnen für die Gewinnung eines -nützlichen Haustiers zu Gebote stand, und so wurde es herdenweise -in Pflege und Aufsicht genommen und trat dadurch in lose Verbindung -mit dem Menschen, den es bis dahin als seinen ärgsten Feind geflohen -hatte. Die Unterordnung unter das menschliche Joch ist aber heute -noch eine sehr bedingte. Wohl werden die Herden durch wachsame Hunde -zusammengehalten, indessen wenden sie sich doch dahin, wo es ihnen -gerade paßt und die Weide günstig ist. Der Besitzer kann seine Tiere -nicht beeinflussen und nach seinem Willen lenken, sondern er muß ihnen -einfach folgen, wohin sie ihn führen. Günstig für ihn ist es, daß die -Renntiere ein ausgeprägtes Herdenbewußtsein haben und stets geschlossen -gehen, so daß sie sich nicht zerstreuen, was ihm das Hüten wesentlich -erleichtert. Das Melkgeschäft ist durchaus keine Annehmlichkeit, da -die störrischen Tiere beständig durchgehen wollen und nur mit einem -Strick zum Ausharren bei diesem Geschäfte festgehalten werden können. -Die Renntiermilch ist, wenn sie auch neben dem süßen einen starken -Beigeschmack hat, sehr fettreich und nahrhaft; doch ist der Milchertrag -gering.</p> - -<div class="figcenter illowe27_5" id="bild36_37" > - <img class="w100" src="images/bild36_37.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 36 und 37. Dolchgriff aus Renntierhorn, einen - Renntierkopf, und ein ebensolcher aus Mammutelfenbein, ein nur scheinbar - liegendes Renntier darstellend, beide aus der Höhle von Bruniquel in - Westfrankreich, jetzt im Britischen Museum in London. (<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">3</span></span> natürl. Größe.)</div> -</div> - -<p>Die von den Nomaden des Nordens zusammengehaltenen Renntierherden -halten sich jahraus jahrein im Freien auf, da selbstverständlich -Unterkunftsräume für so ausgedehnte Herden fehlen. Bei starkem -Schneefall geraten sie allerdings in Not und gehen vielfach an -Nahrungsmangel und Entkräftung zugrunde, so außerordentlich genügsam -sie auch an sich sein mögen, indem sie sich von selbst aus dem Schnee -hervorgescharrten Renntierflechten ernähren und als Flüssigkeitszufuhr -den Schnee im Munde zergehen lassen.</p> - -<p>Außer den Lappen geben sich auch die Finnen und zahlreiche sibirische -Volksstämme mit der Zucht des Renntiers ab, das das Ein und alles, -der Inbegriff von Glück und Reichtum dieser Menschen bildet. Mit -Mitleid schaut der Fjeldlappe, der eigentliche Renntier<span class="pagenum"><a id="Seite_234"></a>[S. 234]</span>züchter, auf -seine Volksgenossen herab, die das Nomadenleben aufgegeben und sich -entweder als Fischer an Gewässern niedergelassen oder gar als Diener -an Skandinavier verdingt haben. Er allein dünkt sich diesem gegenüber -ein freier Mann zu sein; er kennt nichts Höheres als sein „Meer“, wie -er eine größere Renntierherde zu nennen pflegt. Immerhin gehört eine -beträchtliche Zahl von Renntieren dazu, um den Lappen und seine Familie -zu ernähren. Erst etwa 200 sollen ausreichen, um ihn selbständig zu -machen. Wer weniger sein eigen nennt, pflegt sich an einen reicheren -Besitzer anzuschließen und dafür in ein Dienstverhältnis zu ihm zu -treten. Eine Herde von etwa 500 Renntieren bedeutet Wohlhabenheit, -die viele Lappen erreicht haben. Nur wenige bringen es zu einem in -ihren Augen fabelhaften Reichtum von 2000–3000 Stück. Man berechnet -die Gesamtzahl der den Lappen Norwegens gehörenden Renntiere auf rund -80000, in die sich 1200 Besitzer teilen sollen. Die Renntierlappen -leben ganz nomadisch, indem sie sich gewöhnten, ihren Herdentieren zu -folgen. Im Sommer ziehen sie mit ihnen hinauf zu den großen baumlosen -Fjeldern (Hochflächen), wo diese am leichtesten ihre Nahrung finden -und der sehr lästigen Mückenplage entweichen können. Im Winter dagegen -wandern sie mit ihnen in die waldreicheren Regionen hinab, die weniger -den rauhen Stürmen ausgesetzt sind. Dank ihrer breitausladenden Hufe -können die Renntiere ebensogut über die sumpfigen Stellen wie über die -Schneedecke hinweggehen und sogar an den Halden herumklettern. Ihre -Fährten erinnern weit mehr an die einer Kuh als eines Hirsches.</p> - -<div class="figcenter" id="bild38_39" > - <img class="illowe12_5" src="images/bild38_39.jpg" alt="" /> - <div class="caption illowe15">Bild 38 und 39. Zwei Harpunen des Magdalénienjägers aus - Renntierhorn mit Giftrinnen aus Südfrankreich. (<span class="nowrap"><span class="zaehler">4</span>⁄<span class="nenner">9</span></span> natürl. Größe.)</div> -</div> - -<p>Eine Renntierherde bietet ein höchst eigentümliches Schauspiel. Die -Renntiere gehen geschlossen wie die Schafe, aber mit behenden,<span class="pagenum"><a id="Seite_235"></a>[S. 235]</span> -federnden Schritten und so rasch, wie sonst keins unserer Haustiere. -Ihnen nach wandelt der Besitzer mit seinen Hunden, die eifrig bestrebt -sind, die Herde zusammenzuhalten. Durch ihr Hin- und Herlaufen und -durch ihr ewiges Blöken erinnern die Renntiere an Schafe, obgleich ihr -Lautgeben mehr ein Grunzen genannt werden muß. Bei weitem die meisten, -die in Herden gehalten werden, sind sehr klein und man sieht unter -Hunderten nur sehr wenig starkgebaute, große Tiere. Dabei fällt die -Unregelmäßigkeit ihrer Geweihe unangenehm auf.</p> - -<p>Mancherlei Seuchen richten oft arge Verheerungen unter den Renntieren -an. Außerdem trägt das rauhe Klima das seinige dazu bei, daß sich -die Herden nicht so vermehren, wie es, der Fruchtbarkeit des Renns -angemessen, der Fall sein könnte. Junge und zarte Kälber erliegen -der Kälte oder leiden unter den heftigen Schneestürmen, so daß sie, -vollkommen ermattet, der Herde nicht mehr folgen können und zugrunde -gehen. Ältere Tiere können bei besonders tiefem Schnee nicht mehr -hinreichende Nahrung finden. So können schneereiche Winter zuvor für -reich geltende Lappen geradezu arm machen, so daß sie sich erst in -vielen Jahren von ihrem Schaden erholen können.</p> - -<div class="figcenter" id="bild40" > - <img class="illowe6_25" src="images/bild40.jpg" alt="" /> -<div class="caption illowe15_625 no-break-before">Bild 40. Pfeife der Magdalénienjäger - aus der Höhle von Bruniquel in Westfrankreich, nördlich der Dordogne. (<span class="nowrap"><span class="zaehler">2</span>⁄<span class="nenner">3</span></span> nat. - Größe.) An der dünnsten Stelle einer Renntierphalange ist mit einem - Steinmesserchen ein Loch gebohrt worden, welches beim Anblasen einen scharfen, - hohen Ton hören läßt.</div> -</div> - -<p class="mtop1">Alles am Renntier wird von diesen Leuten benutzt, nicht bloß die Milch -und der daraus bereitete wohlschmeckende Käse, das Fleisch und das -Blut, sondern auch jeder einzelne Teil des Leibes. Aus dem weichen -Fell besonders der Renntierkälber verfertigt man warme Pelzröcke und -Pelzstiefel; die Sehnen benutzt man zu Zwirn, die Gedärme zu Stricken. -Wie zur Renntierzeit werden auch heute noch aus Horn und Knochen -allerlei Gerätschaften, besonders Fischhaken und Angeln hergestellt. -Außerdem wird das Tier zum Tragen der Gerätschaften, besonders der -Zeltbestandteile und Effekten seines Besitzers verwendet. In Lappland -benutzt man das Renn hauptsächlich zum Fahren, weniger zum Lasttragen, -weil ihm letzteres, des schwachen Kreuzes wegen, sehr beschwerlich -fällt. Nur die Tungusen reiten auch auf den stärksten Rennhirschen, -indem sie einen kleinen Sattel ge<span class="pagenum"><a id="Seite_236"></a>[S. 236]</span>rade über die Schulterblätter -legen und sich mit abstehenden Beinen daraufsetzen. Auf diese Weise -reiten sie selbst über Moorgebiete, in die Pferde und Menschen tief -einsinken müßten, mit erstaunlicher Sicherheit hinweg. Der Korjäke -dagegen fährt im Renntierschlitten und Wettfahrten gehören zu seinem -Hauptvergnügen. Weder zum Fahren, noch zum Reiten werden die Tiere -besonders abgerichtet, sondern man nimmt dazu ohne viel Umstände ein -beliebiges, starkes Tier aus der Herde und schirrt es zum Ziehen des -bootartigen Schlittens oder zur Aufnahme des kunstlosen Sattels an. Ein -gutes Renntier legt mit dem Schlitten in einer Stunde etwa 10 <span class="antiqua">km</span> -zurück und zieht 120–140 <span class="antiqua">kg</span>, wird aber gewöhnlich viel geringer -belastet. Schont man solche Zugtiere, indem man sie nur morgens und -abends einige Stunden ziehen, mittags und nachts aber weiden läßt, -so kann man erstaunlich große Strecken zurücklegen, ohne sie zu -übermüden. Doch ist auf die Dauer der Zughund leistungsfähiger als sie; -deshalb haben die Kamtschadalen im Gegensatz zu ihren Nachbarn, den -Korjäken, ihre Hunde zum Ziehen der Schlitten nicht mit dem Renntier -vertauscht. Auch die Giljaken im Mündungsgebiet des Amur sind vom -Renntiergespann wieder zum Hundeschlitten, als dem leistungsfähigeren -Fortbewegungsmittel, zurückgekehrt. Allerdings muß man den Hunden für -Nahrung sorgen, während das Renntier sich sein Futter selbst sucht.</p> - -<p>Außer im Norden von Skandinavien ist das Renntier in Finnland stark -verbreitet. In Rußland ist das Gouvernement Archangelsk am reichsten -daran; auch die Gouvernemente Perm und Orenburg besitzen noch starke -Bestände davon. Durch ganz Sibirien haben die Nomadenstämme der -Samojeden, Ostjaken, Tungusen, Tschuktschen und wie sie sonst heißen -mögen, große Herden von Renntieren, von denen sie neben der Jagd -auf die wilden Renntiere leben. Als Proviant wird Renntierfleisch -getrocknet; solchergestalt läßt es sich lange Zeit aufbewahren ohne zu -faulen. In neuester Zeit hat man versucht, von Sibirien aus Renntiere -in Alaska einzubürgern, um die soziale Lage der dortigen Einwohner zu -heben. Ob dieser Versuch tatsächlich geglückt ist, steht dahin; doch -wird dies wohl der Fall sein, da dieses Tier keine Schwierigkeiten bei -der Haltung macht.</p> - -<p>Da das Renntier erst so kurze Zeit im Haustierstande ist, hat es -sich noch nicht in verschiedene Rassen spalten können. Immerhin sind -bei der zahmen Art, abgesehen von der geringeren Größe, der größeren -Häßlichkeit und der unregelmäßigen Bildung des Geweihs,<span class="pagenum"><a id="Seite_237"></a>[S. 237]</span> das auch -später abgeworfen wird, bereits kleine Farbenunterschiede bemerkbar. -Bei vielen ist die Färbung des Felles schon ziemlich rein weiß, bei -anderen scheckig geworden. Das wohlschmeckende Wildbret des Renns ist -bei uns so beliebt geworden, daß es im Winter von Skandinavien aus -regelmäßig auf unseren Markt gelangt und willige Abnehmer findet.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_238"></a>[S. 238]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XI_Der_Elefant">XI. Der Elefant.</h2> - -</div> - -<p>Die letzten spärlichen Stammhalter einer einst durch zahlreiche Arten -vertretenen Säugetiergattung sind die Rüsseltiere, unter denen die -<em class="gesperrt">Elefanten</em> die wichtigsten und für den Menschen nützlichsten -sind. Schon seit dem hohen Altertum gezähmt und zum Nutztier des -Menschen abgerichtet, sind sie indessen bis jetzt nie eigentlich -zu Haustieren geworden, indem sie sich in der Gefangenschaft nur -ausnahmsweise fortpflanzen.</p> - -<p>Wenn wir von zahmen Elefanten sprechen, so verstehen wir darunter stets -den etwas kleineren und mit kleinen Ohren versehenen <em class="gesperrt">indischen -Elefanten</em> (<span class="antiqua">Elephas indicus</span>), der ein ausgesprochenes -Waldtier ist und die mit Wäldern bedeckten Teile von Vorderindien, -Ceylon, Assam, Birma, Siam, Cochinchina, der Halbinsel Malakka -und Sumatra bewohnt, aber auch in Borneo vorkommt, wo er indessen -vielleicht nur eingeführt ist. Er ist fast haarlos, abgesehen von einer -Reihe langer, grober Haare am Schwanzende, von dunkelgrauer Farbe und -trägt an den Vorderfüßen 5, an den Hinterfüßen dagegen nur 4 Hufe. -Weibchen werden meist bloß 2,4 <span class="antiqua">m</span>, Männchen durchschnittlich -2,7 <span class="antiqua">m</span> hoch, können aber bis 3,6 <span class="antiqua">m</span> Höhe und über 3000 -<span class="antiqua">kg</span> Gewicht erlangen. Die Stoßzähne sind wurzellose Schneidezähne -mit Emailüberzug, der nicht wesentlich härter ist als die innere -Elfenbeinmasse. Sie wachsen ruckweise und bestehen aus dütenartig -ineinander gesteckten einzelnen Schichten von Dentin. Beim Männchen -sind sie stärker ausgebildet als beim Weibchen und dienen als Hebel zum -Abbrechen von Zweigen und Entwurzeln von kleineren Bäumen, von deren -Laub die Tiere sich ernähren. Gelegentlich können sie nicht nur beim -Weibchen, sondern auch beim Männchen fehlen. Von den oben und unten -nach und nach hervorbrechenden 6 Backenzähnen jeder Kieferhälfte sind -meist nur 4 im Gebrauch, je einer oben und unten.<span class="pagenum"><a id="Seite_239"></a>[S. 239]</span> Sie bestehen aus -einer Anzahl sich selbständig entwickelnder, erst nachträglich durch -Zement zusammengekitteter Platten, innen aus Dentin und außen aus -Schmelz bestehend; und zwar ist der erste aus 4, der zweite aus 8, der -dritte aus 12, der vierte gleichfalls aus 12, der fünfte aus 16 und -der sechste aus 24 Querplatten zusammengesetzt. Die einzelnen Zähne -sind weniger groß als beim afrikanischen Elefanten, weil seine Nahrung -weicher ist. Sie besteht nämlich hauptsächlich aus verschiedenen Arten -von Gräsern und Blättern, jungen Bambusschößlingen, aus Stengeln und -Blättern wilder Bananen und aus den kleinen Blättern, den weichen -Zweigen und der Rinde bestimmter Baum-, namentlich Feigenarten. Von -einem ausgewachsenen Tiere werden täglich große Mengen von Nahrung, -nämlich 300–350 <span class="antiqua">kg</span>, verzehrt. Dagegen trinken die Elefanten in -der Regel nur zweimal am Tage, nämlich vor Sonnenuntergang und nach -Sonnenaufgang. Sowohl das Wasser als auch die Nahrung führen sie mit -dem Rüssel zum Munde, der ein überaus muskulöses Organ ist und aus -über 35000 einzelnen Muskelbündelchen besteht, nämlich von in Reihen -hintereinander geordneten Längs- und in Bogen verlaufenden Quermuskeln. -Er ist beim indischen Elefanten länger als beim afrikanischen, etwa -von der halben Körperlänge, und trägt vorn an der Spitze einen -fingerartigen, äußerst nervenreichen Fortsatz, mit dem er die feinsten -Gegenstände vom Boden aufzugreifen vermag. Die Augen sind auffallend -klein und das Sehvermögen gering, das Gehör mäßig, aber der Geruch -außerordentlich fein entwickelt.</p> - -<p>Gewöhnlich lebt der indische Elefant in Herden von 30–50 Stück -verschiedener Größe und beiderlei Geschlechts. Dabei gehören im -allgemeinen alle Stücke einer Herde zu derselben Familie, sind also -nahe miteinander verwandt. Verschiedene Herden vermischen sich nämlich -nicht miteinander, obschon versprengte Weibchen und junge Männchen -auch leicht in eine fremde Herde aufgenommen werden. Nur alte, -griesgrämige Männchen leben gern für sich allein und können dann sehr -bösartig werden. Der Anführer der Herde ist merkwürdigerweise stets -ein Weibchen. Im allgemeinen sind alle Elefanten trotz ihrer Größe -und Kraft furchtsame und schreckhafte Tiere, die dem Menschen, ihrem -größten Feinde, sorgfältig aus dem Wege gehen. Abgesehen von den von -den Engländern in Indien als <span class="antiqua">rogues</span> bezeichneten einzellebenden -Männchen hat man sich besonders vor Weibchen mit Jungen zu hüten. -Greift ein Elefant an, so benutzt er dabei die Füße und, falls es ein -Männchen ist, seine Stoßzähne, nicht aber seinen Rüssel, den er<span class="pagenum"><a id="Seite_240"></a>[S. 240]</span> beim -Angriff vielmehr fest zusammenrollt. Den geworfenen Gegner zertrampelt -er meistens.</p> - -<p>Den größten Teil des Tages und der Nacht streicht der Elefant umher um -zu fressen, ruht ungefähr von 9 oder 10 Uhr morgens bis nachmittags -3 Uhr und zum zweiten Male etwa von 11 Uhr abends bis 3 Uhr morgens. -Beim Weiden zerstreut sich die Herde etwas, aber schnell sammeln sich -ihre Mitglieder, sobald sie beunruhigt werden. Zum Schlafen legt sich -der indische Elefant gleich andern Säugetieren nieder, während der -afrikanische, der auch die Sonnenhitze besser erträgt, stets stehend -schläft. In vielen Gegenden unternehmen die Elefanten zu bestimmten -Jahreszeiten Wanderungen von beträchtlicher Ausdehnung, hauptsächlich -wohl des Futters wegen, zum Teil aber auch, um gewissen, ihnen -lästig fallenden Insekten aus dem Wege zu gehen. Bei den Wanderungen -marschieren die Tiere im Gänsemarsch hintereinander; kommen sie bei -warmem Wetter an Wasser, so baden sie, wälzen sich auch gern im -Schlamme. Sind sie erhitzt, so spritzen sie mit dem Rüssel Wasser über -ihren Körper. Können sie solches nicht haben, so benetzen sie ihren -Rücken mit Speichel, werfen auch Erde und Blätter zur Kühlung darauf.</p> - -<div class="figcenter illowe27_0625 break-before" id="tafel47" > - -<p class="captop">Tafel 47.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel47.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><div class="capright">(<span class="antiqua">Copyright - Underwood & Underwood in London.</span>)</div> - Indischer Elefant in Ceylon, seinem Lenker oder Mahaut den Fuß zum Besteigen - hinhaltend.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel47_gross.jpg" id="tafel47_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel48a" > - -<p class="captop">Tafel 48.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel48a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Junger ostafrikanischer Elefant.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel48b" > - <img class="w100" src="images/tafel48b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Zwei erlegte ostafrikanische Elefanten mit großen Stoßzähnen.<br /> - (Beide Bilder nach einer im Besitz der deutschen Kolonialschule in Witzenhausen - befindlichen Photographie.)</div> -</div> - -<p>Wenn auch die geistigen Fähigkeiten des Elefanten meist überschätzt -werden, so ist gleichwohl zuzugeben, daß er außerordentlich gelehrig, -klug und gehorsam ist, und dies in so hohem Grade, daß sich kein -anderes ausgewachsenes Säugetier auch nur halbwegs so leicht zähmen -läßt wie er. Seine sehr lange Entwicklungszeit von 25 und mehr Jahren -und sein Leben in engstem Familienverbande, durch das die Jungen -nicht bloß das Lernen, sondern auch die Alten das Lehren so gewohnt -werden, daß sie es auch in der Gefangenschaft nicht lassen können, -begünstigen in hohem Maße seine Dressurfähigkeit. Diese Neigung zum -Bevormunden ist auch der Hauptgrund, weshalb die zahmen Elefanten so -gern bei der Bändigung der wilden helfen. Wie Jäger sagt, steckt ihnen -das Schulmeistern im Blute. Wenn nun auch der Elefant außerordentlich -zahm ist und auf jeden Wink seines Führers gehorcht, so pflanzt er -sich gleichwohl in der Gefangenschaft, wenigstens in Britisch-Indien, -nur selten fort; doch soll die Elefantenzucht mit zahmen Weibchen -in Teilen von Birma und Siam etwas ganz gewöhnliches sein. Sogar in -Menagerien und Tiergärten pflanzt er sich gelegentlich fort, so bekam -eine Elefantenkuh im bekannten Tiergarten von Schönbrunn bei Wien -zweimal Junge, die gut gediehen. Der Elefantenbulle ist etwa im 20. -Jahre fortpflanzungsfähig, wenn<span class="pagenum"><a id="Seite_241"></a>[S. 241]</span> er auch erst mit 25 ausgewachsen -ist und erst im 35. Jahre seine Vollkraft erreicht. Seiner langsamen -Entwicklung entsprechend, wird er 100–150 Jahre alt. Die Weibchen -bringen ihr erstes Kalb ungefähr im Alter von 16 Jahren zur Welt und -weitere Junge in Zwischenräumen von durchschnittlich 2,5 Jahren. -Die Tragzeit beträgt 20<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Monate. Meist im Herbst wird das eine -Junge geboren, das bei der Geburt 85 <span class="antiqua">cm</span> hoch und ungefähr 100 -<span class="antiqua">kg</span> schwer ist und mit seinem Munde, nicht aber mit dem dann noch -dünnen, kurzen und wenig beweglichen Rüssel, der dabei zurückgelegt -wird, an den beiden an der Brust befindlichen Zitzen seiner Mutter -saugt. Nur in seltenen Ausnahmefällen werden Zwillinge geboren. Hat -ein Weibchen geworfen, so verbleibt die ganze Herde, der es angehört, -rücksichtsvoll ein paar Tage an der Stelle, da solches geschah. -Überhaupt leben die Mitglieder einer Herde äußerst friedlich zusammen. -Nur bei der an keine Periode oder Jahreszeit gebundenen Brunst sind die -Tiere leicht reizbar und können Streit miteinander bekommen, oder, wenn -sie gezähmt im Dienste des Menschen stehen, wütend werden, besonders -die Männchen, bei denen dann, wie übrigens auch bei den Weibchen, aus -einer kleinen, zwischen Auge und Ohr gelegenen Schläfendrüse eine ölige -Substanz herausfließt. Es ist dies ein sexuelles Reizmittel von für die -menschlichen Nasen kaum merklichem Geruch, das aber für die so sehr -viel feineren Geruchsorgane jener Tiere stark wirkt.</p> - -<p>Da die indischen Elefanten so leicht gezähmt werden können, hat man -sich gar nie die Mühe genommen, sie systematisch zu züchten und in -der Gefangenschaft zur Fortpflanzung zu bringen. Weil sie überaus -langsam wachsen und bis zu ihrem leistungsfähigen Alter sehr viel -Futter verbrauchen, das der Mensch ihnen geben muß, ist es sehr viel -einfacher, sie sich in der Wildheit fortpflanzen und verköstigen zu -lassen, bis sie ein für den Dienst beim Menschen taugliches Alter -erlangt haben, und sie dann zu fangen. Dazu treibt man eine oder einige -Herden durch eine lärmende und schießende Treiberkette in eine aus -Baumstämmen hergestellte Einfriedigung, eine sogenannte Keddah. Hier -fängt und entfernt man die zum Behalten gewünschten Exemplare mit Hilfe -zahmer Elefanten und läßt die übrigen laufen. Die gefangenen Individuen -werden an starke Bäume angebunden, durch Entzug von Nahrung und Trank, -wie auch der Gelegenheit zu Baden mürbe gemacht, dann zwischen zwei -zahmen Elefanten zur Tränke und zum Bad und bald auch zur Arbeit -geführt, wobei sie sich trotz ihrer Stärke ziemlich rasch unter die -geistige Gewalt des Menschen beugen und<span class="pagenum"><a id="Seite_242"></a>[S. 242]</span> seinem Willen gehorchen. Die -Südasiaten sind Meister in der Kunst wilde Elefanten mit Hilfe von -zahmen zu fangen und zu zähmen. Außer dem Fang in Einfriedigungen, -in die die durch unmenschlichen Lärm erschreckten Tiere herdenweise -getrieben werden, betreibt man den Einzelfang. Entweder sucht man -wilde Elefanten vor dem Wind auf schnellen zahmen einzuholen und mit -Schlingen zu fesseln, oder man folgt großen Männchen, auf die man es -besonders abgesehen hat, mit zahmen Weibchen und bindet ihnen, wenn sie -schlafen, die Hinterbeine zusammen.</p> - -<p>In Indien, wie auf Ceylon gibt es eine besondere Kaste von -Einzelfängern, die mit wunderbarem Scharfsinn und großer Tapferkeit -erwachsene Elefanten beschleichen, um ihnen die zuvor an einem -starken Baum befestigte zähe Schlinge aus Hirsch- oder Büffelhaut um -eines der Hinterbeine zu legen, sie so zu fangen und durch Hunger -zur Zähmung mürbe zu machen. Überall in Südasien halten die Fürsten -zahlreiche zahme Reitelefanten, die aus solchen Wildlingen gezähmt und -zu nützlichen Tieren des Menschen dressiert wurden. Für feierliche -Prunkaufzüge und zu Jagden auf den Königstiger, den Wildbüffel und -andere gefährliche Tiere im Dschungel sind sie sehr beliebt und -fast unentbehrlich. Für die feierlichen Prozessionen werden in den -indischen Tempeln sogenannte Tempelelefanten gehalten. In Hinterindien -werden sie besonders zum Transport von gefällten und zugehauenen -Baumstämmen, besonders des Tiekholzes, verwendet, auch dienen sie dort -und in Vorderindien zum Ziehen von Wagen und schweren Geschützen. -Die Engländer haben ganze Batterien von Positionsartillerie, die mit -Elefanten bespannt und sehr leistungsfähig sind. Denn trotz ihrer -plumpen Gestalt entwickeln diese Tiere eine große Gewandtheit beim -Erklimmen steiler Abhänge. Auch im Wasser sind sie außerordentlich -gewandt wie wenige Landvierfüßler. Sie schwimmen zwar nicht eben -schnell, legen in der Stunde vielleicht kaum 2 <span class="antiqua">km</span> zurück, können -dafür aber 6 Stunden und darüber ohne zu ruhen fortschwimmen. Albinos -von hellerer Färbung und roten Augen werden in Siam heilig gehalten und -in einem kostbaren Stalle in der Hauptstadt vom Herrscher gefüttert. -Der „weiße Elefant“ ist zum Wappentier jenes Reiches erhoben worden. -Hat jemand einen solchen ausgekundschaftet, so wird er unter großem -Aufwand des Hofes und der buddhistischen Priesterschaft gefangen und in -einen besonderen Tempel nach der Hauptstadt Bangkok gebracht, wo er von -den Gläubigen mit Leckerbissen gefüttert wird und ein sehr gutes Leben -führt.<span class="pagenum"><a id="Seite_243"></a>[S. 243]</span> Und wer der Untertanen ein solches heiliges Tier, dem hohe -Ehren zuteil werden, auskundschaftet und dem Könige von Siam oder einem -seiner Statthalter meldet, der wird von seinem Herrscher für diese -Meldung wahrhaft königlich belohnt.</p> - -<p>Etwas verschieden vom indischen ist der <em class="gesperrt">afrikanische Elefant</em> -(<span class="antiqua">Elephas africanus</span>), der sich auf den ersten Blick von jenem -durch seine gewaltigen, in der Ruhelage die Schultern vollständig -bedeckenden Ohren unterscheidet. Diese werden bei Erregung des Tieres -mit ihren Flächen senkrecht zum Kopfe gestellt und geben dabei ihrem -Träger ein höchst sonderbares Aussehen. Der afrikanische Elefant ist -erwachsen größer und schwerer als der indische, hat einen krummen -Karpfenrücken, einen ebenso kurzen aber gleichwohl sehr beweglichen -Hals und 28 statt wie dieser 27 Schwanzwirbel, dennoch aber einen -kürzeren Schwanz. Die Füße sind verhältnismäßig länger und dünner, -dadurch ist der plumpe Körper höher gestellt. Die Schulterhöhe -erreicht 4–5 <span class="antiqua">m</span>, das Gewicht bis 4000 <span class="antiqua">kg</span> und darüber. -Am verhältnismäßig kleineren Kopfe ist die Stirne flacher, das Auge -größer, der Rüssel kürzer, dünner und flach, dessen Haut auf der -Oberseite in scharfe, nach vorn gerichtete Falten gelegt, die Spitze, -statt mit nur einem fingerartigen Fortsatz am Vorderrand der Öffnung, -mit zwei gleichgroßen Fortsätzen versehen, wovon der eine in der Mitte -des Vorder-, der andere in der des Hinterrandes steht. Die Stoßzähne -des afrikanischen Elefanten, die bei den Elefanten von Nord- und -Ostabessinien zu fehlen oder wenigstens sehr klein zu sein scheinen, -sonst aber nicht bloß beim Männchen, sondern auch beim Weibchen gut -entwickelt sind, sind größer als die des indischen Elefanten. Während -der, soviel man weiß, längste bekannte Stoßzahn eines indischen -Elefanten 2,44 <span class="antiqua">m</span> Länge und ein Gewicht von 45 <span class="antiqua">kg</span> hatte, -betrug die Länge eines der größten bekannt gewordenen Stoßzähne eines -afrikanischen Elefanten 6,33 <span class="antiqua">m</span> und das Gewicht 82,5 <span class="antiqua">kg</span>. -Durchschnittlich beträgt das Gewicht der beiden Stoßzähne eines -ausgewachsenen männlichen afrikanischen Elefanten nur 70 <span class="antiqua">kg</span>. Im -Jahre 1874 wurde jedoch in London ein einzelner Stoßzahn verkauft, der -94 <span class="antiqua">kg</span> wog. Doch sind nach Schillings Zähne von über 50 <span class="antiqua">kg</span> -Gewicht selten. Solche stammen dann stets von Männchen, während -Weibchen selten schwerere als 15 bis im Maximum 20 <span class="antiqua">kg</span> Gewicht -besitzen. Ein Unikum waren nach demselben Autor die im Jahre 1898 -von einem gewerbsmäßigen schwarzen Elefantenjäger am Kilimandscharo -gewonnenen Zähne eines schon fast greisenhaften Bullen, die<span class="pagenum"><a id="Seite_244"></a>[S. 244]</span> zusammen -etwa 225 <span class="antiqua">kg</span> gewogen haben sollen. Beide Zähne gelangten auf den -Elfenbeinmarkt in Sansibar und wurden nach Amerika verkauft.</p> - -<p>Wie die Stoßzähne sind auch die Backenzähne des afrikanischen Elefanten -gewaltiger als diejenigen des indischen Verwandten, weil dessen Nahrung -viel gröber und härter ist und viel größere Anforderungen an das Gebiß -stellt. Unter ihnen ist der erste aus 3, der zweite aus 6, der dritte -gleich dem vierten aus 7, der fünfte aus 8 und der sechste und letzte -aus 10 Platten zusammengesetzt, die sich von dem die Backenzähne des -indischen Elefanten zusammensetzenden Platten durch ihren auf der -Kaufläche sichtbaren rautenförmigen Querschnitt unterscheiden. Zudem -ist der Körper des afrikanischen Elefanten kräftiger behaart und die -Färbung eine dunklere als bei jenem. Während die Vorderfüße 5 Hufe -tragen, besitzen die Hinterfüße nicht 4 wie beim indischen, sondern -bloß 3 Hufe.</p> - -<p>Der afrikanische Elefant ist stärker und lebendiger als sein indischer -Vetter. Seine Bewegungen sind rascher und beim Erklimmen abschüssiger -Hänge zeigt er sich ebenso geschickt. Er steigt am Kilimandscharo bis -zu 3000 <span class="antiqua">m</span> und im Hochland von Abessinien bis 2400 <span class="antiqua">m</span> -empor, ist kein so ausschließliches Waldtier wie sein indischer -Gattungsgenosse, findet sich im Sudan oft sehr weit vom Walde entfernt -auf trockenen, mit verdorrtem Grase bestandenen Ebenen und erträgt -die Hitze viel besser als jener. Nach C. G. Schillings ist sein -eigentlicher Aufenthaltsort nicht der schattige, kühle Hochwald, -sondern vielmehr da, wo er sich nicht allzusehr verfolgt weiß, und -namentlich in der Regenzeit die Baumsteppe, sonst aber die dichten -Bestände von außerordentlich hohem Gras und schilfbestandene Flußufer. -Seine Nahrung besteht nie aus Gräsern — nur Prof. Volkens hat in -Höhenlagen zwischen 2000 und 3000 <span class="antiqua">m</span> am Kilimandscharo Reste von -Schilf in den Elefantenlosungen gefunden — sondern ausschließlich aus -Baumzweigen, Rinden und Früchten aller Art. Baumzweige, die er in der -Dicke des Handgelenks eines Mannes abreißt, durchkaut er und speit -die holzigen Fasern wieder aus, während er den nahrhaften weichen -Bast hinunterschluckt. In den Mimosenwäldern entwurzelt er mit Hilfe -seiner Stoßzähne die meist nur 5–6 <span class="antiqua">m</span> hohen Bäume, um deren -Rinde und Zweige, auch die Wurzeln, weniger die Blätter zu fressen. -Der vorgenannte Schillings hat beobachtet, daß er mit Vorliebe mehrere -Arten von Sanseverien aufnimmt, deren ausgekaute Stengel er aber -wieder fallen läßt, so daß sie, von der Sonne bald weiß ge<span class="pagenum"><a id="Seite_245"></a>[S. 245]</span>bleicht, -weithin auf dem Steppenboden sichtbar sind. Da sie einen erheblichen -Wassergehalt besitzen, dienen sie ihm als einen, wenn auch notdürftigen -Ersatz für das dort weithin fehlende Wasser. In Südost- und Südafrika -benutzt er seine Stoßzähne gern zum Ausgraben von Wurzelknollen und -Zwiebeln. Man sieht dort große Strecken des sandigen Bodens von ihnen -gleichsam umgepflügt.</p> - -<p>Der afrikanische Elefant scheint gleicherweise wie sein indischer -Verwandter ein ziemlich starkes Wasserbedürfnis zu haben und trinkt -täglich wenigstens einmal. Im Gegensatz zu jenem schläft er nie -am Boden liegend, sondern stets nur stehend, in schattigen Hainen -verborgen, und zwar während der heißesten Stunden des Tages. Gewöhnlich -lebt er nur in kleinen, aus je einer Familie, und zwar aus jungen -Männchen, Weibchen und Kälbern bestehenden Gesellschaften. Die alten -Männchen leben einzeln, paarweise oder in kleinen Gesellschaften -für sich, scheinen sich aber bei Wanderungen den übrigen Tieren -anzuschließen. Solche Wanderungen, wozu sich gelegentlich Hunderte -von Elefanten in kleinen Trupps zusammenfinden, scheinen vorwiegend -aus Nahrungsmangel, dann auch zur Erlangung einer zu gewissen Zeiten -reifenden Nahrung unternommen zu werden. Während Gesicht und Gehör -verhältnismäßig schlecht entwickelt sind, ist sein Geruch fast noch -besser als bei seinem indischen Verwandten ausgebildet. So kann er -bei günstigem Winde einen Menschen schon aus sehr weiter Entfernung -wahrnehmen und läuft dann erschreckt in größter Eile davon, um -manchmal erst nach etlichen Stunden haltzumachen. Gern stellt sich -der europäische Jäger bei der Elefantentränke auf den Anstand, um -das vorsichtige Wild zu erlegen. Wo sich aber keine Gelegenheit dazu -bietet, schießt er den Elefanten auch gern vom Pferde. Im ganzen ist -aber die Jagd auf den afrikanischen Elefanten nicht bloß schwieriger, -sondern auch gefährlicher als diejenige auf den indischen, da dieses -Tier entschieden wilder und mehr zu einem Angriff geneigt ist als -jener; und zwar scheinen die alten Weibchen gefährlicher als die -Männchen zu sein und nicht selten sogar ungereizt anzugreifen.</p> - -<p>Vor der Einführung der Feuerwaffen wurden die Elefanten in manchen -Teilen Afrikas, besonders im Süden und Südosten, nur selten -angegriffen. Nur gelegentlich taten sich die Eingeborenen zusammen, um -sie vor dem Winde anzugreifen und sie durch Hunderte von Speerwürfen -und den dadurch verursachten Blutverlust allmählich zu Tode zu quälen. -Durch Speerwürfe tötet man auch in Mittelafrika die in Fallgruben, -manchmal zu zweien gefangenen Elefanten.<span class="pagenum"><a id="Seite_246"></a>[S. 246]</span> War das 3–4 <span class="antiqua">m</span> hohe -Gras der Steppe während der heißen Jahreszeit so trocken geworden, -daß es, angezündet, lichterloh brannte, umgab man auch gern eine -dazu ersehene kleine Elefantenherde mit einem etliche Kilometer im -Durchmesser haltenden Kreise von Feuer, dessen Inneres sich durch -die Ausdehnung des Feuers allmählich verkleinerte und schließlich -die Elefanten, die von der Angst getrieben bald dahin, bald dorthin -zu entfliehen suchten, sich aber nach allen Seiten vom Feuer umgeben -sahen, auf einem kleinen Fleck vereinigte. Dann stürzten sich die -von prasselnden Flammen und Tausenden wild schreienden Eingeborenen -umgebenen, durch gesteigerte Furcht sinnlos gewordenen Tiere, -halberstickt durch den dicken Rauch, verzweifelt durch das Feuer, -an dessen Außenrand sie, verbrannt und geblendet, unbarmherzig von -den Speeren der blutdürstigen Wilden empfangen wurden. Hundert und -mehr der großen Tiere sollen früher gelegentlich bei einer einzigen -solchen Jagd getötet worden sein. Viele Eingeborenenstämme betrieben -die Elefantenjagd auch aus dem Hinterhalte mit vergifteten Pfeilen. -Andere, besonders in Westafrika, flochten aus armdicken holzigen -Schlingpflanzen ein netzartiges Gehege um einen bestimmten Waldbezirk -und jagten die Elefantenherden hinein. Wenn nun die Tiere unschlüssig -vor dem verschlungenen Zaun aus Rankenwerk stehen blieben, so -schleuderten die Neger von den benachbarten Bäumen, auf denen sie -sich postiert hatten, hunderte von Lanzen in den Leib der stärksten -und größten Tiere, bis diese schließlich, vom Blutverlust geschwächt, -zusammenbrachen. Gebräuchlicher war es indessen bei derartigen -Waldjagden, ein solches Zaunwerk in weitem Halbkreise herzurichten -und die zufällig hineingegangenen oder hineingetriebenen Elefanten -möglichst schnell vollständig zu umhegen. Ringsum wurden dann Wachen -aufgestellt und Feuer angezündet, um die der Umzäunung sich nähernden -Tiere zurückzuscheuchen. Obwohl selbst der kleinste Elefant die lockere -und schwache Einhegung ohne weiteres durchbrechen und den schlecht -bewaffneten Eingeborenen entrinnen könnte, wagen die gefangenen -doch nicht zu entfliehen. Sie werden dann von den geduldig um sie -herumlagernden und zuwartenden Jägern zu Tode gehungert, gespeert und -im Zustande äußerster Entkräftung endlich umgebracht. Ihr Fleisch wird -als Leckerbissen gern gegessen und das gewonnene Elfenbein zu allerlei -Schmuck verarbeitet.</p> - -<p>Die Hamram-Araber des Sudan pflegen die Elefanten zu Pferd zu jagen. -Drei oder vier berittene Jäger trennen dabei einen Stoßzahnträger -von seinen Genossen und folgen ihm so lange, bis das er<span class="pagenum"><a id="Seite_247"></a>[S. 247]</span>müdete Tier -sich gegen den Jäger wendet, der sofort davongaloppiert und von dem -dicht hinter ihm herlaufenden Elefanten verfolgt wird. Diesem aber -reiten zwei andere Jäger so schnell sie können nach. Haben sie den -Elefanten erreicht, so ergreift der eine die Zügel des Pferdes seines -Genossen. Der andere springt sofort ab und durchschneidet flink mit -einem einzigen Hiebe seines großen Schwertes die Achillessehne des -Elefanten, wodurch das zum Gehen auf drei Beinen unfähige gewaltige -Tier sofort zum Stehen gebracht und seinen Angreifern überantwortet -wird. In ähnlicher Weise pflegten die Eingeborenen Maschonalands -früher Elefanten zu jagen, nur daß sie zu Fuß waren und anstatt des -Schwerts eine breite Axt gebrauchten. Mit dieser schlichen sie sich -an den schlafenden Elefanten hinan, um eine seiner Achillessehnen -zu durchhauen. Bei andern Eingeborenenstämmen im Stromgebiet des -Sambesi ist es üblich, dem Elefanten von einem über einen seiner am -häufigsten benutzten Pfade hängenden Baumast aus einen mit einem -Holzklotz beschwerten starken Speer in den Rücken zu stoßen. Der damit -getroffene Elefant rast, den schweren Speer im Rücken, davon, stößt -damit an verschiedene Äste und Zweige an, vergrößert dadurch die schon -allein durch das Gewicht des Speeres immer tiefer werdende Wunde und -sinkt, vom Blutverlust erschöpft, schließlich zu Boden, wo ihm die -in angemessener Entfernung insgeheim nachfolgenden Wilden den Garaus -machen, sich an seinem Fleisch, das sie sehr lieben, sättigen und ihn -der auch von ihnen zur Herstellung von allerlei Schmuck geschätzten -Stoßzähne berauben. Anderswo, z. B. in gewissen Gebieten von Äquatoria, -erbeutet man den Elefanten vermittelst eines aufgehängten beschwerten -Fallspeers, der, falls die durch den Tritt des unter dem Speer -hindurchgehenden Elefanten in Tätigkeit gesetzte Fallvorrichtung gut -gerichtet ist, zwischen Schädel und Halswirbelsäule eindringt, den hier -gelegenen Teil des Zentralnervensystems durchschneidet und den wie vom -Blitz getroffenen Elefanten sofort im Todeskampfe zu Boden sinken läßt.</p> - -<p>Während sich die Eingeborenen Afrikas ganz gut auf die Jagd des -Elefanten verstehen, wissen diese zur Zähmung von Tieren überhaupt -ungeschickten Leute den Elefanten weder zu fangen, noch gar -abzurichten. Der Fang der afrikanischen Elefanten kann aber schließlich -nicht viel schwerer sein als der des seit uralten Zeiten als -Arbeitstier gebrauchten indischen, und nach dem Benehmen gefangener -Elefanten, z. B. des großen Jumbo im Londoner Zoologischen Garten, zu -urteilen, sind sie ebenso leicht zähmbar und nicht minder gelehrig<span class="pagenum"><a id="Seite_248"></a>[S. 248]</span> -als ihre indischen Vettern. So wissen wir, daß die nordafrikanischen -Kulturvölker des Altertums den einheimischen Elefanten ebenso zähmten -wie die Indier den ihrigen, und daß die Karthager zweifellos solche -afrikanische Elefanten auf ihren Kriegszügen benützten. So dürfen -wir auch annehmen, daß die 37 Kriegselefanten, die der berühmte -karthagische Feldherr Hannibal im zweiten punischen Kriege im -Sommer 218 v. Chr. von Spanien aus über die Pyrenäen und Alpen nach -Norditalien führte, solche Afrikaner waren.</p> - -<p>Früher war das Verbreitungsgebiet des afrikanischen Elefanten ein -sehr viel größeres als heute, da er auf den südlich von der Wüste -Sahara gelegenen Teil von Afrika beschränkt ist und auch hier durch -die unsinnigen Verfolgungen von seiten der Elfenbeinjäger an vielen -Orten ausgerottet wurde. Er kam im Altertum außer in ganz Nordafrika -auch in Westasien und Südeuropa, besonders auf Sizilien und Spanien -vor. Wir wissen aus sicher datierbaren geschichtlichen Urkunden, -daß er in manchen Gebieten Westasiens bis ums Jahr 1000 v. Chr. -gejagt wurde. So melden uns die Königsannalen im Allerheiligsten des -Ammontempels zu Karnak, der einstigen ägyptischen Hauptstadt Theben, -daß König Thutmosis III. (1480–1447), der seine Eroberungszüge -bis weit nach Vorderasien ausdehnte, im Lande Naharina, d. h. -Stromland (zwischen den Oberläufen von Euphrat und Tigris) bei der -Stadt Nij am Euphrat unterhalb von Karkemisch nicht weniger als 120 -Elefanten erlegte. Dabei geriet allerdings der Pharao selbst einmal -in Lebensgefahr, indem eines der Tiere wütend gegen ihn eindrang und -ihn wohl zweifellos zerstampft hätte, wenn nicht der Feldhauptmann -Amenemhab seinem Gebieter zu Hilfe geeilt wäre und dem Angreifer mit -dem Schwerte den Rüssel abgehauen hätte. Später hat auch der mächtige -assyrische König Tiglathpileser I. noch ums Jahr 1120 v. Chr., -wie er uns auf Inschriften meldet, in derselben westlich von Assyrien -gelegenen Landschaft der Elefantenjagd obgelegen.</p> - -<p>Einst gab es auch im Nilland selbst Elefanten, wie wir aus der einen -solchen darstellenden Hieroglyphe ab entnehmen können. Früher wurde -aber dieses Tier durch die immer dichter sich ansiedelnden Menschen aus -dem Niltale verdrängt. Man jagte es damals schon fast ausschließlich -zur Erlangung des Elfenbeins, das seit der vorgeschichtlichen Zeit -als Ausgangsmaterial für allerlei Schmuck und Geräte wie in Asien, so -auch in Afrika eine große Rolle spielte. Um es zu gewinnen, jagte man -erbarmungslos die sonst so gutmütigen<span class="pagenum"><a id="Seite_249"></a>[S. 249]</span> und friedlich beisammenlebenden -Tiere, so daß der Elefant weithin ausgerottet wurde. Heute ist er -auch aus ganz Südafrika verschwunden, wo er einst ebenfalls sehr -häufig war. In den weniger besuchten Gegenden von Matebeleland, von -Nordostmaschonaland und in den undurchdringlichen Urwäldern der -Küstenniederungen an der Sofalabucht leben zwar noch einige zerstreute -Elefantenherden; sonst gibt es südwärts vom Sambesi heute keine -Elefanten mehr. An der Westseite von Südafrika mag es vielleicht in dem -dem Kunene und Okawango benachbarten äußersten Nordosten von Owamboland -noch etliche Elefanten geben, aber höchstens Männchen ohne Stoßzähne -oder Weibchen. Die letzte Elefantenherde am Botlebi und am Ngamisee -wurde 1889 von den Betschuanen völlig vernichtet, und die im Anfang der -1890er Jahre noch ziemlich zahlreich zwischen den Flüssen Sambesi und -Chobi lebenden Elefanten mögen gegenwärtig schon alle oder doch der -Hauptsache nach den Angriffen der Barotse erlegen sein. In Ostafrika -sind Elefanten am Kilimandscharo noch ziemlich häufig. Am längsten -mögen sie sich in etlichen Gegenden von Innerafrika halten. Aber wenn -keine wirksamen Gesetze zum Schutze der freilebenden afrikanischen -Elefanten erlassen werden, wird man schließlich nur noch hier und -da einige von Regierungs wegen geschützte Elefantenherden treffen, -wie es heute schon etliche im östlichen Kaplande gibt. Dort ist es -den Behörden dank scharfer Erlasse seit dem Jahre 1830 gelungen, in -den Zitzikamma- und Knysnawäldern einige solche zu erhalten. Die -fortschreitende Inzucht wird dann dafür sorgen, daß dieser ehrwürdige -Riese vielleicht noch vor Ende des begonnenen Jahrhunderts ganz -ausgerottet sein wird.</p> - -<p>Afrika, wo nicht die Weißen mit ihren fürchterlichen -Explosivgeschossen, sondern die Eingeborenen mit ihren gewöhnlichen -Flinten das Hauptvernichtungswerk am Elefanten vollführen und weitaus -das meiste Elfenbein in den Handel bringen, liefert heute noch fast -ausschließlich das von uns außer zu allerlei Zier an Geräten und -Spazierstöcken, zu Knöpfen und Messergriffen, besonders aber zu -Billardkugeln verwendeten rezenten Elfenbeins, nämlich nach einer -für die Jahre 1879/83 aufgestellten Übersicht jährlich von den im -Durchschnitt in den Handel gelangenden 868000 <span class="antiqua">kg</span> nicht weniger -als 848000 <span class="antiqua">kg</span>, während Ceylon und Sumatra zusammen nur 2000 -<span class="antiqua">kg</span>, Hinterindien 7000 <span class="antiqua">kg</span> und Vorderindien 11000 <span class="antiqua">kg</span> -abgab. Nach C. G. Schillings wurde der Antwerpener Elfenbeinmarkt -allein gegen das letzte Jahrzehnt durchschnittlich mit den Zähnen -von gegen 18500 Elefanten<span class="pagenum"><a id="Seite_250"></a>[S. 250]</span> jährlich versorgt, in den Jahren 1888 bis -1902 aber 3212700 <span class="antiqua">kg</span> Elfenbein dort eingeführt, während das -durchschnittliche Zahngewicht etwa 8,5 <span class="antiqua">kg</span> pro Zahn betrug -und das Gesamtquantum fast ausschließlich vom Kongogebiet stammte. -„Im Jahre 1902 aber wurden allein in Antwerpen 322300 <span class="antiqua">kg</span> -Elfenbein verkauft!! In ähnlicher Höhe bewegt sich die Einfuhr an -den übrigen hauptsächlichsten Elfenbeinhandelsplätzen der Welt, und -diese Ziffern geben uns ein treues, wenn auch unsäglich trauriges -Bild der Vernichtung des edlen Tieres. Ungeheuer sind die an einigen -Handelsplätzen aufgestapelten Elfenbeinvorräte. Ihre späteren -Eigentümer werden in kürzester Zeit — wenn erst einmal die von -ihnen sehnlichst erstrebte vollkommene Ausrottung des afrikanischen -Elefanten erreicht ist — diese Ware rapid im Preise heraufschrauben -und zweifelsohne das heute nicht mehr sehr beliebte Elfenbein wieder -als Modeartikel einzuführen wissen. — Alle diese Elefanten wurden -hingeschlachtet nur ihres Elfenbeins halber. Es spricht der hoch -entwickelten Technik unserer Zeit Hohn, daß sie nicht vermocht hat, -ein Surrogat zu finden, welches Elfenbein (speziell zu Billardkugeln) -gleichwertig zu ersetzen vermag. Ein glückliches Schicksal hat den -indischen Elefanten vor dieser Vernichtung bewahrt, weil die weiblichen -Tiere des asiatischen Elefanten kein oder nur sehr wenig Elfenbein -tragen, und auch die Bullen nur selten eine starke Stoßzahnentwicklung -zeigen.“ Nachdem die Baumsteppe ihr Elefantenmaterial größtenteils -eingebüßt hat, muß der dichte Wald, der mit seinem für den Menschen -fast undurchdringlichen Unterholz diesem Riesen noch den meisten Schutz -gewährt, zur Erlangung solcher Beute aufgesucht werden. Hier sind die -Urwälder des Kongogebiets noch am besten mit diesem Edelwilde versehen, -so daß die Eisenbahn des Kongogebiets nach statistischen Feststellungen -allein im Betriebsjahre 1907/08 307000 <span class="antiqua">kg</span> und 1908/09 381000 -<span class="antiqua">kg</span> Elfenbein beförderte. Das bedeutet einen Abschuß von 40000 -Elefanten!</p> - -<p>Bei den südasiatischen Kulturvölkern, speziell in Indien, spielte -der gezähmte Elefant schon im hohen Altertum eine wichtige Rolle als -Luxustier, das besonders auch zur Kriegsführung verwendet wurde. Die -Griechen lernten ihn unter Alexander dem Großen auf ihrem Zuge nach -Indien im Jahre 327 v. Chr. kennen. So schreibt Diodorus Siculus: „Als -Alexander der Große in Indien eindrang, fand er jenseits des Flusses -Aornos einen indischen Fürsten, der 20000 Soldaten und 15 Elefanten -bei sich hatte. Dieser ward aber von seinen eigenen Leuten ermordet, -sein Kopf zum König gebracht und dieser bekam nun<span class="pagenum"><a id="Seite_251"></a>[S. 251]</span> auch die Elefanten, -welche im Lande herumirrten, in seine Gewalt. — Jenseits des Indus -stellte sich ihm der indische König Poros entgegen, welcher 50000 Mann -Fußvolk, gegen 3000 Berittene, über 1000 Streitwagen und 130 Elefanten -hatte. Wie es zur Schlacht kam, stellte er die Elefanten in vorderster -Reihe auf, einen jeden für sich, vom andern entfernt, und füllte -die Zwischenräume mit schwerbewaffnetem Fußvolk aus. Die Elefanten -zertraten, was sich ihnen entgegensetzte, mit den Füßen samt Waffen -und Knochen; andere hoben die Makedonier mit dem Rüssel hoch empor und -schmetterten sie dann gegen den Erdboden, andere spießten sie mit den -Zähnen auf. Die Makedonier hielten aber tapfer stand, brachten den -Elefanten eine Menge Wunden bei und jagten sie auf ihre eigene Armee -zurück, die dadurch in entsetzliche Verwirrung geriet. Poros ritt -selbst auf einem Elefanten, sammelte deren rasch noch 40, die den Mut -und die Geistesgegenwart nicht verloren hatten und focht tapfer, bis -er, von vielen Wunden bedeckt, samt seinem Elefanten ohnmächtig zu -Boden sank. Alexander erbeutete in dieser Schlacht 80 Elefanten.“</p> - -<p>Von diesen indischen Elefanten, die damals zum erstenmal in den -Gesichtskreis der Europäer traten, berichtet der Grieche Strabon: -„In Indien ist es keinem Privatmanne erlaubt, ein Pferd oder einen -Elefanten zu halten; denn beides gilt für königliches Vorrecht. Die -Elefantenjagd wird in Indien folgendermaßen betrieben: Man umgibt -einen großen Platz mit einem breiten Graben und läßt nur einen -schmalen Eingang frei. Auf den Platz werden 3–4 zahme Weibchen getan. -Bei Nacht gehen dann auch einzelne wilde Elefanten hinein und hinter -diesen wird das Tor leise zugeschlossen. Nun macht man die wilden -durch Hunger matt, führt dann die stärksten zahmen hinein, um jene zu -bekämpfen. Sind sie nun ganz kraftlos, so schleichen sich die mutigsten -Führer unter den Leib der zahmen Elefanten und fesseln den wilden -die Beine. Sie werden dann in einen Stall gebracht und mit dem Hals -an eine starke Säule gebunden. Allmählich werden sie zahm und lernen -dem Wort, dem Gesang und dem Zimbelschlag gehorchen. Von Natur sind -sie sanft und klug. Es ist schon vorgekommen, daß sie ihre im Kampfe -gefallenen Führer aufgehoben und aus der Schlacht getragen, daß sie -ihre lebenden Führer, die sich unter ihnen verborgen hatten, verteidigt -und gerettet, ja daß sie ihren Führer, den sie im Zorn umgebracht, -tief betrauert haben, so daß einzelne, wie man sagt, in solchem Falle -sich zu Tode hungerten.“ — „Vom Weibchen wird das Junge 6 Jahre lang -gesäugt. Das Alter dieser<span class="pagenum"><a id="Seite_252"></a>[S. 252]</span> Tiere erstreckt sich bis auf 200 Jahre. Ihre -Augenkrankheiten sucht man durch Kuhmilch zu kurieren, ihre meisten -Krankheiten mit rotem Wein, ihre Wunden mit Butter, ihre Geschwüre -mit Schweinefleisch. Onesikritos und andere sagen, die indischen -Elefanten seien größer und stärker als die libyschen. Mit ihrem Rüssel -reißen die Elefanten Brustwehren ein und Bäume aus. Sie lassen sich -abrichten, Steine nach einem Ziele zu werfen, mit Waffen zu fechten; -auch schwimmen sie vortrefflich. — Der König von Indien hält seine -Jagden in Tiergärten ab, reitet dabei auf einem Elefanten und die -bewaffneten Weiber, welche seine Leibgarde bilden, folgen ihm im Wagen -oder auf Pferden oder auf Elefanten nach. — Auf jedem Elefanten sitzen -drei Bogenschützen und ein Führer (Kornak), auf jedem Streitwagen zwei -Streiter und ein Wagenlenker.“</p> - -<p>Auch sonst weiß uns der griechische Geograph Strabon viel von -Elefanten zu berichten, so daß Maurusien (das westliche Algerien -und Marokko) außer Schlangen, Antilopen, Affen, Löwen und Panthern -auch viel Elefanten habe und das maurusische Fußvolk Schilde von -Elefantenhaut trage. In Arabien wohnten in der Nähe der Stadt Saba -die „Elefantenesser.“ „Sie lauern den Elefanten auf und hauen ihnen -die Sehnen durch. Auch schießen sie die Tiere mit Pfeilen, die in -Schlangengalle getaucht sind. Der Bogen wird von zwei Männern gehalten -und der dritte schießt den Pfeil ab. Andere machen Einschnitte in -die Bäume, an welche sich die Elefanten anzulehnen pflegen, wenn sie -ausruhen. Kommt nun das Tier und lehnt sich an, so fällt es um, kann -aber nicht aufstehen, weil die Beine nur einen Knochen ohne Gelenk -haben“. Daß solche Fabeln damals noch von den gebildeten Griechen -geglaubt wurden, beweist, daß diese noch wenig Elefanten gesehen hatten -und dieses Tier mehr vom Hörensagen kannten.</p> - -<p>Nach der Rückkehr der Makedonier vom Feldzuge nach Indien unter ihrem -Könige Alexander erzählten sie den Griechen von ihren Erlebnissen -daselbst und von den großen Elefanten jenes Landes. So erfuhr auch -Aristoteles von ihnen und beschreibt sie in seiner Naturgeschichte -ziemlich getreu. Er sagt, daß sie mit dem Munde, ohne Beihilfe -der Nase, stöhnende Töne, mit dem Rüssel aber trompetenartige -hervorbringen, daß das Elefantenweibchen im 12. Jahre das erste Junge -bekomme, das bei der Geburt die Größe eines 2–3 Monate alten Kalbes -habe, gleich sehen und gehen könne und mit dem Munde, nicht mit dem -Rüssel, an seiner Mutter sauge. „Unter allen wilden Tieren ist der -Elefant der zahmste und sanftmütigste. Er lernt auch<span class="pagenum"><a id="Seite_253"></a>[S. 253]</span> vielerlei, -namentlich, daß er vor Königen die Kniee beugt. Man glaubt, daß er 100 -oder 200 Jahre alt wird. Winter und Kälte kann er nicht gut vertragen. -Er lebt in der Nähe der Flüsse, jedoch nicht im Wasser, aber er watet -durch Flüsse, wenn er nur seinen Rüssel über das Wasser emporstrecken -kann; denn mit dem Rüssel atmet er.“</p> - -<p>„Die Elefanten kämpfen wütend miteinander und stoßen sich mit den -Zähnen. Der Besiegte wird völlig unterjocht und fürchtet sich dann -sehr vor der bloßen Stimme des Siegers. An Mut sind die Elefanten sehr -verschieden. Die Inder brauchen die Männchen und Weibchen zum Kriege, -obgleich die letzteren kleiner und weniger mutig sind. Mit den Zähnen -kann der Elefant Mauern einstoßen. Palmen biegt er mit der Stirne -nieder und tritt sie dann vollends zu Boden. Bei der Elefantenjagd -besteigt man gezähmte, die recht mutig sind, verfolgt die wilden und, -wenn man sie erreicht, läßt man sie von den zahmen so lange schlagen, -bis sie entkräftet sind. Dann springt ein Jäger auf sie und lenkt sie -mit dem Stachel. Sie werden bald zahm und gehorsam. Solange man auf -ihnen sitzt, sind sie allemal ruhig; manche aber werden wild, sobald -man abgestiegen ist. Solchen bindet man die Vorderfüße mit Stricken, -damit sie sie nicht viel rühren können.“</p> - -<p>Die ersten gezähmten indischen Elefanten brachte Alexander der Große -von seinem indischen Feldzuge mit nach Vorderasien und von da an -spielten sie in den Kriegen seiner Nachfolger, der Diadochen, eine -gewisse Rolle. So berichtet Curtius: „Nach dem Tode Alexanders des -Großen wurde das makedonische Fußvolk von Meleager, die Reiterei nebst -den Elefanten von Perdikkas kommandiert. Der letztere warf etwa 300 -Anhänger des Meleager im Angesicht des ganzen Heeres den Elefanten vor -und ließ sie sämtlich von den Tieren zertreten. Dies war der Anfang -der dann folgenden makedonischen Bürgerkriege.“ Und Diodorus Siculus -meldet: „Als sich nach Alexanders Tode dessen Feldherrn befehdeten, -hatte sich Demetrios bei Alt-Gaza in Syrien gelagert; Ptolemäos und -Seleukos boten ihm daselbst eine Schlacht an. Demetrios stellte vor -seinem Heere 34 Elefanten auf. Seine Gegner stellten diesen aber Pfähle -entgegen, die mit eisernen Spitzen versehen und mit Ketten verbunden -waren. Lange war der Kampf unentschieden. Da bekamen die Elefanten des -Demetrios das Zeichen zum Angriff, schritten kühn gegen den Feind, -konnten aber nicht weiter, als sie an die Pfähle kamen. Ihre indischen -Führer wurden alsbald von Schützen, die hinter den Pfählen standen, -erschossen, die Elefanten selbst gerieten<span class="pagenum"><a id="Seite_254"></a>[S. 254]</span> in die Hand der Feinde und -das Heer des Demetrios mußte das Schlachtfeld räumen.“ Derselbe Autor -erzählt dann später, daß diese Elefanten unter ihrem neuen Herrn und -unter der Leitung frisch von Indien bezogenen Kornaks an verschiedenen -späteren Schlachten teilnahmen. „Auch der Feldherr Polysperchon -verwandte einen Teil derselben bei der Belagerung von Megalopolis in -Arkadien. Da er dabei mit seiner Mannschaft nicht gleich zum Ziele -gelangte, so beschloß er, den Eingang in die Stadt durch Elefanten zu -erzwingen. Damis, der Kommandant der Stadt, erfuhr den Plan und traf -heimlich Gegenanstalten. Er sammelte eine Menge Türen, ließ lange, -spitzige Nägel durch sie hindurchschlagen, dann mit diesen Türen den -Eingang zur Stadt pflastern und die Nägel leicht mit Erde zudecken. Zu -beiden Seiten dieses Stachelwegs stellte er Schützen und Geschütze auf. -Als nun die Elefanten kamen, traten sie in die Nägel und wußten sich -nicht zu helfen, wurden samt ihren indischen Führern auch von zahllosen -Pfeilen getroffen, so daß sie teils zusammenbrachen, teils gegen ihre -eigenen Leute rückwärts rannten.“</p> - -<p>Von diesen indischen Elefanten, die begreiflicherweise überall, -wohin sie kamen, großes Aufsehen erregten, wissen auch andere -Geschichtschreiber allerlei Denkwürdiges zu erzählen. So berichtet -Älian: „Als Antigonos Megara belagerte, befand sich in seinem Heere ein -Elefantenweibchen namens Nikaia, dem die Frau des Wärters ihr Kind, -als es 30 Tage alt war, zu Schutz und Wartung übergab. Nikaia gewann -das Kind so lieb, daß sie sich immer freute, wenn das Kind anwesend -war, daß sie die Fliegen von ihm abwehrte, was mit einem belaubten -Zweige geschah, den sie in den Rüssel nahm, daß sie keine Nahrung zu -sich nahm, solange sie das Kind nicht bei sich hatte. Sie bewegte auch -dessen Wiege, wenn es schrie, wie eine Wärterin.“ Derselbe Autor sagt, -daß die Elefanten der Insel Taprobane (Ceylon) größer und stärker als -die des Festlandes seien, auch für klüger gelten. „Man bringt auch -welche zu Schiff und schafft sie außer Landes. Will man zahme Elefanten -auf ein Schiff bringen, so täuscht man sie dadurch, daß man es mit -frischen Zweigen und anderem Grün schmückt und belegt; sie denken dann, -da sei frischer Boden, und gehen darauf. — Das eigentliche Getränk der -Elefanten ist Wasser, die für den Krieg bestimmten bekommen aber auch -Wein zu trinken, der aus Reis und Zuckerrohr (Arrak) bereitet wird. Das -Tier hat auch seine Freude an wohlriechenden Blumen, wird auf Wiesen -getrieben, sammelt die besten und wirft sie in einen Korb, den der -Wärter hinhält. Hat es sich<span class="pagenum"><a id="Seite_255"></a>[S. 255]</span> dann gebadet, so verlangt es, wenn es aus -dem Wasser kommt, zuerst nach seinen Blumen, und bringt man sie nicht, -so schreit und fastet es, bis sie doch kommen. Auch seine Krippe und -seinen Ruheplatz bestreut es gern mit Blumen.“ Nur vor dem Schweine -fürchte es sich: „Als die Stadt Megara von Antipater hart bedrängt -wurde, beschmierten die Bewohner der Stadt Schweine mit Pech, setzten -sie in Brand und trieben sie gegen die Feinde. Sie schrien entsetzlich -und jagten wie rasend auf die Elefanten los. Diese wurden durch diesen -unerwarteten Angriff wie verrückt, und so entstand eine entsetzliche -Verwirrung.“ In Indien begleite der Elefant überall den König und -bewache ihn: „Geht der indische König aus, um Recht zu sprechen, so -wirft sich der erste Elefant anbetend vor ihm nieder und macht dann -kriegerische Bewegungen, um zu zeigen, daß er sich auch darauf gut -versteht. Übrigens halten 24 Elefanten beim Könige Wache und werden -regelmäßig abgelöst. Sie sind im Wachen zuverlässiger als Menschen.“</p> - -<p>Der griechische Geschichtschreiber und Geograph Pausanias sagt in -seiner zwischen 160 und 180 n. Chr. geschriebenen Periegesis: „Wie -Alexander der erste Europäer war, der Elefanten besaß — er hatte -sie dem König Poros abgenommen —, so war Pyrrhos der erste Grieche, -welcher gegen die Römer über das Meer zog. Seine Elefanten hatte er im -Kampfe gegen den Demetrios (einen der Feldherrn Alexanders) gewonnen.“ -Dieser König von Epirus, der, 301 von den Epiroten vertrieben, mit -Hilfe des Königs Ptolemäos von Ägypten seine Herrschaft wieder erlangt -hatte, war damals von den Tarentinern, also ebenfalls Griechen, gegen -die Römer zu Hilfe gerufen worden, schlug diese auch 280 bei Herakleia -und 279 bei Asculum in Apulien, erlitt aber dabei selbst große -Verluste, so daß seither der Ausdruck Pyrrhossieg sprichwörtlich wurde. -Damals sahen die Römer zum erstenmal diese berühmten Kriegshelfer -der Griechen, über die sie sehr erstaunten. Der ältere Plinius sagt -hierüber in seiner Naturgeschichte: „Die ersten Elefanten sah Italien -im Kriege gegen den Pyrrhus und nannte sie lukanische Ochsen, weil -man sie zuerst im Lukanerlande erblickte. Sieben Jahre später sah man -schon welche zu Rom bei einem Triumphe, und im Jahre 502 nach Roms -Erbauung (251 v. Chr.) sah man hier schon eine ganze Menge, die Lucius -Metellus in Sizilien den Karthagern abgenommen hatte. 142, oder nach -andern 140, wurden auf Flößen übergeschifft, welche man auf Reihen von -Fässern gelegt hatte. Verrius berichtet, sie hätten in der Rennbahn ein -Kampfspiel geben müssen und wären mit Spießen erstochen worden, weil -man sie weder füttern noch<span class="pagenum"><a id="Seite_256"></a>[S. 256]</span> verschenken wollte. Lucius Piso dagegen -sagt, sie wären bloß in der Rennbahn von gedungenen Leuten mit stumpfen -Spießen herumgejagt worden, um den Römern die Furcht vor ihnen zu -benehmen; was aber dann aus ihnen geworden ist, erwähnt er nicht.“</p> - -<p>Von diesen indischen Elefanten der Pyrrhos weiß sein Biograph Plutarch -mancherlei zu erzählen: „Als Pyrrhos bei den Städten Pandosia und -Herakleia, am Flusse Siris, dem römischen Heere eine Schlacht lieferte, -brachte er durch seine Elefanten die Feinde in Unordnung und errang den -Sieg. — Um ihre Gefangenen für Geld auszulösen, schickten dann die -Römer eine Gesandtschaft an Pyrrhos. Den Gajus Fabricius, einen der -Gesandten, den man ihm sehr rühmte, nahm er freundlich auf, beschloß -aber, seinen Mut auf eine harte Probe zu stellen. Er lud ihn zur -Audienz, ließ aber vorher seinen größten Elefanten in voller Rüstung -hinter einem Vorhange verbergen. Wie sich nun Fabricius nichts Böses -versah, fiel plötzlich der Vorhang, der Elefant trat mit entsetzlichem -Brüllen vor, hob drohend seinen Rüssel über den Fabricius; aber dieser -wandte sich ganz gelassen um und sagte lächelnd zu Pyrrhos: „Vor diesem -Elefanten fürchte ich mich nicht.“ — In der Schlacht bei Asculum -mußten die Römer ebenfalls der Gewalt der Elefanten weichen. Auch -bei Beneventum wurden die Römer von den Elefanten der Pyrrhos hart -mitgenommen, trieben sie aber doch endlich mit Pfeilen und Wurfspießen -zurück, errangen einen ruhmvollen Sieg und Pyrrhos mußte Italien -verlassen. — Späterhin unternahm Pyrrhos einen Kriegszug gegen Argos. -Er drang heimlich bei Nacht in die Stadt, deren Tor ihm Aristeas -öffnete, und besetzte den Marktplatz. Im Tore hatte er, weil es nicht -hoch genug war, seinen Elefanten die Türme müssen abnehmen lassen, -wobei es ohne Lärm und Zeitverlust nicht abging, so daß die Besatzung -der Stadt eilig die festesten Plätze besetzte. Daraufhin kam es in den -Straßen zu einem mörderischen Kampfe. Pyrrhos mußte weichen, seine -Leute gerieten am Tor furchtbar ins Gedränge und in Verwirrung. Gerade -im Tor lag der größte von Pyrrhos’ Elefanten, schrie entsetzlich und -versperrte den Rückweg. Währenddem suchte ein anderer Elefant, welcher -Nikon hieß, seinen Führer, welcher schwer verwundet heruntergefallen -war. Das Tier rannte wie unsinnig umher und warf Freund und Feind über -den Haufen. Endlich fand er den Führer, hob ihn mit dem Rüssel und den -Zähnen empor, stürzte sich mitten unter die Leute des Pyrrhos, so daß -sich diese in der engen Straße zu einer dichten, ganz unbehilflichen -Masse zusammendrängten, in der jeder von seinen Nach<span class="pagenum"><a id="Seite_257"></a>[S. 257]</span>barn gestoßen, -niedergeworfen und verwundet wurde, während auch die Feinde von allen -Seiten schossen und warfen. Endlich wollte Pyrrhos der Verwirrung ein -Ende machen, stürzte hoch zu Roß mitten unter die Feinde; aber ein -armes, altes Weib, das auf dem Dache stand, warf ihm einen Ziegelstein -aufs Genick, worauf er ohnmächtig niedersank. Die Feinde packten ihn -und hieben ihm den Kopf ab.“ Es war dies im Jahre 272 v. Chr.</p> - -<p>Was in der Folge aus den indischen Elefanten Alexanders des Großen -geworden ist, wissen wir nicht. Aber jetzt traten auch die größten -Nebenbuhler Roms in der Herrschaft über das Mittelmeer, die Karthager, -auf, und auch diese kämpften mit Vorliebe mit Elefanten, die sie -aber jedenfalls nicht aus Indien bezogen, sondern aus einheimischem -Materiale gezähmt hatten. In allen größeren Schlachten, die sie in der -Folge den Römern lieferten, traten sie in Aktion und ein Teil derselben -machte, wie früher erwähnt, Hannibals berühmten Zug von Spanien nach -Norditalien über die Pyrenäen und die Alpen mit; dabei kamen aber alle -teils unterwegs, teils in den Schlachten in Oberitalien um. Von einem -dieser afrikanischen Kriegselefanten der Karthager teilt uns Plinius -folgende Episode mit: „Berühmt ist der Kampf eines Römers gegen einen -Elefanten, als Hannibal die römischen Gefangenen gegeneinander zu -fechten zwang. Den einzigen, welcher dabei mit dem Leben davonkam, -warf er einem Elefanten vor, versprach ihm aber die Freiheit, wenn -er siegen würde. Der Römer schlug sich allein auf dem Schauplatz mit -dem Elefanten und machte ihn zum großen Ärger der Karthager glücklich -nieder. Hannibal ließ nun zwar den Sieger frei, schickte ihm aber -Reiter nach, die ihn niederhauen sollten, damit er nicht durch die -Erzählung seiner Tat die Elefanten (bei seinen Landsleuten) verächtlich -machen könne.“</p> - -<p>Von diesen afrikanischen Kriegselefanten der Karthager berichtet uns -der römische Geschichtschreiber Livius: „Als Hannibal (im Sommer -218) durch Gallien nach Italien zog, brachte er seine Elefanten -folgendermaßen über die Rhone: Er baute eine Fähre von 100 Fuß -Länge und 50 Fuß Breite, ließ sie mit Erde bedecken; so gingen die -Elefanten, als wären sie auf festem Boden, darauf. Die Fähre wurde -dann von Ruderschiffen aufs jenseitige Ufer gezogen. Sowie die Fähre -auf dem Wasser zu schwanken begann, wurden die Elefanten unruhig, die -meisten drängten sich in der Mitte zusammen, einige wurden aber wild, -stürzten sich ins Wasser und warfen dabei ihre Führer ab, gelangten -aber doch auch ans jenseitige Ufer.“ — „Hasdrubal, der Bruder des<span class="pagenum"><a id="Seite_258"></a>[S. 258]</span> -Hannibal, war diesem (im Jahre 207) zu Hilfe über die Alpen gezogen -und lieferte den römischen Konsuln Claudius und Livius eine Schlacht. -Seine Elefanten brachten anfangs die Römer in Unordnung; als aber der -Kampf und Lärm zunahm, verloren sie die Geistesgegenwart, rannten -zwischen beiden Heeren hin und her und wurden meist, damit sie ihrer -eigenen Armee nicht schaden könnten, von ihren Führern getötet. Diese -hatten nämlich einen scharfen Stahlmeißel, den sie dem Tiere, wenn es -gefährlich wurde, mit einem Hammerschlag zwischen den Kopf und den -vordersten Halswirbel trieben, worauf es augenblicklich niedersank.“ -Es war dies in der Schlacht am Metaurus, wo Hasdrubal Sieg und Leben -verlor. — „Bei Zama (südwestlich von Karthago, wo Hannibal im Jahre -202 von Scipio, der davon den Ehrenbeinamen Africanus erhielt) besiegt -wurde, hatte Hannibal vor seinem Heere 80 Elefanten aufgestellt; -so viele hatte er früher in keiner Schlacht gehabt. Als aber die -Schlacht begann und die römischen Trompeten und Signalhörner ihnen -entgegenschmetterten, wandten sich die Elefanten größtenteils gegen ihr -eigenes Heer, und auch die wenigen, welche grimmig unter den Römern zu -hausen begannen, wurden endlich zurückgetrieben.“</p> - -<p>Erst Mithridates VI., der Große, König von Pontos, der 120 -seinem Vater folgte und im Jahre 88 ganz Kleinasien eroberte, wo er -alle Römer, 80000 an der Zahl, ermorden ließ, dann in drei langen -Kriegen mit zäher Ausdauer gegen das immer mächtiger werdende Rom -ankämpfte, um schließlich doch zu unterliegen, hat wieder Elefanten, -die er sich aus Indien kommen ließ, gegen die Römer geführt. In der -Folge kamen nicht selten diese Tiere, teilweise als Kriegsbeute, nach -der Stadt Rom, wo sie zur Belustigung des Volkes im Zirkus auftreten -und gegen allerlei Gegner kämpfen mußten. Im Bürgerkriege zwischen -Julius Cäsar und seinen Mitbewerbern spielten sie dann ebenfalls eine -Rolle. So schreibt Cäsar selbst in seiner Schilderung des Krieges in -der Provinz Afrika, dem heutigen Tunis, daß, als er nach Besiegung -des Pompejus bei Pharsalos im Jahre 48 den Krieg in Afrika gegen die -Pompejaner unter Scipio fortsetzte, dieser bei seinem Heere außer -seinen eignen (etwa 60) 30 zweifellos afrikanische Elefanten hatte, -die ihm König Juba nebst einer größeren Truppenmacht zur Verfügung -gestellt hatte. Jeder dieser Elefanten habe, wenn es zum Kampfe ging, -einen Turm getragen. Diese Elefanten seien aber noch nicht eingeübt -gewesen; deshalb suchte Scipio sie noch besser einzuüben, indem er sie -in Schlachtreihe aufstellen und von seinen<span class="pagenum"><a id="Seite_259"></a>[S. 259]</span> eigenen Leuten mit Steinen -bombardieren ließ. Nahmen sie daraufhin Reißaus, so standen hinter -ihnen ebenfalls Leute, die sie mit noch größeren Steinen traktierten. -Er bemerkt, daß dieser Versuch zur Abrichtung keinen großen Wert -gehabt habe, indem sie sich in der Schlacht dann doch nicht bewährten. -Überhaupt bedürfe der Elefant für den Krieg einer Dressur von vielen -Jahren und bleibe auch dann noch seiner Armee gefährlich. Als dann -Cäsar merkte, daß sich seine Leute vor den Elefanten fürchteten, -ließ er sogleich Elefanten aus Italien kommen, „damit sich die Leute -und Pferde an solche große Bestien gewöhnen könnten. Er ließ diesen -auch ihre volle Rüstung anlegen, zeigte die Stellen, wo ihnen mit -Waffen beizukommen war, und ließ mit Speeren, an deren Spitze ein -Ball steckte, nach ihnen werfen. — In der Entscheidungsschlacht -bei Thapsus (46 v. Chr.) wurden Scipios Elefanten durch Pfeile und -geschleuderte Steine schnell zum Weichen gebracht, stürzten sich auf -ihre eigenen Leute, traten sie nieder und flüchteten ins Lager. Bei -dieser Gelegenheit zeigte ein Veteran der fünften Legion großartigen -Mut. Ein verwundeter Elefant hatte in seiner Wut einen waffenlosen -Markedenter angefallen, niedergeworfen, zertreten und machte dabei mit -drohend gehobenem Rüssel ein gellendes Geschrei. Der Veteran wollte -dem unglückseligen Markedenter zu Hilfe eilen; aber der Elefant ließ -von der Leiche ab, packte den neuen Feind mit dem Rüssel und hob ihn -hoch in die Luft. Dieser hieb und schnitt aber mit seinem Schwerte so -kräftig auf den Rüssel los, daß ihn der Elefant, der den Schmerz nicht -ertragen konnte, fallen ließ und die Flucht ergriff. — Die Zahl der -Elefanten, die Cäsar bei Thapsus erbeutete, betrug 86.“</p> - -<p>In seiner Naturgeschichte berichtet Plinius: „Schon in den Gefechten -gegen Pyrrhos brachte man in Erfahrung, daß man den Rüssel der -Elefanten leicht abhauen kann. Fenestella erzählt, daß die ersten -Elefanten in der Rennbahn zu Rom im Jahre 655 der Stadt (98 v. Chr.), -als Claudius Pulcher Ädil war, gekämpft haben; 20 Jahre später, als -Lucius und Marcus Lucullus Ädilen waren, kämpften sie gegen Stiere. -Während des zweiten Konsulats des Pompejus (55 v. Chr.) kämpften 20 -Elefanten zur Einweihung des Venustempels gegen Gätuler (Nomadenvolk in -Nordafrika), die mit Wurfspeeren bewaffnet waren. Einer der Elefanten -zeichnete sich dabei vorzüglich durch Tapferkeit aus: seine Beine waren -durchbohrt, da kroch er auf den Knien gegen die feindlichen Massen, -riß ihnen die Schilde weg und warf sie hoch in die Luft. Ein anderer -dagegen wurde durch<span class="pagenum"><a id="Seite_260"></a>[S. 260]</span> einen einzigen Wurf getötet, indem der Speer -durchs Auge ins Gehirn drang. Obgleich der Platz mit eisernen Gittern -umgeben war, so versetzten sie doch das Volk in große Angst, indem sie -mit Macht durchzubrechen versuchten. Deshalb umgab auch späterhin der -Diktator Cäsar, als er ein ähnliches Schauspiel geben wollte, den Platz -mit Wassergräben. Die erwähnten Elefanten des Pompejus verloren endlich -die Hoffnung, entrinnen zu können, und suchten nun in einer Stellung, -die sich nicht begreifen läßt, jammernd und weinend das Mitleid des -Volkes zu erregen. Das Volk wurde durch den Ausdruck ihrer Verzweiflung -so gerührt, daß alle einmütig sich jammernd erhoben und, ohne darauf -zu achten, daß Pompejus ihnen zu Ehren das prachtvolle Schauspiel -gegeben hatte, ihn mit Verwünschungen überhäuften, deren Folgen auch -bald genug eintraten. (Es ist dies eine Anspielung auf seine Niederlage -in Pharsalos am 9. August 48 und seine Ermordung am 29. September -desselben Jahres in Ägypten.)</p> - -<p>Späterhin ließ der Diktator Cäsar 20 Elefanten gegen 500 Fußgänger -kämpfen, und ein anderes Mal ebensoviel, auf denen Türme standen, aus -denen zusammen 60 Kämpfer gegen 500 Fußgänger und ebensoviel Reiter -fochten. Unter den Kaisern Claudius und Nero mußten die Fechter ihr -Meisterstück zeigen, indem sie einzeln gegen Elefanten kämpften. -Dieses mutige Tier ist andererseits aber auch sehr gutmütig gegen -schwächere und schiebt, z. B. in einer Viehherde, was ihm begegnet, mit -dem Rüssel zur Seite, um es nicht unversehens zu zertreten. Schaden -tut der Elefant nur, wenn er gereizt wird. In der Wildnis gehen sie -herdenweise, nie gern allein. Werden sie von Reitern umringt, so nehmen -sie die Schwachen, Matten oder Verwundeten in die Mitte und fechten, -als ob es nach bestimmten Kriegsregeln geschähe. Sind sie gefangen, so -werden sie durch Gerstensaft leicht gezähmt.</p> - -<p>In Indien werden die Elefanten gefangen, indem man auf einem -gezähmten ausreitet und von diesem einen einzelnen oder von der Herde -weggetriebenen wilden schlagen läßt; ist dieser davon ermattet, so -steigt man auf ihn und lenkt ihn ebenso wie den zahmen. In Afrika -fängt man sie in Gruben; doch wenn einer hineinfällt, so kommen gleich -die andern zu Hilfe, werfen Äste und Erdmassen hinein und suchen ihn, -wenn möglich, herauszuziehen. Früherhin fing man sie, um sie als -Haustiere zu benutzen, indem man die Herden in eigens dazu bereitete -Schluchten ohne Ausgang trieb und sie dort durch Hunger bändigte. -Nahmen sie einen hingehaltenen Zweig an, so war das ein Zeichen<span class="pagenum"><a id="Seite_261"></a>[S. 261]</span> -ihrer Unterwürfigkeit. Jetzt erlegt man sie der Zähne wegen und zielt -nach ihren Füßen, weil diese leicht verwundbar sind. Die Troglodyten -(Höhlenbewohner), welche neben den Negern wohnen, leben nur von dieser -Jagd. Sie besteigen am Wege der Elefanten stehende Bäume, passen dem -letzten von der Herde auf, fassen mit der Linken den Schwanz, schlingen -die Beine um den linken Schenkel und, indem sie so hängen, zerhauen -sie dem Tiere die eine Kniekehle mit einem scharfen Beile, springen -herab und zerhauen ihm mit der größten Geschwindigkeit auch noch die -andere. Manche bedienen sich eines weniger gefährlichen, aber nicht so -gewissen Mittels: In einiger Entfernung halten kraftvolle Jünglinge -einen ungeheuren Bogen, andere spannen ihn mit großer Anstrengung an, -schießen dann damit ihre Speere auf die vorübergehenden ab und folgen -dann der blutigen Spur. Die weiblichen Elefanten sind viel feiger -als die männlichen. Manchmal werden sie rasend, und man bändigt sie -dann durch Hunger und Prügel, wobei man sie durch andere Elefanten -fesseln läßt. In Indien hält man ganze Herden davon, wie bei uns die -Kuhherden. Gezähmte Elefanten werden zum Kriege verwendet, tragen -mit Soldaten besetzte Türme und entscheiden im Morgenlande meistens -die Schlachten. Sie werfen Schlachtreihen nieder und zerstampfen die -Bewaffneten. Sind sie verwundet oder in Furcht versetzt, so weichen -sie immer zurück und fügen ihrer eigenen Partei oft ebensoviel -Schaden zu als dem Feinde. Das geringste Grunzen oder Quieksen eines -Schweins kann sie erschrecken. Die afrikanischen Elefanten fürchten -sich vor den indischen, letztere sind auch größer.“ Dies mag für die -nordafrikanischen richtig sein, nicht aber für die südlich der Sahara -lebenden. Tatsächlich war die Elefantenrasse der Mittelmeerländer -kleiner als selbst die indischen Elefanten sind, und gab es einst -auf den Inseln des Mittelmeers, z. B. auf Malta, eine eigentliche -Zwergrasse, von der mehrfach Skelettknochen ausgegraben wurden.</p> - -<p>Unzählige falsche und wahre Angaben durcheinander erzählt Plinius in -seiner Naturgeschichte über den Elefanten. So sagt er, daß er 200–300 -Jahre leben könne, im 60. Jahre aber am kräftigsten sei; daß die -Elefanten gern an Flüssen leben, obschon sie nicht schwimmen können; -daß sie am liebsten Baumfrüchte, besonders solche von Palmen, aber auch -Erde und selbst Steine fräßen. „Sie kauen mit dem Munde, atmen, trinken -und riechen aber mit dem Rüssel. Kein Tier scheuen sie so sehr als die -Maus, lassen auch das Futter liegen, das von einer solchen berührt -wurde. Große Not haben sie, wenn ihnen beim<span class="pagenum"><a id="Seite_262"></a>[S. 262]</span> Saufen ein Blutegel in den -Rüssel kommt; dieser saugt sich hier fest und bewirkt unerträgliche -Schmerzen. Am Rücken ist ihre Haut am härtesten, am Bauche dagegen -weich. Sie haben keine Haarbedeckung und können nicht einmal mit dem -Schwanze die Fliegen abwehren, von denen sie trotz ihrer gewaltigen -Größe geplagt werden. Ihr Geruch zieht die Fliegen an. Ihre Haut hat -tiefe Runzeln; die Fliegen setzen sich in die Vertiefungen. Aber -plötzlich zieht sich die Haut zusammen und erdrückt die lästigen Gäste. -Das Elfenbein hat einen großen Wert und wird besonders für Bildsäulen -der Götter gesucht. Auch der Rüssel gewährt Leckermäulern eine -angenehme Speise, vielleicht nur deswegen, weil sie sich einbilden, -Elfenbein zu schmausen. Polybius berichtet, auf die Aussage des Königs -Gulussa gestützt, daß man im äußersten Afrika die Elefantenzähne in -Wohnungen als Pfosten benutzt und sie bei Umzäumungen statt der Pfähle -einsetzt.“</p> - -<p>In Indien seien die größten Elefanten, die mit ungeheuer großen -Drachen in Feindschaft leben. Ihr kaltes Blut locke bei der Hitze die -Drachen an, die sich im Wasser des Flusses, an welchem der Elefant -zur Tränke komme, verbergen und ihm auflauern. Sobald er zu trinken -beginne, stürzen sie sich auf ihn, umschlingen seinen Rüssel und -beißen ihn ins Ohr, weil dieser Teil allein mit dem Rüssel nicht -verteidigt werden kann. Die Drachen sind so groß, daß sie den ganzen -Elefanten aussaugen können; dieser stürzt dann, alles Blutes beraubt, -zu Boden und erdrückt im Fallen den betrunkenen Feind. „Der Elefant -ist das größte und an Klugheit dem Menschen zunächststehende Tier. Er -versteht die Landessprache, gehorcht den Befehlen, ist seiner Pflichten -eingedenk, sucht sich Liebe und Ruhm zu erwerben, ja, was selbst bei -Menschen selten vorkommt, er ist brav, vorsichtig, gerecht und verehrt -die Sterne, die Sonne und den Mond. Man erzählt, daß in Mauretanien -(Marokko) ganze Herden von Elefanten beim Erscheinen des Neumonds in -den Fluß hinabsteigen, sich dort feierlich reinigen, den Mond begrüßen -und dann wieder in die Wälder zurückkehren, indem sie die ermatteten -Jungen vor sich hertragen. Auch die religiösen Gebräuche der Menschen -scheinen sie zu kennen; denn sie besteigen kein Schiff, bis ihnen der -Kapitän durch einen Eid die Rückkehr zugesichert hat. Man hat kranke -Elefanten gesehen, die sich auf den Rücken legten und Gras gen Himmel -warfen, als ob sie ihr Gebet durch die Fürsprache der Erde unterstützen -wollten. Sie lernen übrigens ihre Knie vor Königen beugen und Kränze -darreichen. In Indien braucht man die Kleinen zum Ackern. In Rom wurden -sie zum erstenmal<span class="pagenum"><a id="Seite_263"></a>[S. 263]</span> vor den Wagen gespannt, als Pompejus der Große über -Afrika triumphierte. Bei den Fechterspielen des Germanicus machten -sie einige tölpelhafte Bewegungen, als ob sie tanzten. Sie lernten -nun häufig Waffen in die Luft werfen, gleich Fechtern miteinander -kämpfen, Tänze ausführen und endlich sogar auf Seilen gehen, wobei -oft vier einen fünften in der Sänfte trugen. Auch sah man sie sich -in Speisesälen, die voller Gäste waren, zu Tische legen, ohne einen -Menschen zu berühren.</p> - -<p>Es ist eine ausgemachte Sache, daß ein Elefant, der die Sache nicht -recht begreifen konnte und öfters Prügel bekam, des Nachts seine -Künste eingeübt hat. Es ist schon bewundernswert, daß die Elefanten -aufwärts auf Seilen gehen lernen, aber daß sie auch abwärts gehen, -ist noch merkwürdiger. Mutianus, der dreimal Konsul war, erzählt, daß -ein solcher sogar griechische Buchstaben gelernt und folgende Worte -geschrieben habe: ‚Ich selbst habe dies geschrieben und erbeutete -keltische Waffen geweiht‘; auch habe er selbst gesehen, daß diejenigen, -welche zu Puteoli ausgeschifft wurden, rückwärts ans Land gingen, um -sich über die Länge der Brücke zu täuschen, die vom Lande zum Schiffe -führte und der sie nicht recht trauten.</p> - -<p>Sie wissen recht gut, daß man ihnen der Stoßzähne wegen nachstellt, -daher vergraben sie die, welche durch Zufall oder im Alter ausfallen. -(Die Tatsache, daß bisweilen fossile Elefantenstoßzähne im Boden -gefunden werden, wird Plinius zu dieser Annahme geführt haben.) Jene -Zähne allein geben das Elfenbein; aber soweit sie im Fleische verborgen -stecken, sind sie nicht besser als Knochen (d. h. innen hohl und nicht -massiv wie vorn). Um ihre Stoßzähne sind sie sehr besorgt; die Spitze -des einen schonen sie, um ihn als Waffe benutzen zu können, den andern -brauchen sie, um Wurzeln aus dem Boden zu wühlen, Mauern einzustoßen -und dergleichen mehr. Werden sie von Jägern umringt, so stellen sie -diejenigen in die erste Schlachtreihe, welche die kleinsten Zähne -haben, damit man glauben soll, die Beute sei nicht der Mühe wert; -ermatten sie im Kampfe, so zerstoßen sie die Zähne an Bäumen und lassen -sie gleichsam als Lösegeld zurück.</p> - -<p>Es ist wunderbar, daß die meisten Tiere wissen, weshalb man ihnen -nachstellt und wovor sie sich zu hüten haben. Begegnet ein Elefant in -der Einsamkeit einem harmlos herumwandelnden Menschen, so soll er ihm -freundlich und gefällig den Weg zeigen; bemerkt er aber den Fußtritt -eines Menschen eher als den Menschen selbst, so bleibt er stehen, -wittert, blickt umher, schnaubt vor Wut, zertritt aber<span class="pagenum"><a id="Seite_264"></a>[S. 264]</span> die Fußspur -nicht, sondern hebt sie aus, gibt sie dem nächsten, dieser wieder -dem nächsten usw., worauf die Herde eine Schwenkung vollführt und in -Schlachtordnung aufmarschiert.</p> - -<p>Stets gehen die Elefanten herdenweise, und zwar geht der älteste voran, -während der dem Alter nach folgende den Nachtrab bildet. Wollen sie -durch einen Fluß setzen, so schicken sie die kleinsten voran, weil die -Großen durch ihre Schwere das Flußbett vertiefen würden. Als König -Antiochus einen Fluß durchschreiten wollte, weigerte sich der Elefant, -der bis dahin den Zug geführt hatte und Ajax hieß, voranzugehen. Da -wurde bekanntgemacht, derjenige solle künftig der Anführer sein, der -zuerst hinüberginge; und siehe da, der Elefant Patroklus schritt -hindurch, und ward deshalb mit silbernem Kopfschmuck, den sie sehr -lieben, geziert und zum Anführer gewählt. Der frühere Anführer aber -wollte seine Schande nicht überleben und hungerte sich zu Tode. -Überhaupt wissen sie sehr gut, was rühmlich und was schimpflich ist. -Kämpfen sie gegeneinander, so reicht der Besiegte dem Sieger Erde und -Gras dar (wie dies bei den Menschen des Altertums Sitte war, wodurch -sich der Betreffende für überwunden erklärte) und flieht dann schon vor -dessen Stimme.</p> - -<p>Die Elefanten leben in treuer Ehe und man findet also bei ihnen die -verderblichen Wettkämpfe nicht, welche andere Tiere um die Weibchen -vollführen. Sie haben bisweilen eine große Zuneigung zu bestimmten -Menschen, wie denn z. B. einer in Ägypten eine Blumenhändlerin geliebt -haben soll. Ein anderer liebte den Jüngling Menander im Heere des -Ptolemäus und fastete aus Sehnsucht, so oft der Jüngling abwesend war. -Juba erzählt auch von einer Salbenhändlerin, die von einem Elefanten -geliebt wurde. Alle zeigten ihre Liebe durch unbeholfene Liebkosungen, -freuten sich beim Wiedersehen und bewahrten Geschenke, welche sie -bekamen, auf, um sie ihrem Lieblinge darzubringen.</p> - -<p>Daß sie Gedächtnis haben, zeigte sich deutlich in einem Falle, wo -ein Elefant seinen Führer, den er seit langen Jahren nicht gesehen, -sogleich wieder erkannte. Daß sie wissen, was Unrecht ist, zeigte sich -dagegen in folgendem Falle: Als König Bokchus 30 Menschen hatte an -Pfähle binden lassen und ihnen 30 Elefanten gegenübergestellt hatte, -welche sie zerfleischen sollten, so konnten die Elefanten doch nicht -dazu gebracht werden, dem Tyrannen den Willen zu tun, obschon sie von -zwischen den Pfählen aufgestellten Leuten gereizt wurden.“</p> - -<p>Schon zu Ende der Republik sah man nicht selten Elefanten bei -Prunkzügen einhermarschieren, um dem Volk zu imponieren und ihm<span class="pagenum"><a id="Seite_265"></a>[S. 265]</span> -eine interessante Augenweide zu bereiten. So berichtet der römische -Geschichtschreiber Suetonius: „Als Julius Cäsar über Gallien -triumphierte (im Jahre 51), stieg er beim Schein der Fackeln aufs -Kapitol, indem 40 Elefanten, zu seiner Linken und Rechten verteilt, die -Leuchter trugen.“ Das war damals ein ganz ungewohntes Schauspiel, mit -dem Cäsar jedenfalls großes Aufsehen erregte, worauf es ihm ja ankam. -Auch später wurde der Elefant gelegentlich von römischen Kaisern und -Triumphatoren bei ihrem feierlichen Einzuge in Rom und als Auszeichnung -auch sonst zum Ziehen von Prunkwagen verwendet. So eröffneten nach -Flavius Vopiscus beim Triumph des Kaisers Aurelianus über Zenobia, -die Herrscherin von Palmyra, im Jahre 274 n. Chr. 20 Elefanten den -Zug. Als Mesitheus, der Feldherr Kaiser Gordians III. (238–244), im -Jahre 242 einen glänzenden Sieg über die mächtigen Perser erfochten -hatte, erkannte der Senat in Rom dem Gordian Elefantenviergespanne zu, -womit er triumphieren könne, und dem Mesitheus ein Pferdeviergespann. -Das war damals eine besondere Ehrung. Der Geschichtschreiber Julius -Capitolinus, der uns dies berichtet, fügt dem bei, es habe damals -in Rom 32 Elefanten gegeben, die ständig bei feierlichen Aufzügen -zu sehen waren. Hatte doch schon Kaiser Heliogabalus (218–222) nach -seinem Biographen Älius Lampridius vier Wagen, an deren jeden er vier -Elefanten spannte. So sei er auf dem Vatikan herumgefahren und habe -zuvor zu diesem Zwecke den Platz erst ebnen lassen.</p> - -<p>Im Zirkus wurden öfter Elefanten gezeigt, die mit anderen Tieren -kämpfen oder allerlei Kunststücke, die sie gelernt hatten, vorführen -mußten. So mußte der Elefant sich besonders mit dem Nashorn messen und -sich, wenn möglich, von ihm den Bauch aufschlitzen lassen. Seneca, -der Lehrer Neros, schreibt in einer seiner philosophischen Schriften: -„Lucius Sulla ließ zuerst im Zirkus Löwen kämpfen, die nicht angebunden -waren, Pompejus 18 Elephanten; Metellus führte, als er die Karthager -in Sizilien besiegt hatte, im Triumphe 120 gefangene Elefanten auf.“ -Gelegentlich ließ sich selbst ein Kaiser herab, um einen dieser Riesen -vor allem Volke zu fällen. So schreibt Älius Lampridius in seiner -Biographie des Commodus, des Sohnes Marc Aurels und der Faustina, -der jenem 180 n. Chr. auf dem Throne folgte, alle nur erdenkbaren -Laster besaß, wollüstig, grausam und feig war, Ämter und Ehrenstellen -an die Meistbietenden verkaufte, den Staatsschatz durch unsinnige -Verschwendung erschöpfte, die Regierung des Reichs Günstlingen überließ -und schließlich am 31. Dezember 192 auf An<span class="pagenum"><a id="Seite_266"></a>[S. 266]</span>stiften seiner Geliebten -Marcia, erst 31jährig, erdrosselt wurde: „Kaiser Commodus war ungeheuer -stark und fand ein besonderes Vergnügen daran, bei den öffentlichen -Spielen gegen Gladiatoren und gegen wilde Tiere zu kämpfen, ja er -tötete bei solcher Gelegenheit selbst mehrere Elefanten.“ Indische und -afrikanische Elefanten traten nicht selten als Künstler auf, schrieben -in Sand, gingen auf einem schräg gestellten Seile auf und ab. Acht -derselben trugen zu viert auf einer Sänfte einen anderen, tanzten nach -dem Takte, speisten von prächtig besetzter Tafel aus kostbarem Geschirr -mit Beobachtung der feinen Sitte und des Anstandes und vollführten -zahlreiche andere Künste. Der griechische Schriftsteller Oppianos -schrieb ums Jahr 200 n. Chr.: „Der Elefant ist das größte Landtier und -sieht aus wie ein Berg oder eine gewitterschwere Wolke. Seine Nase ist -ungeheuer lang und schlank und dient ihm als Hand. Im wilden Zustande -ist er grimmig, gezähmt dagegen sanft und menschenfreundlich. Wenn er -dazu abgerichtet ist, schreitet er nach dem Takte des Flötenspiels bald -langsam, bald schnell, wie tanzend, einher. Als Germanicus Cäsar (der -Adoptivsohn des Kaisers Tiberius) den Römern Schauspiele gab, waren von -Elefanten, die man in Rom hielt, Junge gezogen worden und diese nahm -ein tüchtiger Lehrmeister in Unterricht. Sie wurden an Flötenspiel, -Trommelschlag und Gesang gewöhnt und lernten die Glieder bewegen, wie -wenn sie tanzten. Als nun der Tag der Schauspiele erschien, traten -sie, zwölf an Zahl, mit bunten Tanzkleidern geschmückt, auf, gingen -mit zierlichen Schritten einher, wiegten dabei den Leib recht fein -hinüber und herüber, formierten auf Befehl des Meisters eine Linie, -einen Kreis, schwenkten rechts und links. Sie streuten Blumen umher, -ließen sich auf schöne Kissen, die für sie hingelegt waren, nieder, -fraßen mit großer Bescheidenheit von Tischen, die aus kostbarem Holz -der Sandarakzypresse (<span class="antiqua">citrum</span>, aus dem Atlasgebirge bezogen) und -aus Elfenbein angefertigt waren, und tranken bescheiden aus goldenen -und silbernen Bechern. Ich habe auch selbst einen Elefanten gesehen, -der mit dem Rüssel römische Buchstaben ganz regelmäßig auf eine Tafel -schrieb; dabei führte ihm jedoch der Meister den Rüssel.“</p> - -<p>Auch der griechische Schriftsteller Plutarch (50–120 n. Chr.) schreibt: -„Auf dem Theater führen die Elefanten sehr künstliche Stücke auf. -Es ist auch neulich vorgekommen, daß einer, der das zu Lernende -nicht recht begreifen konnte, es von selbst bei Nacht einübte. -(Weshalb sollte nicht dieses Tier gelegentlich für sich selbst die -ihm beigebrachten Kunststücke ausführen?) In Rom wurde einmal einer -von Knaben geneckt<span class="pagenum"><a id="Seite_267"></a>[S. 267]</span> und in den Rüssel gestochen. Er ergriff einen -derselben, hob ihn hoch empor, tat, als wolle er ihn zerschmettern, -setzte ihn dann aber ruhig wieder hin, weil er dachte, jener hätte -schon an der ausgestandenen Angst genug. Nach Jubas Angabe decken die -Jäger die Gruben, worin sie Elefanten fangen wollen, mit Reisig und -Erde zu. Ist aber einer hineingefallen, so füllen die anderen die Grube -so weit, daß er wieder herauskann. Er schreibt auch, daß die Elefanten -Gelübde tun und mit aufgehobenem Rüssel die Sonne anbeten.“ Sueton -schreibt: „Bei den Spielen, die Nero gab, ritt ein allgemein bekannter -römischer Ritter auf einem Elefanten, der auf einem ausgespannten Seile -ging,“ und ferner: „Kaiser Galba (der im Juni 68 von den gallischen -Legionen gegen Nero zum Kaiser erhoben, aber schon am 15. Januar 69 von -den wegen seiner Knauserigkeit erzürnten Prätorianern getötet wurde) -zeigte bei den Spielen Elefanten, welche auf Seilen gingen.“ Selbst -als Opfer wurden sie bei besonders wichtigen Anlässen den Göttern -dargebracht. Gelegentlich wurden solche nur gelobt und in Wirklichkeit -durch Nachahmungen ersetzt, da die Originale den Opfernden denn doch zu -kostbar sein mochten. So schreibt Älian: „Als Ptolemäos Philopator den -Antiochos besiegt hatte, veranstaltete er eine prachtvolle Opferfeier -und wollte auch dem Gotte Helios vier herrliche Elefanten als Zeichen -seiner großen Verehrung darbringen. Daraufhin träumte aber Ptolemäos, -dem Gotte schiene das Opfer befremdlich und unangenehm. Er weihte ihm -also, statt der vier wirklichen Elefanten, vier aus Erz gegossene.“</p> - -<p>Nach den Berichten der alten Autoren müssen die orientalischen Fürsten -im Altertum noch mehr Elefanten als heute besessen haben; sie waren -eben damals noch nicht so dezimiert und konnten leichter gefangen -werden. Plinius berichtet darüber: „Am Ganges hat der König der -Kalinger, dessen Hauptstadt Protalis ist, 60000 Mann Fußvolk, 1000 -Mann zu Pferde, 700 Elefanten, die alle stets schlagfertig sind. Es -gibt daselbst eine eigene Menschenkaste, die sich mit Fang und Zähmung -des Elefanten beschäftigt. Mit diesen Tieren pflügen sie, auf ihnen -reiten sie, mit ihnen kämpfen sie fürs Vaterland. — Der König der -Thaluter hält 50000 Mann Infanterie, 4000 Mann Kavallerie und 400 -Kriegselefanten. — Das Volk der Andarer hat 30 mit Mauern und Türmen -befestigte Städte, stellt 100000 Mann Infanterie, 2000 Mann Kavallerie -und 1000 Elefanten. — Das mächtigste Volk in ganz Indien sind die -Prasier, deren große und reiche Hauptstadt Palibothra heißt. Ihrem -Könige dienen 600000 Mann Infanterie,<span class="pagenum"><a id="Seite_268"></a>[S. 268]</span> 30000 Mann Kavallerie und 9000 -Elefanten; diese ganze Macht wird Tag für Tag besoldet. — Am Indus -hält der König der Megaller 500 Elefanten; — die Asmarer, in deren -Land es auch von Tigern wimmelt, haben 30000 Mann Infanterie, 800 -Reiter und 300 Elefanten. — Die Orater haben nur 10 Elefanten, aber -viel Fußvolk. — Die Suaratarater unterhalten im Vertrauen auf ihre -eigene Tapferkeit gar keine Elefanten. Der König der Horaker unterhält -150000 Mann Infanterie, 5000 Mann Kavallerie und 1600 Elefanten. -— Der König der Charmer hat 60 Elefanten. — Das Volk der Pander, -das einzige in Indien, das stets von einer Königin beherrscht wird, -stellt 150000 Mann Infanterie und 500 Elefanten.“ — Woher Plinius -diese Zahlenangabe hatte, ist uns unbekannt. Sind sie auch jedenfalls -stark übertrieben, so ist doch kein Zweifel darüber möglich, daß die -indischen Fürsten damals sich in der Kriegsführung wesentlich auf ihre -Elefanten verließen und große Scharen davon unterhielten. Aus dem -8. und 9. Jahrhundert n. Chr. wissen wir, daß die indischen Fürsten -2000 bis 3000 Kriegselefanten zur Verfügung hatten. Der Venetianer -Marco Polo, der, erst 15jährig, mit seinem Vater Niccolo und seinem -Oheim Maffeo Polo 1271 zu dem Tatarenchan Kublai nach Zentralasien -reiste, meldet, dieser habe 5000 Elefanten besessen, die er zum Kriege -gebrauchte. Im 16. Jahrhundert besaß der Großmogul Akbar, d. h. der -sehr Große (eigentlich hieß er Dschelal eddin Muhammed), der mächtige -Herrscher über Hindustan, ein Nachkomme Timurs, der von 1556–1608 -regierte, nach den Angaben seines Vesirs Abul Fazl 6000 Elefanten. Der -mächtige Schah Jehangir soll ihrer 12000 und seine Vasallen zusammen -40000 besessen haben. Im 17. Jahrhundert fand Tavernier, daß der zu -Gehanabad residierende Großmogul 500 Elefanten zum Lasttragen und 80 -zum Kriege benutzte. Seit der allgemeinen Verbreitung der Feuerwaffen -wurde aber der Elefant, der sich vor jenen fürchtet, immer weniger zu -Kriegszwecken benutzt und ist heute in Indien mehr ein Luxustier, das -wesentlich nur noch zur Jagd und bei festlichen Aufzügen Verwendung -findet. In Hinterindien dagegen wird es in ausgedehntem Maße als -Arbeitstier beim Transport der schweren Stämme von Tiek- und anderem -Nutzholz verwendet.</p> - -<div class="figcenter illowe15" id="bild41" > - <img class="w100" src="images/bild41.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 41. Darstellung eines Mammuts durch einen Jäger der - frühen Nacheiszeit in der südfranzösischen Höhle von Combarelles.<br /> - (<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">19</span></span> natürl. Größe.)</div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_269"></a>[S. 269]</span></p> - -<p>Während früher der rezente Elefant ausschließlicher Lieferant des -seit dem hohen Altertum zu Schnitzereien und Geräten aller Art sehr -beliebten Elfenbeins war, kommen in neuerer Zeit mit der Erschließung -des noch vielfach von der letzten Eiszeit her vereisten nordöstlichen -Sibirien auch die gewaltigen Stoßzähne des ausgestorbenen <em class="gesperrt">Mammut</em> -(<span class="antiqua">Elephas primigenius</span>) als fossiles Elfenbein in den Handel. -Der russische Reisende Middendorf schätzte die Zahl aller seit der -Besiedelung durch die Russen von dort ausgeführter Mammutstoßzähne -als von etwa 20000 Tieren stammend. Jährlich kommen wenigstens 100 -Paar Stoßzähne in den Handel. Dabei sind sie noch so gut erhalten, -daß kein Unterschied darin bemerkbar ist, ob das Elfenbein rezent -oder fossil ist. Mit diesem fossilen Elfenbein aus dem hohen Norden -Asiens allein werden wir auszukommen haben, wenn einmal der Elefant -als Wildling ausgerottet sein wird und die letzten Exemplare desselben -in völligem Dienste des Menschen oder in einigen Reservationen unter -menschlichem Schutze das Gnadenbrot bekommen werden. Diesen fossilen -Elefanten hat der Mensch der frühen Nacheiszeit in Europa ausgerottet, -indem er ihn nicht sowohl wegen seiner gewaltigen Stoßzähne, als wegen -seines Fleisches aufs eifrigste verfolgte und jedenfalls bei seiner -armseligen Bewaffnung vorzugsweise in Fallgruben fing und mit Werfen -von großen Steinen tötete. Neben dem Knochen und Horn des Renntiers war -das Elfenbein des Mammuts ein viel verwendetes Werkzeugmaterial des -diluvialen Jägers, das uns in den Überresten seiner Lagerplätze nicht -selten entgegentritt.</p> - -<div class="figcenter illowe6_25" id="bild42" > - <img class="w100" src="images/bild42.jpg" alt="" /> -</div> - <p class="s5 center w15em no-break-before">Bild 42. Oberes Ende eines durchlochten - Zierstabs aus Renntierhorn aus dem Lagerplatz der Mammutjäger der frühen - Nacheiszeit von La Madeleine mit dem Kopfe eines Mammuts.</p> - -<div class="figcenter illowe17_1875" id="bild43_44" > - <img class="w100" src="images/bild43_44.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 43 und 44. Aus einem Mammutstoßzahn geschnitztes - Amulett der Magdalénienjäger mit einem kleinen, jetzt durchgebrochenen - Aufhängeloch an der Spitze. Auf der Vorder- und Rückseite ist je eine - Saigaantilope mit auffallend langem Gehörn dargestellt. Aus der südfranzösischen - Höhle von Mas d’Azil am Nordfuße der Pyrenäen. (<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">3</span></span> natürl. Größe.)</div> -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_270"></a>[S. 270]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XII_Kaninchen_und_Meerschweinchen">XII. Kaninchen und -Meerschweinchen.</h2> - -</div> - -<p>Eine ebenfalls junge Erwerbung wie das Renntier ist das -<em class="gesperrt">Kaninchen</em> (<span class="antiqua">Lepus cuniculus</span>), das sich durch weit -geringere Größe, schlankeren Bau, kürzeren Kopf, kürzere Ohren -und kürzere Hinterbeine vom eigentlichen Hasen unterscheidet. Es -ist gegenwärtig über ganz Süd- und Mitteleuropa verbreitet und an -manchen Orten recht gemein. Am zahlreichsten trifft man es in den -Mittelmeergegenden, obgleich man dort keine Schonzeit kennt und es das -ganze Jahr hindurch verfolgt. Besonders zahlreich muß es im östlichen -Teil des Mittelmeergebiets gelebt haben, da die alten Schriftsteller -Spanien als seine Heimat bezeichnen. In England und in manchen von -dessen Kolonien wurde es der Jagdlust zuliebe in verschiedene Gegenden -verpflanzt und anfangs sehr hochgehalten. Noch im Jahre 1309 war es -dort so selten, daß ein wildes Kaninchen ebensoviel als ein Ferkel -kostete. In Nordeuropa ist es ihm schon zu kalt; so hat man bis jetzt -vergeblich versucht, es in Rußland und Schweden einzubürgern.</p> - -<p>Das wilde Kaninchen verlangt hügelige, sandige Gegenden, die von -niederem Gebüsch bedeckt sind, in dem es sich verstecken kann. In -den lockern Boden gräbt es sich am liebsten an sonnigen Stellen und -in Gesellschaft einen einfachen Bau, bestehend aus einer ziemlich -tiefliegenden Kammer und in einem Winkel dazu gebogenen Röhren, von -denen eine jede wiederum mehrere Ausgänge hat. Jedes Paar hat seine -eigene Wohnung und duldet kein anderes Tier darin. Mit scharfen Sinnen -ausgestattet, ist das Kaninchen äußerst vorsichtig, lebt fast den -ganzen Tag in seiner Höhle und rückt erst gegen Abend auf Äsung aus, -indem es lange sichert, bevor es den Bau verläßt. Bemerkt es Gefahr, -so warnt es seine Gefährten durch starkes Aufschlagen der Hinterfüße -auf die Erde, und alle eilen so rasch als möglich in ihren Bau zurück -oder suchen sonst ein Schlupfloch zu finden. Wie die Häsin geht das -Kaninchen 30 Tage schwanger und setzt bis zum Ok<span class="pagenum"><a id="Seite_271"></a>[S. 271]</span>tober alle 5 Wochen -4–12 Junge in einer besonderen Kammer, die es vorher mit der Wolle von -seinem Bauche reichlich ausgefüttert hat. Einige Tage hindurch sind -die Kleinen blind, doch rasch entwickeln sich ihre körperlichen und -geistigen Fähigkeiten, so daß sie schon nach dem nächsten Satze der -Pflege der um sie sehr besorgten Mutter entraten können. Sie erreichen -erst im 12. Monat ihr völliges Wachstum, sind aber in warmen Ländern -schon im fünften, in kalten im achten Monate fortpflanzungsfähig.</p> - -<p>Durch diese ihre ungeheure Fruchtbarkeit sind die Kaninchen noch -schädlicher als die Hasen, indem sie mit Vorliebe Baumrinden abnagen, -wodurch oft ganze Pflanzungen eingehen. Wo sie sich vor Verfolgungen -sicher wissen, werden sie ungemein frech und vertreiben durch ihr -unruhiges Wesen das andere Wild, vor allem Hasen und Rehe. In Gegenden, -die zu ihrer Entwicklung günstig sind, können sie zu einer wirklichen -Landplage werden und die Bewirtschaftung des Bodens außerordentlich -benachteiligen. Wenn sie einmal die Oberhand gewonnen haben, sind -sie kaum mehr zu beseitigen. So haben sie sich in manchen Gegenden, -so namentlich in Spanien und auf den Balearen, schon im Altertum so -stark vermehrt, daß man auf Maßnahmen zu ihrer Zurückdrängung sann. -Der griechische Geschichtschreiber Strabon im 2. Jahrhundert n. Chr. -schreibt: „In Spanien gibt es wenige schädliche Tiere mit Ausnahme -der den Boden durchwühlenden Häschen, welche von einigen Kaninchen -genannt werden. Sie zerstören die Pflanzungen und Saaten und sind -bis Massalia (dem heutigen Marseille) und auch über die Inseln -verbreitet. Die Bewohner der gymnesischen Inseln (Balearen) sollen -einmal eine Gesandtschaft nach Rom geschickt und um eine andere Insel -gebeten haben, weil sie über die Menge der Kaninchen nicht mehr Herr -werden konnten.“ An einer anderen Stelle sagt dieser Autor: „Auf den -gymnesischen Inseln sollen die Kaninchen nicht ursprünglich heimisch -sein, sondern von einem Pärchen stammen, das von der Küste dahin -gebracht wurde. Sie haben in der Folge Bäume und Häuser so unterwühlt, -daß sie umstürzten. Jetzt weiß man ihre Zahl so weit zu beschränken, -daß die Felder bebaut werden können. Übrigens verfolgt man sie mit -Frettchen, die man in ihre Höhlen schickt.“</p> - -<p>Nach allem scheinen die Griechen das Kaninchen ursprünglich nicht -gekannt zu haben, sonst hätten sie einen besonderen Namen zu seiner -Bezeichnung gehabt. Sie lernten es erst von Westen her kennen und -nannten es nach dem lateinischen <span class="antiqua">cuniculus</span> <span class="antiqua">kóniklos</span> oder -nach dem<span class="pagenum"><a id="Seite_272"></a>[S. 272]</span> lateinischen <span class="antiqua">lepus lebērís</span>. Über diese Kaninchen, die -den Römern sehr wohl bekannt waren, schreibt der ältere Plinius: „In -Spanien und auf den balearischen Inseln, wo die Kaninchen ungeheuren -Schaden anrichten, so daß man sich von dort aus einst vom Kaiser -Augustus militärische Hilfe gegen diese Tiere erbat, bereitet man deren -aus dem Nest genommene Junge als Leckerbissen zu. Der Kaninchenjagd -wegen schätzt man dort die Frettchen sehr hoch. Man läßt sie in den -unterirdischen, mit vielen Röhren versehenen Bau; die Bewohner fliehen -dann eilig heraus und werden gefangen.“ Auf den Pityusen, damals Ebuso -genannt, gab es im Gegensatz zu den Balearen, wo sie also nach Strabon -in einem einzigen Pärchen von der spanischen Küste eingeführt wurden, -keine Kaninchen, wie uns Plinius berichtet, dagegen waren sie nach dem -griechischen Geschichtschreiber Polybios auf Korsika vorhanden; er -nennt sie <span class="antiqua">kýniklos</span>.</p> - -<p>Im Gegensatz zum Hasen, der bei den Römern häufig auf den Tisch kam -— nach Lampridius soll Kaiser Alexander Severus täglich Hasenbraten -gegessen haben — war das Kaninchen, wenigstens in Italien nur wenig -als Speise gebräuchlich. Einzig Martial, freilich ein Spanier von -Geburt, führt es mit einigen charakteristischen Versen unter den -Küchenartikeln auf. Von einem Halten des Kaninchens als Haustier ist -selbst in Spanien, das dieses Tier als für das Land charakteristisch -auf einigen Münzen der römischen Kaiserzeit abbildete, im Altertum -nirgends die Rede. Sie mag frühestens zu Beginn des Mittelalters in -Südwesteuropa ihren Anfang genommen haben und nahm erst im späteren -Mittelalter einen größeren Aufschwung, der hauptsächlich den Klöstern -zu verdanken ist. So ließ sich der Abt Wibald von Corvey 1149 zwei -männliche und zwei weibliche Kaninchen aus Frankreich kommen. Später -begann man auch an den weltlichen Höfen Kaninchen in Gehegen zu -halten, um den Damen ein müheloses Jagdvergnügen zu gewähren. Da man -dabei die Schädlichkeit des Kaninchens kennen lernte, das das andere -Wild verjagte, hörte man mit diesem Sport bald auf und begnügte sich, -das genügsame Tier auf Inseln anzusiedeln, wo seiner unbegrenzten -Vermehrung einigermaßen gesteuert werden konnte. So waren Kaninchen -überall auf den Italien umgebenden Inseln vorhanden. Zur Zeit der -fränkischen Herrschaft wurden sie auch auf den Kykladen, d. h. den -Inseln des Ägäischen Meeres, angesiedelt, wo sie heute noch auf den -Inseln vorkommen, auf denen es keine Hasen gibt. Nur auf der größeren -Insel Andros hat es sich so mit seinem Vetter in das Gebiet geteilt, -daß die<span class="pagenum"><a id="Seite_273"></a>[S. 273]</span> Kaninchen den einen und die Hasen den anderen Teil der Insel -bewohnen. Nach Olivier gibt es auch bei Konstantinopel im Marmarameer -eine Kanincheninsel. Im Jahre 1407 hielt man schon Kaninchen auf der -nach ihnen genannten Insel im Schwerinersee. 1684 erfahren wir, daß -sie ein Rostocker Ratsherr auf den Dünen Warnemündes ausgesetzt hatte, -aber erst nachträglich an den von ihnen angerichteten Verwüstungen sah, -welche Dummheit er damit gemacht hatte. Noch im 16. Jahrhundert kannte -man weder im Rheinland, noch in Mitteldeutschland wilde Kaninchen, -dagegen kannte sie Schwenckfeld 1603 zahm und in den Häusern gehalten. -1612 sah sie der Nürnberger Paul Hetzner auf einem Kaninchenwerder der -Königin Elisabeth von England als Merkwürdigkeit. Seit 1596 leben sie -auf Helgoland und seit 1699 auf den ostfriesischen Inseln.</p> - -<p>Eine besondere Bedeutung erlangten die Kaninchen als leicht -zu transportierende Nahrung für den Menschen im Zeitalter der -Entdeckungen. Um allfälligen Schiffbrüchigen ihre Existenz zu -erleichtern, setzten die schiffahrenden Portugiesen auf kleineren -und größeren Inseln, die sie ohne Tiere antrafen, außer Ziegen auch -Kaninchen aus. Schon Perestrello, der erste Besiedler der Insel -Porto Santo in der Nähe von Madeira, brachte 1418 hierher Kaninchen -mit, die sich aber, da Feinde fehlten, in wenigen Jahrzehnten derart -vermehrt hatten und solche Verwüstungen auf der Insel anrichteten, daß -die Ansiedler zum Aufgeben ihrer Niederlassungen gezwungen wurden. -Im Laufe der Zeit bildete sich hier eine Lokalrasse aus, die um die -Hälfte kleiner und im Pelz oben rötlich und unten blaßgrau wurde. -Sonst kehren die wilden Kaninchen meist zur ursprünglichen grauen -Färbung ihrer Ahnen zurück. Auch auf Teneriffe kommen wilde Kaninchen -vor; sie sind gleichfalls klein und sehr scheu, graben keine Löcher, -was im vulkanischen Boden auch nicht möglich wäre, sondern wohnen in -den Spalten zwischen den Lavablöcken. Weiterhin leben welche auf St. -Helena, Ascension, dann auf Jamaika und den Falklandinseln.</p> - -<p>In der Äquatorialprovinz Afrikas suchte Emin Pascha vor einem -Menschenalter Kaninchen einzuführen. In Südafrika haben die -vorsichtigen Holländer ihre Einführung auf dem Festland durch strenge -Strafbestimmungen zu verhindern gewußt. Nur auf den kleinen Inseln in -der Hafenbucht der Kapstadt wurden sie angesiedelt. In Batavia wollten -sie 1726 nicht recht gedeihen, da es ihnen wohl zu warm war. Dagegen -haben sie neuerdings in den Kulturrassen als Haustier in Japan großen -Beifall gefunden. Ganz schlimme Erfahrungen machte man<span class="pagenum"><a id="Seite_274"></a>[S. 274]</span> mit den wilden -Kaninchen in Australien und Neuseeland, wo sie unbedachterweise zur -Frönung der Jagdlust ausgesetzt wurden. Bald wurden sie hier zu einer -fürchterlichen Landplage, indem sie die Weideplätze der Kühe und Schafe -kahl fraßen. Schon im Jahre 1885 gab die Regierung von Neusüdwales etwa -15 Millionen Mark aus, um dem Übel zu wehren; doch vergebens. Gift, -Schlingen, Frettchen, Hermeline, Mangusten und andere Raubtiere, die -eingeführt wurden, nützten nichts. Diese Tiere vermehrten sich zwar, -hielten sich aber nicht an Kaninchen, sondern an das Hausgeflügel -der Ansiedler, so daß sie selbst eine fast ebenso schlimme Plage als -die Kaninchen wurden. Selbst der Versuch, eine ansteckende Krankheit -unter den Kaninchen zu verbreiten, nützte nichts. Deshalb bleibt die -Vertilgung der Kaninchen nach wie vor besonderen Kaninchenfängern -vorbehalten, die das Land in Gesellschaften durchziehen und bald hier, -bald dort ihr Lager aufschlagen. Um neue Einwanderungen von Kaninchen -in die von ihnen gesäuberten Gegenden zu verhindern und bis jetzt -kaninchenfreie Ländereien vor ihrer Einwanderung zu verschonen, hat -man meilenweite Einfriedigungen aus Drahtnetzen gezogen, unter denen -eine im Auftrage der Regierung der Kolonie Viktoria errichtete über -1120 <span class="antiqua">km</span> lang ist. Bis jetzt ist es freilich noch in keiner -australischen Kolonie gelungen, der Plage Herr zu werden. An vielen -Orten ist der Boden ganz unterwühlt von den Nagern, an andern ist der -Wald durch sie eingegangen.</p> - -<p>Ebenso wie in Australien spielt unter den in Neuseeland eingeführten -Tieren das dort vor etwa 45 Jahren eingeführte Kaninchen eine äußerst -verhängnisvolle Rolle. Es hat sich in manchen Gegenden Neuseelands so -stark vermehrt, daß man sogar gedacht hat, ihm diese Gegenden ganz -preiszugeben. Auch in verschiedenen Gegenden Südamerikas wurden sie -eingeführt, doch vermehrten sie sich hier nirgends im Übermaß, da -sie die natürlichen Feinde in Schranken hielten. In Mexiko und Peru -scheinen sie ziemlich häufig zu sein.</p> - -<p>Das Wildbret des Kaninchens ist weiß und wohlschmeckend. Die feinen -Haare des Pelzes werden wie diejenigen des Hasen zur Herstellung -von Filzhüten verwendet. In der römischen Kaiserzeit stopfte man -damit Kissen, bis man von den als Barbaren verachteten Germanen die -Verwendung der Daunenfedern der Gans zu diesem Zwecke kennen lernte.</p> - -<p>Die Domestikation hat beim Kaninchen eine Reihe von Veränderungen -hervorgerufen, auf die schon Darwin aufmerksam machte.<span class="pagenum"><a id="Seite_275"></a>[S. 275]</span> Vor allem -haben die Hauskaninchen bedeutend an Gewicht zugenommen; während das -wilde Kaninchen ein Gewicht von höchstens 2 <span class="antiqua">kg</span> besitzt, gibt -es zahme Rassen, deren Vertreter 5–6 <span class="antiqua">kg</span> schwer werden. Dies -wurde erzielt durch Zufuhr reichlicher, nahrhafter Kost in Verbindung -mit wenig Körperbewegung und infolge der fortgesetzten Zuchtwahl -der schwersten Individuen. Dann hat die Länge und Breite der Ohren -durch künstliche Züchtung enorm zugenommen, so daß sie infolge ihres -erheblichen Gewichtes nicht mehr aufrecht getragen werden können, -sondern hängend geworden sind. Bei den größeren Rassen hat der -Schädel an Länge zugenommen, aber nicht im richtigen Verhältnis zur -Längenzunahme des Körpers. Auch manche Schädelteile weisen erhebliche -Veränderungen auf gegenüber denjenigen der wildlebenden Vertreter. -Im richtigen Verhältnis zum vergrößerten Körpergewicht sind die -Extremitäten kräftiger geworden, haben aber durch Mangel an gehöriger -Körperbewegung nicht im richtigen Verhältnis an Länge zugenommen. Die -ursprünglich graue Färbung ist verschieden geworden, teils ist sie in -Braun, Schwarz, Weiß oder Scheckfärbung übergegangen.</p> - -<p>Beim <em class="gesperrt">Angora-</em> oder <em class="gesperrt">Seidenkaninchen</em> ist ein sehr -reichlicher, weicher Pelz von seidenartigem Glanze erzielt worden, der -hoch im Preise steht. Es soll ursprünglich in Kleinasien gezüchtet -worden sein und kam am Ende des 18. Jahrhunderts nach Europa. Es ist -sehr zart und verlangt eine sorgfältige Pflege. Meist wird es einfärbig -weiß gezüchtet; doch gibt es auch schwarze, gelbe und graue Sorten.</p> - -<p>Das <em class="gesperrt">Silberkaninchen</em> gehört zu den kleineren Schlägen. Sein -Gewicht beträgt 2,5 bis 3,5 <span class="antiqua">kg</span>. Auf dem rundlichen Kopfe -sitzen die aufrechtstehenden Ohren an der Wurzel nahe bei einander. -Die Färbung ist gewöhnlich grau mit einem silberähnlichen Anflug; -auch blaue, braune und gelbe Nuancen kommen vor. Das Fell spielt -als Handelsartikel eine nicht unerhebliche Rolle und wird von den -Kürschnern zu Pelzwerk verarbeitet. Ihm nahe steht das graue bis -schneeweiße <em class="gesperrt">russische Kaninchen</em>, dessen Nasen, Ohren, Pfoten und -Schwanz allein schwarz sind. Es besitzt eine herabhängende Wamme am -Hals. Aus seinem Pelz werden Hermelinpelzimitationen hergestellt.</p> - -<p>Ein kurzhaariger Schlag mit langgestrecktem Körper und kurzen, -aufrechtstehenden Ohren, von Farbe schwarz und weiß gescheckt, ist -das <em class="gesperrt">englische Scheckenkaninchen</em>. Ein noch bunter geschecktes -Kaninchen, dessen Fell außer Schwarz und Weiß auch Gelb in buntester -Mischung aufweist, ist neuerdings als „<em class="gesperrt">japanisches Kaninchen</em><span class="pagenum"><a id="Seite_276"></a>[S. 276]</span>“ -importiert worden, ohne indessen bisher eine weitere Verbreitung -gefunden zu haben. In Frankreich und England wird besonders das -<em class="gesperrt">Widderkaninchen</em> (<span class="antiqua">lapin bélier</span>) gezüchtet. Es verdankt -seinen Namen dem stark geramsten Kopf, der ungemein lange und schlaff -herabhängende Ohren besitzt. Es erreicht ein Gewicht von 5–6 <span class="antiqua">kg</span> -und besitzt ein wohlschmeckendes, zartes Fleisch, weshalb es viel -gezüchtet wird. Sein Fell ist kurzhaarig und schwarz, grau, weiß, gelb -oder blau, auch gescheckt.</p> - -<p>Das Kaninchen hat man auch schon mit dem Feldhasen zu kreuzen vermocht. -Die so erhaltenen Bastarde nennt man <em class="gesperrt">Leporiden</em>. Sie haben -nach W. Hochstetter eine große Ähnlichkeit mit dem Feldhasen, sind -hasengrau mit rostgelbem Nacken, tragen schwärzlich geränderte Ohren -und sind fruchtbarer als alle reinen Kaninchenrassen. Ihr Fleisch ist -sehr wohlschmeckend, und bereits nach sechs Monaten erreichen sie ein -Gewicht von 3–4 <span class="antiqua">kg</span>.</p> - -<p>Die Kaninchen sind die einzigen Nagetiere, die wirtschaftlich für -uns von Bedeutung geworden sind. Als leicht zu erlangende Warmblüter -dienen sie mit Meerschweinchen, Ratten und Mäusen sehr oft zu -Einimpfungs- und Vivisektionsversuchen, können deshalb mit Recht -auch als „Märtyrer der Wissenschaft“ bezeichnet werden. Unter diesen -spielt jedoch das <em class="gesperrt">Meerschweinchen</em> (<span class="antiqua">Cavia cobaya</span>) als -Versuchstier der Physiologen und Bakteriologen die weitaus erste -Rolle, da es sehr fruchtbar und leicht zu halten ist. Wenn es auch -vielfach bei uns zum Vergnügen gehalten wird, so hat es doch bei -uns keinen praktischen Nutzen gefunden. Allerdings in seiner alten -Heimat Südamerika ist es von den alten Peruanern, wie seinerzeit -das Kaninchen in Europa, der Fleischnutzung wegen gezüchtet und zum -Haustier erhoben worden. Im altperuanischen Gräberfeld von Ancon fand -man nicht selten Überreste von offenbar einst als Haustier gehaltenen -Meerschweinchen, die nach Nehring sowohl äußerlich in der Färbung, wie -auch durch ihren anatomischen Bau in der Mitte stehen zwischen der -wilden Art Südamerikas und dem zahmen Meerschweinchen der Gegenwart. -Die altperuanischen Hausmeerschweinchen besaßen, wenn auch schon -als offenkundiges Haustiermerkmal Weiß auftrat, im allgemeinen noch -immer die dunkelbraune, fein gesprenkelte „Wildfarbe“, die durch -verschiedenfarbige Ringelung der einzelnen Haare entsteht. Daneben -hatten sie die schlankere, schärfer umrissene Schnauze und das festere -Gefüge des Schädels, das sich besonders in dem keilförmigen Einspringen -der Nasenbeine in die Stirnbeine ausspricht. Diese Unterschiede mögen<span class="pagenum"><a id="Seite_277"></a>[S. 277]</span> -wohl auf veränderte Lebensbedingungen zurückzuführen sein. Jedenfalls -waren sie bei den alten Peruanern noch nicht in so strenger Haft -gehalten wie die heutigen Nachkommen und lebten wohl noch ziemlich frei -in und um die Hütten der Eingeborenen herum.</p> - -<p>Diese mehr einfarbigen, schlanken, spitzschnauzigen Vorfahren unseres -heutigen weißbunten, fettleibigen und dickköpfigen Meerschweinchens -stellen also Mittelglieder zwischen letzterem und der noch heute -in Peru wildlebenden Stammform <span class="antiqua">Cavia cutleri</span> dar. Außer als -Nahrung benutzten die alten Peruaner sie auch als Opfer für die -Götter. Nach Rengger zähmen die Indianer in Paraguay noch heute die -dem wilden Meerschweinchen Perus entsprechende Form der Ostabhänge der -Anden, die <span class="antiqua">Cavia aperea</span>, und diese pflanzt sich auch in der -losen Gefangenschaft, in der sie gehalten wird, leicht fort. Im Laufe -des 16. Jahrhunderts kam dann das peruanische Hausmeerschweinchen -durch die Spanier wohl nur als Spielerei nach Europa. Speziell den -Holländern ist dessen Einführung nach Mitteleuropa zu verdanken. -In der Schweiz erwähnt es 1554 zuerst der Züricher Naturforscher -Konrad Geßner (1516–1565). Doch war es damals in Mitteleuropa noch -recht selten. Weil es übers Meer zu ihnen gekommen war und in -seiner kurzbeinigen Dickleibigkeit einem Schweinchen glich, nannten -es die Deutschen Meerschweinchen, während es die Engländer als -<span class="antiqua">guinea-pig</span> bezeichneten. Die Färbung ist sehr verschieden. -So berichtet schon der Leibarzt der reichen Fugger in Augsburg -in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Munzinger, von ganz -weißen und ganz braunen Meerschweinchen. Jetzt sind die meisten -Formen schwarz, rotgelb und weiß gefleckt; ein Teil ist ganz weiß -mit roten Augen. Es sind dies also richtige Albinos. Neben diesen -kurzhaarigen Rassen gibt es auch eine sehr langhaarige unter der -Bezeichnung <em class="gesperrt">Angorameerschweinchen</em>. Bildet ihre Behaarung an -verschiedenen Körperstellen eigentümliche Wirbel, so spricht man von -<em class="gesperrt">Struppmeerschweinchen</em>.</p> - -<p>In seinem Benehmen ist das Meerschweinchen ein Mittelwesen zwischen -Kaninchen und Mäusen. Sein Lauf setzt sich aus einer Reihe kurzer -Sprünge zusammen und ist keineswegs sehr schnell. Fühlen sie sich wohl, -so lassen sie eine Art sanften Murmelns vernehmen; erschreckt quieken -sie wie die Schweine. Bei uns werfen die Weibchen 2 bis 3 mal im Jahre -2–3, auch 4 oder 5, in heißen Ländern sogar 6–7 Junge. Diese werden in -einem hochentwickelten Zustand mit offenen Augen geboren und laufen -schon nach wenigen Stunden hinter<span class="pagenum"><a id="Seite_278"></a>[S. 278]</span> der Mutter her. Sie werden nur etwa -14 Tage lang von der Mutter gesäugt und während dieser Zeit liebevoll -behandelt. Vom zweiten Tage an fressen sie neben der Muttermilch auch -Grünes und sind vom Ablauf der 4. Woche an selbständig. Nach 5–6 -Monaten sind sie fortpflanzungsfähig und haben schon nach 8–9 Monaten -ihre vollkommene Größe erreicht. Bei guter Behandlung können sie ihr -Leben auf 6–8 Jahre bringen. Sie sind der Wärme bedürftig und müssen an -einem trockenen Ort gehalten werden. Gegen rauhe und kalte Witterung -sind sie sehr empfindlich und gehen dann leicht zugrunde. Wenn man sich -viel mit ihnen abgibt, werden sie ungemein zahm und zutraulich, obwohl -sie ihre Furchtsamkeit nie gänzlich ablegen und bei ihren geringen -geistigen Fähigkeiten selten dahin gelangen, den Wärter von andern zu -unterscheiden. Im ganzen bleiben sie stumpfsinnig und wenig anhänglich. -Nur in Oberschlesien ißt man sie wie in ihrer Heimat Peru.</p> - -<p>Endlich ist noch von der <em class="gesperrt">zahmen Hausmaus</em> (<span class="antiqua">Mus musculus -domesticus</span>) zu reden, die in Ostasien zum Haustier erhoben wurde -und neuerdings auch bei uns in den verschiedensten Zeichnungs- und -Färbungsformen gezüchtet wird. Nach ihrer Herkunft werden sie als -<em class="gesperrt">chinesische</em> und <em class="gesperrt">japanische Ziermäuse</em> unterschieden. Die -chinesischen Mäuse, die in ihrer Heimat auch vom Menschen gegessen -werden, unterscheiden sich von unserer wilden Hausmaus und von der -gewöhnlichen weißen Maus nur durch die Färbung und Zeichnung und -zerfallen in eine große Anzahl Rassen. Es gibt einfarbig schwarze, -dann solche mit ganz kleinen weißen Abzeichen an verschiedenen -Körperstellen, ferner schwarz- und weißgescheckte, einfarbig graue, -grau- und weißgescheckte, braune, braun- und weißgescheckte, hell- -und dunkelgelbe und gelbgescheckte Mäuse. Alle diese haben meist -schwarze Augen; nur gelbe Mäuse kommen auch mit roten Augen vor. -Sonst finden sich letztere regelmäßig bei den noch nicht aufgezählten -Rassen, den fahlen, den fahl- und weißgescheckten und den blauen -Mäusen, deren Färbung von Aschgrau bis Mohnblau wechselt. Diese blauen -Mäuse unterscheiden sich von den fahlen dadurch, daß ein gelblicher, -bräunlicher oder rötlicher Farbenton bei ihnen fehlt. Zu ihnen gesellen -sich blaue Mäuse mit wenig bis viel Weiß und endlich die schon seit -langer Zeit in Europa gezüchteten einfarbig weißen Mäuse mit roten -Augen. Übergänge zwischen den aufgezählten Rassen finden sich nur -selten. Als Übergänge zwischen fahlen und gelben Mäusen kann man die -gelben Mäuse mit roten Augen betrachten. Sonst kommen nur Über<span class="pagenum"><a id="Seite_279"></a>[S. 279]</span>gänge -zwischen grauen und gelben Mäusen vor, nämlich graue Mäuse mit Gelb -und gelbe Mäuse mit Grau meliert. Andere Übergänge hat man trotz -zahlloser Züchtungsversuche nicht erhalten, und vor allem ist es auch -nie gelungen, Mäuse zu züchten, die gleich den meisten Meerschweinchen -dreifarbig gescheckt sind.</p> - -<p>Nicht minder wunderbare Züchtungsprodukte haben die Japaner aus der -gemeinen Hausmaus zu machen verstanden. Die japanischen Ziermäuse -unterscheiden sich von den chinesischen durch geringere Körpergröße, -zierlichere Formen, namentlich spitzen Kopf, vor allem aber durch die -merkwürdige Eigenschaft, daß sie, wenn sie irgend ein Ziel erreichen -wollen, nicht geradewegs darauf losgehen, sondern schwankenden Ganges -hin und her wackeln, wobei sie häufig in eine drehende Bewegung -geraten, ja nicht selten auf einem Fleck so schnell herumwirbeln, daß -man Kopf- und Schwanzende nicht mehr voneinander unterscheiden kann. -Sie lieben es auch, um die runden Futternäpfe im Kreise herumzulaufen -und um Pflöcke, die man auf dem Boden ihres Käfigs befestigt hat, -herumzutanzen. Oft führen zwei zusammen einen Wirbeltanz aus. Diese -sogenannten <em class="gesperrt">japanischen Tanzmäuse</em> zieht man in ihrer Heimat -gewöhnlich in zwei Rassen, nämlich in schwarzweißem und blauweißem -Kleide. Bei beiden Rassen überwiegt das Weiß, und Schwarz und Blau -sind jeweilen am Kopfende angehäuft. Nur selten erhält man auch fahl -und weiß gescheckte Tanzmäuse. In Frankfurt a. M. ist es indessen -neuerdings gelungen, zahlreiche verschiedenartige Tanzmäuse zu züchten, -und nach den dort angestellten Vererbungsversuchen lassen sich die -Tanzmäuse in denselben 19 verschiedenen Färbungs- und Zeichnungsformen -züchten, wie die chinesischen Mäuse, so daß es im Ganzen 38 -verschiedene Hauptrassen von Ziermäusen gibt. Dazu kommen noch einige, -allerdings sehr seltene Übergänge zwischen verschiedenen Rassen.</p> - -<p>Dieselbe Züchtungsarbeit hat man in Ostasien teilweise auch der -Wanderratte angedeihen lassen. Sie kommt weiß, schwarz oder braun -gescheckt vor, ist aber viel weniger mannigfaltig gefärbt als die -Ziermäuse. Am meisten wird die <em class="gesperrt">japanische Tanzratte</em> gehalten, -die durch ihr Benehmen an die japanischen Tanzmäuse erinnert. Sie wird -gelegentlich auch vom Menschen verspeist, was sehr begreiflich ist, -da an ihr gewiß mehr Fleisch enthalten ist als an den Mäusen, die -demselben Zwecke dienen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_280"></a>[S. 280]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XIII_Die_Katze">XIII. Die Katze.</h2> - -</div> - -<p>Die Hauskatze, die als geborener Einzeljäger sich bis auf den heutigen -Tag auch als Haustier eine sehr selbständige Stellung als Genosse des -Menschen bewahrt hat und infolgedessen auch dem Einfluß der künstlichen -Züchtung so gut wie gar nicht unterliegt, ist kein Abkömmling unserer -europäischen Wildkatze (<span class="antiqua">Felis catus</span>), wie man noch in der -ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts annahm, sondern stammt -von der von Rüppel in Nubien entdeckten <em class="gesperrt">Falbkatze</em> (<span class="antiqua">Felis -maniculata</span>), die in vorgeschichtlicher Zeit irgendwo im oberen -Nilgebiet zum Haustier erhoben wurde. Es ist dies ein fahlgelb bis -fahlgraues Tier, an Hinterkopf und Rücken rötlicher, mit weißem Bauch -und verwaschenen, schmalen, schwarzen Querbinden am Rumpf, die an -den Beinen deutlich hervortreten. Der Pelz ist an einigen Stellen -schwarz gesprenkelt; der Schwanz endet in eine schwarze Spitze, davor -hat er drei schwarze Ringe. Charakteristisch ist der Sohlenfleck, -d. h. die schwarze Färbung der Hinterseite der Hinterfüße von der -Pfote bis zum Hacken. Diese Färbung macht sich auch bei den gezähmten -Vertretern sehr leicht geltend und kommt niemals bei der europäischen -Wildkatze vor. Ferner ist bei den Hauskatzen wie bei deren Stammutter, -der Falbkatze, der Schwanz gleichmäßig zugespitzt und nicht am Ende -verdickt wie bei der europäischen Wildkatze, die auch nie schwarze -Sohlen aufweist. Dann wies der Engländer Hamilton nach, daß sich bei -den Hauskatzen die Stirne mit zunehmendem Alter verflacht, während -sie bei der europäischen Wildkatze höher wird. Alle diese Tatsachen -sprechen in demselben Sinne, daß eben die Hauskatze ein Abkömmling der -afrikanischen Falbkatze und nicht der europäischen Wildkatze ist.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="bild45" > - <img class="w100" src="images/bild45.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 45. Links der Ammonspriester Mutsa (3), Vorsteher des - kgl. Schatzes, mit seiner Schwester Bati (4), einer Jungfrau des Ammon, und - seinem Sohne User (2) mit dem Wurfholz (Bumerang) auf der Entenjagd, rechts - derselbe Fische speerend. Im Dickicht ein Ichneumon, der einen jungen Vogel aus - dem Nest reißt, im Boot links eine gezähmte Katze, die scheinbar bittet, ins - Dickicht gelassen zu werden. Auf diesem Wandgemälde der 18. Dynastie weist die - Hauskatze noch die schmalen schwarzen Querbinden ihrer Stammutter, der Falbkatze, - auf. (Nach Wilkinson.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/bild45_gross.jpg" id="bild45_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Wenn nun also die Hauskatze nicht von der europäischen Wildkatze -abstammt, ist es nicht zu verwundern, daß sie im vorgeschichtlichen -Europa durchaus fehlt; auch die älteren Griechen und Römer<span class="pagenum"><a id="Seite_282"></a>[S. 282]</span> kannten -sie noch nicht. Ihre Rolle als Mäusevertilger besorgten bei ihnen -Wiesel und Iltis, die beide gezähmt gehalten wurden. Ebenso wird die -Katze nirgends in der Bibel erwähnt; auch im vedischen Zeitalter -Indiens war sie durchaus unbekannt. Aus allen diesen Gründen muß -die noch von W. Schuster vertretene ältere Ansicht, wonach unsere -Hauskatze von der Wildkatze abstammt, absolut verlassen werden, wenn -auch zuzugeben ist, daß da und dort durch gelegentliche Paarung von -Hauskatzen mit Wildkatzen Blut von letzterer in manche Stämme der -Hauskatze gelangte. Ganz abgesehen von der großen Schwierigkeit der -Zähmung der überaus wilden europäischen Wildkatze weicht auch der -anatomische Bau der Hauskatze in vielen Einzelheiten vollkommen -von demjenigen jener ab, stimmt aber sehr genau mit demjenigen der -nubischen Falbkatze überein. Nach François Lenormant kam die Hauskatze -als bereits gezähmtes Tier mit dem Hunde von Dongola erst zur Zeit des -Mittleren Reiches nach der Eroberung des Landes Kusch in Nubien durch -die Ägypter nach Ägypten und wird mit jenem zuerst auf Grabdenkmälern -der 12. Dynastie (2000–1788 v. Chr.) in Beni Hassan abgebildet. Dagegen -will neuerdings Konrad Keller sie schon zur Zeit der 6. Dynastie -(2750–2625 v. Chr.) in einem Grabgemälde von Sakkarah mit einem -Halsband, also dem Attribut eines Hausgenossen, abgebildet gefunden -haben. Genaueres darüber gibt er aber nicht an.</p> - -<p>Bei den alten Ägyptern wurde ihre Zucht in der Folge sehr populär; -denn die Katze, von ihnen nach ihrer Lautäußerung <span class="antiqua">mau</span> genannt, -wurde als Jagdgehilfe und eifriger Bekämpfer von Ratten und Schlangen -von ihnen in hohem Maße geschätzt. So finden wir auf verschiedenen -Grabgemälden der 18. Dynastie (1580–1350 v. Chr.) von Kurnah, die -Sir Gardner Wilkinson publizierte, Ägypter in leichten Booten im -Schilfdickicht Jagd auf Wasservögel machen, wobei ihnen zahme Katzen -das vom Bumerang betäubte Wild durch geschicktes Schleichen zwischen -den Sumpfpflanzen holen. Wo also der Hund nicht zu gebrauchen war, -trat die Katze in ihr Recht und leistete dem Menschen gute Dienste. -Als Rattenvertilgerin finden wir die Katze aus leicht verständlichen -Gründen nirgends dargestellt; aber daß sie als solche fungierte, -beweist der berühmte satyrische Papyrus von Turin, in welchem die -Darstellungen der glorreichen Siege Ramses III. (1198–1167 v. -Chr.) der 19. Dynastie an den Wänden des von ihm errichteten Tempels -in Medinet Abu in der Weise karikiert wurden, daß der auf seinem -Kriegswagen stolz einherfahrende König und seine<span class="pagenum"><a id="Seite_283"></a>[S. 283]</span> Leute in Form von -Ratten, die Feinde dagegen, die Chethiter, in Gestalt von Katzen -dargestellt wurden. In einer Darstellung des Totenbuches aus dem Neuen -Reiche finden wir eine unter einem Baume sitzende Katze abgebildet, -die unter der einen Vordertatze einen Schlangenkopf hält. Tatsächlich -jagt die Hauskatze ebenso gern selbst die gefährlichsten Giftschlangen -als die Mäuse und Ratten. Dadurch mag sie sich bei den Ägyptern, jenen -ausgesprochenen Ackerbauern, denen die die Kornvorräte brandschatzenden -Nagetiere, wie auch die giftige Schlangenbrut äußerst lästig fielen, -sehr bald in hohe Gunst gebracht haben. Da sie andere Tiere verspeiste -und damit deren Seelen in sich aufnahm, sah man in ihr ein Geistwesen -verkörpert, dem als solchem so gut eine Kultpflege zukam, als dem die -Umgebung der menschlichen Wohnungen von Aas reinigenden Ibis oder -Schakal. Wie diese wurde sie in der Folge zu einem heiligen Tiere -gestempelt, das als guter Geist gern im Hause gehalten wurde, weil es -durch seine göttlichen Eigenschaften Segen in dasselbe brachte. Ihr -Tod versetzte die altägyptische Familie in Trauer, die man äußerlich -durch Abrasieren der Augenbrauen bekundete. Der Unglückliche, der -freiwillig oder unfreiwillig einer Katze das Leben raubte, war -verloren. So schreibt der griechische Geschichtschreiber Diodoros, mit -dem Beinamen Siculus, über Ägypten: „Wer dort irgend ein heiliges Tier -absichtlich ums Leben bringt, wird zum Tode verurteilt. Wer aber eine -Katze oder einen Ibis umbringt, muß sterben, wenn er auch die Sünde -ohne es zu wollen beging; das Volk läuft zusammen und behandelt, oft -ohne Verurteilung, den Missetäter aufs grausamste. Sieht also jemand -ein totes heiliges Tier, so bleibt er, um nicht in falschen Verdacht -zu kommen, von ferne stehen, schreit, wehklagt und beteuert, daß er es -schon tot gefunden habe. — Die abergläubische Verehrung der heiligen -Tiere ist bei den Ägyptern tief und unwandelbar festgewurzelt. In der -Zeit, da der König Ptolemäus (XI, 81–51 v. Chr.), von den Römern -noch nicht für einen Freund erklärt war und sich das ägyptische Volk -auf alle mögliche Weise bemühte, den sich in ihrem Lande aufhaltenden -Römern gefällig zu sein und aus Furcht vor Rom jede Gelegenheit zu -Beschwerden vermied, da kam der Fall vor, daß ein Römer eine Katze ums -Leben brachte. Alsbald rottete sich das Volk wütend gegen ihn zusammen, -und, obgleich er den Mord gar nicht mit Vorsatz begangen, konnten -doch weder die Bitten des vom Könige hingesandten Beamten, noch die -Furcht vor Rom den unglücklichen Katzenmörder vom Tode erretten. — -Finden die Ägypter auf ihren<span class="pagenum"><a id="Seite_284"></a>[S. 284]</span> Kriegszügen in fremdem Lande tote Katzen -oder Habichte, so sind sie betrübt und nehmen die Tiere mit sich nach -Hause.“ An einer anderen Stelle berichtet derselbe Autor: „Den Katzen -und Ichneumons brocken die Ägypter Brot in Milch, locken sie herbei -und setzen es ihnen vor, oder sie füttern sie mit zerschnittenen -Nilfischen. In ähnlicher Weise füttern sie auch die übrigen heiligen -Tiere. Die eigentlichen Wärter jener Tiere tun groß mit ihrem wichtigen -Götzendienst; sie tragen auch besondere Abzeichen, und wenn sie durch -Dörfer und Städte gehen, so verbeugt sich jedermann ehrfurchtsvoll -vor ihnen. Stirbt ein heiliges Tier, so wickeln sie es in feine -Leinwand, schlagen sich jammernd die Brust und bringen es in die zum -Einbalsamieren bestimmten Häuser. Ist es dort mit Zedernöl und andern -guten Dingen, die einen guten Geruch geben und vor Verwesung schützen, -durchdrungen, so wird es in einem heiligen Sarge bestattet.“</p> - -<p>Auch Herodot, der selbst in Ägypten war und die Sitten der Ägypter aus -eigener Anschauung kannte, schreibt: „Die Katzen in Ägypten lieben -ihre Jungen sehr, aber sie werden ihnen oft von den Katern geraubt. -Entsteht irgendwo eine Feuersbrunst, so kümmern sich die Ägypter nicht -ums Feuer, sondern um ihre Katzen. Sie stellen sich um diese herum -und halten Wache; aber die Katzen entwischen ihnen doch oft, springen -auch über sie hinweg und stürzen sich in die Flammen. Geschieht dies, -so kommt über die Ägypter große Trauer. Stirbt eine Katze, so scheren -sich alle Bewohner des Hauses ihre Augenbrauen ab; stirbt aber ein -Hund, dann scheren sie sich den ganzen Kopf ab. Die toten Katzen werden -in heilige Gemächer geschafft, einbalsamiert und dann in der Stadt -Bubastis beigesetzt. Die Hunde und Ichneumons werden in der Stadt, -in der sie starben, in heiligen Grüften bestattet, die Spitzmäuse -und Ibisse aber in Hermopolis. Die Bären, welche jedoch selten sind, -und die Wölfe, welche nicht viel größer sind als Füchse, werden da -begraben, wo sie gerade liegen.“</p> - -<p>Die Angaben dieser beiden Autoren betreffend das Einbalsamieren der -verstorbenen Katzen und das darauffolgende Bestatten in besonderen -„heiligen Grüften“ sind durch das Auffinden von eigentlichen -Katzenfriedhöfen in Bubastis und Beni Hassan bestätigt worden. Hier -wurden sorgfältig einbalsamierte und mit Leinenbändern umwickelte -Katzenmumien in Menge gefunden. Der bedeutendste Kultort für die -Katzen war die Stadt Bubastis, im östlichen Delta, die ihren Namen -(ägyptisch <span class="antiqua">Pe Bast</span> = Ort der Bast) von der dort verehrten Göttin -Bast erhielt, die mit einem Katzenkopfe dargestellt wurde. Es ist -dies eigentlich<span class="pagenum"><a id="Seite_285"></a>[S. 285]</span> die Göttin Sekhet, die Gemahlin des Ptah, des großen -Gottes von Memphis, die ursprünglich löwenköpfig und erst seit dem -Bekanntwerden der Katze in Unterägypten katzenköpfig abgebildet wurde. -Die Griechen stellten sie später ihrer Artemis gleich.</p> - -<p>Wenn nun auch mit dem Untergang des alten Ägypten die Heiligkeit der -Hauskatze im Niltal dahin fiel, so sind doch Spuren derselben hier bis -auf unsere Zeit nachzuweisen. Noch heute glaubt man in Ägypten, daß -die Katze Glück bringen könne; sie wird von den dortigen Haremsdamen -verhätschelt und mit Ohrringen geschmückt. In Oberägypten gilt sie -heute noch als heilig und unverletzlich; sie ist dort nach Klunzinger -ebenso geehrt als die Hunde verachtet. In Kairo vermachte der Sultan Ez -Zahir Beibars einen Garten nördlich der Stadt zum Besten der Katzen. -Derselbe wurde dann verkauft, aber zurückerworben und dient heute -noch zur Erhaltung herrenloser Katzen; daneben besteht in jener Stadt -ein förmliches Katzenspital. Außerdem sind wiederholt Legate zu deren -Fütterung ausgesetzt worden. Diese Hochhaltung der Katze im heutigen -Ägypten wird mit der Vorliebe des Propheten Mohammed für diese Tiere -motiviert. Dieser soll einst, um ein in seinem weiten Ärmel liegendes -Kätzchen nicht in seinem Schlafe zu stören, denselben beim Aufstehen -abgeschnitten haben. Überhaupt ist der Morgenländer durchschnittlich -sehr rücksichtsvoll gegen seine Mitgeschöpfe. So erzählt ein deutscher -Edelmann, der im Mittelalter das Morgenland durchwanderte, von einem -Soldaten, der sich neben dem schönsten Schatten seufzend von der -Mittagssonne peinigen ließ, weil er das in seinem Schoß eingeschlafene -Kätzchen nicht stören wollte.</p> - -<p>Wie sich aus den Mumien ergibt, war die Gesamtfarbe der altägyptischen -Hauskatze noch ganz der der Falbkatze ähnlich. Nach Keller trifft man -solche Färbung noch heute häufig bei den Hauskatzen in den Küstenorten -des Roten Meeres. Auch das Knochengerüst beider Arten entspricht -einander vollkommen. Jedenfalls hat sich hier in ihrem natürlichen -Verbreitungsgebiet die Falbkatze je und je mit der Hauskatze gepaart -und so zur Auffrischung des Blutes beigetragen. Aber auch die Wildform -selbst mag da und dort später wiederholt gezähmt worden sein, wie dies -heute noch bei den Niam-Niam der Fall ist, die die Falbkatze fangen und -sie in kurzer Zeit an die Wohnung gewöhnt haben, so daß sie ihnen nicht -mehr entläuft, sondern sich, mit Mäusefang beschäftigt, in deren Nähe -verweilt. Diese Beobachtung von G. Schweinfurth bestätigte C. Keller, -indem ihm auf seiner Reise<span class="pagenum"><a id="Seite_286"></a>[S. 286]</span> in Nubien wiederholt gezähmte Exemplare der -wilden Falbkatze angeboten wurden. Er schreibt ferner: „Am mittleren -Webi in den Somaliländern konnte ich gezähmte Falbkatzen in den Dörfern -antreffen, die ich vorher in Ogadeen nirgends vorfand. Sie dienen dazu, -die Getreideschuppen gegen die schädlichen Nager zu schützen. Übrigens -richten die Somalifrauen auch ihre Knaben in origineller Weise zum -Mäusefang ab und, wie ich mich überzeugt habe, entwickeln diese ein -großes Geschick. Diese Tatsache liefert vielleicht die Erklärung für -das lokale Fehlen der Hauskatze in manchen Gebieten Ostafrikas.“</p> - -<p>Vom Niltal verbreitete sich die Hauskatze im Altertum nur langsam -nach Syrien, Persien und von da nach Indien. Bei den Indern galt die -weiße Katze als das Symbol des Mondes, der die grauen Mäuse, d. h. die -Schatten der Nacht vertreibt. In China wird die Katze zum erstenmal -im 6. Jahrhundert v. Chr. erwähnt. Ein Bekanntwerden der Griechen mit -der ägyptischen Katze läßt sich vor dem 5. Jahrhundert v. Chr. nicht -nachweisen und war auch da nur vereinzelt. So berichtete Herodot -seinen Landsleuten von der hohen Wertschätzung dieses Tieres in ihrer -ägyptischen Heimat. Im 4. Jahrhundert v. Chr. wurde die Katze in den -griechischen Kolonien Süditaliens in einzelnen Exemplaren von Kyrene -her eingebürgert; doch vermochte sie auch hier nicht den älteren -Vorläufer, das Wiesel, zu verdrängen. Bei den Römern fand sie erst -um 100 v. Chr. Eingang. Bei ihnen hatte das Wort <span class="antiqua">felis</span> zuerst -den Edelmarder, dann die Wildkatze und, von ihr übertragen, zuletzt -die Hauskatze bezeichnet. Zu Beginn der christlichen Zeitrechnung -treffen wir sie immer noch nur vereinzelt als Haustier bei den alten -Römern. Der ältere Plinius kennt und beschreibt sie unter dem Namen -<span class="antiqua">tigris</span>: „Die Katzen schleichen ganz still und leise, wenn sie -ein Vögelchen haschen wollen; den Mäusen lauern sie heimlich auf -und springen dann plötzlich auf sie los. Ihren Kot bedecken sie mit -zusammengerscharrter Erde, damit er ihre Anwesenheit nicht verrate.“ -Seine Zeitgenossen Columella und Seneca raten die Hühner vor ihnen -zu hüten. Dies rät Palladius um 380 n. Chr. dadurch zu tun, daß man -letzteren ein Stückchen Raute unter den rechten Flügel bindet. Er -sagt, daß man sich Katzen zum Wegfangen der Maulwürfe halte. Von -allen Geschichtschreibern erwähnt sie nur Dio Cassius einmal, indem -er in der Biographie des Tiberius sagt: „Während Sejanus zur Zeit, -da Tiberius regierte (14–37), noch allmächtig war, kamen einmal eine -Menge Gratulanten zu ihm und das Sopha, auf das sie sich setzten, -brach zusammen; dann lief dem<span class="pagenum"><a id="Seite_287"></a>[S. 287]</span> Sejanus, als er aus dem Hause ging, -eine Katze über den Weg. Hierdurch ward ihm, vor dem sich damals -alles beugte, Verderben prophezeit.“ Auch ist ihre Darstellung bisher -nur ein einziges Mal auf einem römischen Mosaik gefunden. Jedenfalls -spielte die Katze im antiken Haushalt neben dem hier früher als -Mäusefänger gebräuchlichen Frettchen eine sehr bescheidene Rolle. -Erst vom 4. Jahrhundert n. Chr. an wurde das bis dahin noch häufig -gehaltene Hauswiesel ganz von der Katze verdrängt, die damals einen -besonderen Namen, nämlich <span class="antiqua">catus</span> erhielt, woraus später im -Vulgärlatein <span class="antiqua">catta</span>, und daraus im Italienischen <span class="antiqua">gatta</span>, -im Französischen <span class="antiqua">chat</span>, im Deutschen dagegen Katze wurde. Die -römische Bezeichnung <span class="antiqua">catus</span> aber, die bei den Byzantinern -als <span class="antiqua">katós</span> gebräuchlich war, stammt aus dem syrischen Worte -<span class="antiqua">katô</span>, das seinerseits wiederum mit dem nordafrikanischen -<span class="antiqua">gâda</span> und <span class="antiqua">kadiska</span> zusammenhängt. So sehen wir auch in der -Terminologie den Weg angedeutet, den das Tier in der Tat aus dem Niltal -über Syrien und das Römerreich bis ins Herz Europas nahm.</p> - -<div class="figcenter illowe36_25" id="bild46" > - <img class="w100" src="images/bild46.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 46. Katze und Maus. Holzschnitt zu den Fabeln des - Äsop. (Gedruckt 1475 von Joh. Zainer in Ulm.)</div> -</div> - -<p>Zur späteren ausgiebigen Verbreitung der Katze durch die Länder<span class="pagenum"><a id="Seite_288"></a>[S. 288]</span> am -Mittelmeer und in Europa trug wesentlich das christliche Mönchtum -bei, das ja in Ägypten seinen Anfang nahm und sich dort sehr bald mit -der Hauskatze befreundet hatte. So berichtet uns Johannes Diaconus im -Leben des heiligen Gregor (um 600), ein Eremit habe, durch die Predigt -dieses großen Mannes gerührt, seinen einzigen Schatz auf Erden, seine -Katze, opfern wollen. Aus dem Mittelalter findet sich die Angabe, -daß die Mönche eines Klosters auf Zypern Katzen gezogen hätten, um -die Schlangen zu bekämpfen. Damit an diesen frommen Orten die Kater -nicht ihren sinnlichen Lüsten frönten, verschnitt man gewöhnlich die -Klosterkatzen. Es ist dies dasselbe Bestreben, das nicht nur Frauen, -sondern überhaupt weibliche Tiere vom heiligen Berge Athos mit seinen -zahlreichen Mönchsklöstern aufs strengste fernzuhalten sucht.</p> - -<p>Noch im 10. Jahrhundert war die Katze in Mitteleuropa recht selten; so -mußte damals in Sachsen und Wales derjenige, der eine solche getötet -hatte, als Strafe so viel Getreide entrichten, daß das am Schwanze -aufgehängte und mit der Schnauze den Boden berührende Tier von diesem -vollständig bedeckt ward. Damals wird es wohl nur gelbe und braune -Katzen in Europa gegeben haben.</p> - -<p>Um 1620 fand dann der Italiener Pietro della Valle in Chorasan sehr -schöne langhaarige Katzen, von denen er ein Paar mit nach Europa -brachte. Es sind dies vielleicht die Vorläufer der <em class="gesperrt">Angorakatze</em>, -die besonders in Persien und Kleinasien gehalten wird, aber aus -Innerasien stammt. Die dichte und lange Behaarung, die blau, blaugrau, -schwarz, bunt oder einfarbig weiß ist, will der russische Forscher -Pallas der Kreuzung mit der ziemlich langhaarigen asiatischen -Steppenkatze (<span class="antiqua">Felis manul</span>) zuschreiben. Da die Wildkatzen sich -überall gelegentlich mit den einheimischen Hauskatzen paaren, ist dies -sehr wahrscheinlich; doch könnte schließlich auch die gewöhnliche -Hauskatze unter der Einwirkung des rauhen Gebirgsklimas Innerasiens -eine längere Behaarung erhalten und diese an ihre Nachkommen vererbt -haben.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel49" > - -<p class="captop">Tafel 49.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel49.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Altägyptische Hauskatzen mit Mäusen in einer Fabel des - satirischen Papyrus des Neuen Reichs<br /> - (18. bis 19. Dynastie, 1580–1205 v. Chr.).</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel49_gross.jpg" id="tafel49_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel50a" > - -<p class="captop">Tafel 50.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel50a.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><div class="capright">(<span class="antiqua">Copyright by M. - Koch, Berlin.</span>)</div> - Gepard oder Jagdleopard.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel50b" > - <img class="w100" src="images/tafel50b.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><div class="capright">(<span class="antiqua">Copyright by M. - Koch, Berlin.</span>)</div> - Frettchenfamilie vor einem Kaninchenbau.</div> -</div> - -<p>Die europäische <em class="gesperrt">gemeine Hauskatze</em> ist also ein mehr oder -weniger reiner Abkömmling der nubischen Falbkatze, die sich in ihrer -primitivsten Erscheinung in Ostafrika und in den Ländergebieten am -Roten Meer erhielt. Die dort angetroffene Hauskatze stimmt ganz -auffallend mit der wilden Falbkatze überein; sie ist nämlich fahlgelb -oder fahlgrau mit rötlichem Anflug, die Nasengegend rostrot mit -dunklerer Einfassung. Der Fuß ist bis zur Ferse unterseits schwarz<span class="pagenum"><a id="Seite_289"></a>[S. 289]</span> -behaart; auch zeigt der Pelz mehr oder weniger deutlich dunkle Flecke. -Die Bauchseite ist heller, der Körper schmächtig gebaut, der Schwanz -lang und wenig voll. Diese Katze steht der altägyptischen Hauskatze -sehr nahe, die stets gelblich, von hellgelb bis dunkelbraun wechselnd, -gefärbt war. Die Ohren mancher Exemplare erscheinen auffallend groß -und zugleich an der Spitze mit einem kleinen Haarbüschel versehen. -Dies beweist eine Kreuzung der ägyptischen Hauskatze mit dem -alsbald zu besprechenden <em class="gesperrt">Sumpfluchs</em> (<span class="antiqua">Felis chaus</span>). -Die betreffenden Bastarde unterscheiden sich von den Hauskatzen von -reiner Abstammung von der Falbkatze außerdem durch die gedrungene -und größere Gestalt, das dunkelgefleckte Fell und den langhaarigen -Schwanz. Dieses Kreuzungsprodukt wurde, wie verschiedene Bilder -beweisen, auch zur Vogeljagd abgerichtet. Doch scheint in ihnen das -Blut der Falbkatze überwogen zu haben. Die kräftige Gestalt auch -dieser Katzen zeugt davon, daß sie schon damals in Ägypten nicht in -engem Gewahrsam, sondern in voller Freiheit wie heute noch aufwuchsen. -In dieser altertümlichen Gestalt hat sich die Hauskatze in Europa -einzig auf der Insel Sardinien erhalten, wo sie jedoch verwildert ist -und als Rückschlagserscheinung kleine, schwarze Ohrpinsel zeigt. Die -europäischen Hauskatzen weisen schon weitere Veränderungen auf und -variieren stark in der Körperfärbung. Es gibt unter ihnen wildfarbene, -graugestreifte, gefleckte, mausgraue, schwarze und weiße Spielarten. -Die sogenannte <em class="gesperrt">Zypernkatze</em>, die durch ihre schwarze Streifung -auf gelblichgrauem Grunde stark an unsere Wildkatze erinnert, muß -wie die andern wildfarbenen, gestreiften und gefleckten Hauskatzen -stark Blut der europäischen Wildkatze aufgenommen haben, die sich -besonders früher, da sie häufiger war, oft mit der Hauskatze zu -paaren Gelegenheit hatte. Weit seltener als die Zypernkatzen sind -die gelbgrauen Katzen ohne schwarze Zeichnung am Kopf, Rumpf und -Schwanz, nur mit zwei schwarzen Querbändern an den Vorderbeinen. -Ihnen schließen sich die gelbschwarzen Katzen an, die auf gelblichem -Grunde unregelmäßige, an den Rändern verwaschene, ziemlich kleine -schwarze Flecken ohne Beimischung von Weiß zeigen. Meist sind diese -weiblichen Geschlechts und die zugehörigen Männchen sandfarben. Doch -können auch Weibchen sandfarben sein, und Katzen, die auf sandfarbenem -oder gelbschwarzem Grunde weiß gescheckt sind, finden sich in -beiden Geschlechtern nicht selten. Ziemlich lang und weichhaarig -grau mit schwarzen Lippen und Fußsohlen sind die sogenannten -<em class="gesperrt">Karthäuserkatzen</em>. Weiße Katzen haben entweder gewöhnliche -Katzen- oder rein<span class="pagenum"><a id="Seite_290"></a>[S. 290]</span> blaue Augen. Dabei kann nun das eine Auge blau und -das andere von gewöhnlicher Färbung sein. Sind beide Augen blau, so ist -die weiße Katze meist taub. Schwarze Katzen haben meist gelbe Augen.</p> - -<p>Stummelschwänzig oder nahezu schwanzlos ist die <em class="gesperrt">Katze der Insel -Man</em> zwischen England und Island. Dazu hat sie einen großen Kopf -und unverhältnismäßig lange und starke Hinterbeine. Sie ist eine -unermüdliche Springerin und Kletterin und stellt den Vögeln viel -mehr nach als andere Hauskatzen. Die Färbung ist verschieden. Bei -der Kreuzung mit der gewöhnlichen Hauskatze sind die Nachkommen -teils kurzschwänzig, teils schwanzlos. Über die Entstehung dieser -eigentümlichen Rasse ist nichts Näheres bekannt geworden. Sie -wird wohl plötzlich durch Mutation hervorgegangen sein. Wie -unter den europäischen gibt es auch unter den asiatischen Katzen -stummelschwänzige, so besonders in China und Japan. In Siam, Birma -und auf der Halbinsel Malakka lebt die <em class="gesperrt">malaische Haus-</em> -oder <em class="gesperrt">Knotenschwanzkatze</em>, deren Schwanz nur die halbe Länge -gewöhnlicher Hauskatzenschwänze hat und oft infolge einer Mißbildung -der Knochen zu einem festen Knoten verdickt ist. Diese Anomalie ist -angeboren und wird vererbt.</p> - -<p>Die <em class="gesperrt">chinesische Hauskatze</em> besitzt ein seidenweiches, langes -Haar von lichtgelber bis weißer Farbe. Unter dem Einflusse der -Domestikation ist sie wie so viele andere Haustiere hängeohrig -geworden. Sie wird in China viel gezüchtet, um nach vorhergehender -Mästung geschlachtet und als beliebte Speise verzehrt zu werden. Sie -scheint stark Blut der asiatischen Wildkatze in sich aufgenommen zu -haben. Auch in Südwestindien, speziell in Kotschin, wird die Hauskatze -häufig gegessen, wie übrigens auch in Frankreich, wo deren Fleisch -regelrecht auf den Markt gelangt. Die schönste und edelste aller Katzen -aber ist die <em class="gesperrt">Siamkatze</em>, die außer in ihrer Heimat auch in China -und Japan als Luxustier gehalten wird, dort sehr hoch im Preise steht -und nur selten nach Europa gelangt. Die frischgeworfenen Jungen sind -blendendweiß mit roten Augen, also eigentliche Albinos, die aber später -durch Pigmentbildung sich verfärben. Der dichte, kurzhaarige Pelz wird -dann silbergrau bis schokoladebraun, mit schwärzlichem Gesicht, ebenso -werden die Füße, Schwanzspitze und Ohrspitzen schwarz. Die Augen sind -blau. Ihre Abstammung ist unbekannt. In reiner Rasse ist sie nur aus -dem Palaste des Königs von Siam zu bekommen, der allein das Vorrecht -besitzt, sie zu halten. Sie ist geistig hochbegabt und sehr zutraulich, -was schon auf ein sehr altes, inniges Zusammenleben mit dem<span class="pagenum"><a id="Seite_291"></a>[S. 291]</span> Menschen -hinweist. Die gewellten oder gefleckten Hauskatzen Indiens scheinen -Kreuzungsformen der Hauskatze mit der indischen Wüstenkatze zu sein.</p> - -<p>Überall, wo der Mensch unter der Mäuseplage zu leiden hatte, hat er die -Hauskatze kommen lassen, so der Konquistador Almagro, der nach Herrera -dem Italiener Montenegro, der die erste Katze nach Peru brachte, dafür -600 Pesos (= 2634 Mark) gab. Dort werden sie heute zur Unterhaltung -der verschiedenen Madonnen in die Kirche gelassen, indem die -betreffenden Besitzerinnen glauben, jene werden sich für eine solche -Liebenswürdigkeit erkenntlich erzeigen und ihnen ihre Wünsche eher -erfüllen. In Bolivia sind heute gemästete Katzen ein Lieblingsgericht -der vorwiegend indianischen Bevölkerung. Auch bei der ersten -Besiedelung des Goldlandes von Cuyabá am Paraguay um 1745 wurde für -die erste, zur Beseitigung der Mäuseplage kommen gelassene Hauskatze -nicht weniger als ein Pfund Gold bezahlt. Als Missionar Sagard bei -seiner Abreise 1626 dem Huronenhäuptling eine Katze schenkte, nahm -dieser sie mit großem Dank entgegen. Als in Neuseeland um 1855 die -Ratten verheerend auftraten, wurde 1857 eine ganze Schiffsladung Katzen -dahin eingeführt. Im 14. Jahrhundert soll Whittington, einer der ersten -Handelsfürsten Englands, den Grund seines großen Vermögens dadurch -gelegt haben, daß er seine Katze einem westafrikanischen Häuptling -abtrat, der derselben wegen der Mäuse stark bedurfte. Dort sind die -Katzen heute gemein; an der Goldküste wurden sie nach Bosmann auch -gegessen. Nach Nachtigal verehrten die Heiden des alten Negerlandes Dar -Fur eine weiße Katze, wie nach dem älteren Plinius in der Stadt Rhadata -eine goldene Katze angebetet wurde. Jedenfalls ist mit dem alten -Kulttier auch die Heiligkeit desselben gewandert. So treffen wir selbst -in den Vorstellungen unseres Volkes noch Spuren davon. So soll die -Katze, wenn sie ihre Pfoten vor dem Fenster säubert, Besuch ankündigen, -d. h. der in ihr wohnend gedachte, die Zukunft vorausschauende Geist -soll diesen erblicken und damit anmelden. Ferner wird der Glaube noch -häufig angetroffen, daß, wer die Hauskatze nicht gut füttert, einen -schlechten Hochzeitstag erlebt. Nach dem deutschen Volksmärchen steht -die schwarze Katze stets mit dem Bösen im Bunde; deshalb ist sie auch -die unzertrennliche Begleiterin der Hexe. Wohl durch diese Stellung -als Kulttier während vieler Generationen hat die Katze mit der Zeit -etwas Eigenwilliges und Aristokratisches angenommen. Wenn sie auch -nicht mehr so unzuverlässig ist wie die gezähmte Wildkatze, so ist sie<span class="pagenum"><a id="Seite_292"></a>[S. 292]</span> -doch nicht so gutmütig wie der Hund. Ohne gerade falsch zu sein, wie -man gern behauptet, läßt sie sich schon durch geringe Behelligung zum -Kratzen und Beißen verleiten. Im allgemeinen ist die Katze schon als -Einzeljäger viel selbständiger als der Hund und läßt sich vom Menschen -nicht alles bieten. Leicht entzieht sie sich ihm durch Flucht, kehrt -aber später gern wieder ins Haus und in ihr gewohntes Lager zurück.</p> - -<p>Neben der Katze hatten die Ägypter des Mittleren Reiches auch den -<em class="gesperrt">Sumpfluchs</em> (<span class="antiqua">Felis chaus</span>) gezähmt, der bisweilen den -vornehmen Jäger auf der Jagd im Sumpfe begleitete und die von ihm mit -dem bumerangartigen Wurfgeschoß getroffenen Vögel apportieren mußte. -Dieser wurde, wie bereits erwähnt, gelegentlich mit der Hauskatze -gekreuzt, doch lassen sich keine tiefergehenden Einwirkungen von ihm -auf die altägyptische Hauskatze nachweisen. Auch er galt dem Ägypter -als heiliges Tier und wurde in Beni Hassan mehrfach mumifiziert -vorgefunden.</p> - -<p>Zur Zeit des Neuen Reiches gab es am ägyptischen Hofe auch gezähmte -<em class="gesperrt">Löwen</em>, die den Herrscher umgaben und ihn sogar in die Schlacht -begleiteten. So ist an einer der Tempelwände von Karnak König Ramses -II. (1292–1225 v. Chr.) auf seinem Streitwagen mitten in der -Schlacht dargestellt, und um ihn kämpfte mit derselben Bravour wie -er sein „Leiblöwe“, von dem es im Bericht über jene Schlacht gegen -die Chethiter heißt: „Der große Löwe, der seinen Wagen begleitete, -kämpfte zugleich mit ihm; die Wut ließ alle seine Glieder erzittern -und wer sich ihm näherte, den schlug er zu Boden.“ An einem der Pylone -von Luksor sehen wir denselben Herrscher auf dem gleichen Feldzuge im -Lager ruhend. Vor seinem Zelt ruht an einer Kette der Löwe, von einem -mit einer Keule bewaffneten Hüter bewacht; denn so zahm er auch war, -so konnte man ihm doch im Lager nicht trauen. Mit demselben äußeren -Symbol seiner Herrschermacht, dem gezähmten Löwen, umgab sich auch -sein Nachfolger, Ramses III. (1198–1167 v. Chr.). Auf einem -Basrelief am Palast von Medinet Abu ist er auf seinem Streitwagen -fahrend dargestellt und vor ihm marschiert ein Löwe neben den beiden -Wagenpferden. Zur Jagd allerdings konnte der Löwe nicht verwendet -werden. Es ist zweifellos ein Irrtum, wenn Sir Gardner Wilkinson -nach einer Grabmalerei von Beni Hassan aus der Zeit des Mittleren -Reiches, der 12. Dynastie (nämlich 2000 bis 1788 v. Chr.), auf welcher -eine Löwin mitten unter andern Tieren einen Steinbock überfallen und -niedergeschlagen hat, während sich ein Jäger mit Pfeil und Bogen in -der Hand der Gruppe nähert, aus dieser<span class="pagenum"><a id="Seite_293"></a>[S. 293]</span> Zusammenstellung schließen -zu dürfen glaubt, es sei dies eine zur Jagd dressierte zahme Löwin. -Allerdings scheint im alten Indien dieses Bravourstück geleistet -worden zu sein; denn der griechische Schriftsteller Älian berichtet: -„In Indien gibt es gewaltig große Löwen, die entsetzlich grimmig sind -und eine schwarze Mähne besitzen. Jung aufgezogen können sie aber so -zahm werden, daß man sie zur Jagd auf Rehe, Hirsche, Wildschweine, -Stiere und wilde Esel benutzen kann.“ In diesem Falle scheint der Autor -wirklich Löwen und nicht, wie Lenormant glaubt, Geparde gemeint zu -haben.</p> - -<p>Auch später war am persischen und römischen Hofe zeitweise der gezähmte -Löwe als Begleiter des Monarchen anzutreffen. So schreibt Dio Cassius: -„Der römische Kaiser Antoninus Caracalla (212–217) hielt sich mehrere -zahme Löwen und hatte sie immer bei sich. Am liebsten hatte er den -einen, den er Acinaces nannte und oft vor allen Leuten küßte. Dieser -pflegte mit ihm zu speisen und sich auf seinem Ruhebette zu lagern. Ehe -der Kaiser ermordet wurde, wollte ihn der Löwe vor der Gefahr warnen -und hielt ihn, als er ausgehen wollte, am Kleide so fest, daß dieses -sogar zerriß, aber Antoninus achtete der Warnung nicht.“ Und Älius -Lampridius berichtet: „Der römische Kaiser Heliogabalus (218–222) hielt -sich zahme Löwen und Leoparden und hatte seinen Spaß mit ihnen. Die -Zähne und Krallen waren ihnen kurz und stumpf gemacht. Bisweilen, wenn -er ein Gastmahl gab, ließ er beim Nachtisch die Bestien eintreten und -neben den Gästen Platz nehmen und lachte sich über die Angst seiner -Freunde halb tot. Er fütterte auch seine Löwen und Leoparden oft mit -Papageien und Fasanen. — Er fand auch großes Vergnügen daran, seine -Gäste abends betrunken zu machen, brachte sie dann in einen Saal und -schloß sie ein; dann ließ er Löwen, Leoparden und Bären hinein, deren -Zähne und Krallen abgestumpft waren. Die meisten Gäste starben, wenn -sie aufwachten und die Ungeheuer sahen, vor Schreck. — Er ließ auch -Löwen vor seinen Wagen spannen und sagte, er sei die Göttin Cybele“, -die man sich mit einem Löwengespann fahrend vorstellte.</p> - -<p>Auch der <em class="gesperrt">Tiger</em> war schon im Altertume teilweise gezähmt. -So schreibt der griechische Geschichtschreiber Älian: „Unter den -Geschenken, welche die Inder ihrem Könige bringen, sind auch zahme -Tiger.“ Dann berichtet der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte: -„Pompejus der Große hat zu Rom den ersten zahmen Tiger in einem -Käfig gezeigt, Kaiser Claudius aber vier zu gleicher Zeit.“ Und der -römische Geschichtschreiber Lampridius bemerkt: „Kaiser Heliogabalus -spannte<span class="pagenum"><a id="Seite_294"></a>[S. 294]</span> Tiger vor den Wagen und sagte, er sei Bacchus.“ Der Tiger -war bekanntlich das Attribut des aus dem Morgenlande, und zwar dem -fernen Indien, über Kleinasien zu den Griechen gekommenen Gottes der -ausgelassenen Lebensfreude und Fruchtbarkeit des Bodens, nämlich -Bacchus. Er ließ sich der Sage nach auch im Abendlande von den Tigern -Indiens ziehen und behing sich mit dem Tigerfell, an dessen Stelle erst -später das Leopardenfell trat. Ähnlichen Zeitvertreib wie Heliogabalus -hatte sich übrigens schon Kaiser Vespasians Sohn Titus als Kronprinz -geleistet, bis er dann mit der Übernahme der Regierung löblicherweise -eine ernste Lebensführung begann. Sonst haben diese großen Katzenarten -nur als Prunkstücke für einzelne Vornehme oder Herrscher eine Rolle -gespielt, nie jedoch praktische Bedeutung für den Menschen erlangt.</p> - -<p>Anders ist dies mit dem <em class="gesperrt">Gepard</em> der Fall, welcher schon im hohen -Altertum im Morgenlande zum Jagdgehilfen des Menschen abgerichtet -wurde. So treffen wir ihn mehrfach an der Kette geführt als Begleiter -des vornehmen Jägers auf Wandgemälden des alten Ägypten; doch gelangte -er als gezähmter Genosse des Menschen nie zu den Griechen und Römern; -wenigstens ist uns nichts davon überliefert. Dagegen hat er im Orient -bis auf den heutigen Tag eine bedeutende Rolle als Jagdgehilfe des -Menschen gespielt, so daß er hier eine eingehende Besprechung verdient.</p> - -<p>Von Afrika aus, wo er sich in verschiedenen Unterarten fast über -den ganzen Erdteil ausdehnt, erstreckt sich das Verbreitungsgebiet -des Geparden über ganz Westasien bis Indien. Der am ganzen Körper -getüpfelte <em class="gesperrt">asiatische Gepard</em> oder <em class="gesperrt">Tschita</em> (<span class="antiqua">Cynailurus -guttatus</span>) ist schlanker und hochbeiniger als der mit weißem Bauch, -ohne Fleckenzeichnung daran versehene <em class="gesperrt">afrikanische Gepard</em> -oder <em class="gesperrt">Fahhad</em> der Araber (<span class="antiqua">C. guttatus</span>). Letzterer wird -auch gelegentlich für die Jagd dressiert und ist die gewöhnlich in -den Menagerien und Tiergärten angetroffene Art. Aber der eigentliche -„<em class="gesperrt">Jagdleopard</em>“ ist der asiatische Gepard, der gezähmt ein -wichtiges Zubehör des Hofstaates indischer Fürsten bildet. Dieses -Tier, von der Größe eines Leoparden, nur viel schlanker und höher -gestellt, ist in eigenartiger und weitgehender Weise dem Leben in der -Steppe angepaßt. Sein Körper trägt die charakteristische gelbbräunliche -Wüstenfärbung mit kleinen, runden, innen nicht helleren schwarzen -Flecken und ist durch die hohen Beine und den schlanken Leib zum -außerordentlich schnellen Verfolgen seiner Beutetiere befähigt. -Letztere bilden in Indien die <em class="gesperrt">Schwarz<span class="pagenum"><a id="Seite_295"></a>[S. 295]</span>bockantilopen</em> (<span class="antiqua">Antilope -cervicapra</span>), die viel in unsern zoologischen Gärten gehalten und -gezüchtet werden und meist unter dem Namen Hirschziegenantilopen -bekannt sind. In der Nachbarschaft der Ebenen, auf denen diese -Antilopen weiden, hält sich der Gepard auf niedrigen Felsenhügeln auf -und beschleicht von hier aus mit außerordentlichem Geschick gegen -den Wind und jede Unebenheit des Bodens, Gebüsch und dergleichen als -Deckung benutzend, seine Beute. Hat er sich ihr auf 150–200 Schritte -genähert, so schießt er in gewaltigen Sätzen unglaublich schnell auf -sie los und hat sie bald eingeholt. Mit gewaltigen Tatzenhieben schlägt -er die Antilope zu Boden und tötet sie durch einen Biß in die Kehle. -Gelingt es ihm nicht, das Wild nach 400–600 Schritten einzuholen, so -läßt er von der Jagd ab, da er diese außerordentliche Schnelligkeit, -die ihn beim Laufen auf kurze Strecken als schnellstes aller Säugetiere -erscheinen läßt, nicht längere Zeit entwickeln kann.</p> - -<p>Der Gepard jagt paar- oder familienweise. Seine Zähmung und Abrichtung -zur Jagd ist eine sehr einfache und wird von Angehörigen einer -besonderen Kaste vollzogen. Er wird in der Weise gefangen, daß rund um -einen besonderen Baum, um den sich diese Tiere zum Spiele zu versammeln -und an welchem sie ihre Krallen zu schärfen pflegen, Schlingen aus -getrockneten Antilopensehnen mit Pflöcken auf dem Boden befestigt -werden. Kommen die Tiere bei Sonnenuntergang zu dem betreffenden, an -seinen Kratzspuren erkennbaren Baum, so fangen sie sich leicht in -den geschickt angebrachten Schlingen. Die in der Nähe auf der Lauer -liegenden Inder eilen alsbald herbei, werfen eine Wolldecke über sie, -binden ihnen die Beine zusammen und fahren sie auf dem inzwischen -herangekommenen Ochsenfuhrwerk in das Dorf, wo die Frauen und Kinder -dazu beordert werden, den ganzen Tag über bei den frischgefangenen -Tieren zu verweilen und sich laut miteinander zu unterhalten, um die -Geparde dadurch an die menschliche Stimme zu gewöhnen. Haben sie sich -daran gewöhnt, so werden sie an einen Baum oder eine Hütte möglichst -nahe an einem belebten Ort angekettet, damit sie fortwährend Menschen -sehen und sich an ihren Anblick gewöhnen. Dann beginnt die verschiedene -Stufen durchlaufende Abrichtung der Geparde, die in etwa sechs Monaten -beendet ist. Dabei sind die Tiere so sanft und gelehrig wie Hunde -geworden, nehmen zutraulich die Liebkosungen des Menschen entgegen, -sind selbst Fremden gegenüber gutmütig, glätten beim Streicheln ihr -Fell an ihren Freunden, nach Art der Hauskatzen schnurrend. Gewöhnlich<span class="pagenum"><a id="Seite_296"></a>[S. 296]</span> -hält man die zahmen Jagdleoparden vor dem Haus mit einer Kette an der -Wand befestigt, auf einer Eingeborenenbettstelle, nicht aber in einem -Käfig.</p> - -<p>Nur erwachsen gefangene Geparde werden in Indien zur Jagd abgerichtet; -denn die indischen Schikaris oder Gepardjäger halten mit Recht dafür, -daß nur solche, die von ihren Eltern in der Wildnis das Jagen erlernt -haben, gute Jäger in der Gefangenschaft abgeben. Will man mit dem -gezähmten und abgerichteten Geparde jagen, so setzt man ihm eine ihn -am Sehen hindernde Kappe aus Leder auf, bindet eine Schnur an einen -um seinen Hals oder um seine Weichen gehenden Lederriemen, setzt ihn -auf ein Ochsenfuhrwerk und fährt mit ihm so nahe als möglich in die -Nachbarschaft von Antilopen, die sich vor gewöhnlichen Landwagen, -die sie täglich sehen, nicht fürchten und deshalb leicht eine starke -Annäherung eines solchen Gefährtes erlauben. So kann sich ein Karren -bis auf 200 Schritte einem Rudel Antilopen nähern. Alsbald nimmt -der Jäger dem Jagdleoparden die Kappe vom Kopf und läßt ihn los. Je -nach der Entfernung von den Antilopen eilt er dann entweder ohne -weiteres auf sie zu, oder er schleicht sich, indem er die Unebenheiten -des Bodens mit Vorteil benutzt, so weit an sie heran, daß er einen -erfolgreichen Überfall unternehmen kann. Ist ein Antilopenbock in -der Herde, so ergreift der Gepard gewöhnlich diesen, wahrscheinlich -aber nur deswegen, weil der Bock als Führer des Rudels am weitesten -zurückbleibt. Der Jagdleopard stürzt sich auf die Antilope und soll -sie dadurch, daß er mit einer Pranke von unten an ihre Beine schlägt, -zu Falle bringen, worauf er das gefallene Tier an der Kehle ergreift -und so lange festhält, bis der Jäger herangekommen ist. Darauf -durchschneidet dieser mit seinem Jagdmesser die Kehle der Antilope, -sammelt etwas von ihrem Blut in die mitgenommene Freßschüssel des -Jagdleoparden und gibt es diesem, der es eifrig aufleckt, zu trinken, -wobei er ihm in einem geeigneten Augenblick die Kappe wieder über den -Kopf zieht, um ihn alsbald wieder zur Jagd zu verwenden; denn ein -guter Jagdleopard soll manchmal nicht weniger als vier Böcke an einem -einzigen Morgen erbeuten.</p> - -<p>In ganz Indien ist der gezähmte Gepard ein geschätzter Jagdgehilfe des -Menschen. An den Höfen der indischen Fürsten wird er in großer Menge, -bis hundert Stück, gehalten, was allerdings ein sehr kostspieliges -Vergnügen bedeutet, da dessen Unterhalt und Wartung durch ein ganzes -Heer von Wärtern und Jägern, die ungefähr die<span class="pagenum"><a id="Seite_297"></a>[S. 297]</span> geachtete Stellung der -Falkner bei uns im Mittelalter bekleiden, große Summen verschlingt. -Der reichste von allen indischen Fürsten, der Großmogul von Delhi, -soll bis zu tausend Geparde auf seinen Jagdzügen mit sich geführt -haben. Der Schah von Persien läßt sie sich aus Arabien kommen und -hält sie in einem besonderen Hause. Im Jahre 1474 sah der Italiener -Guiseppe Barbaro beim Fürsten von Armenien etwa hundert Stück -Jagdleoparden. Früher kamen gelegentlich solche Jagdleoparden als -Geschenke orientalischer Fürsten auch an europäische Höfe. So erhielt -beispielsweise der deutsche Kaiser Leopold I. um 1680 vom -türkischen Sultan zwei abgerichtete Jagdleoparden, mit denen er oftmals -jagte. Da aber diese Tiere sehr der Wärme bedürfen, so sind sie bei uns -recht hinfällig und kurzlebig, dauern aber in ihrer heißen Heimat sehr -lange aus.</p> - -<p>Wie außerordentlich zahm und zutraulich der Gepard wird, das bezeugt -Brehm, der selbst einen solchen besaß und dreist wagen durfte, ihn -an einem Stricke durch die Straßen seiner Heimatstadt zu führen. -Solange er es nur mit Menschen zu tun hatte, ging er ihm stets ruhig -zur Seite; nur wenn er Hunden begegnete, zeigte er eine große Unruhe -und wäre gern gegen sie losgesprungen. Das war das einzige Tier, das -ihn in Aufregung brachte. In seinem Tierleben schreibt Brehm von ihm: -„Daß die Zähmung nicht schwierig sein kann, wird jedem klar, der einen -Gepard in der Gefangenschaft gesehen hat. Ich glaube nicht zuviel zu -sagen, wenn ich behaupte, daß es in der ganzen Katzenfamilie kein so -gemütliches Geschöpf gibt wie unseren Jagdleoparden, und bezweifle, -daß irgend eine Wildkatze so zahm wird wie er. Gemütlichkeit ist der -Grundzug des Wesens unseres Tieres. Dem angebundenen Gepard fällt -es gar nicht ein, den leichten Strick zu zerbeißen, an den man ihn -gefesselt hat. Er denkt nie daran, dem etwas zuleide zu tun, der sich -mit ihm beschäftigt, und man darf ohne Bedenken dreist zu ihm hingehen -und ihn streicheln und liebkosen. Scheinbar gleichmütig nimmt er solche -Liebkosungen an, und das höchste, was man erlangen kann, ist, daß er -etwas beschleunigter spinnt als gewöhnlich. Solange er nämlich wach -ist, schnurrt er ununterbrochen nach Katzenart, nur etwas tiefer und -lauter. Oft steht er stundenlang unbeweglich da, sieht träumerisch -starr nach einer Richtung und spinnt dabei höchst behaglich. In solchen -Augenblicken dürfen Hühner, Tauben, Sperlinge, Ziegen und Schafe an ihm -vorbeigehen, er würdigt sie kaum eines Blickes. Nur andere Raubtiere -stören seine<span class="pagenum"><a id="Seite_298"></a>[S. 298]</span> Träumerei und Gemütlichkeit. Ein vorüberschleichender -Hund regt ihn sichtlich auf: das Spinnen unterbleibt augenblicklich, -er äugt scharf nach dem gewöhnlich etwas verlegenen Hunde, spitzt -die Ohren und versucht wohl auch, einige kühne Sprünge zu machen, -um ihn zu erreichen.“ Soweit dies bekannt ist, hat er sich aber in -der Gefangenschaft noch nicht fortgepflanzt, ist also noch nicht zum -eigentlichen Haustier des Menschen geworden.</p> - -<p>Weiter sind von Raubtieren <em class="gesperrt">Wiesel</em> und <em class="gesperrt">Frettchen</em> bei -den Griechen und Römern gezähmt und zum Mäusevertilgen in ihren -Wohnungen gehalten worden, lange bevor die Katze aus Ägypten zu ihnen -gebracht wurde. Besonders letzteres, das Frettchen, war ein häufig -angetroffenes, sehr beliebtes Haustier. Es hieß bei den Griechen -<span class="antiqua">iktis</span> und bei den Römern <span class="antiqua">mustela</span>. Das <em class="gesperrt">Frett</em> -(<span class="antiqua">Mustela furo</span>) ist nichts anderes als der durch Gefangenschaft -und Zähmung kleiner und zugleich albinotisch gewordene Abkömmling -des Iltis. Es ist weiß bis semmelgelb, am Leibe 45 <span class="antiqua">cm</span> und am -Schwanze 13 <span class="antiqua">cm</span> lang. Nur wenige sehen dunkler und dann echt -iltisartig aus. Es ist weniger lebhaft als sein wilder Verwandter, -steht ihm aber an Blutgier und Raublust nicht nach. Sein Zähmungsherd -scheint in Nordafrika gewesen zu sein, und zwar wurde es dort nicht -nur gegen Mäuse, sondern besonders auch gegen Kaninchen losgelassen, -die es aus ihrem Bau heraustrieb. So schreibt Strabon: „In Turdetanien -(einer spanischen Landschaft) bedient man sich der Frettchen aus -Libyen, um die Kaninchen zu jagen. Man schickt sie mit einem Maulkorb -in die Löcher; so ziehen sie die Kaninchen entweder mit den Krallen -heraus oder jagen sie empor, so daß sie von den Leuten gefangen werden -können.“ Schon lange vorher schrieb Aristoteles, es gleiche an Gestalt, -weißer Farbe des Bauches und Bosheit den Wieseln (<span class="antiqua">galé</span>), könne -jedoch außerordentlich zahm gemacht werden. Es gehe gern über die -Bienenstöcke und nasche Honig, hasche aber auch gern Vögel, wie die -Katze. Aus Spanien kam dann das Frett zu uns, um bei der Kaninchenjagd -zu dienen. Dabei legt man ihm, damit es sich nicht am Blut seines -Opfers berausche, auch heute noch einen Maulkorb an; früher war -man so roh, ihm den Mund zusammenzunähen, damit es solches nicht -tue und dann im Kaninchenbau bleibe, so daß der Jäger lange warten -kann, bis es zum Bau herauskommt. In England benutzt man es viel als -Rattenjäger, doch muß es dazu besonders erzogen werden, indem man es -zuerst nur mit jungen Ratten kämpfen<span class="pagenum"><a id="Seite_299"></a>[S. 299]</span> läßt. Später wächst dann sein -Mut, so daß es schließlich in einer Stunde bis 50 Ratten in einem 2–3 -<span class="antiqua">qm</span> großen Raum zu töten vermag. Durch Kreuzung mit dem Iltis zum -Zwecke der Blutauffrischung entstehen die „wildfarbigen“ sogenannten -<em class="gesperrt">Iltisfrettchen</em>, welche etwas stärker sind als das eigentliche -Frettchen. Stets muß das Frettchen in Käfigen gehalten werden, da -es der Anhänglichkeit an Haus und Hof entbehrt, durch die sich die -eigentlichen Haustiere auszeichnen. Es wird jetzt namentlich zur Jagd -auf Kaninchen gezüchtet, ist sehr empfindlich gegen Kälte, aber gleich -vielen anderen Haustieren fruchtbarer als die Stammart, indem das -Weibchen 5–10 Junge wirft, und zwar zweimal im Jahr.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_300"></a>[S. 300]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XIV_Das_Huhn">XIV. Das Huhn.</h2> - -</div> - -<p>Zweifellos ist von allen Vögeln das Huhn von der weitaus größten -wirtschaftlichen Bedeutung für den Menschen geworden. Heute ist es -in zahlreichen Rassen über die ganze Welt verbreitet und findet sich -in dem elendesten Negerdörfchen Zentralafrikas ebensogut wie in den -entlegensten Eingeborenenniederlassungen Amerikas und Indonesiens. Das -war aber nicht von jeher so. Der vorgeschichtliche Europäer kannte -dieses Haustier so wenig als die alten Ägypter, Inder und Morgenländer -überhaupt. Nirgends treffen wir bei ihnen irgend welche Spuren von der -Anwesenheit dieses Vogels, der sich sonst sehr wohl bemerkbar gemacht -haben würde. Im Alten Testament wird er nirgends erwähnt; erst im Neuen -tritt er uns beispielsweise bei Petri Verleugnung des Herrn entgegen.</p> - -<p>Das Huhn ist jedenfalls schon im zweiten Jahrtausend v. Chr. irgendwo -in Südasien vermutlich von einem Malaienstamme durch Zähmung des -dort einheimischen <em class="gesperrt">Bankivahuhns</em> (<span class="antiqua">Gallus ferrugineus</span>) -als Haustier gewonnen worden. Von seinem ältesten Domestikationsherd -Südasien breitete es sich langsam nach allen Seiten hin aus und wurde -schon ums Jahr 1400 v. Chr. nach China eingeführt. Nach Westasien -gelangte es erst viel später. So hat es Layard zuerst auf einem -altbabylonischen Siegelzylinder aus dem 6. bis 7. Jahrhundert v. Chr. -abgebildet gefunden. Auf diesem steht ein Priester in Opferkleidung -vor einem größeren und einem kleineren Altar, auf welch letzterem sich -ein Hahn befindet. Auf einer ebenfalls aus derselben Zeit stammenden -babylonischen Gemme sehen wir eine geflügelte Gottheit in betender -Stellung vor einem Hahne auf einem Altar. Beide Male erscheint der -Hahn von Osten, und über beiden Abbildungen schwebt ein Halbmond, -wahrscheinlich als Zeichen der schwindenden Nacht. Im alten Ägypten ist -jedenfalls das Hühnchen, das die Hieroglyphe <span class="antiqua">u</span> dar<span class="pagenum"><a id="Seite_301"></a>[S. 301]</span>stellt, nicht -das Junge eines Haushuhns, sondern dasjenige eines Wildhuhns, und zwar -vermutlich eines Steinhuhns.</p> - -<p>Homer kannte das Huhn noch nicht, denn er erwähnt es nirgends in seinen -Epen. Zum erstenmal spricht von ihm der griechische Dichter Theognis in -der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. Aber erst um die Zeit -der Perserkriege finden wir bei den Dichtern Epicharmos, Simonides, -Äschylos und Pindar den Hahn unter dem stolzen Namen <span class="antiqua">aléktōr</span>, -d. h. Abwehrer, Kämpfer, als bekannten Genossen des Menschen. Die -griechischen Dichter vergleichen den Kampf der Hähne desselben Hofes -untereinander mit dem Streite der Menschen. In den Eumeniden des -Äschylos warnt Athene vor dem Bürgerkrieg, als dem zwecklosen Kampf -zwischen zwei Hähnen gleichend. Ebenso vergleicht Pindar in seinem 12. -olympischen Liede den ruhmlosen Sieg in der Vaterstadt mit demjenigen -des Hahnes auf dem Hofe.</p> - -<p>Bei den griechischen Komikern heißt der Hahn stets der „persische -Vogel“, weil er durch die Vermittlung der Perser nach Griechenland kam. -Seine hohe Wertschätzung bei den alten Persern erfuhren wir bereits bei -der Besprechung des Hundes. Dort wurde gesagt, daß der Hahn, wie der -Hund, der Feind der Dämonen und Zauberer sei. Er solle Wache halten -über die Welt, als sei kein Hund zum Beschützen der Herden und der -Häuser vorhanden. Wenn der Hund mit dem Hahn gegen den bösen Feind -kämpfen, so entkräften sie ihn, der sonst Menschen und Vieh plage. -Daher heiße es, durch ihn werden alle Feinde des Guten überwunden, -seine Stimme zerstöre das Böse. Wo sich nun ein Perser niederließ, -sorgte er so sicher für einen Hahn, als er die Frühgebete und -Reinigungen beim Sonnenaufgang, die ihm seine Religion gebot, vornahm. -Soweit also die Grenzen der persischen Herrschaft sich erstreckten, -ward auch der Hahn, als leicht übertragbares Fetischtier, das durch -seine Stimme die bösen Geister vertrieb, mitgenommen. So kam das Tier -auch nach Kleinasien und zu den Griechen an den Küsten des Ägäischen -Meeres, die ihn mehrmals auch auf ihren Münzen abbildeten. Seine -vormalige Heiligkeit erhielt sich auch bei ihnen insofern, als sie sich -zunächst scheuten, ihn oder die Eier des Huhnes zu essen. Bald aber -ward der Hahn ein Opfertier, das man besonders dem Heilgotte Asklepios -nach erlangter Genesung opferte. So befahl auch der Philosoph Sokrates, -bevor er den Schierlingsbecher trank, man solle dem Asklepios einen -Hahn opfern; er sei dann durch den Tod genesen. Auch zu mannigfaltigem -Zauberspuk benutzte man in Griechenland den Hahn. So schreibt -Pausanias:<span class="pagenum"><a id="Seite_302"></a>[S. 302]</span> „Wenn bei Mehtana im Gebiet von Trözen der Südwestwind -aus dem Saronischen Meerbusen auf die ausschlagenden Weinstöcke weht, -so vertrocknen diese leicht. Um diesem Übel vorzubeugen, packen zwei -Männer einen Hahn, der ganz weiße Flügel hat, reißen ihn entzwei -und jeder läuft mit seiner Hälfte um den Weinberg herum. Da, wo sie -dann zusammentreffen, vergraben sie die Stücke.“ Hier ist also schon -von partiellem Leucismus beim Hahne als einem Zeichen weitgehender -Beeinflussung durch Domestikation die Rede.</p> - -<p>Viel länger bewahrte das Huhn seinen sakralen Charakter bei den Römern, -die es durch Vermittlung der süditalischen Griechen kennen gelernt -hatten. Diese betrachteten es als einen Vogel, der von einem göttlichen -Geiste beseelt war, mit der Fähigkeit, die Zukunft vorauszuschauen. -So wandte man denn überall da, wo ein einzelner die Verantwortung -nicht zu tragen wünschte und ein „Augurium“, eine Weissagung aus dem -Fluge gewisser wilder Vögel nicht gerade zu haben war, die Sache aber -doch zur Entscheidung drängte, ein künstliches „Auspicium“ an, das -man <span class="antiqua">auspicium ex tripudiis</span> nannte. So stellte denn, so oft man -dessen bedurfte, der <span class="antiqua">pullarius</span> oder Hühnerwärter die Vögel durch -Vorstreuen von Futter auf die Probe. Fraßen sie gierig, so war das ein -günstiges Zeichen für die geplante Unternehmung. Unlust dagegen würde, -so müssen wir ergänzen, auf eine Beängstigung des weiter in die Zukunft -schauenden Geistes in den Fetischtieren schließen lassen.</p> - -<p>Zahllos sind die Beispiele, in welchen die Annahme oder Ablehnung -einer Schlacht von seiten der Römer auf das Verhalten der mitgeführten -heiligen Hühner abgestellt wurde. Dabei ist der Standpunkt, den die -verschiedenen römischen Schriftsteller dieser Tatsache gegenüber -einnehmen, ein sehr verschiedener. Die jüngeren, freier denkenden -sind erstaunt darüber, daß die wichtigsten Staatsgeschäfte, die -entscheidendsten Schlachten von Hühnern geleitet und entschieden, -die Weltbeherrscher von Hühnern beherrscht würden. Die älteren, -konservativer denkenden Naturen aber stoßen sich durchaus nicht daran, -sondern meinen, wie Cicero in seinem Werke <span class="antiqua">de divinatione</span> -schreibt: „Bei der Beobachtung der von den heiligen Hühnern ausgehenden -Prophezeiungen (<span class="antiqua">auspicium</span>) verfuhren unsere Vorfahren -gewissenhafter als wir. Der Hühnerprophet (<span class="antiqua">auspex</span>) wählte -zum Gehilfen einen Mann, der selbst ein vollkommener Vogelprophet -(<span class="antiqua">augur</span>) war und demnach genau wußte, was ‚heilige Stille‘ -bedeutet. In unserer Zeit kann jeder ohne weiteres bei der heiligen -Handlung als Gehilfe dienen.<span class="pagenum"><a id="Seite_303"></a>[S. 303]</span>“ Dann berichtet er ausführlich in Rede -und Gegenrede, wie bei der Handlung verfahren wird. Er meint, daß dabei -nicht mehr mit der Aufmerksamkeit wie früher vorgegangen werde und das -Fressen oder Nichtfressen der Hühner in die Hand des Hühnerwärters -(<span class="antiqua">pullarius</span>) gegeben sei. Er sagt nämlich: „Übrigens ist es nicht -zu leugnen, daß bei einer solchen Art zu prophezeien die Vögel doch -nicht so ohne weiteres als Diener und Propheten Jupiters betrachtet -werden sollten, da sie ja beim Fressen nicht nach dem Willen Jupiters, -sondern nach dem Willen des Hühnerwärters handeln, der sie vorher nach -Belieben in ihrem Käfige längere oder kürzere Zeit fasten läßt.“</p> - -<p>Wenn die heiligen Hühner (<span class="antiqua">pulli</span>) so gierig fraßen, daß das schon -im Schnabel befindliche Futter auf die Erde zurückfiel, so wurde das -als eine besonders gute Vorbedeutung aufgefaßt. Es hieß dies bei den -Römern <span class="antiqua">tripudium</span> und sollte nach Cicero von <span class="antiqua">terripudium</span> -= <span class="antiqua">terripavium, quia terram pavit</span> abzuleiten sein. Dann schreibt -dieser Autor: „Im zweiten punischen Kriege (218–201 v. Chr.) hat der -römische Staat dadurch entsetzlichen Schaden gelitten, daß Gajus -Flaminius nicht auf Warnungszeichen achten wollte. Einstmals fütterte -der Priester, der die der Armee beigegebenen heiligen Hühner besorgte, -diese Tiere, um durch die Art und Weise, wie sie fräßen, die Zukunft zu -erforschen, und tat dann den Ausspruch, die Schlacht müsse verschoben -werden. Darauf fragte Flaminius (der Oberfeldherr), was dann geschehen -sollte, wenn die Tiere wieder nicht fressen wollten? Der Priester -antwortete: Dann müsse man eben wieder zuwarten. Hierauf antwortete -Flaminius: Das wäre doch eine schöne Geschichte, wenn ich nur dann auf -den Feind losgehen dürfte, wenn meine Hühner hungrig sind, aber mich -ruhig verhalten müßte, wenn meine Hühner satt sind.“</p> - -<p>Allerdings waren nicht alle Feldherren so nachgiebig, daß sie eine -ihnen günstig scheinende Schlacht vom Fressen oder Nichtfressen der -im Heere mitgeführten heiligen Hühner abhängig machen wollten. So -ging einer einmal radikal vor, hatte es aber schwer zu büßen, als die -gegen den Willen der heiligen Hühner unternommene Schlacht ungünstig -verlief. Es war dies Publius Claudius. Über jenen Fall schreibt -Valerius Maximus: „Als Publius Claudius im ersten punischen Kriege -eine Seeschlacht liefern wollte, verkündete ihm der Hühnerwärter, die -heiligen Hühner wollten nicht aus dem Käfig heraus und nicht fressen. -Da gab Claudius den Befehl, sie ins Meer zu werfen und sagte: Wollen -sie nicht fressen, so sollen sie saufen! Er verlor<span class="pagenum"><a id="Seite_304"></a>[S. 304]</span> aber die Schlacht -und ward vom Volke verurteilt.“ Derselbe Autor berichtet in einem -anderen Falle: „Als der Konsul Gajus Hostilius Mancinus im Begriffe -war, nach Spanien abzugehen und in Lavinium opfern wollte, huschten die -heiligen Hühner aus ihrem Käfig in den Wald und verschwanden daselbst -spurlos. Infolgedessen verlor er dann eine Schlacht.“</p> - -<p>Der römische Geschichtschreiber Livius weiß allerlei solche -Hühnergeschichten vom Diktator Lucius Papirius Cursor zu erzählen. -Als er gegen die Samniten zog, machte ihn der Hühnerwärter darauf -aufmerksam, daß die Hühner kein Glück prophezeit hätten. Da eilte -er nach Rom, um die Hühner abermals zu befragen, befahl aber seinem -Reiteroberst (<span class="antiqua">magister equitum</span>) Quintus Fabius Maximus -Rullianus, während seiner Abwesenheit keine Schlacht zu liefern. -Dieser benutzte aber doch eine Gelegenheit, erfocht einen glänzenden -Sieg, geriet aber darüber mit dem Diktator in einen Streit, der fast -zu offenem Aufruhr Veranlassung gab. „Diese letztere dem römischen -Staate drohende Gefahr war also eigentlich von den Hühnern gemeint und -prophezeit worden,“ meint dazu Livius. Also sollten die Hühner in jedem -Falle recht behalten.</p> - -<p>An einer anderen Stelle schreibt dieser Autor: „Als später Papirius -den Samniten bei Luceria gegenüberstand, kamen Gesandte von Tarent, -wollten beiden Parteien befehlen, die Waffen niederzulegen, und drohten -auch noch gar, sie wollten derjenigen Partei, die ihrem Willen nicht -gehorche, entgegentreten. Wie nun die Gesandten den Papirius verlassen -hatten, rüstete sich dieser sogleich zur Schlacht, versäumte aber -auch nicht, seine Hühner zu befragen. Gerade wie er damit beschäftigt -war, kamen die Tarentiner zu ihm und Papirius verkündigte ihnen: Ihr -Tarentiner, die Hühner meines Hühnerwärters verkünden mir den Sieg, und -so werde ich mit Hilfe der Götter sofort den Feind angreifen! Er tat -das wirklich, siegte mit Leichtigkeit und machte große Beute.“</p> - -<p>„Ein anderes Mal stand Papirius den Samniten bei Aquilonia gegenüber. -Sie hatten ein gewaltiges Heer; aber Papirius begeisterte seine -Soldaten durch eine Rede so sehr, daß sie laut eine Schlacht forderten. -Papirius befahl nun in aller Stille seinem Hühnerwärter, die heiligen -Hühner zu befragen. Dieser tat es; doch die Hühner wollten nicht -fressen. Aber der Hühnerwärter war so begeistert für die zu schlagende -Schlacht, daß es ihm auf eine Lüge nicht ankam und er dem Konsul -meldete, die Hühner hätten Heil und Segen prophezeit. Voller Freude gab -nun Papirius das Zeichen zum Aufbruch.<span class="pagenum"><a id="Seite_305"></a>[S. 305]</span> Aber unterwegs begann unter -den Hühnerwärtern ein Zank über die Hühnerprophezeiung. Die Reiter -hörten den Disput mit an und meldeten die bedenkliche Sache dem Konsul. -Dieser tat den Ausspruch: Wenn ein Vogelprophet lügt, so trifft ihn -allein alles aus der Lüge entstehende Unglück. Mir und dem römischen -Volke ist nur Glück prophezeit worden, also munter vorwärts! Er befahl -nun, die Hühnerwärter in die erste Schlachtlinie zu stellen. Der erste -feindliche Speer streckte den lügnerischen Hühnerwärter nieder und -der Konsul rief mit lauter Stimme: Die Götter stehen uns bei, das -schuldige Haupt ist bestraft! Wie er dies sagte, krächzte ihm ein -Rabe laut entgegen. Er begrüßte dieses günstige Zeichen mit Freuden, -befahl den Trompetern, das Zeichen zum allgemeinen Angriff zu geben und -erfocht einen ruhmvollen Sieg. Er verdankte diesen teils der Klugheit, -mit der er das prophezeite Unglück auf das Haupt des Hühnerwärters -abwälzte, teils auch dem Umstande, daß er im entscheidenden Augenblick -dem Jupiter einen Becher Wein versprach, wenn die Feinde durch seine -Hilfe geschlagen würden.“ Diese Erklärung des Plinius kennzeichnet ihn -vollkommen in seinen Anschauungen. Er war ebensogut wie Livius ein Kind -seiner Zeit. Damals dachten eben alle Römer so wie er.</p> - -<p>Eine begeisterte Beschreibung des Hahnes liefert der ältere Plinius -in seiner Naturgeschichte in folgenden Worten: „Ruhmbegierig ist der -Vogel, der in der Nacht für uns wacht, der vor Anbruch des Morgens -den Menschen weckt und zur Arbeit ruft. Er kennt die Sterne und kräht -(<span class="antiqua">canet</span> = singt) am Tage jedesmal, wenn drei Stunden verflossen -sind. Mit der Sonne geht er schlafen und ruft gegen Morgen den Menschen -zu neuen Sorgen und Arbeiten wach. Ehe er kräht, schlägt er mit den -Flügeln. Er ist herrschsüchtig und ein jeder führt auf seinem Hofe -das Regiment. Sie kämpfen untereinander um die Herrschaft, als ob -sie wüßten, daß sie zu diesem Zwecke die Waffen an den Füßen trügen, -und hören nicht eher auf, als bis einer tot auf dem Platze liegt. -Der Sieger kräht gleich auf dem Schlachtfelde und verkündet dadurch -seine Heldentat. Der Besiegte verkriecht sich stillschweigend und -grämt sich über die verlorene Herrschaft. Der gemeinste Hahn schreitet -übermütig einher, trägt sein gekröntes Haupt hoch und stolz, schaut -oft gen Himmel, was kein anderer Vogel tut, und hebt auch seinen -sichelförmigen Schwanz empor. Er flößt daher dem mutigsten Tiere, dem -Löwen, Schrecken ein. Manche Hähne werden zu Krieg und Schlacht geboren -und bringen selbst ihrem Vaterlande Ruhm und Ehre, so die Hähne von -Rhodus und Tanagra. Nach diesen sind<span class="pagenum"><a id="Seite_306"></a>[S. 306]</span> die berühmtesten die von Melos -und Chalcis. Der Hahn ist der Ehre wert, die ihm selbst die römischen -Konsuln erweisen. Sein mehr oder weniger begieriges Fressen gibt die -wichtigsten Aufschlüsse über dem römischen Staate bevorstehendes Glück -oder Unglück. Täglich regiert er unsere Obrigkeiten oder verschließt -und öffnet ihnen ihr eigenes Haus. Er befiehlt den römischen Konsuln -vorzurücken oder stehen zu bleiben, befiehlt oder verbietet Schlachten; -er hat alle auf Erden erfochtenen Siege im voraus verkündet, beherrscht -die Beherrscher der Welt und ist, als Opfer dargebracht, ein herrliches -Mittel, die Gunst der Götter zu erhalten. Kräht er zu ungewohnter -Zeit oder des Abends, so deutet er auf wichtige Begebenheiten hin. -Als die Böotier jenen berühmten Sieg über die Lakedämonier erfochten, -hatten es die Hähne dadurch vorausverkündet, daß sie die ganze Nacht -krähten. Da der Hahn nicht kräht, wenn er besiegt ist, so war die -Deutung zweifelhaft.“ Plinius geht so weit, daß er dem Hühnervolke -sogar sonst rein menschliche Eigenschaften, wie den Besitz von Religion -und Sprache, beilegt. So sagt er: „Auch die Haushühner (<span class="antiqua">villares -gallinae</span>) haben ihre Religion: Sobald sie nämlich ein Ei gelegt -haben, schütteln sie sich und nehmen eine Zeremonie vor, indem sie um -das Ei ein Grashälmchen herumtragen.“ Es kommt nämlich öfter vor, daß -sich die Hühner nach dem Eierlegen schütteln, daß sie dann Hälmchen mit -dem Schnabel fassen und sie neben und hinter sich legen, ohne Zweifel, -weil sich dann die angeborene Neigung zum Nestbau regt. Plinius -betrachtet diese Eigenschaft poetisch als Zeremonie, wie sie damals bei -den Menschen gebräuchlich war und <span class="antiqua">purificare</span> und <span class="antiqua">lustrare</span> -genannt wurde. Was das Vermögen der Sprache anbetrifft, sagt er: „In -den Jahrbüchern ist aufgezeichnet, daß unter dem Konsulat des Marcus -Lepidus und Quintus Catulus ein Haushahn auf dem Landsitze des Galerius -gesprochen hat; dies ist aber auch, so viel mir bekannt, das einzige -Beispiel der Art.“</p> - -<p>Weiterhin sagt Plinius: „Zu religiösen Zwecken hält man Hähne und -Hühner mit gelben Füßen und gelbem Schnabel nicht für rein, zu geheimen -Opfern die schwarzen. Es gibt auch Zwerge unter den Hühnern, und zwar -fruchtbare, was bei andern Vögeln nicht der Fall ist.“ Natürlich war -man in der Kaiserzeit, zu der ja Plinius lebte, nicht mehr so von -der Heiligkeit dieses Vogels eingenommen, daß man sich, wie noch zur -älteren Zeit der Republik, scheute, sein Fleisch zu profanen Zwecken -zu essen; als Opferfleisch war es ja schon früher gegessen worden. -Damals kamen gemästete Hühner — richtige Pou<span class="pagenum"><a id="Seite_307"></a>[S. 307]</span>larden, nur daß zu jener -Zeit die Kastration derselben noch nicht geübt wurde — sehr häufig -auf den Tisch der reichen Römer. Aber sehr alt kann diese Sitte zu -jener Zeit noch nicht gewesen sein. Plinius schreibt nämlich in seiner -Naturgeschichte folgendes darüber: „Die Bewohner der Insel Delos haben -sich zuerst mit Mästung der Hühner beschäftigt und seitdem sind die -Menschen so albern, daß sie Vögel schnabulieren wollen, die in ihrem -eigenen Fett gebraten wurden. In den alten Gesetzen über Schmausereien -finde ich ein elf Jahre vor dem Beginn des dritten punischen Krieges -(also im Jahre 160 v. Chr.) vom Konsul Gajus Fannius gegebenes, daß bei -einem Gastmahl kein Vogel außer einer einzigen Henne aufgetragen und -diese nicht gemästet sein dürfe. Diese Bestimmung ist später in allen -Gesetzen wiederholt worden, aber man hat sie recht listig zu umgehen -gewußt, indem man statt der Hühner Hähne mit Speisen mästete, die mit -Milch getränkt waren, worauf sie weit besser schmecken. Man darf zur -Mast nicht alle Hühner nehmen, sondern nur die, deren Halshaut fett -ist.“</p> - -<p>Mancherlei weiß Plinius von den Hühnereiern zu berichten. Er sagt, -daß, wenn Hühner keinen Hahn haben, die Eier unfruchtbar, kleiner, -von schlechterem Geschmack und flüssiger als die guten (befruchteten) -seien. Man nenne sie Windeier, weil manche Leute glauben, sie seien -vom Winde (Zephyr) erzeugt. Manche Hühner legen lauter Eier mit -doppeltem Dotter „und brüten aus solchen auch manchmal Zwillinge aus, -wie Cornelius Celsus schreibt. Andere aber behaupten, es kröchen nie -Zwillinge aus. Es ist am besten, die zum Brüten bestimmten Eier nicht -über 10 Tage alt werden zu lassen, alte oder gar zu frische sind -unfruchtbar. Man muß eine ungleiche Zahl unterlegen. Wenn man sie am -vierten Tage nach Beginn des Brütens mit den Fingern (an einem dunklen -Orte) gegen das Licht hält und sie rein und durchsichtig sind, so sind -sie unfruchtbar und müssen durch andere ersetzt werden. Man kann sie -auch im Wasser probieren, denn die leeren schwimmen dann, und man muß -die vollen, welche sinken, zum Brüten unterlegen. Schütteln darf man -die Eier nicht, denn es kann sich darin kein Junges mehr erzeugen, -wenn die Lebensgefäße untereinander geworfen sind. Wenn es während -des Brütens donnert, so gehen die Eier zugrunde; dasselbe geschieht -auch, wenn ein Falke in der Nähe schreit. — Selbst Menschen können -Eier ausbrüten. Als Julia Augusta (die Tochter des Kaisers Augustus) -mit Kaiser Tiberius Nero vermählt worden war und wünschte, ihr erstes -Kind möchte ein Sohn sein, so brütete sie an ihrem Busen ein Ei aus. -Mußte sie es<span class="pagenum"><a id="Seite_308"></a>[S. 308]</span> einmal weglegen, so gab sie es ihrer Amme, damit es -nicht erkalten könne. Sie glaubte von dem auskriechenden Küchlein -eine Vorbedeutung entnehmen zu können, ob ihr Kind ein Sohn oder -eine Tochter sein werde. Es soll auch richtig eingetroffen sein. Von -daher kommt vielleicht die neulich gemachte Erfindung, daß man Eier -an einem warmen Orte auf Spreu legt, durch Feuer mäßig erwärmt und -zuweilen wendet, wobei die Küchlein am bestimmten Tage auskriechen. -(Also kannten die Römer der Kaiserzeit bereits einen Brutapparat für -Hausgeflügel.) — Ein sonderbares Schauspiel hat man, wenn eine Henne -Enteneier ausgebrütet hat. Erst bewundert sie die Kleinen und will sie -nicht recht anerkennen, bald aber ruft sie dieselben sorgsam zusammen -und, wenn sie sich nun, von einem innern Triebe geleitet, ins Wasser -stürzen, so läuft sie jammernd am Ufer herum.“</p> - -<p>Bei der kampfesfrohen, streitsüchtigen Natur der Hähne ist es kein -Wunder, daß schon sehr frühe auch bei den Griechen <em class="gesperrt">Hahnenkämpfe</em> -als öffentliche Volksbelustigungen aufkamen. So schreibt Plinius: „Zu -Pergamum (in Kleinasien) werden jährlich öffentliche Hahnenkämpfe -abgehalten.“ Daß er solches in seiner Naturgeschichte erwähnt, beweist, -daß diese Sitte um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. bei den -Römern noch nicht üblich war. Was für Gründe etwa zur Einrichtung von -Hahnenkämpfen bei den Griechen maßgebend waren, darüber schreibt der -griechische Geschichtschreiber Älian: „Als die Athener die Perser -besiegt hatten, bestimmten sie einen Tag, an welchem im Schauspielhause -öffentliche Hahnenkämpfe abgehalten werden sollten. Die Veranlassung -dazu war folgende: Als Themistokles mit dem Heere auszog, sah er in der -Nähe des Zuges zwei Hähne, die miteinander kämpften. Er ließ sogleich -das Heer Halt machen und redete es so an: „Diese Hähne kämpfen nicht -für ihr Vaterland, nicht für ihre Götter, für die Gräber ihrer Väter, -nicht für Ruhm, für Freiheit, für ihre Kinder, sondern jeder von ihnen -kämpft nur, um zu siegen.“ Diese Rede begeisterte die Soldaten, sie -fochten mit kühnem Mute und der Feldherr wünschte, durch die Abhaltung -jährlicher Hahnenkämpfe das Andenken an den Sieg zu erhalten und den -Keim für neue Siege zu legen.“</p> - -<p>Nach Varro waren die Hähne von Tanagra, Medien und Chalcis zum Kampfe -besonders brauchbar. Er nennt sie sehr schön, aber die betreffenden -Hühner weniger fruchtbar als die italienischen. Letztere hatte man gern -so gefärbt, daß Schwanz und Flügel schwarz, das übrige Gefieder aber -bräunlich war. „Will man auf einem Landhause<span class="pagenum"><a id="Seite_309"></a>[S. 309]</span> 200 Stück Haushühner -halten, so gibt man ihnen einen besonderen Stall, zäunt den Platz -davor, auf dem auch Sand zum Bade liegen muß, ein und hält ihnen einen -eigenen Wärter. Will man die Eier für die Küche aufbewahren, so reibt -man sie mit gepulvertem Salz oder legt sie drei Stunden in Salzwasser, -trocknet sie und bedeckt sie mit Kleie oder Spreu. Sollen Haushühner -gemästet werden, so sperrt man sie an einem lauen, dunkeln Orte ein -und nudelt sie mit Gerstenabkochung. So oft sie genudelt werden, wird -ihnen auch der Kopf, wenn es nötig ist, von Läusen gereinigt. In 25 -Tagen müssen sie fett sein. Manche machen sie auch in 20 Tagen fett und -erzeugen ein zartes Fleisch, indem sie sie mit Weizenbrot füttern, das -in einer Mischung von Wasser und Wein aufgeweicht wurde.“</p> - -<p>In seinem Buche über den Landbau gibt Columella ausführliche Anleitung -über die Anlage des Hühnerhofes, die Pflege der Hühner, das Brüten -und die Aufzucht der Küchlein. Diese entspricht in ihren Grundzügen -vollständig den heutigen; nur daß dabei noch allerlei heute aufgegebene -sympathische Mittel angewandt wurden, um sie vor Erkrankung und aller -sonstiger Gefährdung zu beschützen. Er rät, den Hühnerstall neben der -Küche oder neben dem Backofen anzubringen, so daß der Rauch in ihn -hineindringen könne; denn dieser sei den Hühnern sehr gedeihlich. Er -hält die dunkeln Hühner für empfehlenswerter als die hellen. „Die -weißen Haushühner sind meist weichlich, weniger lebhaft, auch meist -nicht sonderlich fruchtbar im Legen. Sie werden auch, weil sie aus -großer Ferne in die Augen fallen, leicht von Raubvögeln erbeutet. -Die Zwerghühner sind nur für den Liebhaber, der sie wegen ihrer -geringen Größe schätzt. Übrigens bringen sie nicht den Gewinn, wie -die gemeinen großen Haushühner; auch sind die Zwerghähne entsetzlich -zänkisch gegen die großen Hähne, so daß man sich oft genötigt sieht, -ihnen einen ledernen Gurt um den Leib zu legen, durch den die Füße -gesteckt und die Kampfgelüste gemindert werden.“ Nach den um 200 n. -Chr. lebenden Athenäus waren Zwerghühner besonders in Athen beliebt. -Pausanias sagt, daß in Tanagra zwei Arten von Hühnern gehalten werden: -1. kampfesstarke, 2. die Amselhühner, so genannt, weil sie (wie die -Amseln) rabenschwarz sind und auf der Schnabelspitze kleine, weiße -Flecken haben. Kamm und Kammlappen seien bei ihnen rot wie Anemonen. Er -meint damit die in Griechenland heimische <span class="antiqua">Anemone pavonina</span> mit -scharlachroten Blüten.</p> - -<p>Die schönen Rassen des asiatischen Haushuhns bezogen die Römer von -den Griechen; so waren besonders die Hühner von Delos, Rhodos<span class="pagenum"><a id="Seite_310"></a>[S. 310]</span> und -Melos durch ihre Größe und fleißiges Eierlegen berühmt und gesucht. -Mit den römischen Kolonisten kamen diese auch in die Gebiete nördlich -der Alpen. So fanden sich Reste von Haushühnern mehrfach im Wegwurf -der helvetisch-römischen Kolonie Vindonissa und anderwärts. Aus dem -römischen <span class="antiqua">pullus</span> Huhn wurde das französische <span class="antiqua">poule</span>. Doch -hatten die Kelten und Germanen schon vor der römischen Invasion das -Haushuhn besessen und eine besondere Bezeichnung dafür, ganz unabhängig -von der römischen. Der Hahn hieß gotisch <span class="antiqua">hana</span>, althochdeutsch -<span class="antiqua">hano</span>, angelsächsisch <span class="antiqua">hona</span>, das Huhn gotisch <span class="antiqua">hôn</span>. -Das deutsche <span class="antiqua">hana</span> ging dann bei den benachbarten Finnen in -<span class="antiqua">kana</span> über. Alles deutet darauf hin, daß das Huhn als Haustier -selbständig von Südosten nach Mittel- und Nordeuropa gelangte, soweit -es ihm nicht zu kalt war. Und auch hier drang es überall als etwas -Fetischhaftes, Heiliges, das zwar nicht selbst, höchstens dessen Eier -gegessen werden durften, ein. So sagt Julius Cäsar, der um die Mitte -des letzten vorchristlichen Jahrhunderts an der Südküste Englands -landete, von den dortigen keltischen Einwohnern, sie hätten zwar das -Haushuhn, aber sie fänden es eine Sünde (<span class="antiqua">nefas</span>), das Tier zu -essen, ebenso die Gans und den Hasen. Noch im Mittelalter, als das Huhn -längst zum Speise- und Provianttier degradiert war, wohnte dem Hahn -im Glauben der Leute noch eine große Zauberkraft inne. So sagt der -mittelalterliche Bischof Burchard von Worms, man solle nachts nicht -vor dem Hahnenrufe das Haus verlassen, weil die unreinen Geister vor -diesem Rufe mehr Macht zu schaden hätten als nachher und weil der Hahn -mit seinem Schrei jene besser zu vertreiben und zu bändigen vermöge -als selbst das Kreuzeszeichen. Es ist dies die Weiterleitung desselben -Fetischgedankens, den wir schon bei den alten Persern antrafen und der -uns in der griechischen Benennung des <span class="antiqua">aléktõr</span>, d. h. Abwehrer, -Kämpfer, entgegentrat. Noch in Shakespeares Hamlet sagt Horatio: „Ich -habe gehört, daß der Hahn, der die Trompete des Morgens ist, mit heller -Stimme den Gott des Tages weckt und daß bei seinem warnenden Ruf alle -die Geister, die in Wasser und Feuer, in Luft oder Erde schweifen und -irren, jeder an seinen Ort zurückschlüpfen.“</p> - -<p>Auch die slavischen Pommern verehrten den Hahn und fielen anbetend -vor ihm nieder; bei den Litauern wurde bei der Beziehung eines neuen -Hauses Hahn und Henne zuerst ins Haus gelassen. Diese Exemplare -galten dann als unantastbar, wurden gehegt und niemals geschlachtet -und gegessen. In diesem Falle sehen wir, wie sich mit der Zeit das -praktische Moment mit dem religiösen abfand. Als man sich<span class="pagenum"><a id="Seite_311"></a>[S. 311]</span> erlaubte, -das Huhn zu essen, haftete die Beschränkung des Nichtessendürfens nur -noch an einzelnen auserlesenen Individuen. Bei den verschiedensten -Völkern begegnet uns noch später in gewissen, am Althergebrachten -hängenden Kreisen solche Enthaltung vom Genusse von Hühnerfleisch. Wie -im altindischen Gesetzbuch war auch den Teilnehmern an den Mysterien -in Eleusis das Essen von Hühnerfleisch verboten, weil diese Tiere den -Erdgottheiten, der Persephone und Demeter, geweiht waren. Bei den -Römern wurde der Vogel der Lichtgottheit, der dessen Kommen verkündet, -bei Nacht der Nachtgöttin geopfert. Im Mittelalter begegnen uns bei -den verschiedensten Völkern Hahnenopfer. Bei den Wenden in der Altmark -war es noch in christlicher Zeit Sitte, einen Hahn auf ihr Malzeichen -zu setzen, wie A. Kuhn uns in den märkischen Sagen berichtet. -Gleicherweise haben es die Deutschen aus der Heidenzeit übernommen, -das Bild des Hahnes über dem Kreuze auf Dächern und Kirchtürmen -anzubringen. Jenes ist älter als dieses; beider Zweck aber ist, die -bösen Geister, die ja auch das Christentum nicht leugnet, sondern nur -in ihrem Ursprunge anders erklärt, aus dem Kreise der menschlichen -Ansiedelungen fernzuhalten.</p> - -<p>Im Mittelalter, als die Scheu vor dem Essen dieses altheiligen Tieres -gewichen war, war die Hühnerzucht durch ganz Mitteleuropa ein sehr -wichtiger Kulturfaktor, dem besonders die Klöster Vorschub leisteten. -So war es vornehmlich ein fürsorglicher Bischof namens Martinus, -der im Eierlegen leistungsfähige Hühnerrassen aus Italien nach -Deutschland und Frankreich sandte, wo sie in den Klöstern Verbreitung -fanden und von da an deren Hörige und Zinsbauern abgegeben wurden. -Wie wir aus den mittelalterlichen Zinsregistern der Gutsherrschaften -entnehmen können, bildeten Hühner und Eier für die Herrschaften das -Haupterträgnis ganzer Güter und oft den einzigen Wirtschaftsbestand der -ärmeren Klasse, lebende Hühner in großen Käfigen aus Holz zugleich den -beliebtesten Proviant für Heereszüge und größere Menschenansammlungen. -Schon der vorsorgliche Kaiser Karl der Große hatte befohlen, daß auf -seinen größeren Gütern 100 Hühner und 30 Gänse, auf seinen kleineren -wenigstens 50 Hühner und 12 Gänse gehalten und im Herbst, soweit sie -geschlachtet wurden, gemästet werden sollten. Auch späterhin traf man -sie überall auf den Bauernhöfen, wo sie frei herumliefen und sie sich -vom Abfall der Körner, Samen aller Art und kleinem Gewürm und Insekten -ernährten. Als einst Bischof Meinward von Hildesheim auf einen solchen -Hof kam, wo er keine Hühner bemerkte, tadelte er die Wirtin darob. Als -sie sich mit<span class="pagenum"><a id="Seite_312"></a>[S. 312]</span> Futtermangel entschuldigte, gab er ihr den Rat, sie solle -sie ihr Futter selbst suchen lassen. Das befolgte sie nun und hatte -beim nächsten Besuche des Bischofs eine ordentliche Hühnerschar, so daß -er sie belobte und beschenkte.</p> - -<p>Bis auf den heutigen Tag spielt das Huhn überall in der Kleinwirtschaft -eine wichtige Rolle, besonders in den Ländern, in denen sich die -Bodenwirtschaft dem Gartenbau nähert, während es dort, wo die -Landwirtschaft überwiegend Großbetrieb ist, weniger geschätzt wird. -Letzteres ist beispielsweise in England der Fall, das seinen hohen -Eierbedarf vom Kontinente her deckt. Auch Deutschland kann seinen -eigenen Bedarf nicht selbst decken. Von der Hühnerzucht in Deutschland -meint Eduard Hahn: „Schlimm steht es mit der deutschen Zucht; trotzdem -in letzter Zeit viel geredet und geschrieben worden ist, will das -echte deutsche Huhn, das allen Anforderungen entsprechen soll, immer -noch nicht erscheinen. Unsere Hühnerologen, wie sie sich ernstlich -nach einem Schwankwort nennen, sind Liebhaber und züchten Spanier, -Franzosen, Italiener, Chinesen und andere, die für unser Klima nicht -passen, und die Hühner auf unsern Bauernhöfen sind ein kümmerliches -Gemengsel aus allen möglichen Rassen, die weder in Eiern noch Fleisch -leisten, was man von ihnen verlangen kann, freilich auch nur geringe -Pflege verlangen und erhalten. Ausnahmen sind bei uns selten; so will -ich die Hamburger Hühner nennen, die in den Gartendistrikten des „alten -Landes“ gezogen werden, sonst aber muß Frankreich und in neuerer Zeit -vielfach Italien unsern Bedarf an feinerem Geflügel decken helfen. Die -Eier aber, die unsere Großstädte bei der gesteigerten Lebenshaltung -immer mehr brauchen, kommen aus Galizien und Russisch-Polen zu uns. -Auch hier ist das Huhn kein Beweis eines extensiven Betriebes, sondern -das Produkt einer nachlässigen extensiven Wirtschaft, die zu Gelde -machen muß, was sich zu Gelde machen läßt. Daß auch diese Zucht im -Rückgang ist, beweisen die Eier, die rapide kleiner werden.“</p> - -<p>Welch große volkswirtschaftliche Bedeutung die Hühnereier als -Nahrungsmittel erlangt haben, ergibt eine von Professor Sonndorfer -von der Wiener Handelsakademie aufgestellte Statistik, wonach England -im letzten Jahre 2265 Millionen Stück im Werte von 180 Millionen -Franken einführte. In demselben Zeitraum importierten: Deutschland -2454 Millionen Stück im Werte von 185 Millionen Franken, Frankreich -205 Millionen Stück im Werte von 15 Millionen Franken und die Schweiz -188 Millionen Stück im Werte von 14<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span><span class="pagenum"><a id="Seite_313"></a>[S. 313]</span> Millionen Franken. Frankreich -produziert seinen Bedarf größtenteils selbst, während Deutschland, -England und die Schweiz hauptsächlich auf den Import angewiesen sind. -Die Hauptmenge Eier erzeugen die Agrarstaaten. So exportierte im -Jahre 1907 Rußland 2833 Millionen Stück im Werte von 148 Millionen -Franken, Österreich-Ungarn 966 Millionen, Dänemark 294 Millionen, die -Balkanstaaten 580 Millionen und Italien 511 Millionen Stück.</p> - -<p>Nach Südamerika kam das Huhn schon 1493 bei der zweiten Reise des -Kolumbus. Die Indianer müssen dies leicht zu haltende Haustier -gern aufgenommen und rasch verbreitet haben; denn schon 1530 fand -es Federmann am Oberlauf des Amazonenstroms. Auch nach Mittel- und -Nordamerika kam das Huhn mit den verschiedenen europäischen Kolonisten. -Nach Garcilasso wollte es sich nur in dem hochgelegenen Cuzko nicht -fortpflanzen. Vom Niltal aus verbreitete sich das Huhn über ganz -Afrika, wo es überall von den Negern gern aufgenommen wurde. Teilweise -kam es als Proviant der indischen Segelschiffe direkt aus Indien nach -Ostafrika und verbreitete sich von der Küste nach dem Innern. In Indien -und Hinterindien bis nach China und den Philippinen ist das Tier als -Sportobjekt sehr geschätzt. Hier stehen überall die Kampfhähne hoch -im Preise und dienen, wie im Mittelalter in Europa, zu den beliebten -Volksbelustigungen, deren Reiz noch durch Wetten erhöht zu werden -pflegt. Weitaus am grausamsten sind diese Hahnenkämpfe bei den Malaien -Indonesiens, besonders der Philippinen, indem den kämpfenden Hähnen -scharf geschliffene Stahlklingen an den Sporn gebunden werden, mit -denen der Gegner erstochen wird. Oft erliegen beide Gegner dieser -fürchterlichen Waffe.</p> - -<p>Eduard Hahn nimmt an, daß der Hahn zunächst nicht aus Nutzungs-, -sondern aus Sportgründen, dann auch als eine Art Weckeruhr vom Menschen -gezähmt wurde. „In die Gefangenschaft übergeführte Hühner pflanzten -sich nicht fort, legten keine Eier und waren also völlig nutzlos. Aus -diesem Grunde sind sie also nicht gehalten worden und ihre anfängliche -Gefangenschaft und spätere Zucht ist sicher nicht deshalb erfolgt. Die -Eier, das wesentliche Produkt unseres heutigen Huhnes, erreichten erst -im weiteren Verlauf der Zucht eine so große Zahl, daß sie dem Menschen -zugute kamen; für den Beginn der Zucht müssen wir nach einem andern -Grunde suchen. Da ist es nun natürlich schlimm, wenn nicht <em class="gesperrt">ein</em> -Grund, sondern gleich zwei, und zwar sehr abweichende Gründe, zu Gebote -stehen, wie das beim Huhn der Fall<span class="pagenum"><a id="Seite_314"></a>[S. 314]</span> ist. Beide schließen sich nicht -aus, immerhin decken sie sich keineswegs, und, was besonders schlimm -ist, das Ursprungsgebiet beider Hypothesen deckt sich mit dem Urgebiet -des wilden Huhnes und beide sondern sich doch geographisch. Wie sollen -wir uns entscheiden? Wurde unser Huhn auf indobaktrischem Boden als -Uhr ein Haustier (nach F. Spiegel, Eranische Altertumskunde wurde der -Hahn von Tahmuhrath dazu eingeführt) oder auf malaiischem Boden zum -Kampfhuhn erzogen? Eine dieser beiden seltsamen Verwendungsweisen ist -für mich der Ursprung der Zucht des Huhnes, vielleicht ist aber das -Kampfhuhn bei den Malaien das ältere und ursprünglichere gewesen, weil -die Verbindungen zwischen den einzelnen polynesischen Inseln doch nach -allem, was wir wissen, keine sehr häufigen waren.“ Uns will letzteres -auch bedünken. So möchten wir unbedingt annehmen, daß der Kampfhahn die -ältere Zucht ist, und daß der Hahn als Wecker erst später, und zwar -besonders bei den Iraniern Bedeutung gewann. Über letztere Tatsache -sagt Hahn: „Ebenso fremdartig (wie der Kampfhahn) berührt uns moderne -Menschen der Hahn als Uhr; wir können uns eigentlich kaum vorstellen, -wie es Menschen geben kann, die nie wissen, was die Glocke geschlagen -hat; freilich müssen wir neidisch bekennen, daß dem Glücklichen -keine Stunde schlägt. Trotzdem gab es natürlich auch auf niedrigen -Kulturstufen bereits Lebenslagen, in denen Zeitbestimmungen nötig -waren. Am Tage reicht die Sonne aus, aber wie soll z. B. eine Karawane, -die möglichst die kühlen Stunden des jungen Tages genießen will, -erfahren, wann man mit dem langwierigen Packen der Kamele beginnen muß? -Da trat nun aufs glücklichste eine Eigenschaft des Hahnes ein. Es ist -seltsam genug, daß der Hahn um Mitternacht kräht; die Dämmerung morgens -und abends begrüßen ja eine ganze Reihe Tiere mit ihren Tönen, aber -gerade die Mitternacht wohl nur der Hahn. Es ist selbstverständlich, -daß eine so auffallende und nützliche Eigenschaft dem Hahn eine feste -mythologische Stellung von hohem Rang verschaffte; sein Abbild steht -bekanntlich noch heutzutage auf der Spitze unserer Kirchtürme. Wie -es scheint, wurde auf persisch-baktrischem Boden diese Eigenschaft -entdeckt und so der Hahn und späterhin das Huhn gezähmt. Auf die Diener -Ahuramazdas mußte ja das Betragen des Vogels einen tiefen Eindruck -machen. War er doch gewissermaßen der Herold des Lichts. Und wenn nun -gar erst ein weißer Hahn mit dem feuerfarbenen Kamm dieses Amt übte! -So wurde der weiße Hahn der Repräsentant der lichten Tagesgottheiten, -das schwarze Huhn geriet ebenso selbstverständlich in Beziehung zu den<span class="pagenum"><a id="Seite_315"></a>[S. 315]</span> -Gottheiten der Nacht. Bei der leichten Zucht und schnellen Vermehrung -wurde dann das Huhn sehr bald das gewöhnliche Opfertier des kleinen -Mannes; wo der Reiche Ochsen, Schafe und Schweine spendete, kam der -Arme, wie Sokrates, mit einem Hahn aus. — Die Verwendung des Hahns -als Ersatz der Uhr ist ungemein weit verbreitet und vielleicht noch -weiter, wie jetzt bekannt, wenn man darauf achtet. In Abessinien sind -Hähne die Kirchenuhr; als Uhren schätzen sie die Kaffern und ebenso -traf sie Bastian in Birma. Endlich nahmen sie die Spanier hauptsächlich -als Uhren nach Amerika und deshalb fiel es ihnen (wie Oviedo in seiner -<span class="antiqua">Historia de las Indias</span> berichtet) auf, daß sie nicht mehr so -pünktlich krähen wollten. — Im Altertum war man gewöhnt, sich nach der -Stimme des Hahnes zu richten, zumal die Römer wie die Griechen ihre -bürgerliche Tätigkeit sehr früh begannen, so daß das Haus schon vor -dem Beginne der Dämmerung rege war. Deshalb sagt Plinius vom Hahn, daß -ihn die Natur geschaffen habe, um die Sterblichen zur Arbeit zu rufen -und ihren Schlaf zu brechen. So gewann der Hahn für das bürgerliche -Leben damals eine große Bedeutung. Eine Redensart, die bei vielen -Dichtern und auch sonst wiederkehrt, erklärt uns das; man unterschied -die Tätigkeit des Friedens und des Krieges einfach so: im Frieden -beginnt der Tag mit dem ersten Hahnenschrei, im Kriege mit dem ersten -Trompetenstoß. Da es auch später im kirchlichen Dienst sehr nötig war, -eine gewisse Einteilung der Nacht zu haben, so mußte auch hier unser -Haushahn herhalten; zog eine noch so kleine Mönchskolonne aus, um -eine neue Niederlassung zu gründen, so nahm sie einen Hahn mit, wie -wir einen Regulator zur notwendigen Wohnungseinrichtung rechnen. Im -Orient hat der Hahn diese Stellung wahrscheinlich heute noch. Es wird -wenigstens erwähnt, daß große Karawanen gewöhnlich einen recht schönen -Hahn mit sich führen, dessen Krähen den Aufbruch der Reisenden regelt. -Im Okzident ist der Hahn durch die Schlaguhren verdrängt worden, welche -ja schon verhältnismäßig früh (um 1100) vorkommen.“</p> - -<p>In China und Japan spielt die Hühnerzucht eine wichtige Rolle. Dort -sind eine große Anzahl ausgezeichneter Rassen erzogen worden, die dann -nach dem englischen Opiumkrieg in den 1840er Jahren zu uns nach Europa -gebracht wurden, so vor allem die Bramaputras und Cochinchinas. Mit -den Malaien wanderte das Huhn über die mikronesische Inselwelt, doch -gelangte es nicht nach Neuseeland. Dorthin und nach Australien wurde es -erst durch die Europäer gebracht.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_316"></a>[S. 316]</span></p> - -<p>Bevor wir nun näher auf die verschiedenen Hühnerrassen eingehen, -wollen wir kurz die Stammform derselben, das <em class="gesperrt">Bankivahuhn</em> -(<span class="antiqua">Gallus ferrugineus</span>), in seinen Hauptmerkmalen würdigen. -Es ist ein Waldvogel, der morgens und abends, aber auch tagsüber -oft beim Suchen der Nahrung auf Äckern angetroffen wird. Sein -Verbreitungsgebiet ist das größte von allen Wildhühnern und reicht -nach Armand David von Kaschmir und den Vorbergen des Hindukusch bis -nach der Insel Hainan, Cochinchina und über die Halbinsel von Malakka -bis nach Sumatra. Auf Java und den östlich davon gelegenen Inseln, -auch auf den Philippinen, ist es wahrscheinlich eingeführt worden. -Es hat im männlichen Geschlecht einen gezackten Kamm und am Schnabel -jeweilen einen Fleischlappen, trägt schmale, lange, einen Kragen -bildende Halsfedern, ist am Nacken und am Hals goldgelb schimmernd, -am Oberkörper purpurbraun, am Unterkörper schwarz gefärbt; die Brust -schillert grün, die Schwanzfedern sind lang, schwarz, die mittleren -schillernd wie beim Haushahn. Im weiblichen Geschlecht ist die -Farbe am Nacken schwarz mit blaß gelbbraunen Federsäumen, auf der -Oberseite hellbraun mit feinen schwarzen Wellenlinien, am Oberkopf -und auf der Unterseite rotbraun. Der Ruf des Hahn ist kein Kikeriki -wie bei seinem gezähmten Abkömmling, sondern ein kurzes Kikeri. Die -übrigen Laute sind, wie auch beim Weibchen, ganz ähnlich demjenigen -des Haushuhns. Das Huhn brütet im Frühjahr und legt 5–6, zuweilen -auch 9–11 blaß lehmgelbe Eier in einer gewöhnlich mit Gras und -abgestorbenen Blättern ausgekleideten Bodenmulde. Die Hähne sind -besonders zur Brutzeit außerordentlich kampfeslustig. Nach Hutton -lassen sich junge Bankivahühner, wenn sie auch im Anfang wild sind, -leicht zähmen. Auf den Philippinen, wo die Hahnenkämpfe sehr beliebt -sind, scheinen wilde Hähne oft in Gefangenschaft gehalten zu werden, um -dann bei den Kampfspielen zu dienen. Dies gibt uns einen Fingerzeig, -daß wohl die Benutzung der Kampfeslust der Hähne zu Hahnenkämpfen -das erste Motiv der Domestikation des Bankivahuhns innerhalb des -malaiischen Verbreitungsgebiets in Südasien war. Überhaupt scheinen -die östlichen Varietäten des Bankivahuhnes viel leichter zähmbar zu -sein als die westlichen in Indien, weshalb Darwin mit gutem Grunde an -die Möglichkeit dachte, daß das Huhn zuerst von Malaien domestiziert -wurde. Die Kreuzung desselben mit unserem Haushuhn gelingt leicht -und die Bastarde sind unter sich unbegrenzt fruchtbar und geben mit -anderen Hühnern, so mit Bantamhühnern, reichliche Nachkommenschaft. -Die Bastarde von andern südasiatischen<span class="pagenum"><a id="Seite_317"></a>[S. 317]</span> Wildhühnern dagegen, wie dem -<span class="antiqua">Gallus sonnerati</span>, <span class="antiqua">G. stanleyi</span> und <span class="antiqua">G. varius</span> -sind, als sicherer Beweis einer entfernteren Verwandtschaft, stets -unfruchtbar. Übrigens lassen schon Abweichungen im Gefieder und -namentlich eine durchaus verschiedene Stimme alle diese Wildhühner -als Stammformen unserer zahmen Hühner nicht zu. Wenn verschiedene -Rassen unserer Haushühner miteinander gekreuzt werden, so schlagen sie -gern in die Färbung der wilden Stammform, des Bankivahuhns, zurück. -So erzog Darwin einen Hahn, der ein Bastard einer weißen Seidenhenne -mit einem dunkelgrünen spanischen Hahn war und dem wilden Bankivahahn -außerordentlich glich. Endlich kann als weiterer Beweis für die -Abstammung des Haushuhns vom Bankivahuhn angeführt werden, daß W. -Elliot in Pegu Haushennen antraf, die von den wilden Bankivahennen -nicht unterschieden zu werden vermochten. Es ist dies also eine ganz -primitive Rasse, die sich hier noch erhielt, während sie sonst überall -auch in der Färbung durch die Domestikation weitgehend verändert wurden.</p> - -<p>Da das Bankivahuhn schon im Wildzustande eine ausgesprochene Neigung -besitzt, Varietäten zu bilden, und dadurch, sich den verschiedensten -Lebensbedingungen anpassend, in den verschiedenen Ländern seines großen -Verbreitungsgebietes sich in zahlreiche Lokalrassen spaltete, darf -es nicht überraschen, daß auch die seit alter Zeit geübte künstliche -Züchtung eine ganze Reihe von zahmen Hühnerrassen hervorgebracht -hat. Im allgemeinen ist bei hochgezüchteten Rassen der Unterschied -in der Färbung beider Geschlechter verringert. Dabei sind teils -Riesen-, teils Zwergformen hervorgegangen, die wir in besonders -ausgesprochenem Maße bei den ostasiatischen Kulturrassen antreffen. -Zwerghühner können eine in allen Proportionen den gewöhnlichen -Hühnern gleichende Form darstellen. Es kann aber auch die Größe des -Körpers gewahrt bleiben, so daß nur die Beine verkürzt werden, wie -dies bei den kurzbeinigen <em class="gesperrt">Krüpern</em> der Fall ist. Da diese -Tiere infolgedessen nur wenig ausgiebig scharren können, kann man -sie in Gärten frei laufen lassen. Bei manchen Hühnern, wie bei der -<em class="gesperrt">Cochinchinarasse</em>, sind die Federn vermehrt und bedecken -den ganzen Lauf, bei andern ist das Federkleid rückgebildet, wie -bei den <em class="gesperrt">Chittagongs</em>, die eine nackte Kehle haben, und den -<em class="gesperrt">Nackthalshühnern</em>, oder die Federn sind haarähnlich geworden, -wie bei den <em class="gesperrt">Strupp-</em> oder <em class="gesperrt">Seidenhühnern</em>. Bei manchen, -wie beim japanischen <em class="gesperrt">Phönixhuhn</em>, sind die Schwanzfedern ins -Ungeheuere verlängert, beim <em class="gesperrt">Kluthuhn</em> dagegen sind sie ganz in -Wegfall gekommen. Der Verlust geht bei<span class="pagenum"><a id="Seite_318"></a>[S. 318]</span> diesen sogar so weit, daß -ihnen überhaupt das den Schwanz tragende Knochenstück fehlt. Selbst -der Kamm, das wichtigste unterscheidende Merkmal der wilden Hühner, -ist mannigfachen Veränderungen ausgesetzt gewesen, verschwand bei den -<em class="gesperrt">Haubenhühnern</em> sogar vollkommen und wurde durch eine Federhaube -ersetzt. Zwei Haushuhnrassen haben sogar statt vier fünf Zehen erlangt, -indem bei ihnen der als atavistische Mißbildung zuerst aufgetretene -überzählige fünfte Zehe in der Zucht erblich wurde.</p> - -<p>Aber außer in der Form ist das Huhn auch physiologisch weitgehend durch -die Zucht beeinflußt worden. So ist vor allem seine Legefähigkeit enorm -gesteigert. Während die wilde Stammform, sobald sie erwachsen ist, -was nach einem Jahre der Fall ist, wie wir sahen, höchstens 11 Eier -legt, soll einer der besten Leger, aber dadurch ein schlechter Brüter, -nämlich die auch bei uns viel gehaltene <em class="gesperrt">italienische Rasse</em> -bis zu 120 Eier im Jahre legen. Nach der Vermutung von Baldamus ist -diese hochgezüchtete Rasse sehr alt und geht nicht nur auf die Hühner -der Römer und Griechen zurück, sondern reicht in ihren Anfängen -bis zum Beginn des letzten vorchristlichen Jahrtausends zurück. So -zeigen Darstellungen auf assyrischen Siegelzylindern in Umrissen und -Proportionen große Ähnlichkeit mit dem italienischen Huhn.</p> - -<p>Am nächsten stehen der wilden Stammform die eleganten -<em class="gesperrt">Kampfhühner</em>, die nur eine geringe Einwirkung der Domestikation -zeigen. Der auffallend schlanke Körper zeigt vielfach Unterschiede -in der Färbung. Am Kopf sind die Fleischlappen und der Kamm klein, -der Hals ist beim Hahne lang, die Halsfedern kurz. Die Schenkel sind -lang und kräftig, die Sporne lang und scharf. Die Hähne werden zu -Hahnenkämpfen verwendet, die Hennen sind schlechte Legerinnen. Ihnen -nahe stehen die <em class="gesperrt">Malaienhühner</em>, die ebenfalls hochgestellt sind -und lange, orangegelbe Beine haben. Sie sind ebenso streitsüchtig -wie die vorigen und die Hennen schlechte Eierlegerinnen. Sie kommen -in rotbraunen, weißen und schwarzen Farbenvarietäten vor und werden -ebenfalls mehr zum Luxus als für praktische Zwecke gehalten. Während -sie einen kurzen Schwanz besitzen, ist derjenige der bereits erwähnten -<em class="gesperrt">Phönixhühner</em> ganz außerordentlich verlängert, so daß er stark -am Boden schleift. Er erreicht eine Länge von nicht weniger als 2 -<span class="antiqua">m</span> und mehr. Damit er nicht beschädigt werde, hält man diese -Hühner auf hochgelegenen Stangen. Sie sind ein spezielles Zuchtprodukt -Japans und kamen erst vor kurzem als Merkwürdigkeit nach Europa. Dem -Äußeren nach gleichen sie den gewöhnlichen <em class="gesperrt">Landhühnern</em>, die -wenig<span class="pagenum"><a id="Seite_319"></a>[S. 319]</span> hochgezüchtet sind und in der Form und Färbung der wilden -Stammart noch ziemlich nahe stehen. Aus ihnen sind in den verschiedenen -Ländern spezielle Rassen gezüchtet worden. Unter ihnen sind zu nennen -die <em class="gesperrt">spanische Rasse</em> von stolzer Haltung, mit weißem Gesicht, -mit langen Kehllappen und großem, gezacktem Kamm. Das Gefieder dieses -Huhnes ist bei den reinrassigen Vögeln schwarz mit grünem Schiller. -Sie sind im Hühnerhofe sehr geschätzt, weil sie viele und große Eier -legen. Ihnen nahe stehen die <em class="gesperrt">Minorcas</em> mit scharlachrotem Gesicht -und sehr großem Kamm, ferner die diesen gleichenden <em class="gesperrt">Anconas</em> -mit gesperberter Federzeichnung und die <em class="gesperrt">Andalusier</em> mit rotem -Gesicht, schwarzem Hals und dunkelschieferblauem Gefieder.</p> - -<p>Sehr stattlich ist die englische <em class="gesperrt">Dorkingrasse</em>, welche sich -zur Fleischnutzung sehr empfiehlt und gute Brüter liefert. Das volle -Gefieder kann dunkel, gesperbert, silbergrau oder weiß sein. Die Brust -erscheint breit. Das Gewicht geht bei der Henne bis zu 4 <span class="antiqua">kg</span>, -beim Hahn bis zu 5 <span class="antiqua">kg</span>. Ein sehr zartes, weißes Fleisch haben -auch die <em class="gesperrt">Hamburger Hühner</em>, deren Zucht stark verbreitet ist. -Sie besitzen einen nach hinten spitz auslaufenden Rosenkamm, weiße -Ohrlappen, einen hornfarbigen Schnabel und blaue Beine. Dazu besitzt -der Hahn im Schwanze lange Sichelfedern. Nach der Färbung unterscheidet -man <em class="gesperrt">grünschillernde</em>, <em class="gesperrt">schwarze Silbersprenkel</em>, -<em class="gesperrt">Goldlack</em> und <em class="gesperrt">Silberlack</em>. Die Hennen gelten als gute -Eierlegerinnen, sind aber zum Brüten schlecht.</p> - -<p>In Siebenbürgen werden die <em class="gesperrt">Nackthalshühner</em> gezüchtet, die -durch ihren roten, von Federn entblößten Hals wie gerupft aussehen. -Manche Züchter führen diese Eigentümlichkeit auf eine Kreuzung mit dem -Truthahn zurück, was aber zweifellos unrichtig, ja unmöglich ist. Sie -sind ziemlich groß, schwarz gesperbert oder weiß mit einem einfachen -Kamm. Eine schöne französische Rasse sind die nach dem Dorfe <span class="antiqua">La -Flèche</span> genannten <span class="antiqua">La Flèche</span>-<em class="gesperrt">Hühner</em> von glänzend -schwarzem Gefieder, rotem Gesicht mit langen Kehllappen und weißem -Ohrfleck. Weil sich der niedrige Kamm in zwei lange, hörnchenartige -Zapfen spaltet, nennt man sie auch <span class="antiqua">poules cornette</span>. Die -<em class="gesperrt">Haubenhühner</em> besitzen an Stelle des zurückgebildeten Kammes -einen Schopf von aufrechtstehenden, mit den Spitzen überfallenden -Kopffedern. Zu ihnen gehören die in Frankreich und Deutschland vielfach -gezüchteten schwarzen <span class="antiqua">Crève-cœur</span>-<em class="gesperrt">Hühner</em>, die neben dem -Federschopf noch zwei aufrechte Kammspitzen von roter Farbe aufweisen. -Dann die stattlichen schwarz und weiß gescheckten <em class="gesperrt">Houdanhühner</em>, -die neben der starken Haube<span class="pagenum"><a id="Seite_320"></a>[S. 320]</span> einen Kamm mit gezackten Blättern -besitzen. Diese stattlichen Tiere, deren Füße wie diejenigen der -englischen Dorkings fünf Zehen besitzen, sind sehr mastfähig und werden -besonders im Departement Seine et Oise gezogen. Eine starke Vollhaube -und dazu noch Bärte besitzen die goldbraunen oder silberweißen -<em class="gesperrt">Paduaner</em>, die aber wenig mastfähig und schlechte Brüter sind. -Rein schwarz mit weißer Haube sind die <em class="gesperrt">Holländer</em>, die an Stelle -des Bartes lange rote Kehllappen tragen. Der Kamm ist ganz klein und -fehlt bei den reinrassigen Tieren.</p> - -<p>Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts aus China bei uns eingeführte -Rassen sind die großen <em class="gesperrt">Cochinchina-Hühner</em> mit rundem, vollem -Körper und breiter Brust. Der Kopf ist klein mit schwach entwickeltem, -aufrechtstehendem Kamm. Die Flügel sind kurz, die dicken Beine sind an -der Außenseite bis zu den Zehen hinunter befiedert. Der Schwanz ist -auch beim Hahn recht kurz. Die Färbung ist meist gelb, doch kann sie -auch schwarz, weiß, rebhuhnartig oder gesperbert sein. Sie besitzen -ein vortreffliches Fleisch und sind gute Brüter. Sehr nahe verwandt -damit sind die <em class="gesperrt">Brahmaputrahühner</em>, die sich eigentlich nur -durch die erbsenförmige Gestalt des Kammes unterscheiden. Ebenfalls -ostasiatischen Ursprungs sind die <em class="gesperrt">Seidenhühner</em>, die ihren Namen -vom feinen, haarartigen Federkleide haben. Im Körperumriß ähneln -sie den Cochinchinas; auch ihre Flügel sind auffallend kurz, so daß -sie durchaus nicht fliegen können. Zu dem reinweißen Federkleide -kontrastiert die blauschwarze Farbe der Beinhaut. Sie sind gegen Nässe -empfindlich. Ihre Eier sind blaßgelb.</p> - -<p>Aus Japan stammen die <em class="gesperrt">Zwerghühner</em> oder <em class="gesperrt">Bantams</em>, die nicht -viel größer als Tauben werden. Sie sind schwarz, weiß oder gesperbert -und machen sich durch ihr munteres Wesen beliebt. Wirtschaftlich -spielen sie eine unbedeutende Rolle. Weit mehr geschätzt ist das -neuerdings bei uns eingeführte <em class="gesperrt">Yokohamahuhn</em>. Aus Nordostasien -kamen die <em class="gesperrt">Langshans</em> zu uns. Durch Kreuzung verschiedener -alter Rassen erzielten die Amerikaner diverse neue, unter denen -die <em class="gesperrt">Brahmas</em>, <em class="gesperrt">Plymouth-Rocks</em> und <em class="gesperrt">Wyandottes</em> -eine weitere Verbreitung bei uns erlangten. Die neuerdings durch -die unternehmungslustigen Engländer auf den Markt gebrachten -<em class="gesperrt">Orpingtonhühner</em> sind noch nicht zu einer festen Rasse geworden.</p> - -<p>Die Hauptaufgabe der Hühnerzucht ist das Heranzüchten eines guten -Landhuhns, das während seines ganzen, etwa 6 Jahre dauernden Lebens, -die meisten allerdings in den vier ersten Jahren, 500 bis<span class="pagenum"><a id="Seite_321"></a>[S. 321]</span> 600 -Eier legt und daneben noch als Fleischlieferant zu gebrauchen ist. -Unter den deutschen Nutzhühnern spielt gegenwärtig das in Westfalen -heimische <em class="gesperrt">Lakenfelderhuhn</em> und das <em class="gesperrt">Ramelsloherhuhn</em> aus der -Lüneburger Heide eine Hauptrolle. Sobald die Hühner mit dem Eierlegen -nachzulassen beginnen, mästet und schlachtet man sie, so daß sie dann -noch als Fleischlieferanten von Nutzen sind.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_322"></a>[S. 322]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XV_Perlhuhn_Pfau_Fasan_und_Truthuhn">XV. Perlhuhn, Pfau, -Fasan und Truthuhn.</h2> - -</div> - -<p>Von weiteren domestizierten Hühnervögeln ist das <em class="gesperrt">Perlhuhn</em> -(<span class="antiqua">Numida meleagris</span>) zu nennen, das in Westafrika bis Marokko -heimisch ist. Es hat seinen lateinischen Namen <span class="antiqua">meleagris</span> von -Meleager, dem Sohne des kalydonischen Königs Oineus, der auf der -berühmten kalydonischen Eberjagd umkam. Darüber waren seine Schwestern -ganz untröstlich und wurden durch das Mitleid der Götter in Vögel -verwandelt. Da die auf schiefergrauem Grunde stehenden perlenartigen -Tropfen an Tränen erinnerten, sollten sie die Tränen der Schwestern -des Meleager bedeuten. Diese Vögel sollten nach Plinius auf dem Grabe -des Meleager gehalten werden und dort zu Ehren des Toten kämpfen, wie -in der Vorzeit zu Ehren Verstorbener abgehaltene Kampfspiele durch -Menschen üblich waren.</p> - -<p>Die Perlhühner bewohnen mit Büschen bestandene Gegenden bis zu 3000 -<span class="antiqua">m</span> Höhe. Da, wo sie häufig sind, bemerkt man sie bald, indem -sie morgens und abends ihre durch unser zahmes Perlhuhn wohlbekannte -trompetenartige Stimme vernehmen lassen. Sie wohnen in Familien -von 16–20 Stück beieinander, sind sehr scheu und schlüpfen bei der -geringsten Beunruhigung ins schützende Gebüsch. Mit Vorliebe schlafen -sie auf hohen Bäumen an Flußufern. Im Frühjahr brüten sie ein Gelege -von 5–8 schmutzig gelblichweißen Eiern aus. Die Küchlein gleichen -im Flaumkleide jungen Fasanen, wachsen rasch heran und folgen, wenn -sie die halbe Größe der Eltern erreicht haben, diesen auf allen -Streifereien und bäumen dann nachts regelmäßig mit ihnen.</p> - -<p>Nach Brehm lassen sich Perlhühner leichter eingewöhnen als irgend -ein anderes Wildhuhn, werden aber nicht leicht und kaum jemals -vollständig zahm, schreiten auch nur dann in der Gefangenschaft zur -Fortpflanzung, wenn sie weiten Spielraum haben. Dagegen kann man -gefangene bald so weit gewöhnen, daß sie in Haus und Hof umher<span class="pagenum"><a id="Seite_323"></a>[S. 323]</span>laufen, -ohne ans Entweichen zu denken. Sie sind zänkisch, liegen mit Haus- -und Truthühnern beständig im Streite, werden so bösartig, daß sie -erwachsene Hähne und Kinder angreifen. Sie erfreuen durch ihre -unermüdliche Beweglichkeit, ihr hübsches Gefieder und die sonderbaren -Stellungen und Bewegungen, die sie beim Laufen einnehmen. Beim Brüten -sind sie wenig eifrig und können keine Kälte ertragen.</p> - -<p>Von Westafrika wurden sie im 18. Jahrhundert durch Negersklaven auf -den Antillen eingeführt, wo sie sich vollkommen eingewöhnten und -verwilderten. Dabei wurden sie hier kleiner und dunkler. Schon vor -bald sieben Menschenaltern war es auf Jamaika häufig; jetzt ist es -dort wie auch im östlichen Kuba so gemein, daß es unter Umständen -zur Landplage wird. Schon im Altertum wurde es bei den Griechen und -Römern als Haustier gehalten, verschwand aber nach dem Untergange des -Römerreichs wieder aus Europa, um erst wieder im 15. Jahrhundert von -den Portugiesen aus Angola hier eingeführt zu werden. Seither sind sie -besonders in den Mittelmeerländern, wo es ihnen warm genug ist, so weit -domestiziert worden, daß sie gleich dem Pfau begonnen haben, wenigstens -in der Färbung abzuändern. Unter den gewöhnlichen Perlhühnern mit -weißen Tupfen auf schiefergrauem Grunde kommen nämlich silber- und -blaugraue und, wie bei den Pfauen, auch weiße Tiere vor. Wie bei den -weißen Pfauen das Auge der zum Rad ausgebreiteten Schwanzfedern, so ist -bei den weißen Perlhühnern die ursprüngliche Tüpfelung noch deutlich -erkennbar.</p> - -<p>Im Altertum scheint das Perlhuhn als Fetischtier von Nordafrika nach -Griechenland gekommen zu sein. Nach dem Schüler des Aristoteles, Klytos -von Milet, wurden auf der kleinen, von den Milesiern kolonisierten -Insel Leros um den Tempel der Artemis heilige Perlhühner aus Afrika -gehalten. Dabei wird nirgends gesagt, wie sie dahin gekommen und -weshalb sie der jungfräulichen Göttin geweiht waren. Noch Älian -behauptete, kein Raubvogel wage die lerischen heiligen Hühner -anzugreifen. Auch auf der Akropolis scheinen nach Suidas Perlhühner -gehalten worden zu sein. Zu den Römern kamen sie zur Zeit der punischen -Kriege aus Numidien unter dem Namen numidische oder afrikanische -Vögel. Noch zu Varros Zeit im letzten Jahrhundert v. Chr. waren sie -in Italien sehr selten und teuer. Gleichwohl begann man schon damals -diese kostbaren Tiere, eben weil sie eine Rarität waren, zu essen. -Dieser Autor sagt nämlich: „Die afrikanischen Hühner, welche man -<span class="antiqua">meleagrides</span> nennt, sind erst neulich für<span class="pagenum"><a id="Seite_324"></a>[S. 324]</span> die Schmausereien -der Leckermäuler in Gebrauch gekommen, aber noch teuer, weil selten.“ -Der Spötter Martial macht sich in einem Epigramm darüber lustig, daß -Hannibal, der Barbar, seinen Landsmann, den Vogel aus Numidien, nicht -aß. Der verrückte Kaiser Caligula ließ sie sich opfern. Nach Pausanias -wurden sie auch in Phokis bei Tithorea zweimal im Jahre im Tempel der -Isis neben Gänsen geopfert.</p> - -<p>Nachdem die Portugiesen die Perlhühner wieder in Europa eingeführt -hatten, sah sie Volaterranus vor 1500 beim Kardinal San Clemente. -Der Züricher Konrad Geßner bildete den Vogel in seinen <span class="antiqua">Icones -animalium</span> 1563 zuerst ab und bemerkt dazu, es sei ein fremder -wilder Hahn aus Afrika und der Berberei, den er von seinem Freunde -Cajus, einem englischen Arzte, erhielt. In Frankreich war er damals -schon öfter als <span class="antiqua">poule de Guinée</span> in den Hühnerhöfen zu sehen. Der -Vogel ist so leicht zu halten, daß er auch in seinem ursprünglichen -Verbreitungsgebiet vielfach gezähmt wird. So traf Staudinger am Niger -solche, die durch ihre weiße Farbe verrieten, daß sie schon längere -Zeit domestiziert waren. Da sie sich leicht versetzen lassen, sind -sie im Laufe der Zeit auf eine Reihe von Inseln gekommen und dort -verwildert, so auf den Kapverden, auf Ascension und St. Helena. Daß sie -auch auf zahlreichen Inseln und Inselchen der Antillen verwilderten, -wurde bereits mitgeteilt. Sie wurden in Amerika kleiner und erhielten -schwarze Füße in Verbindung mit weißem Bauch, weißem Rücken und -Flügelspitzen. Im milden England gelang es noch, sie verwildern zu -lassen. Dies würde wohl auch in den milderen Gegenden Deutschlands -möglich sein. Hier überall, wo es ihnen nicht zu kalt ist, eignen sie -sich vortrefflich als Hausgeflügel. Sobald sie die ersten Tage hinter -sich haben, sind sie gar nicht weichlich und auch im Futter durchaus -nicht anspruchsvoll; dabei lassen sie sich leicht mästen, liefern ein -gutes Fleisch und schmackhafte Eier.</p> - -<p>Häufiger als das Perlhuhn wird der <em class="gesperrt">Pfau</em> (<span class="antiqua">Pavo cristatus</span>) -in unseren Hühnerhöfen angetroffen, wo er wegen seiner Schönheit auch -mehr ein Luxus- denn ein Nutzvogel ist. Seine Heimat ist Ostindien und -Ceylon. Dort bewohnt er lichte Waldungen mit Vorliebe bergiger Gegenden -mit dichtem Unterwuchs; ebensogern hält er sich in Pflanzungen auf, -die ihm Deckung gewähren und einzelne hohe, zur Nachtruhe geeignete -Bäume haben. In vielen Gegenden Indiens gilt er wegen seines prächtigen -Gefieders als heilig und unverletzlich und seine Tötung wird von den -Eingeborenen als ein Verbrechen angesehen, das<span class="pagenum"><a id="Seite_325"></a>[S. 325]</span> jeden, der sich solches -zuschulden kommen läßt, gelegentlich in Lebensgefahr bringt. In der -Nähe vieler Hindutempel pflegen sich zahlreiche Herden von halbwilden -Pfauen aufzuhalten, deren Pflege mit zu den Obliegenheiten der Priester -gehört. Dabei werden sie sich des ihnen hier gewährten Schutzes bald -bewußt und zeigen, wenigstens dem Hindu gegenüber, kaum größere Scheu -als diejenigen, die auf dem Hühnerhofe heranwuchsen.</p> - -<p>Wo sie ungestört sind, halten sich die wilden Pfauen am Tage in Trupps -von 30 bis 40 Stück meist auf dem Boden auf, um in den Vormittags- -und Abendstunden zur Nahrungssuche auf die Waldblößen oder Felder -herauszukommen. Verfolgt suchen sich die Tiere so lange als möglich -laufend zu retten und, erst wenn sie einen gewissen Vorsprung erreicht -haben, entschließen sie sich zum Fluge, der rauschend und schwerfällig -vor sich geht. Sie bäumen dann so bald als möglich und verbergen -sich mit ihrem grünen Gefieder im dichten Blättergewirr, wo sie sich -wohlgeborgen wissen. Von Raubtieren scheuen sie besonders den Tiger, -dessen Anschleichen sie weithin durch lautes Geschrei kundgeben. Sie -fressen wie unsere Hühner sowohl tierische als pflanzliche Nahrung -und brüten nach der Regenzeit im April, nachdem die Männchen ihr -prächtiges Hochzeitskleid mit dem schillernden, beim Liebeswerben zur -Schau ausgebreiteten Schweife erhalten haben. Ihrer Schönheit sich -wohl bewußt, paradieren sie damit vor den Weibchen, um deren Gunst zu -erlangen. Das meist auf einer erhöhten Stelle, einem Busche im Walde, -errichtete Nest besteht aus dünnen Ästchen und trockenen Blättern -und ist ebenso liederlich gebaut, als dasjenige anderer Hühnervögel. -Das Gelege zählt 4 bis 15 Eier, die vom Weibchen mit großem Eifer -ausgebrütet und nur im Notfalle verlassen werden. Das unscheinbare -Jugendkleid, das die Jungen zu ihrem Schutze mit dem Weibchen teilen, -legen die Männchen erst nach dem zweiten Lebensjahre ab, um im dritten -ihre volle Schönheit zu erlangen und zur Paarung zu schreiten.</p> - -<p>Auf seinem Eroberungszuge nach Indien erblickte Alexander der Große mit -seinen Gefährten als erster Europäer den wilden Pfau in seiner Heimat -am Indus. Er war von der Schönheit des ihm bis dahin unbekannten Vogels -so entzückt, daß er nach dem Berichte des Älian jeden, der ihn zum -Opfer schlachten wollte, mit den schwersten Strafen bedrohte. Er soll -nach der Sage auch einige dieser Vögel auf dem Rückzuge aus Indien mit -sich genommen haben. Sehr viel früher war er gelegentlich schon als -seltener Ziervogel an einige vorder<span class="pagenum"><a id="Seite_326"></a>[S. 326]</span>asiatische Höfe gelangt, so auch -nach Jerusalem, wo ihn Salomo als wertvolles Prunkstück hielt. Heißt -es doch 1. Könige 10, 22, daß diesem König in einem edomitischen Hafen -am Nordende des Roten Meeres von phönikischen Seeleuten ausgerüstete -und bemannte Schiffe nach dreijähriger Abwesenheit neben Gold, -Silber, Elfenbein und Affen auch Pfauen aus Ophir brachten, das wir -in Ostafrika zu suchen haben. Dorthin muß der schöne indische Vogel -durch den Monsun zur Überfahrt benutzende indische Segler damals schon -als Tauschware gebracht worden sein, da er daselbst nicht einheimisch -ist. Er heißt im Hebräischen <span class="antiqua">tukkijîm</span>, was mit dem tamulischen -<span class="antiqua">togei</span> zusammenhängen dürfte.</p> - -<p>Aus dem semitischen Vorderasien, wo der Pfau als seltenes und durch die -vielen Augen seines Schweifes mit den Sternen und den dort herrschend -gedachten Überirdischen in Verbindung gebrachtes Fetischwesen in -den Tempelhöfen der höchsten weiblichen Gottheit gehalten wurde, -kam er dann durch die Vermittlung der Phönikier zu den Griechen als -<span class="antiqua">ta(v)ós</span>, um später dann von ihnen als <span class="antiqua">pavo</span> an die Römer -weitergegeben zu werden. Der erste Ort auf griechischem Boden, von dem -wir wissen, daß dort Pfauen als heilige Tiere gehalten wurden, ist der -Heratempel von Samos. Hera ist offenkundig die mit der phönikischen -Astarte identifizierte Himmelsgöttin, deren Kult sich der merkwürdige -Sternenvogel ganz natürlich anschloß. Ein sich von selbst ergebender -Mythus war es denn auch, daß der allschauende Argos, der die Mondgöttin -Jo zu bewachen hatte, nach seiner Tötung durch den Argeiphontes sich in -den Pfau verwandelt haben soll. So stolz waren die Bewohner der Insel -Samos auf die heiligen Pfauen in ihrem Heratempel, den Herodot für den -größten aller griechischen Tempel seiner Zeit erklärte, daß sie das -Tier auf ihre Münzen prägten. Zu des Polykrates Zeit, der von 535 bis -522 v. Chr. Tyrann von Samos war und einen Seestaat von ziemlich großer -Ausdehnung gegründet hatte, war er aber noch nicht dort, sonst hätten -die Hofdichter Ibykos und Anakreon ihn wohl einmal in ihren Gedichten -genannt. Auch nach Athen würde der Ruf des Vogels und er selbst wohl -früher gedrungen sein. Wir finden ihn nämlich erst nach der Mitte des -fünften vorchristlichen Jahrhunderts in jener Stadt, und zwar als -höchste Merkwürdigkeit und außerordentliche Seltenheit. Es war dies -zur Zeit des Perikles, da Leute von weither kamen, um dieses Wunder -zu sehen. Vielleicht haben die Athener bei der Unterwerfung der Insel -Samos unter ihre Oberhoheit im Jahre 440 den schönen Vogel vom Heraion -nach Athen entführt, obschon der Geschicht<span class="pagenum"><a id="Seite_327"></a>[S. 327]</span>schreiber Thukydides nur von -Auslieferung der Schiffe und Bezahlung der Kriegskosten spricht.</p> - -<p>In einer seiner Schriften berichtet der Redner Antiphon von einem -reichen Vogelzüchter in Athen namens Demos, Sohn des Pyrilampes, der -Pfauen in seinem Hühnerhofe hielt. Von weither, vom Peloponnes und aus -Thessalien, kamen die Leute, um diese Vögel zu bewundern und sich, wenn -möglich, Eier von ihnen zu beschaffen. Jeden Monat einmal, am Tage -des Neumondes, wurden alle zugelassen, an den andern Tagen dagegen -niemand. „Und das“ — setzt Antiphon hinzu — „geht nun schon mehr als -30 Jahre so fort.“ Nach Plutarch soll schon der Vater Pyrilampes aus -seiner Vogelzucht den Weibern, die sein Freund Perikles zu gewinnen -wünschte, unbemerkt Pfauen zugewandt haben. Doch, meint Antiphon, es -gehe nicht an, die Vögel in der Stadt zu verbreiten, weil sie dem -Besitzer davonfliegen. Wollte sie aber jemand stutzen, so würde er -ihnen alle Schönheit nehmen; denn diese besteht in den Federn und nicht -im Körper. Daher seien sie so lange eine Seltenheit geblieben, daß -man ein Paar derselben mit 10000 Drachmen (etwa 8000 Mark) bezahle. -Bei so hohem dafür bezahlten Preise begreifen wir den Ausspruch des -griechischen Dichters Anaxandrides der mittleren Komödie, daß es -Wahnsinn sei, Pfauen im Hause aufzuziehen und Summen dafür aufzuwenden, -die zum Ankaufe von Kunstwerken ausreichen würden. Erst im Laufe des -vierten vorchristlichen Jahrhunderts wurden die Pfauen häufiger in -Athen und deshalb weniger kostbar, so daß gegen das Ende desselben der -Komödiendichter Antiphanes — ohne Zweifel mit starker Übertreibung — -sagen konnte: „Sonst war es etwas Großes, auch nur ein paar Pfauen zu -besitzen; jetzt aber sind sie häufiger als die Wachteln.“ Aristoteles -schildert ihn als einen neidischen und eitlen Vogel, der gegen 25 -Jahre lebe, aber seine schönen Federn erst im dritten Jahre bekomme, -auch dann erst niste. Er brüte des Jahres nur einmal, und zwar 30 -Tage oder etwas mehr. Er lege 12 oder etwas weniger Eier, und zwar in -Zwischenräumen von zwei bis drei Tagen.</p> - -<p>Als die Griechen in Begleitung Alexanders des Großen in das Innere -Asiens vordrangen, scheinen sie, wie Diodor uns berichtet, in -Babylonien zahlreichen Pfauen begegnet zu sein. Der Vogel war also -hier schon gemein, so daß wir begreifen, wie ihn einzelne griechische -Schriftsteller als „medischen Vogel“ bezeichnen konnten. Gewiß ist -Victor Hehn im Unrecht, wenn er meint, der Pfau sei erst durch -die Griechen über Westasien verbreitet worden, da die asiatischen -Pfauen<span class="pagenum"><a id="Seite_328"></a>[S. 328]</span>namen alle dem Griechischen entlehnt seien. Vielmehr ist, wie -wir oben sahen, das Umgekehrte der Fall; die Griechen erhielten ihn aus -Kleinasien über die Insel Samos, und aus den Städten Großgriechenlands -lernten ihn dann die Römer kennen. Zu Ende der Republik war der Pfau -den Römern kein allzuseltener Vogel mehr, denn Varro (116–27 v. Chr.) -schreibt in seinem Buche über die Landwirtschaft: „Erst in unserer -Zeit hat man angefangen, ganze Herden von Pfauen zu halten. So z. B. -soll Marcus Aufidius Luco jährlich 60000 Sesterzien (= 9000 Mark) aus -seiner Pfauenzucht lösen. Sieht man auf den Nutzen, so hält man mehr -Weibchen, sieht man aber nur auf die Pracht, so hält man mehr Männchen. -Auf der Insel Samos und auf Planasia (jetzt Pianosa an der Westküste -Etruriens, südlich von Elba, damals Ilva genannt) soll es wilde Pfauen -geben. Unter allen Vögeln gebührt dem Pfau der Preis der Schönheit. -Sie fressen allerlei Getreide, besonders Gerste. Man läßt die Eier von -Pfauenhennen oder von Haushühnern ausbrüten, hat auch für die Jungen -eigene Pfauenhäuser, die in Verschläge geteilt sind, reinlich gehalten -werden und vor sich einen sonnigen Platz haben, wo die Tierchen bei -gutem Wetter gefüttert werden. Den ersten jungen Pfau hat Quintus -Hortensius (ein ausgezeichneter Redner zu Varros Zeit) für die Tafel -braten lassen, als er seinen Antrittsschmaus als Augur hielt. Darauf -folgten viele seinem Beispiele und der Preis stieg dermaßen an, daß -ein Pfauenei mit 5 Denaren (= 3 Mark) und ein Pfau selbst wohl mit 50 -Denaren (= 30 Mark) bezahlt wird.“</p> - -<p>Selbstverständlich mußte bei den Römern zu Ende der Republik und zur -Kaiserzeit ein Tier wie der Pfau, das schon in Athen der Üppigkeit -gedient hatte, in umso höherem Maße in Aufnahme kommen, als der -römische Luxus und Reichtum den attischen hinter sich ließ. Obschon -das Fleisch, wenigstens der älteren Pfauen, gerade kein Leckerbissen -ist, so fand doch das gegebene Beispiel, schon weil die Sache teuer -war, bei den Protzen allgemeine Nachahmung. Schon Cicero (106–43 v. -Chr.) schreibt in einem Briefe: „Ich habe mir eine Kühnheit erlaubt -und sogar dem Hirtius ein Diner gegeben, doch ohne Pfauenbraten.“ Und -der Dichter Horaz spottet in einer seiner Satiren: „Wird ein Pfau -aufgetragen und daneben ein Huhn, so greift alles nach dem Pfau. Und -warum das? Weil der seltene Vogel Goldes wert ist und ein prächtiges -Gefieder ausbreitet, als wenn dadurch dem Geschmack geholfen wäre.“ -In der Kaiserzeit wird wohl kein größeres Prunkmahl ohne Pfauenbraten -abgehalten worden sein. Ja, wer es<span class="pagenum"><a id="Seite_329"></a>[S. 329]</span> ganz üppig geben wollte, der gab -nur Gehirn von Pfauen. So berichtet Sueton von Vitellius als er 69 n. -Chr., zum Kaiser ausgerufen, in Rom einzog: „Beim Ankunftsschmause, -der dem Kaiser Vitellius von seinem Bruder gegeben wurde, betrug die -Zahl der aufgetragenen ausgesuchten Fische 2000, die der Vögel 7000. -Einen noch größeren Schmaus gab er selbst, als er eine ungeheuer große -Schüssel einweihte, die er den „Schild der Minerva“ nannte. Sie war -bedeckt von untereinander gemischten Lebern von Papageifischen, Gehirn -von Fasanen und Pfauen, Zungen von Flamingos, Milch von Muränen; das -alles hatten Kriegsschiffe vom östlichen und westlichen Ende des -Mittelmeeres zusammenbringen müssen.“</p> - -<p>Diesen übertrumpften noch die späteren Kaiser. So meldet der -Geschichtschreiber Älius Lampridius vom üppigen Kaiser Heliogabalus: -„Kaiser Heliogabalus ließ öfter ein Gericht auftragen, das aus -Kamelfersen, aus Kämmen, die lebendigen Hähnen abgeschnitten waren, -aus Zungen von Pfauen und Nachtigallen bestand. Er gab auch seinen -Palastdienern ungeheuere Schmausereien, wobei die Eingeweide des -Rotbartfisches, Gehirn von Flamingos, Rebhuhneier, Köpfe von Papageien, -Fasanen und Pfauen die Hauptrolle spielten. Seine Hunde fütterte -er mit Gänselebern.“ Außer zum Essen dienten die Pfauen auch als -Schmuck der Gärten der Vornehmen und ihre Federn zu Fliegenwedeln. So -spricht der Dichter Martial vom <span class="antiqua">muscarium pavonium</span>, und der -Geschichtschreiber Dio Cassius berichtet: „Als Severus Kaiser geworden -war (im Jahre 193), hielt er für seinen ermordeten Vorgänger Pertinax -mit großem Gepränge ein Totenamt. Dessen aus Wachs angefertigtes Bild -lag auf einem prachtvollen, mit Purpur und Goldstickerei bedeckten -Paradebett und neben ihm stand ein Knabe, der die Fliegen, als ob der -Verewigte ruhte, mit einem Wedel aus Pfauenfedern abwehrte.“</p> - -<p>Bei solcher Wertschätzung des Pfaues ist es kein Wunder, daß er zur -römischen Kaiserzeit in größerer Menge besonders auf Inseln, auf denen -er sich frei bewegen konnte, gezüchtet wurde. Die Vorteile solcher -von Wasser umgebener Pfaueninseln setzt Columella folgendermaßen -auseinander: „Auf kleinen, waldigen Inseln sind die Pfauen leicht zu -ziehen; sie fliegen von da nicht weg, weil sie überhaupt nicht weit -fliegen. Sie sind da vor Dieben und Raubtieren sicher, man kann sie -frei herumgehen und selbst brüten lassen, wobei sie sich auch das -meiste Futter selbst suchen und nur täglich einmal zu bestimmter Zeit -gerufen und mit etwas Gerste gefüttert werden. Auf dem festen<span class="pagenum"><a id="Seite_330"></a>[S. 330]</span> Lande -umgibt man eigene, mit Wald bestandene Grasplätze für sie mit Mauern -und Ställen und rechnet auf je fünf Weibchen ein Männchen. Die Eier -legt man hier gewöhnlich Haushühnern unter, und die Pfauhenne kann, -wenn sie nicht selbst brütet, jährlich 11 bis 12 Eier legen. Geht das -brütende Haushuhn vom Neste, so wendet man die Eier, weil das Huhn -sie wegen ihrer Größe nicht gut selbst wenden kann. Um das Wenden zu -überwachen, bezeichnet man die Eier auf einer Seite mit Tinte; denn -es kommt auch vor, daß ein Haushuhn sie selbst wendet.“ Dann gibt es -genaue Anweisung über die Aufzucht und Fütterung der Pfauen.</p> - -<p>Die Römer brachten den Pfau in die Länder nördlich der Alpen, -wo wir Darstellungen von ihm, beispielsweise auf Lampen der -römisch-helvetischen Ansiedelung von Vindonissa, antreffen. Aus dem -lateinischen <span class="antiqua">pavo</span> wurde das französische <span class="antiqua">paon</span> und das -deutsche Pfau. Doch wird seine Zucht erst im Mittelalter von Italien -her nach Deutschland gedrungen sein. Hier diente er ebenfalls als -Prunkvogel, und mit seinen schönen Federn zierten sich Ritter und -vornehme Frauen, indem sie dieselben auf ihren Kopfbedeckungen und -als Garnituren um den Hals anbrachten. Auch noch im Mittelalter -pflegte man bei feierlichen Essen einen gebratenen Pfau im Schmuck -seines nachträglich wieder auf ihn gesteckten Gefieders auf den Tisch -zu bringen. Gewöhnlich trug ihn die Dame des Hauses selbst unter -Trompetenschall auf silberner oder vergoldeter Schüssel und der -Herr zerlegte ihn, wie dies im Lanzelot König Artus seinen um die -Tafel versammelten Rittern tut. Erst zur Zeit der Renaissance kam -dieser Gebrauch allmählich ab, und später wurde der Pfau durch den -Truthahn verdrängt, der ein schmackhafteres Fleisch besitzt. Daß das -Pfauenfleisch bereits in der späteren Römerzeit von seinem Nimbus -eingebüßt hatte, beweist die Behauptung des heiligen Augustinus, daß -es kaum verweslich sei. Er erzählt, er habe selbst einen Versuch damit -angestellt und nach 30 Tagen sei das Fleisch noch unverwest gewesen, -ja es sei ein Jahr lang so aufbewahrt worden. Im 11. Jahrhundert meint -dann die heilige Hildegard, Äbtissin vom Kloster Rupertsberg bei -Bingen, wer einen gesunden Magen habe, der könne solches am Ende schon -verdauen.</p> - -<p>Heute wird der Pfau noch immer in herrschaftlichen Gärten als Ziervogel -gehalten; doch tritt seine geringe Fruchtbarkeit seiner Ausbreitung -hindernd in den Weg. Als Folge der Haustierhaltung hat sich auch -bei ihm der Leucismus geltend gemacht; doch gibt es außer weißen -auch dunklere Pfauenarten. Da er sehr selbständig ist, ver<span class="pagenum"><a id="Seite_331"></a>[S. 331]</span>wildert -er leicht. So ist er namentlich auf Inseln, speziell in Westindien, -verwildert. Dapper sagt in seiner 1671 in Amsterdam erschienenen -Beschreibung Afrikas, daß die Könige von Kongo und Angola die Pfauen -als Regal betrachteten und jeden, der auch nur eine Feder von ihnen -stahl, mit dem Tode bestraften oder als Sklaven verkauften. Eine -ähnliche Wertschätzung erfuhr der Vogel bei den Süd- und Ostasiaten. -So ist der Thron des persischen Schahs wie derjenige des Kaisers von -China über und über mit Pfauenfedern verziert. Mandarinen tragen am -Knopfe ihrer Kopfbedeckung die Pfauenfeder als eine der höchsten -Auszeichnungen, und in Kambodja bezeichnet die Pfauenfeder den -Edelmann. Auch in der Kunst der Orientalen spielt die Pfauenfeder eine -wichtige Rolle und hat vielfach in der Ornamentik Eingang gefunden, wie -übrigens auch bei uns. In unsern Herrschaftsgärten trifft man heute den -schönen, aber mit einer häßlichen Stimme begabten Vogel nur selten an; -denn er ist gegenwärtig etwas aus der Mode gekommen.</p> - -<p>Lange nicht so herrlich gefiedert, aber nützlicher als der Pfau ist -der ihm sehr nahe verwandte <em class="gesperrt">Fasan</em> (<span class="antiqua">Phasianus colchicus</span>), -im Gegensatz zu den verschiedenen andern asiatischen Arten auch -<em class="gesperrt">Edelfasan</em> genannt. Er hat seinen Namen von der griechischen -Bezeichnung <span class="antiqua">phasianós</span>, d. h. Vogel vom sagenberühmten Flusse -Phasis in Kolchis, dem Lande der zauberkundigen Medeia, in welchem die -Helden der Vorzeit unter Anführung des Jason auf dem schnellen Schiffe -Argo das goldene Vließ holten. Von dort her erhielten ihn die Griechen, -um ihn später unter demselben Namen an die Römer weiterzugeben. In -Griechenland tritt er uns in einer Komödie des Aristophanes ums -Jahr 420 v. Chr. zum erstenmal als kostbarer Luxusvogel entgegen, -hat aber in der Folge bei ihnen als Nutztier keine bedeutende Rolle -gespielt. Eine wichtigere Rolle spielte er bei den alten Römern, bei -denen er nach Plinius in Gehegen in großer Zahl gezogen wurde, um bei -den prunkvollen Gastmählern als kostbarer Leckerbissen zu dienen. -Dazu mästete man ihn nach Palladius 30 Tage lang mit einem mit Öl -angefeuchteten Brei aus Weizen- oder Gerstenmehl und sperrte ihn -während dieser Zeit ein, damit er durch geringe Bewegungsmöglichkeit -recht viel Fett ansetze.</p> - -<p>Schon damals wurden die Fasaneneier mit Vorliebe von Haushühnern -ausgebrütet, wie dies heute noch bei uns geschieht. Der Satiriker -Martial erwähnt den Fasan als Leckerbissen der Vornehmen, und Älius -Lampridius sagt in seiner Biographie des Kaisers Helioga<span class="pagenum"><a id="Seite_332"></a>[S. 332]</span>balus, dieser -habe an jedem Tage eine bestimmte Speise genossen, so einmal nur -Fasanen oder junge Hähne, oder nur eine Fischart, oder nur Schweine- -oder Straußenbraten, oder nur eine Obstart oder eine Kuchensorte -oder nur Milchspeisen. Zur Zeit der Völkerwanderung erhielt sich der -geschätzte Vogel in den Villen der Römer, wo ihn die Germanen kennen -lernten. In der Folge wurde er von manchen Fürsten, so von Karl dem -Großen, dann auch von einigen der reicheren Klöster als Luxusvogel -übernommen. So kam er nach den Benediktionen des Mönches Ekkehard -bisweilen auf die Tafel der St. Galler Mönche. Im Jahre 1130 sollen -ihn die Cluniacenser in Frankreich gehalten haben; 1299 wird er in -England erwähnt. 1333 gab es Gehege von ihm in Hessen und anderwärts -in Süddeutschland; doch war er damals noch recht selten. Erst von der -Mitte des 16. Jahrhunderts an erlaubte die zunehmende Territorialhoheit -den Fürsten, die Fasanen im freien Walde so zu schützen, daß man sie -aus den Gehegen entlassen konnte. Mit dem zunehmenden Prunke der -Fürstenhöfe wurde dieser Vogel immer häufiger gehalten, bis zur Zeit -Ludwigs XIV. jeder kleine Hof seine Fasanerie haben zu müssen -glaubte. Hatte der Sonnenkönig die kleine Insel Pourquerolles an der -Küste der Provence zum Fasanengehege bestimmt, so machte der 1759 auf -den spanischen Thron erhobene König Karl II. von Neapel aus der -ganzen Insel Procida einen Fasanenbezirk, in welchem die Haltung von -Katzen strengstens verboten war. Erst als sich daraufhin die Mäuse -und Ratten so sehr vermehrten, daß die Kinder in der Wiege vor ihnen -nicht mehr sicher waren, hob der König dieses Verbot wieder auf. Sein -Nachfolger, Ferdinand IV. (1758–1832), erging sich gern auf der -Fasanenjagd. Er war ein so ausgezeichneter Schütze, daß er auch ohne -Repetiergewehr in einer Stunde bis 300 Fasanen erlegt haben soll.</p> - -<p>Während der Fasan in Süddeutschland und Österreich in der Folge -vollkommen verwilderte, wird er in Norddeutschland halbzahm in Gehegen -gehalten. Auch in Südrußland lebt er häufig wild, schon seltener -dagegen in Italien und sehr selten in Spanien; auch in Griechenland, -wo er früher gemein war, geht er seiner Ausrottung entgegen. Seine -ursprüngliche Heimat waren die Küstenländer des Kaspischen Meeres -und Westasien, während der <em class="gesperrt">Königs-</em> und <em class="gesperrt">Goldfasan</em> in -China und der der Lady Amherst, die ihn zuerst nach Europa brachte, -zu Ehren benannte <em class="gesperrt">Amherstfasan</em> in der Mongolei und in -Transbaikalien beheimatet ist. In Südchina und dem Hochlande von<span class="pagenum"><a id="Seite_333"></a>[S. 333]</span> -Tibet ist der <em class="gesperrt">Diamantfasan</em> zu Hause, ebenso in Südchina der -<em class="gesperrt">Silberfasan</em>, der im 17. Jahrhundert zum erstenmal lebend nach -Europa gelangte. Wie der Goldfasan, der Kinki, d. h. das Goldhuhn -der Chinesen, wird auch der Silberfasan sehr häufig in China und -Japan zahm gehalten. Auch bei uns gedeihen beide bei einfacher Pflege -ausgezeichnet, sind aber wegen ihrer auffallenden Färbung wenig dazu -geeignet, in unsern Waldungen ausgesetzt zu werden, da die bunte -Tracht der Männchen sie dem Raubzeuge mehr aussetzt, als das weit -bescheidenere Kleid des westasiatischen Edelfasans.</p> - -<p>Alle Fasanen meiden geschlossenen Hochwald und bevorzugen von -Fruchtfeldern oder Wiesen umgebene Haine oder Buschwerk, in welchem sie -Schutz finden können. Während des ganzen Tages treiben sie sich auf -dem Boden umher, schleichen nahrungsuchend von einem Busch zum andern -und suchen sich erst mit Einbruch der Nacht einen geeigneten Baum zum -Schlafen auf. Ihre Intelligenz ist eine geringe und sie sind leicht -aus der Fassung zu bringen, so daß sie häufig ihrer Dummheit zum Opfer -fallen. Diese ihre geistige Beschränktheit tut ihrer Vermehrung und -Ausbreitung erheblichen Abbruch. Gegen Artgenossen zeigen sie sich -wenig liebenswürdig; sie sind vielmehr ungesellig und unverträglich. -Zwei Hähne kämpfen, sowie sie zusammenkommen, mit Erbitterung, bis die -Federn davonfliegen und Blut fließt; ja der eine bringt den andern um, -wenn er dazu imstande ist.</p> - -<p>Die Ende März einsetzende Paarungszeit macht den sonst schweigsamen -Vogel ein häßliches Gekrähe ausstoßen, mit dem er laut etwaige -Nebenbuhler herausfordert. Nach der Paarung sucht sich die Henne ein -stilles Plätzchen unter dichtem Gebüsch auf, wo sie in eine mit dürren -Blättern belegte, von ihr ausgekratzte seichte Vertiefung im Boden -in Zwischenräumen von je zwei Tagen ihre 8–12 gelblich-graugrünen -Eier legt und nach Vollendung des Geleges eifrig bebrütet. Sie sitzt -so fest, daß sie den gefährlichsten Feind sehr nahe kommen läßt, bis -sie sich zum Davonlaufen entschließt, nachdem sie das Gelege leicht -mit Niststoffen bedeckt hat, um es unkenntlich zu machen. Nach 25–26 -Tagen schlüpfen die Jungen aus, die bald von der Mutter zur Äsung vom -Neste weggeführt werden und schon nach 12 Tagen so weit sind, daß -sie ein wenig flattern können. Wenn sie dann Wachtelgröße erreicht -haben, bäumen sie abends regelmäßig mit den Alten. Bis in den Herbst -hinein halten sich die Jungen bei der Mutter auf, dann trennen sich -zuerst die Hähne und gegen das Frühjahr hin auch die Hennen, die -nunmehr fortpflanzungsfähig geworden<span class="pagenum"><a id="Seite_334"></a>[S. 334]</span> sind, von ihr. Sie haben viele -Feinde und unterliegen bei uns weit eher als alle ihre Verwandten -Witterungseinflüssen. Die Fasanen lassen sich leicht untereinander -und mit dem ihnen nahe verwandten Haushuhn kreuzen. Somit haben wir -die Aussicht, durch kunstgemäße Bastardierung und Fortzucht der -Bastarde noch eine ganze Reihe schöner Schmuckvögel aus dem Geschlecht -der Fasanen zu erhalten, die dazu berufen sind, einmal unsere von -Wildhühnern verödeten Landschaften zu beleben und den Augen erfreuliche -Bilder zu spenden. Während der gemeine Fasan sich schon seit dem 14. -Jahrhundert von den Rheinniederungen aus als Jagdwild über Süd- und -Mitteldeutschland verbreitete, aber erst spät nach Norden gelangte — -er wird in Preußen erst 1678 als Jagdwild erwähnt —, bürgerte sich der -schöne Königsfasan erst neuerdings auf den Donauinseln bei Wien und in -Frankreich ein.</p> - -<p>Der prächtige Goldfasan ist vermutlich der sagenhafte Vogel -<em class="gesperrt">Phoinix</em> der alten Griechen; wenigstens paßt die zuerst von -Herodot gegebene Beschreibung desselben am besten auf diesen Vogel, -der wohl schon im frühen Altertum in einzelnen Exemplaren aus Ostasien -durch Vermittlung indischer Schiffer an die Küsten des Roten Meeres -und zu den Ägyptern gelangte. Nach Oppian sollte er in Indien leben -und nie von Menschen verfolgt werden. Er lebe sehr lange, fühle er -sich aber altersschwach, so baue er sich auf einer Felsenspitze aus -dürrem Reisig einen Scheiterhaufen und lege sich darauf. Von der Sonne -entzündet, verbrenne dann der Scheiterhaufen samt dem Vogel und statt -des toten steige ein junger Phönix aus den Flammen hervor. Nach dem -älteren Plinius soll der in Arabien lebende Phönix die Größe eines -Adlers erreichen, am Halse mit Goldfarbe glänzen, übrigens purpurfarbig -sein und im Schwanze himmelblaue und rosenrote Federn haben; sein Kopf -soll oben mit einem Federbusch, unten mit Kammlappen geziert sein. -Unter den Römern sei der Gelehrte Senator Manilius der erste gewesen, -der genauere Nachrichten über diesen Vogel gab. Zur Zeit des Kaisers -Claudius im Jahre 34 n. Chr. sei einer nach Rom gebracht und öffentlich -dem Volke gezeigt worden; doch galt er nicht für echt, da er Gerste, -Weizen und Brot fraß und eines gewöhnlichen Todes starb, ohne vorher -sein berühmtes Nest gebaut zu haben. Der römische Geschichtschreiber -Tacitus meldet, daß vor diesem einer zur Zeit des Sesostris (Senwosret -III., 1887–1849 v. Chr., der das nördliche Nubien unterwarf und -für sich die Stufenpyramide von Dahschûr erbaute), ein anderer zur -Zeit des Amasis (Ahmose, 570 bis<span class="pagenum"><a id="Seite_335"></a>[S. 335]</span> 526 v. Chr.), ein dritter zur Zeit -des Ptolemäus III. (Euergetes, 247 bis 221 v. Chr.) nach der -Sonnenstadt Heliopolis in Ägypten geflogen und jeweilen von einer Menge -neugieriger Vögel begleitet und bewundert worden sei. Jedenfalls sei -es eine ausgemachte Sache, daß dieser Vogel sich bisweilen in Ägypten -sehen lasse. Später schrieb dann der im 4. Jahrhundert n. Chr. lebende -Lactantius ein eigenes Gedicht über den Phönix, dessen Gestalt zwischen -Pfau und gemeinem Fasan in der Mitte stehe und dessen Gang leicht, -rasch und voll königlichen Anstandes sei.</p> - -<p>Unbekannt war den Alten selbstverständlich das erst nach der -Entdeckung Amerikas durch spanische Vermittlung nach Europa gelangte -<em class="gesperrt">Truthuhn</em> oder der <em class="gesperrt">Puter</em> (<span class="antiqua">Meleagris gallopavo</span>). -Neben dem Kakao und der Cochenille verdanken wir den alten -Mexikanern die Zähmung des dort und im Süden der Vereinigten Staaten -einheimischen Truthuhns, das bei ihnen und den weiter südlich wohnenden -Mayastämmen neben dem zahmen Hund die Hauptquelle für Fleischnahrung -bildete. Das Truthuhn lebt heute noch, soweit es nicht in dichter -besiedelten Gegenden ausgerottet wurde, in den Wäldern des südlichen -Nordamerika. Einst war es besonders in den Staaten Ohio, Kentucky, -Illinois, Arkansas und Alabama sehr häufig. Die beste Schilderung des -freilebenden Tieres verdanken wir dem nordamerikanischen Ornithologen -John James Audubon (1780–1851). Dieser schreibt von ihm, daß es -zeitweilig in großen Gesellschaften lebe und unregelmäßige Wanderungen -antrete, indem es tagsüber nahrungsuchend auf dem Boden fortlaufe, -nachts aber auf hohen Bäumen raste. Gegen den Oktober hin, wenn noch -wenige von den Baumsamen hinabgefallen seien, reisten die Truthühner -dem Tieflande des Ohio und Mississippi zu, wo sie mehr Äsung fänden. In -nahrungsreichen Gegenden pflegten sie sich in kleinere Gesellschaften -zu zerteilen. Wenn sie sich, von der Wanderung ermattet, Bauernfarmen -näherten, mischten sie sich gern unter den Hühnerstand. Im Frühjahre -fände die Paarung statt, wobei die Männchen die uns allen bekannten -Werbungstänze, von den schnell aufeinanderfolgenden rollenden Tönen -begleitet, aufführten. Das Nest bestehe aus einer seichten, liederlich -mit Federn ausgekleideten Vertiefung im Boden; das Gelege bestehe aus -15–20 auf dunkelrauchgelbem Grunde rotpunktierten Eiern, die von der -Henne mit Ausdauer bebrütet würden. Falls diese das Nest verlasse, -decke sie die Eier sorgsam mit trockenen Blättern zu, so daß es -schwer sei, überhaupt ein Nest aufzufinden, wenn man nicht gerade die -brütende<span class="pagenum"><a id="Seite_336"></a>[S. 336]</span> Mutter davon aufscheuche. Zuweilen geschehe es, daß mehrere -Hennen in ein gemeinsames Nest legten und es zusammen bebrüteten. -Die Jungen seien schon nach 14 Tagen befähigt, mit den Alten abends -aufzubäumen.</p> - -<p>Der Truthahn wird besonders gern während der Balz, die er zuweilen -auf Bäumen abhält, erlegt. Häufig werden die dummen Tiere in Fallen -gefangen, in die man Mais als Lockspeise gestreut hat. Ihr Fleisch ist -in ihrer Heimat sehr beliebt. Der erste Europäer, der das Truthuhn -erwähnt, ist der Spanier Oviedo, der in seiner Geschichte Indiens -schreibt: „In Neuspanien gibt es sehr große und schmackhafte Pfauen, -von welchen viele nach den Inseln und die Provinz Castilia de Oro -geschafft worden sind und daselbst in den Häusern der Christen ernährt -werden. Die Hennen sehen unansehnlich aus, die Hähne aber sind schön, -schlagen auch oft ein Rad, obgleich sie keinen so großen Schweif -haben als die Pfauen in Spanien.“ Um 1523 soll der Erzbischof von -San Domingo, Alessandro Geraldini, das erste Paar Truthühner nach -Rom gesandt haben. Als „indische Hühner“ haben sie sich in der Folge -langsam verbreitet, waren aber 1557 noch so selten und kostbar, daß der -Rat von Venedig bestimmte, auf welche Tafel sie kommen dürften und auf -welche nicht. 1571 wurden sie nach Konrad von Heresbach in ziemlicher -Zahl am Niederrhein gezogen. Schon 1560 hatte man bei einer großen -Hochzeit zu Arnstadt 150 Stück; 1561 bezahlten die reichen Fugger in -Augsburg zwei erwachsene Truthähne mit 3<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Gulden und zwei junge -Hähne mit 2 Gulden per Stück.</p> - -<p>Nach England sollen die ersten Truthühner 1524, nach Deutschland 1534 -gekommen sein. Gleichzeitig gelangten sie auch nach Frankreich. Nach -Pennant soll 1585 der Truthahn urkundlich zuerst auf einem englischen -Weihnachtstisch erschienen sein. In der Folge gewann er hier als -beliebtester Weihnachtsbraten eine große Bedeutung. Merkwürdigerweise -gab man ihm hier den Namen <span class="antiqua">turkey</span> im Sinne von „weither -gebrachtes Huhn“. Die Türken selbst, die das Truthuhn verhältnismäßig -früh erhielten, nannten es „Frankenhuhn“, weil sie es von den Franken, -den Christen Europas, erhielten. Im Jahre 1625 wollte es in Kairo noch -nicht gedeihen; jetzt hat es dort die Gans als Festbraten verdrängt. Es -heißt hier Maltahuhn. Nach Persien brachte es der französische Reisende -Tavernier. In Indien gedeiht es nicht recht und bleibt klein, ebenso -auf Malakka und Java, wo es sich manchmal überhaupt nicht fortpflanzt. -Um 1870 waren sie in<span class="pagenum"><a id="Seite_337"></a>[S. 337]</span> Annam neu eingeführt. In China werden sie nur -als Rarität gehalten und nicht benutzt. An der Küste von Oberguinea -traf sie Bosmann 1705 auf den Gehöften der Europäer, doch sind sie -nicht in den Besitzstand der Neger übergegangen. Die Indianer des -nördlichen Südamerika dagegen hatten von den mittelamerikanischen -Kulturvölkern, speziell dem Stamme der Mayas, das Truthuhn übernommen; -so traf es 1860 der englische Naturforscher Bates im Besitze der -Indianer am Amazonenstrom. Schon seit langer Zeit hatten diese allerlei -einheimische Waldhühner, so den <em class="gesperrt">Hokko</em> und die <em class="gesperrt">Penelope</em>, -in ihren Hütten gezähmt gehalten. Doch geschah dies nur zum Vergnügen, -ohne irgend welchen Nutzen aus ihren Pfleglingen zu ziehen. Aber zur -Fortpflanzung in der Gefangenschaft und zur eigentlichen Haustierschaft -gelangten sie nie. Man kann daraus schließen, daß es keineswegs leicht -ist, aus einem ohne Schwierigkeit zähmbaren und vielgehaltenen Tier ein -Haustier zu machen.</p> - -<p>Die in der Kultur hoch gestiegenen Azteken Mexikos und Mayastämme -Yucatans hatten das Truthuhn jedenfalls schon lange vor der -Einwanderung der Europäer gezähmt. Dies beweist, daß die ersten Spanier -in deren Besitz schon durch fortgesetzte Inzucht zu Leucismus gelangte -weiße Truthühner antrafen. Die europäischen Ansiedler Nordamerikas, die -jedenfalls ihre Truthühner aus ihrer alten Heimat, besonders England, -mitgebracht hatten, legten ihren Truthennen mit Vorliebe die Eier der -wilden unter, um dann mit den Jungen der wilden Zucht das Blut ihrer -zahmen aufzufrischen. Überhaupt scheint das Truthuhn verhältnismäßig -leicht zähmbar zu sein und auch leicht zu verwildern. So ist es im -vergangenen Jahrhundert mehrfach in englischen Parks verwildert, ebenso -in Deutschland. Darwin fand nahezu verwilderte Truthühner am Parana in -Südamerika. Vielleicht hat sich das Truthuhn mit dem Pfau, nicht aber -mit dem Haushuhn gekreuzt, wie einzelne Berichte melden. Neuerdings -sucht man es als Jagdvogel bei uns einzuführen, was wohl keine -Schwierigkeiten haben wird, da es sich leicht akklimatisiert.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_338"></a>[S. 338]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XVI_Gans_Ente_und_Schwan">XVI. Gans, Ente und Schwan.</h2> - -</div> - -<p>Die in den Haustierstand übergetretenen Schwimmvögel gehören alle -der Familie der Zahnschnäbler oder Entenvögel an, die ebenso wie die -bereits besprochenen Hühnervögel vielfach erhebliche Unterschiede -in der Färbung des Gefieders beider Geschlechter erkennen lassen, -besonders was die Wildenten betrifft. Ihre geistige Begabung wird -vielfach zu niedrig angeschlagen, so daß die Bezeichnung „dumme -Gans“ geradezu sprichwörtlich geworden ist. Jedenfalls ist sie -durchschnittlich höher als bei den übrigen Schwimmvögeln. Nur die -gezähmten Vertreter derselben haben durch jahrhundertlange Bevormundung -durch den Menschen von der Intelligenz ihrer freien Ahnen erheblich -eingebüßt. Allen Mitgliedern der Sippe ist große Geselligkeit und -eine ausgesprochene Fürsorge für die Brut eigen. Soweit sie sich dem -Menschen anschlossen, verlangen sie auch im Haustierstande die Nähe -von Teichen oder langsam fließenden Wasserläufen, um sich darauf zu -tummeln, zu baden und nach allerlei kleinem Getier und pflanzlichen -Stoffen zu gründeln.</p> - -<div class="figcenter illowe31_5625" id="bild47" > - <img class="w100" src="images/bild47.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 47. Jagd auf Wildenten und anderes Wassergeflügel - mit dem Wurfstock (Bumerang). (Nach Wilkinson.)<br /> - Hinter dem Herrn steht dessen Gattin und davor das Töchterchen, das - seinen Vater auf die Gans vor ihm aufmerksam macht. Zu oberst stürzt - eine Wildgans, vom Wurfholz getroffen, herunter.</div> -</div> - -<p>Von ihnen trat die Wildgans als die verhältnismäßig am leichtesten -zähmbare zuerst in die Abhängigkeit des Menschen, und zwar begegnen -wir ihr im wasserreichen Ägypten zuerst als Haustier. Dort hatte man -schon sehr früh außer der Gans auch Reiher und Kraniche eingefangen und -nach Stutzung der Flügel eingehegt in kleinen, von Hirten getriebenen -Herden gehalten. Dann haben auch die Griechen und Römer der späteren -Zeit nicht nur <em class="gesperrt">Kraniche</em> gefangen, um sie als geschätzten Braten -zu essen, sondern auch zuvor in besonderen Gehegen gemästet. So klagt -Plutarch über die Grausamkeit mancher Leute, die den zum Mästen -eingesperrten Kranichen und Schwänen die Augenlider zusammennähen. -Schon Platon erwähnt Anstalten zum Füttern von Gänsen und Kranichen. -Später berichtet der Römer Varro zu Ende der Republik, daß Sejus eine -Villa besitze, auf der<span class="pagenum"><a id="Seite_339"></a>[S. 339]</span> große Herden von Gänsen, Hühnern, Tauben, -Kranichen, Pfauen, Siebenschläfern, Fischen, Wildschweinen und anderem -Wild gehalten würden, wodurch er ein jährliches Einkommen von 50000 -Sesterzien (= 7500 Mark) erziele. Noch lange erhielt sich in Italien -die Vorliebe für Kranichbraten, zu dessen kunstgerechter Zubereitung -der Feinschmecker Apicius die nötige Anweisung gab. <em class="gesperrt">Reiher</em> -wurden von den Römern der Kaiserzeit kaum gegessen, wohl aber -<em class="gesperrt">Störche</em>. So sagt Horaz in einer seiner Satiren, der Storch sei -in seinem Neste sicher gewesen, bis man durch einen gewesenen Prätor -erfuhr, daß er vortrefflich schmeckt. Nach Porphyrio war es Asinius -Sempronius Rufus, der die Sitte einführte, junge Störche zu essen. -Auch <em class="gesperrt">Flamingos</em> waren bei den<span class="pagenum"><a id="Seite_340"></a>[S. 340]</span> römischen Feinschmeckern beliebt. -So berichtet Plinius, der Erzschwelger Apicius habe die Römer darauf -aufmerksam gemacht, daß die dicke Zunge des Flamingo vortrefflich -schmeckt. Martialis erwähnt sie als Leckerbissen für Leckermäuler, und -Suetonius berichtet: „Kaiser Vitellius war im Essen ganz unmäßig und -ließ, nebst anderen Leckerbissen, auch Flamingozungen auftischen.“ Nach -Älius Lampridius ließ der schwelgerische Kaiser Heliogabalus bei seinen -großen Schmausereien auch Gehirn von Flamingos auftragen.</p> - -<p>Alle diese Wasservögel sind aber nie gezüchtet oder gar zu Haustieren -erhoben worden. Nur die Gans wurde es, und zwar waren nach den auf -uns gekommenen Darstellungen an den Wänden der altägyptischen Gräber -diese Gänse im Alten Reich viel schlanker und zierlicher als die -plumpen Gestalten unserer hochgezüchteten jetzigen Gänse. In einem -altägyptischen Gau war der Erdgott Keb mit der ihm heiligen Gans über -dem Kopfe dargestellt und wurde „der große Gackerer“ genannt. Den -alten Ägyptern war das Gänseei das Symbol des Welteies, aus dem die -ganze Schöpfung hervorgegangen sein sollte. Die Eier des von ihnen -gezähmten Tieres aßen sie wohl deshalb nicht, doch spielte der Braten -von erlegten wilden, wie auch später von zahmen Gänsen eine bedeutende -Rolle im Leben der Ägypter; denn unter den Opferspeisen, die den -vornehmen Toten dargebracht wurden, steht solcher mit an erster Stelle.</p> - -<p>Die Stammform dieser altägyptischen Gans war nun nicht diejenige -unserer europäischen Gänse, von der alsbald die Rede sein wird, sondern -die die afrikanischen Gewässer bewohnende, durch ihre auffallend -schöne Zeichnung ausgezeichnete <em class="gesperrt">Nilgans</em> (<span class="antiqua">Chenalopex -aegyptiacus</span>). Sie besucht von Afrika und Syrien aus ziemlich -regelmäßig Südeuropa, aber nur ausnahmsweise Deutschland. Sie vertritt -die Gattung der Baumgänse und kennzeichnet sich durch ihre schlanke -Gestalt, den dünnen Hals, großen Kopf, kurzen Schnabel, die hohen -Füße, die breiten Flügel und das prachtvolle Gefieder. Kopfseiten -und Vorderhals sind gelblichweiß und fein gesprenkelt; ein Fleck um -das Auge, der Hinterhals und ein breiter Gürtel am Mittelhals sind -rostbraun, das Gefieder der Oberseite grau und schwarz, das der -Unterseite fahlgelb, weiß und schwarz quergewellt, die Mitte der Brust -und des Bauches lichter, erstere durch einen großen, rundlichen, -zimtbraunen Flecken geschmückt, die Steißfedern schön rostgelb, die -Flügeldecken weiß, gegen die Spitze zu schwarz, prachtvoll metallisch -schimmernd, die Schwingenspitzen und Steuerfedern glänzend schwarz.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_341"></a>[S. 341]</span></p> - -<p>Der schöne Vogel bewohnt ganz Afrika, besonders soweit es mit einem -Waldsaum eingefaßte Ströme besitzt, da er am liebsten im Walde und auf -Bäumen nistet. Im nördlichen Nilgebiet bilden Inseln und Sandbänke -im Strom seinen bevorzugten Aufenthalt. Von ihnen aus fliegt er -dann auf die Felder hinaus, um daselbst zu äsen. Er ist überaus -vorsichtig, scheu und mißtrauisch, daneben aber auch streitsüchtig mit -Geschlechtsgenossen.</p> - -<p>Die Zähmung der einheimischen Nilgans wurde schon sehr früh von den -alten Ägyptern bewerkstelligt, so daß sie zweifellos als der älteste im -Niltal domestizierte Vogel anzusehen ist. Schon auf den Grabgemälden -des Alten Reiches (2980–2475 v. Chr.) sehen wir Bäuerinnen Gänse dieser -Art auf den Markt oder in den Tempel zum Opfer bringen. Auf anderen -sehen wir, wie Nilgänse gestopft werden, um sie fett zu machen, oder -wie an einem Bratspieß in glühender Asche Gänsebraten kunstgerecht -hergestellt wird. Erst im Neuen Reich (1580–1205 v. Chr.) wird dazu ein -über dem Feuer stehender Metallkessel verwendet, wobei der Küchenjunge -zum Umwenden des Bratens sich einer großen zweizinkigen Gabel bedient. -Wir sehen auch Geflügelhändler sie gerupft in ihrem Laden feilbieten, -dessen Wand eine ganze Reihe dieser gemästeten Vögel birgt, die fein -säuberlich ausgenommen waren und durch ihre appetitliche Auslage zum -Kaufen einluden.</p> - -<div class="figcenter illowe28_4375" id="bild48" > - <img class="w100" src="images/bild48.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 48. Geflügelladen im alten Ägypten mit teilweise - gemästeten Gänsen.<br /> - (Nach Wilkinson.)</div> -</div> - -<p>Wie hoch die Zucht der Nilgans im Neuen Reiche Ägyptens entwickelt war, -zeigt uns ein im Britischen Museum in London auf<span class="pagenum"><a id="Seite_342"></a>[S. 342]</span>bewahrtes Gräberbild -aus Theben, auf dem ganze Herden von Gänsen und ganze Körbe voll -geschlachteter Leiber derselben einem hohen Beamten vorgeführt werden. -Dabei werden die sich herandrängenden Gänsehirten von den Aufsehern -zur Ruhe gewiesen. Auf diesem, wie auf den anderen altägyptischen -Bildern, ist die Darstellung der Nilgans ungemein naturgetreu. -Merkwürdigerweise ist diese Zucht, die über 2000 Jahre hindurch von der -größten wirtschaftlichen Bedeutung für Ägypten war, späterhin spurlos -verschwunden. Weder im Niltal noch sonstwo in Afrika läßt sich irgend -welche Spur der Erhaltung dieser einstigen Gänsezucht nachweisen. In -Europa wurde sie gelegentlich wieder aufzunehmen versucht; doch wurde -die Nilgans nicht mehr in den Haustierstand erhoben, sondern sie wird -nur gelegentlich als Ziervogel gehalten. Nach J. Geoffroy St. Hilaire -ist 1839 in Frankreich die Aufzucht dieses Tieres mit gutem Erfolg -gelungen. Die gezüchteten Exemplare nahmen nach und nach an Größe zu -und die Befiederung wurde etwas heller. Gleichzeitig gelang es von 1844 -an, die Brutzeit zweckmäßig zu verschieben, indem die Eiablage vom -Ende Dezember oder Anfang Januar bis 1846 in den März und später in -den April hinausgeschoben wurde. Leider wurde dieser vielversprechende -Versuch nicht weitergeführt und die Zucht der Nilgans aufgegeben, -bevor sie wiederum zum wirklichen Hausvogel, wie sie es einst im alten -Ägypten gewesen, geworden war.</p> - -<div class="figcenter illowe34_0625" id="bild49" > - <img class="w100" src="images/bild49.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 49. Gänsebraterei im alten Ägypten.<br /> - <span class="antiqua">a</span>) Zerkleinerte Gänse in einem Kessel, - <span class="antiqua">d</span>) Sieden in einem Kessel, - <span class="antiqua">f</span>) Braten von Gänsen am Spieß. (Nach Wilkinson.)</div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_343"></a>[S. 343]</span></p> - -<p>Außer der Nilgans scheinen die Ägypter noch drei andere Arten von -Wildgänsen gezähmt und mit gestutzten Flügeln in Herden gehalten zu -haben. Dies dürfen wir vor allem nach dem berühmten Wandgemälde des -Alten Reiches, das unter dem Namen die „Gänse von Meidum“ bekannt ist, -schließen. Darauf sehen wir nach Gaillard und Lortet weidende Graugänse -(<span class="antiqua">Anser cinereus</span>), dann Bläßgänse (<span class="antiqua">Anser albifrons</span>) und -Rothalsgänse (<span class="antiqua">Branta ruficollis</span>). Immerhin war diese Zucht nur -sehr vereinzelt und ohne volkswirtschaftliche Bedeutung, da sie sehr -bald aufgegeben wurde.</p> - -<p>Die Stammform unserer <em class="gesperrt">Hausgans</em> ist nicht die afrikanische -Nilgans, sondern die in Europa und Nordasien heimische, auf dem -Rücken bräunlichgraue, auf der Unterseite gelblichgraue, spärlich und -unregelmäßig gefleckte <em class="gesperrt">Grau-</em> oder <em class="gesperrt">Märzgans</em> (<span class="antiqua">Anser -cinereus</span>). Sie gehört mehr den gemäßigten Gegenden als dem hohen -Norden an und ist die einzige der bei uns vorkommenden Arten, die -in Deutschland brütet. Hier erscheint sie schon Ende Februar oder -Anfang März, also noch vor der eigentlichen Schneeschmelze in kleinen -Gesellschaften, um, wie dies wenigstens früher der Fall war, an allen -größeren stehenden Gewässern in schwer zugänglichem Schilfdickicht -oder mit Gesträuchern und hohem Gras bewachsenen Inseln zu brüten und -nach Beendigung der Mauser Ende Juli wieder nach Süden abzuziehen, -wo sie den Winter verbringt. Treu halten die Familien zusammen. Die -im Gegensatz zu den überaus schwerfällig gewordenen Hausgänsen viel -rascher und zierlicher sich bewegenden, gut und ausdauernd fliegenden, -gewandt schwimmenden und bei großer Gefahr in gewisse Tiefe tauchenden -wilden Graugänse beweisen einen scharfen Verstand und zeigen sich sehr -vorsichtig und mißtrauisch. Nur die Hausgänse erfreuen sich, als ob -sie die nahe Verwandtschaft herausfühlten, ihrer Zuneigung, indem sie -sich diesen auf den Weideplätzen oft nähern, ja einzeln sich nicht -selten unter diese mischen. In die aus allerlei Stengeln und Halmen -von Schilf, Rohr oder Binsen unordentlich und locker hergestellten -und mit einer dicken Daunenlage ausgepolsterten Nester legen die -jüngeren Weibchen 5–6, die älteren dagegen 7–14 durchaus denen der -Hausgans gleichende, glattschalige, glanzlose, etwas grobkörnige -Eier von grünlichweißer oder trübgelblicher Färbung. Am 28. Tage der -Bebrütung entschlüpfen die Jungen, werden noch etwa einen Tag lang im -Nest festgehalten, dann auf das Wasser geführt und zum Futtersuchen -angeleitet. Später werden Wiesen und Felder zum Äsen aufgesucht. -Abends kehrt alt und jung noch zum Nest<span class="pagenum"><a id="Seite_344"></a>[S. 344]</span> zurück. Nach ungefähr zwei -Wochen wird dieses für die inzwischen heranwachsenden Jungen zu klein -und letztere nehmen bald hier, bald dort, dicht neben der Mutter -hingekauert, ihre Schlafstelle ein.</p> - -<p>Jung eingefangene Graugänse werden bald zahm, doch verleugnen sie, -sobald sie erwachsen sind, so wenig als die von Hausgänsen erbrüteten -und erzogenen Wildgänse, ihren Freiheitsdrang und Wandertrieb. Sie -beginnen zu fliegen und ziehen, wenn man sie nicht gewaltsam zurückhält -und ihnen die Flügel stutzt, im Herbst mit anderen Wildgänsen nach -Süden. Zuweilen geschieht es, daß einzelne zurückkommen und das Gehöft, -in welchem sie großgezogen wurden, wieder aufsuchen; aber sie gehören -doch zu den Ausnahmen. Von vier im Hause erbrüteten und erwachsenen -wilden Graugänsen, die Boie beobachtete, entzogen sich nach und nach -drei der Obhut ihrer Pfleger; eine aber kehrte im nächsten Frühling -und in der Folge noch 13 Jahre lang zu dem Gut zurück, auf welchem man -sie aufgezogen hatte, bis sie endlich ausblieb, also wohl ihren Tod -gefunden haben mußte. Sie stellte sich in den 13 Jahren nie früher als -den 1. und nie später als den 4. April, also mehrere Wochen später als -die übrigen Gänse ein, zeigte sich auf dem Hofe sehr zahm, außerhalb -aber ebenso scheu als die wilden ihresgleichen, kam in den ersten -Wochen nach ihrer Rückkunft gewöhnlich morgens und abends, um sich -Futter zu holen, blieb auch wohl eine halbe bis eine ganze Stunde, flog -dann jedoch immer wieder zurück, und zwar sofort dem nahen See zu, so -daß man auf die Vermutung geriet, sie möge dort ihr Nest haben. Von der -Zeit an, in welcher die wilden Gänse Junge auszubringen pflegen, blieb -sie länger auf dem Hof, und später hielt sie sich beständig dort auf. -Abends 10 Uhr erhob sie sich regelmäßig und flog stets in derselben -Richtung davon, dem See zu.</p> - -<p>Das Wildbret der alten Graugänse ist zwar hart und zähe, dasjenige der -Jungen dagegen zart und außerordentlich schmackhaft. So ist es kein -Wunder, daß die Tiere von alters her vom Menschen erbeutet wurden, um -als willkommene Nahrung zu dienen. Wie wir Überreste dieser Wildgänse -unter den Speiseabfällen der frühneolithischen Kjökkenmöddings der -Muschelesser Dänemarks antreffen, so begegnen wir ihnen, wenn auch -allerdings selten, in denjenigen der Pfahlbauzeit. Doch gezähmt kannten -die vorgeschichtlichen Europäer die Gans durchaus nicht, obwohl ihr -gleichende Vögel nebst Rinderköpfen auf einem bei Frankfurt an der Oder -gefundenen heiligen Wagen der Bronzezeit dargestellt sind. Letztere -waren der Gottheit geweihte wilde Tiere.<span class="pagenum"><a id="Seite_345"></a>[S. 345]</span> Im alten Babylonien finden -wir Gewichte in Gestalt eines Schwimmvogels, der vermutlich ebenfalls -eine Gans darstellt. In Indien, wo der Vogel Henza eine wichtige -mythologische Rolle spielt, hat man mehrfach Gänsefiguren in Gräbern -gefunden, so daß man annehmen darf, daß diesem Vogel in den religiösen -Anschauungen der dortigen Bewohner eine gewisse Bedeutung zukam. In -Birma sind nach Yule heute noch Gewichte in Gebrauch, von denen die -Eingeborenen wissen, daß sie Gänse darstellen. Daraus schließt Eduard -Hahn, daß die Gänsezucht im alten Babylonien wie in Ägypten in Blüte -gestanden haben muß und von dort weiter östlich verbreitet wurde. -Es ist dies wohl möglich, ja wahrscheinlich, weil dort viele Kanäle -diesen Wasservögeln Gelegenheit zum Baden und Tauchen gewährten. -Doch haben die solcher Wasseransammlungen entbehrenden Juden diesen -Nutzvogel weder von dort noch von Ägypten her übernehmen können. In den -heiligen Schriften der Juden wird die Gans nirgends erwähnt; erst seit -dem Mittelalter ist bei den nach Europa gekommenen und hier häuslich -niedergelassenen Juden der Genuß von Gänsefleisch und von Gänsefett -zum Schmälzen des Rindfleisches, da ihr Gesetz die Verwendung von -Rinderfett oder Butter zu letzterem verbietet, sehr beliebt geworden.</p> - -<p>Dagegen hielten bereits die Griechen des homerischen Zeitalters zahme -Gänse in kleinen Herden. Im Hofe des Königs Menalaos von Sparta, dem -Bruder des mächtigen Herrschers des „goldreichen Mykene“, Agamemnon, -gab es schon, wie uns im 15. Gesang der Odyssee berichtet wird, -die „sehr große, gemästete, weiße Gans“, auf welche ein Raubvogel -hinabstößt. Diese kennzeichnenden Beiwörter legen Zeugnis dafür ab, -daß wir es hier mit einem sehr alten, schon längst in der menschlichen -Zucht und Pflege befindlichen Tiere zu tun haben, bei dem sich der bei -Haustieren so weit verbreitete Leucismus schon vollkommen ausgebildet -hatte. Wahrscheinlich hatten die alten Griechen die weiße Hausgans von -Norden her erhalten. Da die wilde Stammform in Südeuropa nicht brütet, -sondern im Herbst mit bereits erwachsenen Jungen in das Gebiet des -Mittelmeeres fliegt, so ist sie wohl in ihrem südlichsten Brutbezirk, -in Mitteleuropa, irgendwo von vermutlich indogermanischen Stämmen in -die Haustierschaft gebracht worden. Hier konnten leicht nach Tötung der -Mutter erbeutete junge Wildgänse in des Menschen Pflege herangezogen -und später durch Brechen der Flügel vor dem Davonfliegen beim -Größerwerden bewahrt werden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_346"></a>[S. 346]</span></p> - -<p>Bei den Griechen galt die Gans für einen lieblichen Vogel, dessen -Schönheit bewundert wurde und der zu Geschenken an geliebte Knaben -und Mädchen diente. Als Ziervogel erscheint sie auch im 19. Gesang -der Odyssee, wo von Penelope, der treuen, von Freiern viel umworbenen -Gattin des Odysseus, als sie ihrem unbekannten, in Bettlergestalt ihr -gegenübersitzenden Gemahl ihren Traum erzählt, gesagt wird, sie besitze -— nicht draußen bei der Ökonomie, sondern bei der Wohnung — 20 Gänse, -die anzusehen ihr Freude mache. Diese ausdrücklich hervorgehobene Zahl -scheint offenbar einen nicht unbedeutenden Reichtum darzustellen. -Nach späterer griechischer Vorstellung sind Gänse wachsame Hüterinnen -des Hauses. So war auf dem Grabe einer guten Hausfrau unter andern -Emblemen eine Gans abgebildet, um die Wachsamkeit der Verstorbenen -hervorzuheben. In der bekannten Fabel des aus Kleinasien gebürtigen -Äsopos ist von der Gans die Rede, die goldene Eier legt. Hier erscheint -also dieses Tier genau in der Stellung wie bei uns das Huhn, in -China aber die Ente, die dort zur Eierlegerin herangezüchtet wurde. -Aristoteles berichtet von der Gans, daß sie 30 Tage brütet und der -Gänserich ihr dabei nicht helfe. Sonst fließen die literarischen -Quellen über dieses Tier bei den Griechen nur spärlich.</p> - -<p>Sehr viel häufiger finden wir dagegen die Gans bei den Römern erwähnt, -bei denen sie als Nutztier eine erhebliche Bedeutung besaß. Der -römische Ackerbauschriftsteller Columella im 1. Jahrhundert n. Chr. -schreibt von ihr in seinem Buche über Landwirtschaft: „Die Gans wird -vom Landmann sehr gern gehegt und gepflegt, weil man sich mit ihr -nicht viel Mühe zu geben braucht und weil sie sorgfältiger wacht als -ein Hund; denn sie verrät durch ihr Geschrei den Spitzbuben ganz -sicher, wie sie denn einmal durch ihre Wachsamkeit das Kapitol (vor dem -Überfall durch die Gallier oder Kelten) gerettet hat. Zur Gänsezucht -gehört übrigens Wasser und viel Gras; auf Saatfeldern darf sie nicht -weiden, denn sie reißt da die zarten Pflänzchen ab. Sie liefert nicht -bloß Junge, sondern auch Federn, die man jährlich zweimal, im Frühling -und Herbst, ausrupfen kann. Auf drei Gänse hält man einen Gänserich. -Gewöhnlich beschränkt man die Zahl der Gänse auf wenige. Will man aber -ganze Herden davon halten, so muß man einen See oder Teich oder Fluß -für sie haben. Man baut dann für sie allein einen Hof, umgibt ihn mit -einer neun Fuß hohen Mauer, diese an der Innenseite mit einem Gang, der -ein Dach hat und eine Wohnung für den Wärter enthält. Rings im Gange -werden für einzelne Gänse<span class="pagenum"><a id="Seite_347"></a>[S. 347]</span> steinerne Verschläge gebaut, wovon jeder -drei Fuß im Geviert mißt und eine feste Türe hat.</p> - -<p>Außer dem Wasser müssen die Gänse auch Wiesen haben, ferner müssen -Äcker für sie bestimmt sein, welche mit Wicken, Klee, sogenanntem -griechischem Heu (Bockshornklee), vorzüglich aber mit Salat und einer -Art Zichorie, welche die Griechen <span class="antiqua">seris</span> nennen, besät sind; denn -diese weichen Blätter fressen die Gänse besonders gern und sie bekommen -den Jungen vortrefflich. Man hält womöglich nur weiße Gänse, da sie die -besten sind. Das Brüten beginnt im Februar oder März. Läßt man eine -Gans nicht brüten, so legt sie jährlich zu drei verschiedenen Zeiten -Eier, erst fünf, dann vier, dann drei. Man läßt die Eier am liebsten -von Haushühnern ausbrüten, auch die Jungen von diesen oder von den -Gänsen selbst führen. Zur Legezeit muß man gut auf die Gänse aufpassen -und diejenigen, bei welchen man das erste reife Ei fühlt, einsperren, -bis sie gelegt haben. Hat man das beim ersten Ei getan, so sucht dann -die Gans für jedes andere dasselbe Nest wieder auf. Einem Haushuhn darf -man nur drei bis höchstens fünf Gänseeier unterlegen, der Gans selbst 7 -bis 15. Unter das Neststroh muß man Nesseln mischen; dadurch beugt man -vor, daß später die jungen Gänschen nicht sterben, wenn sie von Nesseln -gestochen werden. Gewöhnlich kriechen die Gänschen am 30. Tage aus dem -Ei, bei warmem Wetter auch früher. Wie bei andern jungen Tieren, so muß -auch bei den Gänschen dafür gesorgt werden, daß sie keine Natter, keine -Otter, keine Katze, kein Wiesel anhauchen kann, geschieht es doch, -so sind die zarten Wesen unrettbar verloren.“ Selbstverständlich ist -letzteres eine abergläubische Ansicht, wie solche bei den Römern wie -bei den andern Völkern des Altertums sehr zahlreich verbreitet waren.</p> - -<p>Es gab damals bei den Römern, wie uns der gelehrte Varro zu Ende der -Republik berichtet, eigentliche Gänsezüchtereien, die man mit dem -griechischen Worte <span class="antiqua">chēnoboskeíon</span> bezeichnete. „Scipio Metellus -und Marcus“, fährt dieser Autor fort, „besitzen große Gänseherden. -Sejus schaffte große und weiße an; er hoffte von ihnen eine ebensolche -Nachkommenschaft zu ziehen. Es gibt auch eine bunte (graue) Gänserasse, -die man die wilde nennt, die sich nicht gern mit zahmen zusammentut -und nicht leicht zahm wird. Man füttert sie mit der speziell für sie -angepflanzten <span class="antiqua">seris</span> oder mit Gerste oder anderem Getreide oder -gemischtem Futter. Zur Mast nimmt man Junge von 4 bis 6 Monaten, sperrt -sie in einen Verschlag, gibt ihnen eine mit Wasser naßgemachte Mischung -von Gerstengraupen und Mehl, so daß sie sich<span class="pagenum"><a id="Seite_348"></a>[S. 348]</span> täglich dreimal sättigen -können, und nach dem Fressen reichlich zu saufen. Auf solche Weise -müssen sie in drei Monaten fett sein. So oft sie gefressen haben, wird -ihr Verschlag gereinigt; denn sie verlangen, daß er rein sei.“</p> - -<p>Schon bei den Feinschmeckern des alten Rom galt die Leber gemästeter -Gänse als Leckerbissen. So schreibt der Dichter Horaz in einer -seiner Satiren: „Um eine delikate, große Gänseleber auftischen zu -können, werden die Tiere mit Feigen gemästet.“ Juvenal sagt: „Die -Leber der Gans wird so groß wie die Gans selbst“, und Martial ruft -einmal aus: „Da, sieh, eine Gänseleber, die größer ist als eine große -Gans! Woher stammt denn diese?“ Der ältere Plinius bemerkt in seiner -Naturgeschichte: „Die Römer sind pfiffiger (als die Griechen) und -schätzen die Gänse weniger wegen ihrer Liebe zur Philosophie als wegen -ihrer wohlschmeckenden Leber. Werden sie gemästet, so wird die Leber -außerordentlich groß und nimmt an Umfang noch zu, wenn man sie in eine -Mischung von Milch und Honig legt. Es ist eine wichtige Frage, wer -zuerst diese köstliche Entdeckung gemacht hat, ob der Konsular Scipio -Metellus oder dessen Zeitgenosse, der Ritter Marcus Sejus. Das ist -dagegen unbestreitbar, daß Messalinus Cotta, Sohn des Redners Messala, -die Erfindung gemacht hat, Gänsefüße zu rösten und nebst Hahnenkämmen -einzumachen.“</p> - -<p>Im ersten Jahrhundert n. Chr. lernten die Römer noch ein weiteres -neues Produkt durch die Germanen kennen, nämlich die Daunen als -überaus weiches und angenehmes Polstermaterial. Die Kulturvölker -des Mittelmeers hatten vorher augenscheinlich diese Verwendung noch -nicht gekannt. Wollte man weich sitzen oder liegen, so mußte man -eben mehrere Decken oder Felle aufeinander legen. Im verweichlichten -Orient kamen dann Hasenhaare und Rebhuhnfedern als Polstermaterial für -Kissen auf, und als der aus Syrien stammende Kaiser Heliogabalus diese -morgenländische Sitte nach Rom verpflanzte, unterläßt es sein Biograph -Lampridius nicht, diese luxuriöse Neuerung anzuführen. Da lehrten -die Feldzüge nach Germanien, besonders am Niederrhein, die Römer die -Gänsedaunen als ein ganz besonders feines Polstermaterial kennen, und -sie benutzten sie als solches gern. Der vorhin erwähnte ältere Plinius -schreibt in seiner Naturgeschichte: „Einen andern Vorteil (als die -Leber) zieht man aus den Federn der weißen Gänse. An manchen Orten -rupft man sie zweimal des Jahres und sie bekommen doch wieder neue -Federn. Der weichste Flaum sitzt der Haut am nächsten, der beste aber -kommt aus Germanien. Die<span class="pagenum"><a id="Seite_349"></a>[S. 349]</span> dortigen Gänse sind weiß, klein, heißen <span class="antiqua">gant</span> -(Gans) und das Pfund ihrer Federn kostet 5 Denare (= 3 Mark). Daher -kommt es, daß die Offiziere der dort stehenden römischen Hilfstruppen -so oft angeklagt werden, ganze Kohorten auf die Gänsejagd statt auf -die Wache zu schicken. So sehr sind wir nun schon verweichlicht, daß -sogar Männer kaum schlafen können, wenn ihr Kopf nicht auf einem Kissen -aus Gänseflaum ruht.“ Bis auf den heutigen Tag ist ja das Schlafen -in Federbetten eine mehr nordische Sitte geblieben, die den in einem -wärmeren Klima lebenden Südländern nicht zusagte, sonst hätten die -Römer am Ende auch diese Gewohnheit den Germanen am Niederrhein -entlehnt.</p> - -<p>Dagegen kannte das Altertum noch nicht den Gebrauch der Gänsefeder -zum Schreiben, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa -dazu üblich war. Es benutzte dafür das Schreibrohr, den <span class="antiqua">Kalamós</span> -der Griechen, den die Römer als <span class="antiqua">calamus</span> übernahmen, der dann -später als <span class="antiqua">Kelâm</span> zu den Arabern gelangte und von ihnen bis auf -den heutigen Tag gebraucht wird. Erst der Anonymus Valesii, zur Zeit -des Ostgotenkönigs Theodorich, erwähnt als Schreibinstrument auch die -<span class="antiqua">penna</span>, d. h. Feder, die mit Vorliebe von den Flügeln der Gans -genommen wurde. Dann erwähnen Isidorus Hispalensis, der als Bischof von -Sevilla in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts n. Chr. lebte, ebenso -der um 670 n. Chr. lebende Paulus von Ägina Gänsefedern zum Schreiben. -Von da an war sie in ganz Europa bis in die Neuzeit im Gebrauche.</p> - -<p>Wegen ihrer Wachsamkeit wurden im Altertum auf dem Kapitol neben Hunden -auch Gänse gehalten. Letztere waren nach Livius und Diodorus Siculus -der Juno geweiht und weckten die eingeschlafenen Schildwachen, als -einst Gallier das Kapitol belagerten und heimlich bei Nacht am Felsen -hinaufkletterten. Zum Dank für jene Rettung vor Überfall wurden nach -Servius „jährlich am selbigen Tage mit Gold und Purpur geschmückte -Gänse auf Sänften in Rom zur Schau herumgetragen, während die Hunde, -die den Feind nicht verraten hatten, ans Kreuz geschlagen wurden“. -Nach Plinius war es die erste Sorge der Zensoren, einen Vertrag mit -den Leuten zu schließen, welche die Fütterung der heiligen Gänse auf -dem Kapitol übernehmen wollen. Derselbe Autor sagt dann auch: „Die -Gans verliebt sich mitunter in Menschen; so ist der Knabe Ägius zu -Olenus von einer solchen und von einer andern Glauce, die Spielerin -der Kithara am Hofe des Königs Ptolemäus, geliebt worden. Die Gänse -scheinen sogar für<span class="pagenum"><a id="Seite_350"></a>[S. 350]</span> Weisheit empfänglich zu sein, denn es bezeugte -eine dem Philosophen Lakydes eine solche Anhänglichkeit, daß sie ihn -nirgends, weder auf der Straße, noch im Bade, weder bei Nacht, noch bei -Tag verließ.“ Solche Beispiele ließen sich auch aus der Gegenwart in -größerer Zahl anführen.</p> - -<p>Bei den Kelten und Germanen war die Gans in einer kleineren, weniger -hochgezüchteten Art schon vor ihrem Bekanntwerden mit der römischen -Kultur vorhanden. Wir erwähnten vorhin den Passus bei Plinius, der von -der Gesuchtheit der Daunen der germanischen Gänse als Polstermaterial -für die Kopfkissen der Römer berichtet. So hat auch Gudrun in der Edda -ihre Gänse auf dem Hof, und diese schrieen hell auf, als ihre Herrin am -Leichnam Sigurds laut jammerte:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> -<div class="csstab"> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell">Und hell aufschrieen</div> - <div class="csscell2">Die zierlichen Vögel,</div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell">Im Hofe die Gänse,</div> - <div class="csscell2">Die Gudrun zog.</div> - </div> -</div> - </div> -</div> - -<p>Nachdem sie im Herbste fett geworden waren, wurden sie, da man sie -nicht vollzählig überwintern konnte, zum größten Teil geschlachtet und -dem Gotte Thor zu Ehren gegessen. Als der heilige Martin den letzteren -bei der Christianisierung der Germanen ablöste, verspeiste man sie dem -letzteren zum Gedächtnis. Noch heute ist bei uns die Martinsgans in -Ehren. In Norddeutschland wird die gerupfte und ausgenommene Gans wie -das Schweinefleisch seit alter Zeit geräuchert, um sie so in den Winter -hinein aufbewahren zu können.</p> - -<p>Die Veränderungen, die unsere Hausgans gegenüber der Wildgans erlitt, -sind eigentlich unbedeutend. Ihr Gang ist infolge des erhöhten -Gewichtes schwerfälliger geworden und ihre Flugfähigkeit hat sich -bedeutend vermindert, der Rumpf wurde etwas tiefer gestellt und der -Schwanz kürzer als bei der Graugans. Auch die Färbung wurde bei den -grau gebliebenen Schlägen einfacher in der Zeichnung. Eine solche graue -Art von bedeutender Schwere ist die <em class="gesperrt">Toulouser Gans</em>, die oben -dunkelgrau und unten hellgrau ist, mit fleischfarbenem Schnabel. Eine -kleine Varietät derselben mit struppigen, gekräuselten oder gelockten -Federn, deren dünner Schaft eine zerschlissene Fahne besitzt, ist die -<em class="gesperrt">Sebastopol-</em> oder <em class="gesperrt">Struppgans</em>. Die meisten europäischen -Abarten besitzen als Folge des durch Domestikation weit gediehenen -Leucismus ein rein weißes Gefieder, einen gelbroten Schnabel, hellblaue -Iris und orangefarbene Füße, so die <em class="gesperrt">Emdener Gans</em> und die durch -ihre Größe ausgezeichnete <em class="gesperrt">pommersche Gans</em>.</p> - -<p>Mit den Europäern haben die Hausgänse sich auch in die von<span class="pagenum"><a id="Seite_351"></a>[S. 351]</span> jenen -kolonisierten Länder verbreitet, so besonders nach Nordamerika. -Dieses Land hat aus seinem reichen Bestand von wilden Gänsen in der -Folge ebenfalls eine zur Domestikation geliefert. Es ist dies die -<em class="gesperrt">Kanadagans</em> (<span class="antiqua">Anas canadensis</span>), deren von wild lebenden -Tieren ausgenommene Eier mehrfach von Hausgänsen europäischen Ursprungs -ausgebrütet wurden. So war es nicht schwer Zuchtmaterial von ihr -zu erhalten. Doch gelang es nur, wenn diese Tiere ganz jung waren, -sie untereinander fortzupflanzen. Für die Volkswirtschaft hat aber -das Tier, das keine Vorzüge vor der Hausgans europäischen Ursprungs -darbietet, durchaus keine Bedeutung erlangt und wird in seiner Heimat, -wie auch bei uns, meist nur als Ziervogel auf größeren Teichen -gehalten. Da niemand auf seine Fortpflanzung achtete, wird es immer -wieder erloschen sein, um dann später gelegentlich neu aufzutauchen. -So erwähnt es schon Willoughby 1676 als im Besitze König Jakobs -I. befindlich. Bald danach berichtet Edwards, daß sich der Vogel -in der Gefangenschaft fortgepflanzt habe. In neuerer Zeit scheint -dies öfter vorzukommen. Doch ist dies alles aus obengenannten Gründen -bedeutungslos geblieben. Der Vogel hat eben keinen praktischen Wert für -die Züchter.</p> - -<p>Ganz anders steht es mit der <em class="gesperrt">chinesischen Gans</em>, die von der -ostasiatischen wilden <em class="gesperrt">Höcker-</em> oder <em class="gesperrt">Schwanengans</em> (<span class="antiqua">Anas -cycnoides</span>) abstammt, aber sich von ihr dadurch unterscheidet, daß -ihr jede Spur eines Höckers an der Schnabelwurzel fehlt, den besonders -das Männchen der wilden Art sehr ausgeprägt zeigt. Sonst ähnelt der -wilde Vogel in der Färbung unserer Märzgans. Der zahme Vogel zeigt -aber meist die auch von der domestizierten Märzgans angenommene weiße -Farbe; dabei weist das Männchen oft noch eine Art Kehlsack auf. Die -chinesische Hausgans nimmt in ihrer Heimat China, weniger in Japan, -ungefähr die Stellung der Hausgans bei uns ein. Hier geht, besonders im -Süden, die Ente bedeutend an Wichtigkeit vor. Schon im 16. Jahrhundert -wurde sie von den Portugiesen unter dem Namen spanische Gans oder — -nach dem Wege über Afrika — Guineagans nach Europa gebracht. Doch -hat sie hier nicht die Verbreitung gefunden, die sie verdient. Nur in -Rußland, besonders im Süden, war sie schon im 18. Jahrhundert recht -verbreitet. Sie war dahin auf dem Karawanenwege gelangt, wurde hier -aber in der Folge stark mit der europäischen Hausgans gekreuzt, so daß -die Vögel durchgängig gemischten Blutes sind. Hier benutzt man sie mit -Vorliebe zu den Gänsekämpfen, die besonders dadurch possierlich werden, -daß jedem der kämpfenden<span class="pagenum"><a id="Seite_352"></a>[S. 352]</span> Männchen das Weibchen sekundiert. Neuerdings -ist die chinesische Gans auch mit der kanadischen gekreuzt worden.</p> - -<p>Viel später als die Erwerbung der Gans als Haustier erfolgte -diejenige der <em class="gesperrt">Ente</em>, die erst in historischer Zeit domestiziert -wurde, und zwar wie die Gans sowohl in Europa, als auch in China in -durchaus selbständiger Weise. Die alten Ägypter, Assyrer, Inder und -homerischen Griechen besaßen sie so wenig als die älteren Römer. Erst -vom Ende des 2. vorchristlichen Jahrhunderts an scheinen sie die -Römer und dann auch die Griechen mit andern Schwimmvögeln zusammen -in besonderen Teichen gehalten zu haben. So schreibt der römische -Ackerbauschriftsteller Columella etwa um 60 n. Chr.: „Im Entenpark -hält man Enten (<span class="antiqua">anas</span>), Knäkenten (<span class="antiqua">querquedula</span>), -Kriekenten (<span class="antiqua">boscas</span>), Wasserhühner und ähnliche Wasservögel. -Das Ganze umgibt man mit einer 15 Fuß hohen Mauer, deckt es mit einem -weitmaschigen Netz (damit keiner der Insassen hinaus und kein Raubvogel -hinein könne, sagt an einer ähnlichen Stelle Varro), gräbt in der -Mitte einen Teich von zwei Fuß Tiefe, der immer frisches Wasser erhält -und dessen Ufer allmählich abwärtsgehen und mit Mörtel ausgestrichen -sind. Rings am Ufer hin ist der Boden des Teiches gepflastert, in der -Mitte dagegen besteht er aus Erde und ist daselbst mit Wasserpflanzen -besetzt, unter welchen sich die Vögel verbergen können. Der Platz -außerhalb des Teiches ist mit Gras bewachsen. Zum Nisten sind am Fuße -der Mauer je einen Fuß ins Geviert haltende Zellen aus Stein gebaut, -die von Buchs- und Myrtenbäumchen beschattet werden. Das Futter wird -in einen besonderen flachen Wasserkanal geworfen. Am liebsten fressen -sie die Körner der verschiedenen Hirsearten, aber auch Gerste. Hat man -Eicheln und Weintrester, so gibt man auch diese. Ebenso sind Abgänge -von Fischen, Krebse und kleine Wassertiere dienlich. Das Eierlegen -beginnt im März. Zu dieser Zeit wirft man Hälmchen hin, aus denen sie -ihre Nester bauen. Übrigens verfahren manche Leute beim Anlegen eines -Entenparks so: sie lassen an Sümpfen Eier von wilden Enten sammeln -und diese von Haushühnern ausbrüten. Solche nisten dann leicht in der -Gefangenschaft, alt eingefangene dagegen nicht gern.“ Dieses letztere -Verfahren, die Eier wilder Enten zu sammeln und sie durch Haushühner -ausbrüten zu lassen, beweist, daß damals die Domestikation dieses -Vogels erst im Gange war; auch muß die Flugfähigkeit desselben noch -nicht vermindert gewesen sein, daß man Netze über die Ententeiche -spannte.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel51a" > - -<p class="captop">Tafel 51.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel51a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Schwan aus Daschur. Altägyptische Holzschnitzerei aus der - Zeit der 12. Dynastie (2000–1788 v. Chr.).</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel51b" > - <img class="w100" src="images/tafel51b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Altägyptische Wildgänse. Wandmalerei in Meidum aus dem - Anfang des Alten Reichs (3. bis 4. Dynastie, 2980–2750 v. Chr.).</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel52a" > - -<p class="captop">Tafel 52.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel52a.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><div class="capright">(<span class="antiqua">Copyright by M. - Koch, Berlin.</span>)</div> - Rechts Männchen und links Weibchen der Stockente.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel52b" > - <img class="w100" src="images/tafel52b.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><div class="capright">(<span class="antiqua">Copyright by M. - Koch, Berlin.</span>)</div> - Wilde Truthühner.</div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_353"></a>[S. 353]</span></p> - -<p>Wie die Gans muß auch die Ente irgendwo in Mitteleuropa von -germanischen Stämmen in Pflege genommen worden sein; noch in späterer -Zeit sagt der Bischof Isidor von Sevilla, daß die bevorzugte -Zuchtrasse der Enten eine deutsche sei. Sie hieß althochdeutsch -<span class="antiqua">anut</span>, angelsächsisch <span class="antiqua">ened</span>, altnordisch <span class="antiqua">önd</span>, -lateinisch <span class="antiqua">anas</span>, <span class="antiqua">anatis</span>, griechisch <span class="antiqua">nēssa</span> (wohl -aus <span class="antiqua">nētia</span>), sanskrit <span class="antiqua">âti</span> (für <span class="antiqua">anti</span>). Diese -gemeinsame indogermanische Bezeichnung bezieht sich natürlich auf die -Wildente und nicht auf die gezähmte. Nur erstere war dem Urvolke vor -seiner Zerstreuung bekannt. Die Wildente, welche die Stammform unserer -Hausente bildet, ist die <em class="gesperrt">Stockente</em> (<span class="antiqua">Anas boscas</span>), deren -Verbreitungsgebiet ganz Europa und Nordafrika, dann Asien und Amerika -bis Mexiko umfaßt. Vom Norden wandert sie im Herbst nach dem wärmeren -Süden, bleibt aber schon in Süddeutschland oft auch im Winter innerhalb -ihres Brutgebiets wohnen. Sie liebt als Aufenthaltsort schilf- oder -riedbedeckte Seen und Teiche, in denen sie sich verbergen kann, nicht -aber offene Gewässer. Ihre Lebensweise gleicht durchaus derjenigen -ihrer Nachkommin, der Hausente, nur ist sie in allen ihren Bewegungen -gewandter als diese. Zum Nestbau sucht sie eine ruhige, trockene Stelle -unter Gebüsch oder andern Pflanzen aus und legt in das kunstlose Nest -8–16 längliche, hart- und glattschalige grauweiße Eier, die von denen -der Hausente nicht unterschieden werden können. Die Jungen werden nach -dem Ausschlüpfen noch einen Tag im Neste erwärmt und sodann dem Wasser -zugeführt. Die ganze Pflege übernimmt die Mutter; der buntgefärbte -Vater kümmert sich nicht mehr um sein Weibchen, sobald es zu brüten -beginnt, sondern verläßt es, um mit seinesgleichen in Gesellschaften -sich bald hier, bald dort umherzutreiben. Da das Wildbret der Stockente -vorzüglich ist, wird von jeher eifrig auf sie Jagd gemacht. Und als -man die in bezug auf Fleischmenge ausgiebigere Gans gezähmt hatte, lag -es nahe, auch die Wildente aus junger Brut oder Hausgänsen unterlegten -Eiern zu gewinnen.</p> - -<p>Trotzdem die Ente kürzere Zeit Haustier ist als die Gans, haben -sich von ihr mehr Varietäten gebildet, als von letzterer. Indessen -betreffen die Abänderungen weniger die Körperform als die Färbung -des Gefieders. Die Neigung zu Weiß- und Schwarzfärbung macht sich -bei ihr stark geltend; doch kommen bei allen zahmen Entenvarietäten -Individuen mit Wildentenfärbung vor. Der Stockente im Gefieder am -ähnlichsten ist die namentlich in der Normandie rein fortgezüchtete -<em class="gesperrt">Rouenente</em>. Sie kommt auch in weißer Färbung vor und<span class="pagenum"><a id="Seite_354"></a>[S. 354]</span> erreicht -ein bedeutendes Gewicht. Rein weiß oder fahlgelb ist die durch eine -Haube auf dem Kopfe ausgezeichnete <em class="gesperrt">Kaiserente</em>, die bei guter -Fütterung ein Gewicht von 3,5–4 <span class="antiqua">kg</span> erreicht. Rein weiß ist die -<em class="gesperrt">Aelesburyente</em>, die in großartigem Maßstabe in der englischen -Grafschaft Buckingham gezüchtet wird und ihres schmackhaften Fleisches -und der feinen Federn wegen auf dem Markt in London sehr gesucht ist. -Weiß mit gelblichem Anflug ist die auch bei uns öfter gezüchtete -<em class="gesperrt">Pekingente</em>. Diese chinesische Hausente wurde selbständig in -Ostasien von der dort heimischen Wildente gewonnen, und zwar scheint -bei den Chinesen die Entenzucht weit älter als in Europa zu sein. Sie -wird von ihnen an den Ufern der Flüsse, Kanäle und Stauseen seit alter -Zeit in großem Maßstabe mit außerordentlicher Sorgfalt betrieben. Die -überaus interessante Zucht, bei welcher gewöhnlich zehn Enten auf -einen Enterich gehalten werden, wird größtenteils an Bord ausgedienter -Schiffe geübt. Das ganze Schiff ist mit den Käfigen der Enten besetzt, -die im ganzen nur wenig Futter erhalten und deshalb wesentlich darauf -angewiesen sind, ihre Nahrung im Wasser und an den Ufern zu suchen. -Je nachdem nun die Nahrung reichlicher zu Gebote steht, wechselt der -schwimmende Stall seinen Ankerplatz. Dabei wird bei den Pfleglingen -strengste Disziplin geübt, indem beim abendlichen Gongsignal, das die -Enten in ihre Ställe zurückruft, die zuerst heimkehrenden Enten Reis -als Belohnung, die letzten dagegen Hiebe mit dem Bambusstab erhalten. -Dabei haben die Chinesen zur Erleichterung ihrer Entenzucht selbständig -eine Methode zur künstlichen Ausbrütung der Eier gefunden. Diese wird -in besondern Anstalten in der Weise ausgeübt, daß man Spreu erwärmt -und mit Enteneiern in große Korbe bringt, die auf Etagen gelegt und in -besondern Räumen mit heißer Asche oder Kohlentöpfen erwärmt werden. -Überall in Südchina wird dieses Brutgeschäft im großen betrieben -und werden die herangezogenen Enten an Händler verkauft, welche oft -Hunderte derselben in den vorgenannten Entenschiffen halten und die -erwachsenen Vögel an Lebensmittelverkäufer absetzen. Sowohl die -vornehmeren Chinesen, als auch die niedern Volksklassen konsumieren das -Entenfleisch mit Vorliebe, sei es frisch, sei es eingesalzen oder an -der Luft getrocknet. Mit letzterer Konservierungsmethode beschäftigen -sich größere Etablissements, die die volkreichen Städte mit diesem -beliebten Nahrungsmittel versorgen. Daneben werden auch sehr viel -Enteneier, wie bei uns die Hühnereier, gegessen, meist aber erst, wenn -sie durch längeres Liegen in Salzwasser innerlich ganz schwarz geworden -sind<span class="pagenum"><a id="Seite_355"></a>[S. 355]</span> und pikant schmecken. Tatsächlich sollen die so präparierten -Enteneier auch für den europäischen Geschmack sehr angenehm sein. -Auch die <em class="gesperrt">japanische Ente</em> ist in hohem Maße auf Eierertrag -gezüchtet worden und legt 80–90 Eier jährlich. Sie ist in der Färbung -wildentenartig, gleicht der Rouenente und eignet sich auch wegen ihrer -Größe und Widerstandsfähigkeit zur Zucht. Sie kam 1878 nach Europa.</p> - -<p>Die in den Männchen prächtig geschmückte ostasiatische -<em class="gesperrt">Mandarinenente</em> (<span class="antiqua">Aix galericulata</span>) wird in China öfter -gezähmt gehalten, ist aber dort noch nicht zum Haustier geworden. Bei -uns ist sie mit andern buntgefärbten Arten eine Zierde der Zoologischen -Gärten und wird so nach und nach völlig domestiziert werden. Dies -ist auch mit der in den Männchen wunderschön gefärbten, über ganz -Nordamerika verbreiteten <em class="gesperrt">Brautente</em> (<span class="antiqua">Lampronessa sponsa</span>) -der Fall, die sich auf unsern Weihern fest eingebürgert hat. Sie -vereinigt in sich alle Eigenschaften, die einem Schwimmvogel unsere -Zuneigung gewinnen können. An die Gefangenschaft gewöhnt sie sich -schneller als irgend eine andere Ente; selbst die alt Eingefangenen -lernen sich bald in die veränderten Verhältnisse fügen, in ihrem Wärter -den wohlwollenden Pfleger erkennen, lassen sich bereits nach kurzer -Haft herbeilocken und können eher als andere zum Aus- und Einfliegen -gewöhnt werden, pflanzen sich auch regelmäßig in der Gefangenschaft -fort, sobald ihnen nur eine passende Gelegenheit dazu geboten wird. Da -ihr Wildbret vom September an bis zum Eintritt des Winters köstlich -ist, wird ihr überall in ihrer Heimat nachgestellt und kommt sie dort -zu Tausenden auf den Markt. Als Parkvogel verdient sie den Vorzug vor -sämtlichen fremdländischen Verwandten nicht bloß deshalb, weil sie alle -an Schönheit übertrifft, sondern auch, weil sie sich leichter als alle -andern zur Fortpflanzung bringen läßt.</p> - -<p>Im Gegensatz zu diesen ist eine andere amerikanische Ente schon seit -längerer Zeit zum Haustier geworden. Es ist die südamerikanische -<em class="gesperrt">Moschusente</em> (<span class="antiqua">Cairma moschata</span>), die in wasserreichen -Gebieten von Brasilien bis Paraguay stark verbreitet ist. Das Männchen -ist oberseits bräunlichschwarz, Hals und Kopf dunkelgrün, Flügel und -Schwanz metallischgrün, ein Teil der Flügeldeckfedern weiß. Um das -Auge ist die Haut nackt und mit roten Warzen bedeckt. Das Weibchen -ist ähnlich, aber weniger lebhaft gefärbt. Ihre Körpergröße ist sehr -bedeutend, so daß ihre zahmen Abkömmlinge 70–85 <span class="antiqua">cm</span> lang werden -und ein Körpergewicht von 5 <span class="antiqua">kg</span> erreichen. In ihrer Heimat wird -die Moschusente ihres wohlschmeckenden Fleisches und der weichen -Daunen<span class="pagenum"><a id="Seite_356"></a>[S. 356]</span> wegen sehr geschätzt. Sie wird dort schon seit langem, noch -vor der Entdeckung des Landes durch die Weißen, gezähmt gehalten. Sie -war nach Garcilasso de la Vega bei den alten Peruanern unter dem Namen -Nunjuma als Hausente bekannt und gibt beim Fressen einen eigentümlichen -schmatzenden Ton von sich. Von den Peruanern hatten sie auch die -nördlicher wohnenden Kulturvölker übernommen. So traf sie Kolumbus auf -seiner zweiten Reise bei den Eingeborenen von Haiti an, darunter auch, -zum Zeichen einer intensiven Domestikation, bereits weiße Exemplare. -Heute ist die Färbung bei fast allen zahmen Moschusenten weiß geworden -mit einem roten Warzenhof ums Auge, einem fleischroten Schnabel und -orangegelben Füßen. Von Südamerika aus hat sie sich am Kongo, am -Euphrat, in Indonesien und Europa eingebürgert, doch wird sie in -letzterem Lande, wo sie „türkische Ente“ heißt, nicht rein gezüchtet, -sondern gewöhnlich zur Kreuzung mit größeren Hausenten verwendet. Die -Bastarde erhalten die Mittelgröße zwischen beiden Eltern, wachsen -sehr schnell und sind gut mastfähig. Entgegen früheren Annahmen sind -sie fruchtbar, neigen aber zur Wildheit. Besonders empfohlen werden -zur Kreuzung Rouen-, Peking- und Aylesburyenten. Da die Moschusente -sich besonders für die Tropen eignet, hat sie für jene Gegenden eine -große Zukunft. Bei den Malaien Südasiens ist bereits die chinesische -Ente eingebürgert und wird vielfach in großen Herden gehalten, um -als willkommene Abwechslung zum Schweinefleisch zu dienen. Als große -<span class="antiqua">canne de la Guinée</span> erwähnt sie P. Belon bereits 1555 in seiner -<span class="antiqua">Histoire des oiseaux</span>. Schon damals war sie in Frankreich nicht -selten, muß also sehr früh durch die Spanier nach Europa gebracht -worden sein. Hier wurde sie aber mehr als Zier- denn als Nutzgeflügel -gehalten.</p> - -<p>Von den Entenvögeln ist wenigstens als halbes Haustier noch der -<em class="gesperrt">Schwan</em> zu erwähnen. Der zahme Schwan unserer Weiher, der nur als -Schmuckvogel gehalten wird, wobei ihm der Mensch bloß Gelegenheit zur -Fortpflanzung bietet, ist der <em class="gesperrt">Höckerschwan</em> (<span class="antiqua">Cycnus olor</span>), -der noch in Norddeutschland, dann in Nordeuropa und Nordasien als -wilder Vogel lebt. Er ist in beiden Geschlechtern rein weiß mit -gestrecktem Leib und langem, schlankem Hals, mit rotem, an der Basis -durch einen schwarzen Höcker ausgezeichnetem Schnabel. Das Weibchen ist -etwas kleiner als das Männchen, die Jungen sind eigentlich graubraun -gefärbt, können aber durch fortschreitenden Leucismus auch schon weiß -erscheinen. Gedrungener als der Höckerschwan mit kürzerem, dickerem -Hals und höckerlosem gelbem Schnabel ist der<span class="pagenum"><a id="Seite_357"></a>[S. 357]</span> <em class="gesperrt">Singschwan</em> -(<span class="antiqua">Cycnus musicus</span>), während der ebenfalls in Europa und Nordasien -lebende <em class="gesperrt">Zwergschwan</em> (<span class="antiqua">Cycnus bewicki</span>) noch kleiner ist und -einen dünnen Hals hat.</p> - -<p>Erfreut der Höckerschwan durch die Zierlichkeit seiner Gestalt und -die Anmut seiner Bewegungen, so hat der Singschwan durch seine laute, -verhältnismäßig wohlklingende Stimme von jeher die Phantasie des -Volkes beschäftigt, wenn er im Herbst nach Süden zum Überwintern und -im Frühling nach Norden zur Fortpflanzung zog. Welche Rolle spielt -nicht der Schwan in der Sage und im Märchen der Deutschen! Auch die -alten Griechen, die ihn <span class="antiqua">kýknos</span>, und die Römer, die ihn nach -jenen <span class="antiqua">cycnus</span> oder <span class="antiqua">olor</span> nannten, sprachen viel von ihm und -alle ihre Dichter erwähnen rühmend seinen Gesang, wenn auch wohl meist -nur vom Hörensagen. In Homers Ilias wird das in glänzender Rüstung -zum Kampfe aufziehende Heer der Griechen mit den Scharen von Gänsen, -Kranichen und langhalsigen Schwänen verglichen, „wenn diese mit lautem -Geschrei sich auf den Wiesen am Flusse Kaystros (in Lydien, mündet bei -Ephesus ins Meer) niederlassen.“ Der Schwan war dem Apollon heilig. -So heißt es schon in einem altgriechischen, Homer zugeschriebenen -Hymnus: „O Phöbus, dir singt der Schwan am Ufer des Flusses Peneios (in -Thessalien) laut ein Loblied; Dir singe auch ich, der Sänger, indem ich -meine Kithara anschlage, früh und spät ein preisendes Lied.“ Hesiod -schildert, wie auf dem Schilde des Herakles der Okeanos abgebildet -war, auf dessen Wogen lautsingende Schwäne schwammen, während unter -ihnen die Fische spielten. In Äschylos’ Agamemnon heißt es: „Der Schwan -singt sein eigenes Leichenlied“ und in Euripides’ Elektra: „Der junge -Singschwan ruft am Wasser des Flusses seinen in der Schlinge gefangenen -sterbenden Vater.“ Bekannter ist die Stelle aus Platons Phädon, an -der es heißt: „Als Sokrates zum Sterben kam, unterredete er sich mit -seinen Schülern und sagte unter anderem: ‚Denkt ihr denn, daß ich den -Tod zu fürchten habe? Denkt ihr, daß ich weniger vom künftigen Leben -weiß als die Schwäne? Diese singen zwar oft, aber wenn sie fühlen, -daß der Tod ihnen nahe ist, dann singen sie gerade am meisten, weil -sie sich freuen, daß sie zu dem Gotte gehen, dessen Diener sie sind. -Leute, die sich vor dem Sterben fürchten, legen freilich die Sache ganz -falsch aus und behaupten, die Schwäne sängen vor ihrem Tode vor Jammer. -Diese Leute sollten doch wissen, daß kein Vogel vor Jammer singt, -z. B. wenn er hungert oder friert. Auch diejenigen stellen eine verkehrte -Behauptung auf, welche sagen,<span class="pagenum"><a id="Seite_358"></a>[S. 358]</span> die Nachtigall, die Schwalbe, der -Wiedehopf sängen vor Jammer. Ich glaube jedoch, daß sie ebensowenig vor -Jammer singen als die Schwäne. Die letzteren sind offenbar Propheten -des Apollon, kennen im voraus das Glück, das ihnen in der Unterwelt -zuteil wird und singen deswegen, ehe sie den Weg antreten, freudiger -als zuvor. Ich denke nun, daß ich wie die Schwäne ein Priester des -Gottes bin, und denke, daß ich von ihm die Wahrsagekunst so gut gelernt -habe, als jene Vögel, und daß ich ebenso freudig als sie das Leben -lassen muß.‘“</p> - -<p>Von diesem Volksglauben rührt die bei späteren griechischen -und römischen Schriftstellern angetroffene, auch noch von uns -sprichwörtlich gebrauchte Redensart vom „Schwanengesang“ als der -letzten Äußerung eines Menschen vor seinem Tode her, so bei Cicero, -Ovid, Martial, Dio Chrysostomus und andern. Bei den Römern galt der -Schwan als der Vogel der Liebesgöttin Venus, die auf einem von Schwänen -gezogenen Wagen einherfahrend gedacht wurde, so bei Horaz, Silius -Italicus, Statius und andern. Martial rät seiner Geliebten, sanft auf -Schwanenflaum zu ruhen, wenn sie müde sei. Demnach wurde der Flaum -auch dieses Tieres, wie derjenige der Gans, zur Polsterung von Kissen -verwendet. Von Schwanenbraten spricht der alexandrinische Grieche -Athenaios um 200 n. Chr. Allerdings mied man in der Regel das Fleisch -dieses halb für heilig gehaltenen Vogels. So schreibt Plutarch: „Will -man durchaus Fleisch des Schwanes essen, so mißhandle man wenigstens -die Tiere nicht vorher, sondern töte sie mit Bedauern. Es gibt Leute, -welche Kranichen und Schwänen die Augenlider zusammennähen und sie -dann im Dunkeln mästen.“ In allen diesen Fällen ist stets von wilden -Schwänen die Rede, da der Vogel im Altertum nirgends als Haustier -gehalten wurde.</p> - -<p>Auch im Mittelalter wurde der wilde Schwan häufig als Speise benutzt. -Die heilige Hildegard im 12. Jahrhundert rühmt sein Fleisch als heilsam -gegen den Aussatz. Man begann ihn damals auf Teichen in halber Freiheit -zu halten; doch durften dies vielfach nur Könige und vornehme Leute -tun, da solches damals zu den Regalien gehörte. Reste einer solchen -Auffassung haben sich an manchen Orten bis in die Gegenwart erhalten; -so sind sämtliche Schwäne auf der Themse wie auf der Havel und Spree -königliches Eigentum. Im Mittelalter gehörte der Schwan, wie der Pfau, -zu den feierlichen Schaugerichten der Prunktafel an Höfen. Außerdem -muß ihm eine gewisse abergläubische Verehrung gezollt worden sein; so -wissen wir, daß König Eduard <span class="pagenum"><a id="Seite_359"></a>[S. 359]</span>I. von England 1307 „bei Gott und -den Schwänen“ schwur, er werde sich an seinem Erbfeinde Robert Bruce -rächen.</p> - -<p>Heute noch gilt ein Schwanenbraten als außerordentliche Delikatesse -und wird in England, wo er am Königshofe ständiger Weihnachtsbraten -ist, zu bedeutsamen Geschenken verwendet. So beschenkt der Herzog -von Norfolk, der „erste Peer Englands“, seine besten Freunde damit. -In der Hauptstadt seiner Grafschaft Norfolk, dem alten Bischofssitz -Norwich, hat er nebst dem Bischof, dem Abt des St. Benethospitals und -der Norwicher Schwanenkorporation das alleinige Recht, Schwäne auf den -öffentlichen Gewässern zu halten. Jeder dieser Eigentümer hat eine -besondere, sorgfältig gebuchte Hausmarke, die den Schwänen auf den -Oberschnabel eingeschnitten wird. Der Schwan vermehrt sich dort gut -und ist widerstandsfähig. Man hat ein Schwanenpaar beobachtet, das in -fünf Jahren 85 Eier erzeugte und von diesen 82 Kücken durchbrachte. -Das Aussuchen der zur Mast geeigneten Jungen wird von den Insassen des -St. Benethospitals besorgt und man nimmt nur so viel Tiere, als von -den Besitzern bestellt werden; denn diese haben für das Stück 1 Pfund -Sterling (= 20 Mark) Mastgeld zu entrichten. Die jungen Tiere schmecken -am besten gerade um die Zeit, wo sie fliegen können. In dieser Zeit -werden sie geschlachtet, haben dann ein Lebendgewicht von wenigstens 16 -<span class="antiqua">kg</span> und schmecken wirklich gut.</p> - -<p>Wie wir den Höckerschwan, halten die Russen nach Pallas gern den -Singschwan als Ziervogel auf ihren Teichen. Die Nordamerikaner haben -den Schwan von Europa erhalten. Dagegen erhielten wir um die Mitte -der 1850er Jahre vom Süden Südamerikas den <em class="gesperrt">Schwarzhalsschwan</em> -(<span class="antiqua">Cycnus nigricollis</span>), der sich wie der Singschwan benimmt, -jedoch nur selten seine schwache Stimme erschallen läßt. Er hat -sich mehrfach in unsern Tiergärten fortgepflanzt. Ebenso verhält -es sich mit dem am ganzen Gefieder bis auf die weißen Hand- und -einen Teil der Armschwingen bräunlichschwarzen <em class="gesperrt">Schwarz-</em> oder -<em class="gesperrt">Trauerschwan</em> (<span class="antiqua">Cycnus atratus</span>), der in den 1820er Jahren -zum erstenmal nach Europa, und zwar England, kam und sich dort auf -dem Landgute Sir Herons auch fortpflanzte und im ganzen 45 Junge -aufbrachte. Von jenen scheinen die meisten der in den Zoologischen -Gärten und bei Privaten gehaltenen Exemplare abzustammen. Seit dem -Jahre 1698 kennt man übrigens den Schwarzschwan, den auch Cook an -der von ihm besuchten Küste Südaustraliens und Tasmaniens auf den -Süßwasseransammlungen antraf. In den weniger besuchten<span class="pagenum"><a id="Seite_360"></a>[S. 360]</span> Gegenden -des Innern soll er, soweit dort Wasser anzutreffen ist, in großer -Menge vorkommen. Für unsere Weiher eignet er sich so gut als die -übrigen Schwäne. Die Strenge des nordischen Winters ficht ihn wenig -an und seine Nahrungsansprüche sind bescheiden. In der Gefangenschaft -pflanzt er sich regelmäßig fort. In seinem Benehmen mahnt er an die -stummen Verwandten, doch ist er schreilustiger; besonders gegen die -Paarungszeit hin läßt er seine trompetenartige, dumpfe Stimme oft -vernehmen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_361"></a>[S. 361]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XVII_Die_Taube">XVII. Die Taube.</h2> - -</div> - -<p>Wie die verschiedenen einheimischen Entenvögel, so haben auch die -verschiedenen einheimischen Wildtauben von jeher als Wildbret die -Beachtung des Menschen gefunden. Unter ihnen ist die <em class="gesperrt">Felsentaube</em> -(<span class="antiqua">Columba livia</span>) die Stammform sämtlicher Haustauben. Sie -hieß bei den alten Griechen <span class="antiqua">peleiás</span>, und der Pluralis -<span class="antiqua">peleiádes</span> diente diesen zur Bezeichnung der Sternwolke des -Siebengestirns, die ihnen wie ein Schwarm wilder Felsentauben vorkam. -Daraus ist dann unsere Bezeichnung Pleiaden entstanden. Häufig spricht -Homer von <span class="antiqua">peleiádes</span>, worunter er stets wilde Tauben versteht. -Sie sind ihm das Sinnbild des Flüchtigen und Furchtsamen. So entzieht -sich Artemis der Göttermutter Hera, die ihr den Köcher geraubt hat:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">„Weinend aber entfloh sie zur Seite sofort, wie die Taube,</div> - <div class="verse indent0">Die vom Habicht verfolgt in den Spalt des zerklüfteten Felsens</div> - <div class="verse indent0">Schlüpft — nicht wars ihr beschieden des Räubers Beute zu werden.“</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Hektor flieht vor Achilleus wie die „scheue, flüchtige“ Taube vor dem -Falken:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">„Wie im Gebirge der Falk, der geschwindeste unter den Vögeln,</div> - <div class="verse indent0">Leicht im Schwunge des Flugs der schüchternen Taube sich nachstürzt.</div> - <div class="verse indent0">Seitwärts flüchtet sie bang; dicht hinter ihr stürmt er beständig</div> - <div class="verse indent0">Nach mit hellem Geschrei und brennt vor Begier sie zu fangen.“</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Auch im Sagenkreis der Argonauten erscheint die Taube als der -schnellste Vogel. Das Schiff Argo war, wie der Name sagt, wunderbar -schnell, und als es auf seiner Fahrt zwischen zwei zusammenschlagenden -Felsen hindurchfahren sollte, sandten die Schiffer auf den Rat des -greisen Sehers Phineas zuvor eine Taube aus; wenn diese unverletzt -hindurchflog, hofften die Helden ebenfalls unversehrt durchzukommen. So -verderblich seien diese Felsen, heißt es in der Odyssee,<span class="pagenum"><a id="Seite_362"></a>[S. 362]</span> daß selbst -die geschwinden Tauben ihnen nicht immer entgehen und Vater Zeus, dem -sie Ambrosia bringen, die verlorenen durch andere ersetzen muß. Daß -nun die Schiffer Tauben bei sich hatten, um sie von ihrem Schiffe -aus fliegen zu lassen, beweist, daß man also schon im hohen Altertum -solche gefangene und noch nicht gezähmte Tiere zur Bestimmung des -nächstgelegenen Landes oder als Opfer mit sich nahm. Solches taten wie -die Griechen so auch die Phönikier, wie wir u. a. auch aus der später -zu würdigenden Tatsache von den weißen Tauben auf der Flotte der Perser -unter Xerxes wissen, die nach deren Scheitern am Vorgebirge Athos -freikamen und von den Anwohnern eingefangen wurden.</p> - -<p>In der Ilias wird das böotische Thisbe und das lakedämonische Messe -als taubenreich, wie bei Äschylos die Insel Salamis als taubennährend, -bezeichnet. Bei den Spielen bei der Beerdigung seines Freundes -Patroklos läßt Achilleus eine lebendige, an die Spitze des Mastbaums -gebundene Taube als Ziel aufstellen. Nach diesem schießt zuerst der -gefeierte Bogenschütze Teukros; da er aber vergessen hatte, dem Apollon -sein Gelübde zu tun, trifft er nur die Schnur, und die nun befreite -Taube strebt kreisend zum Himmel empor. Da ergreift Meriones schnell -den Bogen, betet und holt den flüchtigen Vogel mit dem Pfeil aus der -Höhe herunter.</p> - -<p>Außer der Felsentaube <span class="antiqua">peleiás</span> unterschieden die alten Griechen -von Wildtauben noch die Hohltaube <span class="antiqua">oinás</span>, die Ringeltaube -<span class="antiqua">pháps</span> und die Turteltaube <span class="antiqua">trygṓn</span>, während sie die später -erhaltene Haustaube als <span class="antiqua">peristerá</span> bezeichneten. Demgemäß nannten -sie das Taubenhaus <span class="antiqua">peristereṓn</span> oder <span class="antiqua">peristerotropheíon</span>, -wie uns der gelehrte Varro berichtet. Dieser Name der Haustaube tritt -uns erst in der späteren attischen Sprache entgegen, während die Dorier -fortfuhren, peleiás zu sagen. Wie kamen nun die Griechen zu diesem -Haustier, das erst gegen das Ende des 5. vorchristlichen Jahrhunderts -in Athen eine gewöhnliche Erscheinung wurde?</p> - -<p>Die wilde Felsentaube ist in Westasien in Verbindung mit dem Kult der -Liebesgöttin allmählich in die Abhängigkeit des Menschen geraten und -zum Haustier erhoben worden. Bevor wir uns klar zu machen suchen, -wo dies vermutlich geschah, wollen wir das freilebende Tier in -seinen Lebensgewohnheiten kennen lernen. Die Felsentaube bewohnt die -Felsküsten der Mittelmeerländer und ganz Westasien, von Kleinasien -und Syrien bis Indien und China; sie geht tief nach Afrika hinein bis -Abessinien und reicht östlich bis zu den Kapverdischen Inseln<span class="pagenum"><a id="Seite_363"></a>[S. 363]</span> im Süden -und Schottland im Norden. Auf diesem ungeheuren Gebiet hat sie als -Ausdruck ihrer Anpassungsfähigkeit eine große Anzahl von Lokalformen -gebildet, wodurch sich die Spaltung in zahlreiche Rassen nach ihrer -Domestikation begreifen läßt. Überall in ihrem Verbreitungsgebiet ist -sie Standvogel und nistet stets in dunkeln Felslöchern, niemals auf -Bäumen, wie Hohl-, Ringel- und Turteltauben. In Färbung des Gefieders, -Lebensweise und Betragen weicht die Felsentaube wenig von unserer -primitiven Haustaube, der sogenannten Feldtaube, ab. Sie ist auf der -Oberseite hell aschgrau, auf der Unterseite mohnblau, der Kopf hell -schieferblau, der Hals bis zur Brust dunkel schieferfarben, oben hell -blaugrün, unten purpurfarben schillernd. Die Lendengegend ist weiß; -doch ist dieses Merkmal nicht so konstant wie die beiden ziemlich -breiten schwarzen Querbinden auf den Flügeln. Die Flügel sind aschgrau, -der Schwanz ist dunkel mohnblau, am Ende schwarz; die äußersten -Federn desselben sind weiß. Das Auge ist schwefelgelb, der Schnabel -schwarz, an der Wurzel lichtblau, der Fuß dunkel blaurot. Die beiden -Geschlechter sind in der Färbung wenig verschieden, die Jungen aber -dunkler als die Alten.</p> - -<p>Die Felsentaube ist gewandter, namentlich behender im Fluge als ihre -domestizierten Abkömmlinge, die Feldtauben, und sehr menschenscheu. Sie -geht nickend, fliegt klatschend ab, durchmißt mit pfeifendem Geräusch -etwa 100 <span class="antiqua">km</span> in der Stunde, steigt gern empor und kreist oft -längere Zeit in dicht geschlossenen Schwärmen; denn sie liebt die -Geselligkeit im Gegensatz zu der nur in einzelnen Pärchen lebenden -und nie sich zu größeren Schwärmen zusammenfindenden baumbewohnenden -Ringel-, Hohl- und Turteltauben. Beim Nahrungsuchen läuft sie -stundenlang auf dem Boden herum; beim Trinken watet sie bisweilen ein -bischen ins Wasser hinein. Sie lebt von allerlei Sämereien und nistet -dreimal im Jahre. Mit Beginn des Frühlings wirbt der Tauber sehr eifrig -rucksend unter allerlei Bücklingen und Drehungen um ein Weibchen, dem -er die größte Zärtlichkeit bekundet, während er gegen andere Genossen -zänkisch und unverträglich ist. Erwidert sie seine Gefühle und ist -damit die Ehe zustandegekommen, so sammelt er allerlei trockene -Pflanzenstengel und dürre Halme, mit denen die Täubin das Nest baut, in -das sie zwei glattschalige, rein weiße Eier legt. Beide Geschlechter -brüten, die Täubin von 3 Uhr nachmittags bis 10 Uhr vormittags -ununterbrochen, der Täuberich dagegen in den übrigen Stunden. Nachts -schläft letzterer in der Nähe des Nestes, immer bereit, die Gattin zu -beschützen, und duldet nicht ein<span class="pagenum"><a id="Seite_364"></a>[S. 364]</span>mal, daß sich ihr eine andere Taube -nähert. Nach 16–18 Tagen schlüpfen die äußerst unbehilflichen, blinden -Jungen aus, die in der ersten Zeit von beiden Eltern mit dem im Kropfe -gebildeten Futterbrei ernährt werden, um dann später erweichte, endlich -härtere Sämereien nebst Steinchen als Reibemittel für den muskulösen -Kaumagen zu erhalten. Schon nach vier Wochen sind sie erwachsen, -schwärmen mit den Alten aus, machen sich in wenigen Tagen selbständig, -und die Eltern schreiten alsbald zur folgenden Brut. Jung aus dem Neste -genommene Felsentauben benehmen sich ganz wie Feldtauben, befreunden -sich mit dem Menschen, sind aber nicht so untertänig wie Haustauben.</p> - -<p>Da es zahlreiche Rassen der Haustaube gibt, die im einzelnen sehr -starke Abweichungen in der äußeren Erscheinung erkennen lassen, so -war unter den Züchtern früher die Annahme allgemein verbreitet, daß -mehrere wilde Stammarten angenommen werden müssen. Indessen haben die -umfassenden Untersuchungen von Charles Darwin diese Frage endgiltig -gelöst und festgestellt, daß sie alle von der Felsentaube abstammen, -die schon im Freileben so veränderlich ist, daß man, wie gesagt, -mehrere geographische Rassen von ihr unterscheidet. Er führt eine -Reihe von Gründen an, die ausschlaggebend für die Abstammung aller -unserer Taubenrassen von der Felsentaube sprechen. Wenn auch unsere -Haustauben in Einzelehe leben, haben sie wie die wilde Stammart einen -starken Hang zur sozialen Lebensweise, vermeiden es wie diese auf -Bäume zu fliegen oder gar ihre Nester auf denselben anzulegen, sondern -verlangen vielmehr für ihre Nistplätze halbdunkle, unzugängliche Orte. -Alle Haustauben betragen sich wie die Felsentaube und legen wie diese -je zwei Eier. Bei allen Rassen derselben treten gelegentlich mohnblau -wie die Wildform gefärbte Individuen mit dem charakteristischen -Metallschimmer am Halse und den schwarzen Flügelbinden auf. Darwin -hat ausgedehnte Kreuzungsversuche bei verschiedenen Haustaubenrassen -gemacht und dabei häufig bei den Nachkommen schwarze Flügelbinden -auftreten sehen, auch wenn die Zuchttiere keine Spur davon erkennen -ließen. Durch Kreuzung mancher Schläge, die durchaus kein Blau in -ihrem Gefieder besaßen, erhielt er Nachkommen von blauer Färbung -und Zeichnung, die als vollständige Rückschläge in die Felsentaube -erschienen. Die Felsentaube kreuzt sich fruchtbar mit den -Haustaubenschlägen und letztere kreuzen sich unter sich, was ebenfalls -für die Felsentaube als gemeinsame Ausgangsform hindeutet. Schon bei -den wilden Felsentauben tritt gelegentlich Leu<span class="pagenum"><a id="Seite_365"></a>[S. 365]</span>cismus auf, der dann bei -manchen der vom Menschen gezüchteten Schläge überwiegt.</p> - -<p>Dieses Auftreten der weißen Farbe hält Ed. Hahn für sehr wichtig, -indem Tauben dadurch zuerst die Aufmerksamkeit, den Schutz und später -die Pflege des Menschen erworben haben sollen. Er sagt in seinem -Buch über die Haustiere und deren Beziehungen zum Menschen: „Bei -keinem Tier ist es so deutlich, daß seine Einführung mit religiösen -Momenten zusammenhängt, und bei keinem Tier lassen sich so leicht die -ursprünglichen Bedingungen der Einführung feststellen. Grotten und -Felshöhlen, aus denen vielleicht noch ein starker Quell entspringt, -gehören zu den ursprünglichsten Heiligtümern; dies sind Stellen, die -die Taube mit besonderer Vorliebe bewohnt, und so scheu sie sonst ist, -oft mit merkwürdiger Nichtachtung des menschlichen Verkehrs auch trotz -aller Störungen innebehält. Jede Gottheit nimmt die Tiere, die sich -ihr freiwillig anvertrauen, in ihren Schutz. Fanden sich nun einmal -unter den Tauben einige Albinos, so war die weiße, lichtglänzende -Verkörperung der Gottheit von selbst gegeben, und daß die Taube mit -ihrer äußerst verliebten Natur der Göttin der Liebe geweiht wurde, ist -ebenso selbstverständlich. Ich glaube sogar sagen zu können, daß die -Taubengestalt in so alter Zeit sich mit der Vorstellung, unter der man -sich die Gottheit des weiblichen Prinzips verkörpert dachte, verband, -daß sie von sehr bedeutendem Einfluß auf die Ausgestaltung dieses -weiblichen Prinzips selbst gewesen ist; bekanntlich wurde Semiramis, -die nur eine spezialisierte Form der großen Göttin darstellt, aus -einem großen Ei am Ufer des Euphrat von den Tauben ausgebrütet (Diodor -II, <span class="antiqua">c.</span> 4; später flog sie als Taube gen Himmel, <span class="antiqua">c.</span> -20). Schon in ältester Zeit hat die Taube sich als heiliger Vogel der -Göttermutter durch den ganzen Orient verbreitet. Die Phönizier brachten -sie so weit sie den Kult ihrer Götter trugen, z. B. nach dem Berge Eryx -in Sizilien, und mit der Leichtigkeit, mit der sich der heilige Vogel -wieder an anderen Stellen festsetzte, gab er dann seinerseits Grund -zu neuen Heiligtümern der Venus. An eine Benutzung des Vogels, etwa -zur Speise, war in solchen Fällen natürlich nicht zu denken, stand er -doch unter dem unmittelbaren Schutz der Göttin. Erst sehr viel später -lernte man den Vogel auch als Braten schätzen; hier waren es wohl die -Römer zuerst. Doch ging die Idee des Zusammenhangs des Vogels mit der -Venus nicht gleich ganz verloren; das beweist uns Martial (der in einer -seiner Xenien sagt: ‚Nicht soll diesen Vogel essen, wer geil zu sein -begehrt‘).“</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_366"></a>[S. 366]</span></p> - -<p>In der dargestellten Weise mag irgendwo in Westasien die wilde -Felsentaube vor allem in gewissen albinotischen Individuen als heiliges -Tier der großen Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit unverletzlich -erklärt und dann sogar in menschliche Pflege genommen worden sein, -bis sie sich schließlich an ihre Beschützer gewöhnte und zum Haustier -wurde. Und was zunächst nur einigen auserwählten Individuen zuteil -wurde, das erstreckte sich später auf das ganze Geschlecht, so daß die -Felsentaube überhaupt für ein unverletzliches, heiliges Tier galt. So -war seit den ältesten geschichtlichen Zeiten die Felsentaube der großen -Göttermutter und Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit, Astarte, heilig -und wurde überall in Vorderasien bei ihren Tempeln in größeren Scharen -gehegt. Auch mag da und dort ein Taubenpärchen in den Höhlen, die als -älteste Kultorte dienten, später auch an dunkeln Orten der Steintempel -genistet und sich so an den Umgang mit dem Menschen gewöhnt haben. Dies -gab vielleicht dem betreffenden Kultorte ein besonderes Ansehen, so -daß dann künstlich von den Priestern Tauben dort angesiedelt wurden, -wodurch die Zähmung beschleunigt wurde.</p> - -<p>Als der Grieche Xenophon im Jahre 400 v. Chr. im Heere des jüngeren -Cyrus mit anderen griechischen Söldnern Syrien durchzog, fand er, daß -die Einwohner die Fische und Tauben als göttliche Wesen verehrten und -ihnen kein Leid anzutun wagten. Nach Pseudo-Lucian waren in Hierapolis -oder Bambyce die Tauben so heilig, daß niemand eine derselben auch nur -zu berühren wagte. Wenn dies jemandem wider Willen widerfuhr, dann -trug er für den ganzen Tag den Fluch des Verbrechens; „daher leben -auch,“ fügt der Verfasser hinzu, „die Tauben mit den Menschen ganz -als Genossen, treten in deren Häuser ein und besetzen weit und breit -den Erdboden.“ Ganz dasselbe berichtet der Jude Philo von Askalon, -wo auch ein berühmter Tempel der Göttin Astarte — der <span class="antiqua">Aphrodite -uraniḗ</span>. wie die Griechen sich ausdrückten — war. Er schreibt -nämlich: „Ich fand dort eine unzählige Menge Tauben auf den Straßen und -in jedem Hause, und als ich nach der Ursache fragte, erwiderte man mir, -es bestehe ein altes religiöses Verbot, die Tauben zu fangen und zu -profanen Zwecken zu verwenden. Dadurch ist das Tier so zahm geworden, -daß es nicht bloß unter dem Dache lebt, sondern ein Tischgenosse des -Menschen ist und dreisten Mutwillen treibt.“</p> - -<p>Als der Dienst der semitischen Göttin Astarte durch die der Schiffahrt -kundigen Vertreter dieses Stammes weiter westlich im Mittelmeer -verbreitet wurde, zog selbstverständlich ihr heiliges Tier, die zahme<span class="pagenum"><a id="Seite_367"></a>[S. 367]</span> -Taube, mit und wurde an ihren Heiligtümern in halber Wildheit gehalten, -wie dies heute noch überall im Orient auch unter den Mohammedanern der -Fall ist. Allgemein bekannt sind die Tauben der Göttin in Paphos auf -Zypern, die <span class="antiqua">paphiae columbae</span> der Römer, die im Tempel ein- und -ausflogen, ja sich selbst auf das Bild der Göttin setzten. Von Zypern -gelangte der Dienst dieser orientalischen Liebesgöttin schon vor der -Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends zu den die Küsten des -Ägäischen Meeres und die Inseln nebst Kreta bewohnenden Mykenäern. Dort -sind ihre auf uns gekommenen Darstellungen stets von Tauben umgeben. So -fand man im dritten Grabe der Burg von Mykenä zwei einst auf Kleider -genähte Goldbleche mit dem Bildnis einer jedenfalls sie darstellenden -weiblichen Gottheit, auf deren Haupt eine Taube sitzt. Im einen fliegt -außerdem von jedem Arme eine Taube aus. Fünf andere Goldbleche aus dem -3. und 5. Grabe stellen ein von Tauben umgebenes Gebäude dar, das wohl -an den Astarte-Aphroditetempel von Paphos erinnern soll. Dann sind auf -einem elfenbeineren Spiegelgriff aus mykenischer Zeit zwei weibliche -Gottheiten dargestellt, von denen jede eine Taube mit ausgebreiteten -Flügeln und ausgestrecktem Hals auf dem einen Arm hält.</p> - -<p>Zu Beginn des letzten vorchristlichen Jahrtausends waren es besonders -die Phönikier, die zugleich mit ihrer Kolonisation den Astartekult und -die damit zusammenhängende Pflege ihres heiligen Tieres verbreiteten. -So brachten sie denselben u. a. auch nach ihrer Pflanzstadt Korinth. -Allerdings ist später im Kulte der Aphrodite der Griechen zunächst vom -heiligen Tiere ihrer phönikisch-semitischen Vertreterin keine Rede; es -muß nicht direkt mit jenen von ihnen übernommen worden sein. Auch in -den alten homerischen Hymnen auf sie finden sich die Tauben als ihr -heilige Tiere nicht erwähnt. Es wird dort berichtet, wie die Göttin -ihren duftenden Tempel auf der Insel Zypern betritt, wie sie von den -Chariten mit dem unsterblichen Öle gesalbt, mit herrlichen Gewändern -bekleidet und mit goldenem Geschmeide geschmückt wird und sich dann, -Zypern verlassend, hoch durch die Wolken nach dem quellenreichen Ida -schwingt.</p> - -<p>Die älteste Erscheinung der Haustaube stammt, wie schon Darwin -festzustellen vermochte, aus der Zeit der 5. ägyptischen Dynastie (2750 -bis 2625 v. Chr.) zur Zeit des Alten Reiches. Damals wurde sie schon -auf manchen Gehöften in Scharen gehalten und vom Menschen gefüttert. -Im Alten Testament wird sie zur Zeit des Exils (586–536 v. Chr.)<span class="pagenum"><a id="Seite_368"></a>[S. 368]</span> im -Pseudo-Jesaias 60, 8 angeführt. Nach Ohnefalsch-Richter hat man auch, -besonders auf Zypern, hoch ins letzte vorchristliche Jahrtausend -hinaufreichende Abbildungen kleiner Tempel und Kapellen ausgegraben, -die wie die heutigen Bauernwohnhäuser in Syrien und Ägypten als -Taubenschläge eingerichtet sind. Alles dies beweist das hohe Alter der -Taubenzucht in der Ostecke des Mittelmeers.</p> - -<p>Von dorther gelangte die Haustaube jedenfalls schon vor dem 5. -Jahrhundert v. Chr. zu den Griechen. Wenn nun der griechische -Geschichtschreiber Charon von Lampsakos, der Vorgänger des Herodot, in -seinen Persiká schreibt: „Zu der Zeit, da die persische Seemacht unter -Mardonios (492 v. Chr.) — zwei Jahre vor der Schlacht bei Marathon -— bei der Umschiffung des Vorgebirges Athos zugrunde ging, seien -zuerst die weißen Tauben im Lande erschienen,“ so will er damit nicht -sagen, wie die meisten Autoren schließen, damals sei die Haustaube -überhaupt zum erstenmal nach Griechenland gekommen, sondern er meint -damit offenbar nur Haustauben edler Rasse, die wir wohl mit dem Kulte -der orientalischen Liebesgöttin in Verbindung setzen dürfen. Noch viel -später lesen wir bei einigen griechischen Schriftstellern von der -„weißen Taube Aphrodites“. Es haben sich also beim Schiffbruche der -persischen Flotte am Berge Athos zahme weiße Tauben des Astartedienstes -aus den scheiternden Fahrzeugen ans Land gerettet und fielen den -Einwohnern in die Hände, die diese auffallenden Gäste hegten und -an ihre Landsleute weitergaben. Ein halbes Jahrhundert später war -unter den Athenern, die mit Thrakien in lebhaftem politischem und -Handelsverkehr standen, die zahme, — wohl vielfach weiße — Taube -unter dem Namen peristerá, der vielleicht aus jener nördlichen Gegend -stammt, ein verbreitetes Haustier, das gelegentlich, wie im Orient, -zu schnellen Botschaften gebraucht wurde. So sandte der um diese Zeit -lebende Äginet Taurosthenes seinem Vater durch eine Taube Botschaft -von seinem Siege in Olympia, und diese soll noch an demselben Tage -nach Ägina gelangt sein. Die wörtliche Schilderung dieses Vorgangs -erzählt uns Älian folgendermaßen: „Als Taurosthenes von Ägina den -Sieg zu Olympia errang, gelangte die Nachricht von seinem Glücke noch -selbigen Tags an seinen Vater nach Ägina. Er hatte nämlich eine Taube -mitgenommen, deren Junge noch im Nest saßen, und ließ sie, sowie er -gesiegt hatte, mit einem angehängten roten Läppchen davonfliegen.“ Als -der Aphrodite heilige Vögel wurden sie dieser Göttin als Weihgeschenke -dargebracht, um ihre Tempel in halber Freiheit gehalten und dort -regelmäßig gefüttert. Nach den Dar<span class="pagenum"><a id="Seite_369"></a>[S. 369]</span>stellungen auf Münzen muß besonders -Sikyon eine Hauptstätte des Aphroditekultes, wie auch der Taubenzucht -gewesen sein.</p> - -<p>Nach Italien kam die Taube durch die Vermittlung der süditalischen -Griechen, nachdem diese wohl durch den auf die Phönikier zurückgehenden -Tempel von Eryx in Sizilien zuerst Bekanntschaft mit jenem heiligen -Vogel gemacht hatten. Zog nun die dort verehrte Göttin Astarte an -einem bestimmten Tage des Jahres nach Afrika fort, so sollten ihr -nach Älian alle Tauben dorthin folgen. „Sind neun Tage verflossen, so -sieht man, wie die Leute behaupten, eine wunderschöne purpurfarbige -Taube von Libyen aus über das Meer nach Eryx fliegen und dieser folgt -dann eine ganze Wolke gewöhnlicher Tauben. Ist der Zug angelangt, so -wird (wie bei ihrem Auszug das Abschiedsfest) ein anderes Fest, das -Rückkehrfest, gefeiert.“ In der Zeit zwischen beiden mochten wohl -die Tempeltauben durch die Priester in ihren Kammern verschlossen -gehalten werden. Den Vogel nannten die sizilischen Griechen, als sie -ihn an jenem uralten phönikischen Heiligtum an der Nordwestspitze -Siziliens kennen lernten, <span class="antiqua">kólymbos</span>, woraus dann die Römer -<span class="antiqua">columbus</span> oder <span class="antiqua">columba</span> machten. In Italien wurde die zahme -Taube dann allmählich bekannt und ihre Zucht in Angriff genommen. Der -gelehrte Römer Varro zu Ende der Republik sagt, daß sie sonst ohne -Unterschied mit <span class="antiqua">columba</span> Männchen und Weibchen der Haustaube -bezeichnet hätten und erst später, da der Vogel bei ihnen gewöhnlich -ward, <span class="antiqua">columbus</span> von <span class="antiqua">columba</span> (als Männchen und Weibchen) -unterschieden. Er unterscheidet genau zwischen der Feldtaube — dem -halbwilden Abkömmlinge der Felsentaube — und der zahmen Haustaube, -und beschreibt Taubenhäuser, in denen bis 5000 Stück gehalten wurden. -„Man pflegt zwei Arten von Tauben zu halten: die Feldtaube, welche -andere auch Felsentaube nennen. Sie ist scheu, wohnt in den Türmen und -andern hohen Teilen des Landhauses und fliegt von da nach Belieben -auf das Feld, um sich ihr Futter selbst zu suchen. Dann Haustauben, -die zutraulicher sind und sich mit dem zu Hause gereichten Futter -begnügen. Diese sind meist weiß, während die Feldtauben nirgends -weißes Gefieder haben. Es paaren sich auch beide Arten von Tauben -miteinander, wodurch eine dritte Sorte entsteht. Das Taubenhaus hat -eine gewölbte Decke, eine enge Tür und mit Netzwerk überzogene Fenster, -durch welche Licht einfällt, aber weder eine Schlange noch sonstiges -Ungeziefer eindringen kann. Die Innenwände macht man glatt, ebenso die -Außenwände, damit weder Mäuse noch Eidechsen hinein können; denn die -Tauben sind sehr furchtsamer<span class="pagenum"><a id="Seite_370"></a>[S. 370]</span> Natur. Für jedes Paar wird eine besondere -Zelle hergestellt, inwendig drei Spannen breit und lang mit einem zwei -Spannen langen Brett am Eingang. Es muß reines Wasser ins Taubenhaus -fließen, das zum Trinken und Baden dient; denn diese Vögel sind sehr -reinlich. Auch muß der Taubenwärter das Haus in jedem Monat mehrmals -fegen. Der Taubenmist ist von großem Wert für die Landwirtschaft und -wird für den besten gehalten. Der Wärter muß auch die kranken Tauben -kurieren, die gestorbenen beseitigen und die zum Verkaufe passenden -jungen herausnehmen; dann muß er die Habichte wegfangen, indem er ein -Tier, nach welchem dieser Raubvogel zu stoßen pflegt, anbindet und -Leimruten so um dasselbe steckt, daß sie sich über ihm wölben.</p> - -<p>Ihr Futter bekommen die Tauben in Trögen, welche im Innern des -Taubenhauses an den Wänden stehen und von außen durch Röhren gefüllt -werden. Sie fressen gern Hirse, Weizen, Gerste, Erbsen, Bohnen, Linsen. -Kauft man Tauben, so müssen sie das richtige Alter haben und die Zahl -der Männchen muß der der Weibchen gleich sein. Kein Tier übertrifft die -Taube an Fruchtbarkeit. Innerhalb 40 Tagen legt, brütet und erzieht -sie ihre Brut von jeweilen zwei Jungen, und das geht das ganze Jahr -hindurch. Wer junge Tauben zum Verkaufe mästet, sperrt sie ab, sobald -sie ganz befiedert sind, und stopft sie dann mit gekautem Weißbrot; -diese Fütterung geschieht im Sommer täglich drei-, im Winter nur -zweimal. Will man die Jungen im Neste von den Alten mästen lassen, so -zerbricht man ihnen die Beine und gibt reichliches Futter. Das Paar -alter, schöner Tauben kann in Rom gewöhnlich für 200 Sesterzien (= 30 -Mark) verkauft werden; ein ganz ausgezeichnetes Paar kostet auch bis -1000 Sesterzien (= 150 Mark). Als neulich ein Kaufmann ein solches Paar -vom Ritter Lucius Axius kaufen wollte, antwortete dieser, sie wären -unter 400 Denaren (= 240 Mark) nicht feil.“</p> - -<p>Sehr ausführlich schildert der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte -die Haustaube und deren Lebensgewohnheiten. Am Schlusse seiner -Ausführungen sagt er: „Es gibt viele, die vor lauter Taubenliebhaberei -wie verrückt sind. Sie erbauen ihnen Türme auf ihren Dächern und -wissen von einer jeden nachzuweisen, woher sie stammt und wie edel -ihre Abkunft ist. Schon vor dem pompejanischen Bürgerkriege (49 und 48 -v. Chr.) verkaufte der römische Ritter Lucius Axius einzelne Paare, -wie Varro erzählt, für 400 Denare (= 240 Mark). In Kampanien sind sie -vorzüglich groß, und dieses Land ist in dieser<span class="pagenum"><a id="Seite_371"></a>[S. 371]</span> Hinsicht berühmt. Die -Tauben sind auch schon in wichtigen Angelegenheiten als Botschafter -gebraucht worden, wie denn z. B. Decimus Brutus, als er in Mutina (dem -heutigen Modena) belagert wurde, ihnen Briefe an den Beinen befestigte -und sie ins Lager der Konsuln schickte. Was konnte da dem Antonius -sein Wall, seine Wachsamkeit, der durch Netze gesperrte Fluß helfen, -da der Bote durch die Luft flog?“ Übrigens sei hier bemerkt, daß man -im Altertum gelegentlich auch Schwalben statt wie hier Haustauben -zu raschen Überbringerinnen von Botschaften auf große Entfernungen -benutzte. So schreibt der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte: -„Cäcinna, ein Ritter aus Volaterra, der zu öffentlichen Wettrennen -bestimmte Wagen besaß, pflegte Schwalben mit nach Rom zu nehmen, -bestrich sie, wenn er gesiegt hatte, mit der Farbe des Sieges (rot), -ließ sie fliegen und sie überbrachten, indem sie ihrem Neste zueilten, -bald seinen Freunden die Botschaft. Auch erzählt Fabius Pictor in -seinen Jahrbüchern, daß man, als eine römische Besatzung von den -Ligustinern belagert wurde, ihm eine von den Jungen genommene Schwalbe -zuschickte, damit er ein Fädchen an ihre Füße binden und durch Knoten -die Zahl der Tage angeben könne, nach deren Verlauf er zum Entsatze da -sein würde. Die Besatzung sollte dann einen Ausfall machen.“</p> - -<p>Auch allerlei Aberglauben knüpfte sich bei den Römern an die Taube, wie -an zahlreiche andere Vögel; so berichtet Dio Cassius: „Dem Macrinus -wurde der Verlust der Schlacht und sein darauf erfolgender Tod dadurch -prophezeit, daß, während sein erster Brief, worin er verkündete, -Kaiser geworden zu sein, im Senat vorgelesen wurde, eine Taube sich -auf seine Bildsäule, die in dem Versammlungssaale stand, niederließ.“ -Als großer Tierfreund hat besonders der Vetter, Adoptivsohn und -Nachfolger des Heliogabalus, einer der besten Fürsten seiner Zeit, -Alexander Severus, der 222 14jährig die Regierung antrat, 231 siegreich -gegen den Perserkönig Artaxerxes focht und 235 unweit von Mainz von -aufrührerischen Soldaten ermordet wurde, große Geflügelhöfe und -Tausende von Tauben gehalten. So berichtet der Geschichtschreiber Älius -Lampridius von ihm: „Nach Heliogabals Tod übernahm ein herrlicher -Mann, Alexander Severus, die Regierung des Römischen Reichs. Dieser -duldete während der Mahlzeit die bei den Römern üblichen Unterhaltungen -durchaus nicht, sondern hatte Spaß daran, wie kleine Hündchen und -Kätzchen mit Spanferkelchen spielten und Vögel um ihn herumflogen. -Überhaupt waren die Vögel seine Hauptfreude. Er hatte eigene Anstalten -für Pfauen, Fasanen, Haus<span class="pagenum"><a id="Seite_372"></a>[S. 372]</span>hühner, Enten, Rebhühner, die größten aber -für Tauben, deren er 20000 gehabt haben soll. Um nun dem Staate nicht -durch die Fütterung der ungeheuren Menge von Geflügel lästig zu fallen, -mußten seine Angestellten die Eier, die Küchlein, die jungen Tauben -verkaufen und von dem daraus gelösten Gelde das Futter kaufen.“</p> - -<p>Aus diesen Stellen kann man entnehmen, wie populär auch bei den Römern -der späteren Kaiserzeit die Taubenzucht war. Noch ums Jahr 400 n. Chr. -spricht Palladius von Taubentürmen, die man auf dem Herrenhause baue -und so einrichte, daß alle Nester inwendig seien. Dabei müßten alle -Eingänge so klein sein, daß sich kein Raubvogel hineinwage. Dabei -weiß er noch allerlei von uns allerdings sehr skeptisch aufgenommene -Ratschläge zu erteilen, so sagt er: „Um die Tauben vor Wieseln zu -sichern, wirft ein Mann ganz heimlich, ohne daß es jemand sieht, -einen blattlosen Dornbusch oder einen Haufen altes Spartgras in das -Taubenhaus. Um sie vor dem Tode zu schützen und damit sie nicht in -andere Taubenschläge übersiedeln, hängt man in alle Eingänge etwas von -dem Strick, mit dem ein Mensch gehängt wurde. Die Tauben bringen sogar -noch fremde mit, wenn man sie fleißig mit Kümmel füttert.“ Heute rät -man zu letzterem Zwecke Anisöl in die Taubenschläge zu bringen, für das -die Tauben tatsächlich eine große Vorliebe hegen.</p> - -<p>Auch bei den Römern, die als Realisten sich nicht scheuten, die Tauben -trotz ihrer althergebrachten Heiligkeit zu verspeisen, waren sie der -Liebesgöttin Venus geweiht. Man dachte sich ihren Wagen von weißen -Tauben gezogen, wie schon die Griechen erzählten. Es sei hier nur -an die Ode an Aphrodite erinnert, die die berühmteste Dichterin des -Altertums, die aus vornehmem lesbischem Geschlechte stammende Sappho zu -Beginn des 6. vorchristlichen Jahrhunderts verfaßte und die in Geibels -Nachdichtung folgendermaßen beginnt:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">„Die du thronst auf Blumen, o schaumgeborene,</div> - <div class="verse indent0">Tochter Zeus, listsinnende, hör mich rufen,</div> - <div class="verse indent0">Nicht in Schmerz und bitterer Qual, o Göttin,</div> - <div class="verse indent2">Laß mich erliegen.</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Sondern huldvoll neige dich mir, wenn jemals</div> - <div class="verse indent0">Du mein Flehn willfährigen Ohrs vernommen,</div> - <div class="verse indent0">Wenn du je, zur Hilfe bereit, des Vaters</div> - <div class="verse indent2">Halle verlassen.</div><span class="pagenum"><a id="Seite_373"></a>[S. 373]</span> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Raschen Flugs auf goldenem Wagen zog dich</div> - <div class="verse indent0">Durch die Luft dein Taubengespann, und abwärts</div> - <div class="verse indent0">Floß von ihm der Fittiche Schatten dunkelnd</div> - <div class="verse indent2">Über den Erdgrund.</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">So dem Blitz gleich stiegst du herab und fragtest,</div> - <div class="verse indent0">Sel’ge, mit unsterblichem Antlitz lächelnd:</div> - <div class="verse indent0">‚Welch ein Gram verzehrt dir das Herz, warum doch</div> - <div class="verse indent2">Riefst du mich, Sappho?‘“</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Wie bei den Griechen diente auch bei den ihnen so vieles entlehnenden -Römern der Name Taube, wie Spätzchen und Häschen, als Kosewort; -so heißt es bei Plautus u. a.: <span class="antiqua">mea columba</span>. Eine besondere -Rolle spielte dann die Taube in der christlichen Kirche. Man findet -sie in den ältesten christlichen Katakomben Roms häufig abgebildet. -Als reiner, frommer Vogel diente sie früh als Ausdruck der neuen -Religion und der damit verbundenen Seelenstimmung, und man glaubte, -daß beim Tode des Gläubigen sich dessen Seele als Taube zum Himmel -hinaufschwinge, wie einst in ihrer Gestalt der heilige Geist auf die -Erde herniederkam. Als der Frankenkönig Chlodwig im Jahre 496 nach -Besiegung der Alamannen mit 3000 Franken in Reims zum Christentum -übertrat und sich taufen ließ, brachte eine Taube dem Bischof Remigius, -wie Hinkmar im Leben des Heiligen erzählt, das Ölfläschchen zu dessen -Salbung vom Himmel herab. Seit der Zeit der Kirchenväter herrschte ein -allgemeiner Glaube in der Christenheit, daß die Taube keine Galle habe -und deshalb so sanft und ohne Falsch sei; daher kommt es, daß schon der -St. Galler Mönch Ekkehard in seinen Benediktionen, den Tischgebeten, -den heiligen Geist bittet, sein Tier, die „Taube ohne Galle“ für das -Verspeisen zu segnen. Gleicherweise preist Walter von der Vogelweide -die schöne, sanfte Griechin Irene von Byzanz, die Gemahlin des am 21. -Juni 1208 von Otto von Wittelsbach in Bamberg ermordeten deutschen -Königs Philipp von Schwaben, als ein <span class="antiqua">rôs âne dorn, ein tûbe sunder -gallen</span>.</p> - -<p>Wie der Papst besonders verdienten Christen die goldene Tugendrose -verschenkte, so verlieh er ihnen auch als Auszeichnung gelegentlich -das Bild der Taube, das Symbol des heiligen Geistes. Den Germanen war -einst, wie allen Indogermanen, die graue wilde Taube ein düsteres -Geschick und den Tod ansagender Vogel. Nicht anders war es bei den -Römern, bei denen, wie wir sahen, durch das Herbeifliegen<span class="pagenum"><a id="Seite_374"></a>[S. 374]</span> einer -Haustaube der bevorstehende Tod des Kaisers Macrinus angekündigt -worden sein soll. Ihr trat nun, wie dem Heidentum das Christentum, die -anmutige und zärtliche, zutraulich mit dem Menschen lebende und aus -seiner Hand das Futter nehmende weiße, fremdländische Taube gegenüber, -in deren Gestalt der heilige Geist auf die Erde gekommen sein sollte. -Schon letztere Tatsache gab ihr einen Heiligenschein und machte sie -in Anknüpfung an altorientalische Vorstellungen zu einem Gegenstand -religiöser Verehrung. So werden in Moskau und den übrigen Städten -des weiten Rußland Scharen von meist weißen Tauben von den Gläubigen -unterhalten und ernährt, und einen der heiligen Vögel zu töten, zu -rupfen und zu essen wäre eine große Sünde und würde dem Täter übel -bekommen — ganz wie einst zur Zeit Xenophons und Philos in Hierapolis -und Askalon. Noch heute wohnen auf den Kuppeln der Markuskirche und auf -dem Dache des Dogenpalastes im halbgriechischen Venedig Schwärme von -Tauben, die, von niemandem beunruhigt, auf dem Markusplatz ihr Wesen -treiben und zur bestimmten Stunde auf öffentliche Kosten ihr Futter -gestreut erhalten.</p> - -<p>In den beiden letztgenannten Städten sind schon bedeutende -orientalische Einflüsse bemerkbar. Im heutigen, mohammedanischen -Morgenland hat die Taube durch die Jahrhunderte den Stempel der -Heiligkeit bewahrt und wird als Gegenstand religiöser Verehrung in -halbwildem Zustande um die Moscheen gehalten. Schon im frühen Altertum -geschah dies, wie wir sahen, in den Tempeln der Liebesgöttin. Aber auch -sonst stand die Taube in einem gewissen Verhältnisse zum Menschen. -Wie in der Genesis erscheint im altbabylonischen Sintflutbericht -die Taube (<span class="antiqua">samâmu-summatu</span>) neben dem Raben als Sendling -Schamaschnapischtims, des babylonischen Noah, um das nächste Land -auszukundschaften. Auf solche Weise haben auch die alten Phönikier und -Griechen, wenn sie sich ausnahmsweise einmal aus der Sehweite der Küste -entfernten, durch das Aussenden von Tauben das nächste Land erkundet, -wie dies die nordischen Wikinge mit gefangen gehaltenen Raben machten. -Auch anderwärts wird die Taube in Keilinschriften erwähnt; so heißt es -auf einer Tontafel medizinischen Inhalts: „Die Krankheit des Kopfes -fliege davon, wie eine Taube in ihren Schlag.“</p> - -<p>Wie in Mesopotamien und Syrien wurde auch im alten Ägypten die -Felsentaube als Haustier gehalten. Schon zur Zeit der ältesten -Dynastien finden wir sie, wie erwähnt, unter dem Hausgeflügel -abgebildet, doch trat ihre Zucht damals gegenüber derjenigen der dort<span class="pagenum"><a id="Seite_375"></a>[S. 375]</span> -einheimischen Nilgans stark zurück. So ist auf einem Grabe eine vom -Menschen gefütterte Schar Tauben dargestellt. Auf einem andern heißt -es zwar: „Die Taube holt sich Futter“, während daneben steht: „Die -Gans wird gefüttert“ und „die Ente erhält zu Fressen.“ Mit dieser -sich selbst das Futter holenden Taube ist sehr gut die Feldtaube -charakterisiert, die heute noch im Niltale, wie im Morgenlande -überhaupt, in halbwildem Zustande auf alten ruhigen Gebäuden, Tempeln -und in für sie errichteten Türmen gehalten wird. Zum Nisten dienen ihr -hoch übereinandergeschichtete eiförmige Töpfe, die mit Nilschlamm oder -Mörtel miteinander verbunden wurden. Jeder Topf ist an dem nach außen -gekehrten Ende etwas durchbrochen, um Luft und Licht durchzulassen. Der -Eingang für die Taube befindet sich aber an der innern Seite. Von hier -aus wird auch alljährlich der angesammelte Mist als das einzige von den -Tieren Benutzte zusammengekratzt, um als wertvoller Dünger besonders -für die Melonenkulturen verwendet zu werden. Dieser Taubendünger ist -für den Orientalen deshalb so wertvoll, weil in dem holzarmen Lande -der Mist der pflanzenfressenden Haustiere als Brennmaterial benutzt -wird. Der verstorbene Ägyptologe Brugsch Pascha berichtet von seiner -Reise nach Persien, daß die berühmten Melonen von Isfahan in Persien -wesentlich dem reichlichen Taubendünger, den sie erhalten, ihre -Vorzüglichkeit verdanken. Schon im Altertume gab es übrigens da, wo wir -solchen noch heute begegnen, derartige Taubentürme. So werden sie schon -im Alten Testament bei Pseudo-Jesaias 60, 8 erwähnt, der sagt: „Wer -sind die, welche fliegen wie die Wolken und wie die Tauben in ihren -Wohnkammern?“ Auch auf der späteren Königsburg in Jerusalem, die im -Jahre 70 n. Chr. im allgemeinen Brande unterging, waren nach Josephus -„viele Türme mit zahmen Tauben.“</p> - -<p>Nach der Sage wurde die Taube für die Mohammedaner deshalb ein heiliger -Vogel, weil eine solche, die sich durch seinen Eintritt in die Höhle, -in der sie brütete, nicht stören ließ, den Propheten Mohammed auf -seiner Flucht vor der Gefangennahme durch die ausgesandten Häscher -schützte. Deshalb wird sie überall in der mohammedanischen Welt in -halber Wildheit gehalten, ohne irgend welchen Nutzen aus ihr zu ziehen. -Einzig ihr Mist wird, wie oben gesagt, als Düngmittel verwendet. -Von den ebenfalls halbwilden, auf öffentliche Kosten oder von den -Gläubigen ernährten Tauben des Kreml in Moskau und der Markuskirche -in Venedig wird nicht einmal dieser verwendet. Ebenso ist es in den -mohammedanischen Moscheen und in den siamesischen<span class="pagenum"><a id="Seite_376"></a>[S. 376]</span> Pagoden. „Taube der -Moschee“ zu heißen, ist ein lobendes Prädikat für einen frommen Moslem. -In Indien und China hat sich ohne allen europäischen Einfluß schon -in alter Zeit eine namhafte Taubenliebhaberei entwickelt, die früh -zur Züchtung verschiedener Kulturrassen führte. So wird vom mächtigen -Eroberer mohammedanischen Glaubens, dem Großmogul Akbar dem Großen, -der von 1556 bis 1605 regierte, berichtet, daß er sich persönlich mit -ihrer Zucht abgab und an seinem Hofe über 20000 Tauben hielt. Um seine -Arten zu vermehren, ließ er sich von den Herrschern in Iran und Turan -seltene Rassen senden. So besaß er schließlich bereits 17 verschiedene -Taubenrassen. In Syrien soll es heute noch mehr Taubenfreunde und --Züchter geben als selbst in England, das in der Zucht dieses -Haustieres Großes geleistet hat. Auch die Chinesen haben Freude an -der Taube und halten sie gern. Dabei schützen sie ihre Taubenschwärme -durch das Anbringen kleiner Pfeifen aus Bambus, die dann beim Fliegen -durch schwirrende Töne die Raubvögel abhalten sollen. Dieser Gebrauch -ist auch bei den Japanern üblich, die dieses Haustier, wie so vieles -andere, von den Chinesen übernahmen.</p> - -<p>Während auch die Ostasiaten als Feinschmecker junge Tauben gern essen, -tun dies die christlichen Abessinier nicht aus religiöser Scheu, da -die Taube als Sinnbild des heiligen Geistes bei ihnen als heiliges -Tier gilt. Man findet sie deshalb in jenem Lande häufig in der noch -dort geübten byzantinischen Kunst abgebildet. Die abessinischen Juden -müssen für ihre vorgeschriebenen Opfer wilde Tauben fangen, wie das -in der älteren Zeit im Judentum auch bei den Turteltauben der Fall -war. Auch in den Haussaländern ist sie geschützt wie in allen dem -Islam huldigenden Ländern. Durch die Araber wurde sie dann den Negern -Ostafrikas gebracht, die sie teilweise willig annahmen. So werden sie -in Unjamwesi in großen Schlägen aus Rindenschachteln gehalten, worunter -auch viele weiße. Bis zum Jahre 1883 hatten sie sich bis in das Herz -des schwarzen Kontinents, zum Flusse Lulua, verbreitet.</p> - -<p>Mit den Europäern gelangte die Taube natürlich auch nach Amerika und -Australien, wo sie vollständig eingebürgert wurde. An zahllosen Stellen -ist die Taube verwildert und hat mehr oder weniger die Färbung ihrer -wilden Vorfahren angenommen, so besonders in den Mittelmeerländern -und auf vielen ozeanischen Inseln. Auf den Azoren flossen bei den -verwilderten Tauben die weißen Flügelbinden zusammen. Das gab den -Ornithologen Gelegenheit, eine neue Unter<span class="pagenum"><a id="Seite_377"></a>[S. 377]</span>art aufzustellen, wie deren -durch künstliche Auslese und zielbewußte Zucht zahlreiche durch den -Menschen willkürlich geschaffen wurden.</p> - -<p>Schon im Altertum entstanden die Stammformen der meisten heutigen -Taubenrassen im Morgenlande, um dann nach dem Abendlande verbreitet zu -werden. So war schon im Mittelalter die Zahl der in Europa bekannten -Taubenrassen beträchtlich. Man züchtete damals bereits in den -Niederlanden eigene Rassen, zu denen durch die Einfuhr aus dem Orient -stets neue hinzukamen. Von den Niederlanden, die im 15. Jahrhundert -das kultivierteste Volk Mitteleuropas besaßen, verbreitete sich die -Taubenzucht im 16. Jahrhundert über Deutschland, England, Frankreich -und die diesen benachbarten Länder. Schon vor dem Jahre 1600 waren -die Hauptrassen unserer Haustaube vorhanden; seither gingen einzelne -wieder verloren, während andere eine Umbildung erfuhren. In seiner -Ornithologie führt der Italiener Ulysses Aldrovandi die um 1600 in -Europa gezüchteten Taubenrassen auf, die damals immer noch vorzugsweise -in den Niederlanden gezüchtet wurden. Es gab dort besondere Vereine von -Taubenzüchtern, die Anregungen in diesem Wirtschaftszweige zu geben -bestrebt waren. Trotz der einheimischen Zucht hat aber die Einführung -orientalischer Taubenrassen noch nicht aufgehört; denn wie früher ist -noch immer das Morgenland das Hauptzuchtgebiet der Taube.</p> - -<p>Von der in Westasien zuerst gezähmten Felsentaube sind so zahlreiche -Rassen hervorgegangen, daß es schwer hält, sie alle einzureihen. Der -wilden Stammform am nächsten stehen die im wesentlichen nur durch ihre -Färbung und Zeichnung von ihr verschiedenen <em class="gesperrt">Feldtauben</em>, deren -Hauptverbreitungsgebiet das westliche Europa ist. Sie haben in ihrer -Lebensweise eine gewisse Unabhängigkeit bewahrt, indem sie von ihrem -Nistplatze aus aufs Feld fliegen, um ihr Futter selbst zu suchen. Nur -im Winter werden sie gefüttert. In der Regel sind sie glattköpfig, -d. h. ohne Haube, und ohne Federhosen an den Beinen. Als Nutzvögel stehen -sie wegen ihrem Fleischwert obenan.</p> - -<p>An die Feldtauben schließen sich die zahlreichen <em class="gesperrt">Spiel</em>- oder -<em class="gesperrt">Farbentauben</em> an, die durch eigenartige Färbungen und Zeichnungen -von konstantem Charakter ausgezeichnet sind. Die meisten von ihnen -gehen wie die Feldtauben aufs Feld; doch ist ihre Abhängigkeit vom -Menschen größer. Man unterscheidet bei ihnen Lerchen-, Star- und -Storchtauben, Schwalben- und Gimpeltauben, Weißschwänze, Weißschläge, -Farbenbrüster, Latztauben, Mohren- und andere Farbenköpfe. Die in -mehreren Farbenvarietäten auftretende Eistaube besitzt<span class="pagenum"><a id="Seite_378"></a>[S. 378]</span> ein wie -bereift erscheinendes hell lichtblaues Gefieder. Die gelbliche bis -bräunlichrote Mondtaube ist durch eine halbmondförmige Zeichnung auf -der Brust charakterisiert. Nahe mit ihr verwandt ist die fahlgelbe Elbe -oder Schweizertaube. Die Maskentaube ist ganz weiß mit dunklem Schwanz -und halbmaskenartigem Stirnfleck. Dabei ist der Kopf glatt oder mit -Haube versehen, die Beine sind glatt oder befiedert.</p> - -<p>Die <em class="gesperrt">Trommeltauben</em> weichen im Äußeren nicht auffallend von -den Feldtauben ab, sie zeichnen sich aber durch ihre Stimme aus, -die kein abgesetztes Rucksen, wie die anderer Tauben, sondern ein -fortgesetztes Fortrollen ist, wobei das stillsitzende Tier den Kropf -etwas aufbläht und mit den Flügeln zittert. Manche Trommeltauben sind -am Kopf mit einer Haube und an der Schnabelbasis mit einer Federnelke -geziert. Die Füße sind glatt oder befiedert. Die Färbung ist sehr -verschieden. Häufig erscheint die Zeichnung gescheckt, auch blau, -wie bei der Altenburger Trommeltaube, die besonders in Sachsen sehr -beliebt ist. Als der beste Trommler gilt die etwas schwerfällig gebaute -russische Trommeltaube, die meist einfarbig schwarz mit stahlblauem, -bronzeschimmerndem Halse ist und am großen Kopf Muschelhaube und -Federnelke trägt, welch letztere Augen und Schnabel bedeckt.</p> - -<p>Bei den <em class="gesperrt">Lockentauben</em> erscheint das Gefieder gelockt oder -struppig. Das Gefieder ist weich und flaumig und die Deckfedern sind -nicht abgerundet, sondern in eine Spitze auslaufend, welche zu einer -Locke umgebogen ist. Das Gefieder ist blau bis fahlrot; der Kopf bald -glatt, bald mit Haube versehen und die Beine nackt oder befiedert. Am -stärksten gelockt ist die österreichische Lockentaube. Weniger hoch -sind die Locken bei der holländischen Lockentaube, die fast stets eine -Muschelhaube besitzt.</p> - -<p>Die <em class="gesperrt">Perückentauben</em> sind Tauben mit kurzem, kleinem Kopf, flacher -Stirn und eigentümlicher Perücke oder Kapuze, die in der Weise zustande -kommt, daß die verlängerten Federn unten am Hals regelmäßig gescheitelt -sind, so daß ein Teil die Schultern bedeckt, die Hauptmasse aber sich -nach vorn und oben richtet, so daß sie den Kopf hinten vollständig -umschließen. Diese Perücke ist eine übermäßige Weiterentwicklung -der Kopfhaube, die wir bei vielen Formen antreffen. Sie sind teils -einfarbig blau oder weiß, teils „gemöncht“, indem aus der roten, -gelben oder schwarzen Grundfarbe der weiße Kopf hervorsticht. Flügel -und Schwanz weisen ebenfalls weiße Federn auf. Im allgemeinen sind -die Vertreter dieser Rasse durch die gesättigten Töne<span class="pagenum"><a id="Seite_379"></a>[S. 379]</span> der Grundfarbe -bemerkenswert. Das Wesen dieser Vögel ist auffallend ruhig; sie fliegen -nur wenig umher.</p> - -<p>Eine kleine, zierliche Rasse, die bei den Taubenliebhabern stark -bevorzugt wird und ein sehr weites Verbreitungsgebiet besitzt, sind -die <em class="gesperrt">Mövchen</em>. Der kleine Kopf mit kurzem Schnabel ist bald -glatt, bald behaubt. Vom Kinn verläuft ein faltiger Kehlsack gegen die -Brust und der Vorderhals ist mit strahlig angeordneten, abstehenden -Federn verziert. Von den zahlreichen Varietäten sind hervorzuheben: -das deutsche Schildmövchen mit spitzer Haube, Schildzeichnung und -etwas schleppenden Flügeln, dann die durch schöne Haltung, gewölbte -Brust, hohe Beine und etwas aufgerichteten Schwanz ausgezeichneten -italienischen Mövchen. Die milchblaue Varietät derselben gilt als -besonders schön. Sehr geschätzt sind neben den ägyptischen auch -die chinesischen Mövchen, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts in -Europa eingeführt wurden, deren eigentliche Heimat aber nicht sicher -ermittelt werden konnte, jedenfalls aber irgendwo in Asien zu suchen -ist. Hals und Brust tragen bei dieser Spielart eine sehr umfangreiche -Federrosette; außerdem ist oben am Hals noch eine deutliche Krawatte, -welche den Kopf umgibt. Die kurzschnäbligen und mit befiederten Füßen -versehenen Satinetten oder Atlasmövchen besitzen eine weiße Grundfarbe -mit braunroten, schwarz umsäumten Flügeldeckfedern. Sie gehören mit zu -den schönsten Tauben und sollen aus dem Orient stammen.</p> - -<p>Eine ebenfalls alte Rasse von offenbar ostasiatischer Abstammung -sind die nach ihrem pfauenartig aufgerichteten Schwanz so genannten -<em class="gesperrt">Pfauentauben</em>, die schon vor dem Jahre 1600 in Indien gehalten -wurden. Während normalerweise die Zahl der Schwanzfedern bei der -Taube 12 beträgt, ist sie bei den heute noch in Asien gezüchteten -Pfauentauben auf 14 bis 24, bei den in Europa gezüchteten jedoch auf 28 -bis 40 gesteigert worden. Diese sind breit, am Bürzel in 2 bis 3 Reihen -angeordnet und werden fächerförmig aufgerichtet getragen, während die -Flügel hängen, so daß sie unter den Schwanz zu liegen kommen, ohne -sich zu kreuzen. Der lange Hals ist gebogen, so daß der Kopf weit nach -hinten zu liegen kommt. Das Gefieder ist verschieden gefärbt, häufig -einfarbig blau, weiß oder schwarz.</p> - -<p>Die auffallende Gestalt schätzt man an den Kropf- und Huhntauben. Die -<em class="gesperrt">Kropftauben</em> haben einen gestreckten Körper mit langen Federn -meist auch an den Beinen und Füßen. Sie sind durch die Fähigkeit -ausgezeichnet, den Schlund enorm aufzublasen und ihn be<span class="pagenum"><a id="Seite_380"></a>[S. 380]</span>liebig lange in -diesem Zustande erhalten zu können. Auch sie sind offenbar aus Asien -zu uns gelangt, sind aber schon lange in Europa eingebürgert, da sie -bereits Aldrovandi im Jahre 1600 erwähnt. Als Stammform der besonders -in Zentraleuropa und in den Küstenländern der Nord- und Ostsee, nicht -aber in den Mittelmeerländern stark verbreiteten Kropftauben gilt die -deutsche Kropftaube, die eine bedeutende Körpergröße erlangt und deren -Kropf beständig sehr stark aufgeblasen ist. Die hauptsächlich in der -Normandie, dann auch im übrigen Nordfrankreich gehaltene französische -Kropftaube hat einen fast kugeligen, vom Rumpf abgesetzten Kropf und -lange Beine. Ihr Gefieder ist häufig einfarbig weiß, blau oder gelb, -auch fahlrot mit braunen Binden. Dagegen niedriggestellt in den Beinen -und überhaupt zwergartig ist die holländische Ballonkropftaube, deren -Kopf wie bei den Pfauentauben zurückgebogen ist. Deren ballonartiger -Kropf nimmt im aufgeblasenen Zustande die Hälfte der Taube ein. In der -äußeren Haltung und Bewegung dem Huhn ähnlich, auch durch bedeutende -Größe ausgezeichnet, sind die <em class="gesperrt">Huhntauben</em>. Am gedrungenen, vorn -gerundeten Rumpf mit kurzen Flügeln und kleinem, aufrecht getragenem -Schwanz sitzt auf langem, kräftigem, gebogenem Hals der stets -unbehaubte Kopf mit kurzem Schnabel. Ihr Steiß ist dicht mit Flaum -besetzt. Diese Taubenart ist der Pfauentaube nahe verwandt und stammt -vermutlich wie die letztere aus Ostasien. Eine typische Rasse ist die -<em class="gesperrt">Maltesertaube</em>, die in Vorderindien stark gezüchtet wird und dort -heimisch ist, vermutlich aber über Malta zu uns gelangte. Ihre äußere -Erscheinung ist etwas vierschrötig, die Brust voll und der sehr kurze -Schwanz steil aufgerichtet. Ihr nahe verwandt ist der Epaulettenscheck, -ebenfalls ein Produkt südasiatischer Zucht, das ziemlich früh nach -Europa gelangte. In Italien wurde sie unter dem Namen Tronfo bekannt. -Sie trägt meist dunkles Gefieder mit weißer Zeichnung an Kopf und -Flügeln.</p> - -<p>Ebenfalls südasiatischer Herkunft sind die <em class="gesperrt">Tümmler-</em> oder -<em class="gesperrt">Purzlertauben</em>, so genannt, weil sie die seltsame Gewohnheit -angenommen haben, sich während des Fluges durch die Luft rückwärts zu -überschlagen. Daneben gibt es auch solche Typen, die auf dem Boden -purzeln. Ein guter Tümmler überschlägt sich schon beim Aufsteigen und -führt seine eigentümliche Bewegung in der Weise aus, daß er die Flügel -über dem Rücken zusammenschlägt, sich rückwärts überwirft und dann -mit einem kräftigen Flügelschlag wieder in die frühere Flugrichtung -einlenkt. Auch beim Kreisen wird das Purzeln aus<span class="pagenum"><a id="Seite_381"></a>[S. 381]</span>geführt, doch zeigt -der Vogel seine Kunst nur bei Wohlbefinden. In der Mauser oder in -entkräftetem Zustande versagt er, ebenso an fremdem Ort, bis er sich -genügend eingelebt hat. Ganz gute Vögel tümmeln zwei- bis dreimal -in rascher Aufeinanderfolge. Meist sind die Tümmler von geringer -Körpergröße mit kleinem, zierlichem Kopf und langem, mittellangem -oder kurzem Kopf und befiederten oder glatten Füßen. Hinsichtlich der -Zeichnung sind Weißschwanz-, Elster- und Scheckzeichnung häufiger -als bei anderen Rassen. Von charakteristischen Tümmlern mögen die -gehaubten Kalotten und Nönnchen, die preußischen Weißkopftümmler, die -Kopenhagener Elstern, die englischen Baldheads, die kurzschnäbeligen -Barttümmler und die Königsberger Mohrenkopftümmler hervorgehoben werden.</p> - -<p>Die <em class="gesperrt">Warzentauben</em> sind kräftig gebaute, meist einfarbige Tauben -mit einer warzenartigen Wucherung an der Schnabelbasis und oft auch -noch am Augenring. Der Kopf ist in der Regel ohne Haube, die Füße sind -glatt, die Farben gesättigt, doch die Neigung zu Gefiederzeichnung -gering. Die Rasse stammt aus dem Orient und die einzelnen Schläge -werden häufig unter dem Sammelnamen „türkische Tauben“ zusammengefaßt. -Sie heißen auch Bagdette, weil sie in Bagdad zuerst gezüchtet worden -sein sollen oder wenigstens von dort zu uns kamen. Von den bekannteren -Schlägen ist zunächst die französische Bagdette zu nennen. Bei ihr -ist der gedrungene Körper mit knapp anliegendem blauem, weißem oder -geschecktem Gefieder bedeckt. Die Haltung ist aufrecht. Der starke -Schnabel ist etwas gekrümmt, die rosenrote Schnabelwarze ist sehr -umfangreich. Die kräftigen Beine sind karminrot. Trotz dem Namen -wird diese Rasse in Frankreich selten gehalten. Auch die Nürnberger -Bagdette ist wenig verbreitet. Der glatte Kopf trägt einen langen, -stark gekrümmten Schnabel, an dessen Basis ein mäßig umfangreicher -Warzenhöcker sitzt. Zu den geschätztesten englischen Zuchttauben gehört -die englische Bagdette oder Carrier. Die Stammrasse ist im Orient weit -verbreitet und wurde vor etwa 200 Jahren in Europa importiert und von -englischen Züchtern veredelt. Die Färbung ist schwarz, braun, blau oder -weiß, der Schnabel lang und gerade, die Schnabelwarze enorm, bis zur -Größe einer Walnuß entwickelt, daneben sind die warzigen Augenringe -sehr umfangreich. Die Indianer- oder Berbertaube ist schwarz, braun -oder gelb, selten blau befiedert, der Schnabel kurz, das große Auge mit -weißer Iris von einem mächtigen, rotgefärbten Warzenring umgeben. Auch -sie stammt aus dem Orient und wurde von Nordafrika aus nach England, -Holland und Deutsch<span class="pagenum"><a id="Seite_382"></a>[S. 382]</span>land eingeführt. Durch Pinselhaare am Hals ist -die in Italien stark verbreitete römische Taube ausgezeichnet. Diese -wird wegen ihrer bedeutenden Größe auch Riesentaube genannt. Zu dieser -Gruppe gehören auch die Korallenaugen, die Syrier, Kurdistaner und -andere, deren Name schon auf die orientalische Herkunft hinweist.</p> - -<p>Ebenfalls aus dem Morgenlande wurden die <em class="gesperrt">Brieftauben</em> -bei uns eingeführt, die triebartig stets zu ihrem heimatlichen -Schlage zurückkehrt und denselben auch dank ihrem hochentwickelten -Orientierungsvermögen auf sehr große Entfernungen hin mit Sicherheit -findet, wobei sie per Minute einen Kilometer zurücklegt. Selbst -längere Internierung an einem fremden Orte schränkt ihren Heimatstrieb -nicht ein; so vermag sie selbst nach sechs Monaten wieder ihren -heimatlichen Schlag zu finden. Diese Eigenschaft, die durch ihre -außerordentlich scharfen Sinne bedingt wird, hat ihr eine wichtige -Rolle im Kriegsdienst gesichert, weil sie, wenigstens vor der Zeit -der drahtlosen Telegraphie, oft das einzige Mittel zur Besorgung des -Nachrichtendienstes bot. Auch von der hohen See aus kann sie Meldungen -nach dem Lande überbringen. In wichtigen Fällen wird man, wenn sie -zum Depeschendienst verwendet wird, mehrere Brieftauben mit denselben -Nachrichten, die man in leichten Federspulen an der Schwanzbasis -befestigt, absenden, da Raubvögel gelegentlich solche Tauben wegfangen -und man so sicherer ist, seinen Zweck zu erreichen. Neuerdings hat -man sie auch zu photographischen Aufnahmen des feindlichen Geländes -benutzt, indem man ihr einen leichten Photographenapparat mit -selbsttätigem Belichter um die Brust hing. Von den in Europa weiter -gezüchteten Schlägen sind am bekanntesten und geschätztesten die -Antwerpener, Lütticher und Brüsseler Brieftaube. Ihr Gefieder ist -vorwiegend blau mit dunkeln Flügelbinden.</p> - -<p>Außer der Felsentaube ist nur noch eine Taubenart, eine -<em class="gesperrt">Lachtaube</em> (<span class="antiqua">Columba risoria</span>), ebenfalls in Asien zu einem -Hausvogel erhoben worden. Indessen gibt es außer den Hauslachtauben, -die den wilden Lachtauben sehr ähneln und die große Mehrzahl bilden, -nur noch weiße Lachtauben; aber auch sie tragen das schwarze Genickband -des wilden Stammes. Der Leucismus dieser Vögel beweist, daß sie -schon längere Zeit in des Menschen Pflege sein müssen. Erst im 17. -Jahrhundert kamen sie aus China oder Indien nach Europa, wo sie jedoch -nur beschränkte Verbreitung fanden. In ihrer Heimat Asien aber scheinen -sie ihres angenehmen Wesens wegen vielerorts gezüchtet zu werden. Der -Lieblingsaufenthalt dieser Vögel sind dürre<span class="pagenum"><a id="Seite_383"></a>[S. 383]</span> Steppen, in denen sie ihr -Lachen und Girren aus fast jedem Busche hören lassen. Doch haben sie -sich trotz ihrer angeborenen Scheu teilweise auch schon an den Menschen -gewöhnt. So genießen Lachtauben in Konstantinopel das Privilegium, von -jeder Kornladung ihren Tribut in Anspruch nehmen zu dürfen.</p> - -<p>Von den übrigen Taubenarten ist keine einzige in Abhängigkeit vom -Menschen geraten. Zwar haben schon die alten Römer wilde Ringel- und -Turteltauben gefangen und gemästet, um sie als leckeren Braten zu -verzehren; aber zu Haustieren sind sie damals nicht erhoben worden. -Seit der ältesten Zeit haben die Dichter die durch Vorderasien und das -gemäßigte Europa verbreitete <em class="gesperrt">Turteltaube</em> (<span class="antiqua">Columba turtur</span>) -wegen ihres klangvollen Rucksens und der ehelichen Zärtlichkeit, mit -der Männchen und Weibchen aneinander hängen, besungen. Weil sie auch -leicht zu fangen und in Gefangenschaft zu erhalten war, ist sie auch -zu allen Zeiten und überall vielfach gehalten worden; aber sie scheint -sich in der Gefangenschaft nicht fortgepflanzt zu haben, so daß sich -ihrer Haustierwerdung erhebliche Schwierigkeiten entgegenstellten. In -halber Freiheit aber pflanzt sie sich willig fort, und so haben sie -schon die alten Römer gehalten. So berichtet Varro in der ersten Hälfte -des letzten Jahrhunderts v. Chr.: „Für Turteltauben baut man auch ein -besonderes, demjenigen für Haustauben bestimmten ähnliches Gebäude, -gibt ihnen aber offene Nester und füttert sie mit trockenem Weizen. Sie -ziehen zur Erntezeit viele Junge und diese lassen sich schnell mästen.“</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_384"></a>[S. 384]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XVIII_Die_Sing-_und_Ziervoegel">XVIII. Die Sing- und -Ziervögel.</h2> - -</div> - -<p>Ihres lieblichen Gesanges wegen hat der Mensch je und je Vögel seiner -Umgebung mit Schlingen oder in Fallen gefangen, um sie in kunstlos -aus Stäbchen geflochtenen Bauern in seiner Behausung aufzustellen, -damit sie ihn durch ihr munteres Wesen und ihr wohllautendes -Liebeswerben erfreuten. Von allen <em class="gesperrt">Finkenarten</em>, die zu diesem -Zwecke am häufigsten in Gefangenschaft gehalten werden, ist nur der -<em class="gesperrt">Kanarienvogel</em> (<span class="antiqua">Serinus canarius</span>) zu einem eigentlichen -Haustier geworden, indem er sich nicht nur regelmäßig in der -Gefangenschaft fortpflanzt, sondern auch verschiedene Spielarten -hervorgebracht hat. Seine Heimat sind, wie der Name schon andeutet, -die Kanarischen Inseln westlich von Afrika, wo diese unserm Girlitz am -nächsten verwandte Finkenart gezähmt und zum Haustier gemacht wurde. -Der auch in seiner Heimat von Spaniern und Portugiesen <span class="antiqua">canario</span> -genannte Vogel ist merklich kleiner und schlanker als derjenige, der -in Europa gezähmt gehalten wird, und kommt noch häufig in denjenigen -Teilen der Kanaren vor, die noch nicht ganz abgeholzt sind; denn -sein bevorzugter Standort sind Bäume, in deren Laub er sich vermöge -seiner Färbung geborgen weiß. Beim erwachsenen Männchen ist die Farbe -vorwiegend Gelbgrün untermischt mit Aschgrau, nur die Brust ist -nach hinten zu heller, gelblicher und der Bauch weißlich. Auch die -schwarzgrauen Schwanzfedern sind weißlich gesäumt. Der Augenring ist -dunkelbraun, Schnabel und Füße sind dagegen bräunlich fleischfarben. -Die Nahrung besteht fast ausschließlich aus Pflanzenstoffen, allerlei -Samen, zarten Blättern und saftigen Früchten, namentlich Feigen. Wasser -zum Trinken und Baden ist ihm unbedingtes Bedürfnis. Sein Flug gleicht -demjenigen des Hänflings. Er ist etwas wellenförmig und geht meist nur -von Baum zu Baum. Mit Vorliebe baut er sein Nest im März auf jungen -Bäumen in über 2 <span class="antiqua">m</span> Höhe, um darein fünf blaß meergrüne Eier mit -rötlichbraunen Flecken zu legen. Während das Weib<span class="pagenum"><a id="Seite_385"></a>[S. 385]</span>chen brütet, sitzt -das Männchen in seiner Nähe, am liebsten hoch oben auf einem noch -unbelaubten Baum, um seinen von demjenigen des zahmen Kanarienvogels -wenig verschiedenen Gesang erschallen zu lassen. Die Brutzeit dauert -13 Tage; dabei werden drei bis vier Bruten jährlich großgezogen. Die -Jungen bleiben im Nest, bis sie vollständig befiedert sind und werden -noch eine Zeitlang nach dem Ausfliegen von beiden Eltern, namentlich -aber vom Vater, aufs sorgsamste aus dem Kropfe gefüttert.</p> - -<p>Der Fang der wilden Kanarienvögel ist sehr leicht; besonders die jungen -gehen fast in jede Falle, sobald nur ein Lockvogel ihrer Art daneben -steht. Auf den Kanaren bedient man sich gewöhnlich zu ihrem Fange -eines Schlagbauers, der in der Mitte einen Käfig mit dem Lockvogel und -seitlich davon je eine Falle mit aufstellbarem Trittholz besitzt. Er -wird in baumreicher Gegend in der Nähe von Wasser aufgestellt und fängt -am ergiebigsten morgens. In der Gefangenschaft sind die Vögel unruhig -und brauchen längere Zeit, ehe sie die ihnen angeborene Wildheit -abgelegt haben. Sperrt man sie in engen Käfigen zu mehreren zusammen, -so zerstoßen sie sich leicht das Gefieder. Sie sind sehr gesellig und -schnäbeln sich gern untereinander. Die jungen Männchen geben sich -durch fortgesetztes lautes Zwitschern zu erkennen. Doch sind die Vögel -außerordentlich empfindlich und gehen leicht an Krämpfen ein.</p> - -<p>Bald nach der Eroberung der Kanaren durch die Spanier im Jahre 1478 -wurde der Kanarienvogel von den Siegern in großer Zahl nach ihrer -Heimat eingeführt. So war er in Spanien schon in der ersten Hälfte -des 16. Jahrhunderts ein beliebter Hausgenosse. Nach der Bezeichnung -Zuckerinseln, die man den Kanaren wegen des bald aus ihnen mit -ausgezeichnetem Erfolg betriebenen Anbaues von Zuckerrohr gab, hieß -der von dort kommende Vogel, den vermutlich bereits die dortigen -Ureinwohner, die Guanchen, gezähmt hatten, bei den Spaniern zunächst -„Zuckervogel“. Als solcher wird er 1555 zum erstenmal vom Züricher -Konrad Geßner, nicht aber vom Pariser Zoologen Pierre Bellon erwähnt. -Seiner Verbreitung nach Italien soll ein Schiffbruch bei der Insel -Elba Vorschub geleistet haben. Bis dahin hatten nämlich die Spanier -nur männliche Vögel ausgeführt, die sie in eigenen Zuchten zogen. Da -scheiterte um die Mitte des 17. Jahrhunderts ein spanisches Schiff bei -Elba mit einer Kanarienvogelhecke. Die Vögel entkamen, verwilderten auf -der Insel und bildeten so einen Stamm, von dem aus Europa mit Vögeln -versehen wurde, so daß<span class="pagenum"><a id="Seite_386"></a>[S. 386]</span> das Monopol der Spanier aufhörte. Immerhin war -er dank seiner Seltenheit noch lange Zeit recht teuer, so daß sich -nur die besser Situierten diesen Fremdling aus dem warmen Süden, der -sich in Mitteleuropa recht wohlfühlte und gut gedieh, leisten konnten. -So ließen sich vornehme Damen gern mit diesem Vogel auf der Hand -abkonterfeien.</p> - -<p>Selbstverständlich war dieser hübsche Singvogel sehr bald den Spaniern -in ihre neuweltlichen Kolonien gefolgt. So war er nach Garcilaso de -Vega schon 1556 in Kuzko, im Hochlande von Peru, und 1600 sogar in -Ostindien zu finden. In letzterem Lande mußte man den Käfig mit dem -Vogel über eine Schale mit Wasser setzen, um ihn vor den Angriffen der -Termiten zu schützen. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts zog man den -Kanarienvogel schon recht häufig in Deutschland. Horst in Frankfurt am -Main berichtet 1669, daß man ihn gern mit dem Stieglitz kreuze. Dabei -lokalisierte sich die Zucht mehr und mehr auf bestimmte Gegenden. -War es zuerst Spanien, dann Italien gewesen, das die Kulturwelt mit -Kanarienvögeln versorgt hatte, so übernahm dieses Geschäft im 18. -Jahrhundert das tirolische Städtchen Imst, das von 1776 an einen regen -Handel damit nach den Kulturländern Mitteleuropas trieb. Im Jahre -1782 konnten beispielsweise von dort 1600 wertvolle Sänger allein -nach England exportiert werden, abgesehen von den zahlreichen andern, -die nach Deutschland, Rußland, Österreich und bis nach Konstantinopel -gingen. Erst im 19. Jahrhundert wurde diese blühende Zucht durch -diejenige im Harz verdrängt, die heute alle Welt mit ihren Zuchtvögeln -versorgt. Die besten Sänger kommen von Andreasberg und Zellerfeld, -die deren jährlich für etwa 280000 Mark exportieren. Dort werden in -fast allen Häusern als Nebenbeschäftigung Kanarienvögel gezüchtet und -zu Sängern ausgebildet, indem sie stets nur den Gesang der besten -Vorsänger zu hören bekommen. Alle minderwertigen oder fehlerhaften -Sänger werden außer Hörweite der jungen Zöglinge gehalten, so daß sie -deren Gesang nicht annehmen können, sondern sich ausschließlich an den -besten Vorbildern schulen. Ein guter Harzer Sänger ist mit dem dazu -gehörenden Weibchen nicht unter 80–120 Mark zu haben.</p> - -<p>Nach Tirol beteiligten sich auch die lange von den Spaniern -beherrschten Niederlande am Handel mit Kanarienvögeln, und bereits -gegen das Ende des 16. Jahrhunderts wurde dort eine besondere bunte -Rasse gezogen, deren Aufzucht später auch in gewissen Bezirken Englands -aufkam. Von diesen „bunten“ Kanarienvögeln, die heute<span class="pagenum"><a id="Seite_387"></a>[S. 387]</span> noch von -Holland, Belgien und England in den Handel gelangen, gilt ein Paar -120–160 Mark. Unter ihnen gibt es auch verschiedene barocke Formen, -bei denen die auf Kopf, Brust und Schultern befindlichen Federn zu -allerlei krausen Gebilden umgeändert wurden. Zoologisch variiert der -Kanarienvogel sonst hauptsächlich in der Größe, wenig in der Farbe. Bei -ihm ist das ursprünglich vorwiegend gelbgrüne bis braune Federkleid -durch Entfärbung statt weiß hell- bis dunkelgelb geworden. Schon -Isidore Geoffroy St. Hilaire sprach es 1757 aus, daß der Flavismus, -wie er sich ausdrückt, den Leucismus der ursprünglich grünlichen Vögel -bilde. Daneben gibt es auch bei ihm gelegentlich einen Albinismus mit -weißen Federn und roten Augen. Solche weiße Kanarienvögel erwähnt schon -Adanson aus Frankreich ums Jahr 1750; aber die Züchter ziehen sie nicht -auf, weil sie für die Zucht zu schwächlich sind. Außerdem gibt es auch -pigmentreiche schwarze Formen. Doch ist viel fremdes Blut in unsere -Kanarienstämme gekommen, da sie seit geraumer Zeit mit Stieglitz, -Zeisig und andern Finken, in Italien besonders mit dem Hänfling -gekreuzt wurden. Dabei sind die Bastarde meist fruchtbar. Heute ist -der Kanarienvogel als geschätzter Sänger und dabei leicht zu haltender -Stubenvogel über die ganze zivilisierte Welt verbreitet. Schon 1870 war -er auf dem chinesischen und bald nachher auch auf dem japanischen Markt -zu haben, obschon von jenen Völkern gern auch nicht minder lieblich -singende einheimische Finken in engen Vogelbauern zur Unterhaltung -gehalten werden.</p> - -<p>Außer den Finken sind es besonders <em class="gesperrt">Drosseln</em>, welche gern vom -Menschen in Gefangenschaft gehalten werden. Da sie, statt wie jene -Körnerfresser zu sein, Kerbtierfresser sind, war ihre Erhaltung in -der Obhut des Menschen bedeutend schwieriger, so daß es kein Wunder -ist, daß bis heute keine einzige Drosselart zum eigentlichen Haustier -erhoben wurde. Gleichwohl sollen sie hier eine kurze Würdigung -finden, da sie nicht bloß häufige Gesellschafter des Menschen sind, -sondern auch als Leckerbissen für ihn eine gewisse Rolle spielen. In -letzterer Beziehung ist besonders die <em class="gesperrt">Wacholderdrossel</em> oder -der <em class="gesperrt">Krammets-</em> (zusammengezogen aus Kranewits-) <em class="gesperrt">Vogel</em> -(<span class="antiqua">Turdus pilaris</span>) wegen ihres Fleisches sehr geschätzt. Sie -hat ihren Namen von den Wacholder- oder Krammetsbeeren, die sie wie -die übrigen Drosseln gern frißt und wovon ihr Fleisch einen würzigen -Geschmack erhält. Sie ist ein echter Waldvogel und nistet nicht bloß -im höchsten Norden Europas und Asiens, sondern auch in gemäßigteren -Gegenden, wie<span class="pagenum"><a id="Seite_388"></a>[S. 388]</span> Mitteleuropa. Den Winter über zieht sie wie die -übrigen Drosseln nach den Mittelmeerländern und Nordafrika. Sie war -es in erster Linie, welche die Römer unter dem Drosselnamen turdus -bezeichneten und gern aßen. So sagt der witzige Spötter Martial -(42–102 n. Chr.), der gern die Großen umschmeichelte, um von ihnen -zur Tafel geladen zu werden, in einem seiner Xenien, auf Deutsch -Gastgeschenke, d. h. Epigramme, die als Aufschriften zu den an den -Saturnalien verteilten Gastgeschenken gedacht waren: „Fette Drosseln -sind mir lieber als andere Leckerbissen.“ An einer anderen Stelle meint -er: „Ein Kranz von Drosseln gefällt mir besser als ein aus Rosen und -Narden geflochtener“, und fernerhin: „Unter den Vögeln gebührt der -Drossel, unter den vierfüßigen Tieren dem Hasen der Preis.“ Auch der -Feinschmecker Horaz (65–8 v. Chr.), der sich durch alle „Rehrücken -der Saison“ aß und das Genießen zur Kunst ausbildete, so daß er sich -selbst humorvoll als „ein fettes Schweinchen aus der Herde Epikurs“ -bezeichnet, meint in einer seiner Episteln: „Nichts ist besser als -die Drossel.“ Die frisch Gefangenen wurden für die Feinschmecker -noch besonders gemästet. So schreibt Plinius um die Mitte des 1. -Jahrhunderts n. Chr. in seiner Naturgeschichte: „Cornelius Nepos, -der unter dem Kaiser Augustus lebte, schrieb, man habe erst kürzlich -angefangen, Drosseln zu mästen. Dazu bemerkt er, nach seinem Geschmack -geben (junge) Störche ein besseres Gericht als Kraniche. In unserer -Zeit wird der Kranich als Leckerbissen geschätzt, den Storch aber will -niemand anrühren.“</p> - -<p>Sein Zeitgenosse Columella berichtet: „Auf Drosseln verwendet man viel -Mühe und Geld. Sind sie frisch gefangen, so muß man zahme zu ihnen -tun, die ihnen Gesellschaft leisten, sie aufheitern und im Fressen und -Saufen mit gutem Beispiel vorangehen. In den Vogelhäusern, die sie -bewohnen, sind Sitzstangen für sie angebracht, jedoch nicht höher, als -daß man sie bequem erreichen kann. Das Futter wird, damit es reinlicher -bleibt, so gestellt, daß keine Stange darüber ist; es wird im Überfluß -gereicht und besteht aus einer Mischung von zerstampften Feigen mit -Mehl. Manche geben dieses Futter, nachdem sie es vorher gekaut haben. -Aber bei einer großen Zahl von Vögeln unterläßt man dies lieber; denn -Leute, die zum Kauen gemietet werden, verlangen zu hohen Tagelohn -und verschlucken auch von der süßen Speise zu viel. Viele geben den -Drosseln auch Samen und Beeren, die sie im Freien gern fressen. Das -Wasser wird wie bei Hühnern in Gefäßen hingestellt.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_389"></a>[S. 389]</span></p> - -<p>In seinem Buche über die Landwirtschaft schreibt der gelehrte Varro -(116–27 v. Chr.) eingehend über die von den reichen Römern seiner Zeit -angelegten Vogelhäuser (<span class="antiqua">aviarium</span> von <span class="antiqua">avis</span>, Vogel). Er -sagt darüber: „Unsere Vorfahren hatten vorzugsweise zwei Arten von -Vogelbehältern; am Erdboden befand sich der Hühnerhof, in welchem -Hühner gehalten wurden und Ertrag von Eiern und Küchlein gaben. In -der Höhe stand der Taubenschlag. Heutzutage nennt man einen Behälter -Ornithon (nach dem griechischen <span class="antiqua">órnis</span> — Stamm, <span class="antiqua">ornith</span> -— Vogel), und diese werden mitunter von Gutsbesitzern, die gern gute -Bissen verzehren, so angelegt, daß nur die für Pfauen und Drosseln -(wohl besonders Krammetsvögel) bestimmten größer sind, als ehemals -die ganzen Landhäuser. — Lucullus hatte ein großes Vogelhaus, in -das er einen Speisesaal so hineinbaute, daß er während des Schmauses -und während gebratene Vögel aufgetragen wurden, auch die lebendigen -herumfliegen sah.</p> - -<p>Übrigens soll hier ein solches Vogelhaus beschrieben werden, das nicht -dazu bestimmt ist, in ihm Vögel zu verschmausen, sondern aus ihm Vögel -zum Verschmausen und zum Verkaufen zu nehmen. Man baut das Haus so -groß, daß einige tausend Drosseln und Amseln drin Platz haben, setzt -auch wohl andere Vögel hinein, die gut bezahlt werden, wie Ortolane -und Wachteln. Die Tür muß niedrig und schmal sein. Die Fenster sind -so angelegt, daß die Gefangenen nirgends Bäume oder freie Vögel sehen -können; denn ein solcher Anblick erregt in ihnen die Sehnsucht nach -Freiheit und macht sie mager. Es darf überhaupt ins ganze Vogelhaus -nur so viel Licht fallen, daß die Vögel ihren Sitz, ihr Futter und ihr -Wasser sehen können. Es ist ferner alles so einzurichten, daß weder -Mäuse noch andere gefährliche Tiere hinein können. Zum Sitzen sind -entweder überall an den Wänden Stäbe angebracht oder Stangen lehnen -schräg an die Wand und sind stufenweise mit Querstäben verbunden. Auf -dem Boden ist ferner ein Wasserbehälter aufgestellt. Die Fütterung -besteht vorzugsweise aus Kügelchen, die aus einem aus Feigen und Mehl -bereiteten Teig bestehen. An das beschriebene Haus ist ein kleines, -helles angebaut, in das man die Vögel treibt, die geschlachtet werden -sollen. Beim Schlachten selbst wird die Tür, durch welche die Vögel -hereinkommen, geschlossen; denn die noch lebenden dürfen es nicht -sehen.“ Auch Vogelhändler besaßen solche Vogelhäuser. So bemerkt -derselbe Autor: „Die Stadtmetzger haben eigene Vogelbehälter und mieten -auch welche auf dem Lande.“ Und fernerhin sagt er: „Aus dem Vogelhaus -einer<span class="pagenum"><a id="Seite_390"></a>[S. 390]</span> Villa bei der Stadt Reate wurden einst in einem Jahre 5000 -Drosseln (Krammetsvögel) zu je 3 Denaren (= 1,80 Mark) genommen, so daß -dieses Vogelhaus allein mehr eintrug als manches schöne Landhaus.“</p> - -<p>In seiner Naturgeschichte berichtet Plinius: „Vogelhäuser hat zuerst -der römische Ritter Marcus Laenius Strabo angelegt und alle möglichen -Vögel darin eingesperrt. Seitdem ist die Sitte, Tiere, denen die Natur -den freien Himmel angewiesen hat, in den Kerker zu sperren, allgemein -geworden. Der Schauspieler Äsopus ließ einmal eine Schüssel auftragen, -deren Inhalt auf 100000 Sesterzien (= 15000 Mark) geschätzt wurde; sie -war nämlich mit gebratenen Vögeln gefüllt, welche sich durch Gesang -oder durch Sprechen menschlicher Worte ausgezeichnet hatten und von -denen jeder 6000 Sesterzien (= 900 Mark) gekostet hatte. Äsopus hielt -es für ein großes Vergnügen, diese Tierchen zu essen, welche gleichsam -Menschen waren, weil sie sangen und sprachen, und bedachte nicht, daß -er erst durch Singen und Sprechen seine Reichtümer erworben hatte. -Über seinen Sohn durfte er sich wenigstens nicht beklagen; denn dieser -verschlang sogar Perlen (wie Kleopatra bei der Bewirtung des Antonius -in Essig aufgelöst)“. Dieser Äsop, der tragische Rollen ausgezeichnet -gut spielte und damit sein Vermögen gemacht hatte, war ein Zeitgenosse -und Freund Ciceros (106–43 v. Chr.). Trotz seiner Verschwendung -hinterließ er seinem Sohne ein ungeheures Vermögen, das dieser in -derselben Weise, wie sein Vater, durchbrachte. So berichtet Valerius -Maximus von ihm: „Der Sohn des Schauspielers Äsopus war ein toller -Verschwender; so kaufte er z. B. ausgezeichnet gut singende Vögel -zu ungeheuren Preisen und ließ sie für sich und seine Gäste braten. -Dazu gab er Getränke, worin sich die kostbarsten Perlen, in Essig -aufgelöst, befanden.“ Wie wir Papageien, so richteten die Römer Stare -und ausnahmsweise auch Drosseln zum Sprechen ab. So berichtet Plinius, -daß Agrippina, die Gemahlin des Kaisers Claudius (geb. 9 v. Chr. in -Lyon, ward 41 n. Chr. nach Caligulas Ermordung von den Prätorianern -zum Kaiser ausgerufen, wurde 54 durch seine zweite Gemahlin Agrippina -mit einem Schwammgericht vergiftet), eine zum Sprechen abgerichtete -Drossel besaß, was früherhin unerhört gewesen sei. Nebst solchen -dressierten Vögeln sah man nach Varro in Rom gelegentlich auch -Papageien, weiße Amseln und ähnliche Merkwürdigkeiten. Solche -Drosselalbinos sollten nach dem Bädecker des Altertums, Pausanias, im -2. Jahrhundert n. Chr. auf dem Berge Kyllene im Peloponnes vorkommen.<span class="pagenum"><a id="Seite_391"></a>[S. 391]</span> -Nach dem älteren Plinius soll eine weiße <em class="gesperrt">Nachtigall</em> „eine -große Seltenheit“ für 6000 Sesterzien (= 900 Mark) verkauft worden -sein, um sie der vorgenannten Agrippina, zweiten Gemahlin des Kaisers -Claudius, zum Geschenk zu machen. Bei dieser Gelegenheit bemerkt er -in seiner Naturgeschichte: „Durch ihre Vorzüge (im Gesang) sind die -Nachtigallen (<span class="antiqua">luscinia</span>) so teuer wie Sklaven geworden, ja -teurer als ehemals die Waffenträger waren. Man hat oft welche gesehen, -die auf Befehl sangen und, indem sie miteinander abwechselten, ein -Konzert gaben, so wie man auch Menschen gehört hat, welche in ein aus -Rohr gemachtes Querpfeifchen, worin sich Wasser befand, durch ein -Loch bliesen, und indem sie die Zunge etwas vorhielten, den Gesang -der Nachtigall täuschend nachahmten. — Während ich dies schreibe, -besitzen die kaiserlichen Prinzen einen Star und Nachtigallen, welche -die griechische und lateinische Sprache lernen, täglich gründlicher -studieren und immer etwas Neues und mehr Zusammenhängendes sprechen. -Wenn sie lernen, sind sie ganz abgeschieden und hören nur die Stimme -dessen, der ihnen die Worte vorsagt und ihnen dabei mit Leckerbissen -schmeichelt.“ Älian schreibt: „Charmis aus Massalia (dem heutigen -Marseille) sagt, die Nachtigall sei ruhmbegierig, singe in der -Einsamkeit ganz einfach, in der Gefangenschaft und vor Zuhörern aber -kunstreich und schmelzende Melodien wirbelnd.“ Dem fügt er später -von sich aus hinzu: „Wenn eine erwachsene Nachtigall gefangen und -eingesperrt wird, so will sie weder fressen noch singen; daher -behalten die Liebhaber von den gefangenen nur die jungen und lassen -die älteren wieder frei.“ Von diesen Vögeln sagt Oppian: „Die Natur -hat den Nachtigallen einen wunderlieblichen Gesang gegeben. Sie -verpflegen auch diejenigen ihrer Jungen, welche musikalisches Talent -zeigen, aufs allerbeste, hacken dagegen die stummen tot. Sie impfen -auch ihren Jungen eine so große Liebe zur Freiheit ein, daß sie in der -Gefangenschaft nie einen Laut von sich geben.“ Letzteres ist allerdings -eine Behauptung, die nicht widerlegt zu werden braucht und wohl auch im -Altertum nur wenige Nachbeter hatte.</p> - -<p>Außer den vorhin erwähnten wurden auch andere Vögel im Rom der Cäsaren -zum Sprechen dressiert, so vor allem auch <em class="gesperrt">Raben</em>, <em class="gesperrt">Elstern</em> -und <em class="gesperrt">Eichelhäher</em>. So schreibt Plinius: „Die Elster ist weniger -berühmt als der Papagei, weil sie nicht ausländisch ist, spricht aber -noch ausdrucksvoller. Die Worte, welche sie spricht, hat sie ordentlich -lieb. Sie lernt nicht bloß, sondern lernt auch mit Freuden, und man -bemerkt, wie sie für sich mit Eifer, Anstrengung und Nachdenken -studiert. Es<span class="pagenum"><a id="Seite_392"></a>[S. 392]</span> ist eine bekannte Sache, daß Elstern gestorben sind, -weil es ihnen unmöglich war, ein Wort auszusprechen. Sie vergessen -auch Worte, wenn sie dieselben nicht öfters hören, versinken dann in -Nachdenken und werden ganz entzückt, wenn sie währenddem das vergessene -Wort zufällig wieder hören. Sie haben eine ziemlich breite Zunge und so -alle Vögel, welche die menschliche Stimme nachahmen lernen, was jedoch -die meisten tun.“</p> - -<p>Später fährt er fort: „Auch den Raben gebührt Ehre; denn wir werden -sogleich sehen, in welchem Grade sie sich die Gunst des römischen -Volkes zu erringen wußten. Unter der Herrschaft des Tiberius flog ein -junger Rabe aus einem Neste, das auf dem Kastortempel stand, in die -gegenüberliegende Werkstatt eines Schusters und wurde von diesem mit -Ehrfurcht aufgenommen. Hier lernte er bald sprechen, flog jeden Morgen -auf die Rednerbühne, wendete sich dem Markte zu und grüßte namentlich -den Kaiser Tiberius, dann den Germanicus und Drusus und bald darauf das -vorbeigehende Volk, worauf er in seine Schusterwerkstatt zurückkehrte. -So erntete er mehrere Jahre lang Bewunderung. Endlich schlug ihn der -zunächstwohnende Schuster tot, entweder aus Neid oder, wie er zum -Schein behauptete, aus Rachsucht, weil er ihm einen Klecks auf einen -Schuh gemacht hatte. Über die Ermordung seines Lieblings ward das Volk -so aufgebracht, daß es den Schuster erst wegjagte, dann sogar totschlug -und dem Vogel ein überaus feierliches Leichenbegängnis bereitete. Die -Bahre wurde von zwei Mohren getragen; ein Flötenspieler ging voraus -und Kränze aller Art wurden bis zum Scheiterhaufen getragen, welcher -rechts an der Appischen Straße errichtet war. Das Genie eines Vogels -schien also dem römischen Volke ein hinlänglicher Grund zu einem -feierlichen Leichenbegängnis und zur Ermordung eines römischen Bürgers -in derselben Stadt, in der kein Mensch dem Begräbnis der vornehmsten -Leute beigewohnt hatte und niemand den Tod des Scipio Ämilianus, der -Karthago und Numantia zerstört, gerächt hatte. Dies geschah unter dem -Konsulat des Marcus Servilius und Gajus Cestius am 28. März. Auch -während ich dies schreibe, besitzt ein römischer Ritter in Rom eine -Krähe aus Baetica (Südspanien), die sich durch dunkelschwarze Farbe -auszeichnet, mehrere zusammenhängende Worte ausspricht und immer neue -dazu lernt. Neuerdings hat man auch vom Kraterus Monoceros gesprochen, -der in der ericenischen Gegend Asiens mit Hilfe der Kolkraben jagt. Er -trägt sie in den Wald, dort suchen sie und jagen das Wild, und weil -es oft geschieht, so schließen sich<span class="pagenum"><a id="Seite_393"></a>[S. 393]</span> selbst wilde Raben der Jagd an. -Einige Schriftsteller erwähnen auch, daß ein Rabe bei großem Durste -Steine in ein tiefes Gefäß warf, worin sich Regenwasser befand, das er -sonst nicht hätte erreichen können, und es dadurch so weit in die Höhe -trieb, daß er sich satttrinken konnte.“</p> - -<p>Von einem Eichelhäher berichtet der griechische Geschichtschreiber -Plutarch folgendes: „Viele Römer und Griechen sind Zeugen folgenden -Vorfalls: Auf dem sogenannten Griechischen Markt in Rom wohnte -ein Barbier, der einen Eichelhäher besaß, welcher mit wunderbarer -Geschicklichkeit die Stimme der Menschen, der Tiere und die Töne der -Instrumente, und zwar ganz aus freiem Antrieb, nachahmte. Einst wurde -ein reicher Mann begraben. Der Leichenzug ging mit Trompetenschall über -den Griechischen Markt. Die Trompeten bliesen ganz vorzüglich schön -und verweilten ziemlich lange auf dem Platze. Von diesem Augenblick an -war der Häher plötzlich still und stumm. Man faßte den Argwohn, der -Vogel sei von einem andern Barbier, der auf ihn neidisch war, behext -worden. Andere meinten jedoch, der Trompetenschall sei dem Tiere zu -stark gewesen; daher sei es von jener Zeit an verblüfft. Alle diese -Vermutungen waren aber falsch. Der Vogel studierte in aller Stille -für sich, übte in Gedanken die Trompetenmusik ein und ließ sie dann -plötzlich in ihrer Vollkommenheit hören.“</p> - -<p>Sonst galten schon im Altertum die <em class="gesperrt">Papageien</em> als die besten -Nachahmer der menschlichen Sprache. So schreibt der Grieche Älian: -„In Indien gibt es sehr viele Papageien (<span class="antiqua">psittakós</span>), aber kein -Inder ißt einen solchen Vogel; denn die Brahmanen halten ihn für -den heiligsten, weil er die menschliche Sprache am geschicktesten -nachahmt.“ Aristoteles und Plinius berichten, der Papagei stamme aus -Indien und ahme die menschliche Stimme nach. Letzterer fügt hinzu, er -werde durch den Genuß von Wein lustig und führe ordentliche Gespräche. -„Er begrüßt den Kaiser und spricht die Worte nach, die er hört. Sein -Kopf ist so hart wie sein Schnabel. Soll er sprechen lernen, so schlägt -man ihm mit einem eisernen Stäbchen auf den Kopf, weil er sonst die -Schläge nicht spürt.“ Wir haben noch ein nettes Gedicht auf den Tod -eines Papageien von Ovid und ein ähnliches von Statius.</p> - -<p>Was für Papageien dies waren, wird sich wohl nicht so leicht -feststellen lassen. Jedenfalls kannten weder die Ägypter, noch -Babylonier, noch die älteren Griechen irgend welche Papageien. Erst -auf dem Zuge Alexanders des Großen nach Indien lernten letztere diesen -Vogel als gezähmten Hausgenossen des Menschen kennen und brachten<span class="pagenum"><a id="Seite_394"></a>[S. 394]</span> -die ersten solchen nach Griechenland mit. Aber erst in der römischen -Kaiserzeit wurden diese Vögel etwas häufiger von Indien her importiert. -Doch hat schon der strenge Zensor Marcus Porcius Cato (234 bis 149 v. -Chr.) sich darüber beklagt, daß sogar römische Männer mit diesen Tieren -in der Öffentlichkeit erschienen. „O unglückliches Rom“, rief er aus, -„in welche Zeiten sind wir verfallen, da die Weiber Hunde auf ihrem -Schoße ernähren und die Männer Papageien auf der Hand tragen!“ Man -setzte sie ihrer Kostbarkeit entsprechend in silberne und elfenbeinerne -Käfige und ließ sie von besonderen Lehrern unterrichten, die ihnen vor -allem das Wort „Cäsar“ beizubringen hatten. Der Preis eines sprechenden -Sittichs überstieg oft den Wert eines Sklaven. Der halb verrückte -Kaiser Heliogabalus glaubte seinen Gästen nichts Köstlicheres vorsetzen -zu können als Papageiköpfe. Was diese bei der Kostbarkeit der seltenen -Vögel gekostet haben werden, das kann man sich leicht ausmalen. Um -die Zeit der Kreuzzüge kamen dann aus dem Morgenlande auch Papageien -nach Mitteleuropa, um in den Käfigen reicher Adeliger und Städter zur -Kurzweil gehalten und gelegentlich auch zum Sprechen abgerichtet zu -werden. Erst im 15. Jahrhundert kam mit den Fahrten der Portugiesen -nach Westafrika der von der Goldküste bis nach Benguela heimische -<em class="gesperrt">Graupapagei</em> (<span class="antiqua">Psittacus erithacus</span>), der gelehrigste -aller Papageien, direkt nach Europa. Hier bewohnt der aschgraue Vogel -mit scharlachrotem Schwanz, dessen Verbreitungsgebiet mit demjenigen -der Ölpalme zusammenfällt, in Scharen die Wälder und wird überall -von den Eingeborenen gefangen, gezähmt und zum Sprechen abgerichtet, -auch als Tauschgegenstand oder Handelsware verwertet. Er ist einer -der beliebtesten aller Stubenvögel und verdient die Gunst, die er -genießt; denn er besitzt Sanftmut, Gelehrigkeit und Anhänglichkeit -an seinen Herrn, die Bewunderung erregen. Sein Ruhm wird sozusagen -in allen Sprachen verkündet, von ihm ist in zahlreichen Schulbüchern -und in allen Naturgeschichten manches Interessante zu lesen. Schon -Levaillant erzählt ausführlich von einem dieser Papageien, der in der -Gefangenschaft eines Kaufmanns in Amsterdam lebte, und rühmt die guten -Eigenschaften des Vogels. Er schreibt: „Karl, so hieß dieser Papagei, -sprach fast so gut wie Cicero; denn ich würde einen ganzen Band mit -den schönen Redensarten anfüllen können, die er hören ließ und die er -mir, ohne eine Silbe zu vergessen, wiederholte. Dem Befehle gehorsam, -brachte er die Nachtmütze und die Pantoffeln seines Herrn und rief -die Magd herbei, wenn man sie im Zimmer brauchte.<span class="pagenum"><a id="Seite_395"></a>[S. 395]</span> Sein bevorzugter -Aufenthalt war der Kaufladen, und hier erwies er sich nützlich; denn er -schrie, wenn in Abwesenheit seines Herrn ein Fremder eintrat, so lange, -bis jemand herbeikam. Er hatte ein vortreffliches Gedächtnis und lernte -ganze Sätze und Redensarten des Holländischen vollkommen genau. Erst im -60. Jahre seiner Gefangenschaft wurde sein Gedächtnis schwach und er -vergaß täglich einen Teil von dem, was er schon konnte. Er wiederholte -nie mehr als die Hälfte einer Redensart, indem er selbst die Worte -versetzte oder die eines Satzes mit denen eines andern mischte.“</p> - -<p>Vielleicht der ausgezeichnetste aller Graupapageien lebte jahrelang -in Wien und Salzburg und starb nach dem Tode seines letzten Herrn aus -Sehnsucht nach ihm. Wer über die hohe Intelligenz und das verblüffende -Sprachverständnis dieses Jako genannten Vogels Näheres zu erfahren -wünscht, der lese den betreffenden Abschnitt in Brehms Tierleben -nach. Er wird dort noch weitere solche, für ein Tier ganz unglaublich -klingende Geschichten finden, die von durchaus glaubwürdigen Autoren -berichtet werden.</p> - -<p>In den feuchten Niederungen des Amazonenstroms und seiner Zuflüsse -werden die größten Vertreter der dort vorzugsweise heimischen -Keilschwanzsittiche, die prächtig buntgefärbten <em class="gesperrt">Araras</em>, von -den Indianern in und um ihre Hütten gezähmt gehalten. Es geschah dies -schon lange vor der Ankunft der Weißen in diesem Lande. Schomburgk -berichtet, daß die Indianer noch heutigentags die Papageien frei -fliegen lassen, ohne ihnen die Flügel zu stutzen. „Ich sah mehrere“, -schreibt er, „die sich des Morgens unter die Flüge der wilden mischten, -die über das Dorf hinwegflogen und bei der Rückkehr am Abend sich -wieder auf die Hütte ihres Herrn niederließen.“ Nach diesem Autor -gehören zu den indianischen Niederlassungen im Walde die Papageien, -wie zu unsern Bauernhöfen die Hühner. „Auffallend ist die Zuneigung -der zahmen Papageien und Affen gegen Kinder. Ich habe selten einen -Kreis spielender Indianerkinder bemerkt, dem sich nicht auch Affen und -Papageien beigesellt gehabt hätten. Diese lernen bald alle Stimmen -ihrer Umgebung nachahmen, das Krähen der Hähne, das Bellen der Hunde, -das Weinen und Lachen der Kinder usw.“ Manche lernen sogar die -Indianersprache sprechen und bringen es darin zu großer Vollkommenheit. -Bekannt ist die Geschichte jenes sprechenden Papageis in einer der -Niederlassungen an einem Zuflusse des Orinoko, von dem Alexander -von Humboldt berichtet. Er war alt und sprach die Sprache eines -ausgestorbenen Indianerstamms, so daß ihn niemand<span class="pagenum"><a id="Seite_396"></a>[S. 396]</span> mehr verstand. In -der Tat ein rührendes Bild der Vergänglichkeit alles Irdischen!</p> - -<p>Von allen Papageien ist nur der <em class="gesperrt">Wellensittich</em> (<span class="antiqua">Melopsittacus -undulatus</span>) zum eigentlichen Haustier des Menschen geworden, -indem er sich seit 57 Jahren in der Gefangenschaft des Menschen -ohne großen Nachschub aus seiner Heimat enorm vermehrt hat und hier -bereits bedeutende Farbenvarietäten zeigt. Bald wiegen die gelben, -bald die grünen, bald die blauen Farbentöne seines ursprünglich sehr -gemischten, allerdings vorwiegend grüngelben Farbenkleides vor, ja -es gibt nach Ed. Hahn schon welche, bei denen das ihnen ursprünglich -fremde Weiß eine ziemliche Rolle spielt und die selbst rote Augen -haben, also eigentliche Albinos sind. Erst im Jahre 1794 lernte man -in Europa diesen kleinen Papagei kennen, der in großen Scharen die -mit Gras bewachsenen Ebenen von Inneraustralien bewohnt und sich hier -von den Samen der Gräser ernährt. Als der Ornithologe Gould zu Anfang -Dezember die Ebene des Innern Australiens besuchte, sah er sich von -Wellensittichen umgeben und beschloß längere Zeit an derselben Stelle -zu verweilen, um ihre Sitten und Gewohnheiten zu beobachten. Sie -erschienen in Flügen von 20 bis 100 Stück in der Nähe einer kleinen -Wasserlache, um zu trinken, und flogen von hier zu regelmäßigen Zeiten -nach den Ebenen hinaus, um dort die Grassämereien, ihre ausschließliche -Nahrung, aufzunehmen. Am häufigsten kamen sie frühmorgens und abends -vor dem Dunkelwerden zum Wasser. Während der größten Tageshitze saßen -sie bewegungslos unter den Blättern der Gummibäume, deren Höhlungen -damals von brütenden Paaren bewohnt wurden. Solange sie ruhig auf den -Bäumen saßen, waren sie schwer zu entdecken; erst wenn sie zur Tränke -fliegen wollten, sammelten sie sich in Scharen und setzten sich auf die -abgestorbenen oder zum Wasser niederhängenden Zweige der Gummibäume. -Ihre Bewegungen sind wundervoll, ihr Flug ist gerade und falkenartig -schnell, den andern Papageien kaum ähnelnd, der Gang auf dem Boden -verhältnismäßig gut, ihr Klettern im Gezweige wenigstens nicht -ungeschickt. Im Fluge lassen sie eine kreischende Stimme vernehmen. -Im Sitzen unterhalten sich die sehr geselligen Vögel mit kosendem -Gezwitscher. Wenn sie abends zur Tränke eilen, werden sie in Menge in -großen Beutelnetzen gefangen, in rohe Kistenkäfige gesperrt und so -den Händlern übermittelt. Aufmerksamere Vogelhändler setzen sie zur -Weiterbeförderung in Australien gesellschaftsweise in kleine Käfige, -deren Sitzstangen wie Treppenstufen hinter- und übereinander<span class="pagenum"><a id="Seite_397"></a>[S. 397]</span> liegen, -damit auf möglichst wenig Raum die größtmöglichste Zahl von Vögeln -Platz finden kann.</p> - -<p>Der Wellensittich gehört in der Gefangenschaft nicht zu denjenigen -Papageien, die aus Trauer über den Verlust ihres Gefährten oft -dahinwelken und sterben, verlangt aber Gesellschaft, und zwar natürlich -am liebsten die des entgegengesetzten Geschlechts seiner eigenen Art. -Im Notfall findet er auch in einem verschiedenartigen kleinen Papagei -einen Ersatz. Niemals aber behandelt er einen andersartigen Vogel mit -jener liebenswürdigen Zärtlichkeit, welche er gegen seinesgleichen an -den Tag legt. Es ist deshalb notwendig, ihn immer paarweise zu halten; -erst dann gibt er seine ganze Liebenswürdigkeit, die ihm sofort die -Gunst des Menschen erwarb, kund. Er ist äußerst genügsam im Futter -und nimmt in Ermangelung der Grassamen seiner australischen Heimat -mit Hirse, Kanariensamen und Hanf vorlieb; daneben frißt er gern -grüne Pflanzenblätter, verschmäht zunächst Früchte, läßt sich aber -mit der Zeit auch daran gewöhnen. Er wird mit seiner sanften Stimme -dem Menschen niemals lästig wie andere Papageien, die einem mit ihrem -nicht unterdrückbaren Bedürfnis nach Gekreisch oft genug zur Last -fallen und auf die Nerven gehen. Er unterhält mit seinem plaudernden -Gezwitscher, lernt auch ein Liedchen und in einzelnen Fällen sogar -Worte nachsprechen.</p> - -<p>Paarweise gehaltene Wellensittiche, denen man Nistgelegenheit in -einem hohlen Stamm verschafft, schreiten auch in der Gefangenschaft -fast ausnahmslos zur Fortpflanzung. Das Männchen ist das Muster von -einem Gatten, das sich ausschließlich mit seinem erwählten und nie -mit andern Weibchen abgibt, die etwa zugleich in demselben Raume sein -mögen. Gleicherweise ist das Weibchen das Muster einer Mutter; es baut -ausschließlich das Nest aus, bebrütet darin seine 4–8 weißen Eichen, -die es in Zwischenräumen von zwei Tagen legt, eifrig während 16–20 -Tagen und atzt die Jungen, die etwa 30–35 Tage im Neste verweilen und -letzteres erst dann verlassen, wenn sie ganz befiedert sind. Derweil -wird das Weibchen vom Männchen gefüttert, das ihm zugleich, auf einem -Zweige vor der Öffnung des Nestes sitzend, seine schönsten Lieder -vorsingt. Wenn die erste Brut selbständig geworden ist, schreitet das -Pärchen alsbald zur zweiten, ja zur dritten und selbst zur vierten vor. -Ums Jahr 1848 wurde er durch die Beschreibung des Ornithologen Gould -in seinem Buche <span class="antiqua">Birds of Australia</span> in weiteren Kreisen bekannt -und scheint bald nach England gekommen zu sein. 1854 pflanzte er sich -nach Delon in England und Frankreich in<span class="pagenum"><a id="Seite_398"></a>[S. 398]</span> Käfigen fort und wurde seit -1855 auch in Berlin gezogen. Damals nannten ihn die Händler nach seinem -lateinischen Artnamen den „Undulatus“. Als aber die spanische Tänzerin -Pepita von sich reden machte und geradezu einen Begeisterungstaumel -hervorrief, hielten es die Händler für vorteilhaft, von ihm als -„Andalusier“ zu reden, eine Bezeichnung, die sich allerdings, weil -vollkommen unberechtigt, bald wieder verlor. Eine Zeitlang schien es, -als sei ihm neben dem Kanarienvogel eine größere Rolle als Stubenvogel -bestimmt; doch ist er neuerdings gegenüber dem letztgenannten mehr -und mehr in den Hintergrund getreten. Auch nach Neuseeland wurde er -eingeführt und verwilderte dort, wie gelegentlich auch bei uns.</p> - -<p>Neben den Wellensittichen gehören die ebenfalls Australien, daneben -auch Ozeanien bewohnenden <em class="gesperrt">Kakadus</em> zu den liebenswürdigsten -Papageien, die sich gern und innig mit dem Menschen befreunden -und dankbar seine Liebe erwidern. Ihre geistige Begabung ist -außerordentlich entwickelt und ihre Neugier ebenso groß wie ihr -Gedächtnis, so daß sie empfangene Beleidigungen schwer oder gar nicht -vergessen. In bezug auf Gelehrigkeit wetteifern sie mit den begabtesten -aller Papageien, den Jakos oder westafrikanischen Graupapageien, lernen -bald mit Fertigkeit verschiedene Worte sagen und in sinngebender -Weise verbinden und lassen sich zu allerlei Kunststücken abrichten. -Ihre natürliche Stimme ist ein abscheuliches Kreischen, mit dem sie -in ihrer Heimat von den Kronen hoher Bäume, ihrem Nachtquartier, die -aufsteigende Sonne begrüßen. Dann fliegen sie zu ihren Futterplätzen, -um Früchte und Sämereien zu naschen. Auch sie leben gesellig in großen -Scharen und nisten in Baumhöhlen. Des Schadens wegen, den sie den -menschlichen Kulturen verursachen, werden sie in ihrer Heimat eifrig -verfolgt und zu Hunderten erlegt und ihr Fleisch, weil ziemlich -wohlschmeckend, gegessen. Namentlich wird die aus ihnen bereitete Suppe -sehr gerühmt. Sie lassen sich leicht fangen und dauern auch in Europa -in der Gefangenschaft viele Jahre lang aus. Man kennt Beispiele, daß -ein Exemplar dieser Vogelart länger als 70 Jahre im Käfig lebte. Ihre -Erhaltung erfordert wenig Mühe; denn sie gewöhnen sich nach und nach an -alles, was der Mensch ißt.</p> - -<p>Als eigentlicher Schädling für die Schafzucht hat sich der in -Neuseeland heimische, ziemlich große, olivengrüne <em class="gesperrt">Gebirgspapagei</em> -(<span class="antiqua">Nestor notabllis</span>), der <em class="gesperrt">Kea</em> der Eingeborenen, erwiesen. -Der in einem zwischen 1500 und 2000 <span class="antiqua">m</span> Höhe gelegenen Gürtel -lebende Vogel hat sich angewöhnt, sich in den wolligen Rücken der -Schafe einzukrallen<span class="pagenum"><a id="Seite_399"></a>[S. 399]</span> und mit seinem scharfen Hakenschnabel ganze -Löcher darein zu bohren, um sich so Fleisch, das ihm sehr zu schmecken -scheint, zu verschaffen. Viele dieser dummen Vierfüßler, die sich der -Angriffe dieser frechen Burschen nicht zu erwehren vermochten, gingen -infolge davon ein, so daß die Ansiedler diese lästigen Quälgeister -ihrer Herden eifrig zu verfolgen und abzuschießen begannen. Jetzt haben -sie sich gewöhnt, ihre gemeinschaftlichen Raubzüge nachts zu machen und -müssen sich vielfach mit dem Abfall geschlachteter Schafe oder mit Aas -begnügen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_400"></a>[S. 400]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XIX_Kormoran_und_Strauss">XIX. Kormoran und Strauß.</h2> - -</div> - -<p>Der Kormoran ist als Haustier ausschließlich eine Errungenschaft der -chinesischen Kultur. Die Betriebsamkeit und die Geduld dieses alten -Kulturvolkes hat damit einen Vogel zum nützlichen Gehilfen des Menschen -gemacht, der bei uns als gefährlicher Konkurrent von jeher eifrig -verfolgt wird und im wesentlichen in Mitteleuropa auf dem Aussterbeetat -steht. Freilich wären auch unsere durch die gedankenloseste -Raubwirtschaft und die Verunreinigung der Flüsse durch die giftigen -Abwässer der chemischen Fabriken an Fischen verarmten Gewässer kein -günstiges Gebiet für die Tätigkeit dieses ausgezeichneten Fischfängers, -der sich uns bisher nur als Fischräuber verhaßt gemacht hat.</p> - -<p>Der <em class="gesperrt">Kormoran</em> (<span class="antiqua">Phalacrocorax carbo</span>), auch Baumscharbe oder -Wasserrabe genannt, ist ein sehr gefräßiger und deshalb vom Menschen -überaus gehaßter Fischräuber. Vom mittleren Europa an trifft man ihn in -ganz Mittelasien und Nordamerika, von hier aus bis Westindien, von dort -aus bis Südasien wandernd. Er bewohnt je nach Gelegenheit die kahle -Meeresküste und die bewaldeten Ufer der Binnengewässer; dabei scheut er -sich gar nicht, in unmittelbarer Nähe von Ortschaften, ja gelegentlich -in diesen selbst, z. B. auf Kirchtürmen, sich anzusiedeln. Er liebt -die Geselligkeit und hält sich deshalb in größeren oder kleineren -Scharen mit seinen Artgenossen zusammen, nistet auch gewöhnlich in -größeren Gesellschaften auf Bäumen, hohen Felsen, in Gebüschen oder -im Schilf. Dabei kehren die Vögel mit großer Zähigkeit zu ihren alten -Brutplätzen zurück, so lange sie nicht gewaltsam davon vertrieben -werden. Gern nimmt der Kormoran von den verlassenen Nestern anderer -Vögel, so besonders von Reiher- und Krähennestern, Besitz, um so -mühelos die erste Unterlage für sein eigenes Nest zu erhalten, das aus -Pfanzenstoffen errichtet und inwendig immer naß<span class="pagenum"><a id="Seite_401"></a>[S. 401]</span> und sehr schmutzig -ist. Zweimal im Jahre werden 3–4 Junge aus den grünlichweißen Eiern -ausgebrütet und großgezogen.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel53" > - -<p class="captop">Tafel 53.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel53.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><div class="capright">(<span class="antiqua">Copyright by M. - Koch, Berlin.</span>)</div> - Kormorane auf einem Felsen bei Monterey in Kalifornien.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel53_gross.jpg" id="tafel53_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel54" > - -<p class="captop">Tafel 54.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel54.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Eingefahrener Strauß auf Karl Hagenbecks Straußenfarm in - Stellingen.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel54_gross.jpg" id="tafel54_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Der Kormoran ist 81 <span class="antiqua">cm</span> lang und der Hauptsache nach glänzend -grünschwarz gefärbt, an Rücken und Flügeln kupferbraun, die Backen -weiß, Schnabel und Füße schwarz. Er schweift außer der Brutzeit gern -umher, ist auf dem Lande sehr schwerfällig, fliegt auch nicht besonders -gut, zeigt sich aber im Wasser äußerst beweglich und flink. Mit -geräuschlosem Ruck taucht er in bedeutende Tiefen und kann wenigstens -zwei Minuten unter Wasser bleiben, wobei er mehr oder weniger tief -hunderte von Metern zurückzulegen vermag. Pfeilschnell schießt er auf -der Jagd nach Fischen mit weitausholenden Flügelschlägen so gewandt -unter Wasser dahin, daß ihm auch der flinkste Schuppenträger nicht -zu entgehen vermag. Aus einer Tiefe von 40 <span class="antiqua">m</span> holt er Schollen -vom Meeresgrunde herauf, und Fische bis zu 7 <span class="antiqua">cm</span> Breite und 30 -<span class="antiqua">cm</span> Länge, Aale, die er besonders liebt, selbst wenn sie 60 -<span class="antiqua">cm</span> lang sind, verschlingt er mit Leichtigkeit.</p> - -<p>Der vorsichtige, am Brutplatze zwar minder scheue Vogel, entzieht sich -jeder nahenden Gefahr. Kann er nicht tauchen, so erhebt er sich über -Schußweite in die Luft. Am liebsten aber verschwindet er bei Verfolgung -im Wasser, streckt, um rasch zu atmen, nur Kopf und Hals etwas über die -Oberfläche und verschwindet alsbald wieder in der Tiefe, wo er sich -geborgen fühlt, bis die Gefahr verschwunden ist. Gegen andere Vögel ist -er heimtückisch und sucht gern ihre Nester auszurauben oder gar die -alten Vögel wegzuschnappen. So sah man im früheren Zoologischen Garten -in Wien die Kormorane sich der Länge nach aufs Wasser legen und die -hart am Wasserspiegel auf Insekten jagenden Schwalben mit beispielloser -Gewandtheit wegfangen, ohne jemals fehlzugreifen.</p> - -<p>Während der Morgenstunden fischen sie mit regem Eifer; nachmittags -pflegen sie der Ruhe und der Verdauung. Gegen Abend unternehmen sie -nochmals einen Fischzug und gegen Sonnenuntergang gehen sie schlafen. -Dabei wählen sie im Binnenlande zur Nachtruhe hohe Bäume, an der -Meeresküste dagegen hohe felsige Inseln, die ihnen Umschau nach allen -Seiten gewähren. Von ihnen bewohnte Inseln erkennt man schon von -weitem an dem weißen Kotüberzug, mit dem die Vögel sie bedeckt haben, -und sie würden schließlich auch bei uns zu Guanolagern werden, hätten -wir in unsern Breiten weniger Regen und die tropische Sonne, die den -Vogeldünger unter dem Himmel Perus rasch trocknet. Bei ihrer ungemeinen -Gefräßigkeit und<span class="pagenum"><a id="Seite_402"></a>[S. 402]</span> raschen Verdauung ist der Kot sehr ausgiebig. Sie -fressen solange sie können und stürzen selbst mit gefülltem Magen auf -eine Beute, wenn sie ihnen gerade vor die Augen kommt. Weil sie bei -solchen Eigenschaften der Fischerei sehr bedeutenden Schaden zufügen, -können sie in Ländern, in denen der Mensch zur Herrschaft gelangte, -nicht geduldet werden. Sie werden deshalb überall in zivilisierten -Ländern als gefährliche Fischräuber verfolgt. Nur vorübergehend -sind einzelne Exemplare der Gattung im 17. Jahrhundert an den Höfen -Englands und Frankreichs zum Erbeuten von Fischen zahm gehalten worden, -wie für die Reiherbeize Falken gehalten wurden. Dazu benutzte man -jedenfalls jung aus dem Nest genommene Tiere; und zwar gaben vielleicht -Jesuitenmissionare, die in China solche Verwendung kennen gelernt -hatten, Veranlassung zu solchem Sporte, da diese gezähmten Kormorane -ausdrücklich als aus dem katholischen Flandern bezogen erwähnt werden. -So berichtet Pennant, daß König Karl I. von England, der von -1625–1649 regierte, einen Mr. Wood als <span class="antiqua">master of the corvorants</span> -hielt. Dieser habe die Kormorane so gezähmt, daß er sie ganz wie -Falken habe gebrauchen können. Um 1628 sah dann Puteus als Sekretär -des Kardinals Barberini in Fontainebleau am Hofe Ludwigs XIII. -solche Tiere, die vom König von England als Geschenk an seinen Schwager -dahin gelangt waren. Jedenfalls ist die Verwendung des Kormorans in -Europa damals ganz vereinzelt geblieben und haben sich die Vögel nicht -in der Gefangenschaft fortgepflanzt, sind also nicht zu Haustieren -geworden, wie dies seit alter Zeit in China der Fall ist.</p> - -<p>Über die Kormoranzucht der Chinesen hat uns der französische Missionar -Armand David 1875 eingehend berichtet. Dort ist dieser Vogel -vollständig Haustier geworden und pflanzt sich in der Gefangenschaft -regelmäßig fort; doch läßt man gewöhnlich die von den Weibchen gelegten -Eier durch Hühner ausbrüten. Die Jungen werden schon beizeiten mit -auf das Wasser genommen und sorgsam unterrichtet, so daß sie bald auf -den Befehl ihres Herrn ins Wasser tauchen, um die erhaschte Beute -nach oben zu bringen und sie ins Boot zu apportieren. Ein um den Hals -gelegter lederner Ring verhindert den Kormoran am Hinunterschlingen des -erbeuteten Fisches. So schwimmt er auf das Boot seines Herrn zu, wo ihm -seine Beute sofort abgenommen wird. Zur Belohnung wird ihm nach Abnahme -des Halsrings etwas Bohnenteig als das übliche Futter verabreicht. -Hierauf läßt man den Vogel am Rande des Bootes kurze Zeit ruhen und -schickt ihn dann wieder<span class="pagenum"><a id="Seite_403"></a>[S. 403]</span> an die Arbeit. Lässige Vögel werden bestraft, -wie fleißige am Schlusse des Fischens einen Fisch zum Fressen erhalten. -Wie groß muß noch der Reichtum der chinesischen Gewässer an Fischen -sein, daß sich ein solches Verfahren so gut rentiert, daß ein gezähmter -Kormoran den für chinesische Verhältnisse sehr hohen Preis von 12000 -Käsch (= 30 Mark) einträgt. Übrigens haben die Japaner den Chinesen -den Fischfang mit Kormoranen abgeguckt und wenden ihn gelegentlich -ebenfalls in ihren fischreichen Gewässern an. Da der treffliche -Vogelkenner Naumann mit gutem Grund den Kormoran als schwer zu zähmen -und bissig bezeichnet, ist die große Geduld und Ausdauer der Chinesen -bei der Gewinnung dieses Haustiers doppelt anzuerkennen. Für uns aber -sind die Zeiten endgültig vorbei, da ein solcher Gehilfe des Menschen -existenzberechtigt wäre; denn wie lange müßte der arme Geselle in den -meisten unserer Gewässer tauchen, bis er endlich ein paar Gründlinge -oder Weißfische aufgetrieben hätte!</p> - -<p>Dagegen hat die Kulturmenschheit noch in elfter Stunde einen anderen -Vogel zu zähmen verstanden, der an zahlreichen Orten seines einstigen -Verbreitungsgebietes bereits ausgerottet ist und nur noch in einigen -Steppen Südafrikas häufiger angetroffen wird. Es ist dies der -afrikanische <em class="gesperrt">Strauß</em> (<span class="antiqua">Struthio camelus</span>), der einst auch -die Steppen Westasiens wie sämtliche des schwarzen Erdteils bewohnte. -So sah Xenophon in der vorderasiatischen Steppe wilde Strauße, die von -den sie verfolgenden Reitern nicht eingeholt zu werden vermochten, und -Diodoros Siculus berichtet von Straußen in Arabien, die mit solcher -Gewalt Steine mit ihren Füßen gegen ihre Verfolger schleudern, daß -letztere oft schwer getroffen werden. Damit meint er die bei ihrem -schnellen Laufe unabsichtlich nach hinten fliegenden Steine. Wie dieser -schreibt auch der ältere Plinius, er sei so dumm, daß er sich geborgen -glaube, wenn er nur den Kopf in einen Busch gesteckt habe. Man suche -seine Eier als etwas Kostbares auf und gebrauche die Schale derselben -wegen ihrer Größe zu Gefäßen. Mit den Federn der Strauße verziere man -die Helme. Älian sagt: „Der Strauß legt viele Eier, bebrütet aber nur -die fruchtbaren, legt dagegen die unfruchtbaren gleich auf die Seite -und setzt sie später den ausgekrochenen Jungen als Futter hin.“ Aus -Libyen und Mauretanien, also Nordafrika, das schon längst keine Strauße -mehr besitzt, kamen diese Tiere auch zu den Zirkusspielen nach Rom. -So ließ Kaiser Gordianus nach Julius Capitolinus bei den Jagdspielen -nebst vielen anderen Tieren auch 300 mit Mennige rot gefärbte Strauße -auftreten, die ausdrücklich als aus<span class="pagenum"><a id="Seite_404"></a>[S. 404]</span> Mauretanien stammend bezeichnet -werden. Bei den Jagdspielen, die Kaiser Probus in Rom gab, erschienen -unter anderen wilden Tieren gar 1000 Strauße „und wurden dem Volke -preisgegeben.“ Und Älius Lampridius berichtet von Kaiser Heliogabalus, -daß er einmal bei einem Schmause die Köpfe von 600 Straußen auftragen -ließ, deren Gehirn verzehrt werden sollte. „Mehrmals gab er auch bei -Gastereien Straußen- und Kamelbraten und behauptete, den Juden sei -vorgeschrieben, solche Braten zu verzehren.“ Wenn damals der Strauß in -solcher Menge gefangen und nach Rom gebracht wurde, ist es kein Wunder, -daß diese Tiere mit der Zeit dann gänzlich aus Nordafrika verschwanden.</p> - -<p>Gewöhnlich lebt der Strauß in Gesellschaften von 10–20 Stück, in -Südafrika gern mit Antilopen-, besonders Gnu- und Hartebeestherden -vergesellschaftet. Mit hocherhobenem Kopf vermag er mit seinen -außerordentlich scharfsichtigen Augen überaus weit zu sehen und ist -so ein willkommener Warner für die wohl mit gutem Geruch, aber nur -mit mäßig scharfen Augen begabten Antilopen. Er liebt das Wasser und -sucht es zum Trinken und Baden gern auf. Wenn es sein muß, kann er -dasselbe aber auch lange entbehren, macht auch keine weiten Wege, um -es aufzusuchen. Außer Kraut, Früchten und Sämereien aller Art frißt er -gelegentlich auch kleine Tiere, schlingt auch Steine, die zum Zerreiben -der harten Pflanzennahrung im kräftigen Muskelmagen dienen sollen, -hinunter.</p> - -<p>Während junge Strauße schweigsam sind, stoßen die alten Männchen meist -am frühen Morgen ein Gebrüll aus, kämpfen zur Fortpflanzungszeit auch -mit Schnabel und Füßen miteinander, um eine Anzahl Weibchen für sich -zu gewinnen. Durch allerlei tanzende Balzbewegungen vermag jedes meist -drei bis vier Weibchen an sich zu fesseln. Diese legen nun ihre Eier -in ein einziges, nur aus einer vom Männchen in den Sandboden gewühlten -Mulde bestehendes Nest, das oft 20 Eier enthält und von anderen, -nicht zum Ausbrüten, sondern als Nahrung für die ausgeschlüpften -Jungen dienenden Eiern umgeben zu sein scheint. Die dickschaligen, -glatten, mit Poren zum Atmen für die Jungen versehenen gelblichweißen -Eier werden fast ausschließlich vom Männchen bebrütet, das während -der ganzen Nacht daraufsitzt und auch während des Tages sie nur zur -Nahrungsaufnahme für kurze Zeit verläßt. Nur in ganz heißen Gegenden -überläßt es sie während des Tages, mit Sand bedeckt, sich selbst. Nach -etwa 50 Tagen entschlüpfen ihnen die Jungen, die alsbald vom sorgsam -um sie bemühten Vater in Obhut genommen und gefüttert werden. Sie -sind zunächst<span class="pagenum"><a id="Seite_405"></a>[S. 405]</span> von stachelartigen Horngebilden umgeben, die nach zwei -Monaten dem grauen Federkleide Platz machen, das bei den Weibchen nur -wenig verändert das ganze Leben hindurch bestehen bleibt, während bei -den Männchen vom zweiten Jahre an alle kleinen Federn des Rumpfes -kohlschwarz, die langen Flügel- und Schwanzfedern aber blendend weiß -werden. Diese gekräuselten Federn sind ein sehr beliebter Schmuck schon -der unkultivierten Wilden, ganz besonders aber des danach lüsternen -Kulturmenschen.</p> - -<p>Das hauptsächlichste Ziel der Jagd des Straußes sind diese Federn, die -überall willige Abnehmer finden. Ihr Preis ist je nach dem Wechsel -der Mode erheblichen Schwankungen unterworfen, ist aber dadurch -bedeutend im Wert hinuntergegangen, daß der Vogel jetzt auch gezähmt -gehalten wird und ihm die Federn abgeschnitten werden können, ohne -daß er, wie früher der wilde, getötet zu werden braucht. Einst wurde -die Straußenjagd zur Gewinnung der Federn von den berittenen Beduinen -Nordafrikas mit Leidenschaft betrieben und galt als eine der edelsten -Vergnügungen, umsomehr sie sehr schwierig war und ein Zusammenarbeiten -mehrerer Jäger erforderte. Diese zogen auf flüchtigen Pferden oder -Reitkamelen in die Steppe hinaus, wobei ihnen in einiger Entfernung -Wasser in Schläuchen tragende Lastkamele folgten. Die Treiber dieser -letzteren hatten sich auch während der Jagd in möglichster Nähe der -Verfolger zu halten. Sobald die Jäger einen Trupp Strauße trafen, -suchten sie ein Männchen von der Herde zu trennen und ritten im -gestreckten Galopp hinter ihm her. Während einer von ihnen dem Vogel -auf allen Krümmungen seines Laufes folgt, sucht ein anderer diese -abzuschneiden, übernimmt, wenn es ihm gelang, die Rolle des ersteren -und läßt diesen die kürzere Strecke durchreiten. So wechseln sie -miteinander ab, bis sie den mit möglichster Schnelligkeit dahineilenden -Strauß ermüdet haben. Gewöhnlich sind sie schon nach Verlauf einer -Stunde dicht hinter ihm her, zwingen ihre Reittiere, meist Pferde, zu -einer letzten Anstrengung und versetzen dem Vogel schließlich einen -heftigen Streich über den Hals oder auf den Kopf, der ihn sofort zu -Boden streckt. Unmittelbar nach dem Falle des Wildes springt der Jäger -vom Pferde, schneidet ihm unter Hersagen des üblichen — da allerdings -sehr unpassenden — Spruches: „Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen! -Gott ist groß!“ die Halsschlagader durch und steckt, um Beschmutzung -der Federn durch das Blut zu verhüten, den Nagel der großen Zehe eines -Fußes in die Wunde. Nachdem sich der Strauß verblutet hat, zieht ihm -der Jäger<span class="pagenum"><a id="Seite_406"></a>[S. 406]</span> das Fell ab, dreht es um und benutzt es gleich als Sack, -um in ihm die Schmuckfedern aufzubewahren. Vom Fleische schneidet er -so viel ab als er braucht, um seinen Hunger zu stillen; das Übrige -hängt er an einen Baum zum Trocknen und für etwa vorüberziehende -Wanderer auf. Mittlerweile sind die Kamele mit dem Wasser nachgekommen -und die Jäger erquicken sich und ihre Pferde nach der anstrengenden, -heißen Jagd mit dem kühlenden Naß, ruhen einige Stunden aus und kehren -alsbald mit ihrer Beute beladen nach Hause zurück. Hier sortieren sie -die Federn nach ihrer Güte, binden die kostbaren weißen, deren ein -vollkommen ausgebildeter Strauß höchstens 14 besitzt, in einzelne -Bündel zusammen und bewahren sie zu gelegentlichem Verkauf in ihren -Zelten auf. Der Händler muß, um die Federn zu bekommen, sich selbst -zum Jäger begeben und erlangt von diesem die gesuchte Ware erst nach -längeren Verhandlungen. Man begreift diese Zurückhaltung sehr wohl, -wenn man bedenkt, daß alle Fürsten und Regierungsbeamten Nordafrikas -noch heute, wie zur Zeit der alten Ägypter, von ihren Untertanen -Straußenfedern als Königstribut verlangen und sich kein Gewissen daraus -machen, diesen durch ihre Unterbeamten gewaltsam eintreiben zu lassen. -Der Beduine vermutet daher in jedem, der ihn nach Federn fragt, einen -Abgesandten seines Oberherrn und rückt mit seinem Schatze erst dann -heraus, wenn er sich durch eingehendes Ausforschen von den reellen -Absichten des Käufers überzeugt hat.</p> - -<p>In der Kulturgeschichte der Menschheit hat die Straußenfeder seit der -ältesten Zeit eine so wichtige Rolle gespielt, daß wir hier etwas näher -darauf eintreten müssen. Schon die Naturvölker Afrikas schmückten sich -einst und schmücken sich heute noch damit. Auf einer höheren Stufe -waren es vornehmlich die Häuptlinge, die sich ihre Abzeichen daraus -schufen, worunter auch aus ihnen zusammengesetzte, an langen Stielen -getragene Fächer waren. Im alten Ägypten war eine Straußenfeder das -Abzeichen von Maat, der Göttin der Wahrheit und Gerechtigkeit, der -Gemahlin von Thot, dem Gotte der Zeit, der Geschichte, Schrift, Magie -und des Mondes. Das Bild der Göttin Maat, die eine Straußenfeder als -Zier auf dem Kopfe trug, war das kostbarste Weihgeschenk für die -Götter; der Oberrichter trug es an einer Kette um den Hals. In der -Folge bedeutete die Straußenfeder in der Hieroglyphik Wahrheit und -Gerechtigkeit. Als später die Abzeichen der verschiedenen Rangklassen -im Zeremoniell am Hofe durch Übereinkommen fixiert waren, war die -Straußenfeder das Symbol des<span class="pagenum"><a id="Seite_407"></a>[S. 407]</span> Fürsten und das Tragen derselben -nur diesen und den Prinzen königlichen Geblüts gestattet. Diese -Straußenfedergezierten sind auf den Monumenten als „Fächerträger zur -Linken des Königs“ bezeichnet. Auch die Prinzessinnen trugen Fächer -aus Straußenfedern. So wurde im Grabe der Königin Aa hotep (um 1703 v. -Chr.) ein solcher aus vergoldetem Holz gefunden, an dessen Halbkreis -noch die Löcher zu sehen sind, in denen die inzwischen zu Staub -aufgelösten Straußenfedern steckten, die einst den Wedel bildeten. -Auch am persischen Hofe spielte der Staatsfächer mit Straußenfedern -eine große Rolle. Gleicherweise zierten sich die vornehmen Griechinnen -und Römerinnen mit Straußenfedern, wie die Männer sie als Schmuck -gelegentlich auf ihre Helme steckten.</p> - -<div class="figcenter illowe31_5625" id="bild50" > - <img class="w100" src="images/bild50.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 50. Links gefangener Strauß, rechts ein Mann mit - Federn und Eiern vom Strauß. (Nach Wilkinson.)</div> -</div> - -<p>Im Mittelalter war die Straußenfeder aus Nubien über den Orient -nach Europa gekommen, blieb aber zunächst zu teuer, als daß sich -weitere Kreise mit ihr zu schmücken vermocht hätten. Erst am Ende des -Mittelalters wurde dieser Artikel häufiger auf den Markt gebracht, so -daß er weitere Verbreitung und Anwendung fand. Seit dem Anfang des -15. Jahrhunderts liebten es die vornehmen Kavaliere des in Europa -tonangebenden, an Reichtum und der damit in Zusammenhang stehenden -Prachtentfaltung alle andern überstrahlenden burgundischen Hofes, -3–4 Federn zunächst des Reihers als <span class="antiqua">aigrette</span> vorn an der Kappe oder -am Stirnband zu befestigen. Als dann auf ihre höfische Zierlichkeit -und Eleganz der schwerfällige Prunk des Ritters aus der Zeit -Kaiser Maximilians folgte, wurde die zierliche<span class="pagenum"><a id="Seite_408"></a>[S. 408]</span> Aigrette durch den -wallenden Federbusch aus Straußenfedern ersetzt. Aber nicht nur der -adelige Ritter, sondern auch der gewöhnliche Landsknecht suchte mit -diesem teuren Schmucke zu prunken. Bald fand er auch Eingang in der -wohlhabenden Bürgerschaft, so daß die Obrigkeit es für nötig fand, -Gesetze gegen diesen unerhörten Luxus zu erlassen. So wurde in einer -Kleiderordnung einer reichen Stadt am Rhein aus dem 16. Jahrhundert -den Handwerkern das Tragen von Straußenfedern auf ihrem Barett als -übertriebene Verschwendung gänzlich untersagt.</p> - -<p>In der Folge nahm diese Straußenfedermanie in Europa ziemlich ab. In -Deutschland sorgte die Not des 30jährigen Krieges dafür, daß den Leuten -solcher Tand gleichgültig wurde. Als dann Spanien in der zweiten Hälfte -des 16. Jahrhunderts die Welt beherrschte, wurde die Strenge seiner -Etikette und die Form seiner Kleidung tonangebend für die vornehmen -Kreise. Bald trugen die Damen und Herren nur noch die kleine toque, -welche höchstens noch ein kleiner Federstutz garnierte. Als dann -Europa nach dem Tode Philipps II. (1598) die steife Grandezza -Spaniens abgeschüttelt hatte, stülpte sich der französische Ritter den -respondent genannten ungeheuren Filzhut auf seine jetzt absichtlich -ungepflegten Locken; diesen schmückte er mit einigen kühn aufgesteckten -Straußenfedern. Von da an herrschte das ganze 17. Jahrhundert hindurch -in verschiedenen Variationen der mit Straußenfedern gezierte große -Filzhut. Am üppigen Hofe des Sonnenkönigs umhüllte die Straußenfeder -wieder in verschwenderischer Fülle den Hut des Elegants, wie den Helm -des Offiziers. Erst mit dem Beginne des Rokoko änderte sich dieses -Verhältnis, indem jetzt die Damen siegreich das Feld behaupteten und -ihre zu immer gewaltigerer Höhe emporgetürmte Coiffüre mit wallenden -Straußenfedern krönten.</p> - -<p>Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Straußenfeder auch -zu höfischen Festdekorationen gebraucht, so zur Ausschmückung des -Thronbaldachins und später auch der Prunkbetten des Rokoko. Sie -erschien damals als ein unumgängliches Erfordernis der feierlichen -Aufmachung, der Galamontur und des Paradekleides. Wie zum erstenmal -der Stifter König Friedrich I., so trägt heute noch der König -von Preußen als Großmeister des hohen Ordens vom Schwarzen Adler einen -Hut mit vier Reihen übereinandergetürmter weißer Straußenfedern. -Einen ähnlichen Federbusch trägt nicht nur der Vorsitzende, sondern -tragen auch die Ritter des 1730 gestifteten englischen Bath-Ordens, -wie auch die Mitglieder des höchsten englischen Ordens über<span class="pagenum"><a id="Seite_409"></a>[S. 409]</span>haupt, des -Hosenbandordens. Daß auch die strenge Empirezeit nicht ohne diesen -pompösen Schmuck auskommen konnte, sobald es sich um die höchste -Prachtentfaltung handelte, ersieht man aus dem Kupferstich des kleinen -Krönungsornats Napoleons I., dessen berühmter Dreispitz hier -unter einer Wolke duftiger weißer Straußenfedern fast verschwindet.</p> - -<p>Bis dahin hatte Europa den Bedarf an dieser kostbaren Ware mit seiner -Einfuhr aus Afrika decken können. Genuesische und französische Schiffe -hatten schon im ausgehenden Mittelalter den Import derselben aus -der Berberei und der Sahara vermittelt. Im 17. Jahrhundert wurden -dann Ägypten und Syrien wichtige Ausfuhrländer für diese teilweise -auch aus Arabien bezogene wertvolle Ware. Die jahrhundertelang in -der schonungslosesten Weise zur Erbeutung der Federn betriebene -Straußenjagd ließ aber trotz der Fruchtbarkeit des Riesenvogels mehr -und mehr in empfindlicher Weise nach, so daß Livorno und Wien, die -von alters her die Stapelplätze für die Straußenfedern gewesen waren, -zu Beginn des 19. Jahrhunderts die verlangten Mengen derselben nicht -mehr liefern konnten. Als ums Jahr 1830 wieder große Hüte getragen -wurden, zahlte man schon 40 Mark für eine hübsche Feder. Wie Gold- und -Silberschmuck waren sie eine Zeitlang die beliebtesten Brautgeschenke -und wurden in großer Menge verbraucht.</p> - -<p>Einen Umschwung brachte erst die um die Mitte des vorigen Jahrhunderts -angeregte künstliche Straußenzucht. Um dem fortwährenden Rückgang des -wertvollen Tieres zu steuern, stellte auf Anregung des Genfer Arztes -Gosset der Pariser Kaufmann Chagot der <span class="antiqua">société d’acclimatisation</span> -eine Summe von 2000 Franken zur Verfügung, um dieses Tier künstlich -zu züchten. Vom Jahre 1857 an wurde dieser Gedanke von Hardy mit -Ausdauer verfolgt und es gelang ihm, in Algier die Strauße zum Brüten -zu bringen, so daß er bereits 1860 die zweite Generation zu erziehen -vermochte. Gleichzeitig wurden auf Anregung des Fürsten Demidoff in San -Donato bei Florenz Zuchtversuche mit Straußen vorgenommen und hatten -Erfolg. Dabei ergab sich die bemerkenswerte Tatsache, daß das Weibchen -in einem Falle das Brutgeschäft vollständig dem Männchen überließ, -das andere Mal abwechselnd mit diesem brütete. Aus zwei Bruten gingen -von 1859 bis 1860 acht Nachkommen hervor. Gleicherweise wurden im -Tiergarten von Marseille durch Suquet Strauße gezüchtet; auch in -Grenoble und Marseille erlangte man günstige Resultate, so daß es sich -nur noch um eine Übertragung der Versuche in die Praxis handeln konnte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_410"></a>[S. 410]</span></p> - -<p>Nachdem 1866 die künstliche Ausbrütung der Straußeneier geglückt -war, ging die Sache rasch vorwärts. In Algier freilich, wo die -ersten Versuche stattfanden, vermochte sich die Straußenzucht nicht -einzubürgern; dagegen hatten die Farmer im Kaplande überraschende -Resultate. Schüttelte man auch dort anfänglich die Köpfe über den -Versuch, Strauße zu züchten, so kamen doch einzelne Farmer dadurch zu -Vermögen. Die Straußenfarmen wuchsen bald wie Pilze aus dem Boden, und -die Kaufpreise der Vögel stiegen rasch in die Höhe. Während noch im -Jahre 1865 im Kaplande nicht mehr als 80 zahme Strauße gezählt wurden, -hielt man zehn Jahre später schon 21751 Stück. Im Jahre 1886 schätzte -man den dortigen Bestand an gezähmten Straußen auf 150000 Stück und -später stieg er gar auf 200000 Stück, so daß man sehr wohl begreift, -wie heute die Straußenzucht einen der wichtigsten Erwerbszweige -Südafrikas bildet, soweit es von Europäern bevölkert ist. Vom Jahre -1865–1885 hob sich die Ausfuhr von 1500 auf 90000 <span class="antiqua">kg</span> Federn -jährlich, was einen Wert von etwa 20 Millionen Mark darstellt. In -neuerer Zeit ist der Preis der Federn und damit auch der Vögel stark -gesunken; doch ist die Straußenzucht gleichwohl immer noch lohnend. -Die allzugroße Inzucht der Tiere scheint aber die Qualität der Federn -verschlechtert zu haben, so daß eine nicht künstlich verstärkte Feder -heute tatsächlich eine Seltenheit geworden ist. Eine Auffrischung der -Zuchten mit Wildmaterial ist wegen des starken Rückganges freilebender -Strauße bedeutend erschwert.</p> - -<p>Kleinere Farmer lassen die Strauße den Tag über im Felde herumlaufen -und treiben sie abends in die Gehöfte, wie es übrigens die Somali -schon vor den Europäern machten, um die Straußenfedern leichter als -durch die mühevolle Jagd auf jene so überaus schnellaufenden Tiere -zu erlangen. Viel häufiger als solche kleine sind große Zuchten, -in denen etwa 100 Vögel auf einem Raum von 250 <span class="antiqua">ha</span>, von -Drahtzäunen oder Steinmauern umgrenzt, gehalten werden. Die Nahrung -besteht aus Gras und Laubwerk; daneben wird auch Mais verfüttert. Die -Straußenhenne legt im dortigen Frühjahr im Laufe von 14 Tagen 12–16 -ihrer elfenbeinfarbenen, dickschaligen Eier, deren Ausbrütung, wie wir -sahen, fast ausschließlich das Männchen besorgt. Sie wird aber auch -sehr häufig im Incubator genannten Brutapparat vorgenommen, wodurch -eine gleichmäßigere Erwärmung und infolgedessen auch eine größere Zahl -von ausschlüpfenden Jungen erzielt wird. Im Laufe des Jahres erfolgen -2–3 Bruten, so daß die Vermehrung eine sehr starke ist. Im Brutapparat -bedarf das Ei zu seiner<span class="pagenum"><a id="Seite_411"></a>[S. 411]</span> völligen Bebrütung durchschnittlich 43 Tage. -Die Jungen werden mit kleingeschnittenem Grünfutter, besonders Luzerne, -dann in Wasser eingeweichter Brotkrume und Kleie aufgezogen, was einige -Vorsicht und in der ersten Zeit Trennung von den Alten erfordert, da -diese gegen die auf diese Weise gewonnenen Jungen sehr bösartig zu -sein pflegen. Sobald die Tiere drei Jahre alt sind, werden ihnen zum -erstenmal Federn entnommen, nicht ausgerissen, sondern an der Wurzel -mit der Schere abgeschnitten. Der Stumpf fällt dann aus und an seiner -Stelle entwickelt sich eine neue Feder. Alle acht bis zehn Monate wird -dieser Prozeß, bei welchem man die Vögel vielfach in ein bewegliches -Holzgestell einspannt, wiederholt, und 15 Jahre lang kann man bei einem -gesunden Tier auf Rentabilität rechnen. Bei einem jährlichen Unterhalt -von 80 Mark pro Vogel erzielt man eine Ernte von 1 <span class="antiqua">kg</span> Federn im -Werte von 260–1200 Mark. Es ist dies also eine sehr schöne Verzinsung -des Anlagekapitals.</p> - -<p>Die Straußenzucht gedeiht nur in Steppengegenden und sandigen Gebieten. -Der Wind hat wenig Einfluß auf das Wohlbefinden der Tiere; dagegen -sind die Strauße sehr empfindlich gegen Nässe und Kälte. Starke -Verheerungen richten leicht übertragbare Wurmparasiten unter ihnen -an. Es wird angegeben, daß die jungen Strauße mit Vorliebe Exkremente -von Trappen und Feldhühnern aufpicken und auf diese Weise die Keime -von parasitischen Würmern in sich aufnehmen, die sie im wilden -Zustande nicht in sich haben. Ferner brechen sich die Tiere in ihrer -Ungeschicklichkeit leicht die Fußknochen und gehen dann meist zugrunde. -Noch schlimmer aber ist es, daß der Absatz des Produktes ganz von -den Launen der unberechenbaren Mode abhängt und die Preise mit dem -zunehmenden Angebot sinken.</p> - -<p>Trotzdem die Kapregierung einen hohen Ausfuhrzoll auf lebende -Vögel und Eier festsetzte, hat sich die Straußenzucht, außer der -blühenden Zucht von Matarieh bei Kairo in Ägypten, auch außerhalb -Afrikas eingebürgert, vor allem in Kalifornien und Argentinien. Auch -Neuseeland züchtet diesen Schmuckvogel mit Erfolg; in Australien -dagegen vermochte er bis jetzt nicht zu gedeihen. Seit kurzem ist man -auch in Deutsch-Südwestafrika dem Beispiele der Engländer gefolgt. So -ist in Otjkondo ein Gebiet von 8200 <span class="antiqua">ha</span> ganz für die Aufzucht -dieser Vögel reserviert worden. Da diese, wenn sie rationell betrieben -wird, nur einen Verlust von 10 Prozent verursacht und die Vögel sehr -fruchtbar sind, d. h. zwei- bis dreimal jährlich 10–16 Eier legen, so -kann die Zucht sehr lukrativ sein.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_412"></a>[S. 412]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XX_Die_Nutzfische">XX. Die Nutzfische.</h2> - -</div> - -<p>Noch mehr als für die fluß- und seenbewohnenden Binnenländer ist -für die Küstenbewohner der Fischfang eine wichtige Erwerbs- und -Nahrungsquelle. Und mit dem immer besser eingerichteten Versand der -Fische sind auch die meisten Städte im Innern vorzüglich mit diesem -ebenso nahrhaften als billigen Nahrungsmittel versorgt, das in den -weitesten Schichten der Bevölkerung eine zunehmende Bedeutung gewinnt. -Nach vielen Milliarden Mark belaufen sich die Werte, die von den -verschiedenen Völkern dem Meere, der Mutter alles Lebens, in Form von -Fischen entnommen werden. So hat auch in Deutschland nicht nur die -Küsten-, sondern besonders auch die Hochseefischerei immer größere -Bedeutung erlangt, nachdem hierin England vorbildlich vorangegangen -war. Vom überreichen Erntesegen, der lange Zeit vorzugsweise den -Briten zufloß, kommt nun ein stets wachsender Teil auch den Deutschen -zugute. Werden doch jährlich allein für 40 Millionen Mark Heringe nach -Deutschland eingeführt.</p> - -<p>Unter den zahlreichen Meerfischen haben besonders die Schellfische mit -Einschluß der Kabeljaus oder Dorsche, daneben die Heringe durch ihr -gehäuftes Auftreten in der Laichzeit in manchen Gegenden eine große -Bedeutung erlangt. Diese suchen seichtere Stellen des Meeres zur Ablage -ihrer Eier auf und werden dann in großen Netzen in Menge gefangen, -teilweise auch mit der Grundschnur erbeutet, die etwa 2000 <span class="antiqua">m</span> -Länge hat und gegen 1200 Angelschnüre mit köderbewehrten Haken besitzt. -Letztere wird ausgeworfen und alle sechs Stunden emporgeholt, der Fang -ausgelöst, die verbrauchten Köder ersetzt und die Schnur neu gelegt. -Währenddem beschäftigen sich die Fischer mit Handangeln, von denen sie -je eine in die Hand nehmen, rasch emporziehen, wenn sie merken, daß -sich etwas gefangen hat, und sofort wieder in die Tiefe versenken. -Letzteres geschieht besonders beim <em class="gesperrt">Schellfisch</em>, <em class="gesperrt">Kabeljau</em> -und <em class="gesperrt">Merlan</em> (<span class="antiqua">Gadus morrhua</span>, <span class="antiqua">aeglefinus</span> und<span class="pagenum"><a id="Seite_413"></a>[S. 413]</span> -<span class="antiqua">merlangus</span>), von denen ein Mann täglich 300 bis 400 Stück zu -erbeuten vermag. Am besten schmecken alle diese Fische frisch verzehrt. -Durch das Trocknen verlieren sie an Geschmack, doch bleibt bei ihrer -ungeheuren Menge gleichwohl nichts anderes übrig, als den größten Teil -auf diese Weise zu konservieren, außerdem eine beträchtliche Menge -davon in Fässern einzusalzen.</p> - -<p>Der <em class="gesperrt">Kabeljau</em> — jung Dorsch genannt — bewohnt den nördlichen -Teil des Atlantischen Ozeans und die angrenzenden Gebiete des -Eismeeres, hat seine Hauptverbreitung zwischen dem 50. und 75. -Breitegrad, kommt nicht südlicher als im 40. Breitegrad vor, wird 1–1,5 -<span class="antiqua">m</span> lang und bis 40 <span class="antiqua">kg</span> schwer. Zur Laichzeit zieht er in -gewaltigen Zügen, die über 100 <span class="antiqua">km</span> breit und 30 <span class="antiqua">km</span> lang -sein können, dicht gedrängt an die zur Eiablage geeigneten flachen -Stellen des Meeres, an den Lofoten, dann an der Doggerbank in der -Nordsee (<span class="antiqua">dogg</span> heißt im Altholländischen der Kabeljau), besonders -aber an der Neufundlandbank, wo allein alljährlich etwa 1300 Millionen -Kilogramm Kabeljaus gefangen werden. Die Neufundlandbank ist heute noch -die wichtigste Fangstelle des Kabeljaus und wurde seit Anfang des 16. -Jahrhunderts von Engländern, Holländern, Franzosen, Portugiesen und -Spaniern aufgesucht und fleißig ausgebeutet. Schon im Jahre 1615 waren -250 englische Schiffe dort beschäftigt. Heute sind es deren 1800 mit -17000 Matrosen, während die Amerikaner noch mehr senden, um den hier -gebotenen Reichtum aus dem Meere zu schöpfen. Die meisten Kabeljaus -werden mit beköderten Angeln an der Grundschnur oder an Angelschnüren, -die von den Booten herabhängen, gefangen und sofort geköpft und -ausgenommen. Sie werden dann meist halbiert und die einzelnen Teile -auf Stangen getrocknet. So liefern sie den „Stockfisch“, während sie -mit Salz bestreut und auf Felsen getrocknet als „Klippfisch“, und -in Fässern eingesalzen als „Laberdan“ in den Handel gelangen. Beim -Ausweiden der Fische kommt die Leber in ein besonderes Faß, der Rogen -in ein anderes, die übrigen Eingeweide werden als Köder verwendet. Die -abgeschnittenen Köpfe dienen vielfach als Viehfutter. Die Lebern läßt -man in großen Bottichen stehen und in Zersetzung übergehen, wobei sich -in ihnen ein Öl an der Oberfläche sammelt. Es ist dies der Lebertran, -der von Zeit zu Zeit abgeschöpft, durch Seihen gereinigt und, seiner -Güte entsprechend, in verschiedene Fässer gefüllt wird. Am besten ist -natürlich der wenige Tage nach Beginn der Fäulnis gewonnene Lebertran, -am schlechtesten der Rest, den man durch Auskochen erlangt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_414"></a>[S. 414]</span></p> - -<p>Kein Meerfisch gewöhnt sich rascher an die Gefangenschaft auch in -engem Raum, keiner geht leichter ans Futter, keiner frißt mehr und -wächst rascher als der Kabeljau. Nur muß das Wasser seines Beckens -kühl gehalten werden, da er, wie gesagt, ein nordischer Fisch ist. -Geschieht dies und reicht man ihm genügend Nahrung, so gedeiht er -nicht nur vortrefflich, sondern dauert auch mehrere Jahre selbst in -einem offenbar für ihn zu engen Gewahrsam aus. In neuerer Zeit hat die -Fischkommission der Vereinigten Staaten von Nordamerika den Versuch -unternommen, mit Hilfe der künstlichen Fischzucht den Kabeljau, der im -nordatlantischen Gebiete heimisch ist, auch in südlicheren Gebieten, -z. B. in der Chesapeakebai, heimisch zu machen.</p> - -<p>Noch mehr als der stattliche Kabeljau und seine Verwandten ist der -<em class="gesperrt">Hering</em> (<span class="antiqua">Clupea harengus</span>) ein Speisefisch des Volkes, -der, auch dem Dürftigsten noch käuflich, in gar vielen Haushaltungen, -besonders der nordischen Länder Europas, die Stelle des zu teuer -gewordenen Fleisches vertreten muß. Von ihm werden jährlich über 10 -Milliarden Stück gefangen, von denen Deutschland etwa 500 Millionen -Stück konsumiert, während die nordischen Völker weit mehr verbrauchen. -Bei ihnen ist er vielfach mit Brot zusammen die tägliche Nahrung. -Dieser nur 30 <span class="antiqua">cm</span> lange, stark zusammengedrückte Fisch lebt -weder wie die vorgenannten vorzugsweise im Polarmeere, noch macht er -wie diese weite Reisen. Er bewohnt vielmehr die Tiefen der Meere, an -deren Küsten er laicht, wird dort zu allen Zeiten vereinzelt gefangen, -namentlich mit solchen Gerätschaften, die in größere Tiefen reichen, -und steigt nur zur Laichzeit aus diesen Tiefen empor, um der Küste -zuzusteuern, an der er seine Eier wie die vorigen zur Winterszeit -absetzt.</p> - -<p>Betrachtet man eine Tiefenkarte der Nordsee, so überzeugt man sich -leicht von der Tatsache, daß Großbritannien auf einer geräumigen -Hochebene liegt, die nirgends tiefer als 200 <span class="antiqua">m</span> ist, so -daß bei einer Senkung des Meeresspiegels um diesen Betrag ganz -Großbritannien in das europäische Festland einbezogen wäre. Diese -Untiefe der Nordsee stellt, außer den Westküsten Großbritanniens und -Skandinaviens, den Laichplatz des Herings dar, wohin außer den Scharen -fortpflanzungslustiger Individuen alljährlich auch große Heere noch -nicht völlig erwachsener sogenannter Jungfern- oder, wie die Holländer -sagen, Matjesheringe aus der heimatlichen Tiefe emporsteigen. Der von -kleinen Spaltfußkrebsen lebende Fisch macht an der Küste Norwegens vom -Februar bis April seine Laichzüge. In der dem Laichen vorausgehenden -Zeit entwickeln sich bei ihm Rogen und Milch als wasser<span class="pagenum"><a id="Seite_415"></a>[S. 415]</span>reiche und -deshalb leichtere Stoffe so stark auf Kosten von Fett und Eiweiß der -Muskulatur, daß das Gewicht des Fisches geringer wird und er sich -getrieben fühlt, um seine Gleichgewichtslage wieder herzustellen, -Plätze aufzusuchen, an denen die Temperatur höher und daher das -spezifische Gewicht des Wassers geringer ist. Danach richten sie ihre -Wanderungen und wählen deshalb nicht immer dieselben Laichplätze.</p> - -<p>Die älteren Heringe laichen früher als die jüngeren und beginnen -damit teilweise schon im Herbst, und zwar vermutlich an denselben -Stellen, an denen sie geboren wurden. Doch können verschiedene -Ursachen, wie Witterungseinflüsse und Strömungsänderungen, bewirken, -daß sie in manchen Jahren an bestimmten Orten, an denen sie früher in -Masse erschienen, gänzlich ausbleiben; ebenso zeigen sie sich gegen -Veränderungen ihrer Laichplätze höchst empfindlich, meiden insbesondere -solche Plätze oft jahrelang, an denen der Überzug von Tangen zerstört -oder ihrer zu viele weggefangen wurden. Doch sind die Ursachen, welche -Richtung und Ziele der Heringswanderungen bestimmen und zeitweilig -ändern, noch nicht völlig erkannt. Immerhin scheint es heute schon -zweifellos, daß innerhalb gewisser großer Zeiträume die Heringszüge -sich von den bis dahin regelmäßig besuchten Gebieten ab- und anderen -zuwenden.</p> - -<p>Erscheinen irgendwo die Heringe zum Laichen, so treiben sie sich -zwei bis drei Tage hindurch nahe der Oberfläche des Meeres umher, -drängen sich, namentlich bei stürmischem Wetter, zu dichten Haufen, -eilen vorwärts und lassen währenddem die Eier ins Wasser fallen, -die gleichzeitig von dem von den männlichen Fischen entlassenen -Samen befruchtet werden. Dabei werden sie von zahlreichen Feinden -verfolgt und dezimiert. Solange sie sich in den oberen Wasserschichten -umhertreiben, nähren sich alle hier lebenden Raubfische, alle -Meervögel, besonders Möwen, und fast sämtliche Meersäugetiere -ausschließlich von ihnen. So erkennen die Norweger ihre Ankunft an -den sich um sie sammelnden Zahnwalen. Aber alle Verluste, die die -zahlreichen Räuber der See den Heringszügen zufügen, sind verschwindend -gegenüber denjenigen, die der Mensch ihnen mit seinen großen Netzen -beibringt. Um die Heringe im großen zu fangen, bedient man sich der -sogenannten Driftnetze, die 40 <span class="antiqua">m</span> lang und 10 <span class="antiqua">m</span> tief -sind. Größere Fischerboote führen bisweilen so viele dieser Netze mit -sich, daß sie auf 2,5 <span class="antiqua">qkm</span> das Wasser bestellen können. Gegen -Abend werden die Netze eingesenkt, mit Gewichten teilweise in die -Tiefe gezogen, teilweise aber<span class="pagenum"><a id="Seite_416"></a>[S. 416]</span> durch Korkstücke und leere Fässer oben -gehalten, so daß sie je nach der Meerestiefe höher oder niedriger zu -stehen kommen. Die Maschen sind genau so weit, daß ein junger Hering -durchzuschlüpfen vermag, während der erwachsene beim Bestreben, sich -durchzuzwängen, mit den Kiemendeckeln darin hängen bleibt und so -gefangen wird. Mit Tagesgrauen beginnt man die Netze auszulösen und -schafft dann die gefangenen Fische so eilig als möglich an den Strand -und in den Arbeitsraum des Einsalzers, da sie um so besser werden, -je eher sie ins Salz kommen. Hier werden sie alsbald ausgenommen und -gelangen, mit Salz bestreut und in Tonnen festgepreßt, zum Versand.</p> - -<p>Sichere Kunde von der Heringsfischerei reicht bis ins frühe Mittelalter -zurück. Altenglische Urkunden erwähnen sie und alte Gesetze regeln sie. -Bis zu Ende des 14. Jahrhunderts befand sich die Fischerei, obschon -sie damals durchaus nicht unbedeutend war, erst in den Anfängen. Da -lernte man den Fisch durch Einsalzen vor dem Verderben zu schützen -und so transportfähig zu machen. Dadurch erst gewann der Hering -als Volksnahrungsmittel die allergrößte Bedeutung. Zuerst waren es -die Holländer, die den Heringsfang in großartiger Weise betrieben; -später nahmen auch die Hanseaten und Norweger an ihm teil. Erst seit -200 Jahren begannen die Briten eine größere Anzahl Schiffe auf den -Heringsfang auszusenden und überflügelten darin bald alle anderen -Völker Europas. Da aber der Wanderzug der Fische sich nicht im voraus -feststellen läßt, so spielt der Zufall eine große Rolle dabei, ob man -Erfolg hat oder nicht. In der Gefangenschaft geht der erwachsene Hering -in wenigen Stunden, der junge in wenigen Tagen ein, so daß von einer -künstlichen Aufzucht bei ihnen niemals die Rede sein kann.</p> - -<p>Die nächste Verwandte des Herings ist die <em class="gesperrt">Sprotte</em> (<span class="antiqua">Clupea -sprottus</span>), die nur 15 <span class="antiqua">cm</span> lang wird. Sie lebt wie jener -in bedeutender Meerestiefe und erscheint alljährlich im Frühling in -unermeßlichen Scharen in der Nähe der Küste, um zu laichen. Zu ihrem -Fange wendet man entsprechend feinmaschige Netze an. An der britischen -Küste, wie auch an derjenigen der Ostsee wird diese Fischerei stark -betrieben. Geräuchert kommen sie von Eckernförde aus als „Kieler -Sprotten“, in Salz eingemacht dagegen aus Norwegen unter dem Namen -„Anchovis“ (franz. <span class="antiqua">anchois</span>) in den Handel.</p> - -<p>Etwas größer, nämlich 20–25 <span class="antiqua">cm</span> lang, ist die <em class="gesperrt">Sardine</em> -(<span class="antiqua">Clupea sardina</span>), die vom Süden Englands längs der ganzen -französischen und nordspanischen Küste bis Portugal bald in tieferem, -bald in<span class="pagenum"><a id="Seite_417"></a>[S. 417]</span> seichterem Wasser vorkommt, sehr gefräßig ist und vorzugsweise -von kleinen Garneelen lebt, die sie am Meeresboden aufnimmt, um damit -den Magen prall zu füllen. Sie laicht vorzugsweise in den Herbstmonaten -und wird dann in großen Mengen gefangen, doch wird sie zumeist -außerhalb der Laichzeit mit dem Grundnetz erbeutet. Viele derselben -werden eingesalzen, die große Mehrzahl aber, nachdem sie kürzer oder -länger in der Sülze gelegen, in Öl gekocht, mit diesem in kleinen -Blechbüchsen eingeschlossen und als Sardinen in den Handel gebracht.</p> - -<p>Etwas kleiner, nämlich nur 15 <span class="antiqua">cm</span> lang, d. h. so groß wie die -Sprotte, wird die <em class="gesperrt">Sardelle</em> oder der echte <em class="gesperrt">Anchovis</em> -(<span class="antiqua">Engraulis encrasicholus</span>). Dieser an der Oberseite -bräunlichblaue Fisch bewohnt besonders das Mittelländische Meer, ist -aber durch die Meerenge von Gibraltar längs der europäischen Küste bis -in den nördlichen Teil der Nordsee, ja sogar in die Ostsee gedrungen. -Für die nördlichen Teile des Verbreitungsgebietes hat der Fang dieses -geschätzten Fisches keine besondere Bedeutung, wohl aber in den -südlichen Gegenden. Schon in der Bretagne bringt die Sardellenfischerei -Millionen ein. Im Mittelländischen Meer zählt das Fischchen zu den -geschätztesten Speisefischen. Es lebt in tieferen Schichten und kommt -an die Küsten zum Laichen, wobei es in so dichten Scharen auftritt, daß -oft mit einem einzigen Zuge mit dem Netz viele Tausend aus dem Wasser -gehoben werden. Schon die Alten schätzten es hoch. In Aristophanes -„Rittern“ wird uns ein Wursthändler vorgeführt, der durch den billigen -Verkauf dieses Speisefisches, zu dem er gratis die Zukost an Zwiebeln -gab, besondere Popularität erlangte. Aber nicht nur die Armen, auch -die Reichen Griechenlands aßen den Fisch gern, besonders in siedendem -Olivenöl zubereitet. Der Grieche Oppianos schreibt in seinem um 200 n. -Chr. in Hexametern verfaßten Gedicht über den Fischfang: „Die Sardellen -(<span class="antiqua">engraulis</span>) sind furchtsame, schwache Fische, welche von anderen -hart verfolgt werden und sich daher, um sicherer zu sein, in so dichte -Scharen zusammendrängen, daß sie oft Schiffe in ihrem Laufe, Ruder in -ihrem Schlage hemmen. Die Massen sind so dicht, daß man sie nicht mit -dem Beile auseinander zu hauen vermag und daß man mit der Hand so viele -nehmen kann als man will. Die Fischer ziehen sie mit Netzen heraus -und man sieht oft große Haufen derselben, die den Strand bedecken.“ -Man schneidet ihnen nach dem Fange die Köpfe ab, nimmt die Eingeweide -heraus und salzt sie oder macht sie in Olivenöl ein. In ersterem Falle -kommen sie als „Sardellen“, in letzterem dagegen als „Anchovis“ in den -Handel.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_418"></a>[S. 418]</span></p> - -<p>Ebenfalls im Mittelmeer heimisch und von da der Küste entlang nach -Norden vorgedrungen sind die <em class="gesperrt">Rotbarben</em> (<span class="antiqua">Mullus</span>), von -denen vor allem der <em class="gesperrt">Rotbart</em> (<span class="antiqua">Mullus barbatus</span>), ein 30–40 -<span class="antiqua">cm</span> langer karminroter Fisch mit gelben Flossen, von den Alten -überaus geschätzt war. Nach Plinius, der von ihm bemerkt, daß er in -Fischbehältern nicht gedeiht, soll der Konsular Asinius Celer zur Zeit -des Kaisers Caligula einen solchen für 8000 Sesterzien (= 1200 Mark) -gekauft haben und fügt bei: „Sonst klagte man darüber, daß Köche teurer -seien als Pferde; jetzt kostet ein Koch soviel wie ein Triumph, ein -Fisch soviel wie ein Koch, und fast kein Mensch wird so hoch geschätzt -wie ein Koch, obgleich seine Hauptkunst darin besteht, seinen Herrn -durch Kochen um Hab und Gut zu bringen.“ Seneca erzählt in einer seiner -Episteln, Kaiser Tiberius habe einen 4<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Pfund schweren Rotbart auf -den Markt geschickt und dafür von Publius Octavius 5000 Sesterzien (= -750 Mark) erhalten. Martial sagt, ein reicher Römer habe einen Sklaven -für 1300 Sesterzien (= 195 Mark) verkauft und für diese Summe einen -4 Pfund schweren Rotbart eingehandelt. Juvenal berichtet, es habe -jemand einen 6 Pfund schweren Rotbart für 6000 Sesterzien (= 900 Mark) -gekauft, und Älius Lampridius erzählt, der verschwenderische Kaiser -Heliogabalus habe Schmausereien gegeben, bei denen ungeheure Massen -von Eingeweiden der Rotbärte aufgetragen wurden, auch habe er ganze -Schüsseln und Teller, die nur mit Bartfäden der Rotbärte gefüllt waren, -aufgetischt.</p> - -<p>In größeren Wassertiefen leben die <em class="gesperrt">Makrelen</em> (<span class="antiqua">Scomber</span>), -die ebenfalls bei den Alten als Speisefische sehr geschätzt waren. Ihr -köstliches Fleisch muß so rasch als möglich gegessen werden. Eine sehr -pikante Sauce, <span class="antiqua">garum</span> genannt, gewannen die Römer durch Faulenlassen -von deren Fleisch, nebst Blut und Eingeweiden. Riesenmakrelen sind -die <em class="gesperrt">Thunfische</em> (<span class="antiqua">Thynnus</span>), die für die Bewohner der -Mittelmeerküsten von besonderer Bedeutung sind. Sie erreichen 3–4 -<span class="antiqua">m</span> Länge und ein Gewicht von 300–400 <span class="antiqua">kg</span> und werden ihres -wohlschmeckenden Fleisches wegen eifrig verfolgt. Ihre wahre Heimat ist -das Mittelländische Meer, während sie im Atlantischen Ozean spärlicher -vorkommen und durch andere Arten ersetzt werden. Zwar behauptete man -im Altertum und glauben die Fischer heute noch, daß sie alljährlich -in Menge vom Weltmeere aus durch die Meerenge von Gibraltar nach -dem Mittelländischen Meere ziehen. So schreibt der vorhin genannte -Oppian: „Die Thunfische kommen vom Weltmeer ins Mittelländische, wenn -sie im Frühjahr Eier legen wollen. Sie gehen<span class="pagenum"><a id="Seite_419"></a>[S. 419]</span> erst an Spanien, dann -an Gallien und Sizilien hin. Zu dieser Zeit werden Wächter auf die -Felsen am Strande gestellt, welche den Zug und die Zahl der kommenden -Fische beobachten. Sehen sie die Scharen herannahen, so werden die -Netze gestellt, welche Kammern bilden, die mit Vorhallen und Eingängen -versehen sind. In diese dringen dann die Thunfische in Menge ein und -gewähren einen überreichen Fang.“ Nur muß diese Anschauung von der -Herkunft der Thunfische aus dem Atlantischen Ozean dahin abgeändert -werden, daß sie für gewöhnlich in größeren Tiefen des offenen -Mittelländischen Meeres leben und sich erst gegen die Laichzeit den -Küsten nähern. Statt wagrechte Wanderungen, wie man früher glaubte, -vollführen sie vorzugsweise senkrechte, um sich in den flacheren -Gewässern der Küste zu tummeln. Hier hält er allerdings — vermutlich -durch unterseeische Täler bewogen — bestimmte Straßen ein, in denen -er oft in Herden von Tausenden fortzieht, um sich im Frühling im -seichten Wasser der Küste fortzupflanzen. Seit dem frühesten Altertum -sind gewisse Fangplätze durch ihre Ergiebigkeit berühmt. Dort wird -der Fang der Thunfische durch dieselben gekammerten Netze, wie sie -vorhin aus dem Jahre 200 nach Chr. beschrieben wurden, bewerkstelligt. -Sobald die auf erhabenen Stellen beobachtenden Wächter die Ankunft der -Thunfische melden, stechen eine Menge bereit gehaltener Boote in die -See, bilden unter Befehl eines Anführers einen weiten Halbmond, werfen -ihre <span class="antiqua">tonnare</span> genannten Fangnetze, wahrhaftige Gebäude aus Stricken und -Maschen aus und schließen die Fische ein. Indem sie den Kreis mehr -und mehr verengern, zwingen sie die Thunfische, gegen das Land hin zu -schwimmen. Im seichten Wasser breitet man dann das letzte Netz aus -und zieht es mit allen innerhalb desselben befindlichen Thunfischen -ans Land, um sie alle abzustechen, so daß sich das Meer weithin mit -ihrem Blute rotfärbt. Die Ausbeute wird oft an Ausländer, die sich -als Käufer eingefunden haben, frisch verkauft und von diesen in -Tonnen eingesalzen. Von den Einheimischen wird der Thunfisch vielfach -auch gekocht, in Öl konserviert und so in den Handel gebracht. Jedem -Italienfahrer ist solcher <span class="antiqua">tonno in oleo</span>, der ganz gut schmeckt, -sehr wohl bekannt.</p> - -<p>Für die Nordsee sehr wichtig sind die am liebsten im Sande der Flachsee -halb in den Boden eingegraben auf Beute lauernden <em class="gesperrt">Flachfische</em> -oder <em class="gesperrt">Seitenschwimmer</em>, die verschiedenen Arten von -<em class="gesperrt">Schollen</em>, <em class="gesperrt">Flundern</em>, <em class="gesperrt">Seezungen</em>, <em class="gesperrt">Heil-</em> und -<em class="gesperrt">Steinbutte</em>. In der Fähigkeit, sich zu verstecken, werden sie in -hohem Maße durch die Begabung ge<span class="pagenum"><a id="Seite_420"></a>[S. 420]</span>fördert, die eine pigmentierte und -mit beiden Augen versehene Seite je nach der Farbe des Untergrundes -verschieden zu färben. Sie laichen im Frühling und Vorsommer zwischen -Tangen, an die sie die Eier mit Vorliebe festkleben. Ihr sehr -wohlschmeckendes Fleisch zeichnet sich durch seine große Haltbarkeit -aus und wird deshalb weithin verschickt. Außer englischen sind es -besonders holländische und dänische Fischer, die sich mit deren Fang -abgeben und sie besonders nach London verhandeln. Sie lassen sich wie -im Meerwasser, so auch im Süßwasser lange Zeit halten, haben überhaupt -eine außerordentliche Lebenszähigkeit.</p> - -<p>Besonders geschätzt war bei den alten Römern das Fleisch eines -Aalfisches, der <em class="gesperrt">Muräne</em> (<span class="antiqua">Muraena helena</span>), die sie in -eingedämmten Meeresarmen oder Salzwasserteichen hielten, um stets den -nötigen Bedarf für ihre Schwelgereien bei der Hand zu haben. Plinius -berichtet über sie in seiner Naturgeschichte: „Bloß für Muränen -bestimmte Fischteiche hat zuerst Gajus Hirrius angelegt; aus diesen -lieh er dem Diktator Cäsar zu den Triumphschmausereien 6000 Muränen -unter der Bedingung, daß er ebensoviel zurückerhalte; denn für Gold -und andere Kostbarkeiten waren sie ihm nicht feil. Kurz darauf wurde -sein Landgut verkauft, und der Preis desselben betrug wegen der darauf -befindlichen Fischteiche 4 Millionen Sesterzien (= 600000 Mark). Von da -an begann man mit einzelnen Individuen dieser Fischart Liebhaberei zu -treiben. Bei Bauli in der Nähe (des damals sehr beliebten Badeortes) -von Bajae hatte der Redner Hortensius einen Fischteich, worin sich eine -Muräne befand, die er so liebte, daß er sie nach ihrem Tode beweint -haben soll. Auf demselben Landsitze schmückte Antonia, die Tochter des -Drusus, eine geliebte Muräne mit Ohrringen, und manche Leute gingen nur -nach Bauli, um das berühmte Tier zu sehen.“ Später, um 220 n. Chr., -berichtet Älian: „Berühmt ist die Muräne des Crassus, welche Ohrringe -und mit Steinen besetzte Halsbänder trug, auf den Ruf des Crassus -herbeikam und ihm aus der Hand fraß. Sie wurde nach ihrem Tode von ihm -beweint und begraben.“</p> - -<p>Bekannt ist, daß diese gierigen Raubfische gelegentlich mit -Menschenfleisch gefüttert wurden. So erzählt Plinius: „Die Gefräßigkeit -der Muränen hat dem römischen Ritter Vedius Pollio, einem Freunde des -Kaisers Augustus, Gelegenheit zur Erfindung einer neuen Grausamkeit -gegeben; denn er ließ in die mit diesen Fischen besetzten Teiche -verurteilte Sklaven werfen, nicht weil er sie von Löwen, Tigern und -der<span class="pagenum"><a id="Seite_421"></a>[S. 421]</span>gleichen nicht hätte zerfleischen lassen können, sondern weil er -sein Vergnügen daran fand, zuzusehen, wie der ganze Mensch zu gleicher -Zeit von allen Seiten her durch Feinde zerfleischt wurde, das andere -Raubtiere nicht gewähren konnten.“ In zahlreichen Lesebüchern wird die -Geschichte erzählt, wie er in Gegenwart des bei ihm zu Gast weilenden -Kaisers Augustus einen Sklaven, der ein kostbares murrhinisches Gefäß -zerbrach, als Strafe dafür mit dem Ausdrucke: <span class="antiqua">ad muraenas</span> d. h. -zu den Muränen! lebend diesen Tieren vorwerfen ließ. Vorzüglich sollten -sie nach Plinius wütend werden, wenn man ihnen Essig zu schmecken gab.</p> - -<p>Wie für Muränen hatten die Römer auch für andere von ihnen wegen ihres -wohlschmeckenden Fleisches geliebte Meerfische besondere Teiche, die -oft mit großem Aufwand hergestellt wurden. So berichtet der vorgenannte -Plinius: „Zu derselben Zeit, da Sergius Orata die Austernparks erfand, -erfand Licinius Muraena die Fischteiche, und berühmte Männer, wie -Philippus und Hortensius, haben ihn darin nachgeahmt. Lucullus ließ -sogar bei Neapel einen Berg mit größeren Kosten, als er auf sein -Landgut verwendet hatte, abtragen und leitete das Meerwasser ins Land, -weshalb ihn Pompejus der Große den römischen Xerxes nannte. Nach seinem -Tode wurden die dort befindlichen Fische für 4 Millionen Sesterzien -(= 600000 Mark) verkauft.“ Daß es den in solchen Fischteichen -installierten Fischen vorzüglich erging und sie gelegentlich ein sehr -hohes Alter erreichten, können wir aus einer Notiz desselben Autors -entnehmen, worin es heißt: „Wie alt ein Fisch werden kann, das haben -wir erst neulich an einem merkwürdigen Beispiel gesehen. Pausilypum -ist ein nicht weit von Neapel gelegenes kampanisches Landhaus. Dort -wurde von Vedius Pollio ein Fisch in Cäsars Fischteiche gesetzt, der, -wie Annäus Seneca schreibt, erst 60 Jahre später starb, während zwei -ebenso alte derselben Art noch lebten.“ In solchen Teichen zu fischen -war ein besonderes Vergnügen der vornehmen Herrn. Dazu wurden oft -auserlesen kostbare Geräte gebraucht. So fischte Kaiser Nero nach den -Angaben seines Biographen Suetonius mit Netzen, deren Fäden purpur- und -scharlachfarbig und mit Gold verziert waren. Außer mit Netzen fischte -man im Altertum nach Oppian auch mit dem an einer Rute an einer Schnur -aus Pferdehaar befestigten Angelhaken, dem Dreizack und durch Anbringen -von Reusen. Durch letztere wurden besonders auch Aale gefangen. So -schreibt Aristoteles: „Um Aale zu fangen, setzt man ein irdenes Gefäß -mit Pökelfleisch hin und befestigt an dessen Mündung<span class="pagenum"><a id="Seite_422"></a>[S. 422]</span> eine Reuse. Mit -dem Geruch von gebratenem Fett kann man alle Fische leicht anlocken.“</p> - -<p>Von den <em class="gesperrt">Aalen</em> (<span class="antiqua">énchelys</span> der Griechen und <span class="antiqua">anguilla</span> -der Römer) blieb die Fortpflanzung bis in unsere Tage unbekannt. -Aristoteles ließ sie aus Regenwürmern entstehen, welche sich von selbst -aus Schlamm und feuchter Erde erzeugen und fügt zur Bekräftigung seiner -Aussage bei: „Man hat auch gesehen, wie sich Aale von Regenwürmern -loslösten, teils werden sie auch bei Zerreißung derselben sichtbar.“ -Spätere Autoren sahen Eingeweidewürmer der Aale für die junge Brut -an. Heute wissen wir, daß alle Süßwasseraale Weibchen sind, die in -allen Gewässern Europas vom 64.-65. Grade nördlicher Breite, auch -im Mittelländischen Meer, nicht aber in den Zuflüssen des Schwarzen -und Kaspischen Meeres, also auch nicht in der Donau, vorkommen. Sie -lieben vor allem tiefes Wasser mit schlammigem Grunde und liegen den -Winter über im Schlamme verborgen, bis sie wieder mit Beginn der -warmen Jahreszeit ihr bewegliches Räuberleben aufnehmen. Sie wachsen -sehr rasch, haben in 2–3 Jahren eine Länge von 50–60 <span class="antiqua">cm</span>, in -4–5 dagegen eine solche von 70–80 <span class="antiqua">cm</span> und ein Gewicht von 1,5 -<span class="antiqua">kg</span> und darüber erreicht. Ihre Geschlechtsreife erlangen sie -aber nur im Meere. Alle Weibchen, die in geschlossenen Gewässern -leben und deshalb nicht ins Meer gelangen können, wachsen bis zu 1,5 -<span class="antiqua">m</span> Länge bei einem Gewicht von 10 <span class="antiqua">kg</span> heran und sterben -schließlich, ohne sich fortgepflanzt zu haben. Die in offenen Gewässern -lebenden Weibchen dagegen wandern, sobald sie erwachsen sind, in -stürmischen Herbstnächten in Trupps von 20–40 Stück flußabwärts dem -Meere zu, wo die bedeutend kleineren, nur etwa 40 <span class="antiqua">cm</span> langen -männlichen Aale, die zeitlebens an den Meeresküsten verbleiben, ihrer -harren. Gemeinsam ziehen dann beide Geschlechter langsam der Tiefsee -zu, wobei ihre bis dahin unentwickelten Geschlechtsdrüsen auswachsen -und sie für das Dunkel der Meerestiefe geeignete große Augen von 1 -<span class="antiqua">cm</span> Durchmesser erhalten. Hier pflanzen sie sich fort und sterben -dann vermutlich ab, wenigstens kehren sie nicht mehr an die Küsten -zurück. Die junge Aalbrut steigt im Frühjahr aus der Meerestiefe -von 1000 <span class="antiqua">m</span> und mehr allmählich gegen die Küsten, wobei die -durchsichtigen, schmalen Larven, die man früher als Leptocephalen, -d. h. Schmalköpfe, beschrieb und für eine besondere Tierart hielt, weil -sie den eigentlichen Aalen vollkommen unähnlich sind, schließlich -Aalgestalt erhalten. Weil diese Aallarven um so kleiner sind, je -weiter nach Süden sie im Atlantischen Ozean gefischt werden — die -kleinsten fing man südlich von den Azoren —<span class="pagenum"><a id="Seite_423"></a>[S. 423]</span> glaubt Hjort annehmen -zu dürfen, daß die Laichplätze des Aales im südlichen, zentralen -Teil des Mittelländischen Ozeans sich finden und die Aallarven durch -Meeresströmungen und schließlich den Golfstrom an unsere Küsten -geführt werden. Im April und Mai wandern dann die jungen Weibchen -dicht aneinandergeschmiegt in langem Zuge, kein Hindernis achtend, ins -Süßwasser ein. Sie überkriechen Wehre und Stromschnellen, überwinden -sogar den Rheinfall bei Schaffhausen, was für diese Tierchen in -Anbetracht der Höhe des Falles eine erstaunliche Leistung ist, um -überall ins Quellgebiet der Flüsse zu gelangen. Im Verlaufe von 4–5 -Jahren wachsen sie dann aus und vollziehen dann ihren Abstieg ins Meer -und die Tiefsee.</p> - -<p>Überall wird auf dem Festlande die Aalfischerei eifrig betrieben, -da das Fleisch dieser Tiere äußerst wohlschmeckend ist und frisch, -geräuchert oder eingemacht einen nicht unwichtigen Handelsartikel -bildet. Von Holland aus wird speziell London mit dieser Ware versehen. -In Oberitalien sind in den Lagunen von Comacchio an der Pomündung -große Aalfischereien, die jährlich über 1 Million <span class="antiqua">kg</span> dieses -fetten Fischfleisches liefern. Zum Zwecke des Aalfanges sind dort ganze -Systeme von Schleusen, Kanälen und Rinnen angelegt. Diese letzteren, -die mit kleinen Querleisten versehen und innen mit Kies und Sand belegt -sind, dienen der Einwanderung der Aale, die dann, wenn sie erwachsen -zum Meere zurückwandern, abgefischt werden.</p> - -<p>Umgekehrt wie beim Aal, der seine Heimat in der Tiefsee hat und sich -wenigstens in den weiblichen Vertretern im Süßwasser großfrißt, verhält -es sich mit dem <em class="gesperrt">Lachs</em> oder <em class="gesperrt">Salm</em> (<span class="antiqua">Salmo salar</span>), der -von seiner einstigen Heimat, dem Süßwasser, sich an die Meeresküste -begibt, um hier zu erwachsen, wobei er bis 1,5 <span class="antiqua">m</span> lang und 45 -<span class="antiqua">kg</span> schwer wird. An dem im Meere reichgedeckten Tisch frißt er -sich rasch groß, um zur Fortpflanzung im Herbst in seinen Heimatfluß -zurückzuwandern und an sandigen Stellen der Quellzuflüsse zu laichen. -Wie die Eier des Aals für ihre Entwicklung die Ruhe der Tiefsee -verlangen, so ist umgekehrt bewegtes kaltes Wasser die Vorbedingung -für die normale Entwicklung der Lachsbrut. Ihm zuliebe legen deshalb -diese Wanderfische mit Aufwand einer Unsumme von Kraft den weiten Weg -vom Meer in das Quellgebiet der heimatlichen Ströme zurück, dabei -die größten Widerstände, wie Wehren und Wasserfälle, zu überwinden -suchend. Die paar Monate, die sie im Süßwasser verweilen, fressen sie -überhaupt nicht und benutzen das Fleisch besonders ihrer Seitenmuskeln -zur Bildung der Geschlechtsprodukte, die im Oktober und November<span class="pagenum"><a id="Seite_424"></a>[S. 424]</span> zur -Ablage reif sind. Zum Laichen sucht das stets von mehreren Männchen -begleitete Weibchen seichte Stellen mit reinem Sand- und Kiesgrund -auf. Oft sind diese Stellen an den Quellbächen so wasserarm, daß darin -nicht einmal die Rückenflossen der laichenden Tiere ganz vom Wasser -bespült werden. In verschiedene mit dem Schwanz aufgewühlte flache -Mulden legt das Weibchen die alsbald von den Männchen besamten und -dadurch befruchteten Eier, die dann leicht mit Kies oder Sand bedeckt -werden. Nach Beendigung des Laichgeschäftes wandern die Lachse, von der -bedeutenden Kraftabgabe stark abgemagert, mit weichem, weißem Fleisch -zum Meere zurück. In diesem geringwertigen Zustande bezeichnet man sie -im Rhein als Lachs, während sie dort im frischgemästeten Stadium vor -der Ausbildung der Geschlechtsprodukte mit festem, rötlichem Fleisch -als „Salm“ bezeichnet werden. Abwärts matt und willenlos sich mehr von -der Strömung treiben lassend als eigentlich schwimmend, erreichen sie -das Meer, um sich darin nach so langem Fasten durch reichliches Fressen -wieder festes, rötliches Fleisch anzumästen. Im Laufe des Sommers -haben sie sich wieder so weit gekräftigt und Reservematerial für die -spätere Ausbildung der Geschlechtsprodukte in ihren Seitenmuskeln -aufgespeichert, daß sie abermals zur Fortpflanzung in die Quellflüsse -aufzusteigen vermögen. Hier wächst die Brut rasch heran, um im -zweiten Jahre, wenn die jungen Lachse bis 0,5 <span class="antiqua">m</span> lang geworden -sind, ihren Eltern nach dem Meere zu folgen. Bevor sie sich in die -salzige Flut begeben, halten sie sich in großen Scharen wochenlang -an den Flußmündungen auf und gehen erst allmählich vom Brackwasser -ins Salzwasser des Meeres über. Dieser gewiß für das weichhäutige -Tier nicht gleichgültige Übergang vom Süß- ins Salzwasser wurde für -diesen einst in den kalten Flüssen des Nordens heimischen Fisch -durch die starke Aussüßung der den Flußmündungen zunächstliegenden -Meeresabschnitte durch die gewaltigen Schmelzwässer der Eiszeit -erleichtert und damit die Änderung seiner Lebensweise angebahnt und -überhaupt ermöglicht.</p> - -<p>Der Fang der Lachse geschieht in der verschiedensten Weise mit -mancherlei Garnen, in großen eisernen Reusen und Lachsfallen und durch -Speeren der durch Feuer herbeigezogenen Fische vom Boote aus. Früher -war dieser ausgezeichnete Speisefisch so häufig, daß er ein billiges -Volksnahrungsmittel bildete. Ja, er war so gemein auf den Tischen der -Bürgerhäuser, daß in den Städten am Rhein, z. B. in Basel, sich die -Mägde im Mittelalter ausbedangen, nicht mehr als<span class="pagenum"><a id="Seite_425"></a>[S. 425]</span> sechsmal in der -Woche Salm essen zu müssen. Heute wäre man froh, wenn er billiger zu -bekommen wäre. Daß dies in diesen Gebieten nicht mehr geschieht, dafür -sorgen die mit Dampf betriebenen Fischereien der Holländer an den -Rheinmündungen, die den größten Teil der Salme direkt beim Einwandern -in den Fluß im besten Ernährungsstadium abfangen. Was nützt es auch -unter diesen Umständen, künstlich ausgebrütete Junglachse in die -Oberläufe des Rheins auszusetzen, wenn andere die Früchte all dieser -Bemühungen einheimsen! Nichtsdestoweniger hat in vielen Flüssen diese -künstliche Versorgung mit Lachsbrut gute Erfolge erzielt, so daß der -Fang dieses Edelfisches neuerdings wieder ausgiebiger geworden ist, -zumal wenn freundnachbarliche Abkommen sein zu ausgiebiges Wegfangen -schon an den Flußmündungen verhindern. In Nordamerika ist der Lachs -durch nahe Verwandte, im Gebiete der in den Stillen Ozean mündenden -Flüsse durch die schöngefärbte <em class="gesperrt">Regenbogenforelle</em> vertreten, die -neuerdings auch bei uns mit Erfolg eingeführt wurde. Dort und in den -Flüssen Sibiriens spielen die Lachse volkswirtschaftlich eine große -Rolle und werden von einigen Orten der Weststaaten der Union in Menge -zur Herstellung einer geschätzten Fischkonserve verwendet.</p> - -<p>Im Donaugebiet vertritt die Stelle des Lachses ein naher Verwandter, -der <em class="gesperrt">Huchen</em> (<span class="antiqua">Salmo hucho</span>), der eine Länge von 1,5–2 -<span class="antiqua">m</span> bei einem Gewicht von 20–50 <span class="antiqua">kg</span> erreicht. Im Gegensatz -zu jenem geht er aber nicht ins Meer, um sich dort großzufüttern, -sondern bleibt im Hauptstrom, um von Ende März bis Mai zum Laichen -in die Quellflüsse und Bäche hinaufzusteigen. Wie der Lachs sucht er -seichte, kiesige Stellen auf, wühlt dort mit dem Schwanz seichte Gruben -auf und ist während des Eierlegens so mit sich selbst beschäftigt, daß -man mit einem Kahne über ihn hinwegfahren kann, ohne ihn zu verjagen. -Sein weißliches Fleisch steht an Wohlgeschmack demjenigen des Lachses -merklich nach. Der Fang geschieht mit großen Garnen oder mit der Angel, -auch sticht man ihn, wenn er ruhig in der Tiefe steht. Da er weniger -kaltes Gebirgswasser als der Lachs zu seinem Gedeihen bedarf und in -Teichen, die beständigen Zufluß haben, gut gedeiht, würde er sich im -Gegensatz zu jenem Wanderer für die Teichwirtschaft eignen, wäre er -nicht ein so gefräßiger Raubfisch und erläge er nicht so leicht einer -bei Fischen häufigen Hautkrankheit.</p> - -<p>Neben dem Lachs spielen auch die andern zeitlebens im Süßwasser -verbleibenden Verwandten, die verschiedenen <em class="gesperrt">Forellenarten</em>, -eine wichtige Rolle beim Ertrag der einheimischen Gewässer. Noch -mehr<span class="pagenum"><a id="Seite_426"></a>[S. 426]</span> als der Lachs werden sie, besonders die <em class="gesperrt">Bachforelle</em> -(<span class="antiqua">Salmo fario</span>), in den verschiedenen Fischzuchtanstalten zu -Jungbrut erzogen und dann in die verschiedenen Bäche, die man wieder -zu bevölkern sucht, ausgesetzt. Vielfach werden sie auch in besonderen -Teichen mit kühlem Quellwasser durch Füttern mit gehackter Leber und -Lunge zu verkaufsfähigen „Portionenfischen“ von 250 <span class="antiqua">g</span> Gewicht -auferzogen. Dabei ist man bestrebt, durch künstliche Zuchtwahl eine -möglichst raschwüchsige Rasse zu erhalten, die schon in zwei statt wie -bisher meist erst in drei Jahren die gewünschte Größe erreicht. Ließe -man sie länger leben, so würden sie schließlich ein Gewicht von 5–10 -<span class="antiqua">kg</span> und darüber erreichen. Solche Riesen sind aber in unsern -Gewässern äußerst selten, da sie bei ihrer enormen Freßgier viel früher -dem Menschen zur Beute fallen.</p> - -<p>Da die Bachforelle klares, sauerstoffreiches fließendes Wasser liebt, -findet sie sich in allen Gebirgswässern bis zum Alpengürtel hinauf. Sie -laicht von Mitte Oktober bis zu Anfang Dezember in seichtem Wasser auf -Kiesgrund oder hinter größeren Steinen, da, wo eine rasche Strömung -sich bemerkbar macht, in eine seichte, durch lebhafte Bewegungen mit -dem Schwanze erzeugte Vertiefung und bedeckt nachher die gleich nach -dem Legen vom Männchen befruchteten Eier durch weitere Bewegungen mit -dem Schwanze mit Sand und feinem Kies, um sie dann ihrem Schicksal zu -überlassen. Nach ungefähr sechs Wochen entschlüpfen die Jungen der -Eihülle, verweilen mehr oder weniger regungslos auf der Brutstätte, bis -sie ihren angehängten Dottersack aufgezehrt haben und ein Bedürfnis -nach Nahrungszufuhr verspüren, dem sie zunächst durch kleine und später -durch immer größere Wassertiere zu genügen suchen.</p> - -<p>Viel größer als die Bachforelle wird die <em class="gesperrt">Seeforelle</em> (<span class="antiqua">Salmo -lacustris</span>), von der gelegentlich gewaltige Riesen gefangen werden. -Während Forellen gelegentlich auch sehr groß werden — so hat man nach -einem Zeitungsbericht als die größten bisher in europäischen Gewässern -beobachteten in der Etsch bei Meran zwei Exemplare gefangen, von denen -das größere 99 <span class="antiqua">cm</span> lang war und 32 Pfund wog, das kleinere immer -noch 27 Pfund schwer war — ist dies bei der Seeforelle weit häufiger -der Fall. So hat Prof. Lunel in Genf solche aus dem Genfer See gesehen, -die 15 <span class="antiqua">kg</span> Gewicht und 110 <span class="antiqua">cm</span> Länge besaßen. Im Museum von -Genf wird das Skelett einer Seeforelle aufbewahrt, die 131 <span class="antiqua">cm</span> -lang ist und im Leben jedenfalls bedeutend über 15 <span class="antiqua">kg</span> gewogen -haben muß. Ein anderer Genfer Gelehrter, Jurina, schrieb<span class="pagenum"><a id="Seite_427"></a>[S. 427]</span> 1815, daß -seit Beginn des 18. Jahrhunderts keine Seeforellen von einem Gewicht -über 17,6 <span class="antiqua">kg</span> gefangen worden seien. Er gibt gleichzeitig -das Maximalgewicht dieser Tiere zu 19,8 <span class="antiqua">kg</span> an. Gregor von -Tours spricht von bis 1 Zentner schweren Forellen, und der Züricher -Naturforscher J. J. Wagner meldet in seiner <span class="antiqua">Historia naturalis -helvetica curiosa</span> von 1680, daß Anno 1663 eine 62 Pfund schwere -Forelle von Genf nach Amsterdam verschickt wurde. Vor wenigen Jahren -wurde eine 40pfündige Forelle von Fischern bei St. Gingolph im Genfer -See gefangen. Allerdings gehören heute Exemplare von annähernd 30 Pfund -auch im Genfer See zu den Seltenheiten. Auch die Seeforelle steigt -im Herbst zum Laichen aus den Seen in die betreffenden Quellflüsse -hinauf. Ihr Fang ist bedeutend und ihr Fleisch wird sehr geschätzt. Ihr -ähnlich ist die <em class="gesperrt">Lachsforelle</em> (<span class="antiqua">Salmo trutta</span>), die noch -etwas größer, nämlich statt 80 <span class="antiqua">cm</span> bis 1 <span class="antiqua">m</span> Länge und ein -Gewicht von 15 <span class="antiqua">kg</span> erreicht. Sie geht wie der Lachs ins Meer, um -dort heranzuwachsen und dann im Frühsommer in die Flüsse aufzusteigen, -um darin im November und Dezember zu laichen. Da sie nicht so weit -flußaufwärts geht wie der Lachs, wird sie im Oberlauf der Ströme nicht -mehr angetroffen.</p> - -<p>Ein Relikt der Eiszeit ist der <em class="gesperrt">Saibling</em> oder die -<em class="gesperrt">Rotforelle</em> (<span class="antiqua">Salmo salvelinus</span>) der Gebirgsseen, die in -der Regel nicht einmal während der Laichzeit in den einmündenden -Flüssen emporsteigt und wie die <em class="gesperrt">Renken</em> oder <em class="gesperrt">Blaufelchen</em> -(<span class="antiqua">Coregonus wartmanni</span>) mit nicht minder geschätztem Fleisch -sich in den tiefen Gründen der betreffenden Seen aufhält, um sich im -November zu seichteren Uferstellen zu erheben und ihren Laich dort -abzusetzen, wobei sie dann durch Fischen mit Netzen gefangen wird.</p> - -<p>In denselben Seen, die die Blaufelchen beherbergen, lebt die -<em class="gesperrt">Bodenrenke</em> (<span class="antiqua">Coregonus fera</span>), die größer als jene, nämlich -60 <span class="antiqua">cm</span> lang wird und ein Gewicht von über 3 <span class="antiqua">kg</span> erreicht. -Sie gehört zu den besten Süßwasserfischen und ist um so wichtiger, -als sie das ganze Jahr hindurch, selbst mitten im Winter, wenn die -Blaufelchen nicht zu haben sind, gefischt werden kann. Man fängt sie -im Winter mit Garnen, im Sommer aber an der Angel; doch stirbt sie, -sobald sie aus dem Wasser gezogen wird. Ein mit ihr fast identischer, -die Tiefen der großen Seen Norddeutschlands bewohnender Salmonide -ist die <em class="gesperrt">Maräne</em> (<span class="antiqua">Coregonus maraena</span>), die zum Laichen -Mitte November nach den seichten Stellen unweit der Ufer kommt und -hauptsächlich im Winter mit großen Netzen gefangen wird. Auch diese -Fische sterben<span class="pagenum"><a id="Seite_428"></a>[S. 428]</span> außerhalb des Wassers sofort ab, lassen sich aber -doch, in Eis verpackt, ziemlich weit versenden oder werden, wie die -Bodenrenke, eingesalzen und geräuchert in den Handel gebracht.</p> - -<p>Am tiefsten unter allen Renken, nämlich wenigstens in 70–90 -<span class="antiqua">m</span> Tiefe, lebt in unsern Seen der <em class="gesperrt">Kilch</em> (<span class="antiqua">Coregonus -hiemalis</span>), auch <em class="gesperrt">Kropffelchen</em> genannt, weil diesem kleinen, -höchstens 40 <span class="antiqua">cm</span> lang werdenden Fisch beim Heraufgezogenwerden -im Netz aus so großer Tiefe die von mehr als 7,5 auf 1 Atmosphäre -versetzte Schwimmblase so stark ausgedehnt wird, daß er trommelsüchtig -wird. Nur gegen Ende September kommt er in höhere Schichten, um hier zu -laichen.</p> - -<p>Eine für gewöhnlich im Meere lebende Renke, die im Mai aus der Nord- -und Ostsee in die Flüsse hinaufsteigt, um darin zu laichen, ist -der bis 60 <span class="antiqua">cm</span> lange und 1 <span class="antiqua">kg</span> schwere <em class="gesperrt">Schnäpel</em> -(<span class="antiqua">Coregonus oxyrhynchus</span>), im Rhein, wo er früher häufig war, aber -jetzt sehr selten geworden ist, <em class="gesperrt">Maifisch</em> genannt. Er steigt -aber lange nicht so weit in die Ströme hinauf als der Lachs und kehrt -gleich nach dem erst von September bis Dezember erfolgenden Laichen ins -Meer zurück. Dahin folgen ihm auch die Jungen, wenn sie 8 <span class="antiqua">cm</span> -Länge erreicht haben, und kehren nach erlangter Reife zur Fortpflanzung -wieder in diejenigen Flüsse hinauf, in denen sie ihre Jugend -verbrachten. Ihr zartes, schmackhaftes Fleisch wird sehr geschätzt und -frisch wie eingesalzen und geräuchert gegessen. Dieser Fisch bildet in -ganz Norddeutschland einen wichtigen Gegenstand des Fanges.</p> - -<p>In denselben Gewässern wie die Forelle, obschon sie ein weniger großes -Sauerstoffbedürfnis als diese hat, findet sich in allen Flüssen -des nördlichen Europa und Asiens die schön rot gefärbte, bis 60 -<span class="antiqua">cm</span> lange und 1,5 <span class="antiqua">kg</span> schwere <em class="gesperrt">Äsche</em> (<span class="antiqua">Thymallus -vulgaris</span>). Ähnlich der Forelle schwimmt sie ungemein rasch und -springt nach vorüberfliegenden Kerfen über den Wasserspiegel empor, so -daß sie gleich jener mit der künstlichen Fliege an der Angel gefangen -werden kann. Sie laicht im April und Mai, wobei die Tiere auf sandigem -Grunde wie ihre Verwandten mit der Schwanzflosse seichte Gruben -auswerfen, die nach der Ablage des Laichs wieder mit Sand zugedeckt -werden. Ihr Fleisch wird dem der Forelle an Güte gleichgeschätzt, ist -aber weniger haltbar als jenes, weshalb sie weniger auf den Markt -gebracht wird, auch bis jetzt nicht zur Zucht in Fischteichen benutzt -wurde, obschon sie sich so gut als die Forelle dazu eignen würde.</p> - -<p>Gleich dem Lachs und Schnäpel aus der Familie der Salmoniden treibt es -der zur überaus altertümlichen Familie der Schmelzschupper<span class="pagenum"><a id="Seite_429"></a>[S. 429]</span> gehörende -<em class="gesperrt">Stör</em> (<span class="antiqua">Accipenser sturio</span>), der 2–6 <span class="antiqua">m</span> lang wird und -im Atlantischen Ozean, in der Nord- und Ostsee und im Mittelländischen -Meer, wie auch an der Ostküste Nordamerikas, nicht aber im Schwarzen -Meer in mittleren Tiefen lebt, um sich von den verschiedensten -Kleintieren zu ernähren, die er vermittelst seiner spitzen Schnauze aus -dem Schlamme aufwühlt und mit den vorstreckbaren Lippen erfaßt. Erst -zur Laichzeit im Frühjahr kommt er in höhere Wasserschichten herauf -und zieht von da den Flußmündungen zu, in welche er eindringt und -weit aufwärts schwimmt, um im Quellgebiet zu laichen und dann alsbald -wieder dem Meere zuzustreben. Im Schwarzen und Kaspischen Meer und -deren Zuflüssen wird der Stör durch die beiden nahe verwandten Arten, -den <em class="gesperrt">Sterlet</em> (<span class="antiqua">Accipenser ruthenus</span>) und den <em class="gesperrt">Hausen</em> -(<span class="antiqua">Acc. huso</span>) ersetzt. Ersterer wird selten größer als 1 <span class="antiqua">m</span> -lang bei einem Gewicht von 12 <span class="antiqua">kg</span>, während letzterer — von den -Russen <span class="antiqua">belúga</span> genannt — bis 15 <span class="antiqua">m</span> lang und 1000–1600 <span class="antiqua">kg</span> -schwer wird. Weil ihr Fleisch, besonders das des Sterlet, sehr -wohlschmeckend ist, wird von jeher eifrig Jagd auf sie gemacht.</p> - -<p>Plinius sagt in seiner Naturgeschichte, die Störe seien bei den alten -Griechen und Römern überaus geschätzt gewesen, wurden aber zu seiner -Zeit wenig geachtet, obwohl sie selten seien. Nach dem Griechen -Athenaios, um 200 n. Chr., kostete ein Fisch dieser Art 1000 attische -Drachmen (= 7500 Mark), was ein unerhörter Preis ist. Man aß ihn -unter Flötenspiel, wobei nicht nur die Gäste, sondern auch die Diener -bekränzt waren. In Deutschland hat der Störfang nur noch geringe -Bedeutung. An der Elbe und Weser erbeutet man jährlich höchstens -einige tausend Störe, auch in der unteren Donau, die früher Ungarn -und Österreich mit Störfleisch und Kaviar versorgte, empfindet man -schwer die Folgen der bisherigen sinnlosen Fischerei, so daß eine -Schonzeit eingeräumt werden sollte, damit sich der Fisch wieder erholen -kann. Noch sehr ausgiebig ist der Störfang in Rußland, wo an allen -in das Schwarze und Kaspische Meer einmündenden Flüssen Fangplätze -liegen, die jährlich über 4 Millionen Rubel eintragen. Außer dem -wohlschmeckenden Fleisch gewinnt man aus den Eiern <em class="gesperrt">Kaviar</em> und -aus der Schwimmblase einen trefflichen Leim. Den besten Kaviar liefern -die kleineren Arten. Die Eierstöcke, aus welchen man Kaviar gewinnen -will, werden zuerst mit Ruten gepeitscht und dann durch Siebe gedrückt, -um die Eier von den sie umgebenden Häuten des Eierstocks zu lösen. -Dann werden sie gesalzen, wobei das Salz mit den Händen in die Masse -hineingeknetet wird. In Fässern ver<span class="pagenum"><a id="Seite_430"></a>[S. 430]</span>packt, kommt dann der Kaviar in -den Handel, um wegen seiner Güte überall willige Abnehmer zu finden. -Der Name Kaviar kommt übrigens von der italienischen Bezeichnung für -den ähnlich eingesalzen genossenen Rogen des Thunfischs <span class="antiqua">caviale</span> -und wurde auf den eingesalzenen Rogen der Störarten übertragen, der -russisch <span class="antiqua">ikrá</span> genannt wird.</p> - -<p>Unter den Edelfischen nehmen die verschiedenen Karpfenarten -eine wichtige Stellung im Haushalte des Menschen ein. Der -<em class="gesperrt">Teichkarpfen</em> (<span class="antiqua">Cyprinus carpio</span>), der bei uns dank den -Fastengeboten der katholischen Kirche ganz wesentlich durch die -Bemühungen der Klostergeistlichen geradezu zu einem Haustier erhoben -wurde und in allerlei Farben- und Schuppenvarietäten in besonderen -Teichen gezüchtet wird, war ursprünglich dem Kaspischen und Schwarzen -Meer und deren Zuflüssen eigentümlich. Er findet sich dort und weiter -gegen Mittelasien hinein noch in beträchtlicher Menge wild, während -er in den Gewässern Europas westlich und nördlich davon offenkundig -eingeführt ist und in ihnen teilweise verwilderte. In seiner Heimat -hält er ebensogut wie im Süßwasser auch in den salzreichsten -Sümpfen aus. Im Sommer trifft man ihn vorzugsweise in den seichten -Küstengewässern; im Herbst steigt er dann vom Meere aus die Flüsse -hinauf, um hier zu überwintern. Seine hauptsächlichste Nahrung besteht -vorwiegend aus allerlei kleinem Getier, besonders Würmern, daneben auch -aus vermodernden Pflanzenstoffen. Er laicht am liebsten in stehendem -oder ruhigfließendem Wasser mit schlammigem Grund und gedeiht nur -dann, wenn das von ihm bewohnte Wasser viel den Strahlen der Sonne -ausgesetzt ist und Zuflüsse weichen Wassers hat. Bei genügender Nahrung -wird er schon im dritten Lebensjahre fortpflanzungsfähig. Sobald er -sein Hochzeitskleid anlegt, wird er wanderlustig und versucht, soweit -es ihm möglich ist, flußaufwärts zu steigen und überwindet dabei -bedeutende Schwierigkeiten. Zum Laichen sucht er mit Wasserpflanzen -dicht bewachsene Stellen aus, und zwar legt das Weibchen im fünften -Jahre bereits gegen 300000 Eier; später kann sich diese Anzahl noch -verdoppeln. Er erreicht die Länge von 1 bis 1,5 <span class="antiqua">m</span> und ein -Gewicht von 15–20 <span class="antiqua">kg</span>.</p> - -<p>Die erste sichere Erwähnung des Karpfens finden wir bei Kassiodor, -dem Geheimschreiber des großen Ostgotenkönigs Theodorich (475 bis -526), der in einem scharfen Rundschreiben an die verschiedenen -Provinzialstatthalter ihnen vorwirft, sie sorgten durchaus nicht -angemessen dafür, daß des Königs Tisch auch königlich beschickt -werde. Die Stelle lautet wörtlich: „Der Privatmann mag essen, was ihm -die<span class="pagenum"><a id="Seite_431"></a>[S. 431]</span> Gelegenheit bietet; auf fürstliche Tafeln aber gehören seltene -Delikatessen, wie z. B. der in der Donau lebende Fisch <span class="antiqua">carpa</span>.“ -Vermutlich wird dieser Fisch auch in den im mittelalterlichen Latein -<span class="antiqua">vivaria</span> genannten Süßwasserteichen mit Fischen der Landgüter -Karls des Großen in erster Linie gehalten worden sein. Jedenfalls -ist in einem Glossar des 10. Jahrhunderts mehrfach von ihm als -<span class="antiqua">karpho</span> die Rede. Im 13. Jahrhundert spricht der Geistliche -Vincentius von Beauvais im <span class="antiqua">Speculum naturale</span> vom Fisch -<span class="antiqua">corpera</span>, womit nur der Karpfen gemeint sein kann, und der Mönch -Cäsarius von Heisterbach sagt in seinen <span class="antiqua">Dialogi miraculorum</span>, -„Bruder Simon habe den Teufel gesehen und dieser habe Helm und Panzer -getragen, beide mit Schuppen, wie die des Fisches <span class="antiqua">carpo</span>.“ Olaus -Magnus sagt um 1530 ausdrücklich, es gebe im Norden keine Karpfen außer -vom Menschen eingeführte und in künstlichen Teichen gehaltene. In -Schweden würden sie wie die Karauschen auch mit eingeweichten Erbsen -und dergleichen gefüttert.</p> - -<p>Überall bei Neugründungen von Klöstern sorgte man dafür, daß die Patres -für die Fastentage einen wohlgefüllten Karpfenteich zur Verfügung -hatten. So ist dieser Fisch durch menschliche Hilfe überall durch -Europa gewandert und in der Folge an vielen Orten verwildert. Besondere -Wichtigkeit hatte die Karpfenzucht schon im 15. Jahrhundert in Böhmen, -Polen und Holstein erlangt. Nach dem Zeugnis des Johannes Dubravius, -Bischofs von Olmütz, trieb man in Polen den Luxus so weit, daß man in -der Nähe der Karpfenteiche besondere Eishäuser besaß, um das Wasser -derselben bei zu großer Erhitzung kühlen zu können. Daß solches -geschah, beweist, daß neben den Karpfen wohl auch Forellen, die nur -in kaltem Wasser gedeihen, darin gehalten wurden. Wenn Bock in seiner -1782 in Dessau erschienenen Naturgeschichte Ost- und Westpreußens -berichtet, daß erst Kurt von Nostiz 1589 den Fisch nach Ostpreußen -gebracht habe, so kann es sich wohl nur um eine lokale Neueinführung -handeln; denn Voigt spricht schon um 1440 von Karpfenteichen in jenem -Lande. Eher will Ed. Hahn die Möglichkeit zugeben, daß der dänische -Staatsmann und große Ökonom Peter Oxe den Karpfen von Deutschland aus -in Dänemark einführte. Der Fisch geht auch jetzt kaum über Südschweden -hinaus, wird auch nur im Süden Norwegens angetroffen, wo er infolge -der ungünstigen Lebensbedingungen überhaupt kleiner bleibt. Jedenfalls -ist auch die vielfach zitierte Angabe falsch, daß der Karpfen erst -1514 durch Leonard Mascall von Plumstead nach England gekommen sei.<span class="pagenum"><a id="Seite_432"></a>[S. 432]</span> -Während allerdings der Dichter Chaucer in seinen um 1375 geschriebenen -<span class="antiqua">Canterbury tales</span> nur <span class="antiqua">breme and luce in stew</span>, also Brassen -und Hechte im Vorratsteiche kennt, so kommt der Karpfen schon 1504 -bei Bischof Washam unter Heinrich VII. vor. Nach Irland sollen -die Karpfen durch Jakob I., den despotischen, dabei schwachen -und eitlen Sohn Maria Stuarts und Darnleys (geboren 1566, nach der -erzwungenen Abdankung seiner Mutter 1567 zum König von Schottland -gekrönt, von 1603–1625 König von England) gekommen sein. In Schottland -gedeihen sie nicht recht und bleiben oft unfruchtbar, jedenfalls -infolge des zu kalten Wassers. Deshalb werden sie in jenem Lande -noch heute nur selten gehalten. Erst in der zweiten Hälfte des 15. -Jahrhunderts kam der Karpfen nach Frankreich und Spanien, wo er als -willkommene, leicht zu haltende Fastenspeise in dem klerikalen Lande -bald größere Bedeutung erlangte.</p> - -<p>Am Schwarzen und Kaspischen Meer findet sich der Karpfen, wie gesagt, -immer noch zahlreich; er ist aber dort, trotz den Bemühungen Peters -des Großen (geb. 1672, reg. 1676–1725), wild geblieben und wird vom -Menschen nicht gezüchtet. Auch nach dem Innern Rußlands hat er sich -nicht als Zuchtfisch verbreitet. Hingegen wird er in Ungarn und -Galizien vielfach gezogen. In den 1840er Jahren wurde er von Frankreich -her nach den Neu-Englandstaaten Nordamerikas gebracht, als der dort -ursprünglich vorhandene Fischreichtum durch die den Amerikanern leider -bisher eigentümliche Raubwirtschaft arg gelitten hatte und man sich -nach leicht zu haltenden Ersatzfischen umsah. Nach Kalifornien kam -er erst 1872 und wird dort mit Vorliebe verwendet, um die riesigen -Staubecken für die Bewässerungs- und Bergwerksanlagen mit Nutzfischen -zu bevölkern. Nach dem katholischen Südamerika kam er viel früher, hat -sich aber infolge der Indolenz der Bevölkerung nur an wenigen Orten -eingebürgert. Neuerdings ist er wieder mehrfach eingeführt worden, -so auch in Chile und Argentinien. Allerdings sollen die sogenannten -Karpfen der Musterfarm der argentinischen Republik nach Philippi in die -braune Urform zurückgeschlagene Goldfische, also Karauschen und nicht -echte Karpfen sein.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel55" > - -<p class="captop">Tafel 55.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel55.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Der Lachs (<span class="antiqua">Trutta salar</span>). Oben - das Weibchen, unten das Männchen.<br /> - (Nach Prof. B. Hofer, Die Süßwasserfische Mitteleuropas.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel55_gross.jpg" id="tafel55_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel56a" > - -<p class="captop">Tafel 56.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel56a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Der Hecht (<span class="antiqua">Esox lucius</span>).</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel56b" > - <img class="w100" src="images/tafel56b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Der Flußbarsch (<span class="antiqua">Perca fluviatilis</span>).<br /> - (Unretuschierte Naturaufnahmen von W. B. Johnson.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel57a" > - -<p class="captop">Tafel 57.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel57a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Der Aal (<span class="antiqua">Anguilla vulgaris</span>).<br /> - (Unretuschierte Naturaufnahme von W. B. und S. C. Johnson.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel57b" > - <img class="w100" src="images/tafel57b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Der Schmetterlingsfisch (<span class="antiqua">Pantodon - buchholzi</span>), ein beliebter Zierfisch unserer Aquarien.<br /> - (Aus den Blättern für Aquarien- und Terrarienkunde.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel58a" > - -<p class="captop">Tafel 58.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel58a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Der Stör (<span class="antiqua">Accipenser sturio</span>).</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel58b" > - <img class="w100" src="images/tafel58b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Der Spiegelkarpfen (<span class="antiqua">Cyprinus carpio</span>).</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel58c" > - <img class="w100" src="images/tafel58c.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Abfischen eines künstlich angelegten Karpfenteiches in - Böhmen.<br /> - <span class="s5">Im Herbst werden die seichten Gewässer abgelassen, so daß die - Karpfen gezwungen sind, sich an der tiefsten Stelle zu sammeln. Dort können sie - leicht gefangen werden. Die großen werden als Speisefische verkauft, die kleinen - in sogenannten Hälterteichen überwintert.</span></div> -</div> - -<p>Bei uns und in den Gewässern Nordamerikas, wie auch anderer -Kulturländer, in denen sich Europäer in größerer Zahl niederließen, -wird der Karpfen heute als einer der beliebtesten Speisefische -in großer Menge gezüchtet. Da man erkannt hat, daß er um so -wohlschmeckender ist, je rascher er wächst, so haben die Fischzüchter, -nach dem Vorgange des Schlesiers Dubisch, ein Verfahren gefunden, nach -welchem<span class="pagenum"><a id="Seite_433"></a>[S. 433]</span> die Karpfen in kürzester Zeit den höchsten Nutzungswert -erreichen. Dabei wird die Karpfenbrut schon eine Woche nach dem -Ausschlüpfen aus den Eiern mit feinen Gazenetzen aus dem sogenannten -Streichteich herausgefischt und in besondere Teiche gebracht, die -Streckteiche heißen. In ihnen gibt man etwa 25000 der winzigen -Fischchen auf einen Hektar Wasserfläche. Schon nach vier Wochen werden -die Fische aus diesem Wasser herausgenommen und in geringerer Zahl — -etwa 1000 Stück pro Hektar — in andere Teiche übertragen, in denen -sie bis zum folgenden Frühjahr bleiben, um dann wieder umgesetzt zu -werden, und zwar 500 Stück pro Hektar. Nachdem sie hier ein ganzes Jahr -verblieben sind, kommen sie in den letzten Teich, den Abwachsteich, in -welchem man nur 200 Stück auf den Hektar rechnet. Aus diesem Teiche -werden sie im Herbst als marktfähige Ware herausgefischt, und zwar -wiegen sie dann durchschnittlich 1 <span class="antiqua">kg</span> und darüber. Sie bringen -also einen ziemlichen Ertrag, da der Preis für sie etwa 2 Mark pro -<span class="antiqua">kg</span> beträgt. Durch die fortgesetzte Züchtung sind verschiedene -Spielarten des Fisches entstanden, so der Lederkarpfen, der gar keine -Schuppen mehr trägt, der Spiegelkarpfen, der an jeder Körperseite nur -eine Reihe sehr großer Schuppen besitzt, dann der durch einen rötlichen -Schimmer und lachsfarbenes Fleisch ausgezeichnete Goldkarpfen, der -Blaukarpfen u. a. In den Gewässern von Schwaben, Bayern und Böhmen wird -mit Vorliebe die als Karpfenkönigin bezeichnete Abart, im Donaugebiet -und den ungarischen Seen dagegen der Spitzkarpfen gezogen.</p> - -<p>In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Karpfen auch in -Australien angesiedelt. Schon längst ist er dagegen ist in Ostasien -heimisch, und zwar als uraltes einheimisches Zuchtprodukt der Chinesen, -von dem, wie von der Karausche, mehrere buntfarbige Kulturrassen -existieren. Die Fischzucht in Teichen ist in China uralt und wird schon -im Schi-king, d. h. dem Buch der Lieder, einer von Konfutse (550–478 -v. Chr.) veranstalteten Sammlung von Liedern, die teilweise in das 18. -Jahrhundert v. Chr. zurückreichen, erwähnt. Genauere Aufzeichnungen -über die Art der Fischzucht sind allerdings auch in den Annalen dieses -uralten Kulturvolkes erst späteren Datums. So wird uns als der älteste -Fischzüchter Tao-tsu-kung genannt. Dieser lebte im 5. Jahrhundert -v. Chr. und verfuhr dabei folgendermaßen. Er grub einen Teich, der -die Größe eines Morgens (gegen 30 Ar) besaß und neun kleine Eilande -umfaßte. Darein setzte er 20 Karpfenweibchen von 3 Fuß Länge und 4 -Karpfenmännchen gleicher Größe<span class="pagenum"><a id="Seite_434"></a>[S. 434]</span> aus, und zwar im März. Ein Jahr darauf -waren schon 5000 Fische von einem, 10000 von zwei und 15000 von drei -Fuß Länge im Teiche. Im dritten Jahre hatte sich ihre Zahl bereits -verzehn- und verzwanzigfacht. Die neun Inselchen, die der Fischzüchter -Tao-tsu-kung im Teiche gebaut hatte, sollten den Fischen vortäuschen, -sie befänden sich in einem großen Meere und schwämmen an Festländern -vorbei. Noch heute werden Karpfen und andere Süßwasserfische in Menge -in China gezüchtet. Man füttert die Brut mit Eidotter, feingestoßener -Kleie und pulverisierten Bohnen. Wenn die Fische eine bestimmte Größe -erreicht haben, werden sie in flache Teiche gesetzt, deren Ufer von -ganz bestimmten Bäumen und Sträuchern bepflanzt werden. So glaubt man -beispielsweise, daß der am Morgen nach kühler Nacht von den Blättern -der Platane in den Teich tropfende Tau von heilsamer Wirkung für -das Fischvolk sei. Mancher Europäer, der im Innern und besonders im -Süden Chinas einen idyllisch gelegenen und von prächtigen Bäumen und -Sträuchern eingefaßten Fischteich bewundert, spendet dem Schönheitssinn -der naturfrohen Chinesen unwillkürlich Lob, ohne zu wissen, daß die -reizvolle Umgebung des Teiches nur abergläubischen Gründen ihre -Entstehung verdankt.</p> - -<p>Ebenso alt oder vielleicht noch älter als der Teichkarpfen ist in -China die <em class="gesperrt">Teichkarausche</em>, die man als hochgezüchteten Zierfisch -auch bei uns unter dem Namen <em class="gesperrt">Gold-</em> oder <em class="gesperrt">Silberfisch</em> -(<span class="antiqua">Carassius auratus</span>) eingeführt hat. Für die Deutschen gab -zuerst Kämpfer in seiner 1777 herausgegebenen Beschreibung Japans -eine Schilderung dieses von den Japanern King-jo genannten, meist -roten, am Schwanze aber leuchtend goldgelben Zierfisches, der in Japan -und China viel in Teichen gehalten und gewissermaßen als Haustier -betrachtet wird. Er ist aber nicht in Japan, sondern in dem viel -früher zu hoher Kulturblüte emporgestiegenen China zum Kulturfisch -erhoben und nicht nur in bunten Farben, sondern auch in den bizarrsten -Formen mit gedrängtem Körper, dickem Kopf, weit hervorquellenden -großen Glotzaugen und stark verlängerten und verbreiterten Flossen -gezüchtet worden. Meist wird die Provinz Tsche-Kiang am östlichsten -Zipfel Chinas, südlich vom Jang-tse-kiang und der Stadt Schang-hai, -als Ursprungsgebiet der chinesischen Karauschenzucht angesehen, -seitdem der Holländer Nieuhof in seiner 1665 in Amsterdam publizierten -beschryving von Sina bei Gelegenheit der Gesandtschaft an den Kaiser -von China, an der er teilnahm, solche Behauptung aufgestellt hat. -Doch ist dies keineswegs sicher. Wir wissen nur, daß sie am frühesten -im eigentlichen Herzen<span class="pagenum"><a id="Seite_435"></a>[S. 435]</span> Chinas gezüchtet wurden; und zwar finden wir -sie nach chinesischen Quellen zuerst im Jahre 540 n. Chr. erwähnt. -Ums Jahr 960 war ihre Zucht im ganzen Reiche der Mitte verbreitet -und gelangte dank den regen Kulturbeziehungen frühe auch nach dem -Sonnenaufgangslande Nippon, d. h. Japan, wo sie bald ebenso populär als -in ihrer ursprünglichen Heimat wurde. Die schätzenswerte Eigenschaft -der Karauschen, in sehr kleinen Wasserbecken gut zu gedeihen und -darin sogar zur Fortpflanzung zu schreiten, begünstigte ganz -wesentlich ihre rasche Ausbreitung und ihre Haltung in den von den -Japanern so geliebten Miniaturgärtchen in vielfach geradezu winzigen -Wasserbehältern.</p> - -<p>Nach Brehm gelangte der Goldfisch aus China wahrscheinlich zuerst -nach Portugal und verbreitete sich, nachdem er hier eingebürgert war, -allmählich weiter über Europa. Das Jahr der Einführung desselben wird -von den Schriftstellern verschieden angegeben. Einzelne nennen 1611, -andere 1691, wieder andere 1728. Diese Zahlen wären sehr wohl möglich, -da sich die Portugiesen schon um 1522 um Makao festsetzten und in regen -Tauschverkehr mit den Chinesen traten. Da lag es ja sehr nahe, diesen -leicht in kleinen Behältern in wenig durchlüftetem Wasser zu haltenden -Zierfisch auf ihren Schiffen weithin zu befördern. Eduard Hahn aber ist -in seinem Haustierbuche anderer Meinung. Er hält die von Markus Bloch -in seiner 1782 erschienenen Naturgeschichte der Fische Deutschlands -angegebene Jahreszahl 1611 als Termin der Einführung nach Europa für -einen Druckfehler, statt des richtigeren 1691. Die Zahl 1611 sei auch -viel zu früh für die Ankunft des Goldfisches in Europa; denn bei der -langsamen und mühseligen Schiffahrt, wie sie damals bestand, sei wohl -an einen Transport von China bis Europa ohne Zwischenstation nicht zu -denken. Als eine solche Zwischenstation ergebe sich naturgemäß Batavia, -dessen reiche chinesische Kaufleute es ebenso wie die Holländer, die -sich 1594 nach Verdrängung der seit 1579 dort ansässig gewordenen -Portugiesen auf Java festsetzten, allerdings erst 1677 bedeutende -Gebiete des Landes eroberten und schließlich die ganze Insel unter -ihre Botmäßigkeit brachten, liebten, sich mit dem Glanze und Luxus -ihrer einheimischen Kultur zu umgeben. In seinem 1726 in Dordrecht -erschienenen Buche über Niederländisch Indien erwähnt Valentijn den -Fisch als in Batavia gezogen. Die nächsten Stationen von dort her -auf dem Wege nach Europa seien wohl Mauritius und dann St. Helena -gewesen. Von hier seien dann nach Pennant die ersten Goldfische 1691 -nach England gekommen; doch scheinen sie sich hier nicht fortgepflanzt -zu haben.<span class="pagenum"><a id="Seite_436"></a>[S. 436]</span> Nachher kamen sie von dorther öfter nach England, so nach -Petiverius mehrfach zwischen 1711 und 1718. Die ersten Goldfische, die -zur Fortpflanzung zu bringen waren, gelangten 1728 nach London, wohin -sie eines der Schiffe des damaligen Lordmajors, Sir Decker, brachte. -Auch von diesen Fischen wird ausdrücklich bezeugt, sie seien von St. -Helena gekommen. Diese Goldfische scheinen dann den ersten Grundstock -des englischen und später auch des allgemein europäischen Bestandes -abgegeben zu haben.</p> - -<p>Die Goldfische, die in der Folge durch Decker in England verteilt -wurden, dann durch seine Vermittlung auch nach seiner Heimat Holland, -z. B. in den berühmten Cliffordschen Garten in der Universitätsstadt -Leiden, an dem einst Karl von Linné seine ersten botanischen Studien -gemacht hatte, gelangten, schritten an ihrem neuen Wohnorte ganz -ausnahmsweise zur Fortpflanzung. Nur diejenigen, die ein naturkundiger -Arzt in Harlem bekommen hatte, pflanzten sich anfangs spärlich, dann -aber reichlicher fort. Von ihm erhielt Baster in Harlem 1758 junge -Goldfische, die er mit großer Sorgfalt großzog. Als er 1775 starb, -verkaufte die Witwe den Bestand um einen hohen Preis; denn diese Tiere -waren damals noch sehr selten und kaum bei Privatleuten zu finden. -Deshalb glaubte auch die französisch-ostindische Handelsgesellschaft -ein wertvolles Geschenk zu machen, als sie der allmächtigen Maitresse -Ludwigs XV. von Frankreich, der Marquise de Pompadour, um -1760 einige Goldfische überreichen ließ. Diese Fische scheinen aus -dem botanischen Garten gekommen zu sein, den die Compagnie in ihrem -Hafenplatz Lorient im Departement Morbihan in der Bretagne besaß. -Allmählich verbreiteten sich ihre Nachkommen über Frankreich und die -angrenzenden Länder des europäischen Kontinents.</p> - -<p>Nach der wissenschaftlichen Beschreibung, die Linné von ihnen gab, -scheinen die ersten Goldfische, die nach Leiden gelangten, sogenannte -Straußschwänze gewesen zu sein. Auch die Fische Basters gehörten zu -dieser Rasse, die in der Folge bald in ganz Holland Mode wurde. Um 1750 -sagt der Engländer Edwards in seiner Geschichte der Vögel, daß alle aus -St. Helena nach Europa fahrenden Schiffe Goldfische mit sich führen. -1749 bezog die schwedisch-ostindische Compagnie eine Sendung lebender -Goldfische aus Kanton. Damals waren sie nicht nur in Schweden, sondern -selbst in England noch eine solche Neuigkeit, daß Naturforscher, -wie Gilbert White, der Verfasser einer sehr guten Naturgeschichte, -stundenlang vor sie hinsitzen konnten, um sie zu beobachten. Noch -John Bell of Antermony hatte sie, als er 1763<span class="pagenum"><a id="Seite_437"></a>[S. 437]</span> seinen Reisebericht in -Glasgow publizierte, nur in China gesehen, wo er 1720 gewesen war. -1808 sah sie der französische Naturforscher Bory de St. Vincent bei -Gelegenheit der Besetzung Spaniens durch die Franzosen in einem Teiche -des Schlosses Alcazar bei Sevilla. Sonst sind keine Nachrichten über -diesen Zierfisch aus früherer Zeit aus jenem Lande auf uns gekommen.</p> - -<p>Gegenwärtig hat sich der Goldfisch über die ganze Erde verbreitet, -soweit sie von gebildeten Menschen bewohnt wird. Überall ist er in -den warmen Teilen der gemäßigten Zone wirklich heimisch geworden und -an vielen Orten verwildert, besonders auf Inseln, auf denen ihm nur -eine schwache Konkurrenz an Süßwasserfischen gegenüberstand. So bildet -er heute den wichtigsten Süßwasserfisch auf den Azoren und belebt in -großer Zahl die Gewässer von Madeira, Réunion und Mauritius; dann ist -er auch in Algerien, Portugal, auf Java, den Philippinen und Hawaii -verwildert. Hier ist er überall mehr oder weniger goldig gefärbt -geblieben; nur in Chile, wo er ebenfalls verwilderte, ist er in die -braune Urform zurückgeschlagen.</p> - -<p>In ihrer Heimat China ist der Goldfisch durchaus nicht bloß Zierfisch, -sondern vor allem auch Nutzfisch, der eine respektable Größe erreicht -und sehr wohlschmeckendes Fleisch aufweist. So berichtet der Franzose -Courcy in seinem 1867 in Paris erschienenen Buche: „Das Reich der -Mitte“ von bis 10 Pfund schweren Goldfischen. Bei uns werden sie in -größeren Teichen nur 25–30, höchstens 40 <span class="antiqua">cm</span> lang, während sie -in kleinen Behältern ganz winzig bleiben. Sie werden in letzteren -mit Semmelkrumen oder Oblatenstücken und zerriebenen Ameisenpuppen -gefüttert, doch darf die Menge derselben nur ganz gering sein, -da ein Übermaß von Futter einen selbst diesen genügsamen Fischen -unerträglichen Schleim erzeugt. Bei sorgfältiger Pflege gewöhnen sie -sich bald an den Menschen und sind schließlich so weit zu bringen wie -in ihrer Heimat China, wo sie gelegentlich das vorgehaltene Futter aus -der Hand nehmen.</p> - -<p>Der Stammvater des Goldfisches ist die <em class="gesperrt">chinesische Karausche</em>, -ein dem nahe verwandten Karpfen ähnelnder Fisch von dunkelbrauner -Farbe. Diese ihre Abstammung bekunden sämtliche Varietäten des -Goldfisches, indem sie stets als Reminiscenz an die Färbung der Ahnen -in der Jugend dunkelbraun gefärbt sind und erst später die durch Zucht -erzielte definitive Färbung erlangen, die bald goldgelb und metallisch -glänzend, bald schön rot, bald schwarz und gelb oder schwarz und rot, -auch rot und silberweiß gescheckt, manchmal auch ganz silber<span class="pagenum"><a id="Seite_438"></a>[S. 438]</span>weiß -oder schwarz ist. Die Goldfarbe entspricht einer der Stufen zwischen -dem Leucismus und Melanismus und kommt durch Zuchtauslese außer beim -Goldfisch auch bei andern Fischen vor, so bei Schleie und Orfe, die -dann als Goldschleie und Goldorfe unterschieden werden. Letztere sind -nun allerdings als erst kürzlich in Zucht genommene Varietäten lange -nicht so schön gefärbt wie der Goldfisch; doch wird letzterer einst, -als die Chinesen begannen ihn in Zucht zu nehmen, auch nicht schöner -gefärbt gewesen sein.</p> - -<p>Auch der bedeutendste Fischkenner unserer Zeit, <span class="antiqua">Dr.</span> Günther -in London, ist der Ansicht, daß der Goldfisch eine durch Zucht -fixierte Farbenvarietät der chinesischen Karausche ist, die von -unserer <em class="gesperrt">europäischen Karausche</em> (<span class="antiqua">Carassius carassius</span>) -kaum verschieden ist. Solche goldfarbige Varietäten kommen auch bei -unserer Karausche vor, die von Europa über ganz Mittel- und Nordasien -verbreitet ist. Der deutsch-russische Reisende Pallas erwähnt eine -solche goldfarbige Varietät aus der Steppe am Ural. Wahrscheinlich -würde also auch aus unserer Karausche, deren Farbe oft wechselt und -häufig sehr bunt ist, sich mit der Zeit eine ganze Reihe hübscher -Abarten ziehen lassen, wenn man sich darauf verlegen wollte. Bei -uns begnügt man sich eben mit ihrer Zucht als Speisefisch, da sie -außerordentlich genügsam ist und auch noch in moderigem Wasser gedeiht, -wo die Karpfenzucht ganz unmöglich ist, weil das Fleisch des Karpfens -dadurch fast ungenießbar wird. Solches Wasser schadet dem Geschmack des -Fleisches der Karausche durchaus nicht.</p> - -<p>Die Karausche liebt schon im Wildzustand stehendes Wasser, namentlich -Seen mit versumpften Ufern und Altwässer, wie man die vom aktiven Strom -abgetrennten Flußarme nennt. Sie kommt aber auch in Teichen, Sümpfen -und Mooren vor, ist überhaupt befähigt, in dem verschiedenartigsten und -unreinsten Wasser auszuhalten und bei der schmutzigsten, schlammigsten -Nahrung zu gedeihen. Sie nährt sich wie der Karpfen hauptsächlich von -Würmern, Larven, faulenden Pflanzenstoffen und Schlamm, hält sich -dementsprechend fast stets am Grunde auf, verweilt hier auch während -der kalten Jahreszeit in Erstarrung, kann sogar in Eis einfrieren -und wieder aufleben. Sie hat überhaupt ein sehr zähes Leben, kann -stundenlang außer Wasser leben und läßt sich, in Schnee oder feuchtes -Laub verpackt, in jeder Jahreszeit weithin versenden. Nur während der -Laichzeit, die in Südeuropa in den Juni, in Nordeuropa dagegen in -den Juli fällt, erscheint sie öfter an der Oberfläche des Wassers, -insbesondere an seichten, mit<span class="pagenum"><a id="Seite_439"></a>[S. 439]</span> Pflanzen bewachsenen Stellen, tummelt -sich hier in Scharen umher und spielt, mit den Lippen schmatzend, an -der Oberfläche, bis das Eierlegen beginnt. Obschon das Weibchen nur -gegen 100000 Eier legt, vermehrt sich die Karausche stark und wird mit -Erfolg nicht nur in moderigen Teichen, sondern auch in Forellenteichen -gezüchtet, in denen sie als Futter für diese Raubfische dient. -Sehr geschätzt ist die Karausche besonders in Rußland, wo sie alle -Steppengewässer in großer Menge bevölkert und von den Umwohnern als -willkommene Speise genossen wird. Sie läßt sich mit dem Karpfen kreuzen -und liefert dann die <em class="gesperrt">Karpfkarausche</em> (<span class="antiqua">Cyprinus kollari</span>), -die aber keine besonderen Vorzüge vor den Stammeltern hat und deshalb -nur selten gezogen wird.</p> - -<p>Wie der Karpfen ist auch die ihm verwandte kleinschuppige -<em class="gesperrt">Schleie</em> (<span class="antiqua">Tinca tinca</span>), die eine Länge von 70 <span class="antiqua">cm</span> -und ein Gewicht von 3–4, in seltenen Fällen wohl auch 5–6 <span class="antiqua">kg</span> -erreicht, ihres zarten, wohlschmeckenden Fleisches wegen als -Speisefisch sehr geschätzt. Sie gehört unter den europäischen -Karpfenarten zu den verbreitetsten und bewohnt den größten Teil -Europas, überall zu den gemeinsten Teichfischen gehörend. Auch sie -ist mehr ein Fisch der Ebenen, obschon sie bis zu 1000 <span class="antiqua">m</span> Höhe -emporsteigt. Sie liebt Flüsse weniger als stehende Gewässer und unter -diesen Seen, Teiche und Sümpfe mit schlammigem oder lehmigem Grund mit -spärlichem Röhricht. In den Flüssen zieht sie sich stets nach solchen -Stellen zurück, in denen das Wasser langsam fließt und ziemlich viel -Schlamm abgesetzt hat; denn aus ihm bezieht sie ihre Nahrung. Ganz -besonders soll sie in abgebauten und mit Wasser angefüllten Lehmgruben -gedeihen. Träge hält sie sich fast beständig nahe dem Boden auf und -steigt bloß bei sehr gutem Wetter und während der Fortpflanzungszeit -an die Oberfläche herauf. Wie der Schlammbeißer findet sie sich -noch in Gewässern wohl, in denen andere Fische und selbst Karpfen -absterben, weil ihr Sauerstoffbedarf außerordentlich gering ist. Sie -liebt wie alle andern Karpfenarten warmes Wasser und frißt wie diese -allerlei Gewürm und vermodernde Pflanzenstoffe mit der darin lebenden -Kleintierwelt. Ihre Laichzeit fällt von Mai bis Juli, wobei ein etwa -2 <span class="antiqua">kg</span> schweres Weibchen 300000 Eier legt. Die Vermehrung ist -also eine sehr starke. Die Jungen wachsen ziemlich schnell heran, -doch vergehen immerhin meist 4 Jahre, bevor sie fortpflanzungsfähig -werden. Ihr Fleisch erzielt kaum einen höheren Preis als dasjenige der -Karausche, übertrifft aber das der letzteren unzweifelhaft an Güte. -Weil nun die Schleie, die sich während des Winters nach Art anderer -Familienverwandten in<span class="pagenum"><a id="Seite_440"></a>[S. 440]</span> den Schlamm einwühlt, um die kalte Jahreszeit in -einem halb bewußtlosen Zustande zu verbringen zu den anspruchslosesten -Fischen des Erdballs zählt, eignet sie sich — abgesehen vom Aal — -wie kein anderer Fisch zur Besetzung sumpfiger, sonst höchstens der -geringwertigen Karausche preisgegebener Gewässer. Schon aus diesem -Grunde verdient ihre Zucht die wärmste Empfehlung. Von ihr züchtet man -in einzelnen Gegenden, besonders in Böhmen und Oberschlesien, eine -prachtvolle Spielart, die unbedingt zu den schönsten aller europäischen -Fische gezählt werden muß. Es ist dies die vorhin erwähnte Goldschleie.</p> - -<p>Außer der Schleie eignet sich unter den Karpfenarten vor allem auch -die <em class="gesperrt">Barbe</em> (<span class="antiqua">Barbus vulgaris</span>), die das Gebiet aller -deutschen Ströme bevölkert, insofern zur Teichwirtschaft, als sie den -Hecht im Karpfenteich ersetzt, d. h. die trägen Karpfen aufrüttelt -und durch den dadurch bei ihnen angeregten Stoffwechsel günstig auf -deren Entwicklung wirkt. Sie erreicht eine Länge von 60–70 <span class="antiqua">cm</span> -und ein Gewicht von 4–5 <span class="antiqua">kg</span>, ist gestreckt gebaut und durch die -vier als Tastorgane dienenden Bartfäden an der oberen Kinnlade des -unterständigen Maules ausgezeichnet. Sie meidet stehendes Wasser, sucht -dagegen strömendes Wasser mit sandigem oder kiesigem Untergrund auf. -Während des Sommers hält sie sich gern zwischen Wasserpflanzen auf, -am Tage mehr ruhend, nachts dagegen Futter suchend, das aus Würmern, -kleinen Fischen, Schlamm und winzigen Tieren aller Art besteht. Sobald -die Wasserpflanzen im Herbste absterben, an denen sie ihr Futter -sucht, begibt sie sich an tiefere Stellen im Flusse und sucht sich -hier Zufluchtsorte unter und an Steinen, in Höhlungen und dergleichen, -wühlt sich auch wohl am Uferrande ein. Hier hält sie, oft haufenweise -angesammelt, eine Art Winterschlaf. Zur Zeit der Fortpflanzung, die in -die Monate Mai und Juni fällt, bilden die Barben Züge von hundert und -mehr Stück, die in langer Reihe hintereinander herschwimmen, so daß -die alten Weibchen den Zug eröffnen, die alten Männchen ihnen folgen, -minder alte sich ihnen anreihen und die Jungen den Schluß bilden.</p> - -<p>Durch ihre Massenversammlungen zur Laichzeit gibt auch die <em class="gesperrt">Nase</em> -(<span class="antiqua">Chondrostoma nasus</span>) Veranlassung zu reichem Fang. Sie -bevölkert im Donau- und Rheingebiet fast alle Seen, lebt meist -gesellig und hält sich fast stets am Grunde auf, sich von Pflanzen, -namentlich Wasseralgen aller Art, ernährend, die sie mit den harten -Kieferrändern leicht von der Unterlage abzulösen vermag. Um sich -fortzupflanzen, zieht sie<span class="pagenum"><a id="Seite_441"></a>[S. 441]</span> im April und Mai in Scharen vom Hauptstrom -in die Nebenflüsse und von diesen in die Bäche. Hier legt sie die Eier -an kiesigen Stellen ab, über die das Wasser rasch hinwegströmt. Ihr -Fleisch ist seines Grätenreichtums wegen nicht sonderlich geschätzt.</p> - -<p>Einer unserer häufigsten Flußfische ist der <em class="gesperrt">Barsch</em> (<span class="antiqua">Perca -fluviatilis</span>), dessen gedrungener, seitlich zusammengedrückter, -gelber bis grünlicher Leib mit 5–9 vom Rücken gegen den Bauch -verlaufenden dunkeln Querbinden versehen ist. Seine Länge übersteigt -bei uns selten 25 <span class="antiqua">cm</span>, das Gewicht 1 <span class="antiqua">kg</span>; doch kommen in -manchen Seen Stücke von 1,5 bis 2 <span class="antiqua">kg</span> Gewicht vor. Er ist überall -im Norden der Alten Welt verbreitet und gedeiht am besten in Seen mit -klarem Wasser; doch fehlt er auch Flüssen und tiefen Bächen nicht, geht -auch ins Brackwasser und selbst in schwach salzige Meeresteile, wie -beispielsweise die Ostsee. In den Flüssen zieht er die Uferseiten und -die Stellen mit geringerem Strome der Mitte und dem lebhaften Strome -vor, ist auch fähig, in den Seen in größere Tiefen, von etwa 80–100 -<span class="antiqua">m</span>, hinabzusteigen und dort zu leben, so daß ihm, mit dem Netz -von dort heraufgezogen, infolge des verminderten Luftdrucks durch -Ausdehnung der Schwimmblase der umgestülpte Magen blasenförmig zum -Munde hervorquillt. Mit Vorliebe jagt er zu kleinen Trupps vereinigt, -lauert auch gern in Höhlungen des Ufers auf seine Beute. Seine Freßgier -ist so groß, daß er nach jedem Köder schnappt und, auch gefangen, -bald das Futter aus der Hand seines Pflegers nimmt. Er läßt sich sehr -leicht fangen, dauert auch außerhalb des Wassers längere Zeit aus, läßt -sich daher weit versenden, wenn er nur unterwegs von Zeit zu Zeit zur -Erfrischung in Wasser getaucht wird. Auch hält er sich Tage und Wochen -im engen Fischkasten, was ein weiterer Vorzug ist. Aus der Haut der -zum Essen nicht geschätzten jüngeren Fische wird ein der Hausenblase -ähnlicher, sehr haltbarer Leim bereitet; die älteren Fische dagegen -dienen als wohlschmeckende Speise. Seine Laichzeit fällt von März bis -Mai. Im dritten Lebensjahre, wenn er eine Länge von etwa 15 <span class="antiqua">cm</span> -erreicht hat, ist er bereits fortpflanzungsfähig und legt bis zu 300000 -Eier. Doch vermehrt er sich gleichwohl nicht in größerer Zahl, da -Fische und Wasservögel zahlreiche Eier fressen, auch die jungen Fische -zahlreichen Feinden ausgesetzt sind.</p> - -<p>Den Barsch übertrifft an Wohlgeschmack bedeutend sein Verwandter, der -durch ein köstliches schneeweißes Fleisch ausgezeichnete <em class="gesperrt">Zander</em> -(<span class="antiqua">Lucioperca sandra</span>), der die Ströme und größeren Flüsse -Nordost- und Mitteleuropas, in Norddeutschland die Elbe-, Oder- -und<span class="pagenum"><a id="Seite_442"></a>[S. 442]</span> Weichselgebiete und benachbarten Seen, in Mitteleuropa das -Donaugebiet bewohnt, dagegen dem Rhein- und Wesergebiet, ebenso ganz -Westeuropa fehlt, auch innerhalb seines Verbreitungsgebietes alle -schnellfließenden Flüßchen meidet. Er liebt langsamfließende Gewässer, -in deren Tiefe er sich für gewöhnlich aufhält, und erscheint nur -während der zwischen die Monate April und Juni fallenden Laichzeit -an seichteren, mit Wasserpflanzen bewachsenen Uferstellen, um hier -seine Eier zu legen. Als ein außerordentlich raubgieriger Fisch, der -alle kleineren Fische auffrißt und seine eigene Brut nicht verschont, -wächst er ungemein schnell und erreicht im ersten Jahre bereits ein -Gewicht von 0,75, im zweiten ein solches von 1 <span class="antiqua">kg</span>. Auch seine -Vermehrung ist eine bedeutende. Sein Fleisch ist wie bei allen Fischen -am besten und fettesten vor der Laichzeit, also im Herbst und Winter, -muß aber frisch zubereitet werden, da es geräuchert oder gesalzen sehr -an Schmackhaftigkeit verliert. An der unteren Elbe wird es demjenigen -des Lachses gleichgeschätzt und ist fast eben so teuer. Im Rhein- und -Wesergebiet, wo er, wie gesagt, ursprünglich nicht heimisch war, ist -er in den letzten Jahren mit so gutem Erfolge eingesetzt worden, daß -der Zanderfang für die dortigen Fischer heute schon ein bedeutender -Faktor geworden ist. In größeren, an schlecht schmeckenden Weißfischen, -Plötzen, Rotaugen, Stinten, Gründlingen und anderen minderwertigen -Fischen, die ihm zur Nahrung dienen könnten, reichen Gewässern, -kleineren Seen oder Teichen würde sich die auf die Zucht gerade dieses -Fisches verwandte Mühe reichlich lohnen.</p> - -<p>Ebenfalls sehr empfehlenswert für die Teichwirtschaft ist der den -beiden vorigen verwandte, nur 25 <span class="antiqua">cm</span> lang und 250 <span class="antiqua">g</span> -schwer werdende <em class="gesperrt">Kaulbarsch</em> (<span class="antiqua">Acerina cernua</span>), der überall -in Deutschland gefunden wird, nur im Oberrheingebiet fehlt, weil er -den Rheinfall von Schaffhausen nicht zu überwinden vermag. Seine -Lebensweise ähnelt derjenigen des Flußbarsches. Er zieht klare, tiefe -Seen seichteren Gewässern vor, besucht aber letztere während der -Laichzeit im April und Mai und wandert dann gewöhnlich truppweise, -während er sich sonst mehr einzeln hält. In den Flüssen und Bächen -verweilt er bis gegen den Herbst hin; zum Aufenthalt im Winter aber -wählt er sich tiefere Gewässer und kehrt deshalb wieder zu den Seen -zurück. Seine Nahrung besteht aus kleinen Fischen, Würmern und Kerfen. -Der Laich wird auf Steinen abgesetzt. Seinen Fang betreibt man mit der -durch einen Regenwurm geköderten Angel oder mit feinmaschigen Netzen. -Sein Fleisch wird als sehr schmackhaft geschätzt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_443"></a>[S. 443]</span></p> - -<p>Ihres köstlichen Fleisches wegen wird, wie die verschiedenen -Karpfenarten, auch die <em class="gesperrt">Schmerle</em> oder <em class="gesperrt">Bartgrundel</em> -(<span class="antiqua">Nemachilus barbatulus</span>) in manchen Gegenden, so besonders in -Böhmen, in kleinen, reichlich mit Schafmist zur Entwicklung von ihr zur -Nahrung dienenden Kerbtierlarven beschickten Teichen gezüchtet. Sie -lebt darin lange Zeit und zeichnet sich durch ungeheure Gefräßigkeit -aus. Ihr Wohngebiet ist Mitteleuropa nördlich der Alpen und reicht im -Osten bis zum Ural. In Schweden wurde sie durch Friedrich I., -der von 1751 bis 1771 regierte, aus Deutschland eingeführt. Sie hält -sich besonders in Flüssen und Bächen mit raschfließendem Wasser auf -und verbirgt sich tagsüber unter hohlliegenden Steinen. Erst gegen -Sonnenuntergang beginnt ihre die ganze Nacht hindurch währende -Jagdzeit. Ihre Laichzeit fällt in die ersten Frühlingsmonate. Das -Männchen gräbt mit dem Schwanz ein Loch in den Sand, in welches das -Weibchen die Eier legt; dann hält es bis zum Ausschlüpfen der Jungen -Wacht am Neste.</p> - -<p>Häufiger als die Schmerle findet man in Fischteichen den <em class="gesperrt">Hecht</em> -(<span class="antiqua">Esox lucius</span>) angesiedelt, der nicht mit Unrecht der „Hai -der Binnengewässer“ genannt wird, da er der gefürchtetste Räuber -der europäischen Seen und Flüsse ist. Er scheint sich in seichtem, -sumpfigem Gewässer ebenso wohl zu fühlen wie in einem tiefen, klaren -See und erreicht gelegentlich eine Länge von 2 <span class="antiqua">m</span> und ein Gewicht -bis zu 35 <span class="antiqua">kg</span>. Wie ein Pfeil schießt er durch das Wasser auf -seine Beute zu, sobald er sie mit seinen scharfen Augen erspäht hat. -Seine Gefräßigkeit übertrifft die aller anderen Süßwasserfische. Dabei -ist ihm alles recht, von dem er glaubt, daß er es bewältigen könne, bis -hinauf zu größeren Vögeln und Säugetieren. Bei solcher Unersättlichkeit -ist es kein Wunder, daß das Wachstum dieser Tiere ungemein rasch ist -und sie im ersten Jahr 1 <span class="antiqua">kg</span>, im folgenden 2 <span class="antiqua">kg</span>, bei -genügender Nahrung sogar 4 und 5 <span class="antiqua">kg</span> an Gewicht erreichen. Ihre -Laichzeit fällt in den März und April. Die Eier werden auf seichten, -mit allerlei Wasserpflanzen bewachsenen Stellen abgelegt und sind schon -nach wenigen Tagen gezeitigt. Von den Jungen findet ein großer Teil im -Magen älterer Hechte sein Grab, ein anderer, kaum geringerer, fällt den -Geschwistern zum Opfer, die um so rascher heranwachsen, je mehr sie -Nahrung finden.</p> - -<p>Im Altertum stand das Fleisch der Hechte bei Römern und Griechen nur -in geringem Ansehen. Nördlich der Alpen jedoch wurde es von jeher vom -Menschen sehr geschätzt und galt besonders in England für teilweise<span class="pagenum"><a id="Seite_444"></a>[S. 444]</span> -noch besser als dasjenige des Lachses. Auch heute noch ist er als -Braten geschätzt und wird schon aus diesem Grunde, nicht nur des -Schadens wegen, den er anrichtet, eifrig verfolgt. Außer Netz und -Reuse wird besonders die Schmeißangel zu seinem Fange benutzt. Zur -Teichwirtschaft eignet er sich vorzüglich, vorausgesetzt, daß man ihn -da unterbringt, wo er nicht schaden kann, oder ihm genügenden Vorrat -an Fischen gewährt. Er verträgt hartes wie weiches Wasser, darf aber -nicht während der Laichzeit eingesetzt werden, weil er zu dieser Zeit -leicht absteht. Um die trägen Karpfen in Bewegung zu erhalten, wird er -in kleinen Exemplaren, die weiter nicht schaden, auch in Karpfenteichen -gehalten.</p> - -<div class="figcenter illowe24_6875" id="bild51" > - <img class="w100" src="images/bild51.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 51. Ägypter mit dem Landungsnetz fischend.<br /> - Auf einem Grabgemälde in Theben. (Nach Wilkinson.)</div> -</div> - -<p>Nicht in der Teichwirtschaft verwendet, aber gleichwohl meist gern -gegessen wird die <em class="gesperrt">Brachse</em> (<span class="antiqua">Abramis brama</span>), die 50–70 -<span class="antiqua">cm</span> Länge und ein Gewicht von 4–6 <span class="antiqua">kg</span> erreicht. Nördlich -der Alpen wird sie überall in den tieferen Süßwasseransammlungen, meist -in starken Gesellschaften, gefunden, wo sie den Sommer über im Schlamme -nach Nahrung wühlt. Um zu laichen, was stets zur Nachtzeit an seichten, -grasreichen Stellen in der Nähe des Ufers geschieht, vereinigt sie sich -im Frühjahr zu großen Zügen und wird dann in Menge gefangen. Wenige -Tage nach dem Abzuge der Fische wimmeln die seichten Uferstellen von -Millionen ausgeschlüpfter Jungen, die sich noch eine Zeitlang auf der -Stätte ihrer Geburt umhertreiben und dann ihren Eltern in die Tiefe der -Gewässer folgen.</p> - -<p>Von den ihres minderwertigen Fleisches wegen nicht besonders -geschätzten Süßwasserfischen soll hier nicht die Rede sein. Nur die<span class="pagenum"><a id="Seite_445"></a>[S. 445]</span> -<em class="gesperrt">Lauben-</em> oder <em class="gesperrt">Weißfische</em> (<span class="antiqua">Alburnus</span>) mögen noch -genannt werden, da man sie regelmäßig fängt, um sie als Köder für -andere Fische zu benutzen, und aus ihren feinzerstoßenen Schuppen eine -Masse gewinnt, die Glasperlen täuschend das Aussehen echter Perlen -zu geben vermag. Die letztere Erfindung wurde in der Mitte des 18. -Jahrhunderts von einem französischen Rosenkranzverfertiger gemacht -und lange geheimgehalten. Der ölartig dicke Saft kam als <span class="antiqua">Essence -d’Orient</span> in den Handel und wurde zum Bestreichen des Innern von -Glaskügelchen benutzt, die dann vollkommenen Perlglanz aufweisen. Zur -Gewinnung von 500 <span class="antiqua">g</span> Silberglanz sollen gegen 20000 Weißfische -nötig sein. Wegen ihrer unermüdlichen Regsamkeit und unterhaltenden -Spiellust eignen sich diese Fischchen vorzüglich, wie die Goldfische in -engerem Gewahrsam gehalten zu werden.</p> - -<div class="figcenter illowe33_125" id="bild52" > - <img class="w100" src="images/bild52.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 52. Fischer im alten Ägypten 1. mit der Grundangel, - 2. mit der Angelrute fischend. (Nach Wilkinson.) Der hier gefangene - Fisch heißt <span class="antiqua">shilbeh</span> oder <span class="antiqua">arabrab</span>.</div> -</div> - -<p>Hierzu verwendet man neuerdings bei uns mit Vorliebe die von den -Chinesen zur Kulturrasse erhobenen <em class="gesperrt">Großflosser</em> (<span class="antiqua">Polyacanthus -viridi-auratus</span>), die von europäischen Liebhabern auch als -<em class="gesperrt">Paradiesfische</em> bezeichnet werden. Es ist dies eine Art -Vieldorner mit gestrecktem und seitlich zusammengedrücktem Leib mit -sehr großer, halbmondförmiger, zweilappiger Schwanzflosse. Besonders -die Männchen sind bunt mit farbigen Querbinden geziert. Die Länge -beträgt bloß 8–9 <span class="antiqua">cm</span>. Über das Freileben dieses Zierfischchens -fehlt jede Kunde. Wir wissen nur, daß es in China schon recht lange -gezähmt worden sein muß und die Chinesen durch sein munteres Wesen -erfreute. Deshalb wird es in<span class="pagenum"><a id="Seite_446"></a>[S. 446]</span> China allgemein gefangengehalten und -wie der Goldfisch behandelt, nur pflanzt es sich auch in engem Raume -viel leichter als letzterer fort und ist zudem durch seine Brutpflege -interessant. Das Männchen errichtet nämlich mit dem Mund aus von -Schleim überzogenen Luftblasen ein Nest, in das es die vom Weibchen -gelegten Eier trägt und sorgsam bewacht. Auch nach dem Ausschlüpfen -der Jungen hütet es dieselben mit derselben aufopfernden Fürsorge -wie das Stichlingsmännchen, das eine analoge Brutpflege in einem -Nest aus Pflanzenfasern ausübt. Erst wenn die Jungen seiner Hülfe -nicht mehr bedürfen, überläßt es dieselben ihrem Schicksal und frißt -sie auch gelegentlich, wie es das Weibchen zu tun pflegt, auf. Die -Jungen ernähren sich anfänglich vom Schleim des Schaumnestes, später -von kleinen Aufgußtierchen, dann von allerlei winzigem und zuletzt -größerem Gewürm wie die Eltern. Ein einziges Paar dieser Fische soll -in einem Sommer nicht weniger als sechsmal gelaicht und dabei jedesmal -400 bis 600 Junge erzielt, also zusammen 3000 Nachkommen ins Leben -gesetzt haben. Ihr überaus zierliches Wesen, ihre große Fruchtbarkeit -und ihre leichte Fortpflanzung in noch so kleinen Behältern empfehlen -sie allen Aquarienfreunden aufs wärmste, so daß sie berufen sind, zum -großen Teile, wenn nicht ganz, die viel langweiligeren Goldfische zu -verdrängen.</p> - -<p>Von China kamen die Großflosser schon zu Ende des 18. Jahrhunderts in -Spiritus nach Europa. Erst 1867 werden die ersten lebenden Exemplare -in Berlin erwähnt, doch wird nicht mitgeteilt, ob sie sich dort auch -schon fortpflanzten. Im Jahre 1869 erhielt Dumeril eine Sendung dieser -Zierfische, die der französische Konsul Simon in Ningpo mit Sorgfalt -ausgesucht und gesandt hatte. Diese pflanzten sich anstandslos fort und -auf sie dürfte wohl die größte Zahl unserer europäischen Großflosser -zurückzuführen sein.</p> - -<p>Zum Schlusse seien noch einige Bemerkungen über die Fischerei der -alten Deutschen beigefügt. Zunächst konnte jedermann da fischen, wo -es ihm beliebte, bis mit der Ausbildung des Privateigentums an Grund -und Boden auch das Recht der Fischerei, wie der Jagd, immer mehr unter -Bann getan wurde. Wer in solchen Banngewässern fischen wollte, mußte -eine Erlaubnis dazu vom betreffenden Besitzer haben. Der Fischfang -geschah vorzugsweise mit Reusen und Netzen verschiedener Art, von -welch letzteren die größte <span class="antiqua">sagina</span>, kleinere <span class="antiqua">barsa</span> und -<span class="antiqua">tegum</span> hießen, daneben auch mit Angeln, die im Mittelalter bei -uns Hamen genannt wurden. Man errichtete mit Pfählen und Ruten<span class="pagenum"><a id="Seite_447"></a>[S. 447]</span>geflecht -dazwischen sogenannte Vennen (lat. <span class="antiqua">venna</span>), in denen sich die -Fische beim Stromaufwärtsschwimmen verfingen und keinen Ausweg mehr -fanden. Da die Errichtung und Unterhaltung solcher Vennen viel Holzwerk -erheischte, wurde bei Verleihung derselben durch Könige meist auch ein -Wäldchen geschenkt, so vom Frankenkönig Arnulf, dem Sohne Karlmanns -(regierte 887–899) an ein Kloster. Vor ihm erlaubte Karl der Große -777 dem Kloster Lorch zu ihrer Venne auf dem Rhein aus einem Walde, -der keine Fruchtbäume hatte, das nötige Holz zur Unterhaltung und -Ausbesserung derselben zu holen.</p> - -<p>Außer der Fischerei wurde schon bei den alten Franken auch eine -Teichwirtschaft getrieben, indem vor allem die Klöster in Nachahmung -der römischen Vivarien ebenso genannte Fischteiche errichteten. Karl -der Große befahl seinen Verwaltern auf allen Höfen (<span class="antiqua">villa</span>) -Fischteiche zu halten und Fische für den Bedarf des Hofhaltes in -Holzkästen bereit zu halten. Nur was nicht gebraucht wurde, durfte -verkauft werden.</p> - -<div class="figcenter illowe22_5" id="bild53" > - <img class="w100" src="images/bild53.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 53. Fischer mit Netz und Reusen.<br /> - (Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann 1539–1591).</div> -</div> - -<p>Als mit der Zunahme der geistlichen Stiftungen die Zahl der zu den -kirchlichen Fasten eine Menge von Fischen gebrauchenden Mönche wuchs, -wurden von den Hörigen, die Fischfang trieben, die Abgaben in Gestalt -von Fischen gefordert; diese wurden meist frisch, seltener eingesalzen -oder geräuchert gegessen. Erst später wurden die Abgaben an Fischen -teilweise in Geld verwandelt. Mit der fortschreitenden Einschränkung -der natürlichen Freiheit gehörte der Fischfang im Mittelalter den -jeweiligen Grundbesitzern, die das Recht dazu gegen Entschädigung -verleihen oder verbieten konnten. Mit Vorliebe wurde von den Königen -und Fürsten das Recht des Fischens an Laien und Klöster verliehen; -solche Fischenzen oder Fischereien kommen in den Urkunden<span class="pagenum"><a id="Seite_448"></a>[S. 448]</span> häufig -vor. Den Stadtbürgern wurde erlaubt, in dem zur Stadt gehörenden -Wasser zu ihrer eigenen Speise, aber nicht zum Verkaufe, mit einem -Hamen, ausnahmsweise auch mit Netzen, zu fischen. Unbefugte Fischerei -wurde sehr streng bestraft. Fische aus einem Teiche stehlen, war ein -größeres Verbrechen, als wenn solches aus gemeinem Wasser geschah; -denn solche Fische gehörten nach altem Rechte zum Besitzstand, weil -Arbeit darangewendet worden war. Nach dem berühmtesten Rechtsbuch des -Mittelalters, dem ums Jahr 1230 aufgezeichneten Sachsenrecht, dem -„Sachsenspiegel“, gab derjenige, der in gegrabenen Teichen fischte, 30 -Solidi oder Goldschillinge im Goldwerte von etwa 10 Mark (tatsächlich -aber viel mehr) Strafe, d. h. zehnmal mehr als in gemeinem Wasser, und -ward zudem gepfändet, wenn man ihn in „handhafter Tat ergriff“.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_449"></a>[S. 449]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XXI_Die_Nutztiere_unter_den_Wirbellosen">XXI. Die Nutztiere -unter den Wirbellosen.</h2> - -</div> - -<p>Gegenüber der großen Menge von Fischen spielen die an Arten und -Individuen sehr viel spärlicheren Krebse als Speise des Menschen -eine sehr unbedeutende Rolle. Unter den Krabben ist eine Art -<em class="gesperrt">Bogenkrabbe</em> (<span class="antiqua">Carcinus maenas</span>) die weitaus die gemeinste -der europäischen Meere. Große Mengen davon im Wert von <span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Million -Lire werden von Venedig aus, wo sie als Leckerbissen gelten, in -Fäßchen verpackt, nach dem Festlande ausgeführt. Ebenfalls zu vielen -Tausenden wird meist in großen, locker geflochtenen Körben die -<em class="gesperrt">große Meerspinne</em> (<span class="antiqua">Maja squinado</span>) auf die Fischmärkte der -Küstenstädte am Mittelmeer zum Verkauf gebracht. Sie wird besonders -in den Garküchen für das niedere Volk zubereitet und bildet, in -ihrer eigenen Schale geröstet, eine schmackhafte Zukost zu Brot und -Wein. Von ihr wußte man im Altertum allerlei wunderbare Dinge zu -erzählen. Sie sollte außerordentlich klug und eine Musikfreundin sein. -Auf verschiedenen Münzen findet sie sich verewigt und prangte als -Halsschmuck der Diana von Ephesus.</p> - -<p>Weniger häufig im Adriatischen und Mittelmeer, dafür aber um so -bekannter an den Nordseeküsten ist der <em class="gesperrt">große Taschenkrebs</em> -(<span class="antiqua">Cancer pagurus</span>). Er zieht felsigen Grund dem sandigen Strande -vor und wird seines Wohlgeschmacks wegen namentlich in England viel -gefangen und verzehrt. Ebenfalls auf felsigem Grund lebt die <em class="gesperrt">gemeine -Languste</em> (<span class="antiqua">Palinurus vulgaris</span>). Dieser in einzelnen -Riesenexemplaren 6–8 <span class="antiqua">kg</span> schwere Panzerkrebs ist im Mittelmeer -viel häufiger als der <em class="gesperrt">Hummer</em> (<span class="antiqua">Homarus vulgaris</span>), welch -letzterer in der Nordsee seine eigentliche Heimat hat. Dort findet -er sich mit den Schollen und vielen anderen Meerestieren überall auf -der sandigen Doggerbank und der weiterhin Britannien mit Norwegen -verbindenden Untiefe, von welcher dann weiter nördlich ein jäher -Absturz in den Ozean erfolgt. Von den rund 6 Millionen Hummern, -die Nordeuropa jährlich ver<span class="pagenum"><a id="Seite_450"></a>[S. 450]</span>braucht, werden weitaus die meisten in -England konsumiert. Vermittelst kleiner, schnellsegelnder Schiffe mit -doppeltem, als Hummerbehälter dienendem Boden werden von den drei -Millionen Stück, die jährlich an der Südwestküste Norwegens gefangen -werden, eine Million nach London geliefert. Bei Helgoland fängt man -jährlich 20–30000 Stück. Der Wert der jährlichen Ausbeute an der -Ostküste Schottlands stellt sich ungefähr auf 6 Millionen Mark. Wie -in London ist auch in Paris Hummer ein sehr beliebtes Gericht, das in -allen feineren Restaurants zu haben ist. Der weibliche Hummer legt über -12000 Eier und trägt dieselben bis unmittelbar vor dem Auskriechen der -Jungen am Hinterleib und seinen Anhängen angeheftet mit sich herum. -Auch späterhin flüchtet sich wenigstens ein Teil der Jungen unter den -Schwanz der Mutter, während die große Mehrzahl ausschwärmt und von -zahllosen Feinden dezimiert wird, so daß nur ein kleiner Bruchteil -derselben das fortpflanzungsfähige Alter erreicht.</p> - -<p>Sein nächster Verwandter, der <em class="gesperrt">Flußkrebs</em> (<span class="antiqua">Astacus -fluviatilis</span>), wird nur 20, in seltenen Fällen 25 <span class="antiqua">cm</span> lang und -pflanzt sich im Herbst fort, wobei die befruchteten Eier an die Haare -der mütterlichen Schwimmfüße festgeklebt werden. Erst im folgenden -Frühjahr oder zu Beginn des Sommers schlüpfen die Jungen aus, die dann -rasch heranwachsen, so daß sie am Ende des ersten Jahres schon 4,5 -<span class="antiqua">cm</span> lang sind. Nach der ersten Häutung beginnen sie zwar ein -selbständiges Leben, kehren aber doch öfter schutzsuchend unter den -Schwanz der Mutter zurück. Erst nach der zweiten Häutung — etwa am 28. -Tage nach dem Ausschlüpfen — machen sie sich völlig selbständig und -zerstreuen sich nach und nach. Die Flußkrebse sind Allesfresser, sie -fressen auch frisches totes Fleisch, aber kein eigentliches Aas. Was -sie zu bewältigen vermögen, dient ihnen als willkommene Beute. Neben -tierischer Kost sind ihnen auch Wasserpflanzen, namentlich saftige -Wurzeln und Armleuchter, letztere wohl ihres Kalkgehaltes wegen, ein -Bedürfnis. In der Gefangenschaft lassen sie sich gern mit Mohrrüben -und Kürbisschnitzen füttern. Man unterscheidet unter ihnen den ruhiges -Wasser bevorzugenden Edelkrebs als eine Form der Niederungen und -den raschströmendes Wasser bevorzugenden Steinkrebs als Bewohner -der Berggegenden. Letzterer ist die einzige Art für die Iberische -Halbinsel und Britannien. Beide Arten können an geeigneten Orten -nebeneinander vorkommen. Eine dritte schmächtigere Form (<span class="antiqua">Astacus -leptodactylus</span>) bewohnt das Einzugsgebiet der in das Schwarze und -Kaspische Meer mündenden Ströme. Durch Kanalverbindungen mit<span class="pagenum"><a id="Seite_451"></a>[S. 451]</span> der -Wolga und andern Flüssen ist er neuerdings in das Stromgebiet des -Finnischen und Weißen Meeres gelangt und beginnt dort den Edelkrebs zu -verdrängen. In Nordamerika befindet sich östlich vom Felsengebirge eine -verwandte Form, die ebenfalls gern gegessen wird. Bei uns ist heute der -Edelkrebs viel seltener als früher, da er in großer Menge alle Gewässer -bevölkerte und in großen Mengen gefangen und verspeist wurde. Seit aber -vor 35 Jahren die Krebspest von Frankreich her nach Deutschland kam -und im Laufe von 10 Jahren bis nach Rußland vordrang, wurde an vielen -Orten der gesamte Krebsbestand vernichtet, so daß viele Gewässer, die -früher reich an Krebsen waren, nunmehr völlig daran verödet sind. Statt -seiner wurde mehrfach der allerdings in bezug auf Wohlgeschmack des -Fleisches minderwertige, schmächtige galizische Krebs mit bedeutend -dünneren Scheren zur Wiederbevölkerung der Gewässer mit Krustentieren -in Deutschland eingeführt.</p> - -<p>Die artenreichste Familie unter den langschwänzigen Zehnfüßlern sind -die <em class="gesperrt">Garneelen</em>, von denen die beim Kochen farblos werdende -gewöhnliche, bräunliche <em class="gesperrt">Sandgarneele</em> (<span class="antiqua">Crangon vulgaris</span>) -— die <span class="antiqua">crevette</span> der Franzosen und <span class="antiqua">shrimp</span> der Engländer -— und die beim Kochen rotwerdenden <em class="gesperrt">Granaten</em> (<span class="antiqua">Palaemon -serratus</span> und <span class="antiqua">P. squilla</span>) — die sogenannten Krabben der -Ostseefischer — zum Verspeisen die beliebtesten sind. Sie werden an -den Küsten in oft von Pferden gezogenen feinmaschigen Schleifnetzen -mit länglichem Rahmen aus Eisen gefangen und korbweise auf den Markt -gebracht. Die meisten der so erbeuteten 8 <span class="antiqua">cm</span> und mehr langen -Garneelen sind Weibchen, die ihre Eier zwischen den Afterfüßen des -Hinterleibs tragen. Sie liegen ganz in Sand eingegraben vor Feinden -sicher und geraten ins Netz, indem die untere eiserne Lippe des -Schleppnetzes den Sand aufwühlt, in welchem sie ruhig liegen und auf -Beute lauern. In den Küstenstädten des Mittelmeers wird auch der -bis 18 <span class="antiqua">cm</span> lange gemeine <em class="gesperrt">Heuschreckenkrebs</em> (<span class="antiqua">Squilla -mantis</span>) viel gefangen und verzehrt. Hier überall geben auch die -<em class="gesperrt">Kopffüßler</em> oder <em class="gesperrt">Tintenfische</em> als <span class="antiqua">frutti di mare</span> -eine geschätzte Speise für das gemeine Volk. Besonders beliebt sind die -gemeine <em class="gesperrt">Sepia</em> (<span class="antiqua">Sepia officinalis</span>) und der <em class="gesperrt">Kalmar</em> -(<span class="antiqua">Loligo vulgaris</span>), von denen die mittelgroßen Exemplare, weil -wohlschmeckender, den größeren vorgezogen werden. Sie wandern vielfach -mit den kleinen Fischen, von denen sie sich ernähren, und werden in -besonderen Fallen und Netzen gefangen.</p> - -<p>An den Küsten des Mittelmeers werden auch allerlei -<em class="gesperrt">Meerschnecken</em><span class="pagenum"><a id="Seite_452"></a>[S. 452]</span> wie auch alle Sorten von <em class="gesperrt">Landschnecken</em> -gern verzehrt. Die Mitteleuropäer dagegen essen von den 1600 Arten -der auf dem europäischen Festlande lebenden Gattung Helix, den -Schnirkelschnecken, fast ausschließlich die <em class="gesperrt">Weinbergschnecke</em> -(<span class="antiqua">Helix pomatia</span>). Sie ist die größte aller einheimischen -Landschnecken und ihr hellrötliches bis gelblichbraunes Gehäuse -erreicht eine Höhe bis zu 5 <span class="antiqua">cm</span>. Diese Tiere sind Zwitter und -befruchten sich gegenseitig. Ihre 60–80 johannisbeergroßen Eier legen -sie im Frühjahr haufenweise in Löcher, die sie in lockere, feuchte -Erde gewühlt haben und nach der Eiablage wieder zudecken, so daß das -Eiernest kaum gefunden werden kann. Die Entwicklung nimmt etwa 26 Tage -in Anspruch; dann kriechen die jungen Schnecken aus dem Boden hervor, -um sich vorzugsweise von weicher Pflanzenspeise zu ernähren. Doch -fressen sie gelegentlich auch tierische Kost, so das Fleisch etwa von -einem Wagen überfahrener oder von Menschen zertretener Genossinnen. -Dabei wachsen sie verhältnismäßig rasch heran und graben sich im -Herbst am liebsten unter einer Moosdecke 20–30 <span class="antiqua">cm</span> tief in -die lockere Erde ein und verschließen ihr Gehäuse mit einem soliden -Kalkdeckel. Letzterer ist porös und läßt die Luft für die übrigens -während des Winterschlafes stark herabgesetzte Atmung ungehindert -hindurchtreten. Wenn im April und Mai die zunehmende Bodenwärme die -Lebenstätigkeit des etwa 6 Monate im Winterschlaf verharrenden Tieres -aufs neue weckt, so wird der Deckel mit dem Fuß leicht abgestoßen. Nur -in diesem gedeckelten Winterzustande gilt die Weinbergschnecke als -ein tafelfähiger Leckerbissen. Da sie zum Aufbau ihres Kalkgehäuses -viel Kalk benötigt, findet sie sich nur in Gegenden, wo der Erdboden -genügend von diesem Stoff enthält. Sie lebt außer in Weinbergen auch in -Gärten, Hainen und lichten Laubwäldern mit viel Unterholz. Von alters -her wird sie zur Sommer- und Herbstzeit gesammelt, um in besonderen -Gehegen aus Brettern oder aus engem Drahtgeflecht mit Salat, Mohrrüben -und Fallobst mit Beigabe von Kalk gefüttert zu werden. Bei solchem -Futter wird sie besonders zart und fett. Berühmt in ganz Frankreich -und Süddeutschland sind wegen ihres Wohlgeschmacks die aus Burgund -bezogenen Schnecken. Hier ist die Zubereitung derselben in der -Schale <span class="antiqua">à la bourgignonne</span> sehr beliebt, so daß diese Tiere ein -eigentliches Volksgericht geworden sind.</p> - -<p>Schon die reichen Römer zu Ende der Republik und zur Kaiserzeit, jene -Erzschlemmer, wußten die gemästeten Weinbergschnecken als leckere -Speise zu würdigen und zogen sie in besonderen Schnecken<span class="pagenum"><a id="Seite_453"></a>[S. 453]</span>gärten. Der -gelehrte Varro beschreibt uns um die Mitte des letzten vorchristlichen -Jahrhunderts die Anlage und den Betrieb eines solchen Cocleariums. Es -sollte unter freiem Himmel liegen und von Wasser umgeben sein, weder -zu sonnig, noch zu stark dem Tau ausgesetzt sein. Hier wurden die -gesammelten Schnecken mit Kleie und mit Honig eingekochtem Weinmost -gemästet. Von besonderen Verkäufern wurden sie dann in den Straßen -ausgeboten und vom Volke gern gekauft. Nach Plinius legte Fulvius -Lupinus auf dem Gebiete von Tarquinii kurz vor dem Ausbruch des -Bürgerkrieges, den Cäsar 49 v. Chr. mit Pompejus zu führen begann, die -ersten Coclearien an. Er trennte die verschiedenen Schneckensorten -und erfand die Mästung derselben mit Mehl und mit Honig eingekochtem -Traubenmost. Nach Varro wurden in den verschiedenen Gebieten des -römischen Reichs verschiedene Schneckenarten gemästet. Er sagt, daß -die kleinen weißlichen aus der Umgebung von Reate im Sabinerlande (dem -heutigen Perugia), die großen aus Illyrien, die mittelgroßen aber aus -Afrika nach Rom gebracht und an vielen Orten auf großen, künstlich zu -einer Insel gemachten Strecken gezüchtet würden. Man mäste sie auch in -Töpfen, in die durch Löcher Luft eintreten gelassen werde; inwendig -seien diese mit Honigmost und Mehl ausgestrichen.</p> - -<p>Von den Römern übernahmen im Mittelalter die Klöster die Zucht -von Weinbergschnecken als beliebte Fastenspeise und führten sie -nördlich von den Alpen ein. Aus den Klostergärten übernahmen später -auch Laien diese Zucht. So gab es später an verschiedenen Orten -Frankreichs, Süddeutschlands, der Schweiz und Österreichs größere -Schneckenzüchtereien, die die benachbarten Städte mit ihren Produkten -versorgten. Schneckenbauern in der Gegend von Ulm führten einst -jährlich über 4 Millionen gedeckelte Schnecken zu je 10000 Stück -im Winter auf der Donau hinunter bis jenseits Wien aus. Sie werden -meist in der Weise zubereitet, daß man sie in einem Salzsud kocht, -dabei quellen die Tiere stark auf, so daß das sie abschließende -Kalkdeckelchen von selbst abfällt. Die fast gargekochten Leiber lassen -sich dann leicht mit einer Gabel aus dem Gehäuse ziehen, werden geputzt -und zwei bis dreimal in warmem Wasser gewaschen, um allen Schleim -daraus zu entfernen. Mit Fleischbrühe und Wein weichgekocht, werden -sie fein gehackt, mit Petersilie und Sardellenbutter vermischt und -schließlich in die sauber geputzten Gehäuse gefüllt. Die auf solche -Weise zubereiteten Schnecken sollen wie Krebspastetchen eine wirkliche -Delikatesse sein. Von Paris aus werden sie in solcher Zubereitung -weithin exportiert<span class="pagenum"><a id="Seite_454"></a>[S. 454]</span> und haben sich sogar in Norddeutschland, das sich -bisher gegen solche Leckerbissen ablehnend verhielt, viel Freunde -erworben. Während in Nordfrankreich <span class="antiqua">Helix pomatia</span> gezogen wird, -züchtet man in Südfrankreich vorzugsweise <span class="antiqua">Helix aperta</span> und <span class="antiqua">H. -nemoralis</span>, außer letzterer in Italien auch <span class="antiqua">Helix pisana</span>. -In Spanien dagegen ißt man <span class="antiqua">Helix alonensis</span> und <span class="antiqua">lactea</span>, -in Griechenland <span class="antiqua">H. parnassea</span>. Sie, wie auch die rotbraunen bis -schwarzen <em class="gesperrt">roten Wegschnecken</em> (<span class="antiqua">Limax rufus</span>) ohne Gehäuse -werden zur Gewinnung einer sehr wohlschmeckenden Fleischbrühe gekocht, -die früher besonders Lungenleidenden als Heilmittel gegeben wurde.</p> - -<p>Von den Schnecken haben sonst nur die <em class="gesperrt">Purpurschnecken</em> -kulturgeschichtlich eine größere Bedeutung erlangt, indem sie im -Altertum zur Gewinnung der überaus geschätzten Purpurfarbe eine -sehr wichtige Rolle spielten. Es sind dies Vertreter der Gattungen -<span class="antiqua">Murex</span> und <span class="antiqua">Purpura</span>, die an den Küsten des Mittelmeers -auf felsigem Grunde sehr häufig vorkommen und an den Orten der -Purpurfabrikation, die in Phönikien ihren Ausgang nahm, in großen -Mengen gesammelt und verarbeitet wurden, so daß aus ihren weggeworfenen -Schalen mächtige Ablagerungen hervorgingen. Wie an der syrischen Küste -ließen sich auch an manchen Orten Griechenlands und Italiens einstige -Purpurfabriken an solchen Schalenhaufen nachweisen.</p> - -<p>Die den Purpurfarbstoff liefernde kleine Drüse mündet in eine -Umschlagsfalte des Mantels und liefert ein anfänglich farbloses -Produkt, das an der Sonne zuerst gelb, dann grünlich und zuletzt -violett wird und um so dunkler, bis schwärzlich erscheint, je mehr -davon auf dem betreffenden Stoff aufgetragen und je länger er nachher -den Sonnenstrahlen ausgesetzt wurde. So hatte der geschickte Färber -alle Grade von einem matten bis dunkeln Violett in der Hand. Zur -Gewinnung von 1,5 <span class="antiqua">g</span> Purpursaft sind die Drüsen von nicht -weniger als 12000 Purpurschnecken nötig; so läßt es sich begreifen, -daß damit gefärbte Gewänder außerordentlich hoch zu stehen kamen -und nur den Fürsten und Reichen zugänglich waren. Noch zur Zeit des -Kaisers Diokletian im Jahre 301 n. Chr. kostete das Pfund der besten -Purpurwolle 950 Mark unseres Geldes. Und doch war die Farbe ein -ziemlich unreines, rotstichiges Violett, das sich in keiner Weise weder -an Glanz, noch an Echtheit der Färbung mit den modernen, synthetisch -gewonnenen Teerfarbstoffen vergleichen läßt. Übrigens dienten nach dem -römischen Dichter Martial die Purpurschnecken außer zum Färben auch -zum Essen. Sie wurden nach den antiken Autoren in mit Mies<span class="pagenum"><a id="Seite_455"></a>[S. 455]</span>muscheln -beköderten kleinen Reusen gefangen, die kleinen Arten samt den Schalen, -die größeren dagegen ohne diese zerstampft, mit Wasser ausgelaugt -und auf mäßigem Feuer in bleiernen Gefäßen eingekocht. Je nach der -Mischung der verschiedenen Purpurschneckenextrakte wurden verschiedene -Nuancen erzielt. So schreibt Plinius in seiner Naturgeschichte: „Die -Purpurschnecke (<span class="antiqua">buccinum</span>) ist allein nicht brauchbar, weil -ihre Farbe nicht hält, wird sie aber mit dem Saft der Murexschnecke -(<span class="antiqua">purpura</span>) vermischt, so wird sie dauerhaft und gibt jener -dunkeln Farbe eine Beimischung, welche ein schönes Scharlachrot -hervorbringt. Je nach der Mischung beider wird die Farbe bald heller -bald dunkler. Um eine herrliche Amethystfarbe zu haben, nimmt man auf -50 Pfund Wolle 200 Pfund Purpurschnecke (<span class="antiqua">buccinum</span>) und 110 -Pfund Murexschnecke (<span class="antiqua">purpura</span>). In Tyrus taucht man die Wolle -erst in Murex- und dann in Purpuraschneckensaft. Am beliebtesten ist -der tyrische Purpur, wenn er die Farbe geronnenen Blutes hat, von vorn -gesehen schwärzlich aussieht und von der Seite gesehen schimmert. Auch -Homer nennt das Blut purpurfarbig. — Färbt man bloß mit Murexschnecken -oder Purpuraschnecken, so setzt man Wasser und Menschenurin zu und -erlangt dadurch die beliebte blasse Farbe, welche desto schwächer ist, -je weniger durstig die Wolle war.“</p> - -<p>Weiter sagt Plinius: „Das Kleid der römischen Konsuln und freigeborenen -Knaben wird mit einem Purpursaum geschmückt. Purpur unterscheidet den -Senator vom Ritter, versöhnt die Götter, gibt den Kleidern seinen -Glanz und mischt sich beim Triumphzuge unter das Gold.“ Von Anfang an -war der Purpur in Rom gebräuchlich; Romulus trug ihn an der <span class="antiqua">trabea</span>, -Tullus Hostilius an der <span class="antiqua">praetexta</span> (verschieden gestalteten -Röcken). Nepos Cornelius, der unter der Regierung des Augustus starb, -sagte: „Als ich noch jung war, schätzte man den veilchenfarbenen -Purpur am höchsten, wovon das Pfund 100 Denare (60–70 Mark) kostete, -bald darauf zog man den roten tarentinischen vor und später den -doppelgefärbten tyrischen, wovon man das Pfund nicht unter 1000 Denaren -(600–700 Mark) kaufen konnte. Der Ädil Publius Lenthulus Spinther, -der diesen tyrischen Purpur zuerst trug, wurde darob getadelt; jetzt -aber hat jedermann bei Schmausereien mit tyrischem Purpur gefärbtes -Tischzeug. Spinther war im Jahre 691 der Stadt (62 v. Chr.) Ädil, -(d. h. Hilfsbeamter der beiden Volkstribunen und als solcher mit der -Straßen- und Baupolizei, wie auch mit der Überwachung des Marktverkehrs -betraut), da Cicero Konsul war, und damals nannte man den tyrischen -Purpur doppelt gefärbt<span class="pagenum"><a id="Seite_456"></a>[S. 456]</span> (<span class="antiqua">dibapha</span>) und betrachtete ihn als eine -sehr kostspielige Sache; jetzt aber ist jeder gute Purpur doppelt -gefärbt.“ Und Plutarch schreibt in seiner Biographie Alexanders des -Großen: „Als Alexander die Stadt Susa in Persien erobert hatte, fand er -daselbst Geld und Kostbarkeiten in unsäglicher Menge; dabei sollen auch -5000 Talente (= 301000 <span class="antiqua">kg</span>) hermionischen Purpurs (Hermione war -eine Stadt in Argolis) gewesen sein, den man 190 Jahre lang aufbewahrt -hatte und der noch so glänzend aussah, als ob er neu wäre.“</p> - -<p>Jedenfalls hat die Wertschätzung des Purpurs von der syrischen Küste -aus schon im hohen Altertum ganz Vorderasien erobert, lange bevor die -Griechen durch die phönikischen Kaufleute mit ihm bekannt wurden und -die Bekanntschaft damit den Römern übermittelten. In Babylonien und -Assyrien war der purpurgefärbte Mantel das Abzeichen des Königs und -wurde als besondere Auszeichnung auch an Private verliehen, wie dies -Nebukadnezar (<span class="antiqua">Nabûkuduriussur</span>), der von 604–561 über Babylon -herrschte, nach Daniel 5, 16 dem Juden Daniel tun wollte. Wie im alten -Rom die <span class="antiqua">purpurati</span> die höchste Adelsklasse darstellten, haben, -durch sie beeinflußt, auch die Nachbarvölker von ihnen eingehandelte -Purpurgewänder als königliches Abzeichen benutzt. Erst mit dem -Untergang der antiken Kultur verlor sich im Abendlande mehr und mehr -die Kenntnis von der Bereitung des Purpurs. Nur im byzantinischen -Reiche blieb sie das ganze Mittelalter hindurch erhalten. Auch dort -durfte nur der Herrscher sich mit Purpurstoffen bekleiden, so daß der -Ausdruck den Purpur nehmen, wie bei den Römern der Kaiserzeit, so -viel als sich der Herrschaft bemächtigen bedeutete und der Beiname -<span class="antiqua">Porphyrogenetos</span>, d. h. der in Purpur Geborene, den bei der -Geburt schon mit der Kaiserwürde Bekleideten bezeichnete. Die letzte -Erwähnung von Purpurgewändern als Galatracht des <span class="antiqua">basileus</span> in -Byzanz datiert vom Jahre 1440, 13 Jahre vor der Eroberung durch die -Osmanen. Mit der Invasion der Türken ging auch im byzantinischen -Reiche die Kenntnis der Gewinnung des Purpurs verloren, bis in der -Neuzeit der französische Zoologe Lacaze-Duthiers durch Zufall sie -wieder entdeckte. Als er nämlich im Sommer 1858 im Hafen von Mahon -auf der spanischen Insel Menorca mit Hilfe eines Fischers allerlei -Seetiere aufsuchte, bemerkte er, daß sein Schiffer sein Hemd mit der -schleimigen Absonderung einer Meerschnecke, die sich alsbald als -<span class="antiqua">Purpura haemastoma</span> entpuppte, zeichnete. Die mit einem Stückchen -Holz aufgetragenen Buchstaben und Figuren erschienen bald gelblich -und der Fischer sagte,<span class="pagenum"><a id="Seite_457"></a>[S. 457]</span> sie würden rot werden, sobald die Sonne eine -Zeitlang darauf geschienen habe. Der Zoologe ließ auch sein Hemd mit -diesem schleimigen Safte zeichnen und machte alsbald die Entdeckung, -daß bei der Einwirkung der Sonnenstrahlen sich ein höchst unangenehmer -durchdringender Geruch entwickelte und eine immer intensiver werdende -Violettfärbung auftrat. Dies war die Veranlassung zur Wiederentdeckung -der Herstellung des Purpurfarbstoffs, von dem wir heute wissen, -daß er aus Dibromindigo besteht, d. h. aus Indigo, in welchem zwei -Wasserstoffatome durch zwei Bromatome ersetzt sind. Außer <span class="antiqua">Purpura -haemastoma</span> ermittelte Lacaze-Duthier auch die im Mittelmeer sehr -gemeinen <span class="antiqua">Murex brandaris</span> und <span class="antiqua">Murex trunculus</span> als Träger -des Purpurfarbstoffs. Übrigens haben die nordamerikanischen Indianer -von sich aus, unabhängig von den Europäern, den Saft der einheimischen -Purpurschnecken zum Rotfärben benutzt. So färbten sie einst, wie -heute noch die Indianer von Tehuantepec, mit dem Safte von <span class="antiqua">Purpura -patula</span> ihre Frauenröcke purpurrot.</p> - -<div class="figcenter illowe22_1875" id="bild54" > - <img class="w100" src="images/bild54.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 54. Der Tuchfärber.<br /> - (Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann 1539–1591.)</div> -</div> - -<p>Von den großen Meeresschnecken des Mittelmeers hat wahrscheinlich -die große <em class="gesperrt">Tonnenschnecke</em> (<span class="antiqua">Dolium galea</span>) das Vorbild -für das Spiralornament der jonischen Säule gegeben. Als Prof. -Troschel bei seinen zoologischen Studien in Messina sie lebend zur -Untersuchung erhielt, ließ sie, gereizt, aus ihrem einen halben Fuß -weit ausgestülpten Rüssel einen Strahl einer wasserklaren Flüssigkeit -einen Fuß weit hervorspritzen. Zu seinem höchsten Erstaunen nahm -Troschel wahr, daß der Kalkstein des Fußbodens von der Flüssigkeit -stark aufbrauste, der vermeintliche Speichel also eine scharfe Säure -war. Die genaue chemische Untersuchung des von einer dicht neben der -Speicheldrüse<span class="pagenum"><a id="Seite_458"></a>[S. 458]</span> gelegenen besonderen Drüse abgesonderten Saftes ergab -darin die Anwesenheit von 3–4 Prozent freier Schwefelsäure und 0,3 -Prozent freier Salzsäure. Sie dient dem Tiere dazu, die Kalkgehäuse der -Schnecken und Muscheln, von denen sie sich ernährt, im Bereiche des -Mundes aufzulösen, damit sie dann mit der Zunge ins Innere eindringen -kann, um die Weichteile aufzufressen.</p> - -<p>Die großen <em class="gesperrt">Tritonshörner</em> dagegen, besonders das <span class="antiqua">Tritonium -nodiferum</span> des Mittelmeers, die <span class="antiqua">buccina</span> der alten Römer, -diente mit einer künstlich gemachten Öffnung an der Spitze der -gewundenen Schale, in welcher das Tier einst seinen Eingeweidesack -trug, als Kriegstrompete. Deshalb sagt der Dichter Vergil: „Die -<span class="antiqua">buccina</span> zwang schon die alten Quiriten zu den Waffen.“ Teilweise -schon im Altertum, mehr aber noch in der Rokokozeit, wurden ihre -Schalen nicht nur als Signaltrompete, sondern auch mit dem Delphin als -eigentliches dekorativ ausgestaltetes Attribut der Meeresgötter immer -wieder auf Statuen und Reliefs angebracht. Man gab ihnen später bei den -Deutschen, die sie zur Zierde als Nippsache in ihren besseren Stuben -aufstellten, den Namen Kinkhörner, weil sie kinken, d. h. klingen oder -sausen, wenn man ihre Mündung an die Ohren hält. Man wollte darin -das Brausen des Meeres hören. Dies ist natürlich unrichtig. Alle -Muschelschalen sind vielmehr natürliche Resonanzböden für bestimmte -schwache Geräusche, die sie so verstärken, daß sie uns hörbar werden. -Bei absoluter Stille lassen sie kein Brausen hören. Diese und andere -große Schneckenschalen dienen auch zum Einschneiden von allerlei -bildlichen Darstellungen oder zur Herstellung von Kameen, wobei durch -Benutzung verschieden gefärbter Schichten die Figuren eine andere -Farbe als der Grund erhalten. Mit prächtig perlmutterartig glänzenden -Stücken von Kreiselschnecken der Gattung <span class="antiqua">Turbo</span> stellen die -Chinesen allerlei Einlegearbeiten in ihre lackierten Möbel und Schränke -her, während bei uns die durch Interferenz schön irisierenden inneren -Schichten auch anderer Schneckenschalen und Muscheln, vor allem der -alsbald zu besprechenden Perlmuschel dazu benutzt werden, wie auch -zur Herstellung von Knöpfen, Zahlmarken usw. Die zum Schutze gegen -das Weggeschwemmtwerden von seiten der Brandung außerordentlich fest -an der felsigen Unterlage haftenden <em class="gesperrt">Napfschnecken</em> der Gattung -<span class="antiqua">Patella</span> sind, wie auch manche der größeren Meeresschnecken, -ein nicht besonders wohlschmeckendes, aber von den ärmeren Klassen -der europäischen Küstenbewohner viel gesuchtes und gern gegessenes -Nahrungsmittel.</p> - -<p>Außerordentliche volkswirtschaftliche Bedeutung besitzen unter -allen<span class="pagenum"><a id="Seite_459"></a>[S. 459]</span> Meerschnecken heute nur die <em class="gesperrt">Porzellanschnecken</em> in -ihrem wichtigsten Vertreter, der <em class="gesperrt">Kaurischnecke</em> (<span class="antiqua">Cypraea -moneta</span>). Diese Schnecke mit 1,5–2 <span class="antiqua">cm</span> langer, -breiteiförmiger, weißlicher oder gelblicher Schale kommt in großen -Mengen auf den Malediven im Indischen Ozeane vor, wo sie, nach -älteren Angaben, zweimal im Monat, drei Tage nach Voll- und Neumond, -eingesammelt wird, um nach dem Ablaufenlassen der Weichteile die -Gehäuse teils nach Bengalen und Siam, vorzugsweise aber nach Afrika zu -verschiffen, wo sie als Schmuck und Münze zugleich dienen. In Indien, -wo sie als Verkehrsmittel seit dem 6. Jahrhundert n. Chr. nachweisbar -sind, gelten etwa 24–36, in Afrika etwa 6 Stück gleich einem deutschen -Pfennig, früher überall mehr wegen der größeren Transportkosten. -Der Hauptstapelplatz für den ausgedehnten afrikanischen Kaurihandel -ist Sansibar. Von dort und anderen Orten der Ostküste Afrikas gehen -seit vielen Jahrhunderten große Karawanen mit diesem Artikel, der -zugleich Geld und Ware ist, nach dem Innern des Kontinentes ab. -Ganze Schiffsladungen wiederum werden von europäischen Schiffen von -dort, besonders von Sansibar, abgeholt und an der Westküste gegen -die dortigen Produkte: Goldstaub, Elfenbein, Palmöl und neuerdings -auch Gummi eingetauscht, soweit die Stämme noch nicht den Gebrauch -der europäischen Münzen angenommen haben. In Gure hatten einst 700000 -Stück den Wert von 990 Mark, also etwa 2120 denjenigen von 3 Mark, -und es beliefen sich die Einkünfte des Herrschers auf 30 Millionen -Kaurischneckenschalen. Ihr Wert ist natürlich dem Kurs unterworfen -und hängt von der Zufuhr und der Entfernung ab. Gewöhnlich sind sie -zu Hunderten auf Schnüre gereiht, um das Zahlgeschäft zu erleichtern. -An manchen Orten ist dies aber nicht Sitte und müssen die Tausende -einzeln abgezählt werden. Solange die Holländer Ceylon besaßen, war -diese Insel der wichtigste Stapelplatz für die Kauris, von wo sie -in Körben oder Ballen von je 12000 Stück oder für Guinea in Fässern -versandt wurden. Eine Zeitlang wurde vermittelst der Kauris der -ganze afrikanische Sklavenhandel betrieben, indem für 12000 Pfund -500–600 Sklaven eingekauft werden konnten. Gegen die Mitte des 18. -Jahrhunderts hatte sich der Preis bereits verdoppelt. Als dann aber -die Küstendistrikte Westafrikas mit dem Kaurigelde überschwemmt -waren, traten andere Tauschobjekte an dessen Stelle, und heute wird -überall in den Kolonialgebieten mit der betreffenden Münze bezahlt. -Noch Henry Stanley bestritt auf seiner berühmten ersten Reise quer -durch Afrika auf der Suche nach dem ver<span class="pagenum"><a id="Seite_460"></a>[S. 460]</span>schollenen David Livingstone -mit 6 Kauris die Tageskost eines Trägers und erhielt von den kein -anderes Tauschmittel kennenden Eingeborenen für 3 ein Huhn und für 2 -zehn Maiskolben. In Angola werden kleine, scheibenförmig geschnittene -Stückchen einer großen Landschnecke (<span class="antiqua">Achatina monetaria</span>) als -Geld verwendet, in Neuguinea die kleine <span class="antiqua">Nassa camelus</span> und -<span class="antiqua">globosa</span>, an der Nordwestküste Nordamerikas noch vor kurzem ein -<span class="antiqua">Dentalium</span>, das deshalb <span class="antiqua">pretiosum</span> heißt, und die große -<span class="antiqua">Haliotis splendens</span>; es gab eine Zeit, da man für ein einziges -Stück der letzteren im Binnenland ein Pferd bekommen konnte.</p> - -<p>Keine andere Konchyliengattung genießt so alte und allgemeine -Beliebtheit als Schmuck des Menschen als die größeren Arten von marinen -Porzellanschnecken. In allen Erdgegenden, selbst bei unkultivierten -Völkern, trifft man sie vermöge ihres glänzenden, buntgefärbten Äußern -als Zierat der Wohnungen oder der Personen.</p> - -<p>Als menschliche Speise übertreffen aber die <em class="gesperrt">Muscheln</em> an -Bedeutung weit die Schneckenarten. Schon dem vorgeschichtlichen -Menschen Europas wie Südamerikas und anderer Küsten waren die am -Strande oder in wenig tiefen Meeresbuchten gesammelten Muscheln eine -willkommene Speise, die sie gern verzehrten. So treffen wir zu Beginn -der neolithischen Zeit an den Küsten Dänemarks eine vorzugsweise von -Muscheln lebende Bevölkerung, die uns ganze Hügel von weggeworfenen -Schalen mit ihren Herdstellen dazwischen hinterließ. Unter -Knochenresten der verschiedensten Landtiere und Hochseefische finden -sich darin besonders Schalen der Auster, Miesmuschel, Herzmuschel, -Gehäuse von allerlei Strandschnecken und anderen Weichtieren. Auch -späterhin haben die Küstenbewohner gern solche Muschelspeise gegessen, -wenn sie auch nicht die Schalen dieser Weichtiere zu derartigen Haufen -aufstapelten wie sie uns in den Kjökkenmöddings Dänemarks und den -Sambaquis Brasiliens entgegentreten.</p> - -<p>Unter allen Muscheltieren ist heute noch die gemeine <em class="gesperrt">Auster</em> -(<span class="antiqua">Ostrea edulis</span>) die geschätzteste zum Verspeisen. Sie kommt -an allen ihr zusagenden Küstengebieten, wo grober Sand oder Steine -liegen und kein Schlick sie zu überdecken und so zum Ersticken zu -bringen vermag, gesellig in sogenannten Austernbänken vor. Wie alle -Muscheln ist sie ein ausgesprochener Küstenbewohner, der im Flachwasser -von Diatomeen, Infusorien und kleinen Krebschen lebt, welche ihm die -Wimperströmung zuträgt. Trotz ihrer ausgiebigen Fortpflanzung vermehrt -sich die Auster nur schwach, weil die Jungen viel Feinden ausgesetzt -sind. Sie ist zwar zwitterig, doch reifen die Eier und Samen nicht -gleich<span class="pagenum"><a id="Seite_461"></a>[S. 461]</span>zeitig, so daß gleichwohl keine Selbstbefruchtung eintreten -kann. Höchstens 30 Prozent, oft aber nur 10 Prozent der Austern sind -trächtig und ältere Exemplare liefern über 1 Million Eier. Die Zeit der -Fortpflanzung fällt in den Sommer. Die Jungen entwickeln sich zunächst -in der Mantelhöhle der Mutter und schwärmen später aus, um sich rasch -irgendwo festzusetzen. Am Ende des ersten Jahres messen sie etwa 3 -<span class="antiqua">cm</span>, sind aber erst mit 4 bis 6 Jahren so groß, daß sie auf den -Markt gebracht werden können.</p> - -<p>Nach Plinius hat zuerst der Römer Sergius Orata zur Zeit des Lucius -Crassus vor dem Marsischen Krieg (91–88 v. Chr.) im Gebiet von Bajae -Austernparks (<span class="antiqua">ostrearum vivarium</span>) errichtet. „Er zog aus -ihnen große Gewinne und behauptete, die lukrinischen Austern von der -kampanischen Küste seien die besten. Damals dienten freilich die Küsten -Britanniens den Römern noch nicht mit ihren Austern. Man holt jetzt -auch welche von Brundisium (dem heutigen Brindisi am Adriatischen Meer) -in die Austernteiche am Lukrinersee und mästet sie in letzterem nach -der langen Seereise. — Die Austern genießen bei reichen Leuten den -Vorzug vor anderen Speisen. Sie lieben das süße Wasser der sich ins -Meer ergießenden Ströme und sind in Farbe verschieden: rot in Spanien, -braun in Illyrien, schwarz an Fleisch und Schale zu Circeji. Für die -besten gelten allerwärts die derben, nicht durch ihren eigenen Schleim -schlüpfrigen; auch verlangt man, daß sie sich durch Dicke, nicht durch -Breite auszeichnen. Man liebt die auf festem Boden, nicht auf Schlamm -oder Sand gefundenen. Sie lassen sich auch leicht in fremde Gewässer -versetzen. Als Arznei sind die Austern sehr wichtig. Für den Magen sind -sie wahrhaft erquickend. Schwelger bedecken sie auch mit Schnee, um sie -kühler zu erhalten, und vermischen so gleichsam die Bergspitzen mit der -Meerestiefe. In ihrer Schale, geschlossen wie sie angekommen, gekocht, -wirken sie kräftig gegen den Schnupfen. Asche von Austerschalen dient -mit Honig gegen Geschwulst des Zäpfchens und der Mandeln.“</p> - -<p>Außer den lukrinischen Austern aus der Umgebung von Neapel liebten -die Römer besonders auch diejenigen vom Golf von Tarent und von -Kyzikos in Mysien. Heute gelten in Italien außer den noch jetzt sehr -geschätzten tarentinischen die Triester Pfahl- und die venezianischen -Arsenalaustern als die besten Sorten. In Frankreich sind diejenigen -von Marennes und La Tremblade, in Belgien die von Ostende, in Holland -die seeländischen von Vlissingen und Middelburg besonders berühmt. In -England gelten außer den Austern aus den Zuchtteichen<span class="pagenum"><a id="Seite_462"></a>[S. 462]</span> von Whitstable -diejenigen von Essex und die von Colchester kommenden sogenannten -Grünbärte (d. h. solche mit durch Einlagerung von winzigen Algen -grünen Kiemen) als die vorzüglichsten. In Norddeutschland werden -meist holsteinische oder Flensburger Austern von der Westküste, -der Strecke von Husum bis Tondern, verzehrt. Weniger schmackhaft -als sie sind die dickschaligen Austern von Helgoland, Friesland, -Schottland und Skandinavien. Außerdem werden sehr viele amerikanische -eingeführt. In der Ostsee gedeihen die Austern heute nicht mehr, da -ihnen das Meerwasser dort zu süß ist. Das Minimum von Salzgehalt, das -sie zu ihrer Existenz bedürfen, ist etwa 17 pro Mille. Am fettesten -und schmackhaftesten werden sie bei 20 bis 30 pro Mille, daher -man, abgesehen von denen des Mittelmeers, auch an den Küsten des -Atlantischen Ozeans und der Nordsee die beliebtesten Austern an Stellen -findet, wo der Salzgehalt des Meeres durch in die Buchten einmündende -Flüsse gemildert wird.</p> - -<p>Seit der römischen Kaiserzeit scheint die Austernzucht nie ganz -verloren gegangen zu sein. Sie erhielt sich besonders bei den -Byzantinern am Hellespont und um Konstantinopel, aber auch im -Abendland, obschon uns aus dem Mittelalter nur wenige Nachrichten -darüber erhalten sind. Daß die Austernzucht auch im Westen Europas nie -ganz aufgehört hat, geht aus einem im Jahre 1375 erlassenen Gesetze -hervor, das verbot, Austernbrut zu einer anderen Zeit als im Mai zu -sammeln und zu versetzen. Besonders scheint die Hegung und Aufzucht -dieser Schaltiere in Teichen an der Themsemündung geübt worden zu -sein, da es sich fand, daß bei Milderung des Meerwassers durch mäßigen -Zutritt von Flußwasser die Austern den Kennern noch besser mundeten. -Diese Austernparks erfüllen einen doppelten Zweck, indem sie Mastställe -und Magazine zugleich sind. Man gibt darin der Brut Gelegenheit, sich -vor Feinden geschützt ruhig zu entwickeln. Es sind gewaltige, durch -Schleusen mit dem Meere verbundene gemauerte Bassins, in denen das -Wasser monatlich zweimal erneuert wird. Die Parks von Marennes und La -Tremblade werden nur zur Zeit der Springfluten, bei Neu- und Vollmond, -mit frischem Wasser versehen. Dreijährig kommen dann die Austern -zum Verkauf. So liefern die drei Parks von Ostende jährlich etwa 15 -Millionen Austern. In den großen Städten werden sie mit Vorliebe von -den Reichen konsumiert, da sie immerhin kein billiges Essen sind. -Paris verbraucht deren jährlich etwa 75 Millionen und London gar 1 -Milliarde. In den Städten der Vereinigten Staaten werden jährlich über -5 Milliarden gegessen<span class="pagenum"><a id="Seite_463"></a>[S. 463]</span> und außerdem noch 120 Millionen nach Europa -abgegeben. In der Chesapeakebay, wo sich die größten Austernparks -finden, werden ganze Wagenladungen verdorbener Pfirsiche, mit denen man -sonst nichts anzufangen weiß, zu ihrer Fütterung ins Meer geworfen. -In Virginien gibt es zahlreiche Austernkonservenfabriken, die die -Vereinigten Staaten mit ihren Produkten versorgen.</p> - -<p>Auch die mit der Auster nahe verwandte <em class="gesperrt">Kammmuschel</em> -(<span class="antiqua">Pecten</span>) wird gern gegessen und besonders zu feinen Ragouts -verwendet, während sich mit ihren Schalen die aus dem Morgenlande -heimkehrenden Pilger Hut und Kleid zu schmücken pflegten. Ebenso -beliebt als Speise ist die <em class="gesperrt">eßbare Miesmuschel</em> (<span class="antiqua">Mytilus -edulis</span>), die am besten in der Nordsee und den nordeuropäischen -Meeren gedeiht. Sie gehört zu den wenigen Meerestieren, die aus den -Meeren mit normalem Salzgehalt, wie aus der Nordsee, in die ziemlich -stark ausgesüßten Binnenmeere, wie die Ostsee, eindringt und hier -ganz gut gedeiht. Hier wird sie in manchen Gegenden ähnlich der -Auster gezüchtet. Hierzu benutzen die Fischer von Ellerbeck bei Kiel -abgehauene Bäume, mit Vorliebe Erlen, denen die feineren Zweige -abgeschnitten wurden. Sie spitzen sie unten zu und versenken sie mit -Hilfe eines Taues und einer Gabel in die Region des lebenden oder toten -Seegrases in 3,6–5,5 <span class="antiqua">m</span> Tiefe fest in den Grund. Das „Setzen“ der -Muschelbäume geschieht zu jeder Jahreszeit, herausgezogen werden sie -aber nur im Winter, am häufigsten auf dem Eise, da dann die Muscheln -am besten schmecken und ungefährlich sind, welch letzteres in wärmeren -Jahreszeiten nicht immer der Fall ist. Den Stand ihrer „Muschelpfähle“, -wie sie diese Bäume nennen, wissen die Fischer durch Merkzeichen am -Lande, die sie aus der Ferne fixieren, aufzufinden. Wenn sie über -einem Baum angekommen sind, treiben sie eine Stange in den Grund, -um den Kahn daran festzubinden; dann schlingen sie ein Tau um einen -Haken, führen dieses unter Wasser um den Stamm des Muschelbaums herum -und winden denselben damit in die Höhe. In ganzen Klumpen hängen dann -nebst anderen Meerestieren die Miesmuscheln daran, die sich mit vom Fuß -ausgeschiedenen Fäden, dem Byssus, an ihnen fest verankert haben, damit -sie nicht von der Strömung weggerissen werden. In der Kieler Bucht -werden jährlich wenigstens 1000 Muschelpfähle gesetzt und ebensoviel -gezogen, nachdem sie 3 bis 5 Jahre gestanden haben. Auf den Kieler -Markt kommen den Winter hindurch über 4 Millionen Stück solchermaßen -geernteter Miesmuscheln und finden willig Abnehmer, da sie recht gut -schmecken.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_464"></a>[S. 464]</span></p> - -<p>Während die haarähnlichen Fäden, mit denen sich die Miesmuscheln am -Boden verankern, grob und steif sind, sind sie bei manchen Arten, -wie bei der langgestreckten <em class="gesperrt">Steckmuschel</em> (<span class="antiqua">Pinna</span>) fein, -geschmeidig und seidenglänzend, so daß sie hier und da, allerdings -mehr als Kuriosität für die Fremden und nicht zum täglichen Gebrauch, -zu Geweben versponnen werden. So werden in Unteritalien, besonders -in Tarent und Reggio, fein anzufühlende goldbraune Handschuhe aus -solchen Byssusfäden gewoben. Eine solche Verwendung geht mindestens -bis in die späteren Zeiten des Römerreiches zurück, da schon der 220 -n. Chr. verstorbene Kirchenvater Tertullian sie erwähnt. Zu diesem -Zwecke werden die in ruhigen Meerbusen mit Schlammgrund wenige Meter -tief in großen Mengen aufrecht beieinander sitzenden Steckmuscheln -mit einem eigenen Instrument gefischt. Es besteht aus zwei gebogenen, -an beiden Enden miteinander verbundenen dünnen Eisenstangen und -wird so an der Muschel herabgelassen, daß es an beiden Seiten des -breiteren Teiles derselben hinabgleitet und dann durch Drehung um einen -rechten Winkel dieselbe festhält und herauszieht. Früher wurde diese -<em class="gesperrt">Muschelseide</em> besonders im Neapolitanischen hergestellt. Außer -zur Gewinnung des Byssus werden die Steckmuscheln, von denen <span class="antiqua">Pinna -squamosa</span> des Mittelmeers 56 <span class="antiqua">cm</span> lang wird, auch ihres -zwar weniger guten Fleisches wegen erbeutet. Schon die Alten hatten -beobachtet, daß die Steckmuschel in ihrer Mantelhöhle einen rundlichen -Krebs beherbergt, den sie — wie uns Plinius und Älian berichten -— <span class="antiqua">Pinnotheres</span> oder <span class="antiqua">Pinnophylax</span>, d. h. Wächter der -Steckmuschel (<span class="antiqua">pinna</span>) nannten. Dieser sollte in der Weise für die -Ernährung der blinden Muschel sorgen, daß er letztere, die ihre Schalen -öffnet, um ihren Fuß als Köder für Fische auszustrecken, kneift, wenn -sich einige Fischchen in sie hineinbegeben haben. Die Muschel schließe -dann ihre Schalen und verzehre gemeinsam mit ihrem Genossen, dem -Krebschen, die so gemachte Beute. Selbstverständlich ist dies ein, wenn -auch recht anmutig erdachtes, Märchen.</p> - -<p>Die größte aller Muscheln ist die in den Korallenriffen des Indischen -Ozeans lebende <em class="gesperrt">Riesengienmuschel</em> (<span class="antiqua">Tridacna gigas</span>), die -ein Gewicht von 100–200 <span class="antiqua">kg</span> erreicht, ohne die Schale allerdings -nur bis zu 10 <span class="antiqua">kg</span> schwer wird. Ihr Fleisch wird zum Essen -benutzt, ihre ungemein massiven Schalen mit gewulsteten Rippen aber -nicht selten in katholischen Kirchen als Weihwasserbecken aufgestellt -oder zu Wasch- oder Springbrunnenschalen benutzt. Jedenfalls fehlen -sie als imposante Schaustücke keinem größeren Museum mariner Tiere. -Weniger auf<span class="pagenum"><a id="Seite_465"></a>[S. 465]</span>fallend aber kulturgeschichtlich unvergleichlich -wichtiger als sie ist die ebenfalls dem Indischen Ozean angehörende -<em class="gesperrt">echte Perlmuschel</em> (<span class="antiqua">Avicula margaritifera</span>), deren bis 30 -<span class="antiqua">cm</span> lange, rauhe, äußerlich meist von Moostierchen und Kalkalgen -überzogene, flache Schalen auf grünbraunem Grunde weiße Strahlen und -nach außen zu immer stärker werdende Schuppen tragen und mit einem -grünlichen grob-faserigen Byssus fest an der steinigen Unterlage -befestigt sind. Wie sie inwendig von einer unverhältnismäßig dicken -Perlmutterschicht bedeckt sind, so scheidet der dieselbe ausscheidende -Mantel auch um alle unter ihn gedrungene Fremdkörper, vornehmlich -Parasiten der verschiedensten Art, dieselbe Perlmuttermasse ab, wodurch -die in Sage und Geschichte so berühmten <em class="gesperrt">Perlen</em> entstehen. Sie -liegen nicht immer frei zwischen Mantel und Schale, sondern sind häufig -mit letzterer verwachsen, haben auch oft statt der kugeligen eine -unregelmäßige Form. Außer der Gestalt bestimmen Größe, Farbe, Glanz -und die sogenannte Klarheit oder das Wasser ihren Wert. Wegen ihrer -Größe sind die sehr unregelmäßigen, eckigen Beulen- oder Brockenperlen, -wegen ihrer gleichmäßigen, schönen Rundung die Stückperlen teuer. -Was die Färbung betrifft, werden in Europa die weißen, auf Ceylon -die rosenfarbigen, im Orient die ins Gelbliche spielenden Perlen am -meisten geschätzt. Sind schöne Perlen auch noch groß, wie die größte -in Europa bekannt gewordene, die taubeneigroße Perle König Philipps -II. von Spanien, des Sohnes Kaiser Karls V. und Isabellas -von Portugal (1527–1598), so haben sie einen ungeheuren Wert. An Papst -Leo X., den zweiten Sohn Lorenzo il Magnificos von Medici, der -1513 Papst wurde und, um seinen Finanzen aufzuhelfen, den bekannten, -schließlich zur Reformation der Kirche führenden Ablaßhandel besonders -schamlos in Szene setzte, verkaufte ein Venezianer eine Perle für -264000 Mark unseres Geldes. Den Wert der großen Perle, die Kleopatra -in Essig aufgelöst trank, um dem Antonius zu imponieren, schätzte -man auf 1<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Millionen Mark. Außer den schön runden Stück- und den -eckigen Brockenperlen unterscheidet man noch die auf einer Seite -flachen Kartenperlen und die nicht gut anbohrbaren, nur zur Einfassung -von Schmuckgegenständen dienenden Staubperlen. Man spricht auch von -Zahl-, Unzen- und Lotperlen und sortiert sie für den Handel durch 5–10 -verschiedene Siebe mit engeren und weiteren Löchern. Außer den Perlen -werden auch die als <em class="gesperrt">Perlmutter</em> in ganzen Schiffsladungen nach -Europa kommenden Schalen der Perlmuscheln vielfach zur Anfertigung von -Knöpfen, Messergriffschalen und dergleichen verwendet.<span class="pagenum"><a id="Seite_466"></a>[S. 466]</span> 1 <span class="antiqua">kg</span> -derselben repräsentiert einen Wert von 3 Mark. Die schlechteren Stücke -werden in manchen Gegenden Südasiens gelegentlich auch als Dachziegel -verwendet. Aus dem Schloßband der Perlmuschel schneidet man den wie -Labradorstein schillernden <em class="gesperrt">Pfauenstein</em>, der zur Herstellung von -allerlei Schmuck dient.</p> - -<p>Die echte Perlmuschel ist an den Küsten des Indischen und Stillen -Ozeans weit verbreitet und lebt gesellig in Tiefen von 6–45 <span class="antiqua">m</span>, -am meisten zwischen 8 und 16 <span class="antiqua">m</span>, und wird, wo sie häufig ist -und erfahrungsgemäß öfters Perlen birgt, von Tauchern auf gut Glück -heraufgeholt. Diese können, durch lange Übung dazu befähigt, 2–3 -Minuten unter Wasser bleiben. Sie tauchen, den Fuß durch eine Schlinge -mit einem schweren Stein gesteckt und mit einem Messer zur Abwehr der -Haie bewaffnet, wie auch von den Mantras — den Zaubersprüchen — -des mit hinausfahrenden Priesters begleitet, vom Boot aus ins Meer, -reißen oder schneiden die mit einem Byssus an den Grund gehefteten -Perlmuscheln ab, stecken deren etwa 50 in ein von ihnen über den -Nacken getragenes Netz, geben dann den Leuten im Taucherboot durch -Rütteln des an ihnen befestigten Strickes ein Zeichen, werden von -diesen heraufgezogen und beginnen die Arbeit nach kurzer Pause von -neuem. Etwa 40 bis 50mal können sie an einem Tage nacheinander auf den -Meeresgrund tauchen, dann aber sind sie so erschöpft, daß sie einer -längeren Ruhe zu ihrer Erholung bedürfen. Nicht selten werden sie bei -ihrem nicht ungefährlichen Berufe die Beute der gefürchteten Haifische -oder von den Sägehaien verletzt. Weit häufiger aber werden sie ein -Opfer ihrer ungesunden Lebensweise; denn nicht selten stürzt ihnen, -nachdem sie einige Male getaucht sind, ein Blutstrom aus Nase und -Mund. Sie leben während der Fischzeit von Datteln, Fischen und Reis, -den ihnen die Engländer liefern, und setzen sich während des Tauchens -nach Perlmuscheln ein Stück elastisches Horn über die Nasenöffnung, -welche dadurch fest zusammengehalten wird. Die gefischten Muscheln läßt -man, damit sie ihre Klappen öffnen und die Perlen herausgesucht werden -können, eine Zeitlang am Ufer faulen, was im Sommer bei einer Hitze -von oft 50° <span class="antiqua">C.</span> einen furchtbaren Gestank verursacht, so daß der -Aufenthalt an diesen sonst paradiesischen Gestaden nichts weniger als -ein Genuß ist. Oft findet man in 20 Muscheln nicht eine einzige Perle, -ausnahmsweise aber auch wohl 20 Perlen in einer einzigen Muschel. -Neuerdings hat man vorgeschlagen, die Röntgenstrahlen zur Prüfung -der frischgefischten Perlmuscheln auf Perlen zu verwenden und alle -perlenfreien ins Meer zu werfen,<span class="pagenum"><a id="Seite_467"></a>[S. 467]</span> um sie gelegentlich später wieder auf -etwaige Bildung von Perlen zu untersuchen. Es ist dies natürlich eine -sehr rationelle und humane Neuerung, so daß die unzähligen Stücke, die -bisher nutzlos ihr Leben lassen mußten, geschont werden könnten.</p> - -<p>Die Zeit der Perlenfischerei sind an den Küsten des Indischen Ozeans -die Monate März-April und August-September, weil alsdann in der Zeit -zwischen dem Ost- und Westmonsun Windstille zu herrschen pflegt, was -sowohl für die Sicherheit der die Taucher begleitenden Fahrzeuge, als -für das bessere Sehen unter Wasser von Wichtigkeit ist. In dieser -Zeit belebt sich der sonst so öde Strand der Perlmuschelgegenden -nicht nur durch die Perlenfischer selbst, sondern durch die -Lebensmittelverkäufer, Unterhändler und allerlei Gesindel, die in -der Regel noch einen sichereren Gewinn machen als die Perlenfischer -selbst, die miserabel bezahlt sind, nämlich außer einem kleinen Anteil -an den erbeuteten Muscheln nur 30 Cent (= 41 Pfennige) Lohn im Tag -erhalten. Die Taucher stehen im Dienst größerer Unternehmer, die an die -Regierung des Landes, an deren Küste sie fischen, entweder eine feste -Pachtsumme oder einen bestimmten Teil des Ertrages bezahlen. Dieser ist -sehr verschieden in den einzelnen Jahren. In der Regel wird dieselbe -Perlmuschelbank erst nach 5 bis 7 Jahren wieder befischt, um sie nicht -so sehr zu erschöpfen. Zuweilen werden vor Beginn der eigentlichen -Fischerei Proben genommen und da, wo 1000 Muscheln nicht Perlen im -Werte von 1<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span>–3 Mark ergeben, die Fischerei ganz unterlassen. Ein -anderthalbfach größerer Ertrag gilt schon für recht günstig.</p> - -<p>Die wichtigsten Perlmuschelbänke liegen um die Dahlakinseln im Roten -Meer, um die Bahreininseln und die Insel Ormus im Persischen Meerbusen. -Von der letzteren sagt ein persisches Sprichwort: Wäre die Erde ein -Ring, so wäre Ormus der Edelstein darin. Gegen 30000 Menschen sollen -den Sommer hindurch im Persischen Meerbusen mit der Perlfischerei -beschäftigt sein und dabei einen Gesamtgewinn von jährlich etwa 80 -Millionen Mark erzielen. Andere wichtige Perlmuschelbänke liegen an -der Westküste Ceylons, im Golf von Manaar in der Bai von Kondatschi -und in der Meerenge zwischen Ceylon und der Küste von Madura, an -der sogenannten Perlküste, wo die englische Regierung das Recht zur -Perlfischerei besitzt und regelmäßig ausübt. Dabei läßt sie jedes Jahr -nur bestimmte Perlbänke und diese erst wieder nach 6–7 Jahren absuchen -und erzielt einen jährlichen Gewinn von <span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span>–4 Millionen Mark. Hier sind -die<span class="pagenum"><a id="Seite_468"></a>[S. 468]</span> Perlbänke an die <span class="antiqua">Ceylon Company of Pearl Fishers</span> vermietet, -die die Tagesernte von Muscheln in Säcken von 1000 Stück gleich an -Ort und Stelle öffentlich versteigern lassen, während die Taucher -ihren Anteil in Partien von ungefähr 6 Muscheln auf dem Fischmarkt von -Colombo verhökern lassen. Bei den Auktionen erzielt der Sack von 1000 -Austern durchschnittlich 30 Rupies (= 58 Mark). Sowie aber in einem -von diesen eine besonders kostbare Perle gefunden wurde, schnellen -die Preise der nächsten Säcke plötzlich in die Höhe und erzielen -zwischen 100 und 200 Rupies (= 192 und 386 Mark), bis der Eifer der -aus der ganzen Welt zusammengeströmten Perlenhändler verrauscht -ist. Die Muscheln der ersteigerten Säcke werden von den mehr oder -weniger glücklichen Besitzern sofort geöffnet und auf etwaige Perlen -untersucht. Diejenigen, die keine Perle enthalten, werden einfach -fortgeworfen.</p> - -<p>Außer bei Ceylon wird auch bei den Suluinseln zwischen Borneo und -den Philippinen schon seit langem Perlfischerei getrieben, ebenso -neuerdings bei Japan, an einigen Stellen der Nordküste Australiens und -in Polynesien. In Amerika und an seinen tropischen Küsten, wo die echte -Perlmuschel des Indischen Ozeans durch eine ihr sehr nahe verwandte Art -vertreten ist, betreibt man im Meerbusen von Kalifornien, im Meerbusen -von Mexiko und an den Küsten Westindiens Perlfischerei, namentlich aber -bei den Perlasinseln im Meerbusen von Panama und bei der Karaibeninsel -Margarita, die Kolumbus so, d. h. Perleninsel benannte. Hier wurden sie -von den Indianern schon vor der ersten Ankunft der Europäer geschätzt -und gesammelt. So traf Kolumbus auf seiner dritten Reise 1498 in der -Nähe der Orinokomündungen Indianerinnen, welche Perlschnüre als Arm- -und Halsbänder trugen und gab der in der Nähe befindlichen Insel, an -deren Küste die Eingeborenen nach Perlen fischten, eben den Namen -Margarita. Ebenso erhielt Vasco Nuñez de Balboa 1513, da er als erster -Europäer am Golf von Darien die Landenge von Mittelamerika überstiegen -und den Stillen Ozean erreicht hatte, von einem dortigen Häuptling an -der Küste 240 Perlen als Geschenk. Später wurden die Halbinseln Guajiro -und San Marta, an der Mündung des Magdalenenstroms, sowie La Paz am -Meerbusen von Kalifornien berühmte Stellen für Perlfischerei. Die -„okzidentalischen“ Perlen sollen durchschnittlich größer, aber weniger -glänzend als die orientalischen sein.</p> - -<p>Der Gebrauch der letzteren als Schmuck ging offenbar von Indien -aus, von wo bis in die späte römische Kaiserzeit nach dem Bericht -der<span class="pagenum"><a id="Seite_469"></a>[S. 469]</span> griechischen und römischen Autoren die meisten Perlen in die -Mittelmeerländer gelangten. Im Heldengedichte Ramajána werden sie -als etwas Bekanntes mehrfach erwähnt. Von der Sanskritbezeichnung -dafür, <span class="antiqua">mangara</span>, dürfte sich die griechisch-lateinische -Bezeichnung <span class="antiqua">margaros</span>, später <span class="antiqua">margarita</span>, ableiten. Auch -das romanische Wort für Perlmutter, französisch <span class="antiqua">nacre</span>, stammt -von einem orientalischen Worte ab. Das hochdeutsche „Perle“ dagegen -ist wahrscheinlich ursprünglich nur eine vergleichende Bezeichnung, -vom lateinischen <span class="antiqua">pirula</span>, d. h. kleine Birne. Homer kannte die -Perlen und deren Verwendung als Schmuck noch nicht. In der griechischen -Literatur werden sie zuerst von Theophrast, einem Schüler des -Aristoteles, erwähnt, nachdem durch Alexanders des Großen Eroberungen -die Griechen mit dem Orient in engere und mit Indien zuerst in direkte -Verbindung gekommen waren. Nach Athenaios sagt Theophrast in seinem -Buche über die Steine folgendes über die Perle: „Unter den bewunderten -Steinen gehört auch die Perle; sie ist von Natur durchscheinend und -dient zu verschiedenartigen Halsbändern. Sie kommt aus Muscheln, welche -der Steckmuschel ähnlich, jedoch kleiner sind, und hat die Größe großer -Fischaugen.“</p> - -<p>Androsthenes sagt in der Beschreibung seiner Schiffahrt entlang der -Küste Indiens: „Es gibt dort eine eigentümliche Muschel, welche die -Eingeborenen <span class="antiqua">berberi</span> nennen und aus welcher der Perlstein -(<span class="antiqua">margarítis líthos</span>) kommt. In Asien werden sie hoch geschätzt -und nach Persien und weiter hinauf verhandelt. Die Muschel sieht der -Kammuschel ähnlich, ist aber nicht gefurcht, sondern glatt und rauh; -sie hat auch die zwei ohrförmigen Hervorragungen nicht, welche die -Kammuschel hat, sondern nur eine. Die Perle entsteht im Fleische des -Tieres und ist entweder so goldfarbig, daß man sie vom Gold kaum -unterscheiden kann, oder silberfarbig, oder vollkommen weiß wie -(gekochte) Fischaugen.“</p> - -<p>Chares von Mitylene schreibt im siebenten Buche der Geschichte -Alexanders: „Im Indischen Meere werden Muscheln gefangen, aus denen -man weiße Knöchelchen nimmt, die Perlen genannt und, an Schnüren -aufgereiht, zu Schmuck für Hals, Hände und Füße verwendet werden. -Sie werden in Persien, Medien und (Klein-) Asien höher geschätzt als -aus Gold gemachte.“ Isidoros von Charax in Susiana sagt in seiner -Beschreibung Parthiens: „Im Persischen Meere liegt eine Insel, woselbst -es sehr viele Perlen gibt. Deswegen befinden sich bei der Insel viele -aus Rohr geflochtene Kähne, aus welchen Taucher ins Meer springen, bis -zur Tiefe von 20 Ellen hinabsteigen und die<span class="pagenum"><a id="Seite_470"></a>[S. 470]</span> Muscheln heraufbringen. -Die meisten und besten Perlen sollen in den Muscheln entstehen, -wenn Donnerschläge und Platzregen fallen. Im Winter verstecken sich -die Muscheln im Abgrund, im Sommer aber öffnen sie sich bei Nacht, -schwimmen hin und her, schließen aber bei Tag die Schalen. Diejenigen -aber, die an Klippen festwurzeln, erzeugen daselbst die Perlen. Die im -Abgrunde wohnenden Muscheln erzeugen die glänzendsten, reinsten und -größten Perlen; bei den herumschwimmenden und in der Höhe lebenden sind -sie dagegen an Größe und Farbe geringer.“</p> - -<p>Sehr eingehend behandelt Plinius in seiner Naturgeschichte die Perlen. -Er sagt dort von ihr: „Unter allen Kostbarkeiten sind die Perlen -(<span class="antiqua">margarita</span>) das Kostbarste. Man bezieht sie vornehmlich aus dem -Indischen Meere, wo sie mitten unter den schrecklichen Seeungeheuern -gedeihen, von wo man sie aus jenem glühenden Himmelsstriche, mitten -durch so viel Länder und Meere, bis zu uns schafft. Die meisten werden -bei der Insel Taprobane (Ceylon) und Stoidis, sowie beim indischen -Vorgebirge Perimula (Kap Komorin) gefunden. Vorzüglich gelobt werden -diejenigen aus dem bei Arabien liegenden Persischen Meerbusen. Die -Entstehung und Fortpflanzung der Perlmuschel unterscheidet sich von -der der Auster nicht sehr bedeutend. Im Frühjahr öffnen sich die -Perlmuscheln, saugen den Tau ein, werden dadurch befruchtet, und Perlen -sind die daraus hervorgehende Frucht, deren Reinheit sich nach der -Reinheit des empfangenen Taues richtet. Geschah die Befruchtung bei -stürmischem Himmel, so werden die Perlen bleich; denn sie stammen vom -Himmel und nicht vom Meere, werden daher wolkig oder rein, je nachdem -der Himmel es war. Sättigen sich die Muscheln frühzeitig am Tau, so -werden die Perlen groß; blitzt es, so schließen sich die Muscheln, und -je länger sie dann fasten, um so kleiner werden die Perlen. Donnert -es aber noch dazu, so schließen sie sich im Schrecken ganz fest und -bringen nur eine hohle Blase statt einer Perle hervor. Vollkommene -Perlen bestehen aus vielfachen, gleichsam häutigen Lagen und bilden -sozusagen eine Schwiele, weshalb sie auch von Sachverständigen erst -gereinigt werden. Da sie den Himmel so sehr lieben, wunderts mich, daß -sie nicht auch mit der Sonne in freundschaftlicher Verbindung stehen; -denn von letzterer werden sie rot gefärbt und verlieren ihre weiße -Farbe gleich der menschlichen Haut. Das reinste Weiß zeigen daher -diejenigen, welche so tief im Meere stecken, daß die Sonnenstrahlen -sie nicht erreichen. Doch auch diese werden im Alter gelb und runzlich -und glänzen nur solange sie rund sind.<span class="pagenum"><a id="Seite_471"></a>[S. 471]</span> Im Alter werden sie auch dick -und hängen so fest an der Muschelschale, daß man sie nur mit der Feile -trennen kann. Übrigens sind die Perlen im Wasser weich, werden aber -augenblicklich hart, wenn man sie herausnimmt.</p> - -<p>Wenn die Perlmuschel die Hand des Menschen bemerkt, so schließt sie -sich und versteckt ihren Schatz, weil sie weiß, daß man danach strebt. -Packt sie die Hand zwischen ihren Schalen, so schneidet sie sie zur -gerechten Strafe ab; jedoch ist dies nicht die einzige Gefahr, welche -den Fischer bedroht; denn sie wohnt meist zwischen Klippen, und im -hohen Meere ist sie von Haifischen umgeben. Aber das alles kümmert die -Damen nicht, deren Ohren Perlen zieren. Manche Leute erzählen, die -Perlmuscheln haben gleich den Bienen einen König, der sich durch Alter -und Größe auszeichne und Nachstellungen äußerst schlau zu entgehen -wisse. Diesen König suchen die Taucher vor allem zu erhaschen, die -übrigen würden dann leicht in Netzen gefangen. Man tut sie dann in -irdene Gefäße, bestreut sie tüchtig mit Salz. Wenn dann das Fleisch -verfault ist, fallen die Perlen zu Boden.</p> - -<p>Es ist gewiß, daß die Perlen durch den Gebrauch abgenutzt werden und -die Farben verlieren, wenn man sie nicht sorgfältig behandelt (Tatsache -ist, daß sie in häufiger Berührung mit der menschlichen Haut sich -besser halten als in den Schmuckkästchen aufbewahrt). Ihr Wert richtet -sich nach der hellen Farbe, nach Größe, Rundung, Glätte und Gewicht, -Dingen, die so selten vereinigt sind, daß man nie zwei ganz gleiche -Perlen findet. Auch in der Farbe zeigt sich ein großer Unterschied. -Im Roten Meere haben sie ein helleres Weiß, die indischen dagegen -sehen aus wie Marienglas, sind aber vorzüglich groß. Das größte Lob -für eine Perle ist, wenn man sie alaunfarbig nennen kann. Auch die -länglichen Perlen sind beliebt. Die Damen halten es für einen großen -Ruhm, an Fingern und Ohren Perlen zu tragen, welche die Gestalt einer -langen, unten dicken Birne haben. An jedes Ohr hängen sie deren sogar -zwei bis drei. Verschwendungssucht und üble Sitten haben auch für -dergleichen Schmuck eigene Namen erfunden; denn man nennt solche -Ohrgehänge Klappern (<span class="antiqua">crotalia</span>), weil sie ein für die Eitelkeit -ganz liebliches Geklapper hervorbringen. Selbst die Ärmeren wollen -jetzt solchen Schmuck, und ihre Frauen möchten auch auf der Straße ihre -Anwesenheit durch Perlengeklapper anzeigen. Ja sie zieren sogar ihre -Füße damit, und zwar nicht bloß die Schuhbänder, sondern die ganzen -Schuhe. Es ist ihnen nicht genug, Perlen zu tragen; sie wollen sogar -auf Perlen gehen und sie mit Füßen treten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_472"></a>[S. 472]</span></p> - -<p>Daß die Perlen eine dichte Masse bilden, sieht man daraus, daß sie -beim Fallen nicht zerbrechen. Nicht immer findet man sie mitten im -Fleische der Muschel, sondern bald hier, bald dort; ja, ich habe welche -schon ganz am Rande gesehen, als ob sie herausfallen wollten, und in -manchen Muscheln 4–5. Bis jetzt hat man nur sehr wenige gefunden, die -um ein Skrupel schwerer gewesen wären als zwei Lot (=35 <span class="antiqua">g</span>). -Auch in Britannien müssen Perlen, jedoch kleine und nicht sonderlich -schöngefärbte, wachsen, weil Julius Cäsar den Brustharnisch, den -er der Venus weihte, für eine aus britannischen Perlen gemachte -Seltenheit ausgab. (Es sind dies, wie wir alsbald sehen werden, von der -europäischen Flußperlmuschel gewonnene Perlen.)</p> - -<p>Ich habe die Gemahlin des Kaisers Gajus (Caligula, dritter römischer -Kaiser 37–41 n. Chr.), Lollia Paulina, gesehen, wie sie bei einem ganz -gewöhnlichen Verlobungsschmause, wobei keineswegs ein großer Aufwand -an Pracht verlangt wurde, mit Smaragden und Perlen bedeckt war, die in -wechselnden Reihen schimmerten. Am ganzen Kopfe, auf den Haaren, der -Kopfbinde, den Ohren, dem Halse, dem Halsbande, den Fingern befanden -sich so viel, daß sich der Wert derselben auf 40 Millionen Sesterzien -(= 6 Millionen Mark) belief, was sie selbst aus ihren Quittungen zu -beweisen bereit war. Diese Herrlichkeiten waren nicht einmal Geschenke -des verschwenderischen Kaisers, sondern ererbte, durch Plünderung -der Provinzen zusammengescharrte Reichtümer. Das ist der Erfolg von -Räubereien und Geschenken, die Marcus Lollius schändlicherweise im -ganzen Orient von den Königen erpreßte, weswegen ihm Gajus Cäsar, der -Sohn des Augustus, die Freundschaft aufsagte, so daß er sich in der -Verzweiflung vergiftete. Das also hat er durch sein Leben und durch -seinen Tod erlangt, daß seine Enkelin mit einem 40 Millionen kostenden -Schmucke beim Scheine der Lichter glänzen konnte.</p> - -<p>Nun wollen wir einmal den Schmuck des Curius und Fabricius (sehr -einfach lebender Römer der guten, alten Zeit) bei Triumphzügen und -ihre (sehr bescheidenen) Mahlzeiten einerseits und die schmausende -Lollia andererseits vergleichen. Wäre es nicht besser gewesen, sie -wären von ihren Triumphwagen hinuntergeworfen worden, als daß sie -für solche Nachkommen gesiegt hätten? — Doch das ist nicht einmal -das ärgste Beispiel der Verschwendung. Die zwei größten Perlen, die -man seit Menschengedenken gefunden hat, besaß Kleopatra, die letzte -ägyptische Königin; sie hatte sie von orientalischen Königen geerbt. -Als sie nun täglich von Antonius mit den ausgesuchtesten Leckerbissen -ge<span class="pagenum"><a id="Seite_473"></a>[S. 473]</span>mästet wurde, spottete sie doch stolz, frech und übermütig über alle -seine Herrlichkeiten, und als er fragte, wie er denn noch kostbarere -Sachen herbeischaffen könne, gab sie die Antwort, sie wolle bei einer -einzigen Mahlzeit 10 Millionen Sesterzien (= 1<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Millionen Mark) -vertun. Antonius hielt die Sache für unmöglich, war aber doch begierig, -zu erfahren, was sie tun würde. Es kam zur Wette. Am folgenden Tag, -dem Tage der Entscheidung, gab Kleopatra, um den Tag nicht ungenossen -vorübergehen zu lassen, ein glänzendes, übrigens ganz alltägliches -Mahl, und Antonius machte sich darüber lustig und fragte nach der -Rechnung. Das ist nur eine kleine Zugabe, antwortete Kleopatra; die -Mahlzeit wird den bestimmten Preis kosten, und ich selbst will allein -die 10 Millionen verschlucken. Sie befahl nun, den Nachtisch zu -bringen. Auf Befehl stellten die Diener nichts vor sie hin als eine -Schale mit Essig, dessen Säure die Perlen auflöst. Sie trug jenes -herrliche und wahrhaft einzige Geschenk der Natur als Ohrschmuck. -Während nun Antonius voller Erwartung dasaß, nahm sie die eine Perle -vom Ohr, warf sie in den Essig, und trank sie, nachdem sie sich -aufgelöst hatte (was allerdings nur sehr langsam vor sich gegangen sein -wird). Eben war sie im Begriff, mit der andern Perle (dem Ohrgehäng -der andern Seite) ebenso zu verfahren, als Lucius Plancus, der -Schiedsrichter bei dieser Wette, ihre Hand zurückhielt und den Antonius -für besiegt erklärte. Die damals gerettete Perle hat sich später -ebenfalls einen Namen gemacht; denn sie wurde nach der Gefangennahme -der Kleopatra in zwei Teile zerschnitten, deren jeder ein Ohr der Venus -(der angeblichen Ahnfrau des julischen Geschlechtes) im Pantheon zu Rom -geziert.</p> - -<p>Doch Antonius und Kleopatra brauchen mit ihrer Verschwendung nicht so -gar groß zu tun; denn sie können sich darin kaum mit einem Schauspieler -messen. Dieser war Clodius, der Sohn des Tragikers Äsop und Erbe -seiner unermeßlichen Reichtümer. Dieser Clodius nahm noch vor der Zeit -des Antonius Perlen von großem Werte, löste sie auf und trank sie, -nicht, um in einer Wette zu siegen, sondern nur um zu wissen, wie sie -schmecken. Und wie sie ihm nun herrlich mundeten, gab er auch jedem -seiner Gäste eine zu verschlucken.“</p> - -<p>Diese Sucht nach Perlengeschmeide, die Plinius an den Römerinnen seiner -Zeit (nach der Mitte des 1. Jahrh. n. Chr.) rügt, so daß sie diese Zier -nicht nur in den Ohren, sondern auch als Halsschmuck in 1–3 Reihen und -danach in Anlehnung an die betreffenden griechischen Bezeichnungen als -Mono-, Di- und Trilinum bezeichnet, dann sogar<span class="pagenum"><a id="Seite_474"></a>[S. 474]</span> an den Schuhen trugen, -war durch Beeinflussung der Orientalen zuerst bei den alexandrinischen -Griechen aufgekommen und wurde bei den reichen Römern erst nach -den asiatischen Feldzügen des Pompejus Mode. Erst in der späteren -Kaiserzeit, wie auch bei den Byzantinern, wurde ein übermäßiger Luxus -damit getrieben, wie dies die morgenländischen Herrscher, speziell die -persischen und indischen, das ganze Mittelalter hindurch bis in die -Gegenwart taten, indem sie nicht nur die Kopfbedeckung und die ganze -Gewandung, sondern auch ihre Waffen und übrigen Gebrauchsgegenstände -mit Perlen wie auch Edelsteinen überzogen. Manche römische Kaiser -suchten allerdings dem Perlenluxus entgegenzutreten. So der -sittenstrenge Alexander Severus, von dem uns sein Biograph Älius -Lampridius folgende Geschichte berichtet: „Dem Kaiser Alexander Severus -brachte einstmals ein Gesandter für seine Gemahlin zwei ausgezeichnet -große und schwere Perlen zum Geschenk. Der Kaiser bot sie zum Verkauf -aus, und da sich kein Käufer dafür fand, so ließ er sie in die Ohren -der Venus (auf dem Kapitol) hängen und sagte: ‚Trüge die Kaiserin -solche Perlen, so würde sie andern Damen ein böses Beispiel geben, -indem sie Schmuck von so hohem Werte trüge, daß niemand ihn bezahlen -könnte.‘“</p> - -<p>Der um 180 n. Chr. lebende griechische Sophist Claudius Älianus aus -Präneste erzählt uns mancherlei von der, wie er sich ausdrückt, „von -unverständigen Männern gepriesenen und von den Weibern bewunderten -Perle“ und fügt hinzu, daß durch den Perlenhandel gar manche Leute -reich geworden seien. Er nennt als Herkunftsort der besten Perlen das -Rote Meer und die Küste zwischen Ceylon und Indien. Dort würden die -Perlmuscheln, in denen die Perlen dadurch entstehen sollten, daß ein -Blitz in die geöffneten Muscheln leuchte, an heitern Tagen bei ruhigem -Meere mit großen Netzen gefischt. Sie schwämmen herdenweise umher und -hätten Führer, wie die Bienen ihre Könige haben. „Diese Führer sollen -sich durch Farbe und Größe auszeichnen. Ist nun ein solcher gefangen, -so fällt die ganze verwaiste Herde in die Hände des Tauchers; deswegen -sind letztere auf den Fang des Führers sehr erpicht. Solange der -Führer noch lebt, weiß er die Herde mit klugen Schwenkungen zu lenken -und zu retten; ist er aber verloren, so rührt sich die Herde nicht -vom Fleck, wie eine Schafherde, die ihren Hirten verloren hat. Die -gefangenen Muscheln werden, wie man sagt, in Fässern eingesalzen; wenn -dann das Fleisch verzehrt ist, bleiben die Perlen zurück. Man kann in -den größten Muscheln kleine Perlen finden und in den kleinen große. -Manche Muschel hat gar<span class="pagenum"><a id="Seite_475"></a>[S. 475]</span> keine, manche nur eine; in vielen aber sind sie -zahlreich. Ja, man sagt, es können in einer Muschel 20 Perlen sein. Die -Perle wächst im Fleische der Muschel wie ein Dorn; öffnet also jemand -die Muschel, ehe sich Perlen in ihr erzeugt haben, so findet er keine. -Es ist auch bekannt, daß Perlmuscheln, denen man die Perlen genommen -hatte und die man wieder freiließ, neue erzeugten, als wüßten sie, daß -sie sich mit diesem Schatze loskaufen könnten. Die Perle gleicht einem -Steine und enthält in sich nicht die geringste Feuchtigkeit. Sie ist -von Natur glatt und rund. Will jemand eine Perle, deren Gestalt ihm -mißfällt, durch Kunst abändern, so gelingt dies nicht; sie wird rauh -und verrät dadurch den Betrug. Die ganz weißen und großen gelten für -die vollkommensten.“</p> - -<p>Bis auf den heutigen Tag hat sich die Perle in der ganzen Kulturwelt -ihre Schätzung als Schmuckstein erhalten. Besonders Halsgeschmeide -von großen, gleichmäßig runden Stücken sind auch zu unserer Zeit sehr -beliebt. Berühmt ist der Perlenschmuck verschiedener europäischer Höfe, -auch derjenige der deutschen Kaiserin, die eine besondere Vorliebe -für Perlen hat. Manche dieser Geschmeide sind berühmt und haben ihre -Geschichte wie einzelne hervorragende Diamanten.</p> - -<p>Das zunehmende Seltnerwerden der wertvollen Perlmuschel gab -Veranlassung, sie künstlich in abgeschlossenen Meeresbecken zu züchten -und ihr Fremdkörper unter den Mantelraum zu schieben, damit sie Perlen -daraus bilde. Die Erfolge sind nun auch ganz günstig. Schon lange vor -den Europäern haben die Chinesen sich mit der künstlichen Erzeugung -von Perlen und dem Überziehen von allerlei kleinen Figürchen mit -einem Perlmutterüberzug durch Schieben von Vorlagen zwischen Schale -und Mantel der bei ihnen heimischen Flußperlmuschel erfolgreich -bemüht. Auch bei uns stammt ein Teil der Perlen von der durch dicke -Schalen ausgezeichneten <em class="gesperrt">Flußperlmuschel</em> (<span class="antiqua">Margaritana -margaritifera</span>). Sie lebt auf sandigem bis steinigem Boden klarer -Gebirgsbäche der nördlichen Hälfte Europas vom Böhmerwald, Fichtel- -und Erzgebirge an bis ans Eismeer, von den Flüssen des Ural bis zur -Westküste Irlands, und in den reißenden Bächen der Pyrenäen. Von -solchen Muscheln Britanniens brachte Julius Cäsar, wie wir hörten, -einen Perlenschmuck mit nach Rom, also muß die Ausbeutung der Perlen in -denselben von den Kelten schon vor Ankunft der Römer praktiziert worden -sein. Die deutschen Perlen werden in der Literatur zuerst 1514 erwähnt. -Gegenwärtig werden diese Flußperlen haupt<span class="pagenum"><a id="Seite_476"></a>[S. 476]</span>sächlich im sächsischen -Vogtland und im Amtsbezirk Vilshofen in Niederbayern von Unternehmern, -die das Regal von der Regierung in Pacht genommen haben, ausgebeutet, -noch mehr aber in der Moldau zwischen Rosenberg und Moldautein. Hier -werden jährlich für 8000 bis 12000 Gulden Perlen gefischt, die als -böhmische Perlen in den Handel gelangen. Bei diesem Perlenfang werden -die lebenden Muscheln sorgfältig geöffnet und, wenn sie keine Perlen -enthalten, wieder möglichst unverletzt ins Wasser zurückversetzt. -Stellenweise rechnet man auf 100 Muscheln eine Perle, zuweilen findet -man auch bedeutend mehr, doch meist nur kleine von geringem Wert. -Äußere Unebenheiten und Unregelmäßigkeiten an der Schale geben einige -Hoffnung, eine Perle zu finden. Im allgemeinen ist der Ertrag nur ein -geringer, da die Flußperlen in der Regel weniger schönen Glanz haben -als die orientalischen, doch gibt es einzelne glänzende Ausnahmen; -solche findet man z. B. im Grünen Gewölbe in Dresden.</p> - -<p>Auch in der Mandschurei und in China gibt es Flußmuscheln, welche -glänzende Perlen liefern. Die chinesischen werden schon in der -Geschichte eines der frühesten Kaiser, namens Yü, angeblich aus dem -22. Jahrhundert v. Chr., erwähnt. Schon seit vielen Jahrhunderten -sind in verschiedenen Gegenden der Provinz Tschekiang hunderte von -Familien damit beschäftigt, systematisch Perlen und perlartigen Schmuck -von den dort einheimischen Flußperlmuscheln zu gewinnen. Diese, die -<span class="antiqua">Anodonta plicata</span>, werden in großen Mengen gesammelt und die -größten Exemplare davon ausgesucht, um ihnen Körner oder Matrizen -aus der Schale der echten Meerperlmuschel oder aus Blei — letztere -stellen meist kleine Figürchen von Buddha in sitzender Stellung dar — -reihenweise unter den Mantelüberzug beider Schalen zu schieben. Durch -diese Fremdkörper gepeinigt, drückt sich das Tier krampfhaft an die -Schalen, und dadurch bleiben die Formen auf ihrem Platze. Hierauf legt -man die Muscheln eine nach der andern in 10–15 <span class="antiqua">cm</span> Abstand in -Kanäle oder Teiche in einer Tiefe von 0,7–1,7 <span class="antiqua">m</span> unter Wasser, -zuweilen 50000 Stück. Nach 10 Monaten bis 3 Jahren werden sie wieder -aufgefischt und die betreffenden Gegenstände, die sich inzwischen mit -einer ausgiebigen Perlmutterschicht überdeckt haben, herausgenommen, um -sie zu einem billigen Preise in den Handel zu bringen. Sie werden von -den Juwelieren zu Schmuck der verschiedensten Art verarbeitet und sind -durch ganz China sehr verbreitet.</p> - -<p>Auch in den Flüssen Nordamerikas gibt es Perlmuscheln, deren Perlen von -den Eingeborenen lange vor der ersten Ankunft der Euro<span class="pagenum"><a id="Seite_477"></a>[S. 477]</span>päer gesammelt -und als Schmuck getragen wurden. Solche fand Fernando Soto 1539 bei -seinen Zügen durch das heutige Florida, Georgia und Alabama im Besitze -der Eingeborenen und an ihren Kultstätten angehäuft. Weiße Perlen -liefern die Flußmuscheln <span class="antiqua">Unio rectus</span> und <span class="antiqua">U. complanatus</span>, -gelbe dagegen <span class="antiqua">U. dromas</span>. Außerdem gibt es auch fleischfarbene, -rote, purpurne und schwarze Flußperlen; himmelblaue aber sind seltene -Ausnahmen. Eine solche brachte in London 13200 Mark ein. Bereits im -vorigen Abschnitte wurde erwähnt, daß künstliche Perlen, die wie die -Nachahmungen von Edelsteinen sehr häufig getragen werden, aus hohlen -Glaskugeln gemacht werden, deren Innenwand mit einer aus den Schuppen -des <em class="gesperrt">Uklei</em> (<span class="antiqua">Alburnus lucidus</span>), eines unseres gemeinsten -Süßwasserfisches aus der Sippe der Weißfische, bereiteten Masse -ausgekleidet wird.</p> - -<p>Übrigens sei hier bemerkt, daß es auch Perlen pflanzlicher Abstammung -gibt, die von den Malaien, die sie als <span class="antiqua">mestica</span> bezeichnen, von -alters her als wertvolle Amulette an einer Halsschnur oder am -Waffengehänge getragen werden. Sie kommen im Holz der Kokospalme -und der Kasuarinenbäume, ferner in den Früchten der Brotfrucht und -Arekapalme vor. Die betreffenden, im Zellgewebe entstandenen Perlen -sind rund bis länglich und erreichen in seltenen Fällen die Größe eines -kleinen Taubeneies. Die meisten von ihnen sind weiß gefärbt, ohne -jedoch den Glanz der echten Perlen aus der Perlmuschel zu besitzen. -An einer Seite besitzen sehr viele derselben eine kleine leuchtende -Zone, ein „Sönnchen“, wie es der deutsche Gelehrte in holländischen -Diensten, Rumphius, der gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Tier- -und Pflanzenwelt Indonesiens erforschte, sinnig nennt. Manche -Pflanzenperlen sind mehr gelblich oder bräunlich, ja bis schwärzlich. -Alle Mesticas funkeln im Dunkeln, wenn man sie, wie beim bekannten -Feuerschlagen, mit einem harten Steine zusammenschlägt. Es sind dies -Konkrementbildungen aus fast reiner Kieselsäure.</p> - -<p>Weiterhin haben wir von den Menschen nützlichen Weichtieren die -<em class="gesperrt">Holothurien</em> oder <em class="gesperrt">Seegurken</em> zu nennen, die bei den -als Feinschmecker berühmten Chinesen wie die eßbaren Vogelnester -der Salangane als sehr gesuchte Leckerbissen teuer bezahlt -werden. In den malaiischen Meeren beschäftigen sich Tausende von -Fahrzeugen ausschließlich mit dem Fang der Seegurken, die, auf die -verschiedenste Weise zubereitet, unter dem Namen <em class="gesperrt">Trepang</em> -(franz. <span class="antiqua">biche de mer</span>) nach China ausgeführt werden. Es sind -dies wurmartig verlängerte Stachelhäuter mit einer bis auf kleine -Reste zurückgebildeten Ver<span class="pagenum"><a id="Seite_478"></a>[S. 478]</span>kalkung der Außenschicht. Sie benutzen zur -Fortbewegung nur drei Füßchenreihen wie die <em class="gesperrt">eßbare Seegurke</em> -(<span class="antiqua">Holothuria edulis</span>), haben vom Wassergefäßsystem der Seeigel -nur die Fühler bewahrt und sind Zwitter. Die Geschlechtsdrüsen liegen -nicht radiär wie bei den übrigen Stachelhäutern, sondern sind als lange -Schläuche nur in einem der fünf Interradialräume vorhanden. Sie leben -im sandigen Schlamm des Meergrundes, wo sie von allerlei tierischer und -vegetabilischer Nahrung leben, die sie sich mit Hilfe ihrer Fühler zum -Munde führen.</p> - -<p>Die Zahl der Seegurkenarten, die im Handel unterschieden werden, ist -eine ziemlich große, und ihre Namen wechseln je nach der Mundart der -chinesischen Stadt, wohin sie ausgeführt werden. Sie werden von den -Eingeborenen der Molukken, Philippinen, Neuguineas, ganz besonders -aber der Inseln des Stillen Ozeans in großen Mengen erbeutet und -für den Verkauf an die Händler präpariert, indem man sie zuerst -in Meerwasser kocht und dann auf hölzernen Gestellen an der Sonne -trocknet. Dabei schrumpfen sie gewaltig ein. In der Folge werden sie -zur vollständigen Auslaugung des Meerwassers noch einige Male in etwas -Süßwasser gedünstet und in großen, eigens dazu erbauten Schuppen an -rauchenden Feuern getrocknet. Erst kurze Zeit vor der Verladung in -die Schiffe werden sie, in Säcke verpackt, an die Händler verkauft, -die in kleinen Küstenfahrzeugen von selten mehr als 100–120 Tonnen -Gehalt die Ansiedelungen der Eingeborenen anlaufen, um von diesen den -Trepang gegen allerlei Tauschartikel einzuhandeln. Wollen die Chinesen -sie verspeisen, so reinigen sie den Trepang gründlich und lassen ihn -24–38 Stunden im Süßwasser aufquellen, wobei er eine schmutziggraue -Farbe annimmt. Nach mehrmaligem Waschen und sorgfältiger Entfernung -der Eingeweide werden sie in kleine Stückchen geschnitten und in -starkgewürzten Suppen oder mit verschiedenen anderen Speisen gegessen. -Sie erscheinen dann als milchig aussehende Gallertklumpen und sind sehr -leicht verdaulich. Sie sollen reizend auf die Genitalsphäre wirken, -weshalb sie von den sinnlich veranlagten Chinesen so überaus geschätzt -werden.</p> - -<p>Auch von den an den Meeresküsten verbreiteten <em class="gesperrt">Seeigeln</em>, so in -den Mittelmeergegenden von dem überall gemeinen <em class="gesperrt">Steinseeigel</em> -(<span class="antiqua">Echinus saxatilis</span>), werden wenigstens die Geschlechtsdrüsen -als leckere Speise gern gegessen. Besonders schmackhaft sollen die -fünf gelben traubenförmigen Eierstöcke der Weibchen sein. Von ihnen -sollen allein in Marseille 100000 Dutzend auf den Markt gebracht und -das Dutzend zu 20–60 Centimes verkauft werden. Schon die alten Griechen -und<span class="pagenum"><a id="Seite_479"></a>[S. 479]</span> Römer aßen die Seeigeleierstöcke gern und man fand Schalenreste -des <em class="gesperrt">eßbaren Seeigels</em> (<span class="antiqua">Echinus esculentus</span>) in Küchen -des einst vom Vesuv verschütteten Pompeji. Diese Art erwähnt schon -Aristoteles unter dem Namen <span class="antiqua">echínos</span> als eßbar und sagt, daß -man von ihr die großen sogenannten Eier genieße. Älian um 180 n. Chr. -meint: „Der Seeigel bietet eine vorzüglich gesunde Speise und stärkt -den geschwächten Magen. Bestreicht man Leute, welche an Krätze leiden, -mit ihm, so werden sie geheilt; samt der Schale verbrannt, dient er zum -Reinigen der Wunden.“ Und Palladius um 380 n. Chr. sagt: „Den ganzen -Winter hindurch wird das Fleisch der Seeigel eingesalzen.“</p> - -<p>Endlich haben wir noch die für den Menschen nützlichen Korallen -und Schwämme kurz zu erwähnen. Von ersteren kommt nur die -<em class="gesperrt">Edelkoralle</em> (<span class="antiqua">Corallium rubrum</span>) in Betracht, deren -Vorkommen auf das Mittelmeer und das Adriatische Meer nördlich bis -Sebeniko, die Nordwestküste von Afrika und die Küsten der Kapverdischen -Inseln beschränkt ist. Sie lebt in Tiefen von 40–240 <span class="antiqua">m</span>, meistens -aber in solchen von 80–180 und ist gewöhnlich in abwärts gerichteter -Stellung an Felsen, namentlich an der Unterseite überhängender -Vorsprünge festgewachsen. Die mehr oder weniger verzweigten, bis zu -30 <span class="antiqua">cm</span> langen Stöcke besitzen ein rotes, rosenfarbenes bis fast -weißes Kalkskelett, in dessen roter bis orangefarbiger Rinde die -kleinen weißen, völlig in die Rinde zurückziehbaren Einzelindividuen -oder Polypen stecken. Die Stöcke tragen meist entweder nur männliche -oder nur weibliche, bloß ganz ausnahmsweise zwitterige Individuen. Ihre -wichtigsten Standorte liegen an der Küste von Algerien und Tunis, bei -den Balearen, bei Sardinien und Sizilien, wobei besonders von Torre del -Greco bei Neapel aus alljährlich hunderte von Barken zu dem mühseligen -Betrieb der Korallenfischerei hinausfahren. Die Fahrzeuge variieren von -6–12 Tonnen Gehalt und 4–12 Mann Besatzung; danach richtet sich auch -die Größe und Schwere des Gestells und Netzes, womit die Korallen vom -felsigen Grunde, an dem sie fest angewachsen sind, abgelöst werden. -Dieses besteht aus zwei übers Kreuz gelegten und stark verfestigten, -bis 3 <span class="antiqua">m</span> langen Balken, die an der Kreuzungsstelle mit einem -großen Steine oder besser noch mit einem Eisen beschwert werden. -Daran hängen 34–38 Bündel grobmaschiger Netze in Form von Beuteln -oder Wischern, wie sie auf Schiffen zum Reinigen des Bodens gebraucht -werden. Dieser an einem starken Seile befestigte Apparat wird nun vor -dem Winde geschleppt und je nach der Größe von Hand oder mit einer -auf dem<span class="pagenum"><a id="Seite_480"></a>[S. 480]</span> Hinterteil des Fahrzeugs befindlichen Winde heraufgezogen -und auf den Grund gelassen. Da die Edelkorallen nur auf sehr unebenem -Felsboden, am liebsten unter Vorsprüngen, unter welche die Arme des -Kreuzes eindringen sollen, wachsen, so gehört das Festsitzen des -Schleppapparates zu den täglichen und stündlichen Vorkommnissen -und das fortwährende Flottmachen desselben zu den anstrengendsten -und aufreibendsten Arbeiten, zumal die Fischerei der Edelkoralle -unausgesetzt während der heißen Jahreszeit betrieben wird.</p> - -<p>Die von den vorzugsweise italienischen Korallenfischern erbeuteten, -einen jährlichen Erlös von mehreren Millionen Franken darstellenden -Korallen werden zunächst von der dünnen lebendigen Rinde gereinigt, -nach der Farbe sortiert und namentlich in Neapel, Livorno und Genua, -aber auch in Marseille zu allerlei Schmuck verarbeitet. Die von den -Felsen abgerissenen, oft von Würmern und Schwämmen durchbohrten -Basisstücke kosten 5–20 Franken das <span class="antiqua">kg</span>. Der Preis der guten -Ware ohne solche Beschädigungen schwankt zwischen 45 und 70 Franken -das <span class="antiqua">kg</span>. Für das <span class="antiqua">kg</span> ausgewählter dicker und besonders -rosenrot gefärbter Stücke, die man <span class="antiqua">als peau d’ange</span> bezeichnet, werden -400, ja 500 und mehr Franken bezahlt. Die Stücke, welche entweder -nur bis zu einer gewissen Tiefe oder durch und durch schwarz sind -und als „schwarze Korallen“ gesondert zu 12–15 Franken das <span class="antiqua">kg</span> -verkauft werden, kommen nicht etwa von einer besondern Art, sondern -sind Edelkorallen, die einst abgerissen wurden, versanken und längere -Zeit vom Schlamm bedeckt in der Tiefe lagen, wobei die rote Farbe durch -einen chemischen Vorgang in eine schwarze verändert wurde. Im Indischen -Ozean und im Roten Meer gibt es aber eine von Hause aus mit schwarzem -Kalkskelett versehene Art Rindenkoralle. Es ist dies die <em class="gesperrt">schwarze -Koralle</em> (<span class="antiqua">Plexaura antipathes</span>). Sie hat einen dickwurzeligen, -buschig verzweigten, schwarzen, nur an den dünnen Endreisern -braunroten, bis zu 35 <span class="antiqua">cm</span> hohen, an der knolligen Wurzel 3 bis 5 -<span class="antiqua">cm</span> dicken Stock mit graugelber Rinde, der im Orient zu allerlei -Schmuckgegenständen verarbeitet, auch zu Amuletten als Schutz gegen -Verzauberung getragen wird. Schon Plinius kannte beide Arten, glaubte -aber irrtümlicherweise, daß die aus den Korallen gearbeiteten Perlen, -die man schon damals an Schnüren aufgereiht als Schmuck trug, Früchte -des am Meeresboden wachsenden Korallenstrauchs seien und erst an der -Luft von Weiß in Rot übergingen. Daß die Koralle ein Tier und keine -Pflanze sei, diese Erkenntnis blieb ja erst unserer Zeit vorbehalten. -Wenn auch bereits im Jahre 1723 von Peyhsonel ihre<span class="pagenum"><a id="Seite_481"></a>[S. 481]</span> tierische Natur -erkannt wurde, so dauerte es doch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, -bis diese Tatsache allgemein anerkannt wurde.</p> - -<p>Der römische Dichter Ovid gibt uns die landläufige Ansicht des -Altertums über diese Wesen in folgendem Ausspruche: „Die Koralle -ist, solange sie im Wasser lebt, ein weiches Kraut, wird aber im -Augenblicke hart, wie sie an die Luft kommt.“ Und Plinius schreibt -über sie in seiner Naturgeschichte: „Die Korallen des Roten Meeres -sind schwärzlich; die im Persischen Meer heißen <span class="antiqua">jace</span>. Die -beliebtesten Sorten finden sich im Gallischen Meerbusen bei den -Stöchadischen Inseln (jetzt Iles d’Hyières bei Marseille), im -Sizilischen Meere bei den Äolischen Inseln (im Norden Siziliens) -und bei Drepanum (dem heutigen Trapani, der bekannten Stadt an der -Westküste Siziliens); sie kommen auch bei Graviscä (an der etrurischen -Küste) und an der Küste Kampaniens bei Neapel vor. Die von Erythräa -(einer Stadt Kleinasiens gegenüber der Insel Chios) sind vorzüglich -rot, aber weich und daher wertlos. Die Korallen haben die Gestalt eines -Strauches und eine grüne Farbe. Ihre Beeren sind unter dem Wasser -schneeweiß und weich; herausgenommen werden sie sofort hart und rot -und gleichen an Ansehen und Größe den Früchten des Kornelkirschbaums. -Schon durch bloße Berührung sollen sie, wenn sie noch frisch am Stamme -hängen, zu Stein werden. Man fischt die Korallen mit Netzen oder haut -sie mit einem scharfen eisernen Werkzeug ab. Am liebsten hat man die -vollkommen roten und recht ästigen Korallenstämme, nur dürfen sie nicht -rauh oder mit Wurmgängen besetzt oder hohl sein oder vertiefte Stellen -haben. In Indien werden die Korallenbeeren so hoch geschätzt wie bei -uns die Perlen; ihre Priester halten sie, wenn sie getragen werden, für -ein Schutzmittel gegen Gefahren. Sie werden dort demnach als Schmuck -und Amulett zugleich getragen. Ehe man sie nach Indien zu verkaufen -wußte, schmückten die Gallier (Kelten) ihre Schwerter, Schilde und -Helme damit. Jetzt aber ist solcher Mangel an verkäuflichen Korallen, -daß man sie selbst da, wo sie gefunden werden, nur selten sieht. Man -hängt übrigens die kleinen Zweige den Kindern als Schutzmittel an, -braucht sie auch innerlich und äußerlich als Arznei.“ Jedenfalls sind -die Korallenhalsbänder unserer Kinder und Erwachsenen aus Amuletten -hervorgegangen, wie sie noch die gebildeten, aber sehr abergläubischen -Römer trugen. Noch Solinus schreibt: „Man arbeitet aus Korallen -mancherlei Schmuck; denn sie enthalten, wie Zoroastres (der Gesetzgeber -im medisch-baktrischen Reich, der Verfasser des Zend-Avesta) sagt, eine -heilsame Kraft. Gewöhnlich<span class="pagenum"><a id="Seite_482"></a>[S. 482]</span> nennt man sie <span class="antiqua">curalium</span>, Metrodoros -(ein Schüler des athenischen Philosophen Epikur, der von 342–270 v. -Chr. lebte) nennt sie <span class="antiqua">gorgonia</span> und behauptet, sie widerständen -den Wirbelwinden und Blitzen.“ Noch viel üppiger als im Altertum -schossen im Mittelalter solche abergläubische Ansichten über die -Korallen ins Kraut; doch können wir hier nicht näher darauf eingehen. -Wenden wir uns vielmehr zu den Schwämmen.</p> - -<p>Bei den Schwämmen, deren tierische Natur noch schwerer als bei -den Korallen nachzuweisen war, kommt als schon im Altertum wie -heute verwendetes Nutztier des Menschen einzig der allbekannte -<em class="gesperrt">Badeschwamm</em> (<span class="antiqua">Spongia usitatissima</span>) in Betracht. Das -Netzwerk von elastischen Hornfasern, das wir als Schwamm benutzen, ist -ja nur das skelettartige Gerüst, das übrigbleibt, wenn man den frisch -aus dem Meere genommenen, wie die Koralle mit einem lebenden Überzuge -versehenen Schwamm so lange knetet und drückt, bis er von den die -Maschen ausfüllenden und die Poren und Auswurfsöffnungen bekleidenden -weichen Zellen befreit ist. Solche Hornschwämme finden sich in der -kalten Zone gar nicht. Auch in der nördlichen Hälfte der gemäßigten -Zone trifft man sie nur vereinzelt und verkümmert; dagegen ist schon -das Mittel- und Adriatische Meer reich an verschiedenen Sorten, von den -feinsten bis zu den gröbsten Schwämmen. Eine Einteilung derselben in -gute Arten ist sehr schwer. Die Schwammhändler nehmen nach der gröberen -oder feineren Beschaffenheit des elastischen Netzwerks 16 Sorten -nutzbarer Schwämme an, die von verschiedenen Gegenden des Mittelmeers -stammen.</p> - -<p>Die durch ganz besondere Weichheit und häufige Becherform -ausgezeichnete, schön blaßgelbe Sorte des Badeschwamms wird an der -syrischen Küste erbeutet. Fünf andere Sorten der sog. <span class="antiqua">éponge -fine</span> werden im östlichen Teile des Mittelmeers, bei Tripolis und -an der Ostküste des Adriatischen Meeres in Tiefen von 2–180 <span class="antiqua">m</span> -gefischt. Sie sind etwas dunkler gelb und weniger fein als die -erstgenannte Sorte. Noch dunkler, nämlich dunkelbraungelb, und gröber -in der Textur ist der mehr flache und dichtere Zimokkaschwamm, der im -Griechischen Inselmeer, an der Küste der Berberei und in der Adria -gewonnen wird. Er wird im Handel als <span class="antiqua">éponge dure</span> bezeichnet. -Die <span class="antiqua">éponge commune</span> des Handels, die geringste Schwammsorte, -ist der einer andern Gattung angehörende <em class="gesperrt">gemeine Pferdeschwamm</em> -(<span class="antiqua">Hippospongia equina</span>), der meist brotlaibförmig ist und -besonders von der afrikanischen Mittelmeerküste kommt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_483"></a>[S. 483]</span></p> - -<p>Im Griechischen Meere und an der Küste Syriens gewinnt man die Schwämme -aus einer Tiefe von 20–50 <span class="antiqua">m</span> durch Taucher, deren gewöhnlich -vier außer dem Gehilfen in einem Boote sind. An einem Seile, das der -Taucher in einer Hand hält, wird er, sobald er ein Zeichen gegeben -hat, schnell mit seiner in einem Netze geborgenen Beute zur Oberfläche -des Wassers emporgezogen. An der istrischen und dalmatinischen Küste -werden die oberflächlicher liegenden Schwämme nicht durch Taucher, -sondern von einem langsam fahrenden Boote aus mit einer langen -vierzinkigen Gabel, wie wir sie auf alten Bildwerken als Wahrzeichen -des Meergottes Neptun erblicken, vom Grunde heraufgeholt. In den -starken Barken, die während der guten Jahreszeit die zerrissene und -inselreiche Küste absuchen, befinden sich in der Regel nur zwei Mann. -Am Vorderdeck, der einen viereckigen Ausschnitt hat, stellt sich der -die Gabel führende Mann auf, um, über Bord gebeugt, den Oberkörper -sicher balancieren zu können. Der zweite Mann führt die Ruder, deren -Stützpunkte auf einem die Bordseite überragenden Balken liegen, wodurch -die notwendigen feinen Bewegungen des Bootes leichter und sicherer -werden. Während er nun das Boot hart am Felsenufer über einem Grunde -von 4–13 <span class="antiqua">m</span> Tiefe langsam dahintreibt, späht jener scharfen -Auges nach den durch ihre schwarze Farbe sich verratenden Schwämmen. -Am günstigsten ist natürlich der Fang bei völliger Windstille, da -dann die Schwämme am besten gesehen werden können. Bei mäßig bewegtem -Meer wird die Oberfläche des Wassers mit Öl geglättet. Zu diesem -Zwecke liegt stets auf der Spitze des Bootes ein Haufen glatter Kiesel -und daneben steht ein Gefäß mit Öl. Will nun der Schwammfischer die -unruhige Meeresoberfläche glätten, so taucht er einige der Steine mit -der Spitze in das Öl, meist Olivenöl, und wirft sie einzeln in einem -Halbkreise um sich. Alsbald breitet sich von den getroffenen Stellen -eine feine Ölschicht aus, die die kleinen Wellen besänftigt, so daß das -Auge nicht mehr durch die sich kreuzenden Brechungen und Spiegelungen -geblendet und im Sehen gestört wird. Der Schwammfischer muß aber die -Schwämme nicht bloß mit den Augen erspähen; da sie am liebsten unter -Felsenvorsprüngen gedeckt wachsen, muß er mit seiner 7–14 <span class="antiqua">m</span> -langen Gabel zwischen und wenn möglich unter die Felsen tasten und sie -nach dem Aufspießen durch Drehen der Gabel von der Unterlage loszulösen -versuchen. Kehren die Boote mit Beute beladen zurück, so werden die -Schwämme am Ufer so lange getreten, dann mit den Händen geknetet und -ausgedrückt und wiederholt gewaschen, bis die<span class="pagenum"><a id="Seite_484"></a>[S. 484]</span> schwarze Oberhaut und -alle zwischen den Hornfasern gelegene lebende Substanz abgegangen ist. -Bevor sie in Gebrauch genommen werden können, müssen sie dann nochmals -in lauem süßem Wasser gereinigt werden. Der Sand, den man stets in den -gekauften Schwämmen findet und den man vor deren Ingebrauchnahme zu -entfernen hat, wird erst nachträglich zu betrügerischen Manipulationen -von den Händlern hineingetan, da die Schwämme nach Gewicht verkauft -werden. Zu diesem Zwecke werden die ganz rein aufgekauften Schwämme in -den Magazinen der Großhändler mit Sand durcheinandergeschaufelt, um -sie künstlich zu beschweren und so mehr daraus zu lösen. Ganz so wie -diese weniger feinen adriatischen Badeschwämme werden übrigens auch die -feinen syrischen und griechischen Schwämme von den dortigen Fischern -behandelt.</p> - -<p>Es leuchtet ein, daß bei der in der oben geschilderten Weise -betriebenen Schwammfischerei der Fang immer weniger ergiebig wird. Es -ist daher ein großes Verdienst von Prof. Oskar Schmidt, daß er bei -seinen von 1863–1872 zur Hebung der Schwammfischerei an der Küste -Dalmatiens angestellten Studien dazu kam, die Schwämme künstlich zu -züchten. Bei der ungemein großen Regenerationsfähigkeit dieser Tiere -war das Verfahren ein sehr einfaches. Er zerschnitt den frischen -Badeschwamm in kleinere Stücke und befestigte diese auf hölzerne -Gestelle, die er an geschützten Orten ins Meer versenkte. Er hatte die -Freude, daß die Anlagen gut gediehen und die Schwämme vortrefflich -wuchsen. Leider scheiterte der Versuch trotzdem, da einmal unzählige -Pfahlwürmer das Holzwerk der Anlage zerstörten, andererseits aber die -Küstenbewohner und Schwammfischer selbst sich nicht nur vollkommen -gleichgültig gegen die Neuerung, die ihnen doch nur Nutzen bringen -sollte, verhielten, sondern sogar die Anlagen zu zerstören suchten. -So scheiterte in diesem Falle wie so oft das redlichste und Erfolg -versprechende Unternehmen an der Beschränktheit und Indolenz der -Menschen, die schließlich, wenn ihre Schwammgründe bei ihrer unsinnigen -Methode abgefischt sein werden, was in absehbarer Zeit der Fall sein -wird, doch zu der Neuerung der künstlichen Schwammzucht gezwungen sein -werden; denn trotz der außerordentlichen Vermehrung des Badeschwammes -werden die Schwämme immer seltener, da die unvernünftigen Fischer -schon im Frühjahr, wenn der Schwamm mit jungen, bald ausschwärmenden -Larven angefüllt ist, Schwämme stechen und auf diese Weise ungezählte -Millionen junger Tiere vernichten. Vielleicht wird man aber in späterer -Zukunft sich mit künst<span class="pagenum"><a id="Seite_485"></a>[S. 485]</span>lichen Schwämmen aus porösem Gummi behelfen und -so nach und nach das natürliche Produkt entbehren können.</p> - -<p>Neuerdings hat der Lyoner Physiologieprofessor Raphaël Dubois durch -seine vieljährigen Versuche in Tamaris der künstlichen Aufzucht von -Badeschwämmen neue Wege gewiesen. Da er mit dem Wachstum in kleine -Stücke geschnittener Schwämme, die er auf allerlei Gegenständen mit -einer Schnur befestigte und, vor zu greller Sonne geschützt, in 2–3 -<span class="antiqua">m</span> Tiefe heranwachsen ließ, keine besonders günstigen Resultate -erzielte, begann er mit der Aufzucht der in großer Menge von den -Mutterschwämmen gewonnenen Larven, die von sehr gutem Erfolg war und -für die systematische Aufzucht besonders feiner Schwammarten große -Vorteile bietet, so daß wohl diesem Verfahren die Zukunft gehört. -Damit dürfte es nicht schwer fallen, die durch vieljährigen Fang von -Schwämmen entvölkerten Küsten wieder mit neuem gutem Material zu -bevölkern.</p> - -<p>Schon das Altertum kannte die heute bei uns übliche Verwendung des -Badeschwammes bei den Mittelmeervölkern. Plinius berichtet uns, daß -er durch Taucher gewonnen werde, die Taucher aber großen Gefahren, -besonders von seiten der Haifische, ausgesetzt seien. Er schreibt -darüber wörtlich: „Den Tauchern, welche Badeschwämme am Meeresgrunde -holen, werden Haifische gefährlich, die sich oft in Menge einfinden. -Die Taucher erzählen, es zeige sich oft über ihrem Kopfe eine wie -ein flacher Fisch aussehende Wolke, welche sie niederdrücke und am -Auftauchen hindere; deshalb führten sie spitze Dolche bei sich, weil -die Wolke nicht Platz mache, wenn sie nicht durchstochen werde. Das -alles mag wohl nur Wirkung der Dunkelheit und Furcht sein; aber -jedenfalls setzt es mit den Haifischen einen harten Kampf ab und kann -man sich nur dadurch retten, daß man mutig auf sie losgeht und sie auf -diese Weise in Schrecken versetzt. In der Tiefe ist der Vorteil von -beiden Seiten gleich; kommt aber der Taucher an die Oberfläche, so ist -die Gefahr für ihn groß, weil er nun das Wasser verlassen will und -daher dem Haifisch nicht mehr entgegengehen kann. In diesem Falle muß -er sich ganz auf die Hilfe seiner Kameraden verlassen, welche ihn an -einem unter den Armen hindurchgezogenen Seil aufwärtsziehen. Sobald der -Kampf unter dem Wasser beginnt, schüttelt der Taucher mit der Linken -am Seile und zeigt dadurch die Gefahr an, seine Rechte aber kämpft -mit dem Dolche. Man zieht ihn nur langsam in die Höhe; sobald er aber -dem Schiffe nahe ist, muß er schnell durch einen starken Ruck auf das -Schiff geschleudert werden, sonst wird er<span class="pagenum"><a id="Seite_486"></a>[S. 486]</span> doch noch verschlungen. -Oft wird er vom Ungeheuer noch aus der Luft geschnappt, wenn er sich -nicht in eine Kugel zusammenzieht. Aus dem Schiffe hält man zwar dem -Haifisch dreizackige Gabeln entgegen, allein er weiß ihnen pfiffig -genug auszuweichen, indem er sich unter dem Schiffe verbirgt und von -da aus, ohne sich einer Gefahr auszusetzen, angreift. Am sichersten -kann man übrigens da tauchen, wo man platte Fische sieht; denn wo diese -sind, findet man niemals Raubtiere. Deshalb werden die ersteren heilige -Fische genannt.“</p> - -<p>Drei Menschenalter nach Plinius berichtet uns der griechische Sophist -Oppian über die Schwammfischerei: „Am schlimmsten sind diejenigen -Leute dran, die nach Badeschwämmen (<span class="antiqua">spóngos</span>) tauchen. Zu -ihrem Geschäfte bereiten sie sich dadurch vor, daß sie wenig essen -und trinken, wodurch der Atem freier wird, auch schlafen sie viel. -Bevor sie ans Werk gehen, bitten sie die Götter, ihnen Schutz gegen -gefährliche Seetiere zu verleihen. Sehen sie irgendwo den Kallichthys -(d. h. Schönfisch), so sind sie frohen Mutes und wissen, das kein -gefährliches Tier in der Nähe ist. Wollen sie tauchen, so haben sie ein -Seil um den Leib, in der linken ein Bleigewicht, in der rechten eine -Sichel, im Munde Öl. Das Blei bringt sie schnell auf den Grund, das Öl -spucken sie aus, wo sie einen Schwamm sehen; denn Öl macht das Wasser -durchsichtig. Die Schwämme sind an Felsen angewachsen. Der Taucher -schneidet eiligst ab, was er erreichen kann, zuckt dann schnell am -Seil, damit ihn die Kameraden wieder hinaufziehen. Kommt er glücklich -an die Oberfläche, so ist er doch vor Angst und Anstrengung ganz elend; -oft aber wird er in der Tiefe von den Ungeheuern verwundet oder ganz -zerrissen.“ Daß alle Autoren so einstimmig über die großen Gefahren -von seiten der Haie bei der Schwammfischerei berichten, beweist, daß -diese Tiere im Altertum in den Mittelmeergegenden viel häufiger waren -als heute, da man diesen gefährlichen Raubfischen mit allen Mitteln -entgegentritt und sie so viel als möglich auszurotten sucht.</p> - -<p>Hier könnten noch die ausschließlich das Meer an der Oberfläche oder in -größeren Tiefen als Plankton lebenden einzelligen <em class="gesperrt">Radiolarien</em> -erwähnt werden, deren Kieselschalen als <em class="gesperrt">Kieselgur</em> oder -<em class="gesperrt">Infusorienerde</em> als eine farblose oder gefärbte mehlartige Masse -oft mächtige Lager bildet wie in der Lüneburger Heide, am Vogelsberg -bei Franzensbad, in Ungarn, Toskana, Schweden, Finnland, Virginia usw. -Sie dient zur Bereitung von Dynamit, indem das Nitroglyzerin damit -getränkt wird, von Wasserglas, Ultramarin, von Tonwaren aller Art, -Papiermaché, Siegellack, zum Kitten, als Formsand und Poliermittel,<span class="pagenum"><a id="Seite_487"></a>[S. 487]</span> -zur Umhüllung von Dampfkesseln und feuerfesten Schränken als schlechter -Wärmeleiter statt Asbest usw. In Schweden und Finnland wird sie sogar -dem Brote beigemischt. Bei vielen unkultivierten Völkern bildet sie -als <em class="gesperrt">eßbare Erde</em>, rein oder mit andern Stoffen vermischt, eine -nicht nur in Zeiten von Hungersnot, sondern auch sonst beliebte Speise. -Es sei hier nur an die südamerikanischen Erdesser, die Otamaken, -erinnert, über die Alexander von Humboldt in seinem Buche: Reise in die -Äquinoktialgegenden des neuen Kontinents eingehend berichtet. Dort sind -alle bis dahin bekannten Erde essenden Stämme zusammengestellt, so daß -wir alle Interessenten darauf verweisen können. Zu dieser sind im Laufe -des 19. Jahrhunderts noch zahlreiche neue hinzugekommen, so daß wir -heute sagen können, daß diese Sitte fast über die ganze Erde verbreitet -ist und eine größere Rolle spielt, als man bis dahin glaubte. Außer -dem mageren Kieselgur werden auch die verschiedensten fetten Erden, -besonders Tonarten, mit Behagen und ohne irgend welche Nachteile -verspeist, vorausgesetzt, daß die Gesamternährung durch allzugroße -Zufuhr dieses natürlich nicht nahrhaften Balastes nicht leidet.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_488"></a>[S. 488]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XXII_Die_Honigbiene">XXII. Die Honigbiene.</h2> - -</div> - -<p>Unter allen Insekten ist zweifellos die gemeine <em class="gesperrt">Honigbiene</em> -(<span class="antiqua">Apis mellifica</span>) das weitaus nützlichste und seit Urzeiten -dem Menschen durch ihre süßen Vorräte von Honig dienstbar. Soweit -überhaupt historische Urkunden zurückreichen, wissen wir, daß alle -Völker von jeher den in hohlen Baumstämmen oder Felslöchern von wilden -Bienenkolonien zusammengetragenen Honig aufsuchten und als äußerst -geschätzte Speise oder — mit Wasser verdünnt — als überaus beliebtes -Getränk genossen. Von den heute noch auf niedriger Kulturstufe lebenden -Volksstämmen wissen wir, daß dem Naturmenschen der Begriff Honig den -höchsten denkbaren Gaumengenuß bedeutet, den er sich so häufig als -möglich zu verschaffen sucht. Alle Jägerstämme schauen auf ihren -Streifereien durch die Natur mit Eifer nach etwaigen Kolonien wilder -Bienen aus, und manche Stämme, wie z. B. die Australier, ergreifen gern -reich mit Pollen zum Neste zurückkehrende Bienen, um ihnen mit Harz -eine Flaumfeder anzukleben, so daß sie gerade noch wegfliegen können. -Den so gezeichneten Bienen folgen sie raschen Laufes, bis sie den -Bienenstock mit dem ersehnten Honigvorrat ausgekundschaftet haben. Dann -wird derselbe ausgeplündert und der Honig, wohl weil er konzentriert zu -süß ist und in größeren Mengen widersteht, mit Wasser in der Vertiefung -eines Felsens verdünnt und ausgetrunken. Blieb irgendwo eine solche -Honiglösung in Wasser in einem Gefäße stehen, so entstand von selbst -durch die hineingefallenen allgegenwärtigen Hefepilze das älteste -berauschende Getränk des Menschen, der Met, der bei allen Völkern der -Vorläufer von Bier und Wein war, wie wir im 15. Abschnitte des ersten -Bandes der Kulturgeschichte der Nutzpflanzen eingehend besprachen.</p> - -<p>Wie dem Jäger ist auch dem Viehnomaden der Honig ein ersehntes Labsal, -und als das Höchste, was Jahve seinem Volke, den Kindern Israels, auf -ihrem vieljährigen Zuge durch die Wüste ver<span class="pagenum"><a id="Seite_489"></a>[S. 489]</span>sprechen konnte, war ein -Land, in welchem „Milch und Honig“ fließt. Das sollten sie im Lande -Kanaan finden. Aber schon zur Zeit der großen Propheten Judas fanden -die Nachkommen dieser Viehzüchter israelitischen Stammes, daß ein -Land voll Honig ein Land der Unkultur sei. So war auch dem gebildeten -Griechen, wie wir in Platons Schrift Kritias lesen, ein Land voll -Honig ein Land der Wüste; denn vor der intensiveren Kultur durch den -Menschen flüchten sich die wilden Bienen gern in Einöden zurück, wo sie -ohne Beunruhigung durch jenen der unermüdlichen Arbeit zum Wohle ihres -Gemeinwesens obliegen können.</p> - -<p>Nach den Veden und den Gesetzen Manus war der zunächst immer noch -von wilden Bienen gesammelte Honig bei den Indern nicht nur ein -wertvolles Geschenk für die Menschen untereinander, sondern auch -eine geschätzte Opfergabe für die Götter. Auf den Märkten des Landes -bildete er einen begehrten Handelsartikel, von dem die Könige, die -seit den ältesten Zeiten mit Honigwasser gesalbt wurden, den sechsten -Teil als ihnen gebührende Abgabe beanspruchten. Auch bei den alten -Babyloniern und Ägyptern fand der Honig als Tauschmittel, Opfergabe -und Arznei ausgiebige Verwendung. In der späteren Zeit mögen hier -überall die Bienen auch als Haustiere gehalten worden sein, indem man -gelegentlich einen Schwarm der wilden Biene abfing und in einem hohlen -Baum ansiedelte, um sich dann des von ihnen gesammelten Honigvorrats -zu bemächtigen. Gleicherweise liebten die alten Juden den Honig als -leckere Speise, doch verwandten sie ihn in der uns überlieferten Zeit -nicht als Opfergabe. Der Prophet Hesekiel berichtet uns, das die -Bewohner von Juda und Israel nebst Wein, Öl und Balsam auch Honig nach -der alten phönikischen Handelsstadt Tyrus brachten. Aus dem Talmud -erfahren wir, daß der Honig zu Geschenken beliebt war, um sich die -Gunst jemands zu erwerben. Man benutzte ihn bei den Juden wie bei den -zuvor genannten Völkern zur Verbesserung des Weines, zur Herstellung -von heilenden Salben und Heiltränken. Damals (um 200 n. Chr.) wurden -die Bienen jedenfalls schon gezüchtet; denn in der Mischna, dem -ersten Teile des Talmuds, finden wir verschiedene Angaben über die -Bienenwirtschaft und das Bienenrecht. Die Bienen wurden meist in aus -Stroh oder Rohr geflochtenen Körben gehalten und die Völker bei der -Entnahme des Honigs durch Räuchern getötet. An einer Stelle des Talmuds -wird sogar von einer Bienenwohnung gesprochen, die mit Fensterchen -versehen war.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_490"></a>[S. 490]</span></p> - -<p>Auch in Arabien war der Honig von alters her als Genußmittel sehr -geschätzt. Im Koran heißt es von den Bienen: „Aus ihren Leibern kommt -eine Flüssigkeit, die verschieden an Farbe ist und Arznei für den -Menschen enthält.“ Nach der schon vor Muhammed geltenden Anschauung -der Araber fließt im Paradiese ein Fluß voll Honig. Muhammed selbst -teilte die Vorliebe seiner Landsleute für Süßigkeiten und pflegte gern -Honigwasser zu trinken. Frühe wurde dort auch der Honigbau eingeführt, -den schon der um 25 n. Chr. verstorbene griechische Geograph Strabon -aus Amasia in Pontos als in Arabien sehr ergiebig erwähnt.</p> - -<p>In den homerischen Gedichten wird der Honig als beliebtes Genußmittel -der Helden erwähnt. Außer der direkten Anführung des Honigs in Ilias -und Odyssee werden ziemlich oft Vergleiche mit seiner Flüssigkeit -gemacht. So haben die Sirenen eine honigsüße Stimme, und Nestors Rede -fließt dahin süßer als Honig usw. Wie von Honig ist bei Homer von -Bienen die Rede, doch sind bei ihm stets wilde Bienen gemeint. So heißt -es im zweiten Buche der Ilias, daß die Achäer sich sammelten „wie die -Bienen aus einer Felsenhöhlung herausfliegen“. Damit ist deutlich -erkennbar ein frei in der Wildnis und nicht in einem Bienenstocke unter -der Obhut des Menschen stehender Schwarm gemeint. Von zahmen Bienen -spricht erst im 8. Jahrhundert v. Chr. der böotische Dichter Hesiod -an einer Stelle seiner Theogonie, wo er auch besondere Behälter aus -vermutlich ausgehöhlten Baumstämmen als Herberge von Bienenvölkern -erwähnt. Den späteren Griechen galt Aristaios, der angeblich die -Kultur des Ölbaums aufgebracht haben sollte und den die Nymphen die -Bienenpflege gelehrt hatten, als erster, der, um eine regelmäßige -Honiggewinnung zu erzielen, die Bienen in Stöcke einschloß, aus denen -er dann im Herbste die Honigwaben ausschnitt. Honig war angeblich -die erste Nahrung des Göttervaters Zeus gewesen, der dann in seiner -kretischen Heimat in einer Höhle des Berges Ida von der Ziege Amalthea -gesäugt wurde. Zum Dank für ihre Dienste wurde sie dann als Capella -unter die Gestirne versetzt, und eines ihrer Hörner gab Zeus den -Töchtern des Melisseus, die Alles, was sie wünschten, darin fanden. -Dieses Horn der kretischen Ziege Amalthea ist das Urbild des späteren -Füllhorns.</p> - -<p>Bei allen Opferhandlungen der Griechen war Honig von großer Bedeutung. -Nach Platon opferte man in den ältesten Zeiten den Göttern mit Honig -bestrichene Früchte. Platons Schüler Aristoteles, der von 343 v. Chr. -an Lehrer Alexanders des Großen war, spricht<span class="pagenum"><a id="Seite_491"></a>[S. 491]</span> sehr eingehend über -das Leben der Bienen, die unter mehreren Anführern (<span class="antiqua">hégemṓn</span> -— er meint damit die Bienenkönigin) leben sollten, die sich niemals -aus dem Stocke entfernen als wenn sie ausschwärmen. Dann scheinen -sich alle Bienen an sie heranzudrängen. „Will ein Stock schwärmen, so -hört man schon einige Tage lang vorher einen eigenen eintönigen Laut -(das „Tüten“), und zwei bis drei Tage lang fliegen nur wenige Bienen -(<span class="antiqua">mélitta</span>) um den Stock; ob aber unter diesen auch ein Anführer -ist, hat man noch nicht gesehen, weil dies nicht leicht zu beobachten -ist. Haben sie sich endlich versammelt, so fliegen sie aus und teilen -sich in Haufen, die sich an die einzelnen Anführer anschließen. Trifft -es sich, daß ein kleiner Haufen neben einen großen zu sitzen kommt, so -schließt er sich an diesen an und tötet den Anführer, dem er untreu -geworden ist, wenn er ihm folgt.“</p> - -<p>Nach Aristoteles sind also die Anführer im Bienenstaate Männchen. Er -sagt von ihnen, sie übertreffen die Arbeitsbienen an Größe um die -Hälfte, besonders sei ihr Hinterleib doppelt so lang als bei jenen. Daß -aber seine Ansicht nicht allgemein geteilt wurde, geht aus dem Zusatze -hervor: „Manche nennen aber den Anführer Mutterbiene (<span class="antiqua">mḗtēr</span>) und -behaupten, daß, wenn sie nicht im Stocke sei, man zwar Drohnenbrut, -aber keine Arbeitsbienenbrut finde. Andere sagen, die Drohnen seien -Männchen, die Arbeitsbienen aber Weibchen. Die andern Bienen werden in -den Wachszellen erzeugt, die Anführer aber entstehen in Zellen, welche -größer sind und unten an den Waben hängen. Die Anführer besitzen zwar -einen Stachel, stechen aber nicht, weshalb sie Viele für stachellos -halten.“ Die Drohnen nennt er von allen am größten, aber stachellos -und faul. Er beschreibt das Leben und Treiben im Bienenstock so genau, -daß er unbedingt dasselbe aus eigener Anschauung gekannt haben muß. Er -schreibt über die Lebensweise der Bienen: „Bei Trockenheit beschäftigen -sich die Bienen mehr mit Einsammeln des Honigs, bei Regenwetter dagegen -mehr mit der Brut. Zuerst verfertigen sie die Waben, dann legen sie die -Brut in die Zellen, und zwar, wie einige sagen, mit dem Munde, und nun -erst tragen sie zur Ernährung im Sommer und Herbste Honig (<span class="antiqua">méli</span>) -ein. Der Herbsthonig ist der beste. Das Wachs sammeln sie aus Blumen, -das Vorwachs aber tragen sie aus den ausschwitzenden Säften der Bäume -zusammen; der Honig hingegen fällt aus der Luft nieder (er meint damit -den Honigtau und glaubt, wie der viel später lebende Plinius anführt, -daß auch der Nektar der Blüten vom Himmel herab in sie hineingefallen -sei), zumal beim Aufgang der Gestirne und beim<span class="pagenum"><a id="Seite_492"></a>[S. 492]</span> Regenbogen. Der Honig -ist anfangs wie Wasser und einige Tage lang flüssig, nach 20 Tagen -aber wird er dick und ist dann auch süßer. Die Biene sammelt von allen -Blumen, welche einen Kelch haben, leckt auch an allen andern süßen -Dingen, beißt aber keine Früchte an. Wachs und Bienenbrot tragen sie -an den Schenkeln, Honig aber speien sie in die Zellen. Auf den Eiern -brüten sie wie die Vögel. Die Made liegt, solange sie noch klein ist, -schief in der Zelle; späterhin richtet sie sich auf, frißt und hängt -mit dem Wachse weiter nicht zusammen, so daß man sie herausnehmen kann. -Die Eier der Arbeitsbienen und Drohnen sind weiß, aus ihnen kommen -Maden; diese verwandeln sich in Arbeitsbienen und Drohnen. Die Eier -der Anführer aber sind rötlich und so zart wie dicker Honig, sie haben -sogleich den Umfang des aus ihnen hervorgehenden Tieres und verwandeln -sich, wie man sagt, nicht erst in eine Made, sondern gleich in eine -Biene. Die Puppe bekommt erst Füße und Flügel, wenn ihre Zelle durch -einen Deckel geschlossen ist; sobald sie aber Flügel hat, durchbricht -sie den Deckel und steigt heraus. Die Bienen leben sechs, einige auch -sieben Jahre; wenn daher ein Stock 9–10 Jahre bestanden hat, so hat -er sich gut gehalten. Ihre Nahrung besteht aus Honig und sogenanntem -Bienenbrot, welch letzteres aber von geringerem Werte und etwa so -süß wie Feigen ist. Den Bau der Waben zur Aufspeicherung der Nahrung -beginnen sie an der Decke des Stockes und führen dann deren viele auf -bis zum Boden herunter. Sowohl Honig- als Brutzellen haben nach beiden -Seiten hin eine Öffnung, weil, wie bei den Doppelbechern, in der Mitte -ein gemeinschaftlicher Boden ist. Einige behaupten, daß die Drohnen mit -den Arbeitsbienen gemeinschaftlich an den Waben bauen, jedoch keinen -Honig eintragen, sondern sich und ihre Jungen von jenen füttern lassen. -Meist bleiben die Drohnen im Stocke; wenn sie aber einmal ausfliegen, -so erheben sie sich in hellen Haufen gen Himmel, treiben sich im Kreise -herum und scheinen sich zu üben. Sind sie fertig, so kehren sie in den -Stock zurück und lassen sichs wohl sein. Die Anführer fliegen weder um -Futter zu suchen, noch aus andern Gründen; sie tun es nur, wenn der -Stock schwärmt. Wenn sich der Schwarm vom Anführer verloren hat, so -soll er ihm solange nachspüren, bis er ihn vermittelst des Geruches -wieder aufgefunden hat. Kann der Anführer nicht fliegen, so soll er -vom Schwarm getragen werden, und kommt er um, so soll auch der ganze -Schwarm verloren gehen; und hält er sich auch noch kurze Zeit, so -trägt er nur Wachs, aber keinen Honig mehr ein. Das Wachs sammeln die -Bienen, indem<span class="pagenum"><a id="Seite_493"></a>[S. 493]</span> sie an den Blüten herumkriechen, mit den Vorderbeinen, -von da bringen sie es an die mittleren und von diesen wieder an die -Hinterbeine. Beladen mit der Beute fliegen sie dann fort und man sieht, -daß die Last sie drückt. Bei jedem Ausfluge besucht die Biene niemals -verschiedenartige Blüten, sondern fliegt nur z. B. von Veilchen zu -Veilchen. Im Stocke entledigen sie sich dann ihrer Bürde und werden -dabei jedesmal von 3 oder 4 andern bedient. Was diese ihnen abnehmen, -kann man nicht wohl sehen, sowie man auch noch nicht beobachtet hat, -wie sie es verarbeiten.“</p> - -<p>Weiter sagt Aristoteles: „Unter den Bienen ist eine jede zu einer -bestimmten Arbeit angewiesen, so z. B. sammeln die einen von den Blüten -Honig, die andern holen Wasser und wieder andere bauen und glätten -die Waben. Wasser tragen sie, wenn die Brut gefüttert wird. Ist das -Wetter gut, so arbeiten sie rastlos, und selbst die Jungen beginnen, -wenn sie Nahrung haben, schon am dritten Tage nach dem Auskriechen die -Arbeit. Kräftige Stöcke haben das ganze Jahr Brut mit Ausnahme der 40 -auf die Wintersonnenwende folgenden Tage. Sind die Jungen in den Zellen -herangewachsen, so setzen ihnen die Bienen nochmals Speise vor und -schließen dann die Zelle durch einen Deckel; diesen zerbrechen aber die -Jungen und kommen hervor, sobald sie stark genug sind. Alle Tierchen, -welche sich in Bienenstöcken erzeugen und das Wachs zerstören, werden -von guten Bienen herausgeschafft, von schlechten aber zu allgemeinem -Schaden geduldet. Überhaupt sind die Bienen sehr reinlich; tote -schaffen sie gleich aus dem Stock. Üble Gerüche und Wohlgerüche sind -ihnen zuwider; daher sind Leute, die sich parfümieren, ihren Stichen -ausgesetzt. Die Bienen kämpfen öfters gegeneinander, auch gegen Wespen. -Auswärts lassen sie sich zwar in keinen Streit irgend welcher Art ein, -aber bei ihrem Stocke erstechen sie alles, was sie überwältigen können. -Eine Biene, die gestochen hat, muß sterben, weil sie ihren Stachel -nicht ohne Verletzung der Eingeweide aus der Wunde zurückziehen kann; -drückt aber der Gestochene den Stachel sorgfältig heraus, so kann -sie am Leben bleiben. Selbst große Tiere können durch Bienenstiche -umkommen; sogar ein Pferd ist schon einmal daran gestorben. Am -wenigsten Neigung zum Zorn und zum Stechen haben die Anführer. Den -meisten Schaden fügen den Bienen die Wespen, Meisen, Schwalben und -Bienenfresser zu. Auch die Frösche lauern ihnen beim Wasser auf, -weswegen sie denn auch von den Bienenwärtern (<span class="antiqua">melitturgós</span>) -in den Gewässern, in welchen die Bienen trinken, verfolgt werden.<span class="pagenum"><a id="Seite_494"></a>[S. 494]</span> -Wespen-, Schwalben- und Bienenfressernester zerstört man ebenfalls in -der Nähe der Bienenstöcke.“</p> - -<p>Wir haben hier auszugsweise Aristoteles Meinung wiedergegeben, ohne -Richtigstellung der zahlreichen von ihm vertretenen Irrtümer, indem wir -annehmen, daß die Leser von sich aus dieselben korrigieren werden. Uns -lag nur daran zu zeigen, wie weit man damals schon in der Erkenntnis -des Bienenstaates und seiner Mitglieder gediehen war.</p> - -<p>Aristoteles kennt und beschreibt aber auch die verschiedenen -Krankheiten der Bienenvölker, die Faulbrütigkeit und die Schädigungen -durch die Wachsmotte und den Bienenwolf. Er sagt, daß man beim -Schneiden der Honigwaben den Bienen noch welche als Winternahrung -übriglassen müsse, sonst stürben sie bei schlechtem Wetter an -Futtermangel, bei gutem aber flögen sie davon. Sturm und Regen merkten -sie im voraus; die Bienenwärter bemerkten es gleich, daß sie Unwetter -erwarten, wenn sie bei heiterem Himmel nicht fliegen wollen und zu -Hause bleiben. Wenn sie sich im Stocke klumpenweise zusammenhängen, so -sei dies ein Zeichen, daß sie schwärmen wollen. Sobald die Bienenwärter -solches bemerken, spritzen sie mit Honig eingekochten Traubensaft -in die Stöcke. Manche Bienenwärter bestreuen ihre Bienen mit Mehl, -um sie im Freien erkennen zu können. Tritt das Frühjahr spät ein, -entsteht Dürre oder fällt Mehltau, so machen die Bienen nur wenig Brut. -Er gibt genaue Anweisung über die beste Art der Einrichtung eines -Bienenstandes. Ein solcher dürfe weder im Sommer der großen Hitze, noch -im Winter der Kälte ausgesetzt sein. Eine vorzügliche Futterpflanze für -die Bienen sei der Thymian. Weil der Berg Hymettos in Attika reich an -Thymian war, galt der von dorther stammende Honig im ganzen Altertum -als besonders fein und gewürzhaft. In Attika soll es schon zur Zeit des -Perikles, um die Mitte des 5. vorchristlichen Jahrhunderts, etwa 20000 -zahme Bienenvölker gegeben haben, was auf eine reiche Imkertätigkeit -der alten Griechen hinweist.</p> - -<p>Auch die alten Römer trieben, wohl weitgehend von den Griechen -beeinflußt, ausgedehnte Bienenzucht. Der gelehrte Varro (116–27 v. -Chr.) schreibt in seinem Buche über den Landbau, er kenne einen Mann, -der seinen Bienenstand für eine Abgabe von jährlich 5000 Pfund Honig -verpachtet habe. Und ein Verwandter von ihm habe in Spanien zwei -Soldaten mit Namen Vejanus in seiner Armee gehabt, die von ihrem Vater -nur ein ganz kleines Gütchen geerbt hätten. Diese hätten<span class="pagenum"><a id="Seite_495"></a>[S. 495]</span> ihre Wohnung -ganz mit Bienenstöcken umgeben und das Feld darum herum mit Thymian, -Melisse und anderem Bienenfutter bepflanzt, so daß sie in der Regel -jährlich 10000 Sesterzien (= 1500 Mark) aus dem Honig lösten. Er gibt -genaue Anweisung, wie ein Bienenstand, der tüchtige Einkünfte gewähren -soll, angelegt werden muß und rät als beste Bienenweide Thymian zu -pflanzen, der den besten und reichlichsten Honig gebe. Deswegen sei -auch der sizilische Honig der berühmteste, weil dort der Thymian gut -und häufig sei. Der Honig, der von verschiedenen Pflanzen gesammelt -werde, sei verschieden. Von den Blüten der Baumheide sei er flüssiger, -vom Rosmarin dicker, vom Feigenbaum komme ein schlecht schmeckender, -vom baumförmigen Schneckenklee ein guter, der beste aber vom Thymian. -Die Bienenstöcke stelle man meist aus in runder Gestalt geflochtenen -Weidenruten, die innen und außen mit Kuhmist verstrichen würden, oder -aus Holz oder Rinde her. Manche nehmen dazu hohle Baumstämme oder -große Tonkrüge. Am besten seien die aus Baumrinde gefertigten Stöcke, -am schlechtesten dagegen die irdenen, da durch sie Hitze und Kälte -am stärksten eindringe. Jeder Stock bekomme in seiner Mitte links -und rechts einen Eingang für die Bienen und habe oben einen Deckel, -damit man die Honigwaben herausnehmen könne. Im Bienenhaus stelle man -die Stöcke reihenweise nebeneinander, doch so, daß sie sich nicht -gegenseitig berühren. Man könne auch zwei oder drei Reihen übereinander -stellen, eine vierte aber würde beschwerlich sein, da man ohne Leiter -nicht gut zu ihr hinaufreiche. „Im Frühjahr und Sommer hat der -Bienenwärter (<span class="antiqua">mellarius</span> von <span class="antiqua">mel</span> Honig) jeden Stock etwa -dreimal monatlich zu untersuchen, wobei er ein wenig Rauch gibt und -Unreinigkeiten und Würmchen (Larven des Bienenwolfs und der Wachsmotte) -entfernt. Außerdem hat er darauf zu sehen, daß nicht mehrere Könige -(<span class="antiqua">regulus</span>, d. h. kleiner König oder Weisel) in einem Stocke -sind; denn sonst entsteht darin schädlicher Aufruhr. Manche behaupten, -es gäbe dreierlei Könige bei den Bienen, nämlich schwarze, rote und -bunte.“ Menekrates aber sagt, es gebe nur zweierlei, schwarze und -bunte. (Auch Aristoteles kannte deren nur zwei, eine rötliche Art, die -er für besser hielt, und eine dunkelfarbige und bunte.) „Die bunte Art -ist jedenfalls die beste, und so tut denn der Bienenwärter gut, den -schwarzen König zu töten, wenn er neben einem bunten im Stocke ist -und darin Unfug stiftet. Von den Arbeitsbienen sind diejenigen die -besten, welche klein, bunt und rund sind. Die Drohnen sind schwarz -und haben einen breiten Leib. — Beim Kauf hat der Käufer darauf<span class="pagenum"><a id="Seite_496"></a>[S. 496]</span> zu -achten, ob die Bienen gesund oder krank sind. Gesunde Bienen schwärmen -fleißig, sind glänzend, bauen gleiche, glatte Waben. Die kränklichen -sind haarig, struppig, staubig; doch können auch gute Bienen bei -angestrengter Arbeit struppig und mager werden.</p> - -<p>Da die Bienen nicht zu jeder Zeit auf Nahrung ausfliegen können, -füttert man sie in der bösen Zeit, damit sie nicht von bloßem Honig -zu leben brauchen oder die Stöcke verlassen. Das Futter besteht aus -Feigen, die mit Wasser gekocht und zu Klumpen geknetet sind. Andere -verfüttern Honigwasser (<span class="antiqua">aqua mulsa</span>), das sie in kleine Gefäße -tun, worin Wolle liegt; diese hindert die Bienen, nicht zuviel -zu saugen und ins Wasser zu stürzen. Manche stampfen getrocknete -Weinbeeren und Feigen, gießen mit Honig eingekochten Traubensaft darauf -und machen daraus Klümpchen. — Will man einen Bienenstock an eine -andere Stelle versetzen, so muß es mit Vorsicht und zur rechten Zeit -geschehen. Zum Versetzen ist der Frühling günstiger als der Winter, -denn in der kalten Jahreszeit verlassen die Bienen gern den neu -angewiesenen Standort. Ebenso entweichen sie gern, wenn man sie aus -einer reiche Nahrung bietenden Gegend in eine daran arme versetzt. Man -darf auch nicht sorglos verfahren, wenn man sie an einer Stelle, wo sie -bleiben sollen, aus einem Stock in einen anderen versetzt. Man muß dann -den neuen Stock für sie mit Melisse ausreiben, die sie sehr gern haben; -auch muß man mit Honig gefüllte Waben darein einsetzen, damit sie nicht -von vornherein Mangel leiden müssen.</p> - -<p>Haben die Bienen sich stark vermehrt, so pflegen sie eine Kolonie -auszusenden. Man bemerkt ihre Absicht im voraus an zwei Zeichen: 1. -einige Tage lang hängen sie in einer traubenförmigen Masse am Flugloch; -2. wenn sie eben ausziehen wollen oder schon begonnen haben es zu -tun, summen sie heftig und der Lärm gleicht einigermaßen dem, welchen -eine Armee macht, wenn das Lager abgebrochen wird. Einige bilden die -Vorposten, fliegen im Angesicht des Stockes auf und nieder und warten -ab, ob der Schwarm sich in Bewegung setzt oder nicht. Sieht das der -Bienenwärter, so wirft er Staub nach ihnen, klingelt mit ehernen -Instrumenten und bringt sie dadurch wohin er will. Nicht weit vom alten -Stock bestreicht er einen neuen Stock mit Vorwachs und Melisse oder -anderen Dingen, die den Bienen angenehm sind. Haben sich nun die Bienen -angesetzt, so bringt der Bienenwärter einen Stock herbei, welcher -inwendig mit den genannten lockenden Dingen ausgestrichen ist, setzt -ihn in die Nähe des Schwarms, räuchert diesen ein wenig und zwingt ihn -so zum Einzug. Hat die<span class="pagenum"><a id="Seite_497"></a>[S. 497]</span> neue Kolonie den Stock bezogen, so bleibt sie -gern darin und zieht auch dann nicht aus, wenn er ganz nahe an den -alten gestellt wird.</p> - -<p>Ist der Stock schwer, so kann man ihm Honig entnehmen. Die mit Honig -gefüllten Zellen sind mit einem dünnen Wachsdeckel geschlossen. Einige -sagen, man müsse den Bienen <span class="nowrap"><span class="zaehler">9</span>⁄<span class="nenner">10</span></span> nehmen und <span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">10</span></span> lassen, weil sie den -Stock verlassen, wenn man ihnen alles nimmt. Schneidet man die Stöcke -nicht alle Jahre oder wenigstens nicht zu stark aus, so sind die Bienen -fleißiger und tragen mehr ein. Die erste zum Schneiden der Bienenstöcke -(zur Honigernte) taugliche Zeit ist die, da die Vergilien (die Plejaden -oder das Siebengestirn) aufgehen, die zweite zu Ende des Sommers, die -dritte zur Zeit, da die Vergilien untergehen. Ist zu dieser Zeit der -Stock schwer, so nimmt man ihm doch nicht über <span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">3</span></span> des Honigs und läßt -ihm <span class="nowrap"><span class="zaehler">2</span>⁄<span class="nenner">3</span></span> für den Winter. Sind Waben, die man den Bienen genommen, leer -oder schmutzig, so schneidet man solche Stellen mit dem Messer weg.</p> - -<p>Ist ein Volk so schwach, daß es von anderen überwältigt wird, so -vereinigt man es heimlich mit einem stärkeren. Entstehen unter den -Bienen häufig Raufereien, so bespritze man sie mit Honigwasser, worauf -sie sich freundlich lecken, statt die Zänkerei fortzusetzen. Nimmt -man statt des Honigwassers flüssigen Honig, so lecken sie sich noch -eifriger und sind ganz entzückt über die herrliche Leckerei. Fliegen -sie spärlich aus dem Stock und bleibt ein Teil darin, so räuchert man -ihn etwas von unten und legt in seine Nähe wohlriechende Kräuter, -vorzüglich Melisse und Thymian. Vor allzu großer Hitze und Kälte hat -man den Stock sorgfältig zu beschützen. Sind die Bienen auf Nahrung -ausgeflogen und dabei plötzlich von einem Platzregen oder von Kälte -überfallen worden (was jedoch selten geschieht, da sie jedes Wetter im -voraus merken), so sammelt man sie und setzt sie an einen lauen Ort. -Bei gutem Wetter nimmt man sie aus diesem, bestreut sie mit warmer -Asche von Feigenholz, schüttelt sie, ohne sie mit der Hand zu berühren, -gelinde und bringt sie an die Sonne. Sind sie auf solche Weise warm -geworden, so leben sie wieder auf. Bringt man sie nun in die Nähe der -Stöcke, so kehren sie dann an ihre Arbeit und in ihre Wohnung zurück.“</p> - -<p>Es ist erstaunlich, wie groß auch bei Barro die Erkenntnis in der -Beurteilung der Lebensweise der Bienen ist, wenn auch er, wie -Aristoteles, noch gar vielen Irrtümern huldigte, worunter auch dem, -daß die Bienen aus dem Aase von Rindern, wie die Wespen aus solchem -von Pferden und die Mistkäfer aus solchem von Eseln hervor<span class="pagenum"><a id="Seite_498"></a>[S. 498]</span>gehen. Am -ausführlichsten behandelt der römische Dichter Vergil die vermeintliche -Entstehung der Bienen aus dem Aase von Rindvieh im 4. Buche seiner -Georgica, das mit seinen 566 Versen ganz den Bienen gewidmet ist. Er -sagt, daß wenn durch irgend ein Unglück der Bienenstand ausgestorben -sei und man keine bevölkerten Stöcke kaufen könne, so wende man die -höchst merkwürdige Kunst an, die der arkadische Hirt Aristäus erfunden -habe und die noch jetzt in Ägypten mit großem Gewinn angewendet werde. -Einem zweijährigen Stiere verstopfe man trotz allem Sträuben Mund und -Nase und prügle ihn so lange, bis, ohne daß die Haut verletzt wird, -inwendig alles zu Brei geschlagen sei. So lasse man den Kadaver ruhig -liegen, nachdem man ihm Thymian und Zimt untergelegt habe. Bald komme -das Innere desselben in Gärung, man sehe darin ein wunderbares Gewimmel -fußloser Tiere (Maden), bis zuletzt geflügelte Bienen hervorkämen und -die Menge wachse und ganze Wolken davon herumschwirren. Tatsächlich -sind das aber aus Eiern entstandene Schweißfliegen und keine Bienen.</p> - -<p>Im ganzen Altertum war die Anschauung von solcher Urzeugung gang und -gäbe. Es sei hier nur an das uns allen geläufige Rätsel erinnert, das, -wie im 14. Kapitel des Buches der Richter erzählt wird, vom Helden -Simson bei seiner Hochzeit mit der Philisterin zu Thimnath den 30 um -ihn weilenden Gesellen aufgegeben wurde, wobei er ihnen 30 Hemden und -30 Festkleider versprach, falls sie es lösen sollten. Könnten sie es -aber nicht erraten, so sollten sie ihm 30 Hemden und 30 Festkleider -geben. Das Rätsel lautete: „Speise ging aus von dem Fresser und -Süßigkeit von dem Starken.“ Er meinte damit den Bienenschwarm im -Kadaver des jungen Löwen, den er einige Tage zuvor am Wege durch die -Weinberge zu Thimnath mit seinen starken Armen zerrissen hatte, „wie -man ein Böcklein zerreißet“. Dieser Bienenschwarm sollte aus dem Aase -des Löwen hervorgegangen sein und hatte bereits Honig gesammelt, den -Simson in die Hand nahm und von dem er unterwegs aß; „und er ging zu -seinem Vater und zu seiner Mutter und gab ihnen, daß sie auch aßen. Er -sagte ihnen aber nicht, daß er den Honig von des Löwen Aas genommen -hatte.“</p> - -<p>Mehrfach berichten Livius in seiner Geschichte Roms und Cicero -in seinem Buche <span class="antiqua">de divinatione</span> von Wundern, die durch das -merkwürdige Verfliegen von Bienenschwärmen angezeigt worden seien. Es -galt als unglückbringend, wenn sich ein solcher vor einer geplanten -Unternehmung irgendwo einfand. So berichtet Livius: „Als die Römer<span class="pagenum"><a id="Seite_499"></a>[S. 499]</span> am -Flusse Ticinus (dem heutigen Ticino) dem Hannibal gegenüberstanden, -war ihnen nicht ganz wohl zumute und ihre Furcht nahm zu, als ein -Wolf ins Lager drang und unversehrt wieder hinauslief, und als -sich ein Bienenschwarm auf einem Baume niederließ, der das Zelt -des Befehlshabers beschattete. Man suchte dem üblen Erfolg dieser -Unglückszeichen dadurch vorzubeugen, daß man den Göttern Sühnopfer -darbrachte. — Im Verlaufe desselben Krieges ereigneten sich zur -Zeit, da Quintus Fulvius und Appius Claudius Konsuln waren, neue -Wunderzeichen: In Campanien wurden zwei Tempel und einige Gräber vom -Blitze getroffen, zu Cumä benagten die Mäuse im Tempel des Jupiter das -Gold, zu Catinum ließ sich ein ungeheurer Bienenschwarm auf dem Markte -nieder, zu Caere flog ein Adler auf den Tempel des Jupiter. Wegen -dieser drohenden Zeichen wurde ein allgemeiner Bettag angesagt und -einige Tage lang mit ungünstigem Erfolge geopfert. Endlich verhießen -die Opfer Glück, und der Erfolg zeigte, daß das Unglück die Konsuln -traf, der Staat aber ohne Schaden davonkam.“ Nach dem griechischen -Geschichtschreiber Dio Cassius (155–229 n. Chr.) soll dem Pompejus -seine Niederlage bei Pharsalus im voraus verkündet worden sein, indem -Blitze in sein Lager schlugen, Bienen sich auf seine Fahnen setzten und -viele Opfertiere vor dem Altar die Flucht ergriffen. Die Niederlage, -die Varus im Jahre 14 n. Chr. in Germanien erlitt, sei den Römern durch -Zeichen prophezeit worden, indem der Blitz in den Tempel des Mars auf -dem Marsfeld schlug, viele Heuschrecken in die Stadt Rom flogen und -dort von den Schwalben weggeschnappt wurden und Bienen an römischen -Altären Wachszellen bauten. Auch des Kaisers Claudius Tod sei durch -einen Kometen, einen blutigen Regen, die freiwillige Öffnung des -Tempels des Jupiter Victor und auch dadurch voraus verkündet worden, -daß sich ein Bienenschwarm im Lager festsetzte. Und Plinius (23–79 -n. Chr.) meint: „Bienenschwärme geben einzelnen Menschen und ganzen -Staaten wichtige Vorbedeutungen, wenn sie sich an Häuser oder Tempel -hängen, worauf schon oft schrecklicher Jammer erfolgt ist. Als Plato -noch ein Kind war, setzten sich Bienen auf seinen Mund und deuteten -dadurch auf das Liebliche seiner zukünftigen Beredsamkeit. Im Lager des -Feldherrn Drusus ließ sich ein Schwarm während der glücklichen Schlacht -von Arbalo (in Germanien) nieder, woraus man sehen kann, daß die -Wissenschaft der Zeichendeuter, welche eine solche Begebenheit immer -für ein Unglück erklärt, nicht untrüglich ist.“</p> - -<p>Auch Plinius behandelt die Bienen sehr ausführlich in seiner<span class="pagenum"><a id="Seite_500"></a>[S. 500]</span> -Naturgeschichte. Er sagt von ihnen: Wir müssen ihnen die höchste -Bewunderung zollen und ihnen den Vorzug vor allen Insekten geben, -sind sie doch die einzigen bloß um des Menschen willen geschaffenen. -Man braucht sich deshalb nicht zu wundern, wenn man hört, daß -manche Menschen ganz verliebt in ihre Bienen gewesen seien. So habe -Aristomachos von Soli sich 58 Jahre lang mit nichts anderem als mit -ihnen beschäftigt, und Philiskos aus Thasos habe mit seinen Bienen -einsam in einer Einöde gelebt. Beide haben über sie geschrieben. Dann -fährt er fort: „Den Winter über verbergen sich die Bienen, denn woher -sollten sie auch die Kräfte nehmen, um der Kälte, dem Schnee und den -Nordstürmen zu widerstehen? Aber ehe noch die Bohnen blühen, kommen -sie heraus, um zu arbeiten, und wenn das Wetter günstig ist, geht -kein Tag verloren. Zuerst bauen sie die Waben, dann erzeugen sie die -Brut, sammeln Honig und Wachs von den Blüten, wie auch Vorwachs aus -den klebrigen Abscheidungen der Bäume. Mit letzterem streichen sie -erst inwendig den Stock aus, und weil sie wohl wissen, daß ihr Honig -ein Leckerbissen ist, so mischen sie zur Abhaltung kleiner Schmarotzer -dem Vorwachse noch bittere Säfte bei. Mit derselben Masse verengern -sie auch den Eingang, wenn er allzu weit sein sollte. — Bei ihren -Geschäften beobachten die Bienen eine bestimmte Ordnung: Am Tage -steht eine Schildwache am Eingang; nachts ruhen sie, bis der Morgen -anbricht und bis eine durch zwei- oder dreimaliges Sumsen gleich einem -Trompeter das Zeichen zum Aufbruche gibt. Jetzt fliegen alle hinaus, -wenn ein heiterer Tag bevorsteht. Ist aber Wind und Regen in Aussicht, -so bleiben sie zu Hause, denn sie wissen im voraus, wie das Wetter -sich gestalten wird. Sind sie zur Arbeit ausgezogen, so tragen die -einen Blütenstaub mit den Füßen ein, andere Wasser im Munde und an -den Haaren, womit ihr ganzer Leib bedeckt ist. Die Jungen fliegen aus -und tragen ein, die Alten dagegen besorgen die häuslichen Arbeiten. -Diejenigen, welche Blütenstaub sammeln, bedienen sich der Vorderfüße, -welche behaart sind, und des Rüssels, um die Vorderfüße zu beladen, und -so kehren sie denn endlich, von der schweren Last gebeugt, nach Hause -zurück. Hier kommen ihnen sogleich drei bis vier entgegen und nehmen -ihnen die Last ab, denn auch im Stocke sind die Arbeiten verteilt. Die -einen bauen, die andern glätten, andere tragen den Baustoff herbei, -andere bereiten aus dem, was eingetragen wird, die Speisen; denn sie -halten gemeinschaftliche Mahlzeiten ab, damit die allgemeine Ordnung -der Geschäfte nicht gestört wird. Den Bau beginnen sie oben an der -Decke<span class="pagenum"><a id="Seite_501"></a>[S. 501]</span> des Stockes und bauen nun die Waben abwärts so, daß dabei zwei -Wege offen bleiben, auf deren einem sie herbei-, auf dem andern aber -weggehen können. Die Waben hängen oben und auch ein wenig an der Seite -fest; bis auf den Boden aber gehen sie nicht herab. Bald haben sie eine -längliche, bald eine mehr runde Gestalt, wie es gerade die Form des -Stockes mit sich bringt. Wollen die Waben fallen, so setzen sie Stützen -darunter, wölben sie aber vom Boden aus so, daß ein Zugang für neue -Ausbesserung übrig bleibt. Etwa die drei ersten Zellenreihen bleiben -leer, damit nicht so leicht Diebe angelockt werden; die hintersten -werden am meisten mit Honig gefüllt, und deswegen schneidet man den -Stock auch von hinten aus.</p> - -<p>Die Honig eintragenden Arbeitsbienen (<span class="antiqua">gerula apis</span>) sehen sehr -auf günstigen Wind; beginnt ein Sturm, so nehmen sie ein Steinchen als -Balast zu sich (wie schon Aristoteles geglaubt hatte), welches sie, wie -einige behaupten wollen, auf den Schultern tragen. Geht ihnen der Wind -entgegen, so fliegen sie an der Erde hin und weichen den Dornbüschen -aus. Man ist erstaunt, wenn man ihre Arbeit beobachtet. Die Faulen -werden getadelt, gestraft, ja sogar getötet. Sie sind äußerst reinlich. -Jeder Unrat, der sich irgendwo im Stocke vorfindet, wird sogleich -hinausgeschafft. Sobald der Abend kommt, nimmt allmählich der Lärm -im Stocke ab, bis endlich eine Biene herumfliegt und durch dasselbe -Sumsen, womit die Schar morgens geweckt wird, das Zeichen zur Ruhe -gibt, worauf alle augenblicklich schweigen.“</p> - -<p>Auch Plinius glaubt, daß der Honig aus der Luft herabfalle. Er sagt -darüber: „Der Honig kommt aus der Luft, und zwar gegen Tagesanbruch, -weshalb man auch mit dem Erscheinen der Morgenröte die Blätter der -Bäume von Honig betaut findet und Menschen, die sich zufällig im -Freien aufhalten, ihre Kleider und Haare mit Honig gesalbt fühlen. -Mag nun der Himmel den Honigtau ausschwitzen, oder mögen ihn die -Sterne ausspucken, oder mag er eine Reinigung der Luft sein, so wäre -nur zu wünschen, daß er so rein, flüssig und echt sein möchte, wie er -anfänglich herabträufelt. So aber fällt er aus der unermeßlichen Höhe -herab, wird im Fallen durch schmutzige Beimischungen verunreinigt, vom -Hauche der Erde vergiftet, außerdem von den Blättern abgeleckt, in den -Magen der Bienen geschluckt, obendrein durch Blumensaft vermischt, im -Bienenstocke geknetet, und dennoch behält er noch ein gutes Teil seiner -himmlischen Eigenschaften bei.</p> - -<p>„Der Honig ist immer da am besten, wo er in den Behältern der<span class="pagenum"><a id="Seite_502"></a>[S. 502]</span> besten -Blumen aufbewahrt wird. Am berühmtesten sind in dieser Hinsicht der -Berg Hymettus in Attika, der (Berg) Hybla auf Sizilien und die Insel -Kalydna (bei Kleinasien). Anfangs ist der Honig flüssig wie Wasser, -gärt die ersten Tage wie Most und reinigt sich; am 20. beginnt er -dick zu werden. Bald überzieht er sich mit einer Haut, welche sich -aus dem durch Gärung entstehenden Schaume bildet. Der beste und am -wenigsten nach Laub schmeckende wird von den Blättern der Linden, -Eichen und der Rohrarten entnommen. Die Güte des Honigs hängt zwar von -der Beschaffenheit der Gegend ab; übrigens zeigt sich aber doch noch -ein Unterschied; denn z. B. im Lande der Peligner (in Italien) und in -Sizilien zeichnet sich das Wachs aus, in Kreta, Zypern und Afrika der -Honig, im Norden die Größe, so daß man in Germanien schon eine acht Fuß -lange Wabe gesehen hat, deren Höhlungen schwarz waren. Allerwärts gibt -es dreierlei Honig:</p> - -<p>„1. Den <em class="gesperrt">Frühlingshonig</em>, von Blüten gesammelt, deshalb auch -Blütenhonig genannt, den man nicht wegnehmen darf, weil sonst die Brut -nicht kräftig wird. Manche Bienenwärter nehmen aber gerade von diesem -den meisten, weil bald darauf, beim Aufgang der großen Gestirne, großer -Überfluß erfolgt. Übrigens sind im Sommer, wenn Thymian und Weinstock -zu blühen beginnen, die Zellen am besten gefüllt. Man muß aber beim -Schneiden der Stöcke eine gehörige Einteilung treffen; denn wenn man -zuviel Honig wegnimmt, so überlassen sich die Bienen der Verzweiflung, -sterben oder zerstreuen sich. Dagegen werden sie aber auch durch allzu -großen Vorrat faul und fressen dann reinen Honig statt Bienenbrot. -Vorsichtige Bienenwärter lassen ihnen daher von dieser Ernte den -zwölften Teil. Der Tag, an welchem diese Ernte gehalten wird, ist -gleichsam durch ein Naturgesetz bestimmt, und zwar ist es der 30. nach -dem Auszuge des Schwarms, also meist im Monat Mai.</p> - -<p>„2. Den <em class="gesperrt">Sommerhonig</em>, welchen man auch reifen Honig nennt, -indem er zur günstigsten Jahreszeit gesammelt wird, etwa 30 Tage nach -der Sonnenwende, während der Sirius glänzt. Dieser Honig würde die -herrlichste Gabe der Natur sein, wenn nicht der Betrug des Menschen -alles verschlechterte und verdürbe; denn was sich beim Aufgang der -Gestirne, vorzüglich deren vom obersten Range, oder beim Regenbogen, -wenn kein Platzregen folgt, sondern der Tau vom Sonnenstrahl erwärmt -wird, bildet, ist kein Honig, sondern ein himmlischer Balsam für die -Augen, für Geschwüre und für die Eingeweide. Sammelt man ihn beim -Aufgang des Sirius, wenn zufällig der Aufgang der<span class="pagenum"><a id="Seite_503"></a>[S. 503]</span> Venus, des Jupiter -oder Merkur auf denselben Tag fällt, so ist seine Kraft, Menschen zu -heilen und selbst vom Tode zu erretten, nicht geringer als die des -göttlichen Nektars. Beim Vollmond ist die Honigernte reichlicher, bei -reinem Himmel aber fetter. Vorzüglich gut ist der rötliche, zumal für -Krankheiten des Ohres. Der vom Thymian gesammelte ist goldfarbig, von -köstlichem Geschmack und sehr geschätzt. Was sich in den Behältern -der Blumen bildet, ist fett, was vom Rosmarin kommt, ist dick. Honig, -welcher gerinnt, wird nicht gelobt. Honig von Thymian gerinnt nicht; -berührt man ihn, so zieht er sehr feine Fäden, und dies ist der beste -Beweis seiner Schwere. Trennt er sich leicht, so daß die Tropfen -fallen ohne Fäden zu ziehen, so gilt das für einen Beweis von geringem -Werte. Man verlangt ferner, daß der Honig wohlriechend, süßlichsauer, -klebrig und durchsichtig sei. Bei der Sommerernte soll man nach Cassius -Dionysius den Bienen den zehnten Teil lassen, wenn der Stock voll ist; -ist er es aber nicht, so soll man nach Verhältnis schneiden. Ist er -leer, so soll man ihn gar nicht anrühren. Diese Ernte hält man anfangs -Juli ab.</p> - -<p>„3. Den <em class="gesperrt">wilden Honig</em>, den man auch Heidehonig nennt und wenig -schätzt. Die Bienen sammeln ihn nach dem ersten Herbstregen, während im -Walde nur die Heide (Baumheide, <span class="antiqua">Erica carnea</span>) blüht, weswegen -er auch gleichsam sandig ist. Diesen Honig schneidet man im November, -und die Erfahrung lehrt, daß man davon den Bienen zwei Drittel und -jedenfalls den Teil der Waben lassen muß, der das Bienenbrot enthält. -Vom kürzesten Tage an bis zum Aufgang des großen Bären schlafen die -Bienen sechzig Tage lang, ohne Nahrung zu sich zu nehmen; von da an -bis zur Frühlingsnachtgleiche wachen sie zwar, da die Luft schon lauer -ist, bleiben aber gleichwohl im Stocke und zehren von den vorhandenen -Vorräten. In Italien schlafen sie bis zum Aufgang des Siebengestirns.</p> - -<p>„Manche Bienenwärter wiegen beim Schneiden die Stöcke und bestimmen -dann, wieviel Honig darin bleiben soll. Auch gegen die Bienen muß man -billig sein; denn die Stöcke sollen aussterben, sobald man ungerecht -gegen sie handelt. Vorzüglich empfiehlt man denen, welche schneiden, -sich vorher zu baden und zu reinigen. Vor Dieben haben die Bienen -einen eigenen Aberwillen. Während man den Honig herausnimmt (nach dem -zu Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr. lebenden Nonnos schützte sich -der Bienenwärter dabei mit einem aus feinen Leinenfäden geflochtenen -schleierartigen Gewand, das ihn vom Kopf bis zu den Zehen verhüllte), -müssen die Bienen durch Rauch<span class="pagenum"><a id="Seite_504"></a>[S. 504]</span> vertrieben sein, damit sie nicht wütend -werden oder auch selbst sich über den Honig hermachen. Gibt man ihnen -öfters Rauch, so werden sie arbeitsamer, durch allzuhäufigen aber -leiden sie und der Honig wird dann bei der leisesten Berührung des -Taues sauer.“</p> - -<p>Über die Gewinnung des Wachses gibt Plinius ausführliche Auskunft -und sagt, das beste komme von Karthago. Am schönsten weiß werde es, -wenn man es nur einmal kocht. Man brauche es zu unzähligen Dingen und -färbe es auf verschiedene Weise; oft benütze man es auch, um Wände und -Waffen gegen Nässe zu schützen. Die besten Bienenstöcke mache man aus -Baumrinde, und zwar aus Kork der Korkeiche; die aus Ruten geflochtenen -seien nicht so gut. Viele ließen sie aus Marienglas herstellen, um die -Bienen bei der Arbeit beobachten zu können. Man stelle sie am besten -so auf, daß das Flugloch nach der Gegend gerichtet sei, wo die Sonne -während der Tag- und Nachtgleiche aufgehe. Im Winter müsse man sie -mit Stroh bedecken und oft räuchern, am besten mit Rindermist. Diesen -Rauch lieben die Bienen wegen der Verwandtschaft (bezieht sich auf -die vermeintliche Entstehung der Bienen aus totem Rindvieh) und er -tötet zugleich das Ungeziefer, von dem sie geplagt werden wie Spinnen, -Würmer (Larven des Bienenwolfs und der Wachsmotte) und Schmetterlinge -(Wachsmotte und Totenkopf), muntert dagegen die Bienen auf. Am -schlimmsten sind die Schmetterlinge; man kann sie aber im Frühjahr, zur -Zeit, da die Malve reift, nachts bei Neumond bei heiterem Himmel töten, -indem man Feuer vor den Bienenstöcken anzündet, in welches sie sich -dann hineinstürzen.“</p> - -<p>Auch nach Plinius „leben die Bienen, wenn ihnen kein Unglück zustößt, -sehr lange, nämlich sieben Jahre. Nie sollen aber Bienenstöcke über -10 Jahre gedauert haben.“ Tatsächlich aber lebt nur die Königin, das -fruchtbare Weibchen, 3–5 Jahre, ist aber höchstens 3 Jahre recht -fruchtbar. Sie vermag nach den angestellten Versuchen jährlich 50 -bis 60000 Eier zu legen, in den letzten Jahren bedeutend weniger. -Die unfruchtbaren Weibchen, die Arbeiterinnen, leben im Sommer nur -6–8 Wochen und sterben, von der rastlosen Arbeit verbraucht oder von -Bienenfeinden getötet. In der Haupttrachtzeit währt das Leben dieser -unermüdlichen Arbeiterinnen nur 6 Wochen. Das konstatierte man durch -Einführung der italienischen Bienen in Deutschland. Gibt man nämlich -einem deutschen Volke eine befruchtete italienische Königin, so ist -nach 6 Wochen bis auf vereinzelte Exemplare jenes völlig verschwunden -und durch ein Volk italienischer Bienen ersetzt. Nur die<span class="pagenum"><a id="Seite_505"></a>[S. 505]</span> im August -und September ausgeschlüpften Arbeitsbienen leben, wenn der Stock -normal ist und ihnen nichts zustößt, bis in den April hinein, bis -eine neue Brut sie in der Arbeit abzulösen vermag. Ein starkes -Volk zählt im Sommer 30–80000 Arbeitsbienen. Die Drohnen genannten -Männchen aber, die dicker und länger als die Arbeitsbienen sind und im -Gegensatz zu sämtlichen Weibchen stachellos sind und nicht arbeiten, -auch von jenen leicht am dröhnenden Tone ihres Fluges erkannt werden -können, haben keine andere Aufgabe, als die jungen Königinnen, die -beim Schwärmen mit einem Teil des Bienenvolkes ausziehen, um eine -neue Kolonie zu gründen, zu befruchten. Sie entstehen im Frühjahr -aus unbefruchteten Eiern, während die Weibchen aus befruchteten -hervorgehen, im Falle sie Königinnen werden sollen, durch bessere -Ernährung ihre Geschlechtsorgane voll ausbilden, im Falle sie aber nur -Arbeiterinnen abgeben sollen, trotz der längeren Entwicklungsdauer von -3 Tagen gegenüber den Königinnen, in bezug auf ihre Geschlechtsorgane -verkümmern. Gegen Ende April erscheinen die ersten Drohnen, deren es -in einem starkgewordenen Volke über 1000 geben kann. Von diesen sind -nur einige wenige auserwählt, die jungen Königinnen beim Hochzeitsfluge -in der Luft zu begatten, wobei sie sofort sterben. Die befruchtete -Königin aber füllt dabei ihre Samentasche für die Zeit ihres Lebens -mit Samen, von dem sie willkürlich ein Samenfädchen zu dem den -Eileiter passierenden Ei gelangen läßt oder nicht. In ersterem Falle -entstehen daraus Weibchen, im letzteren dagegen Männchen. Deshalb -kann ein unbefruchtetes Weibchen durch Jungfernzeugung nur Männchen -hervorbringen, und man nennt in diesem Falle das betreffende Volk -drohnenbrütig. Die nicht beim Hochzeitsflug umgekommenen Drohnen aber -werden, sobald eine Trachtpause anbricht, als überflüssige Schmarotzer, -die nur bei warmem Sonnenschein und windstillem Wetter den Stock -zwischen 10 Uhr morgens und 4 Uhr nachmittags verlassen, um im Freien -hin und her zu fliegen, aber keinen Nektar oder andere Nahrung suchen, -sich aber am Nahrungsvorrat des Stockes sättigen, durch die Bienen von -den Honigvorräten weggedrängt, nicht mehr gefüttert und, wenn sie dem -Verhungern nahe sind, zum Stocke hinausgedrängt und ihrem Schicksal -überlassen oder umgebracht. Es ist dies die von Mitte August bis -Ende September sich alljährlich einmal ereignende „Drohnenschlacht“. -Pfarrer Schönfeld hat nun nachgewiesen, daß die Drohnen ohne -Futtersaftfütterung, d. h. ohne Zufuhr stickstoffhaltiger Nahrung, -nicht länger als drei Tage leben können. Sobald nun die Arbeits<span class="pagenum"><a id="Seite_506"></a>[S. 506]</span>bienen -die Darreichung des Futtersaftes einstellen, ermatten die Drohnen schon -am zweiten Tage so sehr, daß sie sich leicht überwältigen lassen oder -von selbst an Entkräftung zugrunde gehen. Findet in einem Stocke keine -Drohnenschlacht statt, so ist der Stock weisellos, d. h. ohne Königin. -Sind im Sommer die Drohnen in einem Stocke zu zahlreich, so steckt -der Imker eine sogenannte Drohnenfalle ins Flugloch, um die müßigen -Honigfresser darin zu fangen. Die Arbeitsbienen, welche nicht so dick -sind, schlüpfen durch die Löcher hindurch, während dagegen die Drohnen -darin stecken bleiben.</p> - -<p>In Beziehung auf die Fortpflanzung der Bienen sagt Plinius: „Wie sie -ihre Jungen erzeugen, ist eine wichtige und schwierige Aufgabe für -Gelehrte; denn man hat sie nie in der Paarung angetroffen. Viele Leute -sind der Meinung, sie entständen aus einer zu diesem Zwecke geeigneten -Zusammensetzung von Blütensäften. Andere glauben, es geschehe durch -Paarung des Königs mit den andern Bienen. Es befindet sich in jedem -Stock nur <em class="gesperrt">ein</em> König; er ist weit größer als die andern Bienen -und soll das einzige Männchen sein. Ohne ihn soll es keine Brut geben, -und die übrigen Bienen sollen ihn wie Weibchen ihren Mann und nicht -wie ihren König begleiten. Das Vorkommen der Drohnen ist ein Beweis -gegen diese Behauptung; denn wie können von denselben Eltern teils -vollkommene, teils unvollkommene Wesen abstammen? Die erstere Meinung -würde wahrscheinlich sein, wenn nicht eine andere Schwierigkeit -dagegen spräche. Es entstehen nämlich zuweilen am äußersten Ende der -Wachstafeln größere Bienen, welche die übrigen vertreiben; man nennt -sie <span class="antiqua">oestrus</span>. (Ob hier Drohnen oder in den Stock eingedrungene -Raubbienen gemeint sind, ist ungewiß.) Aber wie könnten sie entstehen, -wenn die Bienen sich selbst erzeugten?</p> - -<p>Gewiß ist, daß die Bienen wie Hühner brüten. Zuerst kriecht bei ihnen -ein kleines weißes Würmchen aus, der König aber hat gleich eine -Honigfarbe, als wäre er aus einer auserwählten Blume entstanden; auch -ist er nicht erst ein Würmchen, sondern gleich geflügelt. Reißt man -den Larven der andern Bienen den Kopf ab, so sind sie für ihre Mütter -ein wahrer Leckerbissen. Werden die Würmchen größer, so träufeln ihnen -die Bienen Speise ein und bebrüten sie, wobei sie ein starkes Gemurmel -erheben, wahrscheinlich um die zum Brüten erforderliche Wärme zu -bewirken. Endlich zersprengt jeder Wurm die Hülle, in welche er gleich -einem Ei in seiner Schale eingewickelt ist, und nun kriecht der ganze -Schwarm aus den Zellen<span class="pagenum"><a id="Seite_507"></a>[S. 507]</span> hervor. Diese Tatsache ist bei Rom auf dem -Landgute eines Konsularen beobachtet worden, wo man aus durchsichtigem -Horn verfertigte Bienenstöcke aufgestellt hatte. Die Brut bedarf 45 -Tage, bis sie zur Vollkommenheit gelangt ist. (In Wahrheit ist die -Zeit viel kürzer und bedarf eine Königin zu ihrer Entwicklung nur 15, -eine Arbeiterin 21 und eine Drohne 24 Tage.) Sind die Jungen glücklich -ausgekrochen, so arbeiten sie sogleich unter der Aufsicht ihrer -Mütter, und eine Schar junger Bienen begleitet den König. Es werden -mehrere Könige erzogen, damit es nicht daran fehlen kann. Sind sie -aber erwachsen, so werden die schlechtesten mit allgemeiner Zustimmung -getötet, damit sich der Schwarm nicht um ihretwillen teilt. Es gibt -zweierlei Art Könige, wovon die bessere Art schwarz und bunt ist. Alle -Könige haben stets eine sie auszeichnende Gestalt und sind doppelt -so groß als die übrigen Bienen; ihre Flügel sind kürzer, ihre Beine -gerade, ihr Anstand erhabener und auf der Stirn haben sie einen weißen -Fleck, der einem Diadem ähnlich sieht. Auch durch Glanz zeichnen sie -sich vor dem gemeinen Volke aus. Sie haben einen Stachel, aber sie -bedienen sich desselben nicht. Es ist wunderbar, welchen Gehorsam das -Volk seinem Könige erweist. Geht er herum, so zieht ein ganzer Schwarm -mit ihm, nimmt ihn in die Mitte, beschützt ihn und verhindert, daß man -ihn sehen kann. Während der übrigen Zeit, wenn das Volk arbeitet, geht -er im Stocke umher, besichtigt die Arbeiten, scheint zu ermahnen und -ist allein müßig. Um ihn herum sind einige Leibgardisten, die seine -Würde allerwärts aufrecht erhalten. Er verläßt den Stock nur, wenn ein -Schwarm ausziehen will. Dies bemerkt man schon lange vorher, indem -einige Tage lang sich inwendig ein geräuschvolles Murmeln hören läßt, -ein Zeichen, daß sie Vorbereitungen treffen und nur auf gutes Wetter -warten. Schneidet man dem König einen Flügel ab, so zieht der Schwarm -nicht aus. Sind sie aber ausgezogen, so drängt sich jede an den König -und will sich durch Diensteifer auszeichnen. Ist er müde, so stützen -sie ihn mit den Schultern; kann er nicht weiter, so tragen sie ihn -ganz. Ist eine Biene vor Ermattung zurückgeblieben oder hat sie sich -zufällig verirrt, so zieht sie dem Schwarme nach, indem sie dem Geruche -folgt. Wo sich die Hauptmacht niederläßt, da versammelt sich das ganze -Heer.“</p> - -<p>Im Gegensatz zu den älteren Autoren war man also zu Plinius’ Zeit -glücklich dazu gelangt, statt mehrerer nur <em class="gesperrt">einen</em> Anführer -in jedem normalen Bienenstocke anzunehmen. Über dieses Wissen ist -man das ganze Mittelalter hindurch nicht hinausgekommen. Erst im -17.<span class="pagenum"><a id="Seite_508"></a>[S. 508]</span> Jahrhundert entdeckte dann der in Amsterdam erst 43 Jahre alt -verstorbene holländische Gelehrte Jan Swammerdam (1637–1680) durch -Sezieren der Bienen unter dem Vergrößerungsglas, wobei er deren -Eierstöcke und Eileiter fand, daß der bis dahin allgemein als Männchen -betrachtete, deshalb auch im Deutschen als der Weisel bezeichnete -Anführer oder König des Stockes tatsächlich ein Weibchen und der -Bienenstaat auf der Mutterschaft begründet sei.</p> - -<p>Nach Swammerdam hat der Franzose R. A. de Réaumur die wissenschaftliche -Bienenkunde durch zahlreiche Beobachtungen und Versuche in seinem -Garten in Charenton gefördert. Noch weit mehr tat dies der 1750 in Genf -geborene François Huber, durch Réaumurs Experimente angeregt. Sein Werk -„<span class="antiqua">Nouvelles observations sur les abeilles</span>“, von dem der erste -Band im Jahre 1789 in Form von Briefen an einen andern Bienenforscher -Charles Bonnet erschien — der zweite folgte erst 25 Jahre später -— ist klassisch und enthält die Grundlage unseres heutigen Wissens -über die Bienen. In der Folge hat der 1811 in Lobkowitz in Schlesien -geborene katholische Pfarrer Johann Dzierzon die Bienenkunde am meisten -gefördert, indem er zuerst die jungfräuliche Zeugung, welche zur -Entstehung von Drohnen führt, bei den Bienen feststellte. Es geschah -dies auf seiner Pfarrei Karlsmarkt bei Brieg in Schlesien, wo er auch -1861 den ersten Kastenstock mit beweglichen Waben erfand, wodurch der -Imker erst befähigt wurde, seinen Anteil an der Honigernte zu gewinnen, -ohne nutzlos seine besten Völker zu vernichten und die Arbeit eines -ganzen Jahres in einem Augenblicke zu zerstören. Dieser zunächst noch -sehr unvollkommene Kastenstock wurde dann vom Amerikaner Langstroth -bedeutend vervollkommnet, indem er den eigentlichen beweglichen Rahmen -erfand, der zunächst in den Vereinigten Staaten weite Verbreitung fand -und außerordentliche Erfolge erzielte. Dann erfand Mehring, um den -Bienen Arbeit und Wachs, also auch viel Honig und Zeit zu ersparen, -die Herstellung von Kunstwaben, die sie alsbald benutzten und ihren -Bedürfnissen anpaßten. Und Major von Hruschka endlich konstruierte -die Honigschleuder, wodurch die Waben ihres Inhalts entleert werden -konnten, ohne zerstört werden zu müssen. Damit eröffnete sich eine neue -Periode der Bienenzucht, die erst die Biene zum eigentlichen Haustier -des Menschen erhob.</p> - -<p>Kehren wir indessen von diesen allerdings äußerst wichtigen -theoretischen Betrachtungen zur Praxis zurück, wie sie die alten -Römer und Griechen betrieben. Plinius sagt in seiner Naturgeschichte, -daß<span class="pagenum"><a id="Seite_509"></a>[S. 509]</span> auf jedem Landgute Bienenstände zu finden seien. Jedenfalls war -der Verbrauch von Honig und Wachs in den Kulturländern am Mittelmeer -bereits im Altertum ein sehr großer. Wissen wir doch vom griechischen -Geschichtschreiber Strabon, daß in Norditalien die einheimische -Erzeugung derselben nicht genügte, sondern daß diese Produkte von -verschiedenen Volksstämmen der Alpentäler, die sich dieselben von -Wildbienen verschafften, gegen Landesprodukte eingetauscht wurden. Erst -durch die Römer kam dann die Bienenzucht in die von ihnen unterjochten -Länder nördlich der Alpen.</p> - -<p>Dort hatte die keltische und germanische Bevölkerung ausschließlich -den wilden Honig verwendet, um damit den als Getränk höchst beliebten -Met zu erzeugen, den schon der kühne griechische Seefahrer Pytheas -aus Massalia (dem heutigen Marseille), ein Zeitgenosse Alexanders -des Großen, der eine Entdeckungsreise in die Nordsee nach dem -Bernsteinlande machte, als ein an der Nordküste Germaniens gemeines -Getränk bezeichnet. Jedenfalls darf man annehmen, daß es im waldreichen -alten Germanien viele wilde Bienenvölker in den durch Spechte oder -Pilzinvasion hohlgewordenen Bäumen gab. So zeigen uns die Bestimmungen -der germanischen Volksrechte nach der Völkerwanderung, vom 5.-8. -Jahrhundert, daß unter den Nebennutzungen des Waldes die wilden Bienen -eine nicht unwichtige Rolle spielten. Nach den Gesetzen der Bajuvaren -gehörten nicht nur die wilden Bienen dem Waldeigentümer, sondern auch -ein Schwarm der damals schon gehaltenen Hausbienen, der sich verflogen -und in einen hohlen Baum verzogen hatte. Jedoch konnte der bisherige -Eigentümer eines solchen Schwarms mit Vorwissen des Waldeigentümers -versuchen, denselben durch Rauch oder Anschlagen gegen den Stamm, aber -ohne Schaden für den Baum, auszutreiben und wieder zu fassen. Tat -er dies ohne Vorwissen des Waldeigentümers mit Erfolg, so mußte er -auf Andringen des letzteren mit sechs Eideshelfern schwören, daß der -eingefangene Schwarm wirklich der seinige und ihm entflogen war. Bei -den Langobarden wurde es mit den wilden Bienen gehalten wie mit dem -Ausnehmen der Vögel. Nur im Gehege des Königs war das Ausbeuten eines -wilden Bienenstocks unbedingt verboten, während in einem sonstigen -Wald nur dann eine Bestrafung eintrat, wenn der Baum zum Beweis der -Entdeckung des Schwarmes bereits gezeichnet war. War aber der Baum -nicht gezeichnet, so konnte der Finder den Stock ungestraft ausnehmen -und mußte bloß, wenn der Waldeigentümer dazu kam, ihm den Honig -überlassen. Ähnliche Bestimmungen<span class="pagenum"><a id="Seite_510"></a>[S. 510]</span> weist das Volksrecht der Westgoten -auf. Dieses schrieb vor, daß, wer immer einen Schwarm fand, es mochte -im eigenen Walde oder in Felsen und hohlen Bäumen des Gemeindewaldes -sein, er drei Zeichen, welche „Charaktere“ genannt werden, dort -anzubringen hatte, damit nicht durch ein einziges Betrug entstehen -könne. Wer ein fremdes Zeichen der Besitzergreifung verletzte, wenn -er es antraf, der mußte dem Geschädigten doppelten Ersatz leisten und -überdies 20 Streiche erdulden.</p> - -<p>Die Bienenzucht der alten Germanen war wesentlich eine -<em class="gesperrt">Waldbienenzucht</em> und wurde das <em class="gesperrt">Zeideln</em> oder die -<em class="gesperrt">Zeidelweide</em> genannt. Nach den zahlreichen auf uns gekommenen -Urkunden war sie sehr ausgebreitet und beruhte auf Gewohnheiten, -Verträgen und später Gesetzen, die niemand bei strenger Strafe -verletzen durfte. Überall in den Wäldern waren Zeidelbäume -eingerichtet, die als Privateigentum besonders gezeichnet waren. Wer -einen solchen ausbeutete, der bezahlte 6 Solidi (d. h. Goldschillinge -von etwa 12 Mark Metallwert, tatsächlich aber viel höher bewertet, da -man damals für einen solchen eine erwachsene Kuh kaufen konnte) Strafe. -Jeder Zeidler hatte ein eigenes Revier, in welchem er seine Bienen -hielt; dabei durfte er nicht seinem Nachbarn und dieser nicht ihm zu -nahe kommen. Wenn nun ein Schwarm sich in den Zeidelbezirk des Nachbars -verflogen hatte, so durfte ihm sein Eigentümer nach den Gesetzen der -Bajuvaren dahin folgen, mußte es aber dem Nachbar melden. Dann mußte -er die Bienen aus dem Baume, in dessen Höhlung sie sich festgesetzt -hatten, ausräuchern und dreimal mit umgekehrter Axt an den Baum -schlagen. Kamen sie dann heraus, so durfte er sie mitnehmen; was nicht -folgte, verblieb dem Nachbar.</p> - -<p>Daneben wurde seit der Völkerwanderungszeit auch eifrig die -eigentliche von den Römern übernommene Hausbienenzucht getrieben. Man -hielt ordentliche Bienenhäuser (in den lat. Urkunden und Gesetzen -<span class="antiqua">apile</span>, <span class="antiqua">aprarium</span>, <span class="antiqua">apiculare</span> oder <span class="antiqua">apicularium</span> -genannt), die eingedeckt waren und verschlossen werden konnten. Doch -durften sie, wie auch einzelne Stöcke, nicht in den Dörfern und -Ansiedelungen gehalten werden, sondern mußten an abgelegene Orte -geschafft werden, damit sie nicht jemandem Schaden zufügten. Man hatte -dreierlei Arten von Bienenstöcken (<span class="antiqua">vasculum</span>), nämlich aus Holz, -aus Baumrinde oder von Ruten geflochten. Um die Schwärme im Wald oder -bei den Bienenhäusern zu fassen, standen stets dergleichen Behälter -bereit. Legte sich ein Schwarm bei Nachbars Bienenhaus in ein solches -Gefäß, so mußte<span class="pagenum"><a id="Seite_511"></a>[S. 511]</span> es nach dem Volksrechte der Bayern diesem gemeldet und -versucht werden, ob der Schwarm herauszutreiben sei oder nicht. Doch -durfte das Gefäß nicht geöffnet werden. War es von Holz, so bewarf es -derjenige, dem der Schwarm fortgeflogen war, dreimal mit Erde, war es -aus Rinde oder Ruten, so schlug er dreimal mit der Faust darauf. Was -dann herausging, erhielt er wieder zu eigen, was zurückblieb, gehörte -dem Besitzer des Gefäßes.</p> - -<p>Die Beraubung der Zeidelbäume, Bienenhäuser und Stöcke wurde streng -geahndet. Selbst der Versuch, etwas rauben zu wollen, wenn man auch -nichts erhielt, ward nach dem Volksrechte der Westgoten bitter -bestraft. Der Freie gab in solchem Falle 3 Solidi Strafe und erhielt -50 Prügel; wenn er aber etwas genommen hatte, so mußte er es neunfach -ersetzen und bekam noch die Schläge dazu. Der Leibeigene erhielt im -ersteren Falle 100 Hiebe, im letzteren dagegen mußte er den sechsfachen -Schadenersatz leisten. Bezahlte der Herr nicht für ihn, so mußte er ihn -dem Bestohlenen zum Eigentume ausliefern. Das Volksrecht der Sachsen -setzte, wie auf gewöhnlichen Diebstahl, so auch auf das Stehlen eines -Bienenstockes aus dem Verschluß die Todesstrafe; er ward aber nur -neunfach ersetzt, wenn er außer demselben im Freien gestanden hatte. -Wer bei den Langobarden aus einem Bienenhause ein oder mehrere Stöcke -stahl, der bezahlte 12 Solidi Strafe.</p> - -<p>Unter der Herrschaft der Frankenkönige fand die Hausbienenzucht neben -der Zeidelweide zunehmende Bedeutung. Karl der Große bestimmte, daß auf -jedem seiner Güter ein erfahrener Bienenwärter zur rationellen Pflege -der dort gehaltenen Bienenvölker angestellt sein solle. In seinem Gute -Stefanswert befanden sich 17, in Grisenweiler sogar 50 Bienenstöcke. -Honig und Wachs mußten reinlich gewonnen und an die königliche -Hofhaltung abgeliefert werden. Von den Besitzern der Mansen und Hufen -wurde Honig und Wachs als Zins gegeben.</p> - -<p>In dem Maße, als unter den sächsischen und fränkischen oder salischen -Kaisern im 10.-12. Jahrhundert die Wälder den Gemeinden entzogen -und unter Bann getan wurden, traten die vorher freien Zeidler -(<span class="antiqua">cidelarii</span>) in die Dienstbarkeit der Fürsten. So werden sie 990 -in einer Urkunde Ottos II. nach den Manzipien als Dienstleute -angeführt, und 959 schenkte Otto der Große der Kirche zu Salzburg die -Ortschaft Grabestatt und die Zeidler daselbst. Mit der Übertragung -eines Bannforstes gingen auch die Zeidelweiden an den neuen Besitzer -über. So übergab 1025 Konrad II. an das Kloster Freising einige<span class="pagenum"><a id="Seite_512"></a>[S. 512]</span> -Ländereien nebst Zubehör, worunter auch Zeidelweiden. Der Zins wurde in -Honig und Wachs abgeliefert. Ersterer hatte zur Herstellung des immer -noch sehr volkstümlichen Metes große Bedeutung, während letzterer seit -der Einführung des Christentums zur Verarbeitung zu Kerzen für die -Kirchen in immer größerer Menge gebraucht wurde. Allerdings hielten die -meisten Klöster eigene Bienenstände, oft in größerer Zahl. So kommen -beispielsweise im Verzeichnis der Schenkungen an das Kloster Fulda 40 -Bienenstöcke (<span class="antiqua">epiastrum</span>) vor, welche ein einzelner Privatmann -dahin gestiftet hatte. Doch genügten meist deren Erträge nicht, um den -großen Bedarf der Kirche an Wachs zu decken. Deshalb suchten sich die -Klöster von ihren zinspflichtigen Leuten eine regelmäßige Lieferung -von Wachs zu sichern. Neben den Wachszinsen, deren Maß in den meisten -betreffenden Urkunden genau nach dem Gewichte bestimmt ist, wurde auch -eine entsprechende Abgabe an Honig und der Zehnten von den bevölkerten -Bienenstöcken, die Schwärme inbegriffen, gefordert.</p> - -<p>Unter den Hohenstaufen im 12. und 13. Jahrhundert und den folgenden -Kaisern wurde in Deutschland die Zeidelweide neben der Hausbienenzucht -in reger Weise weiterbetrieben. In einer Urkunde von 1288 bekennt -eine Frau, daß sie vom Bischofe von Eichstätt die Bienennutzung -(<span class="antiqua">fructus apium</span>), welche gewöhnlich Cidelwaid genannt wird, aus -bloßer Gnade für die Lebenszeit in zwei Wäldern erhalten habe. Man -hatte zu diesem Behufe wie ehemals so damals und teilweise bis auf den -heutigen Tag besondere Bäume durch künstliches Aushöhlen eingerichtet. -Solche nannte man <em class="gesperrt">Beuten</em>. Die Bienenschwärme, welche man in -den Wäldern fand, gehörten dem Gutsherrn und nicht dem, der sie fand. -In Frankreich hieß dieses Recht <span class="antiqua">abeillage</span> (in einer Urkunde -von 1311 als <span class="antiqua">abellagium</span> erwähnt). Über die Bienenfolge gab es -besondere Verordnungen. So bestimmten die Schonischen Gesetze von -1163, daß derjenige, dem seine Bienen in einen andern Wald flogen, -sie dort holen und auch diejenigen mitnehmen dürfe, die er daselbst -antraf, vorausgesetzt, daß sie niemand sonst ansprach; den Baum aber -durfte er ohne besondere Erlaubnis des Herrn nicht fällen. Nach dem -Schwabenspiegel (1276) durfte man noch nach drei Tagen seinen Bienen -folgen, wenn sie auf eines andern Baum, Zaun oder Haus flogen. Man -mußte aber den Eigentümer des Ortes mitnehmen, alsdann in seiner -Gegenwart daranschlagen und bekam diejenigen, welche herabfielen; die -andern aber gehörten jenem.</p> - -<p>Zu Ende des Mittelalters gelangte die Imkerei in den deutschen<span class="pagenum"><a id="Seite_513"></a>[S. 513]</span> -Landen zu höchster Blüte. In den dem Reich gehörenden Bannforsten -und auch sonst wurde noch eifriger als bis dahin die Zeidelweide -oder Waldbienenzucht getrieben, und die Zeidler taten sich neben -den Hausbienenzüchtern zu Genossenschaften zusammen, die manche -Privilegien genossen. Die bedeutendsten Zeidelplätze waren zu Muskau -und Hoyerswerda in der Oberlausitz, in der Kurmark, auf der großen -Görlitzer Heide, in Pommern und im Nürnberger Reichswald. Vom -Zeidlerwesen an letzterem Orte, wo die Einwohnerschaft der Umgegend -nach den diesbezüglichen Urkunden ausgedehnte Waldnutzungsrechte besaß, -haben wir ausführliche Kunde. Die Zeidelordnung Kaiser Karls IV. -vom Jahre 1350 bestätigte die Rechte der Zeidler im Laurenzer Wald und -gibt uns ein klares Bild von der Ausdehnung des bienenwirtschaftlichen -Betriebes der damaligen Zeit und der Bedeutung, welche man demselben -beilegte. Die Gerichtsbarkeit in „des Reiches Bienengarten“ stand unter -einem besonderen Zeidelmeister, dem die Besetzung der Zeidelgüter oblag -und der dafür zu sorgen hatte, daß dem Kaiser und Reich an seinem Gute -und Dienste nichts abgehe. Die Zeidler aber waren freie Leute und -freizügig. Jeder konnte von seinem Gute „abfahren“ (wegziehen), wenn -es ihm beliebte, und war beim Abgange dem Zeidelmeister nur 13 Heller -zu geben schuldig. Wollte dieser dieses Absagegeld nicht annehmen, so -konnte der Zeidler dasselbe auf die Übertür seines Hauses legen und als -ein Gerechter abfahren. Wer danach „auffuhr“, hatte dem Zeidelmeister -einen Schilling und einen Heller zu entrichten und dieser sich damit -zu begnügen. Die Zeidler hatten das Erbrecht an ihrem Gute und waren -allein befugt, im Bannforste Bienen zu halten. Niemand durfte, so weit -der „Bienkreis“ reichte, einen Schwarm aufheben. Wer einen „Peuten“ -(Bienenbaum) umhieb, war dem Zeidelmeister 10 Pfund Heller und einen -Heller schuldig. Das nötige Holz bekamen die Zeidler umsonst aus dem -Reichswald und genossen manche Privilegien, so waren sie zollfrei -in allen Städten des Reichs, dafür aber mußten sie Kaiser und Reich -dienen „zwischen den vier Wäldern“, d. h. Böhmer-, Schwarz-, Thüringer- -und Scharnitzwald. Der Dienst sollte mit sechs Armbrüsten geschehen; -Pfeile, Wagen und Kost erhielten sie vom Reich. Außerdem hatte jeder -Zeidler dem Kaiser das herkömmliche Honiggeld zu geben. Ursprünglich -wurde zweifellos eine bestimmte Menge Honig abgeliefert.</p> - -<p>Ähnlich wie im Laurenzer Wald war es im Sebalder Wald bei Nürnberg. In -einem Salbuche des 13. Jahrhunderts über die Reichsgüter bei Nürnberg -wird u. a. gesagt: „Das Amt Heroldsberg soll<span class="pagenum"><a id="Seite_514"></a>[S. 514]</span> setzen dem Reich einen -Pingarten hintz dem Eynch, da 72 Immen inne seyen, die untötlich -seyen.“ Diese Stöcke waren also nur zur Zucht bestimmt und durften -nicht zur Honigentnahme getötet werden. Die aus ihnen hervorgehenden -Schwärme ließ man offenbar frei in den Wald fliegen, wo sie sich in die -vorbereiteten „gewipfelten und gelochten“ Bäume zogen. In verschiedenen -Urkunden jener Zeit ist von der Zeidelweide (<span class="antiqua">sidelweide</span>) und -von Zeidlern (<span class="antiqua">cidelarius</span>) die Rede. Wo keine Zeidelwirtschaft -bestand, teilten sich der Grundherr oder Waldeigentümer und der -Finder meist in das Erträgnis eines gefundenen wilden Bienenstockes. -Gelegentlich aber, so im Wildbanne von Altenaer an der Ahr, erhielt der -Finder eines wilden Biens denselben gegen Erlegen eines Geldbetrags -allein. Nach Aussage der Erbwildförster im Jahre 1617 mußte der Finder -eines herrenlosen Biens den Ort alsbald zeichnen und beim nächsten -Wildförster gegen Bezahlung von 9 Hellern „Urlaub heischen, den Bien -als sein eigen Gut abzuholen“, wogegen niemand etwas tun durfte, auch -der Waldeigentümer nicht.</p> - -<p>Ihren Glanzpunkt erreichte die Zeidelweide im Zeitalter der -Zeidlerinnungen im 14. und 15. Jahrhundert. Damals gab es in allen -deutschen Gauen Bestimmungen in den Weistümern betreffs des Fundrechts -an den „imben“, d. h. an den in den Wald verflogenen Bienenschwärmen, -die sich in hohlen Baumstämmen eingenistet hatten. Diese hohlen Bäume, -in denen die sich selbst überlassenen Bienenschwärme sich ansiedelten, -gaben das Vorbild zu den im Mittelalter für die Hausbienen meist -gebräuchlichen Klotzbeuten. Diese bestanden aus einem ausgehöhlten -4–5 Fuß langen Baumstamm, der mit einem abnehmbaren Deckel und einem -Flugloche versehen war. Daneben mögen auch schon kunstlos aus Stroh -geflochtene Körbe verwendet worden sein, die später jene mehr und mehr -verdrängten. Als in späteren Zeiten die Wälder mehr und mehr ausgeholzt -und einem regelrechten Forstbetrieb unterworfen wurden, verkümmerte -nach und nach die Zeidelweide und die seit Jahrhunderten neben ihr -betriebene zahme oder Hausbienenzucht trat an ihre Stelle und wurde -gesetzlich geschützt. Wo aber ausgedehntere Waldstrecken dem neuen -Betriebe nicht unterworfen wurden, da blieben die alten Zeidelweiden -bestehen. Damals gab es gutbesuchte Honigmärkte in allen größeren -Städten, so besonders in Köln, Nürnberg, Breslau und Prag.</p> - -<p>Seit dem 16. Jahrhundert machte sich in Mitteleuropa ein merklicher -Niedergang der Bienenzucht geltend, indem die Reformation<span class="pagenum"><a id="Seite_515"></a>[S. 515]</span> viele -Klöster, welche bis dahin die Hüter so vieler Bienenstöcke gewesen -waren, verdrängte und die Kerzen in den Kirchen überflüssig machte. -Als später auch noch der verheerende Dreißigjährige Krieg ausbrach, da -war es begreiflich, daß in der allgemeinen Drangsal sehr zahlreiche -Bienenstöcke eingingen, da sie nicht mehr die nötige Pflege erhielten. -Ein weiteres ungünstiges Moment war das Aufkommen des Rohrzuckers, der -dem bis dahin als alleinigem Süßstoffe gebrauchten Honig durch seine -größere Billigkeit bedenkliche Konkurrenz machte und ihn bald zum -größten Teil in der Küche verdrängte. Kurze Zeit nach der Entdeckung -Amerikas war das ursprünglich in Südasien heimische Zuckerrohr dort -eingeführt worden und wurde durch die gleichfalls bald in großer Masse -aus Afrika importierten Negersklaven in solcher Menge angebaut, daß -der viel wohlfeiler zu produzierende und stärker süßende Rohrzucker so -billig zu haben war, daß der Honig bald als zu teuer in den Hintergrund -trat. Er wurde schon noch als Leckerbissen gegessen, aber zum Süßen -der Speisen, vor allem der verschiedenen Kuchen und süßen Platten, -fiel er gänzlich in Wegfall, und nur altertümliche Gebäckarten, wie -Lebkuchen, Leckerli usw., behielten ihn bei. Als dann zum Rohrzucker -noch die großartige Sirupfabrikation aus Kartoffeln und vollends noch -der billige Rübenzucker dazu kam, so war es um den Honig als Süßstoff -in den Haushaltungen vollends geschehen.</p> - -<p>In Deutschland suchten die einsichtsvollen Fürsten, vor allem Friedrich -der Große, die sehr heruntergekommene Bienenzucht wieder zu heben. -Jener Preußenkönig zog in der Bienenzucht erfahrene Kolonisten aus -Polen und Preußen in die Mark Brandenburg und interessierte sich in der -Folge sehr auch für diesen Zweig der Landwirtschaft. Mehrfach spricht -er sich in Briefen erfreut über die Fortschritte der Imkerei in seinem -Lande aus, so unter anderem auch in einem Briefe an Voltaire vom 5. -Dezember 1775, in welchem er die bis dahin erfolgte Vermehrung der -Bienenvölker um ein Drittel hervorhebt. Um die Bienenzucht möglichst -zu schützen, verlieh er den Bienenzüchtern manche Erleichterungen und -legte einen hohen Einfuhrzoll auf den fremdländischen Rohrzucker. -In Österreich war die Kaiserin Maria Theresia in hohem Maße für die -Landwirtschaft besorgt und erließ am 8. April 1775 einen Schutzbrief -für die Bienenzüchter. In Süddeutschland und der Schweiz interessierte -man sich mehr und mehr in den ökonomischen Gesellschaften und -landwirtschaftlichen Vereinen für die Bienenzucht, die man immer -rationeller durchzuführen bestrebt<span class="pagenum"><a id="Seite_516"></a>[S. 516]</span> war. Große Fortschritte darin -wurden erst seit der Einführung des Mobilbaues möglich. Haben darin -die praktisch veranlagten Nordamerikaner zuerst Großes geleistet, -so sind ihnen heute die Deutschen vollständig ebenbürtig geworden. -In allen deutschen Landen wird die Bienenzucht durch eine reiche -Vereinstätigkeit gefördert. Von größeren Vereinen oder vom Staate -angestellte Wanderlehrer halten an vielen Orten regelmäßige Kurse für -Anfänger ab. Daneben gibt es eigentliche Imkerschulen, von denen die -von Date, Eystrup in der Provinz Hannover und Durlach im Großherzogtum -Baden hervorzuheben sind. Österreich besitzt eine solche in Wien und -Ungarn in Gödöllö. Gegenwärtig gibt es über 3 Millionen Bienenvölker -in Deutschland. Von dem jährlichen Verbrauch von über 20 Millionen -<span class="antiqua">kg</span> Honig erzeugt Deutschland etwa 18 Millionen kg im Werte von -30 Millionen Mark.</p> - -<p>Baron von Ehrenfels nannte die Bienenzucht mit vollem Recht die Poesie -der Landwirtschaft. Sie ist aber nicht nur das, sondern eine eminente -Förderin des Nationalwohlstandes und ihre Zucht ein wesentlicher Hebel -zur Veredlung und Bildung des Volkes. Neben dem großen materiellen -Nutzen gewährt sie Belehrung, Unterhaltung und Erholung nach des -Tages Arbeit; denn sie wird meist als Nebenbeschäftigung betrieben, -da sie nur einen geringen Aufwand an Zeit und Mühe beansprucht und -die meisten dabei erforderlichen Hantierungen in den Mußestunden -verrichtet werden können. Wer auch nur 25–50 Stöcke beweglichen -Baues hat, kann von denselben eine jährliche Einnahme von 150–300 -Mark und darüber erzielen. Dabei ist der Stock durchschnittlich zu -5 <span class="antiqua">kg</span> Honigertrag und das <span class="antiqua">kg</span> zu 1.20 Mark gerechnet. -Guter Schleuderhonig wird aber gern mit 2 Mark und Wabenhonig mit 3 -Mark bezahlt. Dabei ist nicht einmal die Einnahme für Wachs und etwa -verkaufte Schwärme oder Völker in Anrechnung gebracht, ebensowenig, daß -man nicht selten einem einzigen Stock 30 <span class="antiqua">kg</span> Honig und darüber -entnehmen kann. Tritt auch einmal ein Fehljahr ein, so hat das nichts -zu sagen, da ein einziges gutes Jahr nicht nur ein, sondern zwei -und drei schlechte Jahre einbringt. Dabei ist zu bedenken, daß die -Gewinnung von Honig und Wachs nicht einmal der größte Nutzen ist, den -wir von den Bienen haben, daß eigentlich der Vorteil, den wir daraus -ziehen, daß sie die Befruchtung sämtlicher Obstbaumblüten besorgen, -noch viel wichtiger ist. Wenn sie nicht im April und Mai von Baum zu -Baum und von Blüte zu Blüte flögen, um die Befruchtung zu vollziehen, -sollten wir sehen, wo unsere Obsternte bliebe. Überall, wo ein Natur- -und Tier<span class="pagenum"><a id="Seite_517"></a>[S. 517]</span>freund einen Bienenstand errichtet, um sich eine angenehme -und zugleich nützliche, jedermann zu empfehlende Nebenbeschäftigung zu -verschaffen, sollten ihn die Nachbarn nicht scheel ansehen, sondern -als großen Wohltäter der ganzen Gegend und Beförderer des Obstbaues -mit Freuden begrüßen und ihm in seinem Unternehmen alle nur denkbaren -Erleichterungen verschaffen. Es gibt ja nicht nur im deutschen -Sprachgebiet, sondern in allen Kulturländern eine vortreffliche -Literatur über Bienenzucht und deren rationelle Handhabung, so daß sich -jedermann daraus Rat holen kann. Dann schließe er sich älteren Imkern -an, die ihm gern mit Rat und Tat an die Hand gehen werden, trete einem -Bienenzüchtervereine bei, aus dessen Zusammenkünften er reichen Gewinn -für die beste Art der Behandlung seiner Schützlinge empfangen wird.</p> - -<p>Es kann nicht unsere Aufgabe sein, hier die Grundzüge der rationellen -Bienenzucht an Hand der Lebensweise der Bienen und der Einrichtung -ihres Staatshaushaltes, die als jedem Gebildeten geläufig vorausgesetzt -werden darf, zu geben. Wir möchten nur alle Interessenten auf das -von Ulrich Kramer, dem Präsidenten des Vereins schweizerischer -Bienenfreunde in Zürich, in dritter vermehrter Auflage herausgegebene, -reichillustrierte Buch: Die Rassenzucht der Schweizer Imker und die -amerikanischen Zuchtmethoden (für Deutschland und Österreich zu -beziehen durch die Buchhandlung Paul Watzel in Freiburg i. Breisgau). -Darin wird in allgemeinverständlicher Weise gezeigt, wie die -Weiselzucht der Zukunft sich gestalten soll. Jedenfalls hat sie schon -mit eintägigen Larven zu beginnen, die man nach amerikanischer Methode -in künstliche Weiselzellen bringt, oder noch besser durch Ausstechen -einzelner Brutzellen und Anfügen an die Wabenkanten der zu veredelnden -Stöcke; denn begreiflicherweise kommt es für die Erlangung guter -Bienenvölker vor allem auf die Gewinnung guter Königinnen an. Und diese -zu erlangen, hat man so völlig in der Hand. Wir haben nämlich außer den -Naturrassen auch verschiedene Kulturrassen der Honigbiene, auf die wir -noch kurz einzutreten haben. Sie werden durch Kreuzung verschiedener -Naturrassen gewonnen. Von letzteren haben wir anzuführen:</p> - -<p>Die <em class="gesperrt">nordische</em> oder <em class="gesperrt">deutsche Biene</em> (<span class="antiqua">Apis mellifica</span> -im eigentlichen Sinne des Wortes). Sie ist dunkelbraun mit -gelblichbraunen Säumen an den Leibesringen und erscheint an älteren -haarlos gewordenen Exemplaren schwarz. Sie ist über ganz Mitteleuropa -verbreitet und geht nordwärts bis zum 60. Grad nördlicher Breite -(Helsingfors in Finnland). Sie findet sich aber auch in Nordspanien, -Dal<span class="pagenum"><a id="Seite_518"></a>[S. 518]</span>matien, Griechenland, Kleinasien und Nordafrika, gelangte nach -dem Kap der Guten Hoffnung und Nordamerika, wo sie heute sehr -verbreitet ist. Sie ist fleißig und ausdauernd und liefert bei -guter Frühlingstracht 2–3 Schwärme. Eine Abart von ihr ist die -<em class="gesperrt">Heidebiene</em>, die sich durch ihre große Schwarmlust auszeichnet, -aber geringeren Honigertrag liefert. Zur Beförderung des Brütens und -Schwärmens wird sie gern mit der vorigen gekreuzt. Eine andere Abart, -die in der Behaarung weißlicher als die nordische Biene ist und mehr -graue Hinterleibsringe hat, ist die <em class="gesperrt">Krainer Biene</em>. Sie ist auch -sehr fruchtbar und schwarmlustig, bestiftet mehr Drohnenzellen als die -nordische und die italienische Biene, ist eine gute Honigsammlerin und -viel gutmütiger als die nordische und italienische Biene, so daß man -gewöhnlich ohne Rauch und Schleier mit ihr umgehen kann. Wegen ihrer -sanften Gemütsart ist sie besonders Anfängern zu empfehlen. Sie eignet -sich besonders zur Kreuzung, da, wo man den Bruttrieb zu steigern -begehrt.</p> - -<p>Die <em class="gesperrt">italienische Biene</em> (<span class="antiqua">Apis ligustica</span>). Sie ist so -groß wie die vorigen, aber heller gefärbt, und die beiden ersten -Hinterleibsringe sind bei ihr rotgelb. Ihr Verbreitungsgebiet ist -Italien von den Alpen bis Sizilien. Sie ist fruchtbarer als die -nordische Biene, beginnt im Frühjahr früher mit dem Eierlegen und -Schwärmen, stellt dafür die Vermehrung im Nachsommer auch eher ein. -Bei der Rückkehr von der Tracht verfliegt und verirrt sie sich öfter -als die schwarze Biene und ihre Völker sind um so schwächer, je heller -sie gefärbt sind. Im Auffinden neuer Honigquellen sind sie besser als -die nordischen Völker, auch sind sie sanfter und weniger stechlustig; -doch verteidigen sie ihren eigenen Stock mit viel Mut und Geschick. -Im Bruttrieb sind sie den schwarzen nordischen Bienen überlegen, im -Sammeltrieb mindestens ebenbürtig. Die durch Kreuzung von ihnen mit -den schwarzen nordischen Bienen entstandenen Bastardvölker übertreffen -in bezug auf Geruchsinn und Sammeltrieb, aber auch in Stechlust ihre -beiden Eltern. Die Einführung der italienischen Biene in Mitteleuropa -hat viel dazu beigetragen, die einheimische Bienenrasse durch -Blutauffrischung zu heben und zu verbessern. Ein Schweizer, Thomas -Konrad von Baldenstein auf Schloß Baldenstein in Graubünden, hat -die deutsche Imkerwelt zuerst auf die italienische Biene aufmerksam -gemacht, worauf der verdiente Pfarrer Dzierzon sie 1853 in Deutschland -einführte. Sie wurde durch die Europäer nach China gebracht und 1862 -auch in Australien angesiedelt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_519"></a>[S. 519]</span></p> - -<p>Noch stechlustiger als sie sind die <em class="gesperrt">cyprische</em> und <em class="gesperrt">syrische -Biene</em>, die bei uns ebenfalls eingeführt wurden, aber sich wegen -dieser großen Stechlust nicht dauernd einzubürgern vermochten. -Ebenfalls ungeeignet für unsere Gegenden ist die über Ägypten, -Arabien, Syrien bis nach China verbreitete <em class="gesperrt">ägyptische Biene</em> -(<span class="antiqua">Apis fasciata</span>), von kleiner Gestalt, mit rotem Schildchen und -weißer Behaarung. Sie ist im Gegensatz zu den vorigen wärmebedürftig -und hält bei uns den kalten Winter nicht aus. Ihr nahestehend, aber -an Brust und Hinterleib graugelb behaart, ist die mit Ausnahme von -Algerien und Ägypten über ganz Afrika verbreitete <em class="gesperrt">afrikanische -Biene</em> (<span class="antiqua">Apis adansoni</span>). Sie ist nach Konrad Keller in den -Somaliländern, namentlich längs der Flüsse, häufig und wird wohl am -stärksten in Abessinien gezüchtet, das eine Menge Honig produziert und -Wachs nicht nur im Inland verwendet, sondern auch in ziemlicher Menge -ausführt. Ebenfalls kleiner als unsere nordische Biene, stark behaart -und einfarbig schwarz ist die auf der großen Insel Madagaskar und den -ihr vorgelagerten vulkanischen Eilanden Bourbon und Mauritius heimische -<em class="gesperrt">madagassische Biene</em> (<span class="antiqua">Apis unicolor</span>). Außerdem beherbergt -Asien die drei vom Menschen in Kultur genommenen Bienenarten <span class="antiqua">Apis -dorsata</span>, <span class="antiqua">A. florea</span> und <span class="antiqua">A. indica</span>, die für uns nicht -in Betracht kommen, aber in Südasien von Wichtigkeit sind. In Kaschmir -und im Pandschab hält fast jeder Landwirt Bienenstöcke, welche er in -seine Wohnung einbaut.</p> - -<p>Nordamerika entbehrte der stacheltragenden altweltlichen Honigbiene, -als die Europäer die Ostküste desselben besiedelten. Erst im Jahre 1675 -wurde sie aus Europa dort eingeführt und in Newbury, (Massachusetts) -der erste Bienengarten eingerichtet. Unsere Honigbiene fühlte sich -in der Neuen Welt recht wohl, sie flog in entronnenen Schwärmen dem -Ansiedler immer weiter nach Westen voran, und die Indianer nannten sie -die „Fliege des weißen Mannes“. Im Jahre 1779 hatte sie den Mississippi -noch nicht überschritten, aber 1811 war sie bereits 900 <span class="antiqua">km</span> über -ihn hinaus in wildlebenden Völkern verbreitet. Heute gibt es in den -Vereinigten Staaten über 700000 Imker, und der Wert des jährlich von -ihnen geernteten Honigs beläuft sich auf etwa 80 Millionen Mark, der -des gesammelten Wachses dagegen beträgt 8 Millionen Mark. Kalifornien -erzeugt den besten Honig der Union, und als beste Biene wird die -Palästinabiene gerühmt, die im Jahre 1884 dort eingeführt wurde.</p> - -<p>In Mittel- und Südamerika war wenigstens der Honig den Eingeborenen -vor der Ankunft der Spanier sehr wohl bekannt. In<span class="pagenum"><a id="Seite_520"></a>[S. 520]</span> Mexiko fand man -in alten Ruinen aus der Zeit der Azteken mit ihm gefüllte hermetisch -verschlossene Gefäße. Er stammte von den in Mittel- und Südamerika -einheimischen stachellosen Bienen von den Gattungen <span class="antiqua">Melipona</span> und -<span class="antiqua">Frigona</span>. Diese Bienen, von den Einwanderern „<span class="antiqua">angelicos</span>“, -d. h. die engelgleichen, weil nicht stechend, genannt, liefern auch -heute noch einen großen Teil des in Mexiko gewonnenen Honigs. In -wirtschaftlicher Bedeutung werden sie aber mehr und mehr von der -europäischen Honigbiene verdrängt, die im letzten Jahrhundert überall, -auch in den Republiken Südamerikas, eingeführt wurde. Sie kam 1764 -von dem damals noch spanischen Florida zuerst nach der Insel Kuba, -warf sich dort aber mit solcher Intensität als Zuckerräuber auf die -Siedereien von Rohrzucker, daß die Zuckerpflanzer sie alsbald in -ihrem Lande ausrotteten. Von Kuba aus kam sie durch die Spanier nach -Haiti, wo sie bald verwilderte. Erst 1839 kam sie nach Brasilien, -1848 nach Chile und 1857 nach Argentinien. Während die Bienenzucht -neuerdings in Brasilien so gewachsen ist, daß das Land Honig und Wachs -exportieren kann, wovon ein Teil auch nach Deutschland geht, liefert -seit einigen Jahrzehnten besonders Chile sehr viel davon. Das milde -Klima und der Reichtum des Landes an Honigpflanzen förderten die -Bienenzucht ungemein. Ein Bienenstock ergibt hier durchschnittlich 25 -<span class="antiqua">kg</span> Honig jährlich; doch sind Fälle, in denen gegen 40 <span class="antiqua">kg</span> -gewonnen wurden, nicht selten. Von den 2<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Millionen <span class="antiqua">kg</span> -Honig, die aus Chile exportiert werden, geht etwa die Hälfte nach -Deutschland. Die Insel Kuba, auf der erst neuerdings die Bienenzucht -wieder eingeführt wurde und mit größtem Erfolge betrieben wird, führt -gegen 1<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Millionen <span class="antiqua">kg</span> Honig aus, von denen wiederum die -Hälfte nach Deutschland geht. So verzehren wir nicht so selten in -unseren Lebkuchen Honig, den die Bienen in fernen Ländern jenseits des -Atlantischen Ozeans eingetragen haben. Es ist dies kein Wunder; denn -von den 300 Millionen <span class="antiqua">kg</span> Honig, die jährlich auf der ganzen Welt -gewonnen werden, erzeugt Amerika mehr als die Hälfte. Im Jahre 1840 -kam die Honigbiene nach Neuseeland. Schon vorher war sie in Australien -eingeführt worden, wo ihre Zucht von 1865 an einen besondern Aufschwung -nahm.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_521"></a>[S. 521]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XXIII_Der_Seidenspinner">XXIII. Der Seidenspinner.</h2> - -</div> - -<p>Außer der Honigbiene kommt unter allen Insekten wirtschaftlich nur noch -der <em class="gesperrt">Maulbeer-Seidenspinner</em> (<span class="antiqua">Bombyx mori</span>) als wichtiges -Nutztier des Menschen in Betracht. Und zwar steht er in Ostasien schon -so lange unter der Fürsorge des Menschen, daß er im Gegensatz zur Biene -sich im Laufe der Zeit zu einem echten Haustier umbildete und deutliche -Einwirkungen der Domestikation erkennen läßt. Ja, er ist unter der -Pflege des Menschen so unselbständig geworden, daß seine Raupe nicht -mehr ihr Futter selbst findet, wenn sie nicht von jenem daraufgesetzt -würde. Raupen, die im Freien aufgezogen werden und vom weißfrüchtigen -Maulbeerbaum (<span class="antiqua">Morus alba</span>), ihrer ausschließlichen Futterpflanze, -herunterfallen, finden den Weg zu den beblätterten Zweigen nicht -mehr. Sie klettern nicht wie andere Raupen den Stamm hinauf, um zu -ihrem Futter zu gelangen, sondern irren planlos umher und verhungern -schließlich. So sehr sind sie durch ungezählte Generationen hindurch -gewöhnt worden, von ihrem Pfleger auf die beblätterten Zweige gesetzt -zu werden, daß sie den angeborenen Instinkt der wildlebenden Vorfahren -verloren haben. Die lange Dauer der Domestikation und namentlich -die Aufzucht in geschlossenem Raume ist auch anderweitig nicht ohne -Einfluß auf den Seidenspinner gewesen. Das Geschlechtsstadium, der -Schmetterling, hat viel von seinem Flugvermögen eingebüßt; er schwirrt -mehr statt zu fliegen, während die meisten Verwandten sehr fluggewandt -sind. Neben größeren Formen sind auch Zwergformen gezüchtet worden -und solche mit einer doppelten Generation im Jahr, während das Tier -ursprünglich nur eine Generation jährlich aufwies. Auch zeigen die -Kokons sowohl in der Größe wie in der Färbung erhebliche Unterschiede; -es gibt unter ihnen weiße, goldgelbe und grüne Farbennuancen.</p> - -<p>Der unscheinbare Falter von 4–5 <span class="antiqua">cm</span> Spannweite ist an Körper -und Flügeln schmutzigweiß mit drei gelbbraunen Wellenlinien über<span class="pagenum"><a id="Seite_522"></a>[S. 522]</span> -letzteren und gekämmten schwarzen Fühlern in beiden Geschlechtern. -Die Vorderflügel erscheinen am Außenrand wie ausgeschnitten und haben -gegen die Spitze zu sichelartige Fortsätze. Die Neigung der Falter, -sich bald nach dem Ausschlüpfen aus der Puppe zu paaren, deutet -darauf hin, daß der kurzlebige Imagozustand lediglich die Aufgabe -hat, für die Erhaltung der Art zu sorgen. Nahrung wird in demselben -nicht aufgenommen, womit die geringe Entwicklung der Mundwerkzeuge im -engsten Zusammenhange steht. Das dickleibige, größere Weibchen läßt -sich unschwer vom schmächtigen Männchen unterscheiden. In ihm sind -die Eier in den paarigen, jederseits aus vier langen Eischläuchen -bestehenden Eierstöcken perlschnurartig aufgereiht. Im Herbst legt -das Weibchen durchschnittlich 500 mohnkorngroße Eier, von denen -1450 auf 1 <span class="antiqua">g</span> gehen. Sie sind erst strohgelb, verfärben sich -später und werden schiefergrau. In der Regel kommt jährlich nur eine -Generation zur Entwicklung. Aus den überwinterten Eiern schlüpfen im -Frühjahr, sobald der weißfrüchtige Maulbeerbaum junge Blätter treibt, -die kleinen nackten, anfangs dunkelbraunen, später weißlichgrauen -Raupen aus, welche am zweiten und dritten Ringe merklich aufgetrieben -sind und namentlich wegen ihres Hornes am Leibesende, am elften -Ringe, große Ähnlichkeit mit einer Schwärmerraupe haben. Sie verfügen -wie alle Raupen über einen sehr guten Appetit und fressen, wie die -Chinesen behaupten, an einem Tage das zwanzigfache ihres Gewichtes an -Maulbeerblättern. Man rechnet, daß 10000 Raupen während der 32 Tage -ihres Raupenlebens etwa 200 <span class="antiqua">kg</span> Maulbeerblätter verzehren. Die -Nahrung wird rasch umgesetzt und außer zum Wachstum zur Aufspeicherung -von Reservestoffen für die Verwandlung in den Falter verwendet. Die -rasch wachsende Raupe wechselt ihr Chitinkleid wiederholt, und bis zur -Verpuppung erfolgen fünf Häutungen. Die erste Häutung erfolgt nach -fünf, die zweite nach weiteren vier, die dritte nach weiteren sechs -und die vierte nach weiteren sieben Tagen. Die letzte Hülle wird erst -innerhalb des Gespinstes vor der Verpuppung abgestreift. Jedesmal vor -der Häutung setzt sie mit dem Fressen aus und gibt sich der Ruhe hin; -nach absolvierter Häutung beginnt sie wieder zu fressen und setzt diese -Arbeit so lange fort, bis ihr das Kleid zu eng geworden ist und sie -eines weiteren bedarf, was durch erneute Häutung bewerkstelligt wird.</p> - -<p>Die Raupe des Seidenspinners ist wohl die vollendetste aller -Spinner. Die außerordentlich entwickelten Spinnschläuche liegen -neben dem Darm und bilden das Hauptorgan in der Leibeshöhle. Im<span class="pagenum"><a id="Seite_523"></a>[S. 523]</span> -spinnreifen Zustande schimmern sie durch die dünne Chitindecke des -Leibes hindurch und erreichen im ausgestreckten Zustand eine Länge -von <span class="nowrap"><span class="zaehler">3</span>⁄<span class="nenner">4</span></span> <span class="antiqua">m</span>. Die fein ausgezogenen Spinnschläuche münden auf -der Unterlippe und ermöglichen es der Raupe aus ihrem zähflüssigen, -gelblichen Inhalt einen feinen Seidenfaden von etwa 3000 <span class="antiqua">m</span> -Länge zu spinnen. Derselbe ist völlig strukturlos und besteht aus 66 -Prozent stickstoffhaltiger Seidensubstanz, Fibroin genannt, und 33 -Prozent Bast, einer Sericin genannten leimartigen Substanz, die die -Farbe enthält und die Seide rauh, hart und steif macht. Beginnt die -Raupe das Gespinst anzulegen, so drückt sie die Unterlippe gegen eine -Unterlage, etwa einen dargereichten Zweig, und zieht mit eigentümlichen -Kopfbewegungen den zähen, an der Luft sofort erhärtenden Spinnstoff -aus den Röhren heraus, wobei der Faden natürlich doppelt wird. Erst -wird ein lockeres Gespinst von sogenannter Flockseide angelegt, -später der feste Kokon in regelmäßigen Achtertouren gesponnen. Die -braune Puppe ruht in der seidenen Hülle, die sie zum Schutze gegen -Feinde und schädigende äußere Einflüsse in etwa 3<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Tagen um sich -herum gesponnen hat, 14–18 Tage lang, um sich während dieser Zeit -zum geflügelten Geschlechtstier, der Imago, zu entwickeln. Sobald -der Schmetterling fertig ausgebildet ist, reißt er an einem Pol die -vorher durch ein verdauendes Ferment aufgeweichte Puppenhülle durch, -schlüpft aus und läßt die Flügel erstarren, ohne aber Flugversuche zu -unternehmen. Doch so weit läßt es der Mensch in der Regel gar nicht -kommen, außer wenn er die Gewinnung von Eiern, sogenannten Grains, -zur Fortpflanzung des Seidenspinners beabsichtigt. Da die Kokons -abgehaspelt werden müssen, um die Seidenfäden, auf die es der Mensch -abgesehen hat und deretwegen er das Tier überhaupt in Pflege genommen -hat, zu gewinnen, so wird das Ausschlüpfen des Falters verhindert, -indem man die Puppe durch Anwendung von Hitze oder dem giftigen -Schwefelwasserstoff tötet.</p> - -<p>Bevor der Mensch die Seidenspinnerraupe zur Gewinnung von Seide -selbst züchtete, sammelte er deren Kokons auf den Bäumen, von deren -Blättern sie sich ernährte. Später trieb er eine wilde Zucht, indem -er die Raupen auf bestimmten, in der Nähe seiner Wohnung zu diesem -Zwecke gepflanzten Bäumen ansiedelte und hegte, um dann nach deren -Einpuppung Ernte zu halten. Diese wilde Zucht wird noch im Norden -Chinas, besonders aber in Indien betrieben, in welch letzterem Lande -sie noch wichtiger als die häusliche Zucht ist, bei welcher die -Raupen in geschlossenen Räumen gehalten und mit vom<span class="pagenum"><a id="Seite_524"></a>[S. 524]</span> Maulbeerbaume -gepflückten Blättern gefüttert werden. Diese engere Zucht ist in China -zuerst eingeführt worden und hat sich von da über zahlreiche Länder -der Erde verbreitet. Sie ist jedenfalls in jenem Lande eine uralte, -da dort schon im hohen Altertum vom Kaiser und seinem Hofe wie auch -von den Vornehmen seidene Gewänder neben den älteren wollenen und -leinenen getragen wurden. Nach der Sage soll die Gattin des Kaisers -Huang-li im 26. Jahrhundert v. Chr. als erste die Seidenraupe genährt -und nach deren Einpuppung mit ihren Fingern, d. h. ohne Zuhilfenahme -einer Maschine, die Seidenfäden von den Kokons abgehaspelt haben. In -Peking ist ihr ein innerhalb des verbotenen, vom Kaiser und seinem -Hofe bewohnten Stadtteils gelegener Tempel geweiht und dort werden -ihr alljährlich einmal von der Kaiserin und ihrem ganzen Hofstaat -Opfergaben dargebracht. In feierlichem Aufzuge begiebt sie sich -dahin. Im Tempelgarten schneidet sie eigenhändig mit einer goldenen -Schere Blätter des weißfrüchtigen Maulbeerbaums ab, während die sie -begleitenden Hofdamen dies mit silbernen Scheren besorgen. Damit werden -dann die Seidenraupen im Innern des Tempels gefüttert. Dann werden der -Kaiserin und deren Hofdamen von den Priestern Kokons dargereicht, von -denen sie mit den Fingern die Seide abzuwickeln versuchen. Und wie in -der Hauptstadt durch die Kaiserin, so wird in den Provinzialstädten -durch die Frauen der betreffenden Mandarine, die der Stadt vorstehen, -ein solches Fest zu Ehren der vergöttlichten Gattin des Kaisers -Huang-li, der Schutzgöttin der Seidenraupenzucht, gefeiert. Bis -vor kurzem zog auch die Kaiserin mit ihren Hofdamen, wie auch die -Prinzessinen, Seidenraupen. Heute geschieht dies allerdings nicht mehr. -Gleichwohl ist bis auf den heutigen Tag die Aufzucht der Seidenraupe -überall in China eine Beschäftigung der Frauen, während der Ackerbau -Sache der Männer ist.</p> - -<p>Die beste chinesische Seide wird in der Provinz Tsche-kiang -hergestellt. Die Hauptstadt derselben, Hang-tschou, ist gleichzeitig -das Handelszentrum für Seidenbau und Fabrikation von Seidenstoffen, wie -heute Lyon für Europa. Die Seidenraupenzucht wird dort von den Bauern -im kleinen betrieben. Wie unsere Bauern ihre eigenen Kartoffeln und -Rüben auf ihren Äckern pflanzen, so pflanzt auch jeder Bauer in der -Provinz Tsche-kiang seinen Reis und Tee und zieht seine Seidenraupen, -die ihm nicht nur zur Lieferung von Seide, sondern auch zur Nahrung -dienen. Sind nämlich die Kokons abgebrüht und die Seidenfäden -abgewickelt, so werden die durch das Brühen getöteten<span class="pagenum"><a id="Seite_525"></a>[S. 525]</span> Puppen als -leckere Speise verzehrt. Für die Zucht der Seidenraupe werden natürlich -immer nur die größten und vollkommensten Kokons verwendet. Schon am -ersten Tage, nachdem sich der Falter durch die seidene Hülle des Kokons -gebohrt hat und ans Tageslicht getreten ist, legt er nach erfolgter -Paarung — oft aber auch ohne diese — auf einen großen Bogen groben -Papiers, auf den man ihn gesetzt hat, seine gegen 500 winzige Eier ab. -Diese Papierbogen werden nun sorgfältig in reines Wasser getaucht und -auf horizontalen Bambusstangen zum Trocknen aufgehängt. Dort bleiben -sie den Sommer und Herbst über bis zum Dezember und werden dann in -einem reinen, staubfreien, sonnigen Zimmer auf den Boden gelegt. Im -Februar werden die Eierbogen nochmals dadurch gewaschen, daß man sie -eine Zeitlang mit warmem Wasser übergießt. Dies geschieht wohl auch -deshalb, um ein möglichst gleichzeitiges Auskriechen der Raupen zu -erzielen. Sobald die jungen Räupchen ausgekrochen sind, bekommen sie -Maulbeerblätter, die alle 2–3 Stunden neu gestreut werden. Sie dürfen -aber weder vom Regen noch vom Tau naß sein. In den Raupenzimmern legt -man die Blätter auf Papierbogen oder Matten auf Hürden, wobei man nach -der ersten Häutung das Lager mit den Exkrementen und unverbrauchten -Blattresten täglich entfernt. Zu dem Zwecke legt man Netze oder -durchlöchertes Papier auf die Raupen. Sehr bald kriechen sie hervor und -können auf neue, saubere Hürden übertragen werden. Das alte Lager wird -aufgerollt und hinausgeschafft. Mit dem Größerwerden der Raupen müssen -ihnen natürlich immer größere Räume zur Verfügung gestellt werden. Am -32. Tage nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei, wenn die Raupen aufhören zu -fressen und man sieht, daß sie sich zum Verpuppen vorbereiten, hängt -man in den Raupenhäusern lose Strohbündel auf und setzt auf jedes -derselben 70–80 Raupen. Die Strohhalme geben ihnen den nötigen Halt, -um sich einzuspinnen. Nach spätestens fünf Tagen haben sie sich aus -den zarten Seidenfäden ihre Kokons gesponnen. Alsbald werden diese von -den Strohhalmen abgelöst, auf Bambusmatten gelegt und der Hitze von -Kohlenfeuern ausgesetzt, welche die Puppen tötet. In großen Betrieben -benutzt man dazu backofenartige Kammern, in denen die erhitzte Luft das -Töten der Puppen besorgt. Nun werden die Kokons sorgfältig sortiert -und in flachen Körben in heißes Wasser gelegt, um das Seidengespinst -zu lockern und die Fäden abhaspeln zu können. Nach dem Erweichen in -Wasser von 90–100° <span class="antiqua">C.</span> bringt man sie in solches von 60–70° und -schlägt sie mit einer von Hand oder in<span class="pagenum"><a id="Seite_526"></a>[S. 526]</span> größeren Betrieben in Europa -durch einen Exzenter auf und ab bewegten Bürste, um die oberflächliche -Flockseide zu lösen und die Anfänge des Seidenfadens zu gewinnen. -Hierauf gelangen sie in einen Trog mit Wasser von 50–60° und werden -nach Vereinigung mehrerer Fäden zu einem Rohseidenfaden abgehaspelt. -Während in China die Seidenfäden mit den primitivsten Mitteln gewonnen -werden, benutzt man dazu in den Kulturländern Europas, die sich mit -Seidenzucht abgeben, großartige maschinelle Einrichtungen. Die Rohseide -wird dann auf besonderen Maschinen gezwirnt, indem man mehrere, meist -5–7 Fäden durch Zusammendrehen vereinigt. Von den 3000 <span class="antiqua">m</span> -Seidenfaden, aus denen ein ganzer Kokon besteht, gewinnt man nur etwa -300–600, ausnahmsweise auch 900 <span class="antiqua">m</span> brauchbare Seide. Dabei wiegen -500–600 Kokons 1 <span class="antiqua">kg</span> und etwa 10 <span class="antiqua">kg</span> derselben liefern -1 <span class="antiqua">kg</span> gesponnene Seide, die an Haltbarkeit jede Pflanzenfaser -übertrifft. Da nun aber diese Rohseide hart, steif und ohne Glanz -ist, wird sie durch Kochen mit Seifenlauge zur Entfernung des Bastes -„entschält“; dadurch wird sie nicht nur glänzend und weiß, sondern auch -leichter und besser färbbar.</p> - -<p>Von allen Städten Chinas ist das in einer tief sich ins Land hinein -erstreckenden Bucht an der Küste südlich von Schang-hai gelegene -Hang-tschose durch seine Seidenindustrie am berühmtesten. Ganze -Quartiere werden hier von Seidenwindern und -spinnern eingenommen, die -Tag für Tag ohne Unterbrechung ihrem Gewerbe obliegen und sich nur an -3 oder 4 Tagen im Jahr, am Neujahrsfest, Ruhe gönnen. Der größte Teil -der Erzeugnisse dieser Stadt wird im Inlande abgesetzt, da die reichen -und vornehmen Chinesen sich von jeher mit Vorliebe in Seidengewänder -kleiden, die sehr kunstvoll mit prächtigen Stickereien hergestellt -werden. Die gesamte Ausfuhr der Provinz Tsche-kiang beläuft sich nur -auf 400 Pikuls (= 25000 <span class="antiqua">kg</span>) jährlich im Werte von <span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">4</span></span> Million -Taels (= 1<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Millionen Mark). Am meisten Seide wird aus Han-kau, im -Herzen Chinas am Yang-tse-kiang oder blauen Flusse gelegen, ausgeführt. -Hier erreicht ihr Wert etwa 24 Millionen Mark im Jahr. Ebenso viel -exportiert Kau-tau, dann folgen der Reihe nach Tschi-fu und I-schang. -Der Gesamtexport Chinas beträgt im Jahre etwa für 150–160 Millionen -Mark.</p> - -<p>In den nördlichen Provinzen Chinas sowie in der Mandschurei werden die -Seidenraupen nicht mit Maulbeerblättern, sondern mit Eichenlaub, bei -uns in Europa auch mit den Blättern der Schwarzwurzel (<span class="antiqua">Scorzonera -hispanica</span>), großgezogen. Man läßt dort die<span class="pagenum"><a id="Seite_527"></a>[S. 527]</span> Raupen auf den -Bäumen, wo sie sich selbst ernähren. Hier bleiben sie ohne Pflege und -besonderen Schutz, bis sie sich eingesponnen haben. Die Frühjahrkokons -werden nicht eingeheimst; man läßt aus ihnen die Falter auskriechen und -sich vermehren. Erst die Herbstkokons werden geerntet und auf Seide -verarbeitet. In diesen nördlichen Provinzen, wie auch im Stromgebiet -des Yang-tse-kiang, sind die Krankheiten der Seidenraupe, welche in -Frankreich und Italien so große Verheerungen anrichten, unbekannt; -dagegen sind sie in Tsche-kiang schon aufgetreten. Trotzdem liefert -China unzweifelhaft auch heute noch die meiste Rohseide; und wollten -die Chinesen endlich die bewährten europäischen Erzeugungsmethoden -annehmen, so würde es ihnen leicht werden, den sich in letzter Zeit -äußerst stark geltend machenden japanischen Wettbewerb aus dem Felde zu -schlagen und ihre schon jetzt so großen Einnahmen zu verdoppeln. Daß -dies in verhältnismäßig naher Zukunft der Fall sein wird, daran ist -nicht im geringsten zu zweifeln.</p> - -<p>Wie die Chinesen den Seidenspinner zum eigentlichen Haustier -erhoben, haben sie auch die Seidenraupenzucht im Altertum als ihr -ausschließliches Monopol eifersüchtig gehütet. Dieses Monopol wurde -zum erstenmal, soweit wir wissen, im Jahre 140 v. Chr., durch eine -chinesische Prinzessin durchbrochen. Solche wurden schon damals als -Opfer der Politik zur Einleitung freundschaftlicher Beziehungen oder -zur Befestigung bestehender Bündnisse gewissermaßen als Ehrengeschenke -Fürsten der angrenzenden Länder gegeben. Eine solche brachte die Zucht -der Seidenraupe aus dem Herzen Chinas nach der uralten Kulturoase -Chotan am nördlichen Abhange des Kuen-lün oder Himmelsgebirges. Von -Kind auf mit der Aufzucht dieses Tieres vertraut, wollte sie es als -teure Erinnerung an die ferne Heimat mitnehmen. Das durfte sie aber nur -ganz im Verborgenen tun, und so schmuggelte sie Eier des Seidenspinners -in ihrem Kopfputz verborgen über die Grenze.</p> - -<p>Schon lange vorher waren Kleidungsstücke und Stoffe von in China -bereiteter Seide als wertvolle Tauschmittel nach dem Auslande gebracht -worden, zumal nach dem reichen Indien, wo solche früher schon an den -Höfen und bei den Vornehmen einen beliebten Schmuck bildeten. Über den -Umweg Indien oder auch direkt kam solcher Seidenstoff schon im Altertum -auch in die Kulturländer am Mittelmeer, wo man sich allerdings von -dessen Gewinnung teilweise sehr abenteuerliche Vorstellungen machte. So -spricht der römische Dichter<span class="pagenum"><a id="Seite_528"></a>[S. 528]</span> Vergil (70–19 v. Chr.) in seiner Georgica -„von den Wäldern des Negerlandes, die weißgraue Wolle tragen — er -versteht darunter offenbar die Baumwolle — und von der feinen Wolle, -welche die Serer von Blättern kämmen“. Unter der Bezeichnung Serer -verstand das klassische Altertum die Chinesen im fernsten Asien, und -deshalb kann unter dieser von Blättern gekämmten Wolle nur die Seide, -die bereits damals bei den Vornehmen Roms gebräuchlich war, verstanden -worden sein. Auch der ältere Plinius (23–79 n. Chr.) sagt in seiner -Naturgeschichte: „Die Serer sind berühmt durch die Wolle ihrer Wälder -(also die Seide); sie begießen die weißgrauen Haare der Blätter und -kämmen sie ab. Unsere Weiber müssen die Fäden wieder abwickeln und von -neuem weben. So mühsam ist die Arbeit, durch die unsere Damenkleider -hergestellt werden, so weit her holt man ihren Stoff“.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel59a" > - -<p class="captop">Tafel 59.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel59a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Seidenraupenzucht in Japan. 1. Die aus den Kokons - ausgeschlüpften Schmetterlinge werden auf Papierbogen ausgebreitet, auf denen - sie ihre Eier legen.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel59b" > - <img class="w100" src="images/tafel59b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">2. Fütterung der Seidenraupen mit Blättern des - weißfrüchtigen Maulbeerbaums.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel60a" > - -<p class="captop">Tafel 60.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel60a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">3. Eingesponnene Seidenraupen (Kokons).</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel60b" > - <img class="w100" src="images/tafel60b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">4. Die Seide wird von den Kokons abgehaspelt.</div> -</div> - -<p>Die Behauptung, daß die Seide in Form von Haaren auf Blättern wachse, -ist zweifellos daher entstanden, daß man eine dunkle Ahnung davon -hatte, daß gewisse Blätter zu deren Gewinnung nötig seien. Daß aber -eine Raupe von diesen Blättern lebt und aus der Blattsubstanz Seide -erzeugt, das wußte man noch nicht allgemein. Doch hatten schon -einige besser unterrichtete Griechen Kunde davon. So spricht schon -der gelehrte Erzieher Alexanders des Großen, Aristoteles (384–322 v. -Chr.), von der Gewinnung einer Art Seide durch einen in Griechenland -einheimischen Spinner. Er schreibt nämlich in seiner Naturgeschichte: -„Aus einem großen Wurme, der eine Art Hörner hat und sich von -andern unterscheidet, wird zunächst durch Verwandlung eine Raupe, -dann ein <span class="antiqua">bombylios</span> (Kokon) und später eine Puppe; alle diese -Verwandlungen macht er in sechs Monaten durch. Von diesem Tiere haspeln -manche Weiber das Gespinst (<span class="antiqua">ta bombýkia</span>) ab und weben es dann. -Pamphila, die Tochter des Plates, soll zuerst auf der Insel Kos (in der -Nähe der Karischen Küste) diese Webekunst ausgeübt haben.“ Diese Stelle -des Aristoteles bringt der ältere Plinius mit geringen Veränderungen -und sagt dann, daß aus den Kokons eines Spinners (<span class="antiqua">bombyx</span>) als -<span class="antiqua">bombycine</span> bezeichnete Gewebe verfertigt würden, aus denen -man Kleider für prachtliebende Damen mache. Die Kunst, diese Fäden -abzuhaspeln und dann zu weben, habe eine Frau von Koos, Pamphila, -erfunden. Späterhin fährt er fort: „Auch auf der Insel Koos soll -eine Art Spinner (<span class="antiqua">bombyx</span>) entstehen, indem sich die vom Regen -abgeschlagenen Blüten der Cypressen, Terebinthen, Eschen und Eichen -durch den Hauch der Erde beleben. Zunächst sollen daraus kleine, nackte -Schmetterlinge (<span class="antiqua">papilio</span>) entstehen, welche bald<span class="pagenum"><a id="Seite_529"></a>[S. 529]</span> gegen die -Kälte einen schützenden Haarüberzug erhalten und sich dann gegen die -Rauhigkeit des Winters eigene Kleider verfertigen, indem sie mit den -Füßen den feinen Haarüberzug (<span class="antiqua">lanugo</span>) der Blätter abkratzen. -Diesen krämpeln sie dann mit den Nägeln, breiten ihn zwischen den Ästen -aus und ordnen ihn wie mit einem Kamme, worauf sie sich in das Ganze -wie in ein bewegliches Nest einhüllen. Hierauf nimmt man sie ab, legt -sie in lauwarme irdene Geschirre und füttert sie mit Kleie. Daraufhin -bekommen sie Federn (<span class="antiqua">pluma</span>). Nun läßt man sie wieder frei, -damit sie ihre Arbeit aufs neue beginnen können. Die schon begonnenen -Gewebe werden in der Feuchtigkeit zähe und werden dann mit einer aus -Binsen gemachten Spindel in dünne Fäden gezogen. Selbst Männer tragen -solche leichte Kleider während der Sommerhitze, denn vom Panzer wollen -unsere Weichlinge, die kaum noch ein leichtes Kleid zu tragen vermögen, -nicht mehr viel wissen. Doch den assyrischen Bombyx überlassen wir -noch den Damen“. Unter letzterem scheint die echte Seide verstanden -worden zu sein, die vorzugsweise von den vornehmen Damen Roms zur -Kaiserzeit getragen wurde; denn der römische Geschichtschreiber Tacitus -(54–117 n. Chr.) schreibt in seinen Annalen, der Senat habe unter -der Regierung des Kaisers Tiberius (14–37 n. Chr.) beschloßen den -Aufwand einzuschränken und verbot Speisen in Gefäßen von massivem Gold -aufzutragen, wie auch den Männern das Tragen seidener Kleider. Unter -dem Gespinst von Kos muß aber das Erzeugnis eines anderen Spinners, -der dort vielleicht in wilder Zucht kultiviert wurde, verstanden -worden sein, wenn man nicht annehmen will, daß die aus gekrämpelten -Fäden hergestellte Floretseide irrtümlicherweise von einer auf Kos -lebend angenommenen Bombyxart abgeleitet wurde. Letzteres scheint sehr -wahrscheinlich zu sein, denn man sollte doch denken, daß, wenn auf -der Insel Kos tatsächlich eine Art Seidenspinner gezogen worden wäre, -man über diese Zucht noch weitere Angaben bei antiken Schriftstellern -finden sollte, was aber durchaus nicht der Fall ist.</p> - -<p>Weit besser als die bisher genannten Autoren war der griechische -Geschichtschreiber und Geograph Pausanias, der zwischen 160 und 180 n. -Chr. einen Reiseführer durch die Kulturländer am Mittelmeer schrieb, -über die Herkunft der chinesischen Seide orientiert. Allerdings war -auch sein Wissen mit zahlreichen Irrtümern gespickt. Er schreibt -nämlich in seiner Periegesis: „Im Lande der Serer lebt ein Tierchen, -welches die Griechen <span class="antiqua">sér</span> nennen, während es bei den Serern selbst -anders heißt. Es ist doppelt so groß wie der größte Käfer, übrigens<span class="pagenum"><a id="Seite_530"></a>[S. 530]</span> -den Spinnen gleich, hat auch acht Beine. Diese Tiere halten die Serer -in eigenen Gebäuden, die für den Sommer und Winter eingerichtet sind. -Das Gespinst dieser Tiere ist zart und sie wickeln es mit ihren Füßen -um sich herum. Vier Jahre lang werden sie mit Hirse gefüttert; im -fünften aber, und man weiß, daß sie nicht länger leben, bekommen -sie grünes Rohr (<span class="antiqua">kálamos</span>) zur Nahrung. Dieses schmeckt ihnen -unvergleichlich gut; sie fressen sich davon so dick und voll, daß sie -platzen und sterben. Man findet alsdann in ihrem Innern noch viele -Fäden.“</p> - -<p>Wenn nun auch die alten Römer nicht recht wußten, was für ein Erzeugnis -die Seide sei, so wußten sie doch, daß die von ihnen Serer genannten -Chinesen im fernen Osten Asiens diesen kostbaren Stoff gewannen und -in den Handel brachten. Der römische Geschichtschreiber Ammianus -Marcellinus (geboren 330 zu Antiochia in Syrien, diente zuerst im Heer, -lebte später in Rom, wo er in lateinischer Sprache eine „Römische -Geschichte von 96–378“ in 31 Büchern schrieb und nach 390 starb) weiß -uns zu erzählen: „Die Serer sind ruhige, sich nie mit Waffen und -Krieg befassende Leute. Sie leben in einer gesunden Gegend, die reich -an ziemlich lichten Wäldern ist, holen von den Bäumen, nachdem sie -dieselben tüchtig mit Wasser bespritzt haben, eine Art Wolle, die, mit -der Flüssigkeit gemischt und dann gekämmt, einen äußerst feinen Stoff -liefert, der gesponnen die Seide gibt. Früher trugen nur vornehme -Leute solche Kleider, jetzt tragen sie selbst die gemeinsten ohne -Unterschied. — Kommen Fremde zu den Serern, um Fäden (d. h. Seide) zu -kaufen, so legen sie ihre Ware aus und der Handel wird geschlossen, -ohne daß ein Wort dabei gewechselt wird.“</p> - -<p>Wenn auch nach diesem Autor im 4. Jahrhundert n. Chr. selbst die -gemeinen Leute seidene Kleider trugen, so war dies zu Ende der Republik -und zu Anfang der Kaiserzeit durchaus noch nicht der Fall. Damals waren -Seidenstoffe etwas überaus Kostbares, deren Anschaffung sich nur sehr -Reiche leisten konnten. So schreibt der römische Geschichtschreiber Dio -Cassius: „Um einen Begriff von der verschwenderischen Pracht zu geben, -welche der Diktator Julius Cäsar (es war in den Jahren 46–44 v. Chr.) -entfaltete, so bemerke ich, daß er, wie einige Schriftsteller erzählen, -im Theater seidene Stoffe zum Schutze gegen die Sonne über den -Zuschauern ausbreiten ließ. Die Seide ist ein für Üppigkeit bestimmtes -Gewebe, das eigentlich zum Gebrauche vornehmer Damen eingeführt wird. -Die Zuschauer im Theater, welche bis dahin bei jeder neuen Szene laut -über unvernünftige Verschwendung Cäsars geschrieen hatten, ließen sich -die seidenen Tücher (Velarien)<span class="pagenum"><a id="Seite_531"></a>[S. 531]</span> zur Abhaltung der Sonne ruhig gefallen; -die Soldaten aber, welche sich ärgerten, daß das Geld nicht lieber für -sie selbst verwendet worden war, machten einen entsetzlichen Lärm und -konnten nicht eher zur Ruhe gebracht werden, als bis Cäsar einen von -ihnen mit eigener Hand packte und hinrichten ließ.“</p> - -<p>Außer zu Kleidern für vornehme Damen und Velarien für Theater und -später auch Zirkus, wurde für alle möglichen Zwecke ein ausgedehnter -Gebrauch von Seidenstoffen gemacht. So spricht Properz (45 v. bis 22 -n. Chr.) in seinen Elegien von mit Seide geschmückten Wagen, von in -arabischer Seide glänzenden Mädchen, von bunten Seidengeweben, die -gegen Kummer nicht helfen. Horaz (65–8 v. Chr.) schreibt in einer -seiner Epoden von „Büchern, die auf seidenen Kissen liegen.“ Ovid -(43 v. bis 7 n. Chr.) sagt in seinem Amores, die über den Rücken -herabwallenden Haare der Geliebten seien so zart wie Seide und so fein -wie Spinnengewebe. Quintilian berichtet von einer aus Seide gewebten -Toga, also dem Männerüberwurf. Martial spottet: „Galla ist alt und -häßlich, schmückt sich aber mit seidenen Kleidern.“ Und der ältere -Plinius schreibt in seiner Naturgeschichte: „Kränze sind schon seit -langer Zeit bei den Römern im Gebrauch; jetzt aber hat es die Üppigkeit -der Weiber so weit gebracht, daß man diejenigen Kränze für die besten -hält, die mit bunten Seidenbändern durchflochten sind und von Salben -triefen.“</p> - -<p>In der späteren Kaiserzeit wurde der Luxus mit den kostbarsten Dingen, -darunter auch mit Seidengeweben, immer weiter getrieben. Stark darin -war der halbverrückte Kaiser Commodus. Nach dessen Ermordung im -Jahre 192 fand der zum Imperator ausgerufene Stadtpräfekt in Rom, -Pertinax, nach dem Berichte des Julius Capitolinus die Finanzen in -einem verzweifelten Zustande, der durch die unsinnige Verschwendung -seines Vorgängers Commodus verursacht worden war. Er sah sich daher, -um hierin Ordnung zu schaffen, genötigt, alles zu verkaufen und zu -Geld zu machen, was derselbe an verkäuflichen Dingen hinterlassen -hatte, so z. B. Hofnarren, liederliche Dirnen, zahlreiche kostbare -Kleider, deren Aufzug aus Seide, der Einschuß aber aus Goldfäden -bestand, dann Waffen und Schmuck aller Art aus Gold und Edelsteinen, -zahlreiche Gefäße, die aus Gold, Silber, Elfenbein oder kostbarem Holz -der Sandarakzypresse aus dem Atlasgebirge (<span class="antiqua">citrus</span>) gearbeitet -waren, Prunkkarossen usw. Bis dahin waren die Gewebe meist noch nicht -ganz aus Seide hergestellt, sondern nur der Aufzug war von Seide, der -Einschuß aber aus Wolle, Leinen,<span class="pagenum"><a id="Seite_532"></a>[S. 532]</span> Baumwolle oder Gold, wie sie Commodus -trug. Erst nach seiner Zeit ist von ganzseidenen Gewändern (<span class="antiqua">stola -holoserica</span> — Stola war das bei den Römern über der Tunika -getragene lange Frauengewand, das unter der Brust zu einem weiten -Faltenbausch aufgegürtet wurde) die Rede, die als besonders üppig, weil -sehr teuer, galten. Und Älius Lampridius schreibt in seiner Biographie -des Kaisers Heliogabalus: „Kaiser Heliogabalus (regierte von 218–222 -n. Chr.) soll der erste Römer gewesen sein, der ein ganzseidenes Kleid -(<span class="antiqua">holoserica vestis</span>) trug; bis dahin hatten römische Männer nur -halbseidene (<span class="antiqua">subserica</span>) getragen. — Er ließ sich Stricke aus -purpur- und scharlachroter Seide flechten, um sich damit erhängen zu -können, wenn sein letztes Stündlein geschlagen hätte. Um die Wahl zu -haben, hielt er auch in hohlgeschliffenen Edelsteinen Gifte vorrätig, -baute auch einen sehr hohen Turm und ließ an dessen Fuß den Boden mit -Gold und Edelsteinen pflastern, um sich gegebenenfalls recht großartig -auf dieses Prachtpflaster zu stürzen und so ganz glorreich den Hals -brechen zu können. Aber alle diese schönen Plänchen wurden vereitelt; -denn Hofnarren und Soldaten jagten ihn in einen Abtritt, schlugen ihn -da tot, schleiften ihn durch allen möglichen Dreck und warfen ihn -zuletzt mit einem Stein am Halse, damit er nicht begraben werden könne, -in den Tiberstrom.“</p> - -<p>Im Gegensatz zu diesem an den größten orientalischen Luxus gewöhnten -Kaiser sagt der Geschichtschreiber Flavius Vopiscus von Kaiser Aurelian -(ward 270 nach Claudius II. Tod von den Truppen in Mösien zum -Kaiser ausgerufen, machte 272 der Herrschaft der Zenobia in Palmyra -ein Ende, besiegte den gallischen Gegenkaiser Tetricus, fiel aber 275 -auf dem Zuge gegen die Perser durch Meuchelmord): „Kaiser Aurelian -hatte weder selbst ein ganzseidenes Kleid, noch schenkte er jemandem -eins. Als ihn seine Gemahlin um die Erlaubnis bat, wenigstens ein -pupurfarbiges seidenes Kleid tragen zu dürfen, antwortete er: „Nein, -bewahre! Die Seide darf nicht mit Gold aufgewogen werden.“ Damals -aber stand ein Pfund Gold einem Pfund Seidenstoffes an Wert gleich.“ -Und vom Kaiser Tacitus, der 275, im Alter von 75 Jahren vom Senat zum -Imperator gewählt, treffliche Absichten hatte, aber schon 276 auf -einem Zug gegen die Goten in Kleinasien von seinen eigenen Soldaten -ermordet wurde, hebt sein Biograph Flavius Vopiscus rühmend hervor, -er habe allen Männern das Tragen ganzseidener Kleider verboten, da -er solche Sitte als allzu verweichlichend für unpassend fand. Sein -Verbot hatte aber nur vorübergehend Geltung und wurde unter seinen -Nachfolgern bald auf<span class="pagenum"><a id="Seite_533"></a>[S. 533]</span>gehoben. Ungescheut trugen auch die Männer jene -üppigen Seidenstoffe aus dem fernen Asien. Erst später, als das Tragen -solcher Gewandung in breitere Volksschichten überging, kamen die -einsichtsvolleren Männer Roms wieder davon ab. Und der ums Jahr 400 n. -Chr. lebende Schriftsteller Claudius Claudianus berichtet, daß es zu -seiner Zeit Stutzer gab, denen selbst das seidene Kleid zu schwer war. -Derselbe Autor spricht in seiner Lobschrift über den Vandalen Stilicho, -der 395 Vormund des Kaisers Honorius und Regent des weströmischen -Reiches ward, von seidenen Zügeln. Als dieser Stilicho 408 von einem -Römer ermordet worden war, drang der Westgotenkönig Alarich mit seinem -Heere, das jener 403 bei Pollentia und Verona geschlagen hatte, -abermals plündernd in Italien ein und eroberte die Stadt Rom am 24. -August 410. Bei der Übergabe dieser Stadt stellte dieser Germanenfürst, -der bereits auf seinem Raubzuge durch Griechenland 395 die -Annehmlichkeit des Tragens seidener Kleidung kennen gelernt hatte, nach -dem Berichte des Geschichtschreibers Zosimus die Bedingung auf, daß ihm -die Römer außer andern Kostbarkeiten 4000 seidene Gewänder abliefern -sollten, was denn auch geschah. Daß dies möglich war, beweist, daß die -Seide damals in jener üppigen Hauptstadt des weströmischen Reiches -etwas ziemlich Gewöhnliches war.</p> - -<p>In jener Zeit hatte die Zucht der Seidenraupe vom Gebiet von Chotan aus -durch ganz Turkestan so weite Verbreitung gefunden, daß um die Mitte -des 6. Jahrhunderts n. Chr. Dizabul, ein Herrscher der Turkvölker, -mit Umgehung des dazwischenliegenden Reiches der Sassaniden mit -dem oströmischen Kaiser Justinian I., der 527 seinem Onkel -Justinus I. in der Herrschaft folgte und bis 565 regierte, -Unterhandlungen über die Einfuhr von Seidenstoffen anknüpfte. Dieses -Anerbieten Dizabuls lehnte aber Justinian ab, da inzwischen die -Oströmer selbst die Seidenraupenzucht erhalten hatten. Im Jahre 551 -hatten nämlich nach dem Geschichtschreiber Procopius zwei syrische -Mönche die ersten Eier des Seidenspinners und eine gründliche Kenntnis -der ganzen Zucht desselben von Turkestan nach Konstantinopel gebracht. -Da die Todesstrafe auf der Ausfuhr von Eiern der Seidenraupe stand, -schmuggelten sie diese in hohlen Stöcken auf oströmisches Gebiet -hinüber, wo man mit diesem kostbaren Geschenk sehr wohl zufrieden war. -Dort lernte man bald die Seide selbst gewinnen und daraus Seidengewebe -herstellen. So konnte Justinian mit Umgehung der in Syrien ansässigen -Seidenhändler aus der Seide in seinem eigenen Lande ein Monopol -machen. Und dieses wurde in der Folge bis ins 12. Jahr<span class="pagenum"><a id="Seite_534"></a>[S. 534]</span>hundert streng -aufrecht erhalten. Späterhin wurde besonders die Insel Kos durch ihre -Seidenkultur berühmt.</p> - -<p>Erst als man die Seidenraupenzucht im eigenen Lande hatte, korrigierte -man die falschen Anschauungen, die bis dahin über die Herkunft dieser -Art Gewebe im Abendlande geherrscht hatten. Doch gab es gleichwohl -noch genug Leute, die darin nicht recht Bescheid wußten und bei -den althergebrachten falschen Ansichten blieben. So schreibt noch -der 636 als Bischof von Hispalis (Sevilla) verstorbene Isidorus in -seiner Biographie des Origines: „Die Seide heißt <span class="antiqua">sericum</span>, -weil sie zuerst aus dem Lande der Serer kam. Dort sollen Würmchen -(<span class="antiqua">vermiculi</span>) leben, welche die Fäden auf Bäumen ziehen; solche -Würmer (<span class="antiqua">vermes</span>) werden von den Griechen <span class="antiqua">bómbykes</span> genannt.“</p> - -<p>In Persien, Syrien und Kleinasien war die Seidenzucht schon zu -Muhammeds Zeiten (571–632) stark verbreitet, und obschon dieser -einflußreiche Prophet seinen Anhängern drohend zurief: „Wer hier Seide -trägt, wird dort keine tragen,“ konnte der seit dem Altertum hier -getriebene orientalische Luxus an kostbaren Webereien und Stickereien -unmöglich auf dieses neue hervorragende Material verzichten. So -erdachten sich die schlauen Anhänger des Propheten einen Kompromiß -zwischen den allzustrengen Geboten Muhammeds und den Bedürfnissen -des täglichen Lebens, und erklärten nur reinseidene Gewänder und -Gewebe für verboten, während Seide, die in anderes Gewebe eingewebt, -eingestickt oder eingenäht wurde, erlaubt sein sollte. Jedenfalls ist -die Seidenzucht in allen muhammedanischen Ländern bald zu großer Blüte -gelangt und hat besonders auch unter den gewerbetüchtigen Mauren in -Spanien eine große Bedeutung erlangt, indem der Export von kostbaren -Seidenstoffen von dort nach Europa ein nicht unwichtiger war. Aber -nicht von Spanien, wo die Mauren nur Seidenstoffe, nicht aber die -Seidenraupe selbst außer Land gaben, sondern von Sizilien aus wurde -die Seidenzucht zunächst nach Italien und dann nach Südfrankreich -verbreitet. In Siziliens Hauptstadt Palermo hatten die Araber seit -dem 10. Jahrhundert eine auch von ihren Nachfolgern, den Normannen, -nach der Eroberung der Insel im Jahre 1072 beibehaltene staatliche -Fabrik für Seidengewebe, die unter anderm auch die normannischen -Krönungsgewänder lieferte. Diese kamen durch Konstantia, die Erbin des -sizilischen Königs Wilhelm II., mit der sich Kaiser Friedrichs -I. Barbarossas Sohn Heinrich IV. 1186 vermählte, in -den Besitz der Hohenstaufen und wurden durch sie zu den deutschen -Reichskleinodien gemacht. Daher kommt es, daß der<span class="pagenum"><a id="Seite_535"></a>[S. 535]</span> Mantel und die -Strumpfbänder, mit denen der Kaiser des heiligen römischen Reichs -deutscher Nation bei der feierlichen Krönung bekleidet wurde, arabische -Inschriften von Goldstickerei auf purpurfarbiger Seide tragen. -Ersterer, der im Jahre 1133 für Roger II. hergestellt wurde, -welcher sich drei Jahre zuvor in Palermo zum Könige von Sizilien und -Apulien, das er 1127 erbte, hatte krönen lassen, trägt außerdem das -echt arabische Motiv der Darstellung eines Löwen, der unter einer -Dattelpalme ein Kamel würgt.</p> - -<p>In Italien breitete sich dann in begünstigten Gebieten die Seidenzucht -ziemlich rasch aus. So empfingen die Fabriken Norditaliens ein -wichtiges Produkt für ihre Weberei. Besonders zeichnete sich Lucca, -Bologna und Florenz aus; aber auch sie suchten daraus ein Monopol zu -ihren Gunsten zu machen, indem sie die Ausfuhr des Seidenspinners -und seiner Nährpflanze, des weißfrüchtigen Maulbeerbaumes, aus -ihrem Gebiete aufs strengste untersagten. Solches Verbot mußte -aber nur umsomehr die Begehrlichkeit der Nachbarn reizen. So ließ -Ludwig XI., der von 1461 an Frankreich regierte, in seinem -Lieblingssitze Plessis-les-Tours durch einen Kalabresen eine -Seidenzucht einrichten, die aber erfolglos blieb. Erst einem seiner -Räte gelang diese Einführung, indem er zuerst die Nährpflanze der -Seidenraupe, den weißfrüchtigen Maulbeerbaum, in Südfrankreich -anpflanzte und dann erst Eier des Seidenspinners zur Aufzucht der -Raupe einführte. In der Folge wurde die südfranzösische Seidenzucht -von den Königen Frankreichs in hohem Maße begünstigt, so daß -schon unter Heinrich IV. der Altmeister der französischen -Landwirtschaft, Olivier de Serres, sie als blühend hervorhob. Seit der -Zeit des prachtliebenden Ludwigs XIV. nahm dann Lyon in der -Fabrikation aller Seidenstoffe eine führende Stellung ein, gegen die -die oberitalienischen Städte, selbst Mailand, wohin sie 1550 eingeführt -wurde, zurücktreten mußten.</p> - -<p>Während in Süditalien und Sizilien die vormals blühende Seidenweberei -im 14. Jahrhundert verschwand, behielten diese Länder in der Folge nur -die Erzeugung des Rohmaterials, während sich die dem damals überaus -mächtigen und reichen Herzogtum Burgund angegliederten Niederlande -einen großen Teil der Herstellung der allerkostbarsten Seidenzeuge, -speziell Brokate, aneigneten. In Deutschland bildete sich im Jahre -1670, und zwar in Bayern, die erste Seidenbaugesellschaft. Von 1764 an -bis zu seinem 1786 erfolgten Tode führte König Friedrich II., -der Große, den Seidenbau in Preußen ein und begünstigte ihn in so hohem -Maße, daß Krefeld versuchen konnte, es mit Lyon<span class="pagenum"><a id="Seite_536"></a>[S. 536]</span> aufzunehmen. Doch -verfiel in der Folge die ganze Unternehmung, weil es der Seidenraupe -hier zu kalt war, so daß Krefeld, um weiter bestehen zu können, das -Rohmaterial aus überseeischen Ländern, wie auch später Lyon infolge der -Muscardine, beziehen mußte. Dadurch erhielt die Zucht der Seidenraupe -im subtropischen Gebiet einen neuen Anstoß, zugleich aber wurde -die Seidenindustrie des Orients, die sich bis dahin, wenn auch in -geringerem Maße, in alter Weise erhalten hatte, durch die Entziehung -des Rohmaterials aufs empfindlichste betroffen. Jetzt ziehen Persien, -Kleinasien und Mazedonien die Seide für die französischen Fabriken, und -China und Japan exportieren zunehmend rohe Seide. Auch die indische -Seide geht jetzt fast ganz in die europäische Fabrikation über. -Rußland hat die alte Seidenkultur Zentralasiens an sich gerissen, wie -Frankreich diejenige Algeriens.</p> - -<p>Am Kap der Guten Hoffnung wurden im Jahre 1730 ohne Erfolg Seidenraupen -gezogen; auch in Mexiko, Argentinien und Chile blieben die -diesbezüglichen Versuche bedeutungslos. Asien dagegen ist heute noch -die Hochburg der Seidenzucht. Während in Indien bis nach Indo-china -hinein die wilde Zucht die zahme weit überwiegt, wurde letztere von -China aus schon frühe weiter ostwärts verbreitet. So kam sie zu Beginn -des 2. Jahrhunderts in Korea auf und im Jahre 195 wurde sie durch -den Prinzen Koman, einen Sproß des chinesischen Kaiserhauses, nach -Japan, wo er sich niederließ, eingeführt. Sein Sohn ließ dann eine -große Schar aus China herübergebrachter Seidenweber über das ganze -Land verteilen, um das japanische Volk in dieser Kunst zu unterweisen. -Man erzählt sich, das 50 Jahre später der damalige japanische Kaiser -seine Gemahlin veranlaßt habe, die Häuser der Seidenraupenzüchter und -Seidenweber zu besuchen, um sie in ihrer Tätigkeit zu ermutigen. Ja, im -Jahre 462 ließ Kaiser Yurgake als ermunterndes Beispiel für das ganze -Volk seine Gemahlin höchst eigenhändig Seidenraupen züchten und sie -mit den Blättern des Maulbeerbaums füttern. Von dieser Zeit an wurde -die Seidenkultur nach dem Berichte der japanischen Annalen, wie in -China, ein Gegenstand von größter nationaler Bedeutung, so daß wie dort -Seidenstoffe von allen besser Situierten getragen und an Stelle anderer -Bezahlung als Steuer auch von den Staatsbeamten angenommen werden.</p> - -<p>Heute werden alljährlich 24 Milliarden Kokons des Seidenspinners zur -Gewinnung von Seide verbraucht, obschon neuerdings auch Kunstseide -aus nitrierter Cellulose oder Schießbaumwolle hergestellt wird. -Durch die vielhundertjährige Zucht in geschlossenen Räumen zeigen -die<span class="pagenum"><a id="Seite_537"></a>[S. 537]</span> Seidenraupen eine verminderte Widerstandsfähigkeit gegen -Infektionen und sind den verschiedensten Krankheiten ausgesetzt, die -große Verheerungen unter ihnen anrichten. Von den durch Spaltpilze -angerichteten Krankheiten, den sogenannten Mykosen, ist zunächst die -Schlaffsucht hervorzuheben, von den Franzosen <span class="antiqua">flacherie</span> und -den Italienern <span class="antiqua">flaccidezza</span> genannt. Sie trat in der zweiten -Hälfte des vorigen Jahrhunderts mit ungewöhnlicher Heftigkeit auf -und vernichtete einen starken Prozentsatz der Zuchten. Die Krankheit -macht sich meist kurz vor der Verpuppung bemerkbar und nimmt einen -sehr raschen Verlauf. Die Raupen zeigen dann verminderte Freßlust, -werden schlaff und verenden schließlich. Das Innere derselben verfließt -schon nach 1–2 Tagen zu einer schwarzbraunen Jauche, in welcher -sich viele Spaltpilze befinden. Eine andere Mykose verursacht die -Kalksucht, von den Franzosen <span class="antiqua">muscardine</span>, von den Italienern -dagegen <span class="antiqua">calcino</span> genannt. Sie wird durch den Pilz <span class="antiqua">Botrytis -bassiana</span> hervorgerufen, dessen Mycel das Innere des Raupenkörpers -durchsetzt, wobei die absterbende Raupe zuerst wachsartig, später aber -wie mit Kalk begossen erscheint, indem sie sich über und über mit den -Sporenträgern bedeckt, die durch Verstreuen der rasch in die gesunden -Raupen eindringenden Sporen andere Individuen anstecken. Die Seuche -ist seit 1763 bekannt und gewann zu Beginn des vorigen Jahrhunderts -besonders in Frankreich eine große Ausdehnung, ist aber seit 50 Jahren -fast ganz verschwunden. Die Fleckenkrankheit oder Pebrine zeigt sich -zuerst in verminderter Freßlust, dann erscheinen auf der Haut dunkle -Flecken und das Schwanzhorn der Raupe verschrumpft meist. Doch können -schwach infizierte Raupen noch einen Kokon spinnen und sich zu einem -Schmetterling entwickeln. Der Erreger dieser Fleckenkrankheit ist -ein <span class="antiqua">Nosema bombycis</span> genannter Spaltpilz, der ebenfalls leicht -übertragen wird und großen Schaden anrichtet. Ebenfalls verderblich -sind die Fett- oder Gelbsucht und die Schwind- und Schlafsucht.</p> - -<p>Wie der Mensch Schläge der Seidenraupe mit strohgelbem, goldgelbem, -grünlichem oder weißem Kokon gezüchtet hat, hat er auch größere und -kleinere Rassen, wie auch solche mit ein und zwei Generationen im Jahr -gezogen. Ganz verwildert ist dieses Haustier nirgends, immerhin gab es -nach Aldrovandi im Jahre 1623 eine halbverwilderte Zucht in Kalabrien, -indem man dort die Raupe auf dem Maulbeerbaume selbst ansiedelte und -von diesen die Kokons sammelte. Der Haupthinderungsgrund des Gedeihens -einer solchen Zucht im Freien sind vor allem die insektenfressenden -Vögel, gegen die auch die Süd<span class="pagenum"><a id="Seite_538"></a>[S. 538]</span>asiaten ihre halbwilde Zucht durch Netze -schützen müssen. Wahrscheinlich sind auch diese Feinde der wehrlosen -Raupe die Ursache gewesen, daß man die Zucht dieses Tieres mehr und -mehr ins Haus zog. Da in allen zur Seidengewinnung verwendeten Kokons -die Tiere getötet werden müssen, wird die Seidenzucht nur durch die -große Fruchtbarkeit des Schmetterlings ermöglicht. Durch Ausziehen des -klebrigen, dickflüssigen Inhalts der Spinndrüsen kurz vor dem Verpuppen -erzielt man in China und Japan ein sehr festes Material zum Anbringen -der Angel an der seidenen Schnur.</p> - -<p>Als wilde Stammform des Seidenspinners hat man den in dem östlichen -Himalajagebiet vorkommenden <span class="antiqua">Bombyx huttoni</span> ansehen wollen, -den der Engländer Hutton wildlebend auf dem wilden weißfrüchtigen -Maulbeerbaum antraf. Jedenfalls muß er dem echten Seidenspinner -sehr nahe verwandt sein, da er sich mit ihm kreuzen läßt, wobei die -Nachkommen einer solchen Kreuzung fruchtbar sind. Ist dieser wilde -Seidenspinner tatsächlich die Stammform des zahmen, so muß früher sein -Vorkommen, das jetzt auf das östliche Himalajagebiet beschränkt ist, -weiter östlich über Yünnan nach Südchina gereicht haben, wo eben der -Wildling durch Zähmung zum Verschwinden gebracht wurde.</p> - -<p>Doch ist dieser Spinner durchaus nicht der einzige, der verspinnbare -Seide liefert. So beherbergt Ostasien noch einige andere Spinner, deren -Kokons ebenfalls eine für den Menschen brauchbare Seide erzeugen. -Als zu Beginn der 1850er Jahre unter den Seidenraupenzüchtern -Südfrankreichs die als Pebrine erwähnte verheerende Epidemie ausbrach, -deren parasitäre Natur Louis Pasteur feststellte, sah man sich, als -sie den Züchtern schwere Verluste beibrachte und ihre ganze Existenz -in Frage stellte, nach andern Spinnern um, die sich in Europa züchten -ließen. Schon 1740 hatte der Missionar Pater d’Incarville über einen -südasiatischen Spinner berichtet, der 20 Jahre später von Daubanton als -„Halbmond“ in seinem Atlas abgebildet wurde und 1773 von Drury seinen -wissenschaftlichen Namen erhielt. Es war der <em class="gesperrt">Ailanthusspinner</em> -(<span class="antiqua">Saturnia cynthia</span>), in Assam Erya genannt, der als Ersatz des -Maulbeerspinners 1856 von Pater Fantoni aus China nach Frankreich -eingeführt wurde. Seine Raupe, die auf dem Götterbaum (<span class="antiqua">Ailanthus -glandulosa</span>) und der Rizinusstaude (<span class="antiqua">Ricinus communis</span>) lebt, -entwickelt sich so rasch, daß in einem Jahre bequem dreimal frische -Kokons erzielt werden können, die eine vorzügliche Seide liefern. Ja, -Sir W. Neid, der Gouverneur von Malta, züchtete in der Zeit vom 2. -Dezember bis zum folgenden November sogar viermal voll<span class="pagenum"><a id="Seite_539"></a>[S. 539]</span>kommen gesunde -Falter. Durch die künstlichen Zuchtversuche ist der schöne gelbbraune -Schmetterling in Italien, Südfrankreich, bei Straßburg im Elsaß, wo er -1878 ausgesetzt wurde, bei Frankfurt am Main, im Tessin, bei Trient, in -Istrien, bei Laibach, bei Wien und im östlichen Nordamerika heimisch -geworden. Leider treiben die beiden genannten Futterpflanzen, die sonst -in Deutschland ganz gut gedeihen, zu spät Blätter, um eine Zucht im -großen ohne Treibhaus lohnend erscheinen zu lassen. Daher sahen die -Akklimatisationsvereine sich nach anderen Seidenspinnern um, die mit -einheimischen Pflanzen gefüttert werden können.</p> - -<p>Bald wurden aus China und Japan zwei große Falter eingeführt, die in -ihrer Heimat schon längst ihrer vortrefflichen Seide wegen gezüchtet -wurden und allen Wünschen zu entsprechen schienen. Beide lassen sich -bei uns leicht mit Eichenblättern ernähren. Es sind dies erstens der -<em class="gesperrt">chinesische Eichenseidenspinner</em> (<span class="antiqua">Saturnia pernyi</span>). -Dieser in seiner Grundfarbe ledergelbe Schmetterling liefert in China -zweimal jährlich Kokons, nämlich im Juni und Oktober. Drei Tage nach -der Paarung, die 40–50 Stunden dauert, werden 150 bis 230 große, braune -Eier gelegt, die nach etwa acht Tagen die anfangs schwarzen, nach der -ersten Häutung aber grünen Raupen liefern. Setzt man ihnen saftiges -Eichenlaub vor und bespritzt man dieses samt den Raupen einige Male -mit Wasser, so gedeihen sie sehr gut und spinnen sich nach 50 Tagen -zwischen den Blättern ihrer Futterpflanze ein. Die im Herbst erzielten -Kokons überwintert man im Keller, damit die Raupen im April nicht -früher auskommen, als frisches Eichenlaub zu ihrer Fütterung vorhanden -ist. In China zieht man diese Raupen im Freien auf Eichengebüsch -unter Aufsicht von Wärtern, die die Vögel zu verscheuchen und die -Raupen von einem kahl gefressenen auf einen belaubten Busch zu setzen -haben. Die großen, braunen Kokons werden zuerst auf Bambushürden über -dem Feuer geröstet, um die darin befindlichen Puppen zu töten, dann -zehn Minuten lang in kochendes Wasser gelegt, dem man einige Hände -voll Buchweizenasche hinzufügt. Dadurch löst sich der das Gespinst -verbindende Klebestoff auf, so daß sich die Seide bequem abhaspeln -läßt. Diese ist fester und billiger als diejenige des Maulbeerspinners -und bringt den Chinesen reichen Ertrag.</p> - -<p>Zweitens der <em class="gesperrt">japanische Eichenseidenspinner</em> (<span class="antiqua">Saturnia yama -mayu</span>, d. h. Bergkokon). Dieser ist dem chinesischen sehr ähnlich, -jedoch hat der Falter mehr goldgelbe Flügel mit rötlichen Rändern. -Auch<span class="pagenum"><a id="Seite_540"></a>[S. 540]</span> die Raupen sind fast gleich, doch haben diejenigen dieser Art -einen grünen, die der andern dagegen einen braunen Kopf. Bis 1856 war -die Ausfuhr seiner Eier in Japan mit der Todesstrafe bedroht; doch -gelang es Duchesne de Bellecourt, dem französischen Generalkonsul -und Bevollmächtigten in Tokio, Eier desselben an die <span class="antiqua">Société -d’acclimatisation</span> in Paris zu schicken. Trotz sorgfältigster Pflege -lieferten aber die mit Eichenlaub gefütterten Raupen nur einen einzigen -Kokon. Nun wurde Eugène Simon, der landwirtschaftliche Kommissar der -französischen Republik für China und Japan, beauftragt, Eier dieses -Eichenseidenspinners zu beschaffen, und mit Hilfe seines Freundes, des -holländischen Marinearztes Pompe van Meerdervoort, wurden heimlich -wieder einige Eier nach Europa gebracht. Mit diesen erzielten die -französischen Raupenzüchter guten Nachwuchs und konnten 1863 die -Fachausstellung in Paris mit Kokons und gehaspelter Seide beschicken. -Marquis de Riscal züchtete diesen Falter mit Erfolg im Freien, doch -ist er in Europa nirgends heimisch geworden. Die Aufzucht dieser -empfindlichen Raupe ist übrigens auch nicht so lohnend, da aus den -überwinternden Eiern nur eine Brut im Jahre zu erzielen ist. Sie spinnt -je einen großen, hellgrünen Kokon.</p> - -<p>Auch der in China und Ostindien heimische <em class="gesperrt">Atlasspinner</em> -(<span class="antiqua">Saturnia atlas</span>), der größte Schmetterling der Erde, der -25 <span class="antiqua">cm</span> breit und 18 <span class="antiqua">cm</span> hoch wird und rotbraun, mit -wie Atlas glänzenden weißen, schwarz umsäumten Flecken verziert -ist, liefert einen großen Kokon reich an Seide. Seine Raupe ähnelt -derjenigen des Ailanthusspinners, häutet sich aber einmal mehr als die -meisten Spinnerraupen, nämlich fünfmal. Sie wird bei uns am besten -mit Berberitzenlaub gefüttert, doch ist ihre Aufzucht in Europa zu -schwierig, um für die Seidengewinnung irgendwie in Betracht zu kommen. -Wie der Leib dieses riesigen Falters nur etwa 4 <span class="antiqua">cm</span> lang ist, -sind auch Raupe, Gespinst und Puppe verhältnismäßig klein. Die Zucht -der schwerfälligen Raupe, die sich nur bewegt, wenn sie frißt, ist sehr -langweilig. Diese Trägheit hat aber das Gute für sich, daß sie niemals, -wie andere Raupen, von der Futterpflanze herabfällt. Ihre ganze -Entwicklung nimmt bei uns etwa 40 Tage in Anspruch.</p> - -<p>Endlich ist in Südchina der Spinner <span class="antiqua">Saturnia pyretorum</span> heimisch, -dessen Raupe sich von den Blättern des Kampfer- und Amberbaums ernährt -und dessen Gespinst zur Herstellung von Angelschnüren gebraucht wird. -Letztere kommen auch nach Japan in den Handel und werden dort unter -dem Namen tegusu seit langer Zeit von den Fischern als<span class="pagenum"><a id="Seite_541"></a>[S. 541]</span> sehr dauerhaft -benutzt. Neuerdings ist dieser Spinner durch die Japaner auf Formosa -eingeführt worden, wo die große Häufigkeit der Kampferbäume Gelegenheit -zur Zucht ihrer Raupe gibt. Die Seide wird dadurch künstlich von ihr -gewonnen, daß sie nach der Reife in Essig getaucht wird, worauf man aus -ihrem Körper goldgelbe Fäden von 2 bis 2,5 <span class="antiqua">m</span> Länge zieht.</p> - -<p>Auch Nordamerika hat drei Seidenspinner, die für die Seidengewinnung -benutzt werden könnten. Der wichtigste derselben ist die schön -braunrote <span class="antiqua">Saturnia polyphemus</span> mit auffallendem, schwarzgelbem -Augenfleck. Deren prächtig grüne Raupen sind fleischfarbig gestreift -und nach ihrer letzten Häutung mit 48 silber- und 8 goldglänzenden -Flecken geschmückt. Von der Sonne beschienen erscheinen sie wie mit -Diamanten übersät. Ihre schöne starke Seide ist schneeweiß, so daß sie -zu der lichtgrünen von <span class="antiqua">S. yama mayu</span> und der hellbraunen von -<span class="antiqua">S. pernyi</span> einen prächtigen Gegensatz bildet. Etwa gleich groß -ist <span class="antiqua">Saturnia promethea</span>, deren beide Geschlechter auffallend -verschieden gefärbt sind. Das Männchen ist schwärzlich und das Weibchen -rotbraun. Die Raupe ist aber nicht leicht zu züchten, da sie in bezug -auf Futter sehr wählerisch ist. Sie frißt in ihrer Heimat die Blätter -des Benzoe-, Sassafras- und Tulpenbaums, also von Bäumen, die bei -uns nicht überall angepflanzt werden. Bedeutend größer und schöner -ist <span class="antiqua">Saturnia cecropia</span>, die an Schönheit noch den Atlasspinner -übertrifft. Die ebenfalls wunderschöne Raupe ist leicht zu ziehen, -da sie fast jedes Laub annimmt. Sie braucht 7 bis 9 Wochen zu ihrer -Entwicklung und liefert einen recht großen Kokon, dessen Seide -technisch gut verwendbar ist. Ebenfalls hervorragend schön ist die -bedeutend kleinere <span class="antiqua">Saturnia ío</span> aus Nordamerika, die zwar keine -Seide liefert, aber wegen ihrer Schönheit mit Vorliebe gezüchtet wird. -Die auf Eichenzweigen leicht zu ziehenden Raupen sind dicht mit grünen -Härchen überzogen, die beim Anfassen ärger brennen als Nesseln. Sie -häuten sich fünfmal und brauchen 10–15 Wochen zu ihrer Entwicklung.</p> - -<p>Außer in Ostasien wird nur noch auf Madagaskar seit alter Zeit eine -Seide gewonnen und zu Geweben verarbeitet. Hier ist der Lieferant der -starken Seide der Spinner <span class="antiqua">Bombyx rhadama</span>, der in manchen Dörfern -in größerer Menge gezogen wird und dessen Gespinst zu den durch ihre -Schönheit ausgezeichneten und sehr dauerhaften Seidenlambas verarbeitet -wird, die nicht nur von den wohlhabenden Eingeborenen als Überwürfe -getragen werden, sondern auch einen Exportartikel von allerdings -beschränkter Bedeutung bilden. Dann stellt<span class="pagenum"><a id="Seite_542"></a>[S. 542]</span> auch in einzelnen Teilen -von Nigeria die Bevölkerung aus den Kokons von <span class="antiqua">Anaphe infracta</span> -einen <span class="antiqua">somyan</span> genannten Seidenstoff her. Die davon gewonnene -Rohseide ist braun oder gelblichbraun. Daneben gibt es dort auch eine -rein weiße Seide, die aus den Distrikten Bauchi und Bornu im Innern -nach dem Handelsplatz Ibadan gebracht wird. Man nennt sie Gambari- -oder Haussaseide. Offenbar ist sie ein Fabrikat gleichen Ursprungs mit -der gelblichen Rohseide, nur daß sie von anders behandelten Kokons -hergestellt wird. Die Eingeborenen sammeln die betreffenden Raupen von -den Bäumen, wenn sie gerade im Begriffe sind, sich einzuspinnen. Ein -Londoner Züchter hat Versuche mit der Züchtung dieser Raupe gemacht -und gefunden, daß, wenn man sie im Dunkeln aufzieht, sie stets rein -weiße Kokons statt der braunen hervorbringt. Da nun die Eingeborenen -beim Einsammeln der Raupen zum Zwecke der Gewinnung von Gambariseide -die Gewohnheit haben, die Tiere in ihren dunkeln Hütten aufzubewahren, -erklärt es sich leicht, daß dieses Produkt von rein weißer Farbe ist.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_543"></a>[S. 543]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XXIV_Die_Geschichte_der_Jagd">XXIV. Die Geschichte der -Jagd.</h2> - -</div> - -<p>So lange es Menschen gibt, die ihren Hunger nicht völlig an den von -der Natur gebotenen Früchten und anderer Pflanzennahrung stillten, -sondern auch noch zu tierischer Beute, zunächst noch roh, wenn auch -lebendwarm, später gekocht, ihre Zuflucht nahmen, so lange schon hat -es eine Jagd gegeben. Ihre Geschichte schreiben hieße die Geschichte -der menschlichen Kulturentwicklung darstellen. So wissen wir, daß schon -der vorgeschichtliche Eiszeitjäger, dessen ganze Kultur auf die Jagd -abgestellt war, ganz raffinierte Jagdmethoden anwandte und sich nicht -nur mit Wurfspeer und Keule, sondern auch mit Fallgruben, Fallen und -Schlingen sich der tierischen Beute, auf die er zu seinem Unterhalte -angewiesen war, zu bemächtigen suchte. Zudem nahm er wie alle -Primitiven zu Zauberprozeduren der verschiedensten Art seine Zuflucht, -als deren Niederschlag wir die mancherlei Darstellungen von Jagdwild an -den einst von den Mammut- und Renntierjägern der letzten Eiszeit und -frühen Nacheiszeit bewohnten Höhlen anzusehen haben.</p> - -<p>In der Folge entwickelte sich die Jagd bei den verschiedenen -Volksstämmen in verschiedener Weise, je nach den vorhandenen Anlagen -und gegebenen Verhältnissen. Über die Jagd der alten Assyrer, -Babylonier und Ägypter geben uns manche bildliche Darstellungen -Kunde, doch sind wir daneben nur auf Vermutungen angewiesen, so daß -wir außerstande sind, auf so spärlichem Beweismaterial fußend, eine -Geschichte ihrer Jagd zu schreiben. Schon reichlicher fließen die -diesbezüglichen Urkunden von den alten Griechen, deren Jagdarten uns um -400 v. Chr. Xenophon, ein Schüler und Freund des Sokrates, in seinem -Buche über die Jagd und wiederum etwa im Jahre 130 v. Chr. Flavius -Arrianus aus Nikomedien in seiner Kynegetika beschrieben. Über das -römische Jagdwesen gibt es so gut wie keine Literatur. Anders verhält -es sich mit der Jagd unserer germanischen Vorfahren<span class="pagenum"><a id="Seite_544"></a>[S. 544]</span> seit der Zeit -der Völkerwanderung. Da haben wir zunächst aus Gesetzesbestimmungen, -dann aus eigentlichen Jagdanweisungen ein so überreiches Material von -Tatsachen, daß wir uns hier mit einer kurzen Übersicht begnügen müssen. -Und zwar soll im folgenden als am nächsten liegend vorzugsweise die -Geschichte der Jagd unserer Vorfahren, so weit sie urkundlich bezeugt -ist, behandelt werden.</p> - -<div class="figcenter illowe25_9375" id="bild55" > - <img class="w100" src="images/bild55.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 55. Ägyptischer Jäger mit zwei zusammengekoppelten - Jagdhunden. Auf den Schultern trägt er eine erlegte Oryxantilope. (Nach - Wilkinson.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel61" > - -<p class="captop">Tafel 61.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel61.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Der Assyrerkönig Assurbanipal (668–626 v. Chr.) auf reich - angeschirrtem Streitpferd auf der Löwenjagd.<br /> - (Nach einer Photographie von Mansell & Cie. in London.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel61_gross.jpg" id="tafel61_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel62" > - -<p class="captop">Tafel 62.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel62.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Berittene Jäger des Khans von Chiwa in Begleitung von - Jagdhunden.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel62_gross.jpg" id="tafel62_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Die ältesten Bewohner Deutschlands waren Kelten, die auf Einzelhöfen -lebten, Landwirtschaft und Viehzucht trieben und sich einer -verhältnismäßig hohen Kultur erfreuten. Das Andenken an ihr einstiges -Vorhandensein ist besonders in Deutschland westlich von der Weser -und südlich vom Main in zahlreichen Ortsnamen erhalten geblieben. -Sie wurden nach und nach von den von Osten und Norden heranrückenden -Germanen zurückgedrängt und unterjocht. Diese nahmen die alten -Keltenhöfe in Besitz, machten die früheren Bewohner zu Knechten -und führten nun als Herren die Wirtschaft auf den Einzelhöfen -weiter. Dazu wurden neue gebaut, das umgebende Land aber wurde zu -gemeinschaftlichem Eigentum an die verschiedenen Sippen verteilt und -bildete die Allmende, d. h. das Gemeindeland. Die Gesamtheit der freien -Hofbesitzer eines Gaues tat sich zu einer Hundertschaft — so genannt, -weil wenigstens hundert Familien umfassend —<span class="pagenum"><a id="Seite_545"></a>[S. 545]</span> zusammen und bildeten -eine Markgenossenschaft, welche die gemeinschaftlichen Angelegenheiten -beriet. An ihre Stelle stellte sich als der tüchtigste der Markgenossen -ein Graf, dessen Amt nicht erblich war, zum Unterschied vom Königtum, -das der Gesamtheit der das Volk bildenden Markgenossenschaften vorstand -und dessen Amt sich in derselben Familie forterbte.</p> - -<p>Da der Viehstand vorerst noch bescheiden war und nur ausnahmsweise zum -Schlachten diente, so war damals die Jagd in den wildreichen großen -Waldgebieten, wie in der Vorzeit, eine wichtige Nahrungsquelle zur -Beschaffung von Fleisch als Zukost zu der von den Frauen und Hörigen -gewonnenen Pflanzenspeise in Form von hauptsächlich Brot oder Brei. Ihr -wie dem Kriege lag der Freie ob, dem jede andere Arbeit als schimpflich -galt. Die Jagd galt als beste Vorschule für den Krieg, wurde aber nicht -weidmännisch in unserem Sinne betrieben. Man jagte ohne irgend welche -Schonzeit das ganze Jahr hindurch und berücksichtigte weder Alter -noch Geschlecht. Man folgte dem weidwund geschossenen Wild nicht wie -heute, um seine Qualen zu verkürzen, sondern weil man den Braten nicht -verlieren wollte. Zur Jagd benutzte man nach den Bestimmungen der vom -5. bis 8. Jahrhundert n. Chr. schriftlich fixierten Volksrechte der -deutschen Stämme verschiedene <em class="gesperrt">Jagdhunde</em>, deren freventliche -Tötung mit 3–15 Solidi gebüßt wurde. Nun war damals ein Solidus ein -Goldschilling im Metallwert von 12 Mark, der aber tatsächlich einen -viel höheren Wert repräsentierte, da dafür eine erwachsene Kuh zu -kaufen war. Demnach waren die Bußen, die die Volksrechte verfügten, -ganz anständige Strafen. Das alamannische Recht bestrafte die Tötung -oder den Diebstahl eines Leithundes doppelt so hoch als diejenige eines -Pferdes, nämlich mit 12 Solidi, während letztere nur 6 Solidi galt. -Eine besondere Art der Strafe hatten die Burgunder, die dem Diebe -freistellten, sich mit 6 Solidi auszulösen oder dem gestohlenen Hunde -in Gegenwart des ganzen Volkes einen Kuß auf den Hintern zu geben.</p> - -<p>Vom Jagdhund der germanischen Stämme, dem <span class="antiqua">canis sagax</span> oder -<span class="antiqua">segutius</span> auch <span class="antiqua">sëusis</span> oder <span class="antiqua">sëusis</span>, unterschieden -die Gesetze der Bajuvaren drei verschiedene Arten, nämlich außer -dem freilaufenden Triebhund die beiden an der Leine die Spur des -Wildes verfolgenden Hunde, den Spürhund und den Leithund. Letztere -standen bei Totschlag oder Diebstahl mit je 6 Solidi Buße doppelt so -hoch im Wert als ersterer, für dessen Verlust nur 3 Solidi Buße zu -entrichten waren.<span class="pagenum"><a id="Seite_546"></a>[S. 546]</span> Mit dem Leithund, der vornehmlich als <span class="antiqua">canis -segutius</span> bezeichnet ist, wurde die Beute aufgespürt und verfolgt. -Worin sich der Spürhund der alten Bayern von diesem Leithund der -Alamannen, salischen Franken und Burgunder unterschied, ist nicht -klar; vielleicht war er eine als Schweißhund dressierte Unterart des -<span class="antiqua">segutius</span>. Wenigstens hatte man im späteren Mittelalter eigene -Hunde zur Verfolgung des mit der Armbrust angeschossenen Wildes, die -man als Bracken bezeichnete. Außerdem besaß man einen starken Schlag -von Hunden, die man auf Wildstiere, Bären und Wildsauen hetzte, für -welche in den Volksrechten weder eine lateinische noch eine deutsche -Bezeichnung vorkommt, sondern nur eine Beschreibung ihres Gebrauches. -Später nannte man sie lateinisch <span class="antiqua">molossus</span>, deutsch rudo, -woraus Rüde wurde. Daneben wurde eine als <span class="antiqua">canis veltris</span> oder -<span class="antiqua">veltrus</span> (im Deutschen später wint, d. h. Windspiel genannt) -bezeichnete leichte Hundeart gehalten, die den Hasen nicht nur -verfolgte, sondern ihn auch vermöge ihrer Schnelligkeit ergriff. Das -ganze Mittelalter hindurch spielten diese als Jagdhunde eine wichtige -Rolle und werden in vielen Weistümern erwähnt.</p> - -<p>Sehr interessant ist die Erwähnung eines Hapuch-, d. h. Habichtshundes -im Volksrecht der Bayern, der uns als <span class="antiqua">canis acceptoritius</span> -im Gesetze der Friesen begegnet. Über dessen Gebrauch wird nichts -mitgeteilt; doch dürfen wir zweifellos annehmen, daß er zur Aufsuchung -des Federwildes diente, das damals nicht geschossen, sondern gebeizt, -d. h. durch gezähmte Falken und Habichte gefangen wurde. Noch in den -Weistümern des Mittelalters wird öfter der „Vogelhund“ genannt, und -zwar stets in Gesellschaft des „Habk“ (d. h. Habichts). Zur Verfolgung -kleineren Wildes diente bei den Burgundern der schon von den Römern -gebrauchte <span class="antiqua">petrunculus</span>, der „Steinbracke“, der seinen Namen -von den harten Fußsohlen ableiten soll, vermöge welcher er anhaltend -auf felsigem Terrain zu jagen imstande war. Bei den Friesen wird -er <span class="antiqua">braco parvus</span> oder Barmbracke genannt. Im Volksrecht der -Bajuvaren ist noch vom „unter der Erde jagenden“ Biberhund die Rede, -dessen freventliches Töten mit 16 Solidi gebüßt wurde, während die -ebendort erwähnten Hirtenhunde, die es mit dem damals noch sehr -häufigen Wolf aufnahmen und ihm das geraubte Vieh entrissen, auch, wenn -ein Geschrei wegen eines Wolfes erhoben wurde, weithin zu Hilfe eilten, -und die sehr geschätzten Hofhunde (Hofwart der alten Bayern) nur mit 3 -Solidi bezahlt werden mußten. Diese Biberhunde dienten zur Erbeutung -des damals noch überall in Mitteldeutschland<span class="pagenum"><a id="Seite_547"></a>[S. 547]</span> häufigen Bibers, waren -größer als unsere Dachshunde und gingen gern ins Wasser. Dachshunde, -die ihren Namen vom früher von ihnen mit Vorliebe gejagten Dachse -haben, während sie heute bei Abnahme jenes häufiger gegen den Fuchs -gebraucht werden, kamen erst im späteren Mittelalter auf.</p> - -<p>Diejenigen Hunde des Frankenkönigs, die nicht am Hofe verblieben, -wurden zum Unterhalt in die Provinzen verteilt, wie es schon an den -Höfen der morgenländischen Fürsten des Altertums gehalten wurde. Den -darübergesetzten Beamten befahl Karl der Große genaue Aufsicht, daß sie -von den betreffenden Untertanen richtig gehalten und das nötige Futter -erhielten. Wahrscheinlich waren die königlichen Hunde auf der rechten -Seite gezeichnet; wenigstens scheint ein Befehl Karls des Großen vom -Jahre 803, daß diejenigen Leute, die auf der rechten Seite geschorene -Hunde haben, mit denselben vor dem Könige erscheinen sollten, nur -so erklärt werden zu können, daß dies zu tun niemandem außer dem -Könige gestattet war. Die Hunde hatten schon damals eigene Namen, mit -denen man sie rief. So spricht Hrabanus Maurus von einem Hunde Fax, -und anderswo ist von einer Hündin Zoba die Rede. Übrigens waren die -Jäger und Förster der Frankenkönige Leibeigene, von denen es außer -dem obersten Falkner (<span class="antiqua">falconarius principalis</span>) in Neustrien, -Austrien, Burgund und Aquitanien je einen Oberjägermeister (<span class="antiqua">venator -principalis</span>) gab. Diese hatten die nötige Zahl von Ministerialen, -<span class="antiqua">venatores</span> und <span class="antiqua">falconarios</span>, unter sich, welche -abwechselnd, teils bei Hofe, teils in den <span class="antiqua">villis</span> beschäftigt -wurden. Der in der karolingischen Zeit lebende Bischof Hinkmar nennt -in seinen Briefen über die Ordnung des karolingischen Hofes dreierlei -Arten von Jägern: <span class="antiqua">bersarii</span> (vom spätlateinischen <span class="antiqua">bersare</span>, -d. h. mit Pfeil und Bogen schießen = birsen der mittelalterlichen -Urkunden, woraus schließlich pürschen wurde. Erst seit etwa hundert -Jahren hat sich diese ursprüngliche Bedeutung des Wortes birschen dahin -verändert, daß man darunter ein Anschleichen an das Wild verstand), -Waldjäger mit Gebrauchshunden, <span class="antiqua">veltrarii</span> Feldjäger mit -Windspielen und <span class="antiqua">beverarii</span>, d. h. Biberjäger mit den Biberhunden -für die Wasserjagd auf Biber.</p> - -<p>Außer Hunden waren von alters her auch gezähmte <em class="gesperrt">Falken</em>, -<em class="gesperrt">Habichte</em> und <em class="gesperrt">Sperber</em> sehr geschätzte Jagdgenossen der -Deutschen, deren Verlust mit 1–45 Solidi gebüßt wurde. Auch hier hat -das Recht der salischen Franken, die ihren Namen vom Flusse Isala -oder Yssel haben und sich über das nördliche und mittlere Gallien -aus<span class="pagenum"><a id="Seite_548"></a>[S. 548]</span>breiteten, das damals in höherer Kultur stand als die deutschen -Gaue, die höchsten Strafsätze. Vielleicht hatte das Geld dort -geringeren Wert. Die Burgunder leisteten sich auch bei diesen Strafen -ein besonderes Vergnügen, indem der Dieb eines Jagdhabichts 2 Solidi -Strafe und 6 Solidi Entschädigung an den Besitzer bezahlen oder den -Habicht 6 Unzen Fleisch von seinen eigenen Hoden fressen lassen mußte.</p> - -<p>In den Strafbestimmungen der Volksrechte der Deutschen führen die -größeren Beizvögel den Namen <span class="antiqua">accipiter</span> oder <span class="antiqua">acceptor</span> -(meist wohl Habicht), die kleineren dagegen <span class="antiqua">sparawarii</span> (also -Sperber). Deutsche Benennungen finden sich nur in den Gesetzen der -Bayern, die sogar viererlei Jagdraubvögel unterscheiden, nämlich 1. -als vornehmsten, den Kranichar (<span class="antiqua">chranohari</span>), einen auf Kraniche -abgerichteten großen Raubvogel, wenn auch keinen Adler, da diese -Vogelgattung nicht den für die Beize dieser Vögel erforderlichen -raschen Flug besitzt. Damals müssen die bayerischen Moore und Sümpfe -reich an Kranichen gewesen sein, die nach der <span class="antiqua">lex salica de furtis -avium</span> damals auch in den Höfen vornehmer Leute zahm gehalten -wurden. Es waren dies vermutlich Wanderfalken. Solche aus Island kamen -erst im späteren Mittelalter nach Deutschland. Wandte sich doch im -8. Jahrhundert König Ethelberth von England an den heiligen Winfrid -(Bonifazius) um zwei Falken, welche geschickt und kühn genug wären, um -Kraniche zu ergreifen und zu Boden zu werfen, wobei er ausdrücklich -seine Anerkennung der trefflichen Naturanlagen der in Deutschland -vorkommenden Raubvögel aussprach.</p> - -<p>Die im Mittelalter so gern geübte Reiherbeize fand wahrscheinlich -erst dann recht Eingang bei den Deutschen, als der edlere Kranich -durch die leidenschaftliche Verfolgung mit Beizvögeln schon seltener -geworden war. 2. den Gänsehabicht, einen <span class="antiqua">hapuch</span>, der Wildgänse, -3. einen solchen, der Wildenten fing, also einen Entenhabicht, und 4. -einen Sperber für Rebhühner und kleinere Vögel. Die Entwendung eines -dieser Vögel wurde mit dem neunfachen Wertbetrage wie andere Diebstähle -gesühnt. Dabei konnte eine sehr schwere Strafe herauskommen. Nimmt -man den Wertsatz des Volksrechtes der ripuarischen Franken für den -<span class="antiqua">commorsus gruarius</span> in Anwendung auf den <span class="antiqua">chranohari</span>, so -ergibt sich eine Geldbuße von 54 Solidi, was an Geldwert 54 Kühen -entsprach. Im Falle der Tötung war ein gleicher Vogel als Ersatz zu -geben und außerdem noch zur Sühne für einen Kranichar 6 Solidi, für -einen Gänsehabicht 3 Solidi, für einen Entenhabicht und einen Sperber -je 1 Solidus. Dabei verstand man unter <span class="antiqua">hapuch</span> außer<span class="pagenum"><a id="Seite_549"></a>[S. 549]</span> dem -Hühnerhabicht auch die größeren Arten der einheimischen Edelfalken, -welche in späterer Zeit als Beizvögel erwähnt werden, nämlich den Würg- -und Wanderfalken, und unter <span class="antiqua">sparawarius</span> nicht nur den Sperber -oder Finkenhabicht, sondern auch den Baum- oder Lerchenfalken.</p> - -<p>Im Volksrecht der Alamannen werden nur zweierlei Beizvögel genannt, -einer auf Kraniche und einer auf Gänse. Das Eigentum an ersterem war -durch eine Strafe von 6, an letzterem von 3 Solidi geschützt. Bei den -Langobarden wurde im Falle der Tötung eines Beizvogels eine Sühne von -6 Solidi bezahlt, im Falle des Diebstahls aber der achtfache Betrag -an den Beschädigten erlegt. Wer nun bei diesem Volke aus dem Gehege -des Königs solche Vögel vom Neste nahm, mußte 12 Solidi Buße bezahlen. -Geschah dies im Privatwalde eines andern von einem gezeichneten -Baume, so betrug die Sühne 6 Solidi. Hatte der Baum kein Zeichen, so -konnte man die Vögel ungestraft aus dem Neste nehmen. Wenn aber der -Waldeigentümer dazu kam, durfte er sich dieselben aneignen.</p> - -<p>Falls Beizvögel an Zahlungs Statt anzunehmen waren, so betrug die Taxe -bei den ripuarischen Franken für einen ungezähmten 3 Solidi, für einen -auf Kraniche abgerichteten 6 Solidi, für einen <span class="antiqua">acceptor mutatus</span> -12 Solidi. Wo solche Taxen nicht bestanden, konnte der Zahlende den -Wert beschwören. Weil aber der Wert solcher Vögel zu hoch beschworen -wurde, verbot Kaiser Ludwig der Fromme deren Hingabe an Zahlungs Statt. -Die sehr hohe Bewertung dieser Vögel läßt die große Vorliebe für die -Beize bei den alten Deutschen ahnen. Übrigens stellte das Gesetz der -Bayern auch andere gezähmte Waldvögel, die auf den Höfen der Freien -gehalten wurden, unter seinen Schutz. Die Entwendung solcher Vögel, -„die durch Kunst und menschlichen Fleiß aus wilden zahm und zutraulich -gemacht werden, so daß sie auf den Höfen der Adeligen herumfliegen -und singen“, wurde mit 1 Solidus gebüßt, außerdem mußte der Übeltäter -beschwören, in Zukunft keinen Vogel mehr zu stehlen.</p> - -<p>Außerdem sprechen die Volksrechte der alten Deutschen von <em class="gesperrt">gezähmtem -Rotwild</em> — vornehmlich Hirschen — und <em class="gesperrt">gezähmtem Schwarzwild</em> -— speziell Wisent und Ur — die zur Jagd gebraucht wurden. In welcher -Weise dies geschah, darüber wird nichts gesagt, doch scheint es sich um -Schießhirsche oder Schießbüffel gehandelt zu haben, d. h. solchen, die -sich vom Jäger leiten ließen, der hinter ihnen gedeckt sich unter dem -Winde dem gesuchten Wild so weit näherte,<span class="pagenum"><a id="Seite_550"></a>[S. 550]</span> daß er mit Erfolg den Pfeil -auf dasselbe entsenden konnte (<span class="antiqua">sagittare</span>). Man scheint damals -mit Rotwild nicht nur an anderes Rotwild, sondern auch an Schwarzwild -herangeschlichen zu sein. Dann mußte das gezähmte männliche Wild in -der Brunst auch schreien, und zwar sowohl die Hirsche als auch die -Büffel. Vermutlich begab sich der Jäger mit seinem gezähmten Tier -vor Tagesanbruch auf einen der ihm bekannten Brunstplätze, um sein -Tier schreien zu lassen oder abzuwarten, bis die freien Tiere schrien -und sein Tier ihnen antwortete. Vielleicht waren die zahmen Tiere in -kleinen Gehegen gehalten und dienten dem Jäger dazu, wilde Verwandte -herbeizulocken, damit er sie dann, wenn sie nahe genug herangekommen -waren, abschießen konnte. Der Römer Columella erwähnt in seinem zweiten -Buche über Landwirtschaft, daß in Gallien zahmes Wild dazu diene, -das frischgefangene Wild, das in einen der Riesenparks jenes Landes -gesetzt war, an die Futterstellen zu gewöhnen. Möglicherweise dienten -solche zahme Tiere auch als solche Schlepper, um ihre Verwandten an -Futterstellen zu locken, wo sie abgeschossen zu werden vermochten.</p> - -<p>Diese gezähmten Tiere wurden mit einem <span class="antiqua">treudis</span> oder -<span class="antiqua">triutis</span> genannten Zeichen versehen, wodurch sie Frieden -erlangten, so daß sie nicht erlegt werden durften. Dabei stieg ihr Wert -in dem Maße, als sie sich bei der Jagd bewährt hatten. Dementsprechend -richtete sich auch der Betrag der Sühne im Falle der Entwendung oder -Tötung. Wer bei den salischen und ripuarischen Franken einen auf der -Jagd erprobten zahmen Hirsch entwendete oder tötete, der mußte zur -Sühne 45 Solidi bezahlen. War der Hirsch noch nicht auf der Jagd -gebraucht worden, so betrug die Sühne bei den salischen Franken -35, bei den ripuarischen dagegen nur 30 Solidi. Im alamannischen -und langobardischem Volksrecht wurde bei Entwendung eines zahmen -Hirsches der neun- bezw. achtfache Betrag, d. h. die gebräuchliche -Diebstahlsstrafe gefordert. Dabei galt eine zahme Hirschkuh nur als -halb so wertvoll wie ein gezähmter Hirsch. Doppelt war die Strafe, wenn -der getötete Hirsch zu seiner Zeit brunstete gegenüber einem solchen, -der dies nicht tat.</p> - -<p>Für den Jäger damaliger Zeit war ein gutes <em class="gesperrt">Reitpferd</em> ein -notwendiges Erfordernis, um den Hunden bei der Hetzjagd auf Rot- und -Schwarzwild und auf Hasen zu folgen und zur Erlegung oder Abnahme des -betreffenden Wildes rechtzeitig an Ort und Stelle zu sein, oder die -das Federwild verfolgenden Beizvögel im Auge zu behalten. Zum Reiten -dienten, wie es scheint, vorwiegend Hengste, <span class="antiqua">ca<span class="pagenum"><a id="Seite_551"></a>[S. 551]</span>balli</span> genannt, -daher <span class="antiqua">caballicare</span> reiten. Außerdem hatte man aber auch eigene -Zuchthengste und solche Hengste, die zum Ziehen von Wagen benutzt -wurden. Auch ist in den Volksrechten von Wallachen die Rede (<span class="antiqua">caballi -spadati</span>), welche geringeren Wert hatten. Die Stuten hießen -<span class="antiqua">jumenta</span>, weil sie außer zur Nachzucht vorzugsweise als Zugtiere -benutzt wurden. Bei den Alamannen konnte in Fällen von Diebstahl -der Wert eines Zuchthengstes bis zu 12 Solidi beschworen werden, -und die Strafe betrug das Neunfache des Wertes; ebensohoch war der -Wert eines Pferdes, das man <span class="antiqua">marach</span> hieß. Der Wert eines gewöhnlichen -<span class="antiqua">caballus</span> und einer säugenden Stute dagegen betrug nur 6 Solidi, -einer gewöhnlichen Stute, die noch nicht trächtig war, 3 Solidi, wie -für einen Zuchtstier, während eine Kuh bloß bis zu 1 Solidus gewertet -wurde.</p> - -<p>Man war in jener Zeit sehr heikel in bezug auf seine Reitpferde. So -mußte bei den Franken einer, der ein fremdes Roß eigenmächtig ritt, zur -Sühne an den Eigentümer 30 Solidi Strafe bezahlen, während die Strafe -für die Entwendung des wertvollsten Pferdes eines Privatmannes nur die -Hälfte mehr, nämlich 45 Solidi, betrug.</p> - -<p>Abgesehen von den für die Jagd reservierten Forsten hielt der König -besonders in Niederungen, Brüchen und Sümpfen von einem Hag von Bohlen -eingefriedete Tierreservationen, deutsch Brühl, lateinisch <span class="antiqua">bersa</span> -genannt. Ihnen standen Leibeigene vor, die <span class="antiqua">bersarii</span> genannt -wurden und bei der Jagd Hilfe leisten mußten. Solche Brühle konnten -einen großen Umfang haben. In einem solchen bei Frankfurt am Main -stürzte Ludwig der Deutsche 864 bei einer Hirschhatz mit dem Pferde und -beschädigte sich eine Hüfte erheblich.</p> - -<p>Der Franke Angilbert, Abt von St. Riquier, der mit Zustimmung Karls -des Großen, der ja selbst ein uneheliches Kind gewesen war, mit dessen -Tochter Berta in freier Liebe lebte und zwei Knaben von ihr hatte, -beschreibt uns in einem höfischen Gesang nach der Art Vergils eine -Parkjagd Karls in dem großen von Mauern umgrenzten Brühl bei Aachen. -Dieser Tierpark war vom Flüßchen Wurm durchflossen, an dessen Ufer -sich grüne Wiesen ausbreiteten, auf denen sich Sumpf- und Wasservögel -tummelten. An andern Stellen waren die Ufer steil. Auch zwischen den -Gehölzen, in denen „Wild von jeglicher Art“ stand, erstreckten sich -Wiesenflächen, auf denen König Karl zu lagern liebte. Mit ihm brachen -morgens in aller Frühe auch die Königin und die Töchter, goldene -Reifen im Haar und in schöner Gewandung, auf prächtigen Pferden auf. -Im Tale des Parkes wurde<span class="pagenum"><a id="Seite_552"></a>[S. 552]</span> von den Jägern ein Keiler hochgemacht und -von kräftigen Hunden gehetzt. Die Reiter folgten, bis der Keiler -gedeckt und von Karl abgefangen war; währenddem schauten die Damen vom -Berge aus zu. In der Zwischenzeit hatte ein Teil der Jägerei die Jagd -auf zusammengetriebene Rudel von Sauen vorbereitet. Zu diesem Zwecke -war ein großes Netz ausgespannt worden, gegen welches die Wildsauen -getrieben wurden, um dort von Karl und seinen Begleitern mit dem -Wurfspeer abgestochen zu werden. Nach diesem Massenmord wendete sich -Karl langsam den Zelten zu, die von der Dienerschaft am frischen Quell, -dicht am Gehölz im Schatten hoher Buchen aufgeschlagen worden waren. -Hier erwarteten ihn die Damen, die dann mit den Jägern an vor den -Zelten aufgestellten Tischen das schmackhafte Mahl einnahmen. Mit dem -Eintritt der Nacht begab sich die Gesellschaft in den Zelten zur Ruhe, -um am folgenden Tage zu neuem Weidwerk gestärkt aufzuwachen.</p> - -<p>Wie in der Urzeit bedingte die Unvollkommenheit der Schußwaffen noch -im frühen Mittelalter die weitgehende Verwendung von <em class="gesperrt">mechanischen -Fangvorrichtungen</em> zur Erbeutung des Wildes. So wurden an den -Wechseln desselben Fallgruben, <span class="antiqua">foveae</span> oder <span class="antiqua">fossae</span>, -errichtet, in Form großer viereckiger Gruben, die unten weiter waren -als oben und mit Zweigen, Laub und Erde bedeckt und unsichtbar -gemacht waren, so daß jedes Tier, das die trügerische Decke betrat, -hinunterstürzen mußte und leicht erbeutet werden konnte.</p> - -<p>Schon Cäsar erzählt in seinem Buche über den gallischen Krieg, daß -die Germanen häufig den Ur in solchen Fallgruben fingen. Auch Wisent, -Hirsch, Damhirsch, Reh und Bär, wie der Elch, der nach einer Urkunde -König Ottos I. vom Jahre 943 noch in den Niederlanden häufig -war, wurden mit Vorliebe auf solche Weise gefangen, oder dadurch, -daß man ihnen Netze stellte, in denen sie sich verfingen. Eine -andere Art der Fangjagd war das Legen von Fallen (<span class="antiqua">taliolae</span>) -und Fußschlingen (<span class="antiqua">pedicae</span>) zum Festhalten des Wildes, dann -das Aufhängen von Halsschlingen (<span class="antiqua">laquei</span>) an den Wechseln. -Außerdem werden in den Volksrechten noch Selbstgeschosse in Gestalt -von gespannten Bögen (<span class="antiqua">arcus</span>), die bei Berührung einer Schnur -selbsttätig einen starken Pfeil (<span class="antiqua">sagitta</span>) entsandten, der das -Wild — besonders das Raubwild, wie Wölfe und Bären — erschoß. Die -Gesetze damaliger Zeit bestimmen, daß das Anlegen solcher gefährlicher -Fangapparate den Nachbarn mitgeteilt werden müsse, um möglichst -etwaiges Unglück zu verhüten. Dabei mußten Schutzvorrichtungen für -Menschen angebracht<span class="pagenum"><a id="Seite_553"></a>[S. 553]</span> werden. Unterblieb dies und ereignete sich -eine Tötung oder Beschädigung, so mußte je nach Beschaffenheit der -betreffenden Person das volle Wehrgeld derselben wie bei einer -absichtlichen Verletzung beziehungsweisen Tötung bezahlt werden. Wenn -aber ein Fremder Schaden erlitt oder getötet wurde, war der Jäger nur -ein Drittel der gesetzlichen Sühne schuldig.</p> - -<p>Außer Wurfspieß dienten als Fernwaffen vor allem Pfeil und Bogen. Erst -im späteren Mittelalter, vom 11. Jahrhundert an, kam die Armbrust auf -und verdrängte mehr und mehr letztere. Als unerwünschter Räuber und -Wildschädling wurde besonders der Wolf verfolgt, ihm Fußangeln und -vergiftete Köder gelegt. Unter Karl dem Großen war die systematische -Wolfsjagd eine Aufgabe der Landespolizei. Jeder Unterbeamte des Grafen -sollte in seinem Amtsbezirke zwei Wolfsjäger haben, die vom Heerbann -befreit waren und die öffentliche Gerichtsversammlung des Grafen nur -dann zu besuchen brauchten, wenn Anklagen gegen sie erhoben wurden. -Jeder Gerichtseingesessene war ihnen eine Abgabe an Getreide schuldig. -Auch das kleine Weidwerk des Vogelfangs wurde mit allerlei Schlingen -und Fallen geübt.</p> - -<p>Für alle Freien bildete die Jagd eine Lieblingsbeschäftigung, so daß -sie oft andere wichtige Geschäfte hintan setzten. So erließ Karl der -Große 789 eine Verordnung, wonach die Grafen an den Gerichtstagen nicht -auf die Jagd gehen sollten. Von den Fürsten erfahren wir, daß sie fast -ausnahmslos mit Leidenschaft die Jagd liebten. König Guntram, der -Enkel des Gründers des Frankenreichs, Chlodwigs, ließ nach dem Bericht -Gregors von Tours einen seiner vornehmsten Hofbeamten, den Kämmerer -Chundo, wegen unberechtigter Erlegung eines Urs im Vogesenwald, welche -Handlung nicht einmal unzweifelhaft erwiesen war, erbarmungslos -steinigen. Ein anderer Enkel Chlodwigs, Theodebert, fand seinen Tod -im Kampfe mit einem gewaltigen Wildstier durch einen von diesem -abgeschlagenen Baumast, der an des Königs Kopf heftig anschlug. Von -König Dagobert I. wird gesagt, daß er durch beständige Übungen -mit den Waffen und in der Jagd eine unvergleichliche Gewandtheit und -Rüstigkeit erlangt hatte. Ebenso gewandt war Karl der Große, der sich -noch im hohen Alter gern mit der Jagd befaßte. Er erließ mehrmals -scharfe Verordnungen über den Jagdschutz in den königlichen Forsten; -denn kraft des Eigentumsrechts hatte er wie jeder andere Eigentümer -eines geschlossenen Grundbesitzes das ausschließliche Jagdrecht auf -seinen Landgütern.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_554"></a>[S. 554]</span></p> - -<p>Das Wort <span class="antiqua">forestum</span> oder <span class="antiqua">forestis</span>, woraus das deutsche -Forst und das französische <span class="antiqua">forêt</span> wurde, bedeutet in den -lateinischen Urkunden stets den Sonderwald, im Gegensatz zum -Markgenossenschafts- und Allmendewald. Es wird im Deutschen mit -Bannwald bezeichnet. Der <span class="antiqua">forestarius</span> (woraus Förster entstand) -der karolingischen Zeit war ein höriger Jagdbediensteter, denn eine -Forstwirtschaft in unserem Sinne gab es damals noch nicht. Dürres und -gefallenes Holz konnte jedermann auch im Bannwald holen, aber ohne -Erlaubnis keine Bäume darin fällen und seine Schweine nicht ungefragt -darin auf die Eichelmast treiben. Wer die Erlaubnis zu letzterem -erhielt, mußte den Zehnten als Entschädigung für die Mastnutzung -bezahlen.</p> - -<p>Der oberste Verwaltungsbeamte eines königlichen Landgutes (<span class="antiqua">judex -villae</span>, d. h. Hofrichter) hatte auch den Wald und das darin -befindliche Wild zu überwachen, für Jagdhunde und Beizvögel für den -königlichen Dienst zu sorgen, die Umzäunungen der eingeparkten Orte in -gutem Stande zu halten, die Wölfe vertilgen zu lassen und sollte eigene -Ministerialen zur Anfertigung von Netzen für Jagd- und Vogelfang, wie -auch für den stets dabei verstandenen Fischfang halten. Hatte jemand -aus dem Volke einen Wilddiebstahl in den königlichen Forsten begangen, -so mußte er unnachsichtlich die gesetzliche Strafe von 60 Solidi — -eine sehr harte Strafe — bezahlen. Niemand sollte beim Huldigungseide, -den damals das ganze Volk zu leisten hatte, einen Wilddiebstahl -verhehlen.</p> - -<p>Zur Zeit des Frankenreichs erhielten auch die Kirchen von den Königen -und Fürsten, ebenso reichen Privaten, die sich mit dem Himmel -gutstellen wollten und ein böses Gewissen wegen Verbrechen und -Gewalttat der verschiedensten Art hatten, mit den geschenkten Gütern -und Waldungen auch das Recht darin zu jagen zu alleinigem Eigentum. -Die Geistlichen sollten aber wegen ihres kirchlichen Amtes nicht -selbst jagen, sondern ihr Jagdrecht durch ihre Ministerialen ausüben -lassen. Doch hielten sie sich vielfach nicht an diese Vorschrift und -gingen selbst zu Pferd zur Jagd. So haben die Könige je und je dagegen -einschreiten müssen. Im Jahre 759 erließ Karl der Große das Gebot, -wonach sich die Diener Gottes alles Herumschweifens mit Hunden, auch -Sperbern und Falken, enthalten sollten. 789 ward das Gebot erneuert: -Bischöfe, Äbte und Äbtissinnen sollten weder Kuppeln Hunde noch -Jagdfalken oder Habichte halten. Karl überließ zwar 774 Geistlichen -eines Klosters einen Wald mit der Vergünstigung, darin Hirsche und -Rehe zu jagen, aber nur deshalb, damit sie vom Leder dieser Tiere -die zum<span class="pagenum"><a id="Seite_555"></a>[S. 555]</span> Gottesdienst gehörenden Bücher und mit dem Fleische die -Körper der kranken Brüder stärken und herstellen könnten. Auf die -nämliche Art erlaubte er 789 einem andern Kloster, die Mönche dürften -in ihren eigenen Waldungen jagen, um Leder zu Büchereinbänden und -Handschuhen zu gewinnen. Man sieht daraus, daß Karl den Geistlichen -teilweise nachgeben mußte, die ihrem kirchlichen Amte die Jagd als -nationalen Sport nicht opfern wollten. Er überließ auch wirklich dem -Stifte Osnabrück einen Wald ohne alle Einschränkung der Jagd auf -wilde Schweine, Hirsche, Vögel, Fische und was sonst zum Bannforste -gehörte. Übrigens benutzten die Beamten oder Meier der Klöster, z. B. -des Klosters St. Gallen, wie uns der jüngere Ekkehard berichtet, den -Umstand, daß die Mönche selbst nicht jagen durften, und versicherten -ihren Herren, daß die Jagd ihnen als Männern gehöre. Später wurde den -Geistlichen die Jagd wenigstens zu gewissen Zeiten erlaubt. So überließ -König Arnulf 890 dem Erzbischof Dietmar von Salzburg die Jagd auf Bären -und Schweine drei Wochen vor Herbstnachtgleiche bis zum Feste des -heiligen Martin (11. Nov.).</p> - -<p>Nach dem römischen Schriftsteller Arrian, der in der Mitte des 2. -Jahrhunderts starb, hatten schon die keltischen Jäger, die mit -Vorliebe Hetzjagden auf Hirsche und Hasen abhielten, in Nachahmung -der römischen, ihre geselligen Vereine, die unter dem Schutze einer -weiblichen Gottheit standen, welche er, da er griechisch schrieb, mit -dem Namen Artemis bezeichnet, und es bestand der löbliche Gebrauch, -dieser Artemis zu Ehren alljährlich ein Liebesmahl zu feiern. Die -Gelder dazu wurden im Laufe des Jahres gesammelt, und zwar in Form -einer Spende, welche die Jäger in die Klubkasse zu geben hatten. Die -Spende belief sich für einen erlegten Hasen auf zwei Obolen, für einen -Fuchs auf eine Drachme, für ein Reh aber auf vier Drachmen. Je nach -dem Kassenstand wurde dann am Jahresfest eine Ziege, ein Schaf oder -ein Rind gekauft und der Göttin der Jagd geopfert, d. h. zu Ehren -derselben von den Mitgliedern verschmaust, wobei auch die Hunde ihr -Teil erhielten.</p> - -<p>Etwa 400 Jahre nach Arrian treffen wir anscheinend ähnliche Zustände. -So läßt der Bischof Gregor von Tours einen Diakonus Vulfelaich von -einer Klostergründung erzählen, die sich im Jahre 585 zugetragen -hatte. Vulfelaich hatte bei Trier ein Bild der römischen Jagdgöttin -Diana gefunden, „das das abergläubische Volk abgöttisch verehrte“. Nun -kam dieser sonderbare Heilige auf die verrückte Idee, sich bei jenem -Heiligenbilde als Säulenheiliger zu produzieren und auch<span class="pagenum"><a id="Seite_556"></a>[S. 556]</span> im Winter -auszuhalten, obschon ihm die Zehen erfroren. Wenn er nun von Ferne -einen Menschen zu Gesicht bekam, fing er an zu predigen: „Es sei nichts -mit der Diana, nichts mit den Bildern, nichts mit dem Götzendienst, -unwürdig seien jene Lieder, die sie beim Weine und den schwelgerischen -Gelagen sängen. Würdig sei es allein, dem allmächtigen Gotte, der -Himmel und Erde erschaffen habe, Opfer des Dankes zu bringen.“ Als -Vulfelaich sich einen Anhang erworben hatte, stieg er von seiner -Säule und veranlaßte die Menge, die Bildsäule der Diana mit Stricken -umzuwerfen und mit Hämmern in kleine Stücke zu zerschlagen.</p> - -<p>Über die jagdlichen Verhältnisse des Mittelalters geben uns wiederum -die verschiedenen Rechtsbücher jener Zeit Kunde, von denen die -berühmtesten das um das Jahr 1230 aufgezeichnete Sachsenrecht, -der „Sachsenspiegel“, und der bald nachher, um 1276, verfaßte -„Schwabenspiegel“ sind. Vom 10. bis zum 13. Jahrhundert dehnten -sich die Bannforste immer mehr aus und die Jagd in ihnen war ein -Reservatrecht dessen, dem der Wildbann gehörte. Nicht nur der Kaiser, -sondern auch die Grafen hatten den Königsbann, der sich auf die hohe -Jagd bezog, während nur die Jagd auf Raubwild, zu dem auch der Bär -gehörte, freigegeben war. So wurde durch den Wildbann das alte Recht -gebrochen, wonach die Jagd ein Zubehör auf Grund und Boden war. Schon -im 9. Jahrhundert schenkten die Könige an Klöster Liegenschaften, -ohne das Recht der Jagd. Die Gemeinfreiheit schwand immer mehr dahin. -Diesen Vorgang beschleunigte ein grausames Schuldrecht durch die immer -mächtiger werdenden Grafen. Der wirtschaftliche Kampf wurde noch -erschwert durch die gewaltsame Art, wie der Heerbann zusammengebracht -wurde. Um nun der Willkür der Grafen zu entgehen, stellten sich die -meisten der freien Markgenossen unter den Schutz des Königs oder der -Kirche. Nun konnten sie, da der Heeresdienst nur den freien Männern -oblag, nicht mehr willkürlich ausgehoben werden. Als Vasallen des -Königs und der erstarkten Geistlichkeit mußten sie als Gegenleistung -für den gewährten Schutz fronen und zinsen.</p> - -<p>Die ersten nachweisbaren Spuren von Frondienst, welche die unfreie -Bauernschaft im Interesse der Jagd zu leisten hatte, betraf die -Instandhaltung der Brühle oder Tierparke, deren Instandhaltung -ausschließlich der unfreien Bevölkerung oblag. Schon Ludwig der Fromme -verordnete im <span class="antiqua">Capitulare</span> vom Jahre 820, daß kein freier Mann -gezwungen werden sollte, an den herrschaftlichen Brühlen (<span class="antiqua">brolii -domi<span class="pagenum"><a id="Seite_557"></a>[S. 557]</span>nici</span>) zu arbeiten. Die Ausübung der Jagd war im ganzen noch -dieselbe wie zur Zeit der Stammesherrschaft, nur wandte der neue große -Grundbesitz natürlich einen größeren Apparat an, er hatte eigene -Jagdbediente, eine vermehrte Anzahl Hunde und einen großen Vorrat von -Netzen und andern Fangvorrichtungen. Die zur Jagd gebrauchten Hunde -waren dieselben wie früher. Es wurden besonders starke und scharfe -Fanghunde (<span class="antiqua">molossus</span> oder Rüde) gehalten, die den Kampf mit Bären -und Wildstieren ehrenvoll bestanden. Ausgedehnte Jagdbezirke wurden -mit lose auf Stellstangen liegenden Fallnetzen umstellt und durch die -Hörigen das Wild hineingetrieben. Hier fing es sich in den Maschen der -herabfallenden Netze und wurde von den in der Nähe versteckten Jägern -abgestochen.</p> - -<p>Die Jagd wurde immer mehr eine beliebte Zerstreuung der Grundherrn, -und ein weites, wildreiches Jagdrevier, in welchem zu Ehren der Gäste -Jagden abgehalten wurden, gehörte zu jedem großen Grundbesitz. So gab -es an den Fürstenhöfen keine große Festlichkeit ohne Jagdvergnügen, -wobei auch die Damen mit dem Falken auf der Faust der Reiherbeize oder -der Hetzjagd mit den flinken Federspielen oblagen. Dem jungen Brun -de Montagne wurden, als er noch Säugling war, junge Hunde und Falken -verehrt. Das war damals das vornehmste Spielzeug des Adeligen.</p> - -<p>Da man sich oft ganze Wochen hindurch dem Jagdvergnügen hingab, führte -man Zelte mit sich, mit denen das ganze Mittelalter hindurch ein -großer Aufwand getrieben wurde. Mit ihnen und dem nötigen Proviant -beladene Pferde wurden an bestimmte Plätze, an denen man zusammenkommen -wollte, vorausgesandt. Die Landesherren aber bauten sich schon frühe -Jagdschlösser, die mehr Bequemlichkeit als solche Zelte boten, -inmitten ihrer größeren Jagdforste. Schon Karl der Kahle ließ sich das -vermutlich an der Isar gelegene Jagdschloß Bacivum bauen, das er oft -besuchte. Und sein Enkel Karlmann starb daselbst 884 an einer auf der -Jagd durch unglücklichen Zufall erhaltenen Verwundung. Heristallum war -ein Jagdschloß der Frankenkönige, an der Mosel gelegen und schon zu -Karls des Großen Zeiten als solches berühmt; es ging noch auf Heinrich -I. den Vogler (876 bis 936), den 919 von den Franken und Sachsen -in Fritzlar zum König gewählten Sohn Ottos des Erlauchten, Herzogs -von Sachsen, den eigentlichen Gründer des deutschen Reiches, über, -wurde aber dann von den plündernd die Flüsse herauffahrenden Normannen -zerstört. Ein solches Jagdschloß wird im mittelhochdeutschen Gedicht -aus dem Ende des<span class="pagenum"><a id="Seite_558"></a>[S. 558]</span> 12. Jahrhunderts Biterolf und Dietlieb jeithove oder -gejeithof genannt, im Erek des Hartmann von Aue (1170–1215), der an -den Kreuzzügen von 1189 und 1197 teilnahm, wird es jagehûs genannt, im -Epos Parzival Wolframs von Eschenbach (gest. um 1225) dagegen weidehûs. -Das Jagdhaus im Erek liegt an einem See, zwei Meilen rundherum ist der -Wald von einer Mauer umgeben und innerhalb der Mauer sind drei Gehege -angelegt, von denen das eine Rotwild, das andere Schwarzwild und das -dritte „kleinen Klunder“, d. h. Füchse, Hasen u. dgl. enthält. Es sind -Hunde da zur Hirschhatz und Windhunde für die Hasen, gegen Schweine und -Bären „breite, starke Spieße“; und im Jagdhaus sind allerlei Fangnetze -und „gutes Geschütz“ vorhanden.</p> - -<p>Im späteren Mittelalter waren solche Jagdschlösser etwas ganz -Gewöhnliches. So besaß Kaiser Maximilian I. (geb. 1459, reg. -von 1486–1519) ein Jagdschloß bei Augsburg, Wellenburg genannt, -westlich davon dasjenige von Wellersberg, noch weiter entfernt das von -Dillingen; ferner nennt er selbst Jagdhäuser in Günzburg, Weißenhofen, -Pfaffenhofen, Angelberg und Oberndorf. Wo solche Jagdhäuser fehlten, -wird wohl die Gastfreundschaft der Untertanen in Anspruch genommen -worden sein, namentlich die der Klöster. In Verbindung damit -entwickelte sich dann die Pflicht der Atzung und Hundelege.</p> - -<p>Die Häute des erlegten Wildes wurden unter anderem auch zu Anzügen -und Handschuhen verarbeitet. So kleidete sich Karl der Große mit -Vorliebe in Wildleder und noch im 16. Jahrhundert war die Jägertracht -aus Tierfell keine Seltenheit. Auf der Jagd Verunglückte und andere -Tote wurden zur Beförderung in frisch abgezogene Hirschhäute genäht, -und es scheint sogar allgemein Sitte gewesen zu sein, die Könige von -Frankreich nach ihrem Tode in eine solche einzuwickeln. Für gewöhnlich -bestand die Kleidung des Jägers aus einem Hemd mit halblangem Wams, -das im Winter grau, im Sommer grün sein sollte. Bei den Vornehmen war -das Winterwams mit Pelz gefüttert. Gegürtet wurde das Wams mit einem -Ledergurt, der das Jagdschwert und das Weidmesser trug. Die Beine -steckten in strumpfartigen Hosen, die Füße waren mit Schuhen oder -Stiefeln bekleidet und auf dem Kopf saß ein Filzhut oder eine Kappe.</p> - -<p>Als Waffen benützte man außer dem Schwert den Ger als Wurfspeer und -Stoßwaffe zugleich. War er besonders für letzteren Zweck bestimmt, -so trug er vielfach einen Querriegel. Mit ihm, dem <span class="antiqua">espieu</span> der -Franzosen, im Gegensatz zur geworfenen <span class="antiqua">lance</span>, ließ der Jäger -die Wildsau auflaufen und ging er dem Bären zu Leibe. Der Riegel -war<span class="pagenum"><a id="Seite_559"></a>[S. 559]</span> fest oder beweglich und in letzterem Falle mit ledernen Riemen -angebunden, die um den Schaft gewickelt und daselbst festgenagelt -waren. Man benützte aber auch den espieu, die Saufeder, zum Werfen. -Als Fernwaffe diente der mit dem Bogen entsandte Pfeil. Dieser sollte -acht Handbreiten lang, seine eiserne Spitze aber fünf Finger lang und -vier Finger breit sein. Abgeschnellt wurde er mit dem vorzugsweise -aus Eibenholz hergestellten Langbogen, dessen Sehne besser aus Seide -denn aus Hanf angefertigt sein sollte. Der Bogen sollte, an der Sehne -gemessen, 20 Handbreiten lang und so biegsam sein, daß ihn der Jäger -längere Zeit gespannt halten konnte, wenn er sich dem Wild langsam -und sichernd näherte. Zum Langbogen kam jetzt noch der Kreuzbogen, -die Armbrust, hinzu. Schon im Jahre 1048 wird die Armbrust in einer -Urkunde Tirols erwähnt, es dauerte aber Jahrhunderte bis sie in -Deutschland den Langbogen verdrängte. In Frankreich war dies noch -später der Fall. In den französischen Artus- und Abenteuerromanen -wird die Armbrust als Waffe noch nicht erwähnt; dagegen geht in dem -nach französischem Vorbilde um 1210 vom mittelhochdeutschen Dichter -Gottfried von Straßburg gedichteten Epos „Tristan und Isolde“, Tristan -mit ihr bürschen. Als Kriegswaffe wurde die Armbrust früher heimisch -denn als Jagdwaffe. So wurde in Paris im Jahre 1359 die Gesellschaft -der Armbrustschützen gegründet, aber als Jagdwaffe soll die Armbrust -in Frankreich erst seit 1554 nach einer Verbesserung durch Andelot -allgemein benützt worden sein. Kaiser Maximilian I. führte mit -Vorliebe die Armbrust, mit einem Bogen aus Stahl, bei Frostwetter -dagegen benutzte er eine solche mit Bogen aus Horn. Das Weidmesser -wurde im 12. und 13. Jahrhundert in Frankreich <span class="antiqua">quenivet</span> -bezeichnet, ein Ausdruck, der sich im französischen <span class="antiqua">canif</span>, im -englischen <span class="antiqua">knife</span> und im norddeutschen Knif bis auf den heutigen -Tag erhielt. Als die Schwerter für den Krieg, die bis dahin eine runde -Endigung gehabt hatten, seit dem 12. Jahrhundert spitz ausliefen, wurde -auch das Jagdschwert nach vorne zu gleichmäßig spitz hergestellt, -um zum Stechen zu dienen. Das Jagdpersonal trug kein Schwert, dafür -aber das Weidmesser, franz. <span class="antiqua">escorcheor</span>, deutsch Weidener. An -einem Band trug der Jäger um die Schultern das Horn, zuerst aus dem -Horn von Wildbüffeln, später von Hausrindern angefertigt; war es -ausnahmsweise aus dem kostbaren Elfenbein hergestellt, so hieß es -<span class="antiqua">oliphant</span>. Damit gab man die Signale, durch welche nicht nur die -Jäger benachrichtigt, sondern auch die Hunde gelenkt und die ganze -Jagd geleitet wurde. <span class="antiqua">Huer et corner</span>, d. h. Schreien und Hornen<span class="pagenum"><a id="Seite_560"></a>[S. 560]</span> -waren das unerläßliche Mittel der Hetzjagd im freien Revier, welche die -beliebteste Jagdart des Mittelalters war. Man nannte sie in Deutschland -das Überlandjagen, in Frankreich die <span class="antiqua">chasse à courre</span>. Die -Entwicklung dieser Jagdart zu einer eigenen Kunst vollzog sich mit dem -Aufkommen der großen Vasallen in Frankreich, wo diese Jagdart durch die -fränkischen Eroberer von den unterworfenen Kelten übernommen wurde. -Letztere haben nach der Überlieferung Arrians schon die Hetzjagd auf -Hirsche und Hasen geübt.</p> - -<p>Der Grundbesitz hatte in Frankreich schneller als in Deutschland und -England zu einem mächtigen und selbständigen Vasallentum geführt, das -Ludwig II. und Suger, Philipp der Schöne, Ludwig XI. und -Richelieu erst brechen mußten, bevor eine staatliche Einheit möglich -war. Dieses reiche, vornehme Vasallentum hat die Hetzjagd geschaffen, -begünstigt durch die Überlieferung solcher Jagdweise aus keltischer -Vorzeit und die verhältnismäßig hohe Kultur, die schon Julius Cäsar -an den Galliern rühmte und die in der Folge Frankreich jenen großen -Vorsprung vor Deutschland und England in materieller und geistiger -Hinsicht verschaffte. Die Vasallen besaßen ein ausgedehntes Jagdrevier -und bezogen aus dem ausgedehnten Grundbesitz die Mittel, ein geschultes -Jagdpersonal und zahlreiche Meuten zu unterhalten. In der Mitte des -14. Jahrhunderts schätzt Gace de la Bigne die Meuten in Frankreich auf -20000 Stück. Nach Frankreich bildete das vom Normannen Wilhelm eroberte -und an seine Vasallen aufgeteilte England diese vornehme französische -Jagdart bei sich aus, während in Deutschland der Mangel an materiellem -Reichtum und das Fehlen des keltischen Blutes im Jäger wie im Hund -solche noble Passion erst spät und zögernd aufkommen ließ.</p> - -<p>Wie in Frankreich war auch in Deutschland das ganze Mittelalter -hindurch der Gebrauch des an einem Riemen geführten Leithundes -(franz. <span class="antiqua">liëmier</span>) allgemein üblich. Mit ihm wurde der Hirsch -oder sonstiges Wild „bestätigt“ und dann von den Jägern zu Pferd mit -den Laufhunden gehetzt, bis es gestellt und abgestochen zu werden -vermochte. Dabei suchte man ihm die Flucht über Land, wo man ihm -weniger leicht zu folgen vermochte, zu verwehren und ihn im Walde -festzuhalten, indem man den zu bejagenden Waldbezirk durch Knechte und -Bauern umstellte, die den Auftrag hatten, das Ausbrechen des Wildes -aus dem Walde zu verhindern. Dabei wurde der einzelne Posten als Warte -bezeichnet. Dieser sollte durch Schreien und Lärmen das auszubrechen -versuchende Wild zurückjagen; geschah dies nicht und brach<span class="pagenum"><a id="Seite_561"></a>[S. 561]</span> das Wild -aus, so wurde der betreffende Bauer nach dem Weistum von Rode mit -der Wegnahme des besten Ochsen bestraft. In Tristan und Isolde des -Meisters Gottfried von Straßburg und in den Nibelungen des unbekannten -ritterlichen Dichters aus dem Beginne des 12. Jahrhunderts ist mehrfach -von solchen Warten bei der Jagd die Rede. Auch bei der Jagd im Meleranz -sind drei Warten mit Hunden aufgestellt. Man ließ nämlich nicht von -Anfang an die ganze Meute, sondern immer nur einen Teil derselben auf -den Hirsch (oder anderes Wild) los, da die Hunde nicht ausdauernd genug -waren, um ihn mattzuhetzen und nach einiger Zeit der Ablösung durch -frischgebliebenes Material bedurften. So wurde ein Teil der Meute -auf die Warten gegeben und später angehetzt, wenn der Hirsch gerade -vorüberflüchtete.</p> - -<p>Wenn ein hoher Herr „über Land“ jagte, dann legte die vorsichtige -Jägerei Windhundwarten weit hinaus auf Feld, die auf den halb -mattgehetzten Hirsch (oder anderes Wild) losgelassen wurden und ihn -in der Regel bald stellten. War das Revier von einem Fluß begrenzt, -so wurden auch Schiffswarten aufgestellt. Die Meute bestand aus -wenigstens 12 Laufhunden und einem Leithund. Im Nibelungenlied hat -Gunther zwei Meuten, also zweimal 12 gleich 24 <span class="antiqua">ruore</span> (= Bracken) -zur Verfügung. Als Siegfried gleichfalls auf die Jagd reiten will, -schlägt ihm Hagen vor, das Jagdpersonal und die Hunde zu teilen. Da -nimmt Siegfried wohl das Personal an, verzichtet aber auf die Meute -und bittet sich nur den Leithund aus. Im Meleranz besteht die Meute -aus 13 <span class="antiqua">ruor</span>hunden und diese ziehen „in die <span class="antiqua">ruore</span>“, -d. h. auf die Jagd, und im Weistum des bei Trier gelegenen Spurkenburger -Waldes heißt es, der Förster soll zweimal im Jahre den Vogt und einen -Ritter nebst Knechten und einen Jäger mit 12 Hunden und einem Leithund -bei sich aufnehmen. In der Meute wurden junge Hunde mit den alten -gemischt, damit sie von diesen angelernt würden. Namentlich auf gute -Leithunde wurde großer Wert gelegt, da die Vorsuche sehr wichtig war. -Ja, in Frankreich verlangte jeder Seigneur vor der Jagd einen Bericht -über Beschaffenheit, Alter und Geweihstärke des zu jagenden Hirsches. -Die deutschen Fürsten waren in ihren Ansprüchen bescheidener, und -sie mußten es sein, weil sie selbst nicht die Voraussetzungen einer -guten Vorsuche erfüllen konnten und nicht immer im Besitz eines guten -Leithundes waren. So treffen wir in zahlreichen Briefen von deutschen -Fürstlichkeiten des 15. Jahrhunderts Bitten um gute Leithunde.</p> - -<p>Aus diesem Überlandjagen hat sich zuerst in Frankreich die klas<span class="pagenum"><a id="Seite_562"></a>[S. 562]</span>sische -Parforcejagd — <span class="antiqua">à force de chiens</span> — entwickelt, welche uns -fertig zum erstenmal in dem vermutlich in der zweiten Hälfte des 13. -Jahrhunderts verfaßten Gedicht <span class="antiqua">la chasse du cerf</span> entgegentritt. -Darin wird ein wissensdurstiger Laie über diese Jagdart von einem Jäger -unterrichtet. Sie erscheint dort ums Jahr 1200 fertig ausgebildet, war -bei der im 14. Jahrhundert zuerst auftretenden jagdlichen Literatur in -Prosa auf der Höhe, auf welcher sie sich bis ins 16. Jahrhundert hinein -hielt. Nach der Angabe des Roy Modus jagte man zehn Arten Wild <span class="antiqua">à -force</span>. Von diesen waren fünf rot: Edelhirsch, Hinde, Damwild, Reh, -Hase, und fünf schwarz: Wildsau, Bache, Wolf, Fuchs und Fischotter. -Es galt aber für ebenso weidgerecht, das schwarze Wild im Netz zu -fangen. Jagdbar hieß der Hirsch, wenn er ein Geweih von wenigstens 10 -Enden trug. Die Fußspur eines solchen, die einen längeren Tritt und -breitere Ballen als die einer Hinde hat, wird, wenn möglich, von dem -am Riemen vom Jäger geführten Leithund in der Morgenfrühe des zur Jagd -bestimmten Tages ausgemacht. Findet der Jäger auch noch die Losung -(Kot) eines solchen, so tut er dieselbe in sein Horn, um sie als -Wahrzeichen zur Versammlung mitzunehmen und dort vorzulegen. In der -Hand darf er sie nicht tragen, weil sie dabei die charakteristische -Form verlieren würde. Ist der Hirsch durch Verfolgung der Fährten bis -zu feinem vermutlichen Lager ausgemacht, so erhält der inzwischen -mit der Jagdgesellschaft am Versammlungsorte eingetroffene Grundherr -davon Bericht durch die Besuchknechte. Die an gedeckten Tischen sich -an kalter Küche und Wein zum bevorstehenden Jagdritt erfrischende -Gesellschaft läßt auch die Besuchknechte sich sättigen und durch einen -Trunk laben; dann bricht sie auf, nachdem inzwischen die Warten dort -aufgestellt sind, wohin der ausgemachte Hirsch nicht flüchten sollte. -Besonders gefährdete Stellen, wie die Ufer breiter Ströme, in die -sich der geängstigte Hirsch gern flüchtet, wurden mit Vorliebe durch -Windhunde gesichert. Auch waren zuvor die Relaishunde verteilt, die dem -flüchtig vorbeieilenden Wild nachjagen sollten.</p> - -<p>Der Seigneur erhebt sich zum Zeichen des Aufbruchs, die Jäger steigen -zu Pferd und die Jagdgesellschaft folgt dem Besuchknecht, der den -Hirsch bestätigt hat, zu der Stelle, da dieser am Morgen die Fährte -verließ. Die Gesellschaft bleibt im Hochwald vor der Dichtung, in -der sich der Hirsch befinden muß, halten, während der Besuchknecht -seinem Leithund auf der Fährte folgt, bis er ihn zum Lager des -Hirsches geführt hat. Ist dieses noch warm, als Zeichen dafür, daß -der Hirsch<span class="pagenum"><a id="Seite_563"></a>[S. 563]</span> es eben verlassen hat, so gebärdet sich der Leithund wie -toll an der Leine und gibt freudig laut. Durch Hornsignal wird nun -die Meute mit den Jägern avisiert und unter lautem Gebell beginnt das -Jagen. Besonders nach dem Lautgeben oder Schweigen der alten Hunde -wird beurteilt, ob man bei der Verfolgung des flüchtig gewordenen -Hirsches auf richtiger Fährte ist oder nicht. Signale und Rufe leiten -die Teilnehmer nach der jeweiligen Richtung der Flucht des Hirsches, -bis dieser, der vergeblich alle Schliche und Finten anwandte, endlich -vom weiten Laufe erschöpft und um sein Leben bangend von den Hunden -gestellt und dann vom herbeigeeilten Jagdherrn durch einen Stich ins -Herz abgetan wird. Sein Tod wird von allen Jägern durch das Signal -„Hirsch tot“ verkündigt. Hierauf wird ihm das Fell abgezogen und sein -Körper zerlegt und verteilt, wobei auch die Hunde ihren Anteil an den -Eingeweiden erhalten.</p> - -<p>In ähnlicher Weise wurde mit den nötigen Abänderungen das übrige Wild -<span class="antiqua">par force</span> gejagt, wobei sich ein ganz bestimmtes Zeremoniell, -auf das wir nicht eintreten können, herausbildete. Besonders an -Wildsauen wurde eine Massenschlächterei ohnegleichen vollzogen, da -solche damals noch sehr zahlreich vorhanden waren und wegen ihrer -Schädlichkeit für den Landbau rücksichtslos verfolgt wurden. So schrieb -z. B. Kurfürst Albrecht von Brandenburg 1480 an seinen Sohn: „Wir -haben beiläufftig 30 und 100 swein ‚gefangen‘. Und ist noch Swein und -ander Wildpert, gott seis gelobt, genug hie außen und gutter frid: -gott geb’ lang!“ Vierzehn Tage darauf meldete er ihm abermals, er habe -„32 und 100 swein“ gefangen; es seien aber 200 da. Der französische -Verfasser des Roy Modus hält das Treiben des Wildes zu den Netzen für -die beste Jagdart und das schönste Vergnügen mit Hunden, dem sich die -großen Grundbesitzer auch häufig hingaben. Der Graf von Foix dagegen -erklärt diese Netzjagd nicht für ritterlich, ebenso verurteilen sie -verschiedene deutsche und englische Autoren, die sich darüber äußerten. -Nicht auf die Beute komme es an, sondern auf die Art, sie kunstgerecht -zu erjagen. Auch Treibjagden wurden von den großen Herren veranstaltet, -indem die hörigen Bauern Treiberdienste leisten mußten und das Wild -mit großem Lärm gegen die mit grünem Laub verkleideten Stände mit den -vornehmen Jägern trieben, die es mit der Armbrust und später mit der -Büchse erlegten. Zuerst wurde das kleine Wild durch Harriers genannte -kleine Hunde rege gemacht und dann erst das Rotwild durch Hirschhunde -gehetzt. Um das Wild zwangläufig zu führen, waren außer den den Wald<span class="pagenum"><a id="Seite_564"></a>[S. 564]</span> -umstellenden Warten mit Windhunden auch solche im Treiben aufgestellt. -Je näher zu den Ständen, um so dichter standen sie. Eine der ältesten -Mitteilungen über die Treibjagd finden wir in der am Ausgang des 12. -Jahrhunderts gedichteten Eneide des Heinrich von Veldecke. Darin wird -von Askanius eine Treibjagd in der Weise ausgeübt, daß Schützen mit -Pfeil und Bogen sich vor die Bäume stellen und sich Wild zutreiben -lassen. Auf die Fährte des verwundeten Hirsches wurden dann die Hunde -gehetzt.</p> - -<div class="figcenter illowe33_75" id="bild56" > - <img class="w100" src="images/bild56.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 56. Die Abrichtung des Jagdfalken durch den Falkner.<br /> - An der Wand befindet sich ein Federspiel. (Holzschnitt von Jost Ammann - in „Das Neuw Jag und Weydwerck Buch“, Frankfurt 1582.)</div> -</div> - -<p>Gern birschte sich der Einzeljäger in die grüne Farbe des Waldes -gekleidet gegen den Wind, den Bogen in der Hand, Schritt für Schritt -an das Wild heran. Dazu benutzte er entweder natürliche Deckungen oder -künstliche, indem er einen Schirm aus grünen Zweigen oder ein Schild -mit aufgemalten Ochsen vor sich hielt. Nach dem Schuß ließ man das -getroffene Tier durch Bluthunde verfolgen. Für solche Jagd empfiehlt -Roy Modus einen leichten und biegsamen Bogen zu ver<span class="pagenum"><a id="Seite_565"></a>[S. 565]</span>wenden, den der -Schütze längere Zeit gespannt halten konnte, während er sich dem Wilde -näherte.</p> - -<div class="figcenter illowe33_75" id="bild57" > - <img class="w100" src="images/bild57.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 57. Reiherbeize mit dem Falken und dem Windspiel.<br /> - Im Hintergrunde Hasenjagd mit Laufhunden. (Holzschnitt von Jost Ammann - in „Das Neuw Jag und Weydwerck Buch“, Frankfurt 1582.)</div> -</div> - -<p>Neben diesen Jagdarten spielte die von alters her geübte Beize mit -dem Jagdfalken das ganze Mittelalter hindurch eine sehr große Rolle. -Man schrieb damals die Einführung dieser Jagdart fälschlicherweise -dem sagenhaften König Dankus von Armenien zu. Tatsache ist, daß sie -allerdings durch die Kreuzzüge mancherlei Beeinflussung aus dem -Orient, wo sie ebenfalls mit großer Leidenschaft ausgeübt wurde, -erfuhr, besonders von seiten des im 10. Jahrhundert lebenden Arabers -Mohammed Tarkani, der ein verbreitetes Buch über die Jagd mit dem -Falken schrieb. Unabhängig von ihm schrieb der gelehrte Albertus Magnus -(als Graf von Bollstädt 1193 zu Lauingen in Schwaben geboren, wurde -Dominikaner und starb, nachdem er Bischof von Regensburg gewesen, 1280 -in Köln) und fast gleichzeitig Kaiser Friedrich II., der Enkel -Friedrichs I. Barbarossas (1194–1250), eine<span class="pagenum"><a id="Seite_566"></a>[S. 566]</span> allerdings erst im -Jahre 1596 in Augsburg gedruckte Abhandlung über das Federspiel. Das -Buch des von einer sizilianischen Mutter geborenen und mit Vorliebe -in Palermo residierenden Fürsten, der zahlreiche Beziehungen zu den -Arabern unterhielt und selbst einen Harem besaß, handelt eigentlich -nur von der Zähmung des Falken und nicht von der Jagd mit ihm, obschon -es den Titel trägt: <span class="antiqua">de arte venandi cum avibus</span> (über die Kunst -mit Vögeln zu jagen). Dieser Fürst war selbst ausübender Falkenjäger -und ließ zu seiner Belehrung vor der Abfassung des Buches über die -Falknerei Falkner aus dem Oriente kommen, wo die Kunst mit dem Falken -zu jagen in hoher Blüte stand. Auch in Byzanz war die Falkenbeize -ein beliebtes Vergnügen der großen Herren. Dort schrieb Demetrios, -wahrscheinlich Arzt des griechischen Kaisers Michael Palaeologus, in -griechischer Sprache ein Buch über Falknerei, das im Jahre 1612 ins -Französische übersetzt in Paris gedruckt wurde.</p> - -<p>Zur Kreuzfahrerzeit und später kamen die gesuchtesten Jagdfalken aus -Island und Norwegen und wurden neben den von unsern Altvordern von -jeher gezähmten Habichtarten, dem Hühnerhabicht und Sperber, als sehr -geschätzte Jagdgehilfen gehalten. Diese hellfarbigen nordischen Falken -waren auch bei den vorderasiatischen Völkern die gesuchtesten. So -schlug Sultan Bajazet I., nachdem er am 28. September 1396 bei -Nikopolis das abendländische Kreuzheer unter König Siegmund besiegt -hatte, alles Lösegeld aus, das ihm für die dabei gefangen genommenen -Herzog von Nemours und zahlreiche andere französische Edelleute -angeboten wurde, gab sie aber sofort frei, als ihm statt des Geldes -zwölf weiße isländische, zur Beize abgerichtete Falken vom Herzog von -Burgund geschickt wurden. Und Philipp August, König von Frankreich, dem -bei der Belagerung von Akkon ein prächtiger weißer Falke wegflog, bot -den Türken für dessen Rückgabe vergeblich 1000 Goldstücke.</p> - -<p>Wie gute Jagdhunde waren abgerichtete Falken das ganze Mittelalter -hindurch die beliebtesten Geschenke zwischen hohen Herren. Namentlich -war Preußen eine dankbare Quelle für Falken. So sandte der Hochmeister -Heinrich von Richtenberg im Dezember 1471 acht Falken an den Kurfürsten -Albrecht von Sachsen, und Albrecht von Brandenburg machte Maria, der -Katholischen, ein ähnliches Geschenk. Lange Zeit übte die dänische -Regierung den Brauch, alljährlich eine Anzahl Falken durch ein -besonderes Schiff aus dem Norden holen zu lassen und sie geschenkweise -an die europäischen Fürsten zu verteilen. Brabanter<span class="pagenum"><a id="Seite_567"></a>[S. 567]</span> Kaufleute brachten -Falken aus dem Norden nach Frankreich und Spanien. Im Weißkunig -wird von Kaiser Maximilian gesagt, er habe Falken gehabt aus der -Tartarei, aus der Heidenschaft, aus Rußland, Preußen und von der Insel -Rhodus. Lopez von Ayala, kastilischer Gesandter bei Karl V. -und Karl VI., erzählt, daß der Preis eines Falken mit hohem -Flug 40 Franken in Gold und derjenige eines speziell auf den Reiher -abgerichteten Falken 60 Goldfranken betrug. Das sind nach unserem -Gelde 472 und 708 Mark, also in Berücksichtigung des damaligen hohen -Geldwertes ganz anständige Preise.</p> - -<p>Eingehend wird die Abrichtung des meist aus dem Horst genommenen und -in einem künstlichen Horst mit rohem Fleisch, Käse, Eiern und Milch -aufgezogenen jungen Falken geschildert. Der Akt der Zähmung ging in -der Weise vor sich, daß ihm die Klauen geschnitten und die Fangschuhe -aus leichten Riemen mit einer kleinen Schelle, bei deren Klang man -später den Falken leichter wieder zu finden vermochte, angelegt -wurden, damit er auf der Faust gehalten werden konnte. Durch Blenden -mit losem Zusammennähen der Augenlider und Hungernlassen, wobei sie -24 Stunden in einen dunkeln, stillen Raum auf der durch einen dicken -Handschuh aus Hirschleder geschützten Faust umhergetragen wurden — -dabei löste ein Falkner den andern ab — wurden die Tiere abgemattet -und zunichte gemacht. Gern sah man, wenn die übermüdeten Vögel während -des Umhertragens einschliefen, denn gerade das Schlafen auf der Faust -machte nach Roy Modus den Falken vertraut. Nach dieser Frist bekam -der Vogel zu „ätzen“, d. h. zu fressen, und zwar stets auf der Faust. -Einige Tage später trug man ihn an hellere, belebtere Orte und lockerte -allmählich den Faden, mit dem die Augenlider zusammengenäht waren, -daß er etwas zu sehen vermochte; schließlich zog man ihn ganz heraus. -War der Vogel im Hause zahm geworden, so trug man ihn ins Freie und -gewöhnte ihn an Hund und Pferd. Wenn der Falkner das erstemal mit dem -Vogel das Pferd bestieg, um auszureiten, hatte er gern einen leichten -Regen, weil der Vogel dann weniger unruhig war. Dann bekam der Falke in -stiller Gegend auf einem Federspiel genannten, mit Leder überzogenen -Stiel, an dem flatternde Bänder und Vogelschwingen befestigt waren, zu -fressen. Er wurde nun daran gewöhnt, auf diesem gefüttert zu werden; -dadurch gelang es, ihn herbeizulocken, wenn er verflogen war, indem -man ihm den Federspiel zeigte und die Bänder im Winde flattern ließ. -Das erweckte in dem hungrigen Tiere das Bewußtsein, er werde dort zu -fressen bekommen, und kam herbei,<span class="pagenum"><a id="Seite_568"></a>[S. 568]</span> um sich daraufzusetzen. Deshalb -mußte der Falke stets hungrig sein, wenn es zur Jagd ging, sonst -riskierte der Falkner, daß er nicht wiederkam.</p> - -<p>War der Falke so weit zahm, daß er auf den Ruf herbeigeflogen kam, -ruhig auf der Hand stand und darauf fraß, so begann man damit, ihm -lebenden Raub zu zeigen. Meist benutzte man dazu Tauben, denen man die -meisten Schwungfedern ausgerissen hatte, so daß sie mehr flatterten als -flogen, so daß sie vom Falken leicht zu schlagen waren. Dann durfte der -Falke von der Taube fressen. Später nahm man sie ihm ab und bot ihm -dafür das Ziget oder den kalten Flügel. Die ersten Stoßübungen machte -der Falke an einer langen Schnur, und erst wenn der Falkner des Vogels -sicher zu sein glaubte, wurde ihm die Fessel abgenommen. Nach und nach -brachte man den Vogel an größeres Wild und allmählich lernte er Enten, -Gänse, Fasanen, Hasen, Trappen, Weiher, Kraniche und Reiher schlagen.</p> - -<p>In zahlreichen mittelalterlichen Gedichten ist vom Falken die Rede; -denn damals war die Reiherbeize das Hauptvergnügen der großen Herren -weltlichen und geistlichen Standes. Überallhin, selbst zur Messe nahmen -sie wie ihren Hund, so auch den Falken mit sich. Die Beize konnte nur -bei gutem Wetter und am besten im Herbst geübt werden, da die Falken -im Frühjahr mauserten und dann äußerst empfindlich waren, im Winter -aber durch den Schnee geblendet wurden. In der Zeit der Hohenstaufen -war der Gebrauch der Lederhaube durch die Araber aufgekommen und wurde -an Stelle der Blendung durch Zusammennähen der Augenlider nicht nur -bei der Dressur, sondern auch später zu Hause und unterwegs öfter -aufgesetzt, um das Tier ruhig zu halten. Der Falke wurde vom Jäger oder -der Jägerin in der Weise auf der behandschuhten rechten Hand gehalten, -daß er mit den Fängen zwischen das Handgelenk und die gebogenen Finger -griff. Nie durfte die Schelle erklingen, wenn der Vogel richtig -getragen wurde. Die Fessel war um den kleinen Finger geschlungen; an -ihr wurde der Falke gehalten. Beim Ausritt mußte der Falke stets gegen -den Wind gerichtet sein und erst wenn er jagen sollte, nahm man ihm -die Haube ab. Eine solche Falkenbeize erforderte sichere Pferde, die -kein Hindernis scheuten, da man beim Dahinsausen in Verfolgung des -von den Stöberhunden aufgescheuchten Reihers die Augen mehr gegen den -Himmel zur Beobachtung der interessanten Flugkünste von Raubvogel und -Wild, als auf die Erde richtete und deshalb leicht stürzte. Besonders -war dies bei den in Seitensitz reitenden Damen der Fall, die im -Mittel<span class="pagenum"><a id="Seite_569"></a>[S. 569]</span>alter das rechte Bein nicht um das Sattelhorn gelegt hatten, -sondern seitwärts im Sattel saßen, die Füße auf ein Brett gestellt. Da -konnte denn freilich der Halt kein sicherer sein. Auf einer Reiherbeize -verunglückte denn auch durch einen Sturz vom Pferd am 27. März 1482, -erst 25jährig, die immens reiche Tochter und Erbin Herzogs Karl des -Kühnen von Burgund, seit 1471 die Gemahlin des Erzherzogs Maximilian -von Österreich, des späteren Kaisers Maximilian I., dem sie -zwei Kinder, Philipp den Schönen und Margarete, geboren hatte. Auch -Maximilians zweite Gemahlin verunglückte auf einer solchen Jagd durch -Sturz vom Pferde.</p> - -<p>In Frankreich wurde die Beize auch vom Mittelstand geübt. Ritter, -Domherren, Bürger und Junker taten sich zusammen und ließen ihre Falken -und Sperber auf Rebhühner und Lerchen fliegen. Der Anblick des zu -Tode gehetzten Wildes bot diesen noch wenig feinfühligen Menschen die -schönste Augenweide und war ihre höchste Lust. In Tirol war schon seit -dem Jahre 1414 dem Adel verboten, Fasanen und Rebhühner auf eine andere -Art zu fangen als mit dem Federspiel. Kaiser Maximilian I. hat -dann die Reiherbeize in den österreichischen Erblanden neu belebt und -an vielen Orten auch Enten, zum Teil unter Aufwendung von erheblichen -Kosten, als Jagdwild hegen lassen. Auch auf seinen Reisen und Feldzügen -übte er die Jagd und das Beizen aus, ersteres am Vormittag und -letzteres am Abend. Allgemein wurde die abendliche Beize bevorzugt, -weil dann der Falke den größten Hunger hatte und die geringste Neigung -zeigte, sich zu verfliegen.</p> - -<div class="figcenter illowe21_875" id="bild58" > - <img class="w100" src="images/bild58.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 58. Jäger mit Hund und Jagdfalk.<br /> - (Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann.)</div> -</div> - -<p>Noch im späteren Mittelalter wurde gezähmtes Edelwild gelegentlich zur -Jagd gebraucht, ebenso war der Fang vermittelst Antrieb gegen mitten -im Wald errichtete künstliche grüne Hecken beliebt, die im Zickzack<span class="pagenum"><a id="Seite_570"></a>[S. 570]</span> -verliefen und an den offenen Winkelspitzen Netze in Beutelform -aufwiesen, in denen sich das hier auszubrechen versuchende Wild fangen -mußte, während die einspringenden Winkel durch Reisig geschlossen -wurden. War das Tier wie eine Fliege im Netz gefangen, so eilten die -in der Nähe versteckten Wachen herbei, um es zu töten. Dieses Jagen -mit <span class="antiqua">hag</span> war ebenso bequem als ergebnisreich, wenn es gelang ein -Rudel Wild dagegen zu treiben. Nach und nach wurden die feststehenden -Hecken durch die beweglichen Netze und hohen Tücher verdrängt, denen -schon Roy Modus und Foix im 13. Jahrhundert den Vorzug gaben. Ein -Hauptgrund für die Aufgabe der Hecken war auch die Wilderei, der -dadurch Vorschub geleistet wurde.</p> - -<p>Außer in solchen Hecken wurde das Wild wie früher auch in Fallgruben -gefangen. Diese waren unten weiter als oben und mit Zweigen verdeckt. -Von der Fallgrube gingen zwei oder vier Hecken in schräger Richtung -ab, welche das nahende Wild zwangläufig nach der Grube führten, in die -es hineinstürzen mußte. Die Gruben für Schwarzwild und Raubzeug wurden -im Walde, die für Rotwild dagegen im Freien angelegt. Auch Fallen und -Schlingen wurden noch gelegt, besonders für die kleineren Tiere und -Vögel. Letztere wurden außerdem auch mit Netzen und Leimruten gefangen, -wobei allerlei Lockvögel zu Hilfe genommen wurden. Habichte und Falken -köderte man mit einem Huhn und fing sie in Schlingen. Sperber dagegen -lockte man durch einen andern Sperber, der in einem Bauer saß. Auch -solche ältere Vögel wurden zur Jagd abgerichtet. Wenn sie dabei dem -Falkner auch mehr zu schaffen gaben als die jungen, aus dem Nest -genommenen Vögel, so lohnten sie andererseits die vermehrte Mühe durch -größere Kühnheit und waren daher sehr beliebt.</p> - -<p>Bären und Wölfe wurden mit Selbstschüssen zu erlegen versucht; man -fing sie auch in der Schlinge und in Schlagfallen und jagte sie mit -Spürhunden vielfach in mit Netzen eingehegten Revieren. Die noch immer -zahlreichen Wölfe suchte man in Fallgruben und an Luderplätzen mit -vergiftetem Fleisch unschädlich zu machen. In ähnlicher Weise wurde den -Füchsen nachgestellt, die im Altfranzösischen <span class="antiqua">gupil</span> und erst -später <span class="antiqua">renard</span> — wohl eine Nachbildung von Reinecke — genannt -wurden. Die Fischotter wurden wegen des Schadens, den sie in den -Fischteichen anrichteten und wegen des gesuchten Pelzwerks, das nach -Albertus Magnus zur Verbrämung anderer Pelzarten gebraucht wurde, in -Schlingen, Netzen und Fallen gefangen oder mit Spürhunden ge<span class="pagenum"><a id="Seite_571"></a>[S. 571]</span>jagt. Ihr -Fleisch galt wie das des Bibers als Fastenspeise und wurde als solche -in den Klöstern gern gegessen.</p> - -<div class="figcenter illowe31_25" id="bild59" > - <img class="w100" src="images/bild59.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 59. Hetzjagd auf Wölfe mit Netzen. (Holzschnitt von - Jost Ammann 1582.)</div> -</div> - -<p>Wie das Rotwild wurden auch die Gemsen von Kaiser Maximilian I., -den man gern als letzten Ritter bezeichnet, durch Treiber mit Hunden zu -Tal gehetzt und an Engpässen in Netzen gefangen oder durch Hecken und -Netze zwangläufig vor die Armbrust oder den Wurfspieß des hohen Jägers -und seiner Gäste geführt. Der Kaiser erzählt selbst im Weißkunig durch -die Feder seines Hofschreibers, M. Treizsaurwein, daß er im Tal Smyeren -in Tirol eine Jagd hatte, bei der 600 bis 1000 Gemsen ins Jagen kamen, -und daß einmal 183 Stück gefangen worden seien. Als erster hat er -seinen Untertanen gegenüber behauptet, ohne es allerdings beweisen zu -können, daß die Jagden „Kaiserliche Regalia“ seien. Nur er wollte die -Jagd in seinen Erblanden, die durch Fälschung von Freiheitsbriefen von -den Habsburgern zu einem selbständigen Herzogtum gemacht worden waren, -ausüben und bestrafte jeden Jagd<span class="pagenum"><a id="Seite_572"></a>[S. 572]</span>frevel der Bauern, die gerade in Tirol -auf ihr altangestammtes Recht der Jagd pochten, aufs strengste, ja -nicht selten mit den Tode. So ließ er auch den Bauern Mathäus Sailler -von Zirl, der unbefugt auf der Pirsch angetroffen wurde, kurzerhand -an den Galgen hängen. Schon im Jahre 1414 war in Tirol verordnet -worden, daß niemand ohne landesfürstliche Erlaubnis Hirsche, Rehe, -Bären, Gemsen oder graue Hasen jagen oder fangen dürfe; ausgenommen -war der Adel, der auf seinen Besitzungen die Jagd behielt. Schon auf -dem Landtage zu Bozen im Herbst des Jahres 1478 klagten die beim -Jagdvergnügen der Herren zur Fron gezwungenen Bauern über Wildschaden. -Aber es wurde ihnen versagt, sich dagegen selbst zu helfen. Erst -bei Maximilians Tode am 12. Januar 1519 in Wels ließ sich der lange -verhaltene Grimm der Bauern nicht mehr dämpfen und sie begannen alsbald -einen rücksichtslosen Vernichtungskrieg gegen alles Wild, das der -Kaiser für seine Jagden in den Tiroler Bergen gehegt hatte.</p> - -<p>Das ganze Mittelalter hindurch wurde keinerlei Schonzeit für das Wild -gehalten und mit Vorliebe wurden auch trächtige Tiere gejagt. So findet -es der Verfasser des Roy Modus sehr unterhaltend, die säugende Hinde -zu hetzen. Am besten jagt man nach seiner Auffassung das Tier, wenn -es hochträchtig ist, wegen der schönen Jahreszeit im Mai und Juni. -Ist aber das Hirschkalb schon gesetzt, dann kehrt die Mutter auf der -Flucht oft zu ihm zurück, wenn es nicht rasch genug folgen kann, -und wagt nicht, es zu verlassen. Solches zu beobachten gewähre ein -besonderes Vergnügen. Zuweilen sei das Tier mit Kalb feister als ein -geltes Tier. „Findest du also ein Tier mit Kalb, gib dir Mühe, es mit -dem Leithund zu bestätigen und laß die Hunde danach jagen.“ Führwahr, -Mitleid kannten die Menschen jener Zeit nicht! Sie ergötzten sich an -dem Anblick, wenn die vom Jagdsperber verfolgte Lerche, die bei den -Menschen Schutz suchend sich unter sie warf, vom Raubvogel erwürgt -wurde. Roy Modus sagt von einer solchen Schilderung: „Wenn der Sperber -sie dann fängt, das ist ein köstliches Vergnügen!“ Der feingebildete -Albertus Magnus, Bischof von Regensburg, sagt, daß der Gerfalke mit -frischem, noch warmem Fleisch gefüttert werden müsse. Deshalb ließ man -ihn vom noch lebenden Tiere fressen. Darum rissen etliche Falkner einer -lebenden Henne einen Schenkel aus und am nächsten Tag den andern, um -dem Falken ein schmackhaftes Gericht zu bieten. Der große Albert tadelt -zwar solches, aber nur deswegen, weil am zweiten Tage das Fleisch nicht -mehr gut sein könne „von wegen der hitz, so der schmertz erwegt“. -Die<span class="pagenum"><a id="Seite_573"></a>[S. 573]</span> unmenschliche Grausamkeit, der solche Handlung zugrunde liegt, -empfindet der fromme Graf von Bollstädt nicht als solche. Der große -Weidmann Maximilian I., der sich schon als Herzog von Österreich -den Rang eines Kurfürsten anmaßte und sich „des heiligen Römischen -Reichs Erzjägermeister“ nannte, ließ sich mit Vorliebe das gehetzte -Wild in einen See treiben, um es dort gemächlich vom Schiff aus zu -töten. Einmal schoß er eine hochträchtige Hirschkuh, die alsbald nach -der schweren Verwundung ein Kalb gebar, „bevor Er noch die Pluetthundt -daran hat gehetzt“, wie er uns selbst in seinem geheimen Jagdbuch -erzählt. Das Wort Edelmann, das damals von solch großer Bedeutung -war, kommt vom angelsächsischen <span class="antiqua">ead</span> oder <span class="antiqua">ed</span>, dem -altdeutschen <span class="antiqua">ôd</span> Besitz und heißt nur der (an Grundbesitz) reiche -Mann; mit edler Gesinnung und Edelmut hatte es durchaus noch nichts -zu tun. Solcher Erwerb ward erst einer späteren, feiner fühlenden -Zeit vorbehalten, die nicht mehr unter Umständen ein Menschenleben -geringer achtete als dasjenige eines aus purem Egoismus gehegten -Wildes. Derselbe fürstliche Kerl, den sein Leibeigener, der rechtlose -Bauer, mit seinen zahlreichen Dienern und der oft hunderte von Hunden -umfassenden Meute ohne Entgelt füttern mußte, hing ihn kurzerhand an -den Galgen, wenn er sich dessen weigerte, und niemandem hatte er ob -solcher Schurkerei Rechenschaft abzulegen.</p> - -<p>Was diese Edelleute im Mittelalter an dem ihnen untergebenen rechtlosen -gemeinen Volke gesündigt haben, ist zu bekannt, als daß hier weiter -darauf eingegangen werden mußte. Der fromme Cyriacus Spangenberg -sagt in seinem 1561 erschienenen Jagdteuffel: das Sprichwort sage, -ein Edelmann solle vor dem 60. Jahr nicht wissen, daß er eine Seele -und ein Gewissen habe, sonst könne er nicht zu Geld kommen. Die -Jagd wurde immer mehr zu einem Hoheitsrechte, die der Landesfürst -allein sollte ausüben dürfen. Der Grundbesitz des Landesherrn umfaßte -außer dem <span class="antiqua">allodium</span>, dem ererbten Familienbesitz, und dem -<span class="antiqua">beneficium</span>, den Bodenflächen, mit denen ihn einst der Kaiser -belehnt hatte, noch allerlei eingezogene Güter. Auf diesen übte er -allein die Jagd aus, wie auch in den Bannwäldern, die sein Haus -sich mit der Zeit zu verschaffen gewußt hatte. Beständig suchte die -fürstliche Jägerei ihre Rechte zu erweitern und auf alle Reviere -auszudehnen, in denen noch ein Rudel Wild stehen konnte. Schon im Jahre -1499 beschwerte sich beispielsweise die Ritterschaft in Landshut, daß -die fürstliche Jägerei auf den Lehen die hohe Jagd ausübe und auch mit -der kleinen Jagd sich viel zu schaffen mache. Im Jahre 1516 wurde zwar -Prälaten,<span class="pagenum"><a id="Seite_574"></a>[S. 574]</span> Edelleuten und den Geschlechtern in den Städten, „da sy -es von alter hergebracht haben“, die Jagd auf Rehe, Wildschweine und -Bären eingeräumt sowie die Niederjagd ausdrücklich zugewiesen, aber -das Hochwild behielt sich der Herzog selber vor. Er setzte damit den -tatsächlich schon vorher bestehenden Unterschied zwischen hoher und -niederer Jagd gesetzlich fest. Und die von ihm angestellten Pfarrer -mußten von der Kanzel herab dem Volke verkünden, daß die Jagd allein -der hohen Obrigkeit gebühre, die Luther als von Gott eingesetzt und -deshalb schon an sich göttlich, d. h. gottähnlich, bezeichnet hatte.</p> - -<p>Je mehr die großen Grundbesitzer in ihrer Eigenschaft als Landesherren -erstarkten, um so despotischer traten sie auf, um so weniger nahmen -sie Rücksicht auf das Wohl ihrer Untertanen. Sie dehnten den Wildstand -möglichst aus, um so ausgiebig wie möglich dem Jagdvergnügen zu frönen -und die Jagdküche stets reichlich mit Wildbret zu versehen. Mochte -dabei auch das Wild die Äcker der Untertanen verwüsten und oft in -einer einzigen Nacht die Früchte von des Bauern vielmonatlichem Fleiß -vernichten. Es war ihm nicht einmal erlaubt, auf eigene Kosten seine -Felder gegen die Verwüstungen von seiten des herrschaftlichen Wildes zu -schützen, indem ihm die Errichtung von Zäunen untersagt war. Erst wenn -er nachweisen konnte, daß seine Hufe von Urväter Zeiten her eingezäunt -waren, wurden ihm solche erlaubt. Aber diese mußten so niedrig sein, -daß das Hochwild darübersetzen konnte, so daß also auch sie keinen -Schutz der Flur gewährten.</p> - -<p>Wenn irgendwo von einem Herrn ein Wildstand herangezüchtet werden -sollte, so nannte man das „ins Gehege legen“, weil man einst im -Mittelalter die Bannforste durch eine Hecke einzuschließen pflegte, -damit das Wild nicht auswechsle. Mit dem Erstarken der fürstlichen -Macht, die niemand außer sich selbst zu jagen gestattete, hielt man -die Einhegung nicht mehr für erforderlich, da die Untertanen ja doch -kein Wild erlegen durften und es dem Landesherrn willkommen war, wenn -es auf den dem Wald benachbarten Feldern Äsung suchte; dann brauchte -er es nicht zu füttern und sparte sein Geld. Die Besitzer der vom -Fürsten ins Gehege gelegten Felder durften diese nicht bebauen, wie -sie wollten, die Wiesen nicht abmähen und kein Vieh auf sie treiben, -ja in der Satzzeit sie nicht einmal betreten. Half sich etwa ein Bauer -selbst gegen den ihm zugemuteten Wildschaden oder ließ er es sich -gar in den Sinn kommen zu wildern, so wurde er aufs grausamste an -Leib und Gut bestraft. Wie der bereits erwähnte Cyriakus Spangenberg -1561 schreibt, wurden „etlichen unterthanen umb eines Hasen willen -die Augen<span class="pagenum"><a id="Seite_575"></a>[S. 575]</span> ausgestochen, hende oder füsse abgehauen, nasen und ohren -abgeschnitten und dergleichen unmenschlichkeiten an inen begangen. -Aber es wolt lang werden, solch’s alles zu erzehlen.“ Und der -Konsistorialrat M. Rebhan in Eisenach meint: „Wie mancher Fürst oder -Edelmann straffet denjenigen härter, der ein Wild umbbracht, als der -einen Menschen ermordet hat.“ Im Jahre 1537 entkam dem Erzbischof -Michael von Salzburg ein angeschossener Hirsch und flüchtete sich in -das Kornfeld eines Bauern, wo er verendete. Statt ihn an seinen Herrn -abzuliefern, behielt ihn der Bauer, der arm war und viele Kinder zu -ernähren hatte. Als der Erzbischof davon erfuhr, ließ er den Mann -sofort fesseln und ins Gefängnis abführen und befahl seinem Richter, -Gericht über ihn zu halten und ihn zum Tode zu verurteilen. Da aber der -Richter, der menschlich mit dem armen Manne fühlte, das Todesurteil -nicht fällen wollte, ließ der Erzbischof den Bauern stracks in das Fell -des vorgefundenen und verzehrten Hirsches nähen und ihn dann vor allem -Volk auf dem Marktplatz von seinen englischen Doggen zerfleischen und -zerreißen, wobei er selbst ins Jägerhorn stieß und sich am Anblick -der Qualen des armen Mannes ergötzte. Gehängt und gevierteilt werden -war sonst die gewöhnliche Strafe für Jagdfrevel. Nur adelige Wilderer -kamen mit sehr hohen Geldstrafen davon. Natürlich hatten die Bauern -dem Herrn schwer zu fronen und ohne Entschädigung nicht nur die -Jagdangestellten, sondern auch deren Pferde und die große Hundemeute -zu füttern und Treiberdienste bei der Jagd zu tun, wobei ihnen in der -grimmigen Winterkälte oft genug die Zehen erfroren. Nach Wagner war im -Herzogtum Württemberg die Jägerei die Hälfte des Jahres unterwegs in -einer Zahl von 30–40 Mann mit ebensoviel Pferden und einem Heer von -Hunden, das sich auf 600 bis 800 Stück belief. Dieser Schwarm legte -sich mit Vorliebe in die Klöster, wo solche noch vorhanden waren, -oder auf die großen Gutshöfe, aus dem einzigen Grunde, weil er sich -da besser aufgehoben wußte als bei den Bauern, die selber nichts zu -beißen hatten und eben für gut genug geachtet wurden, die Hunde für den -Herrn aufzuziehen. Dabei waren diese herrschaftlichen Jagdangestellten -durchaus nicht bescheiden in ihren Ansprüchen und erzwangen sich oft -unter Anwendung von Gewalt eine bessere Bewirtung. So hatte zwar die -Württembergische Jagdordnung bestimmt, daß die Jäger des Morgens eine -Suppe und Brot und des Mittags wie des Abends vier Gerichte, dazu an -Wein 1<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">4</span></span> bis 2 Maß pro Mann, der Herr Windmeister aber 5 Maß erhalten -sollten; als aber diese Jagdbediensteten im Kloster Bebenhausen 1607 -nur ein Vorgericht,<span class="pagenum"><a id="Seite_576"></a>[S. 576]</span> dann Suppe und Fleisch mit süßen Kirschen und -Äpfelschnitzen, nachher gesalzenes Fleisch und Bratwurst und zum -Nachtisch Käse aus Münster, Lebkuchen aus Nürnberg und frisches Obst in -Form von Äpfeln und Birnen zu essen bekamen, beklagten sie sich schwer -bei ihrem Herrn und bekamen in der Folge auch Recht. Künftighin mußten -sie besser bewirtet werden.</p> - -<p>Ursprünglich hatte der Königsdienst die Pflicht der Herberge und -Speisung des Gebieters mit seinem ganzen Anhang und Troß mit umfaßt, -weil noch keine Gasthäuser vorhanden waren. Diese Königsrechte gingen -dann auf die Stellvertreter, die Grafen, und in der Folge auf die -Landesherren über, die sich das Recht anmaßten, die Leistungen der -Untertanen selbst zu regeln. Auch alle Steuern gingen einst aus dem -alten Königsdienst hervor und hafteten ursprünglich auf dem Boden und -nicht auf der Person. Erst im 15. Jahrhundert fingen die Landesherren -an, die Steuer auf die fahrende Habe umzulegen. Mit dem Recht der -Steuer übernahmen sie zugleich auch das am Boden haftende Recht der -Atzung und Herberge, das sie dann auf ihr Jagdbedientenpersonal -übertrugen. In Hessen-Kassel ward 1681 noch bestimmt, daß die Städte -und Dörfer, welche durch die Jagden berührt wurden, für das gesamte -Jagddienstpersonal und deren Pferde sorgen sollten. Erst als diese -Gastlichkeit infolge der Begehrlichkeit des Jagdbedienstetenpersonals -zur wahren Landplage wurde, entschloß man sich im 17. Jahrhundert zur -Ablösung derselben durch eine jährliche Zahlung, die beispielsweise für -das Stift Kaufungen seit 1629 500 Taler betrug.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel63a" > - -<p class="captop">Tafel 63.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel63a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Reste einer Reihe alternierender, im anstehenden Kreidekalk - ausgehauener Wildfanggruben der Solutréenzeit bei Laugerie haute in der Dordogne - (Südfrankreich). (Eigene Aufnahme des Verfassers, der in der vordersten steht, um - die noch jetzt vorhandene Tiefe derselben zu zeigen.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel63b" > - <img class="w100" src="images/tafel63b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Fürstliche Wasserjagd im 18. Jahrhundert. Nach einem - Stich von J. E. Ridinger (1695–1767).</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe27_5 break-before" id="tafel64a" > - -<p class="captop">Tafel 64.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel64a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Hirschjagd mit Leithunden. Nach einem Stich von J. E. - Ridinger (1695–1767).</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe27_5 break-after" id="tafel64b" > - <img class="w100" src="images/tafel64b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Vogeljagd mit Leimruten und Lockvogel. Nach einem Stich von - J. E. Ridinger (1695–1767).</div> -</div> - -<p>Aus reinem Egoismus und nicht aus moralischen Bedenken kam es im -16. Jahrhundert an den aufgeklärteren Höfen zur Aufstellung einer -Schonzeit, wenigstens so lange das Wild minderwertig war. So kamen 1521 -Hessen und Henneberg mit unter den ersten überein, die Jagd auf Rotwild -„in der Kalbung“ ruhen zu lassen, und diese Einschränkung wurde zehn -Jahre später auf die Zeit von Anfang März bis Anfang Juli erweitert. -Für Mecklenburg ward 1562 eine geschlossene Jagdzeit festgesetzt -und bald folgten ihm darin auch andere Staaten. Aber erst im 17. -Jahrhundert gelangte man allgemein zur gesetzlichen Aufstellung einer -Schonzeit und zur moralischen Verurteilung vor allzu groben Verstößen -gegen weidgerechtes Jagen, wie solches heute als selbstverständlich -geübt wird. Sonst stand die Jagd auch damals noch in sittlicher -Beziehung auf einer recht tiefen Stufe, wie die Herren, die sie übten, -denen das täglich geübte Sichbesaufen die wichtigste Beschäftigung war. -Mit den geistlichen Herren stand es<span class="pagenum"><a id="Seite_577"></a>[S. 577]</span> auf katholischer Seite selbst -nach der Reformation nicht besser als mit den weltlichen. Wie der Adel, -so nahm auch die hohe Geistlichkeit noch immer Jagdfalken und Hunde -mit in die Messe, so daß der Gang der gedankenlos heruntergeleierten -heiligen Handlung und der eintönige Gesang der Priester vom Bellen -der Hunde unterbrochen wurde. Auch die Geistlichkeit brachte die -Feiertage mit Jagen zu und hatte oft mehr Jagdhunde als die weltlichen -Landesherrn. Der Übermut der Herren und des von ihnen geschützten -Jagdpersonals kannte keine Grenzen und erlaubte sich gegen die Bauern -und deren Weiber und Kinder Eingriffe, die sich hier nicht wiedergeben -lassen.</p> - -<p>Die allgemein geübte Jagdart in Deutschland war das „Jagen am -Zeug“, wobei der betreffende Bezirk so gut wie möglich umgrenzt und -abgeschlossen war, um ein Entweichen des Wildes zu verhindern. Während -aber im Mittelalter außer den Warten vorzugsweise lebende grüne Hecken -mit Schlingen und beutelförmigen Netzen in den Durchgangsöffnungen -Verwendung fanden, wurden im 16. und 17. Jahrhundert neben solchen -vorzugsweise Fallnetze benutzt, die den großen Vorzug hatten, beweglich -zu sein und nach Bedarf an verschiedenen Orten aufgestellt werden zu -können. Nachdem der betreffende Bezirk morgens mit Berücksichtigung -des Windes in aller Stille mit Fallnetzen und Wachen umstellt -war, wurde die Hundemeute auf die vorher bestimmte Fährte gesetzt -und die Treibjagd ging los, indem die Treiber das eingeschlossene -Wild mit den hinter ihm herstürmenden Hunden den Hecken und Netzen -zutrieben. Letztere schlugen als Fallnetze über dem angstvoll einen -Ausweg suchenden Wilde zusammen und hielten es fest, bis die in der -Nähe versteckten Warten es abstechen konnten. Die früher geübte -kunstgerechte Spurjagd war jetzt ausgeschlossen. Die Hunde jagten -nicht mehr nach der Nase, sondern nach den Augen und verfolgten jedes -Wild, das ihnen begegnete, in gleicher Weise, so daß es innerhalb des -sich gegen die scheinbar offene, tatsächlich aber mit Netzen umstellte -offene Seite verengernden Treibergürtels ein wüstes Durcheinander von -einzelnen bellenden, jagenden Hunden und angstvoll flüchtendem Wild -gab. Die Warten waren hinter grünen Schirmen aus Laub innerhalb des -Triebes vor den Fallnetzen versteckt und hetzten, sobald das flüchtende -Wild auf die Netze zukam, ihre Windhunde hinter ihm her, so daß es aus -Schrecken vor diesen und dem Geschrei der Warten in die Netze lief -und hier alsbald abgestochen werden konnte. Um dem Grundherrn, seinen -Damen und Gästen Gelegenheit zu geben, diesen kritischen Moment der -Jagd zu beobachten<span class="pagenum"><a id="Seite_578"></a>[S. 578]</span> und sich am Abstechen des wehrlosen Wildes höchst -eigenhändig zu beteiligen, waren neben den Schirmen der Warten mit den -Windhunden auch solche für die hohen Herrschaften errichtet. Stellte -sich ein Hirsch den Hunden, so suchte man ihn zu schießen, wenn er sich -nicht von der Seite her, während ihn die Hunde beschäftigten, erstechen -ließ. Das getötete Wild wurde auf der Stelle zerlegt, das Fleisch -verteilt oder auf bereitstehende Wagen für die Hofküche verladen und -den Hunden die nicht vom Menschen beanspruchten Eingeweide überlassen.</p> - -<p>Ein Überlandjagen in Form von Verfolgung des Hirsches zu Pferd -im freien Revier ohne Hecken und Netze war damals in Deutschland -eine große Ausnahme und kam erst im darauffolgenden Zeitalter auf, -während solches in Frankreich noch immer üblich war. Das klassische -französische Werk des 16. Jahrhunderts über die Hetzjagd mit Spürhunden -ist die <span class="antiqua">venerie</span> von Fouilloux. Dieser Autor rechnet zur -venerie nur die Hetzjagd von Hirsch, Reh und Hase, nicht aber die -des Wildschweins, weil letzteres mit Rüden gehetzt werde. Fuchs und -Dachs dagegen wurden statt mit <span class="antiqua">chiens courants</span> mit <span class="antiqua">chiens de -terre</span> gejagt.</p> - -<p>Bevor die Jagdgesellschaft zur Hirschhetze aufbrach, hatte sie -gut gespeist und so reichlich getrunken, daß die ganze Jagd in -angeheitertem Zustande vor sich ging. Sie verlief ähnlich der bereits -geschilderten des 14. Jahrhunderts, ebenso die Sauhatz, zu welcher -zahlreiche Hunde bereit gehalten wurden. So erschien 1592 Herzog Julius -von Braunschweig zur Sauhatz an der Oberweser mit nicht weniger als 600 -Jagdhunden, Saurüden oder Hatzhunde genannt. Man schätzt die Zahl der -alljährlich den Saujagden zum Opfer fallenden Rüden für Deutschland -allein auf 20000 Stück. Die Schäfer waren in den meisten Gegenden -dazu verpflichtet — natürlich ohne irgend welche Entschädigung — -jährlich je einen Hund zu stellen. Taten sie es nicht, so wurden sie -mit der Wegnahme von fünf Hammeln gestraft. Da man so billig zu den -Hunden kam, wurden sie auch nicht geschont und mit Vergnügen wütenden -Ebern geopfert. Landgraf Philipp von Hessen, der von jedem Untertan -„so Schafe und einen Pferch hat“ alljährlich einen Rüden verlangte und -ihm im Falle des Nichtleistens das Recht zur Schäferei nahm, erlegte -im Jahre 1561 auf den Sauhetzen, an denen er persönlich teilnahm, 1714 -Sauen. Der Reinhardtswald allein lieferte ihm 1563 1072 Wildsauen, und -sein Nachfolger, Landgraf Wilhelm, fing 1584 in einem einzigen Jagen -daselbst 133 Sauen. Welch eine Metzelei setzte es ab, eine solche Menge -von Tieren in den Netzen abzustechen, und<span class="pagenum"><a id="Seite_579"></a>[S. 579]</span> wie mögen die armen Bauern -geseufzt haben, wenn ihnen diese so zahlreich auftretenden Borstentiere -ihre Äcker verwüsteten. In der Jagd auf die Wildsau war insofern eine -Verfeinerung vom Mittelalter bis zum 16. Jahrhundert eingetreten, als -die Bracke, die damals auch zur Sauhatz verwendet wurde, als zu edel -dafür galt und man sich dabei meist mit minderwertigen Hunden behalf. -Eine wichtige Rolle spielte auch die Jagd auf den Wolf, für dessen -Vertilgung die Bauern ihrem Herrn eine besondere Steuer bezahlen mußten.</p> - -<div class="figcenter illowe31_25" id="bild60" > - <img class="w100" src="images/bild60.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 60. Sauhatz. Der Mann zu Fuß bedient sich der - Saufeder zum Abstechen des Ebers. (Nach einem Holzschnitt von Jost - Ammann in „Das neuw Jag und Weydwerck Buch“, Frankfurt 1582.)</div> -</div> - -<p>Die Hatzjagd auf Hasen wurde von dem deutschen Adel mit Windhunden -geübt, während in Frankreich die allerdings feinere Jagd mit Spürhunden -bevorzugt wurde. Sie machte im allgemeinen auch mehr Freude als -die Hirschhetze, da man die Hunde besser sah und diese auch mehr -zusammenhielten. Die Hasenmeute betrug 12 bis 16 Hunde und war -gewöhnlich zahlreicher als die Hirschmeute. Sie arbeiten zu sehen -war wie im Mittelalter das Entzücken derer, die sich den echten<span class="pagenum"><a id="Seite_580"></a>[S. 580]</span> -jägerischen Geist bewahrt hatten, wie er im 12. bis 14. Jahrhundert in -Frankreich wie in Deutschland herrschte. Die Technik dieser Jagd war -ebenfalls ähnlich derjenigen des Mittelalters.</p> - -<p>Um die Mitte des 16. Jahrhunderts verdrängte die Büchse die Armbrust, -besonders seitdem 1517 in Nürnberg das Radschloß erfunden worden war, -das die Lunte überflüssig machte. Sie hieß auch Pirschrohr und danach -nannte man die Jagd, bei welcher man sich ihrer bediente, im Gegensatz -zum Hetzen Pirschjagd. Doch war sie im allgemeinen wenig beliebt und -galt nicht für weidmännisch. Nichtsdestoweniger brach sie sich mehr und -mehr Bahn, weil sie billiger war als die mit jagenden Hunden. So fand -sie besonders an kleineren Höfen zuerst Eingang. Landgraf Wilhelm von -Hessen erlegte 1582 durch Pirschen 345 Stück Wild und nur 307 durch -Jagen. Auch der Schrotschuß taucht bereits im 16. Jahrhundert auf; 1556 -wird er zuerst erwähnt.</p> - -<p>Beim Pirschen auf Rotwild trat alsbald nach dem Schusse der Bluthund in -Aktion, indem er, von der Leine gelöst, das Wild verfolgte und, wenn -er es eingeholt hatte, zu packen und niederzureißen versuchte. Da in -dem vom deutschen Geistlichen Johannes Colerus um 1600 in Wittenberg -herausgegebenen lateinischen immerwährenden Kalender Leit- und Bluthund -stets zusammen genannt werden, muß man annehmen, daß der Leithund -damals auch zur Blutarbeit verwendet wurde. Wegen dieser Bestimmung -sollte er groß und stark sein, damit er das Wild niederreißen konnte. -So wurde er wie die Jagdhunde im allgemeinen mit Windhund- und -Doggenblut gekreuzt, und so entstand eine starke Spürhundrasse wie -sie mit zuerst das Neue Jagd- und Waidwerkbuch von Feyerabend 1582 -auf Seite 11 zeigt. Auch die Bilder von Jost Ammann zeigen uns solche -durch Kreuzung erzielte auffallend große Jagdhunde. Aus diesen schweren -Spürhunden entstand dann der schwere Typ der deutschen Vorstehhunde, -wie er sich an manchen Orten bis in die zweite Hälfte des 18. -Jahrhunderts erhielt.</p> - -<p>In dem Maße wie der Adel durch das Regal des Landesfürsten das Recht -der Jagd verlor, schwand auch die Falkenbeize, die sich im Mittelalter -durch die Begeisterung des Ritterstandes so hoch erhoben hatte. Solange -das Kornfeld, das der Reiterzug bei der Falkenbeize durchjagte, dem -Bauern gehörte, hatte der Adel keinen Anstoß an dieser Art Jagd -genommen; nun aber das Korn sein eigen war und durch die Leibeigenen -gepflanzt wurde, wurde er andern Sinnes und wollte seine Felder -geschont wissen. Er hatte auch keine Lust mehr dazu, den<span class="pagenum"><a id="Seite_581"></a>[S. 581]</span> Tag am Hofe -zu verbringen und mit seinen Falken zu vertändeln, mußte vielmehr auf -seinem Gute nach dem Rechten sehen und seine Hörigen beaufsichtigen, -damit sie gehörig für ihn arbeiteten. Auch hatte die Küche wenig Nutzen -von der Falkenbeize, die viel Geld kostete, nicht nur für die Zähmung -und den Unterhalt der Falken, sondern auch für die selten gewordenen -Reiher, die künstlich im Reiherhaus aufgezogen werden mußten, wenn bei -Bedarf kein Mangel daran vorhanden sein sollte.</p> - -<p>An Stelle der deutschen Ordensherrn von Marienburg hatten die Könige -von Dänemark die Lieferung von Falken übernommen, mit denen sie die -meisten Höfe, die sich diesen Luxussport noch leisteten, zu versorgen -pflegten. Alljährlich sandten sie ein Schiff nach Island und ließen -von dort die geschätzten weißen Wanderfalken holen, die sie durch ihre -Falkner an die Höfe verteilen ließen, wobei diesen für jeden Falken -eine Gabe von 12–16 Talern ausgehändigt wurde. Die hessischen Fürsten -erhielten jedes Jahr durchschnittlich sechs Falken zu ihrem ziemlich -großen Bestand, für dessen Unterhalt die Falkner ungefragt auf den -Dörfern die erforderlichen Hühner und Tauben selbst nehmen durften. -In andern Herrschaftsgebieten war der Taubenzehnte eingeführt, der in -Hessen im Jahre 1703 in eine feste Abgabe von 400 Tauben umgewandelt -wurde. Landgraf Moritz von Hessen-Darmstadt untersagte 1593 seinen -Untertanen ganz die Jagd mit den Falken, „dass wir selbsten unsere -Lusten damit gern haben wollten.“ Auch am Hofe zu Kassel wurde die -Falkenjagd nach dem Dreißigjährigen Kriege wieder eingeführt; sie -hielt sich dort bis ins 18. Jahrhundert. In Württemberg dagegen -ging die Beize schon mit dem 17. Jahrhundert zu Ende und ward 1714 -gänzlich abgeschafft. Der Reiher wurde nicht mehr gehegt, sondern zum -Raubvogel erklärt, und 1726 wurde ein Preis auf seinen Kopf gesetzt. So -kehrte die Jägerei zur alten Jagdweise der Markgenossen, zum Habicht -und Sperber der Volksrechte zurück. Sie kaufte die Beizvögel von -umherziehenden Falknern, fing sie wohl auch selber mit Schlaggarnen -am Finkenherd ein, wenn sie auf die Lockvögel stießen, selten zog -sie selbst Nestlinge auf, weil dies sehr beschwerlich war. Allgemein -im Brauch war noch die Hasenbeize. Dabei suchten 2–3 Stöberhunde das -Feld nach Hasen ab, während der Jäger mit dem Vogel auf der Hand zu -Pferde folgte. Am Riemen wurden einige Windspiele mitgeführt, die dann -dem ergriffenen Hasen, dem vom Raubvogel zuerst die Augen ausgehackt -wurden, den Garaus machten. Auch auf das Feldhuhn wurde der Habicht -gern geworfen. Wie ein Pfeil<span class="pagenum"><a id="Seite_582"></a>[S. 582]</span> schoß er hinter der Hühnerkette her und -griff ein Huhn heraus. Die andern ließen sich vor Schreck zu Boden -fallen und lagen nun so fest, daß der Hund sie greifen oder der Jäger -mit der Hand sie aufheben konnte.</p> - -<p>Im 18. Jahrhundert besaß der große Grundbesitz unbeschränkte Macht. -Mit Verachtung sah er auf alle Bürgerlichen und noch vielmehr auf -die leibeigenen Bauern herab, mit denen er in der gewissenlosesten -Weise verfuhr und sie auf das schamloseste ausbeutete. Zäune zur -Abhaltung des sich stark vermehrenden Wildes von den Äckern waren -verboten oder, wo sie, wie beispielsweise in Sachsen von 1775 an „aus -Landesmütterlicher Vorsorge“ den Untertanen gestattet waren, durften -sie nur um Kohl- und Obstgärten gezogen werden und mußten so nieder und -die einzelnen Pfähle oben stumpf sein, daß das Rotwild darübersetzen -und sich dabei nicht verletzen konnte. Einzig das Schwarzwild wurde -dadurch abgehalten. Im Jahre 1718 erließ der Herzog von Württemberg -das Reskript, daß alle Zäune seines Landes mit Ausnahme der Zäune -an der Landesgrenze niedergelegt werden sollten. Den Bauern wurde -untersagt, auf ihren eigenen Gütern das Laub zusammenzurechen und die -Eicheln aufzulesen, damit sie dem Wilde als Lagerstatt und Futter -dienen konnten. Auch Hunde durfte der Bauer nicht fortlaufen lassen -oder gar zum Verscheuchen des Wildes von seinen Äckern verwenden. In -ganz Württemberg war während des 18. Jahrhunderts das Halten von Hunden -überhaupt verboten. So blieb dem Bauern, der etwas ernten wollte, -nichts anderes übrig, als selbst oder durch seine Familienangehörigen -den ganzen Tag und die Nacht hindurch die Felder zu bewachen, damit -das Wild, besonders die Sauen, dieselben nicht verwüsteten. So mußten -allein in Sachsen Nacht für Nacht 4000 Menschen wachen, damit der -despotische Landesvater gelegentlich auf die Jagd gehen konnte. Auf das -heutige Deutschland übertragen, mußten für die Bewachung der Felder in -der Nacht wenigstens 68000 Menschen allnächtlich ihren Schlaf opfern, -und diesen schweren Dienst mußten die größtenteils von der Fronarbeit -am Tage ermüdeten Leute vielfach bei Regen und Kälte verrichten. Das -Rotwild, dessen Bestand von Seckendorf 1656 für Sachsen auf 3000 -Stück geschätzt wurde, durchstreifte truppweise die Felder, wenn -das Getreide reifte, und machte sich daselbst bequeme Lagerstätten. -Von den Sauen aber, deren Sachsen nach derselben Schätzung damals -etwa 6000 aufwies, lag etwa ein Drittel beständig auf den Feldern, -unbeachtet der niederen Zäune, die sie mit Leichtigkeit zu überspringen -vermochten.<span class="pagenum"><a id="Seite_583"></a>[S. 583]</span> So schreibt ein anonymer Sachse 1799 in einer Schrift -über die Schädlichkeit der Jagd: „Wer die Gegenden an der Elbe, -z. B. von Dresden bis Wittenberg, von Torgau bis Wurzen, wie auch die -Gegend von Colditz, Annaberg usw. durchreitet, der wird in den dortigen -Feldern, wenn er die von diesen Tieren vernichtete Hoffnung des armen -Landmannes sieht, sich selbst zum Jammer und Mitleid gerührt fühlen -und die Stimme der fröhlichen Jäger vor den Klagetönen der über ihren -Verlust Jammernden nicht hören können. — Im Jahre 1777 reisete ich in -das Erzgebirge nach Elterlein, einem Städtchen, welches unweit Annaberg -liegt. Hier sprach ich unter andern Einwohnern auch den Stadtrichter. -Dieser Mann zeigte mir eine schriftliche Taxe, welche einen Verlust -von 5000 Talern betrug, den die wilden Schweine nur diesem kleinen -Städtchen zugefügt hatten.“ Und Franz Philipp Florinus schreibt in -seinem 1751 in Nürnberg erschienenen <span class="antiqua">Oeconomus prudens</span> vom -Rotwild: „Im Sommer liegt es bei nächtlicher Weile im Getreide und -läßt sich von den Wachfeuern und dem Geheul der Bauern fast wenig -abschröcken, maßen, sobald es aus einem Samen herausgetrieben wird, -gleich in den nächsten und besten hineingehet.“</p> - -<p>In Württemberg war es nicht anders. Schon im 17. Jahrhundert wollten -die Klagen über den Wildschaden nicht aufhören. Wenn diese zu laut -wurden, ließ der Herzog etwa eine Hetze abhalten und zwang die Bauern, -ihm das Wildbret, für das er keine Verwendung hatte, zu teurem Preise -abzukaufen und selbst zu essen. Der Wildstand im damaligen Württemberg -betrug rund 9000 Stück Edelwild und 2000 Sauen. In der Zeit von -1770–1790 wurden durchschnittlich 3300 Stück Rotwild und 1100 Sauen -jährlich bei den Hofjagden erlegt. Die Hofküche aber brauchte (nach -einer Berechnung vom Jahre 1679) nur etwa 300 Stück Rotwild und 350 -Sauen. Setzen wir auch den Bedarf für den oben erwähnten Zeitabschnitt -auf 1000 Stück, so blieben immer noch 3400 Stück für den Zwangsverkauf -an die Untertanen übrig, der für eine flüssige Rente galt. Die Zustände -in Württemberg zur Zeit des Herzogs Karl Eugen, der 1744 die Regierung -übernahm, schildert der Prälat Johann Gottfried Pahl. Vom Gelde der -von den Höflingen mißhandelten und ausgesaugten Bauern ließ der -Herzog kostspielige Bauten herstellen, Opern aufführen, zu denen die -Vorbereitungen einen Aufwand von 100000 Gulden erforderten, glänzende -Geburtstagsfeste in Form von „Festinjagden“ veranstalten, die bald -in dieser, bald in jener Gegend des Landes veranstaltet wurden und -300–400000 Gulden verschlangen. „Da erschien<span class="pagenum"><a id="Seite_584"></a>[S. 584]</span> alles im höchsten Glanze, -es wurden die prächtigsten Schauspiele und Ballette gegeben; Veronese -brannte Feuerwerke ab, die in wenigen Minuten eine halb Tonne Goldes -verzehrten. Der ganze Olymp war versammelt, um den hohen Herrscher -zu verherrlichen, und die Elemente und die Jahreszeiten brachten ihm -ihre Huldigungen in zierlichen Versen dar. Der Herzog liebte diese -Art von Vergnügen ebenso leidenschaftlich, als er andererseits der -kostspieligen Baukunst frönte. Ein zahlreiches Korps von höheren und -niederen Jagdbedienten stand ihm zu Gebote. Seiner Nachsicht gewiß, -durften sie sich die rohesten Mißhandlungen und die schreiendsten -Ungerechtigkeiten gegen den seufzenden Landmann erlauben. Man zählte -in den herrschaftlichen Zwingern und auf den mit dieser Art von -Dienstbarkeit belasteten Bauernhöfen über tausend Jagdhunde. Das Wild -ward im verderblichsten Übermaße gehegt. Herdenweise fiel es in die -Äcker und Weinberge, die zu verwahren den Eigentümern streng verboten -war, und zerstörten oft in einer Nacht die Arbeit eines ganzen Jahres; -jede Art von Selbsthilfe ward mit Festungs- und Zuchthausstrafe gebüßt, -nicht selten gingen die Züge der Jäger und ihres Gefolges durch -blühende und reifende Saaten. Wochenlang wurde oft die zum Treiben -gepreßte Bauernschaft, mitten in dem dringendsten Feldgeschäfte ihren -Arbeiten entrissen, in weite, entfernte Gegenden fortgeschleppt. Ward, -was nicht selten geschah, eine Wasserjagd auf dem Gebirge angestellt, -so mußten die Bauern hierzu eine Vertiefung graben, sie mit Ton -ausschlagen, Wasser aus den Tälern herbeischleppen und so einen See -zustande bringen. — Um den Glanz zu vermehren, hatte man eine große -Menge fremden Adels ins Land gezogen. Es wimmelte von Marschällen, -Kammerherren, Edelknaben und Hofdamen; mehrere von ihnen genossen -große Gehalte. In ihrem Gefolge erschien ein Heer von Kammerdienern, -Heiduken, Mohren, Läufern, Köchen, Lakaien und Stallbedienten in den -prächtigsten Livreen. Zugleich bestanden die Korps der Leibtrabanten, -der Leibjäger und der Leibhusaren, deren Uniformen mit Gold, Silber und -kostbarem Pelzwerke bedeckt waren...“ Diese Gesellschaft benahm sich -den für halbe Tiere gehaltenen Bauern gegenüber skandalös und verführte -mit Vorliebe deren Töchter, ohne an das Bezahlen von Alimenten für die -nicht ausbleibenden Kinder zu denken. Allein für die von ihm selbst -gestifteten Kinder bezahlte der Herzog Karl Eugen großmütig „ein für -allemal“ 50 Gulden, und seine Geliebten hatten das viel beneidete -Vorrecht, blaue Strümpfe tragen zu dürfen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_585"></a>[S. 585]</span></p> - -<p>Auch der fromme Herzog Ernst Ludwig von Hessen hatte, wie alle Fürsten -Mitteleuropas, sein Land in einen Wildpark verwandelt, um der Jagdlust -zu frönen, mochten auch die fronenden Bauern in Armut und Elend -verkommen. Von den vielen Nachtwachen, die die Leute jahraus, jahrein -leisten mußten, um das Wild von ihren Feldern abzuhalten, schliefen -sie beim Gottesdienst ein, worüber sich die Pfarrer beklagten. Das war -die Zeit, da die Fürsten, auch geistliche Herren, wie der Bischof von -Münster, ein Bernhard von Galen, ihre Untertanen für durchschnittlich -155 Mark an auswärtige Regierungen als Soldaten verkauften, damit diese -mit ihnen ihre Kriege führen konnten. Viele Tausende mußten so zwecklos -in fremdem Lande verbluten. Bei Culloden entschieden die Hessen den -Untergang der Stuarts, und Marlborough wie sein Gegner Villeroi fochten -meist mit deutschen Truppen gegeneinander. Der Erzbischof Karl hatte -dem Herzog Philipp mit Deutschen den spanischen Thron bestritten, und -bevor die Angelegenheit geregelt war, verbluteten 400000 Menschen auf -dem Schlachtfelde.</p> - -<p>Bei der unmenschlichen Behandlung und der Nutzlosigkeit aller Arbeit -infolge der Übergriffe des Landesfürsten kamen viele der Bauern aus Not -dazu, zu wildern, um sich überhaupt am Leben zu erhalten. Sie taten -dies aus Verzweiflung und Auflehnung gegen die grausame Herrschaft, -die ihnen beständig das größte Leid zufügte, obschon sie im Falle -des Erwischtwerdens mit den härtesten Strafen bedroht waren, so im -gelindesten Falle mit etlichen Jahren Zwangsarbeit in Ketten, bei -Wiederholung mit Abhauen der rechten Hand, beim dritten Male aber mit -dem Galgen zu büßen hatten. Oft wurden Bauern, wenn sie nur mit einer -Büchse in einem Gehege angetroffen wurden, ohne große Untersuchung -mit kurzem Prozeß binnen 24 Stunden gehängt. Wer dem Wilde verlarvt -nachging, wurde kurzerhand in der Verlarvung aufgehängt. Hessen hatte -1613, Preußen 1728 angeordnet, daß die überführten Wilderer ohne -Gnade aufzuknüpfen seien. Der Herzog von Württemberg bestimmte 1737 -als Strafe derer, „welche diebischer Weise Wild geschossen haben“, -das Abhauen der rechten Hand, mindestens aber öffentliche Arbeit „mit -aufgesetzter Wildererkappe auf Lebenszeit“, bei Rückfall Aufhängen am -Galgen. Diese Wildererkappe, die dem zur Schanzarbeit Verurteilten -an den Kopf geschlossen wurde, war ein grauenvolles Marterwerkzeug, -das aus einem eisernen Reifen mit einem schweren Hirschgeweih daran -bestand. Der Landesvater von Weimar verfügte 1751, „daß alle Wilderer -als offenbare Straßen<span class="pagenum"><a id="Seite_586"></a>[S. 586]</span>räuber und Mörder angesehen und auf Betreten -sofort aufgehängt, deren Weiber gebrandmarkt und ins Zuchthaus -gesetzt werden sollen, daß ein Förster oder Jäger, der einen Wilddieb -totschießt, 50 Taler verdient, während seine Witwe, falls er selbst -totgeschossen wird, lebenslänglich 200 Taler Pension erhält, daß aber -ein Jäger, der den Wilddieben durch die Finger sieht, selbst aufgehängt -wird“. 1761 wurde in Württemberg eine Belohnung von 20 Gulden für einen -toten und 30 Gulden für einen lebenden Wilddieb, der alsbald aufgehängt -wurde, ausgeschrieben. Am findigsten waren die Fürsten, die das -einträgliche Geschäft des Menschenhandels trieben. So schloß der Herzog -von Württemberg 1716 einen Vertrag mit der Republik Venedig ab, wonach -alle Sträflinge, auch die Wilderer, die mit dem Leben davonkamen, auf -die Galeeren verkauft wurden. So brachten die Kerls noch Geld ein und -man war sie los! Das Reskript wurde in feierlicher Stunde nach dem -Gottesdienst mit salbungsvoller Stimme von den Kanzeln verkündet.</p> - -<p>Während die Bauern so unmenschlich strenge bestraft wurden, kam der -Adel beim Wildern mit Geldstrafen davon. Diese waren beispielsweise -in Preußen gepfeffert und betrugen 1720 500 Taler für einen Hirsch -oder für eine Wildsau; davon erhielt der Angeber den vierten Teil. In -dem Vertrage zwischen Hanau und Frankfurt a. M. vom Jahre 1787 wurde -die Denunziantengebühr auf den dritten Teil der Geldstrafe bemessen -und damit der Verrat zu einem einträglichen Gewerbe ausgebildet. In -der Jagdordnung Josefs II. von 1786 wurde dem „Entdecker eines -Wildschützen“ 12 Gulden und dem „Einbringer“ eines solchen 25 Gulden -Belohnung zugesichert. Diese Jagdordnung war übrigens als ein großer -Fortschritt zu begrüßen, indem darin die Vorrechte der Krone aufgehoben -wurden. Wenigstens das Schwarzwild wurde auf Tiergärten beschränkt und -das Recht zum Abschuß freier Sauen jedem Menschen zugesprochen. Für -den Fall, daß sich der Jagdinhaber diesem Abschuß widersetzen sollte, -verfiel er in eine Strafe von 25 Dukaten. Das Betreten angebauter -Grundstücke wurde verboten, die Einzäunung derselben dem Bauern -freigestellt, und zwar in jeder Höhe. Dem Jagdinhaber aber wurde das -Wild unter Abschaffung einer Schonzeit als sein unbeschränktes Eigentum -freigegeben, er aber zugleich für Wildschaden ersatzpflichtig gemacht. -Damit begann die Morgenröte einer neuen Zeit, die gerechter als die -vorhergehende die allgemeinen Menschenrechte, die die französische -Revolution proklamierte, vertrat.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_587"></a>[S. 587]</span></p> - -<p>Am Ende des 18. Jahrhunderts waren aber sonst in keinem andern Staate -so vorsorgliche Bestimmungen getroffen, wie von dem edeldenkenden Josef -II. Dieses ganze Jahrhundert hindurch waren die Jagdfronen noch -im Steigen begriffen, denn statt 500–700 Mann wie im 17. Jahrhundert -wurden jetzt ebensoviel Tausende zum Zusammentreiben des Wildes aus -ihrer Häuslichkeit herausgerissen, um ganze Wochen hindurch ohne irgend -welche Entschädigung, ja unter Vorschrift der Selbstbeköstigung, im -Walde zuzubringen und das Vergnügen eines Tages für die Hofgesellschaft -vorzubereiten. Zur Massenschlächterei von Hochwild gesellte sich -diejenige von Hasen, wie denn zu Stammheim in Württemberg am 20. -November 1756 ein Kesseltreiben abgehalten wurde, das eine Ausdehnung -von 9<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Meilen hatte, drei Tage dauerte und gegen 4600 Mann in -Anspruch nahm. Zu den Treiberdiensten kamen die Jagdfuhren, der -Wegebau, die Zaunarbeit, das Futtersammeln und der Wildfang. Zu -letzterem gehörten auch die Wolfsjagden, die am schwersten auf dem -Volke lasteten und wofür auch die Städter zu bezahlen hatten. Es kam -oft vor, daß die Bedienten des Landesherrn einerseits die Geldabgabe -bezahlen ließen und andererseits die Leute trotzdem zwangen, bei der -Wolfsjagd zu erscheinen, ansonsten sie gebüßt wurden. Und wer von -ihnen frühmorgens beim Apell nicht anwesend war, der wurde als fehlend -angesehen, auch wenn er den ganzen Tag anwesend war und mithalf. Dabei -mißhandelten die übermütigen Dienstleute die Bauern in einer Weise, daß -es einem heute noch beim Lesen solcher Gemeinheiten die Schamröte ins -Gesicht treibt.</p> - -<p>Die Pflicht der Untertanen, die fürstliche Jägerei zu beherbergen und -zu verpflegen, kam im 18. Jahrhundert mehr und mehr außer Übung, weil -der gesteigerte Verkehr Gasthäuser geschaffen hatte, in denen die -Jäger nächtigen und sich an Speise und Trank stärken konnten. Auch -hier hatte wie bei der Wolfsjagd eine Geldablösung stattgefunden. -So kam in Württemberg zwischen dem Fürsten und dem Kirchenrat 1777 -ein Vertrag zustande, wonach gegen eine jährliche Zahlung von 12002 -Gulden die Klöster von den Besoldungsbeiträgen für die Jägerei, von -Kostgeld und Pferdefutter, von der Pflicht, das Jagdzeug, die Seilwagen -und Jagdschirme zu unterhalten, die Hunde zu ernähren usw. befreit -wurden. Den Gemeinden ward 1714 die Verpflichtung auferlegt, beim -Dachsgraben die Hunde zu füttern, und, wo sie nicht abgelöst war, blieb -auch die Hundelege in Kraft, wie denn z. B. im Uracher Forst jeder -steuerpflichtige Untertan, der keinen<span class="pagenum"><a id="Seite_588"></a>[S. 588]</span> Hund in Pflege hatte, zu einer -jährlichen Abgabe von 3 Gulden 20 Kreuzern gezwungen wurde. Vielfach -ließen die Jäger des Landesherrn aus eigener Machtvollkommenheit -ihre eigenen Hunde an Stelle der herrschaftlichen von den Untertanen -aufziehen; andere ließen sich heimlich die Pflicht der Hundelege gegen -bares Geld abhandeln und stellten den Hund bei einem Bürger ein, der -nicht bezahlen wollte. Wieder andere trieben einen heimlichen Handel -mit den Hunden ihres Landesherrn. Vielfach suchten die Forstbeamten die -Pflichten der Untertanen noch auszudehnen und die Strafen zu erhöhen. -Dabei nahmen sie den dritten Teil der Strafgelder als sogenannte -„Ruggebühr“ ein. Man kann sich denken, welchen Gebrauch sie von solcher -Vollmacht machten, um sich möglichst zu bereichern. Auch den Müllern -wurde am Ausgang des 17. Jahrhunderts an Stelle der Pflicht zur -Schweinemast die noch lästigere Pflicht des Fütterns der Jagdhunde des -Landesherrn aufgebürdet. Die Leineweber dagegen mußten die Leinewand -für das Jagdzeug zu einem billigen Preise anfertigen. Es handelte sich -dabei meist um große Beträge; allein das kleine Hessen-Kassel hatte -einen jährlichen Bedarf von 1600 Ellen. Außerdem mußte jeder Jude -alljährlich 1000 Federn für die Federlappen liefern.</p> - -<p>In dieser Zeit der unbeschränkten Macht des großen Grundbesitzes -ward der weidgerechten Ausübung der Jagd eine erhöhte Aufmerksamkeit -geschenkt. Vor allem wurde teilweise schon in der zweiten Hälfte des -17. Jahrhunderts, ziemlich allgemein aber im 18. Jahrhundert eine -Schonzeit des Wildes eingeführt. Dabei war der Gedanke maßgebend, daß -während einer solchen das Wild sich fortpflanzen, heranwachsen und -feist werden sollte, damit der jagdliche Ertrag ein möglichst großer -sei. Viele Landesherren aber, so vor allem derjenige von Württemberg, -hielten sich nicht an die von ihnen hierüber aufgestellten Bestimmungen -und arrangierten zu jeder Jahreszeit, wenn es ihnen gerade einfiel, -ihre mit Massenschlächtereien verbundenen Jagdfeste. In manchen -Territorien aber hielt man strenge auf die Einhaltung der Fristen. -So setzte Hessen-Darmstadt 1776 eine Strafe von 50 Dukaten für das -Erlegen eines Hirsches in der Schonzeit fest; beim zweitenmal ward -die Strafe verdoppelt und beim drittenmal das Recht zur Ausübung der -Jagd aberkannt. Weimar schloß die hohe Jagd am 1. Dezember, Magdeburg -Mitte, Hessen-Darmstadt Ende Februar, in Mainz dagegen hörte die -Hirschjagd schon Ende Oktober auf. Auch in der kleinen Jagd begann man -vielfach dem Wild eine kurze Ruhepause zu lassen, so in der Rheingauer -Forstordnung dem<span class="pagenum"><a id="Seite_589"></a>[S. 589]</span> Hasen die Zeit vom 16. März bis 24. August, den -Rebhühnern vom 2. Februar bis 10. August.</p> - -<p>Trotzdem die von Frankreich übernommene Parforcejagd gerade im 18. -Jahrhundert an manchen deutschen Höfen zur Einführung gelangte, -tauchte andererseits als große Neuerung im Jagdbetrieb das mehrfach -wiederkehrende Verbot der Hetzjagd auf, hervorgerufen durch die -schärfere Ausbildung des Regals und die Ruhe des herrschaftlichen -Wildes. Um die jagenden Hunde den fürstlichen Revieren fernzuhalten, -wurden alle andern als die fürstlichen Jagdhunde „ein für allemahl -abgeschafft“ — so im Rheingau 1737 —, bloß Schweißhunde gestattet, -und diese sollten nur am Riemen für verwundetes Wild Verwendung finden. -Nach wie vor war aber das Hetzen des Wildes quer über die Felder -der Bauern, auch im Frühjahr, dem Adel gestattet. Nur dieser durfte -überhaupt neben dem Landesherrn noch Hunde zur Jagd halten.</p> - -<p>Zu Anfang des 18. Jahrhunderts kamen die zünftigen Weidesprüche -außer Gebrauch und dafür wurden für die Jagdbediensteten Uniformen -eingeführt, für die Bürgerlichen mit Silber, für die Adeligen dagegen -mit Gold durchwirkt.</p> - -<p>Die Pirsch- und Parforcejäger, wie auch die Falkner, hatten ihre -besonderen Abzeichen. Neben dem Weidmesser kam der Hirschfänger auf. -Die alte Form des Hift- oder Jägerhornes hatte sich, seitdem es üblich -geworden war, es aus Metall zu verfertigen, in verschiedene Unterformen -gespalten.</p> - -<p>Der Großtuerei der Zeit entsprechend wurden die Jagden im größten -Maßstabe abgehalten. Am beliebtesten war das sogenannte Hauptjagen, -bei welchem eine Vorbereitung von einigen Wochen, ja Monaten nötig -war. Tausende von Bauern wurden für diese Zeit zum Zusammentreiben des -Wildes aus großem Umkreis ohne irgend welche Entschädigung, vielmehr -mit der Verpflichtung der Selbstbeköstigung, angestellt. Das Anlegen -der Treiberlinien leiteten die Besuchknechte, die frühmorgens mit -dem Leithunde den besten Wildstand, worunter namentlich jagdbare -Hirsche, d. h. solche von zehn und mehr Enden, ermittelten und nach -dem Ergebnisse ihrer Suche die nötigen Anordnungen zur Jagd trafen. -Das Wild wurde von allen Seiten her zusammengetrieben, bis das Revier -so klein geworden war, daß Lappen, Netze und Zeuge hinreichten, um es -einzustellen. Die Treiber hatten Tag und Nacht zu wachen, daß das Wild -nicht ausbrach, bis die nötige Arena zu seiner Abschlachtung durch den -Landesherrn von andern fronenden Bauern errichtet war. Diese bestand -aus<span class="pagenum"><a id="Seite_590"></a>[S. 590]</span> drei Teilen, dem Zwangtreiben, der Kammer und dem Lauf. Es waren -breite, rings von hohen Tüchern eingefaßte Gänge. Mitten in der Arena -war den hohen Herrschaften ein mit grünem Laub und Girlanden verziertes -Bretterhaus gebaut, von dem aus sie dann das Wild ohne die geringste -Gefahr für sich selbst abschießen konnten. War dies alles errichtet, -so wurde der Landesherr davon benachrichtigt und kam mit großem Troß -zum Abstechen des Wildes, das immer wieder durch die Treiberlinien -durchzubrechen versuchte und deshalb seinen Hütern viel zu schaffen -machte. Aus dem ganzen Lande wurden die herrschaftlichen Hunde durch -die Rüdenknechte und Hundejungen aus ihren Pensionaten in den Dörfern -und Städten abgeholt und durch fronende Bauern nach der Stätte des -Hauptjagens gefahren oder in bequemen Tagemärschen zu Fuß dahin -geführt, um an der Jagd teilzunehmen.</p> - -<p>Der Hof fuhr an dem für das Hauptjagen bestimmten Tage mit großem -Gefolge auf den Laufplatz und verabschiedete hier die Wagen, um mit -ihren Gewehren die sichere Bretterhütte in der Arena zu besteigen. -Hinter derselben waren die Kammer- und Leibhunde aufgestellt, während -die andern Fanghunde vor dem die Kammer vom Lauf trennenden Quertuche -ihren Posten fanden. Vom Oberjägermeister und dessen Stellvertreter -wurde durch Öffnen des Quertuches nach Belieben Wild vor die -Herrschaften hereingelassen, damit sie es in aller Bequemlichkeit mit -Musikbegleitung abschießen konnten. Dabei wurden unterschiedslos junge -wie alte, weibliche wie männliche Tiere auf meist qualvolle Weise zu -Tode gebracht. Auf die krank Geschossenen und zu Tode Geängstigten -wurden zur Abwechslung Hunde gehetzt und Schwärmer unter sie geworfen. -Da sie sich nicht flüchten konnten, drängten sie sich zitternd in die -Winkel. Schließlich wurde zum Augenschmaus der Fürstlichkeiten durch -hineingelassene Jäger ein allgemeines Gemetzel unter ihnen angerichtet. -Einem ersten folgte ein zweites, drittes, ja oft viertes Gemetzel, -wobei viele hunderte von Tieren vorgetrieben und langsam abgetan -wurden. Zum Schluß fand ein prunkvolles Essen statt, das bis in die -Nacht dauerte und schließlich in Völlerei ausartete, wobei sehr grobe -Späße getrieben wurden. Am folgenden Tage wurde das zuvor aufgebahrte -Wild von den Jägern zerwirkt und in Fässern eingesalzen, um dann an die -Untertanen verkauft zu werden. Die fronenden Bauern aber brachen die -Tücher, Netze, Federlappen und Zelte ab und hatten die Hunde wieder -ihren Kostgebern zuzuführen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_591"></a>[S. 591]</span></p> - -<p>Weniger kostspielig als solche Hauptjagen waren ähnliche, aber nur -ebensoviel Tage als jene Wochen heischende, die man Bestätigungsjagen -nannte. Zu diesen wurden nur die Bauern der nächstliegenden Dörfer zum -Treiben aufgeboten. Die Hunde jagten das zusammengetriebene spärlichere -Wild in der Kammer und auf dem Lauf umher, bis die Herrschaften es -zusammengeschossen hatten. Noch einfacher und billiger waren die -eingestellten oder Kesseljagen, die in einem Tage bewerkstelligt -werden konnten, indem man einen Waldteil, in welchem Wild steckte, mit -Netzen umstellte. In den umstellten Bezirk begaben sich dann die hohen -Herrschaften mit den losgelassenen Hunden, um hier mit Schießen und -Stechen zu wüten und ein allgemeines Blutbad anzurichten. Wurden die -Netze fängisch gestellt, damit das Wild in die Netze fallen sollte, um -darin mit Flinten und Messern getötet zu werden, so nannte man solch -„ergötzliche Jagd“ Netzjagen.</p> - -<p>Zur Augenweide der hohen Herrschaften wurden auch, wie im alten Rom, -mit Vorliebe Tierkämpfe arrangiert, bei welchen man die Kampflust der -betreffenden Tiere durch Schrecken mit dazwischen geworfenen Schwärmern -zu wecken versuchte. Nutzte das nicht, so ließ man große Hunde unter -sie, um sie durcheinander zu jagen und zu neuem Kampfe zu reizen.</p> - -<p>Von berittenen Jägern mit 4–5 Meuten von je 8–10 Hetzhunden wurden die -Streifjagen auf Schwarzwild abgehalten, wobei die Herrschaften zu Wagen -gefahrlos zusehen konnten. Weniger beliebt war die alte Treibjagd, -wie auch Birsch und Anstand. Auch die an manchen deutschen Höfen -eingeführte Parforcejagd erfreute sich im allgemeinen nur geringer -Sympathie, da das angestrengte Reiten den bequemen Herrn nicht recht -paßte. Zudem erforderte sie einen großen Aufwand, den sich nur größere -Höfe leisten konnten. So kostete sie den Höfen von Hessen-Darmstadt -und Württemberg jährlich etwa 35–40000 Gulden, Summen, die neben der -kostspieligen Maitressenwirtschaft nicht überall leichterhand aus dem -ausgesogenen Lande aufgebracht werden konnten. Die Technik derselben -war seit dem Mittelalter ziemlich unverändert geblieben. Dabei wurde -auch in Deutschland der Leithund wie die Meute während des Jagens -mit französischen Worten geleitet. Hatte man im 16. Jahrhundert dem -gefangenen Hirsch die Schalen gespalten und den Lauf verletzt, um -die jungen Hunde an ihm arbeiten zu lernen, so war man im 18. nicht -mitleidiger gesinnt. Nur fing man es anders an, um denselben Zweck zu -erreichen. Der zu hetzende Hirsch wurde durch einen guten Schützen -leicht verletzt und die ganze<span class="pagenum"><a id="Seite_592"></a>[S. 592]</span> Hundemeute zur Verfolgung der blutigen -Spur veranlaßt. Man nannte das Bilbaudieren. Es geschah nur zur Lust -der nachreitenden Herren und Damen; denn das Fleisch eines so gejagten -und zu Tode gequälten Hirsches war gar nicht zu genießen.</p> - -<p>Noch immer wurde der Hase zu Pferd mit schnellfüßigen Windhunden -gehetzt oder mit dem Habicht gebeizt. Mit letzterem jagte man mit -Vorliebe allerlei Federwild, besonders Rebhühner. Doch war die -Falkenjagd damals nicht mehr in Blüte; ihr war mit dem Untergange des -Rittertums der Lebensnerv abgeschnitten worden. Einer der letzten Höfe, -der solche noch aufrecht erhielt, war derjenige von Hessen-Kassel, an -welchem Landgraf Friedrich 1772 noch einen Oberfalkenmeister mit vier -Falkenknechten und einen Reiherwärter hielt. Doch wurde diese überlebte -Herrlichkeit nach seinem Tode von dessen Nachfolger aufgegeben. Auch -am Württembergischen Hofe wurde die Falkenjagd noch bis zur Mitte des -18. Jahrhunderts geübt. Damals pflegte man die Falkner aus Brabant -kommen zu lassen. Die Habichte dagegen fing man im Lande selbst und -ließ sie durch jene auf die Beize dressieren. Doch wurde ihre Hilfe mit -zunehmender Ausbildung des Schießens auf fliegendes Wild immer seltener -in Anspruch genommen und fiel schließlich ganz weg. In der Mitte des -18. Jahrhunderts überwog in Deutschland das Fangen der Rebhühner mit -Netzen weit das Schießen. Für diesen Netzfang benutzte man, wie einst -für die Habichtbeize, besondere „vorliegende“ Hunde, die mit dem -Aufkommen der Schießjagd zunehmende Bedeutung erlangten. So wurde aus -der Bracke der eigentliche Vorstehhund gezüchtet, der als Hühnerhund -schon am Ausgange des 16. Jahrhunderts erwähnt wird. Er diente damals, -wie auch im 17. und weit ins 18. Jahrhundert hinein, nur zum Aufspüren -und Vorstehen des Wildes, bis dann von Italien her die Aufgabe, das -geschossene Wild zu suchen und zu apportieren hinzutrat und als -unerläßlich für einen vollkommenen Vorstehhund betrachtet wurde. -Während die alte Bracke ihre Raubtiernatur auch beim Jagen beibehalten -und das aufgespürte Wild fangen durfte, nur auf Horn und Ruf Folge -zu leisten hatte, durfte der Vorstehhund dem gefundenen Wild nicht -folgen und es nicht greifen, sondern mußte davor stehen bleiben. Erst -wenn es geschossen war, durfte er es apportieren und bekam nicht wie -jener davon zu fressen oder das Blut zu trinken. Diese Überwindung der -angeborenen Instinkte und Unterordnung unter den menschlichen Willen -wurde dem Hunde vom Menschen in eiserner Zucht durch die Peitsche und -das Halsband mit eisernen<span class="pagenum"><a id="Seite_593"></a>[S. 593]</span> Spitzen innen, an dem er vermittelst der -Leine auf die Jagd geführt wurde, beigebracht. Welch schweren Stand -die Dresseure dabei hatten, kann jeder sich vorstellen, der versucht, -eine Bracke oder einen Laufhund zum Vorstehhund heranzubilden, was -nach den zeitgenössigen Jagdschriftstellern im 17. und 18. Jahrhundert -noch oft vorkam. Diese Grausamkeit wurde geübt, um das Vergnügen des -Menschen zu erhöhen, weil der Jäger mehr Lust beim Schießen als beim -Fang der Hühner durch den Hund empfand. Mitgefühl mit der leidenden -Kreatur hatte auch der Mensch des 18. Jahrhunderts noch nicht; deshalb -wurde auch keine Nachsuche des angeschossenen Wildes gehalten; Lerchen, -Finken und andere Singvögel wurden in Massen gefangen und verzehrt, -die gefangen gehaltenen Singvögel zur Steigerung der Häufigkeit ihres -Gesanges in grausamer Weise wie früher geblendet.</p> - -<p>Wie im frühen Mittelalter legte man damals noch meist mit Palissaden -umgebene Tiergärten zur Lust des Landesherrn und seiner Hofgesellschaft -an. Darin standen außer dem Lusthaus, von dem die Wege strahlenförmig -sich weithin erstreckten, so daß das Wild gesehen werden konnte, sobald -es darüberging, noch allerlei andere Hütten und Gebäulichkeiten, nebst -dem Schießhaus, das am Äsungsplatze lag. Wurde dort auch das Wild -gefüttert und damit zutraulich gegen den Menschen gemacht, so hinderte -das dennoch die hohen Herren und Damen nicht, gemächlich vom im Winter -geheizten Schießhaus aus es zu erlegen.</p> - -<p>Dieser ganze feudale Plunder, wie überhaupt die regalistische -Auffassung des Jagdrechts erhielt ihren Todesstoß im Jahre 1789 durch -den Ausbruch der großen französischen Revolution, welche mit allen -Vorrechten und grundherrlichen Lasten, auch mit dem Jagdrecht auf -fremdem Grund und Boden gründlich aufräumte. In den linksrheinischen, -damals zu Frankreich gehörenden deutschen Gebieten wurden das -Jagdregal und die übrigen Feudallasten um 1800 aufgehoben und auch -nicht mehr hergestellt, als diese Gebiete wieder mit Deutschland -vereinigt worden waren. Dagegen erhielt sich das Jagdregal im -rechtsrheinischen Deutschland bis zum Revolutionsjahr 1848, das -seine völlige Beseitigung, sowie diejenige der übrigen Reallasten -herbeiführte. Mit dem Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden wurden -auch die Jagddienste und die Jagdfolge aufgehoben. Allgemein wurde dem -altdeutschen Grundsatze Geltung verschafft, wonach auf seinem Grund -und Boden ein Jeder jagdberechtigt ist. Allerdings verlieh erst ein -zusammenhängender Flächenraum von 300 Morgen dem Besitzer fort<span class="pagenum"><a id="Seite_594"></a>[S. 594]</span>an -das Recht, die Jagd selbst auszuüben. Diese Bestimmung hat bis auf -den heutigen Tag ihre Giltigkeit behalten. Da nun aber im Deutschen -Reiche etwa 96 von 100 landwirtschaftlichen Betrieben eine Größe unter -300 Morgen aufweisen, sind ebensoviele der ländlichen Eigentümer und -Pächter vom Jagdrecht ausgeschlossen. Die ihnen gehörende Bodenfläche -beträgt mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebsfläche in -Deutschland. Auf diese Fläche ergießt sich nun im Herbst eine Schar -weidlustiger Kapitalisten, die reich genug sind, um sich diesen Sport -leisten zu können. Sie mieten das Jagdrecht von den Landgemeinden, die -dasselbe dem Meistbietenden zusprechen. So gibt es in Deutschland etwa -300000 Jäger auf rund 60 Millionen Einwohner. Diese sind aber auch -als Jagdberechtigte zum Ersatz des Wildschadens verpflichtet. Diese -Verpflichtung wurde zum erstenmal in der österreichischen Jagdordnung -von 1786 ausgesprochen und hat seither überall Anwendung gefunden.</p> - -<p>Hatten im 17. und 18. Jahrhundert die Fürsten und reichen Adeligen eine -rücksichtslose Wildhege und Jagdausübung auf Kosten der Allgemeinheit -ausgeübt, so befriedigten während den Revolutionen die Bauern in nicht -minder rücksichtsloser Weise ihren lange im Stillen genährten Haß gegen -das von jenen gehegte Wild, das jahrhundertelang ungestraft ihre Äcker -verwüsten durfte. Vor allem der Rotwildstand wurde damals bedeutend -dezimiert. Zugleich verdrängte mit Beginn des 19. Jahrhunderts die -Schieß- und Niederjagd die älteren Jagdarten, die immer weniger -weidgerecht gehandhabt worden waren. Das Perkussionsgewehr hatte -die Radschloßflinte verdrängt, aber erst 1820 wurde das Zündhütchen -erfunden, womit die Zündung unabhängig von den Regengüssen gemacht -wurde. Dieser Fortschritt war ein so außerordentlicher, daß die -Erfindung des Hinterladergewehrs durch den Franzosen Lefaucheux, die -schon 1835 erfolgte, lange bei uns unbeachtet blieb und erst in den -1850er Jahren anfing, die alten Vorderlader zu verdrängen. Neben der -durch die Vervollkommnung der Gewehre immer leichteren Schießjagd -verlor auch die früher so überaus wichtige Netzjagd auf kleineres Wild, -besonders Rebhühner, immer mehr an Bedeutung. Dabei wurde der Dressur -eines möglichst vollkommenen Vorstehhundes die größte Wichtigkeit -beigelegt.</p> - -<p>Bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts bestand der Frondienst -der Bauern bei der Jagd noch in Deutschland; erst durch die -Nationalversammlung im Jahre 1848 wurde er in Preußen abgeschafft -und müssen seither die nur noch bei den großen Kesseltreiben gegen -die<span class="pagenum"><a id="Seite_595"></a>[S. 595]</span> Hasen in Dienst tretenden Treiber wie andere Arbeiter für ihre -Arbeit bezahlt werden. Das Jagdvergnügen der Herren bringt vielen -Leuten Verdienst und die Jagdpacht den betreffenden Gemeinden eine -schöne Einnahme. Man hat ausgerechnet, daß der Ertrag der letzteren -etwa 40 Millionen Mark jährlich beträgt. Außerdem betragen die Kosten -von Jagdverwaltung und Betrieb, Jagdschutz und Wildpflege weitere 15 -Millionen Mark jährlich, die ebenfalls zuguterletzt dem Volke zugute -kommen.</p> - -<p>Mit dem Aufschwung der weidgerecht gehandhabten modernen Jagd wurde der -Zucht und Dressur der Jagdhunde, besonders in den letzten 30 Jahren, -die größte Aufmerksamkeit geschenkt. Heute besitzen die deutschen -Jäger mindestens 200000 meist vortrefflich arbeitende Jagdhunde, -deren Fütterung, Dressur und Pflege jährlich etwa 17 Millionen Mark -erfordern, wozu noch der Betrag der Hundesteuer für dieselben in -der Höhe von 1 Million Mark zu rechnen ist. Rechnen wir hinzu den -gewaltigen Umfang der Fabrikation von Gewehren, Munition, Jagdgeräten, -Jagdkleidung, die Reisekosten der Jäger und die Transportkosten des -Wildes, so ergibt sich, daß die Jagd allein in Deutschland einen -Geldumsatz von 130 Millionen Mark jährlich erzeugt. Hiervon fallen -etwa 30 Millionen Mark auf die Verwertung des erbeuteten Wildes, -nämlich 25 Millionen Mark für die rund 25 Millionen <span class="antiqua">kg</span> -Wildbret, 4 Millionen Mark für die Felle und 1 Million Mark für die -Geweihe von Rot- und Damhirschen und Rehböcken. Daraus läßt sich die -große volkswirtschaftliche Bedeutung der Jagd erkennen. Der Wert -des gesamten deutschen Wildstandes wird auf etwa 100 Millionen Mark -geschätzt und bildet einen nicht zu unterschätzenden Bestandteil des -Nationalvermögens, der bedeutende Zinsen abwirft.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_596"></a>[S. 596]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XXV_Die_wichtigsten_Jagdtiere">XXV. Die wichtigsten -Jagdtiere.</h2> - -</div> - -<p>Nachdem wir nun mit den verschiedenen im Laufe der Jahrhunderte in -Europa geübten Jagdmethoden bekannt geworden sind, wollen wir einen -kurzen Überblick über die wichtigsten bei uns gejagten Tiere geben. -Dabei unterscheidet man eine hohe Jagd auf Rotwild, nämlich Hirsch, -Reh, Damhirsch, Elch und Gemse, dann Schwarzwild, d. h. Wildschwein, -ausnahmsweise auch auf den Bär, und eine niedere Jagd auf Hase, Biber, -Eichhörnchen, Murmeltier, Wolf, Fuchs, Dachs, Fischotter, Wildkatze, -Luchs, Marder, Iltis, Wiesel und das verschiedene Federwild, welch -letzteres im folgenden Abschnitt für sich besprochen werden soll.</p> - -<p>Seitdem Ur und Wisent bei uns ausgerottet sind, gilt der <em class="gesperrt">Rot-</em> -oder <em class="gesperrt">Edelhirsch</em> (<span class="antiqua">Cervus elaphus</span>) als das edelste -jagdbare Tier unserer Wälder. Deshalb wurde auch die Jagd auf ihn mit -größtem Gepränge ins Werk gesetzt und besondere Methoden zu dessen -weidgerechter Erlegung ausgebildet. Diese haben wir der Hauptsache -nach kennen gelernt, so daß wir uns hier damit begnügen können, -seine Besonderheiten kurz aufzuzählen. Ein in der Weidmannssprache -als jagdbar und gut bezeichneter Hirsch muß bei der deutschen -Jagd wenigstens 12 Enden an den Stangen seines Geweihes haben und -etwa 150 <span class="antiqua">kg</span> wiegen. Er ist dann sechsjährig, während ein -sogenannter Kapitalhirsch in der Feistzeit bei guter Äsung gegen -300 <span class="antiqua">kg</span> wiegt und 20, ausnahmsweise auch bis zu 24 Enden an -seinem Geweih aufweist. Dieses Geweih sitzt aufrecht auf einem kurzen -Rosenstock, ist vielsprossig einfach verästelt und wird als sekundäres -Geschlechtsmerkmal nur vom Männchen aufgesetzt, um die grimmigen -Kämpfe um den Besitz des Weibchens auszufechten. Im Februar wird -es abgeworfen und jeweilen in den folgenden Monaten mit wachsender -Endenzahl neu gebildet. Während dieser Geweihbildung leben die Männchen -zurückgezogen, bis sie im Juli oder August ihre stolze Kopfzier wieder -voll<span class="pagenum"><a id="Seite_597"></a>[S. 597]</span>endet und „gefegt“, d. h. den lästigen Bastüberzug durch Reiben an -Bäumen entfernt haben. Dabei wird vielfach die ursprünglich weiße Farbe -des Gehörns beeinflußt, so z. B. sind Bruchhirsche, die an Erlen gefegt -haben, an der dunkelbraunen Farbe des Geweihs kenntlich.</p> - -<p>Erst im Miozän begann bei den ungehörnten Vorfahren der Hirsche -das erste bescheidene Geweih sich zu entwickeln, und zwar als -einfache, zunächst mit Haut bedeckte, später von der Haut entblößte -Stirnzapfen ohne jede Spur einer Rose. Darauf folgten chronologisch, -wie es das einzelne Hirschindividuum als kurze Rekapitulation der -Stammesgeschichte bei seiner Entwicklung durchmacht, zunächst das -Spießer-, dann das Gablergeweih mit meist unvollkommen entwickelter -Rose, die als Beweis dafür gelten kann, daß die Geweihe damals -begannen periodisch abgeworfen zu werden. Erst im Pliozän trat als -Weiterbildung des Hirschgeweihs der Sechsender auf, dem sich nach -und nach, durch die unbehinderte Verbreitungsmöglichkeit begünstigt, -Individuen mit noch weiter gegabelten Geweihen anschlossen. Damals -sind die Hirsche über die ganze Nordhemisphäre der Erde gewandert und -haben sich in zahlreiche Arten gespalten, von denen der Edelhirsch in -bezug auf die Geweihbildung die weitaus schönste Form entwickelte. Nach -neunmonatlichem Bestande lockert sich der Stirnzapfen durch Entstehung -gewisser vielkerniger Zellen, der sogenannten Knochenbrecher, bis sich -das Geweih in einer konkaven Fläche vom Stirnzapfen löst.</p> - -<p>Gutgenährte Hirsche im mittleren Lebensalter tragen die stärksten -Geweihe. Reiche Nahrung, unterstützt durch Salzlecken und Genuß von -Kalkphosphaten in assimilierbarer Form, ebenso Trennung von den -Hirschkühen kann die Geweihbildung so ungewöhnlich beschleunigen, -daß schon im dritten Lebensalter statt eines Sechsenders Zehn- und -Zwölfender entstehen, oder ein sonst sechsjähriger Zwölfender im -nächsten Jahre als Sechzehnender erscheint. Umgekehrt verringert -sich im hohen Alter bei Abnahme der Körperkräfte die Zahl der Enden -wieder. Mehr als 20 Enden sind schon sehr selten. Gemäßigtes und -Höhenklima, Sumpf- und Moorboden begünstigen, anhaltend heißes, -tropisches Klima und Ebenen hemmen die Geweihbildung. Auch die -Geweihe gefangener, auf Inseln oder in abgegrenzten Wäldern -lebender Hirsche zeigen, wie diese selbst, einen Rückgang in der -Entwicklung. Außer Erkrankungen der Stirnzapfen können Verletzungen -der Weichteile, insbesondere der Geschlechtsorgane und des Skeletts -die Geweihbildung teilweise oder ganz unterdrücken oder Mißbildungen -der Geweihe hervorrufen. Je<span class="pagenum"><a id="Seite_598"></a>[S. 598]</span> schwerer die Verletzung oder je näher -die Zeit der Verletzung dem Beginn der Geweihbildung war, um so -größer ist die Abnormität in der Geweihbildung. Sonderbarerweise -deformiert die Verletzung einer Vorderextremität beide Geweihteile, -während die Verletzung einer Hinterextremität nur die Mißbildung -einer, und zwar der entgegengesetzten Geweihhälfte zur Folge hat. -Wahrscheinlich ist die letzte Ursache aller Abnormitäten in der -Geweihbildung die Ernährungsstörung, die die Hirsche infolge von -Verletzungen und Krankheiten erleiden. Auch mangelhafte Entwicklung der -Geschlechtsdrüsen spielt dabei mit. So bedingt eine Entwicklungshemmung -der Hoden Geweihlosigkeit. Bei kastrierten Hirschen steht, einerlei ob -sie bei der Kastration ein Geweih trugen oder nicht, die Geweihbildung -still, und einseitig kastrierte werfen das Geweih nur auf einer, und -zwar der Schädigung entgegengesetzten Seite ab und setzen es nur dort -wieder auf.</p> - -<p>Der Edelhirsch bewohnte ursprünglich ganz Europa bis zum 65. Grad -nördlicher Breite und Südsibirien bis zum 55. Grad nördlicher Breite. -Nach Süden hin bilden der Kaukasus und die Gebirge der Mandschurei -die Grenzen seines Verbreitungsgebiets. In allen stärker bevölkerten -Ländern hat er begreiflicherweise stark abgenommen oder ist, soweit -er nicht künstlich gehegt wird, verschwunden. Am häufigsten ist er -noch in Osteuropa und Asien, besonders im Kaukasus und im bewaldeten -südlichen Sibirien zu finden. Er liebt ausgedehnte ruhige Waldgebiete -oder dicht bewachsene Bruchgegenden, bewohnt aber auch, beispielsweise -in Schottland, unbewaldete Berge und findet dort nur in deren Tälern -und Schluchten Verstecke. Seinen Stand oder Wohnort ändert er in -ungestörten Gegenden nur in der Brunstzeit und beim Aufsetzen des -neuen Geweihs, ebenso bei Mangel an Äsung. Er lebt rudelweise nach -Alter und Geschlecht gesondert — nur die Kapitalhirsche leben bis -zur Brunstzeit meist einzeln — tagsüber versteckt, um sich erst -bei Sonnenuntergang auf regelmäßigen, nur infolge von Störungen -aufgegebenen Wechseln aus dem Dickicht nach seinen Äsungsplätzen auf -Feldern, Wiesen und andern lichten Plätzen zu begeben. Dort hält er -sich fressend die Nacht über auf, um sich mit der Morgendämmerung -wieder in sein Versteck zu begeben. Während die Hirsche in den aus -lauter männlichen Stücken bestehenden Rudeln selbst auf ihre Sicherheit -bedacht sein müssen, fällt in den aus männlichen Exemplaren gemischten -Rudeln die Pflicht der Wachsamkeit hauptsächlich den weiblichen -Stücken, den Tieren, zu. So steht an der Spitze solcher Rudel stets -ein Leittier, eine Hirschkuh, von der das<span class="pagenum"><a id="Seite_599"></a>[S. 599]</span> Vordringen des ganzen -Rudels auch in der Brunstzeit so lange abhängt, als das Rudel nicht, -wie man sagt, vom Hirsche gepeitscht, d. h. getrieben wird. Zu Beginn -der in den September und Oktober fallenden Brunstzeit trennen sich die -Männchen, und zwar die älteren vor den jüngeren, von ihren Rudeln, um -die Weibchen aufzusuchen und, beim Rudel angekommen, die schwächeren -Hirsche von ihm zu entfernen. Mit im Nacken angeschwollenem Hals und -windhundartig eingezogenen Weichen geht der Hirsch den Tieren nach und -Nebenbuhlern entgegen, um sie von seinem Harem in grimmigem Kampfe zu -verdrängen. Unterliegt er dabei, so muß er denselben dem glücklicheren -Sieger überlassen; doch entfernt er sich erst, wenn alle Versuche zu -siegen erfolglos waren, unwillig das ihm abgejagte Rudel umkreisend. -Treffen aber gleichstarke Hirsche zusammen, so bekämpfen sie einander -so lange, bis der eine getötet ist oder beide Kämpfer mit den Geweihen -ineinander verschlungen sind und nicht mehr loskommen, wodurch sie -beide dem Hungertode verfallen. Oft bleibt der Streit stundenlang -unentschieden. Nur bei völliger Ermattung zieht sich der Besiegte -zurück. Abends und morgens ertönt der Wald vom Röhren der Hirsche, die -ihre Nebenbuhler zum Kampfe auffordern.</p> - -<p>Nach der Brunstzeit, die jeweilen nach vollkommener Entwicklung des -Geweihes und des Sommerhaares eintritt und mit dem Beschlagen der Tiere -endet, rudelt sich das Rotwild wieder friedlich zusammen. Es bildet -sich das dichtere, warme Winterhaar, und im Februar werfen die starken -Hirsche schon ihr Geweih ab, während die jüngern dieses oft erst im -Mai verlieren. Bei jenen ist es schon im Juni, bei diesen erst wieder -im August vollkommen ausgebildet. Nach dem Abstoßen des Geweihs bildet -sich auch das Sommerhaar aus; ist dieses entwickelt, so wirft die -Hirschkuh im Mai oder Anfang Juni nach einer Tragzeit von 40–41 Wochen -ein, selten zwei Kälber, die der Mutter schon nach wenigen Tagen folgen -und nur während der Brunst auf kurze Zeit von ihr abgeschlagen werden. -Das neugeborene Kalb liegt in einem Versteck zwischen hohem Heidekraut -oder anderem Gestrüpp, bleibt tagsüber sich selbst überlassen und wird -abends von der Mutter aufgesucht und genährt. Verläßt sie es wieder, -so drückt sie das Kleine mit der Schnauze in sein Lager nieder, wo es -zusammengekugelt, den Kopf nach Hundeart dicht beim Schwanze haltend, -den ganzen Tag über ruhig liegen bleibt, ohne auch nur den Kopf zu -erheben. Doch entfernt sich die Mutter nicht weit von ihm; an einer -Stelle unter dem aus der Richtung des Kalbes kommenden Winde ist sie -stets auf seine<span class="pagenum"><a id="Seite_600"></a>[S. 600]</span> Sicherheit bedacht und vertreibt sofort alle sich -ihm nähernden Raubtiere. Bald folgt das Junge der Alten, wächst rasch -heran und trennt sich vor Jahresfrist von der Mutter. Bis zum ersten -Haarwechsel im Oktober trägt es ein weißgeflecktes Jugendkleid. -Im ersten Herbst wird das weibliche Kalb Schmaltier, im folgenden -Übergehendtier, später, wenn es zu tragen beginnt, Alttier genannt, -während das Hirschkalb im ersten Winter Spießer, im zweiten Gabler, -meist aber gleich Sechsender wird. Auch die Stufe des Achters wird -häufig übersprungen, sehr selten aber die des Sechsers und die des -Zehners. Im dritten Jahr ist das Hirschkalb erwachsen.</p> - -<p>Mit der Äsung wechselt der Edelhirsch nach der Jahreszeit ab; im -Herbst hält er sich gern an die Buchen- und Eichelmast, im Winter lebt -er von Baumrinde, Moos und Heidekraut. Dabei zwingt ihn hoher Schnee -aus den höheren Gebirgen auf Vorberge und in Ebenen hinabzusteigen, -wo er sichere, gegen den Wind geschützte Stellen aufsucht, um im -Frühjahr nach dem alten Standort zurückzukehren. In der Brunstzeit -nehmen die starken Hirsche nur wenig Futter zu sich, trinken aber um -so mehr und baden und suhlen mit Leidenschaft, wenn sie das Rudel in -die schützende Deckung gebracht haben. Regelmäßig werden vom Rotwild -in der Nähe seines Standortes angelegte Salzlecken aufgesucht. -Außer Wolf und Luchs ist sein größter Feind der Mensch, der es auf -dem Anstand oder Birschgang schießt, es zu Pferde, zu Wagen und zu -Schlitten beschleicht, es auf Treibjagden, nur noch ausnahmsweise -auf Parforcejagden erlegt und den Hirsch in der Brunstzeit durch das -Nachahmen seiner Stimme auf einer Schneckenschale oder einem besonderen -Instrument, dem Hirschruf, herbeilockt. Getriebenes Rotwild geht -ohne Umstände ins Wasser. Angeschossene, von Hunden heftig verfolgte -Hirsche suchen namentlich in bergigen Gegenden gerne die Bäche auf, -in denen die Hunde den wegen ihrer langen Beine begünstigteren Tieren -nur schwer folgen können. In die Enge getrieben, wehren sie sich, den -Rücken deckend, mit ihrem Geweih tapfer gegen eine ganze Hundemeute, -indem sie damit wuchtige Stöße austeilen. Selbst dem Menschen können -sie gefährlich werden. So wurde unter anderen auch der griechische -Kaiser Basilius im Jahre 886 von einem Hirsche, der ihm das Geweih in -den Leib stieß, getötet, nachdem er vorher schon einmal durch einen -solchen beinahe das Leben verloren hätte. Sonst wird das Edelwild auch -von Fliegen, Mücken und Bremsen in hohem Maße gepeinigt. Es läßt sich -leicht zähmen und zum Fahren und Reiten, wie auch zu verschiedenen -Kunst<span class="pagenum"><a id="Seite_601"></a>[S. 601]</span>stücken abrichten. So fuhr nach Pausanias die Priesterin der -Diana an deren Tempel zu Paträ in Achaia beim jährlich einmal prunkvoll -durch eine Prozession gefeierten Feste der Göttin auf einem von zahmen -Hirschen gezogenen Wagen. Nach Älius Lampridius fuhr auch Kaiser -Heliogabalus in Rom mit vier Hirschen, und nach Flavius Vopiscus führte -Kaiser Aurelian bei dem Triumphe, den er 273 nach Besiegung der Königin -Zenobia von Palmyra und des gallischen Gegenkaisers Tetricus in Rom -abhielt, einen einst dem Gotenkönige gehörenden Wagen mit, an den -vier Hirsche gespannt waren. Außerdem ließ er im Zuge 20 Elefanten, 4 -Königstiger, verschiedene zahme Löwen, 200 verschiedene Bestien aus -Syrien, Giraffen, Elche und andere Seltenheiten vorführen. Sehr beliebt -waren die Hirsche bei den Jagdspielen in der Arena. So ließ Kaiser -Probus bei solchen einmal tausend Hirsche auf einmal in die Arena -los. Wie reich müssen die Wälder damals noch an solchem Wild gewesen -sein, daß eine so große Zahl derselben auf einmal zur Augenlust des -Pöbels zu Tode gehetzt werden konnte. Daneben hielt man schon damals -in den Parks der Vornehmen zahmes Rotwild, worunter gelegentlich auch -als Rarität Albinos. So sah Pausanias um 160 n. Chr. in einem Park -in Rom weiße Hirsche, konnte aber nicht angeben, woher sie stammten. -Noch im Mittelalter waren sie an manchen Orten sehr zahlreich; so -wurden im Jahre 1619 auf einer Treibjagd in Preußen 672 Hirsche, 614 -Tiere und 179 Kälber erlegt, darunter ein Zwanzigender von über 360 -<span class="antiqua">kg</span> Gewicht. Das Rotwildbret ist geschätzt, nur zur Brunstzeit -ist es wegen des ihm anhaftenden strengen Geschmacks unbeliebt; aus -seiner Haut verfertigt man ein starkes, weiches Leder und aus seinem -Geweih die verschiedensten Gegenstände. Leider ist der Schaden, den das -Rotwild anrichtet, viel größer als der Nutzen, den es bringt. Nur aus -diesem Grunde ist es in den intensiver bevölkerten Gegenden Europas -ausgerottet worden.</p> - -<p>Weit kleiner, deshalb auch viel weniger schädlich und infolgedessen -auch seine Haltung mit den modernen forstwirtschaftlichen Grundsätzen -besser vereinbar ist das <em class="gesperrt">Reh</em> (<span class="antiqua">Capreolus caprea</span>), -das schon nach anderthalb Jahren ausgewachsen ist. Im Vergleich -zum Edelhirsch ist es gedrungener gebaut und sein Kopf kurz und -abgestumpft. Das Gehörn zeichnet sich durch breite Rosenstöcke und -verhältnismäßig starke, mit weit hervortretenden Perlen besetzte -Stangen aus. Gewöhnlich setzt die Hauptstange nur zwei Sprossen an, -so daß das ganze Gehörn nicht mehr als sechs Enden hat. Und diese -Sechserstufe erreicht<span class="pagenum"><a id="Seite_602"></a>[S. 602]</span> das Reh so schnell, daß seine Altersbestimmung -dadurch unmöglich ist. Sein Alter, das auf 15–16 Jahre, in seltenen -Fällen aber auch bis 20 Jahre geht, ist nicht leicht, am sichersten -noch am Gebiß zu bestimmen. Das Gehörn steht wie beim Hirsch in -innigstem Zusammenhang mit der geschlechtlichen Reife des Rehes. So -bekommen Rehböcke, die in frühester Jugend ihrer Hoden beraubt wurden, -kein eigentliches Gehörn, sondern eine als Perückengehörn bezeichnete -unförmliche Wucherung, die auch entsteht, wenn die Hoden, etwa durch -einen Schuß, verkümmern. Falls aber die Böcke nach der Ausbildung des -Gehörns ihrer Hoden beraubt werden, werfen sie das Gehörn überhaupt -nicht ab. Auch hier macht sich die Entfernung oder Verletzung nur eines -Hodens am Gehörn der anderen Körperseite geltend. Die ersten Spieße -werden im Februar oder März gefegt, und in der Regel im darauffolgenden -Dezember abgeworfen. Auf diese sogenannte Kopfspießerstufe folgt -die Schmalspießerstufe, wobei die Spieße noch kein scharfes Ende -und auch keine eigentliche Rose, sondern an deren Stelle einen aus -Perlen besetzten Kranz haben. Sie werden im darauffolgenden Dezember, -wenn der Bock 2<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Jahre alt ist, abgeworfen. Erst auf der auf -die Schmalspießerstufe folgenden Gablerstufe zeigt das Gehörn zum -erstenmal wirklich scharf ausgebildete Enden, wodurch es erst zu einer -Waffe wird. Gleichzeitig damit tritt die Geschlechtsreife ein. Mit -dem ersten wahren Sechsergehörn ist der Rehbock vier Jahre alt. Die -hell- bis dunkelbraune Färbung des Gehörns hängt wesentlich von den -Holzarten ab, an denen es gefegt wurde. So färbt die gerbstoffreiche -Rinde der Eiche die Stangen dunkel, während sie an Kiefern ziemlich -hell bleiben. Fortpflanzungsfähige Rehgeißen erhalten nie ein Gehörn; -diese Abnormität in Form kleiner, zwar auf Rosenstöcken stehender, -aber keiner Fegung unterliegender Knöpfe, die nur ausnahmsweise zu -wohlgefegten Gehörnen auswachsen, entsteht nur bei unfruchtbaren Tieren -mit mehr oder weniger zwitterigen, bei alten auch mit entarteten -Geschlechtsorganen. Gelegentlich mag auch eine äußere Verletzung an der -Stirne Gehörnbildung bei Ricken veranlassen; denn bei einer Rehgeiß, -der ein Glassplitter an einer der Stellen, wo der Bock das Gehörn -trägt, eingedrungen war, bildete sich dort ein 11,6 <span class="antiqua">cm</span> langer, -ein wenig gegabelter Auswuchs. Dieses pathologische Geißengehörn -wird wohl niemals abgeworfen, was bei den Böcken etwa Mitte Dezember -geschieht. Nach vier Monaten, etwa Ende April, ist das neue Gehörn -gewöhnlich fertig und gefegt, und zwar bei den stärkeren Böcken früher -als bei den schwächeren.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_603"></a>[S. 603]</span></p> - -<p>In Farbe und Behaarung macht das Rehwild mit der Jahreszeit einen -ähnlichen Wechsel durch wie das Rotwild. Auf die dunkel rostrote, -dünne Sommerdecke, die wesentlich aus sprödem, brüchigem Grannenhaar -besteht, folgt eine braungraue, dichte Winterdecke, die reichlich -mit der weichen, warmen Unterwolle versehen ist. Davon hebt sich der -blendendweiße Spiegel ab, der dem gesellig lebenden Tier bei der Flucht -im Waldesdunkel die Richtung, in der seine Genossen flohen, verrät. -Merkwürdig sind die Haare des Spiegels durch ihre Beweglichkeit. -Der Spiegel kann nämlich zusammengezogen und ausgedehnt werden und -scheint beim sichernden, d. h. bei dem sich über seine Sicherheit -unterrichtenden Tiere viel größer als sonst; beim Äsen dagegen wird der -Spiegel zusammengezogen. Außer den gewöhnlich gefärbten Rehen kommen -auch albinotisch weiße, schwarze und gescheckte vor. Die schwarzen Rehe -werden bei der Umfärbung im Frühling so fahl, daß sie dann nur noch -durch den Kopf als solche gekennzeichnet sind. Zu ihnen rechnet man -auch die sogenannten Schwarzbuckel, Rehe, die im Sommer zwar rotbraun, -im Winter aber an Hals und Rücken, oft sogar bis mitten an den Leib -tiefschwarz gefärbt sind, im übrigen aber die gewöhnliche Färbung der -Rehe zeigen. Gleich der Weißfärbung tritt auch die Schwarzfärbung -plötzlich auf, doch scheint sie mehr oder weniger auf sumpfigem und -moorigem Boden, wie er sich in der norddeutschen Tiefebene vielfach -findet, vorzukommen. Bei Paarungen mit andersgefärbten Rehen vererbt -sie sich viel leichter als Weißfärbung. Wo sich ein schwarzes Reh -zeigt, gibt es in wenigen Jahren mehrere, so daß sich schwarzes Rehwild -leicht vermehren lassen würde.</p> - -<p>Das Verbreitungsgebiet des Rehs erstreckt sich mit Ausnahme der -nördlichsten Länder über ganz Europa und den größten Teil von Asien. In -der Schweiz und in Südeuropa ist es fast ausgerottet. Seinen liebsten -Stand bilden nicht die großen, zusammenhängenden Waldungen, wie sie der -Hirsch bevorzugt, sondern die gleich Inseln in den Feldern zerstreut -liegenden Wälder. Es zieht nicht die reinen Nadelholzgegenden, sondern -diejenigen vor, in denen Laubholz mit abfallenden Früchten, wie Eichen, -Buchen, Ebereschen, Elsbeeren usw. an blumenreiche Wiesen mit kräftigem -Graswuchs stößt. Das Strauchwerk des Untergrundes bietet ihm in den -jungen Trieben vorzügliche Äsung und zugleich ein geschütztes Lager.</p> - -<p>Niemals bildet das Reh so starke Trupps wie das Edelwild. Während des -größten Teils des Jahres lebt es familienweise zusammen<span class="pagenum"><a id="Seite_604"></a>[S. 604]</span> ein Bock -mit einer, seltener zwei bis drei Ricken und deren Jungen; nur da, -wo es infolge starken Abschusses an Böcken fehlt, gewahrt man Rudel -von 12–15 Stück. Im Winter vereinigen sich bisweilen mehrere Familien -und leben längere Zeit miteinander. Die Kälber halten sich bis zur -nächsten Brunstzeit zu den Ricken, werden dann von diesen abgeschlagen -und bilden oft eigene Trupps für sich. Während des Tages hält sich das -Reh in einer ruhigen, geschützten Stelle des Walddickichts verborgen -und tritt gegen Abend, in Gegenden, wo es ungestört bleibt, bereits in -den späteren Nachmittagsstunden, auf junge Schläge, Wiesen oder Felder -mit saftigem Klee oder kräftig sprossender Saat, besonders Roggen, -heraus, um zu äsen. Dabei ist es wählerisch und nascht von allem nur -das Beste, bleibt auch beim Äsen nie lange an demselben Platz, sondern -sucht sich Abwechslung zu verschaffen. Es leckt gern Salz und scheint -in der Zeit des vollen Pflanzenwachstums nur dann zu trinken, wenn es -krank ist. Sein geringes Wasserbedürfnis deckt es von der Feuchtigkeit -der aufgenommenen Pflanzenteile und von dem in den Blattwinkeln -abgelagerten Tau oder Regen.</p> - -<p>Zuerst tritt die alte Geiß mit anbrechender Nacht vorsichtig aus -dem schützenden Walde heraus, um in der Nähe ihrer Kitze, die im -Dickicht ruhen, zu äsen. Auf den geringsten Klageton derselben kommt -sie angstvoll herbeigerannt, um jene zu beschützen und einen etwa -sich an sie heranschleichenden Fuchs mit den Vorderläufen in die -Flucht zu schlagen. Auf den ersten Warnungsruf der Mutter drücken -sich diese Tierchen, solange sie erst unbeholfen zu gehen vermögen, -mit vorgestrecktem Kopf fest in ihr Lager im dichten Unterwuchs oder -hohen Gras. Erst wenn sie 4–6 Wochen alt sind, folgen sie der Mutter -zu den Äsungsplätzen. Sie knuppern auch hier und da ein wenig am Gras -oder Klee, aber es schmeckt ihnen noch nicht, da ihre Verdauungsorgane -nur Milch zu bewältigen vermögen. Während der Nacht bleiben die Rehe -auf den Wiesen und Feldern, um mit der Morgendämmerung wieder ihre -Verstecke im angrenzenden Wald aufzusuchen. An gewitterigen Tagen sind -sie sehr unruhig, benutzen kaum die üblichen Wechsel und ist auch ein -Birschgang auf sie an den gewöhnlichen Äsungsplätzen erfolglos.</p> - -<p>Ende Juni schwellen den Rehböcken die Hoden an und beginnt die -Brunstzeit, die im Juli auf der Höhe ist und bis in den August hinein -andauert. Von Geilheit getrieben umwirbt der Rehbock ungestüm die -Geiß, die sich nicht gleich willfährig zeigt und sich lange im<span class="pagenum"><a id="Seite_605"></a>[S. 605]</span> Kreise -herumdreht und sich dem Bocke, dessen sie sich kaum erwehren kann, zu -entziehen sucht. Der in voller Begierde hinter der brunstigen Geiß -herziehende Bock vergißt alle Vorsicht, stößt röchelnde Laute aus und -folgt in immer kleiner werdenden Bogen der Geiß, die sich schließlich -beschlagen läßt. Da der Bock in dieser ruhelosen, angestrengten Zeit -wenig frißt und häufig beschlägt, wird er immer matter. Trotzdem -springt er noch Wochen nach der Brunst auf den Ruf der Geiß und ist -seine Kampfbegier gegen Nebenbuhler noch größer als zuvor. Grimmig -kämpfen die Böcke um die Weibchen und können dabei mit ihrem Gehörn -so aneinander geraten, daß sie sich nicht wieder trennen können und -verfolkelt, wie der Jäger sagt, elend verhungern müssen.</p> - -<p>Das im Eileiter befruchtete Ei des Rehs verweilt ohne sich weiter -zu entwickeln bis nach Mitte Dezember, also volle 4<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Monate im -Fruchthalter, der auch keine Veränderung zeigt. Erst dann beginnt -es sich rasch zu entwickeln und die Gebärmutter auszudehnen, so daß -der Keimling nach etwa 25 Tagen sich nur noch zu vergrößern braucht. -Vierzig Wochen nach erfolgreichem Beschlage, also im Mai, setzt die -Rehgeiß an dem stillen Orte, an den sie sich zu ihrer Entbindung -zurückgezogen hat, ein bis zwei, selten drei Kitze, die der Mutter -schon nach wenigen Stunden, allerdings zunächst recht unbeholfen, -in spinnenhaften Bewegungen zu folgen vermögen. Nach der Brunstzeit -gehen die vorübergehend von der Mutter abgeschlagenen Kitze wieder -mit ihr und oft gesellen sich noch die zweijährigen hinzu. Bis zum -September ist der Sprung gesammelt und Ende September tun sich mehrere -derselben, aber selten mehr als 8–10 Rehe, zu Rudeln zusammen, die der -inzwischen wieder von den Strapazen der Brunst erholte Bock führt. Das -Verfärben beginnt jetzt wieder und schreitet je nach der Witterung -rascher oder langsamer vor. Mitte Oktober ist kaum mehr ein braunrotes -Reh anzutreffen. Um diese Zeit werfen schon einzelne starke Böcke ihr -Gehörn ab; die meisten aber verlieren ihr Gehörn erst im November, -manche sogar erst im Dezember oder gar im Januar.</p> - -<p>Einst waren außer dem Menschen, der mit Schlingenstellen und Schießen -ihm nachstellte, Bär, Wolf und Luchs die schlimmsten Feinde des Rehs. -In Mitteleuropa kommt nur noch der Fuchs in Betracht, der unabläßlich -den Rehkitzen und kranken älteren Rehen nachstellt. Angeschossenem -Rehwild folgt der Fuchs auf der schweißigen Fährte wie der beste Hund; -findet er es noch lebend auf dem Wundbett, so beschleunigt er den Tod -durch Zerreißen der Halsadern, ist es aber schon verendet, so beginnt -er es von der Wunde aus anzuschneiden. Auch<span class="pagenum"><a id="Seite_606"></a>[S. 606]</span> Wildkatze, Baummarder -und Iltis stellen den Kitzen eifrig nach und kennen deren Fiepton und -Angstschrei genau. Von den mitteleuropäischen Vögeln wird nur der Uhu -den jungen Rehen gefährlich, im Hochgebirge und in Asien auch der -Adler. Eine besondere Klasse von Feinden, gegen die die Rehe vollkommen -machtlos sind, bilden die den Hirsch greulich peinigenden Dassel- oder -Bießfliegen und Bremsen, deren Larven entweder in den Schleimhäuten -der Nasenhöhle oder im Unterhautzellengewebe besonders des Rückens -schmarotzen und ihrem Träger arg zusetzen, ja ihn gelegentlich zugrunde -richten können. Lästig werden auch Zecken, Läuse und verschiedene -Eingeweidewürmer; ebenso sind ansteckende Krankheiten, worunter -besonders die Tuberkulose und Wild- oder Rehseuche, zu erwähnen.</p> - -<p>Wegen ihrer Anmut und ihres zutraulichen Wesens werden Rehe schon -seit alter Zeit als Hausgenossen gehalten. Der um die Mitte -des 1. Jahrhunderts n. Chr. in Rom lebende Spanier Columella -schreibt in seinem Buche über den Landbau: „Wilde Tiere, wie Rehe -(<span class="antiqua">capreolus</span>), Antilopen, Hirsche und Wildschweine, hält man -entweder zu eigenem Vergnügen, oder zum Verkauf und Gewinn. Im ersteren -Falle genügt jeder nahe am Wohnhaus gelegene umzäunte Platz und man -füttert und tränkt sie aus der Hand; im zweiten muß ein Stück Wald, der -auch Wasser enthält, für das Wild bestimmt und ummauert oder mit Latten -umzäunt werden.“ Plinius meint, die Rehe und Wachteln ernähren sich von -Gift, werden dabei dick und fett, sind aber gleichwohl die gutmütigsten -Tiere der Welt. Tatsächlich fressen Hirsche und Rehe in der Brunstzeit -mit Vorliebe Pilze, worunter auch giftige, die ihnen nicht schaden. -Merkwürdigerweise behauptet derselbe Plinius in seiner Naturgeschichte, -daß das „kleine, ästige Gehörn des Rehwilds“ nicht abfällt. Dies und -daß es von den antiken Schriftstellern kaum erwähnt wird, beweist, daß -es schon damals in den Mittelmeerländern fast ausgerottet war.</p> - -<p>Das eingefangene Rehkitzchen gewöhnt sich sehr rasch an seine Umgebung, -sowohl an Mensch als auch an Tier. Es spielt mit dem Hunde wie mit -seinesgleichen, legt bald alle Scheu ab, ist für Leckerbissen sehr -empfänglich, klettert auf Bänke und Tische und wird der verhätschelte -Liebling aller. Bei der Ricke kann diese Liebenswürdigkeit länger -anhalten und bleibt sie mit zunehmendem Alter ein angenehmer -Hausgenosse, aber es empfiehlt sich, zur Zeit der Brunst ein wachsames -Auge auf sie zu haben, falls Wald in der Nähe ist und Rehe dort stehen. -Ist ihr der Weg zum Walde abgeschnitten, dann<span class="pagenum"><a id="Seite_607"></a>[S. 607]</span> bleibt sie dem Hause -treu. Der gefangen gehaltene Rehbock jedoch wird schon nachdem er -seine Spitzen gefegt hat, unangenehm, er gefährdet Kinder und Frauen -durch seine Stöße, tyrannisiert alle Haustiere, besonders die braven -Jagdhunde, die genau wissen, daß sie ihm nichts tun dürfen, und muß -regelmäßig früher oder später eingesperrt oder einem zoologischen -Garten geschenkt werden. Hier ist ihm in der Regel trotz sorgsamer -Pflege und vielfältiger Fütterung kein sehr langes Leben beschieden, -da der Aufenthalt in einem eingehegten, wenn auch noch so großer -Wildpark sein Gedeihen ungünstig beeinflußt. Er gehört in den Wald, -dessen Zierde er ist, und bildet die bevorzugte Beute des Weidmanns, -der ihn auf Anstand oder Ansitz, auf dem Birschgange, durch Blatten -oder Treiben mit Hunden erlegt. In Deutschland werden alljährlich etwa -200000 Rehe geschossen, die drei Millionen Kilogramm Wildbret geben und -einem Verbrauchswert von 3–4 Millionen Mark gleichkommen. Das Wildbret -vom Reh ist sehr kurzfaserig und liefert deshalb einen sehr zarten -Braten. Das Mark der Röhrenknochen gibt ausgelassen ein vorzügliches -Fett zum Schmieren von Gewehrschloß und anderen Stahlwerkzeugen. Die -Gehörne bilden Material zu allerlei Zierat, das Fell liefert Decken und -Leder, mit Haaren vom Winterfell werden feinere Reitsättel gefüttert. -Jedenfalls ist aber der Schaden, den das Reh in jungen Schlägen -anrichtet, größer als sein Nutzen.</p> - -<p>Im Gegensatz zu dem in der Gefangenschaft hinfälligen Reh, das sich -auch keineswegs regelmäßig im Zwinger fortpflanzt, ist der zwischen -Rotwild und Renntier stehende <em class="gesperrt">Damhirsch</em> (<span class="antiqua">Dama vulgaris</span>) -für das Leben in Parks wie geschaffen. Man kann sich auch kaum eine -größere Zierde solcher großer Anlagen beschaffen als eben das Damwild, -das seinen Namen davon tragen soll, daß es das Wild der Damen ist. -Es ist weit weniger scheu als Hirsch und Reh, treibt sich an lichten -Waldstellen oft ungescheut am hellen Tage umher und wechselt weder so -regelmäßig noch so weit wie der Rothirsch. Im engeren Wildpark wird es -so neugierig-zutraulich, daß es den Namen Wild kaum mehr verdient und -es schon ein ganz schlimmer „Schießer“ sein muß, der am Niederknallen -eines so wenig scheuen liebenswürdigen Geschöpfes noch ein Vergnügen -findet. Mit seinen bunten Farben und seiner unruhigen Lebhaftigkeit -ist es zur Belebung einer Parklandschaft wie geschaffen, und -tatsächlich bevölkert es auch, besonders in England, die Umgebung aller -Sommerschlösser, für deren nicht selten gelangweilte vornehme Bewohner -es gewiß viel unterhaltender ist als<span class="pagenum"><a id="Seite_608"></a>[S. 608]</span> das scheu sich zurückziehende -Rotwild. Nur muß man junge Bäume und Anpflanzungen gegen das Damwild -noch sorgfältiger schützen als gegen das Rotwild, da es noch mehr -wie dieses das Schälen, d. h. Abnagen der Rinde und Verbeißen, -d. h. Abfressen der sprossenden Zweige und Blätter, jene beiden großen -Verbrechen des Wildes in den Augen des Forstmanns und Gärtners, sich -zuschulden kommen läßt. Doch kann man diese Neigung, der zweifellos -bestimmte physiologische Bedürfnisse zugrunde liegen, dadurch ablenken, -daß man den verschiedenen, in der modernen Forstwirtschaft allerdings -streng verpönten Unterholzsträuchern im Park ihre Stelle läßt, außerdem -auch durch rationelle Fütterungs- und Leckeinrichtungen von Salz mit -Lehm und aromatisch bitteren Stoffen abschwächt.</p> - -<p>Was die geographische Verbreitung des Damhirsches betrifft, so hat -es, wie verschiedene Knochenfunde beweisen, vor der Eiszeit ganz -Mitteleuropa bis Norddeutschland bewohnt, wurde aber durch die -Klimaverschlechterung während derselben in die Länder am Mittelmeer bis -zur Sahara verdrängt. Von dort wurde er erst in der Neuzeit durch den -Menschen künstlich wieder in Mitteleuropa eingeführt, wo er im Altertum -und Mittelalter vollkommen fehlte. Heute ist er bis Südschweden und -Norwegen verpflanzt worden. Am frühesten kam er nach England, wo es -schon 1465 dunkelfarbiges Damwild im königlichen Park von Windsor gab. -Unter dem Großen Kurfürsten wurde er um 1680 nach der Mark Brandenburg -und unter Friedrich Wilhelm I. um 1730 nach Pommern gebracht. -Hier überall gedeiht der Damhirsch bei einiger Winterpflege recht gut, -aber er ist fast zu einem Haustier geworden, dessen Färbung manchem -Wechsel unterworfen ist. Gewöhnlich ist er loh- oder gelbbraun, auf dem -Kopf und obern Hals dunkler gefärbt und auf dem Rücken vom Nacken bis -zum Schwanzende mit einer dunklen Linie gezeichnet. An Rumpf und Hüften -ist er mehr oder weniger deutlich weißgefleckt und an der Unterseite -des Körpers weiß. Daneben gibt es aber auch fleckenlose braune, -gelbe, fast schwarze und ganz weiße Damhirsche mit allen Übergängen -ineinander. Im allgemeinen ist das Damwild im Sommer mehr rötlich -gefärbt und deutlicher gefleckt, im Winter dagegen mehr grau und fast -fleckenlos. Charakteristisch ist sein bei völliger Ausbildung unten -drehrundes, oben handförmig ausgebreitetes Geweih, das je einen Mittel- -und Augensproß nach vorn entsendet.</p> - -<p>Das Damwild liebt hügeliges Land, in welchem sanfte Täler mit niederen -Anhöhen abwechseln, ebenso lichte Laubwaldungen und Haine,<span class="pagenum"><a id="Seite_609"></a>[S. 609]</span> deren Boden -mit kurzem Gras bewachsen ist. Es gleicht in seiner Lebensweise dem -Rotwild, ist nur unsteter und unruhiger, hält an seinem Standort und -seinem Wechsel im allgemeinen fester als jenes und pflegt auch stärkere -Rudel zu bilden. Seine Feistzeit fällt in den September, die Brunst -tritt im November ein und etwa einen Monat später als beim Edelhirsch -wirft das etwa acht Monate lang tragende Tier ein oder zwei bis zur -folgenden Brunstzeit von ihm gesäugte Kälber, die, falls es Männchen -sind, im zweiten Jahr runde, sich in jedem Frühling erneuernde und -sich allmählich zerteilende Geweihstangen erhalten, an denen zuerst -Augen-, dann Mittelsproß und zuletzt die schaufelförmig erweiterte, -nach hinten zerteilte Spitze auftritt. Die alten Damhirsche werfen im -Mai, die jungen Spießer im Juni ihr Geweih ab, das sich bis zum August -oder September erneuert. Das Damwild liefert zarteres Wildbret und eine -weichere und elastischere, aber auch schwächere Haut als das Rotwild -und wird ebenso gejagt und benutzt wie dieses. Seine Munterkeit bewahrt -es auch in engerer Gefangenschaft, an welche es sich leicht gewöhnt.</p> - -<p>Einst über ganz Mitteleuropa verbreitet, aber heute hier überall -ausgerottet ist der <em class="gesperrt">Elch</em> (<span class="antiqua">Alces machlis</span>). Diese -hochbeinige, stattliche Hirschart mit plumpem Körper, großem Kopf, -dicker Schnauze und im männlichen Geschlecht mit Kehlbart und -mächtigem, fast wagrecht verlaufendem schaufelförmigem Geweih liebt -moorreiche Waldungen. Wenigstens tummelt sich der Elch vom April bis -September fast ausschließlich im Sumpf, über dessen Schlammboden ihn -die großen, breiten, tief gespaltenen Hufe leicht tragen. Früher war -er westlich bis Großbritannien und Frankreich, südlich bis in die -Lombardei verbreitet. In Norditalien scheint er bereits zur römischen -Kaiserzeit ausgestorben gewesen zu sein. Der Grieche Pausanias -schreibt um 170 n. Chr.: „Der Elch (<span class="antiqua">alkḗ</span>) sieht dem Hirsch -und dem Kamel ähnlich, bewohnt das Land der Kelten. Menschen können -es nicht aufspüren und es kann daher nur erlegt werden, wenn man -große Strecken einkreist und dann immer näher zusammenrückt.“ Um 208 -schaffte Gordian als Konsul nach Julius Capitolinus 10 Elche für die -Jagdspiele nach Rom und 273 ließ Kaiser Aurelian auch dieses Tier -als Schaustück aus Gallien in seinem Triumphzuge aufmarschieren. In -Gallien verschwand der Elch schon im 5. Jahrhundert n. Chr. Länger -blieb er in Deutschland erhalten. Im Walde Viergrund bei Nördlingen -in Bayern erlegten zwei Hofleute des Königs Pipin einen Elch, dessen -riesenhaftes Geweih sich im Original und in einer Abbildung bis heute -erhielt. Im<span class="pagenum"><a id="Seite_610"></a>[S. 610]</span> 10. Jahrhundert lebte der Elch noch in Flandern, im 14. -in Böhmen; im 16. war er schon in Mecklenburg und dem größten Teile -Deutschlands ausgerottet. In Sachsen wurde das letzte Exemplar dieser -Tierart 1746, in Schlesien 1746, in Galizien 1760 erlegt. In Ungarn, -wo es noch im 17. Jahrhundert Elche gab, waren zu Ende des 18. keine -mehr vorhanden. Aus Westpreußen ist der Elch erst zu Anfang des 19. -Jahrhunderts verschwunden, in Ostpreußen wird er im kaiserlichen Forst -von Ibenhorst gehegt. In Skandinavien, Nordrußland und Sibirien kommt -er noch in inselartiger Verbreitung vor, verträgt sich aber nirgends -mit geordneter Forstwirtschaft, da er ein schlimmer Waldfrevler ist, -fast ausschließlich von Sträuchern und jungen Bäumen äst, und zwar -nicht bloß deren Blätter und junge Schößlinge, sondern namentlich -auch die Rinde und holzigen Zweige bis zu Fingerdicke. Im Februar und -März schält er die Rinde der Nadelholzgewächse, später diejenigen der -Laubbäume, und zwar ist für ihn als Sumpfhirsch das Lieblingsgesträuch -die Werftweide. Im Winter bilden Baumknospen seine Hauptnahrung. Wo -er sich sicher fühlt, zieht er Tag und Nacht, beunruhigt dagegen vor -Sonnenunter- und Aufgang seiner Nahrung nach, um die übrige Zeit im -Dickicht oder Moore zuzubringen. Nach der Sättigung legt er sich nach -Rinderart zum Wiederkauen nieder.</p> - -<p>Im allgemeinen friedfertig und gesellig lebt der Elch familienweise; -nur die starken Hirsche bleiben bis gegen die Brunstzeit allein. In -der Brunstzeit im August bis September verhalten sich die Männchen -ähnlich den Rothirschen, fordern auch durch Schreien ihre Nebenbuhler -heraus und kämpfen wütend mit ihnen um den Besitz der Weibchen. -Besiegte Elchhirsche, die keine Tiere zur Begattung finden, geraten -in eine Art Koller, der sie unaufhörlich herumschweifen, wohl gar in -bewohnte Gegenden laufen und ebenso abmagern läßt wie die glücklicheren -Geschlechtsgenossen. Das beschlagene Tier zieht sich gegen das Ende -der 40 Wochen betragenden Tragzeit in einsame Sumpfgegenden zurück, wo -es meistens zwei Kälber setzt, die es sorgsam beschützt und ernährt. -Nach drei Jahren sind die Weibchen erwachsen, die Männchen dagegen -erst im fünften Jahre, wobei sich bei ihnen das Geweih schaufelartig -auszubreiten beginnt. Ein ausgewachsener Elchhirsch wiegt 330 -<span class="antiqua">kg</span>, ein ausgewachsenes Elchtier dagegen nur 280 <span class="antiqua">kg</span>, -während ein eben gesetztes Elchkalb 10–12 <span class="antiqua">kg</span> wiegt. Der Elch -erreicht nur ein Alter von 20 Jahren und hat besonders unter den -Angriffen der rudelweise jagenden Wölfe zu leiden, die ihn im Winter -auf dem Eise leicht zu Falle bringen. Gefährlich ist ihm auch der Bär, -der gern einzelne<span class="pagenum"><a id="Seite_611"></a>[S. 611]</span> Elche beschleicht, ebenso der Luchs, der Elchkälbern -auflauert und sie bei Entfernung der Mutter überfällt und abwürgt. Bei -mehrmaliger Beunruhigung ändert der Elch seinen Stand, haßt überhaupt -mehr als die übrigen Hirsche alle Störungen aufs tiefste und verläßt -eine Gegend, in der er wiederholt behelligt wurde. Jung eingefangene -Elche werden leicht zahm und wurden früher in Schweden zum Ziehen -von Schlitten abgerichtet; doch bleiben sie in der Gefangenschaft -nur verhältnismäßig kurze Zeit am Leben und sterben an zunehmender -Abmagerung vorzeitig dahin. Das Zusammensein mit Vertretern lebhafter -Hirscharten ist dem Elch zuwider; nur mit den ruhigen, gelassenen -Renntieren verträgt er sich gut, eignet sich aber wegen seiner -Hinfälligkeit in der Gefangenschaft nicht zur Domestikation.</p> - -<p>Ein trefflich kletternder Bewohner des Hochgebirges ist die kluge -<em class="gesperrt">Gemse</em> (<span class="antiqua">Capella rupicapra</span>), die ein ausgesprochenes -Tagtier ist und durch ihr bei aller blitzartigen Entschlossenheit doch -ruhig überlegendes Wesen sich vorteilhaft von der kopflosen Scheu -und nervösen Schreckhaftigkeit der mehr nächtlichen hirschartigen -Waldtiere unterscheidet. Sie bewohnte früher das Vorland der Gebirge, -bis sie sich in harter Bedrängnis durch den Menschen auf das für -ihn schwer zugängliche Hochgebirge zurückzog. Aber auch da ist sie -nicht wie der Steinbock ein reines Felsentier, sondern eigentlich -ein Bewohner des obersten Waldgürtels, wo sie am liebsten weilt. -Früh zieht sie zur Äsung auf bekannte Weideplätze, um bis um 10 -Uhr saftige Kräuter allerlei Art und junge Triebe von Sträuchern, -besonders Alpenrosen, zu fressen, dann wandert sie einem Waldbestand -oder einem Legföhrendickicht zu, um hier wiederzukauen. Um 4 oder -5 Uhr wird sie wieder rege, zieht auf den Äsungsplatz, wo sie bis -zur Nacht, bei Mondschein bis 10 oder 11 Uhr, frißt, um dann die -Nacht über in gedeckter Stellung teilweise wiederkauend zu ruhen. -Auf der Flucht entwickelt sie eine überraschende Sprungfertigkeit -und Kletterkunst. Mit ihren sehnigen langen Läufen mit starken, -scharfrandigen Hufen springt sie dann bis 7 <span class="antiqua">m</span> weit und schnellt -sich an senkrechten Wänden bis 4 <span class="antiqua">m</span> in die Höhe. Im Notfall -rutscht sie mit zurückgestemmtem Körper und scharf gegen das Gestein -eingesetzten Hinterhufen schnurrend die steilsten Wände hinunter und -auch ein Absturz bis zu 100 <span class="antiqua">m</span> soll ihr nicht schaden, wenn sie -nur unten auf weichen Schnee fällt. Droht oben Gefahr, so eilt sie -mit wilden Sätzen abwärts, wobei sie 10–15 <span class="antiqua">m</span> hohe Bergwände -herunterspringt, um hart an der Wand zu entkommen. Im Winter rutscht -sie oft zum Vergnügen auf dem Bauch<span class="pagenum"><a id="Seite_612"></a>[S. 612]</span> mit vorgestemmten Füßen steile -Schneehalden hinunter, wobei sie in hockender Stellung so lange mit -den Hinterbeinen sich abschnellt, bis sie ins Gleiten gekommen ist. -Ihre Sinne, besonders der Geruch, sind vortrefflich ausgebildet; dabei -ist sie in hohem Grade wachsam und unterscheidet sehr wohl harmlose -Menschen vom sich an sie heranschleichenden Jäger.</p> - -<p>Als höchst geselliges Tier vereinigt sich die Gemse zu ziemlich großen -Rudeln von 30–40 Stück, die die Geißen, deren Kitzchen und die jüngeren -Böcke bis zum zweiten, höchstens dritten Jahre umfaßt. Alte Böcke leben -außer der Paarungszeit für sich oder vereinigen sich nur vorübergehend -mit einigen wenigen ihresgleichen. Im Rudel übernimmt eine alte, -erfahrene Geiß die Leitung, doch wachen alle älteren Mitglieder -desselben abwechselnd für die Sicherheit des Trupps. Jede Gemse, die -etwas Verdächtiges gewahrt, drückt dies durch ein weithin vernehmbares, -mit Aufstampfen des einen Vorderfußes verbundenes Pfeifen aus, worauf -das Rudel, sobald es sich von der Tatsächlichkeit der Gefahr überzeugt -hat, sofort die Flucht ergreift. Gegen die Paarungszeit hin, welche -um Mitte November beginnt und bis Anfang Dezember währt, finden sich -die starken Böcke bei den Rudeln ein, indem sie sich dumpfgrunzend um -die Geißen bewerben. Bei ihrem Erscheinen stieben die jungen Böcke -erschreckt auseinander. Da die starken Böcke keinen Nebenbuhler bei dem -von ihnen mit Beschlag belegten Rudel dulden, setzt es unter den geilen -Gesellen grimmige Kämpfe ab, wobei der unterliegende Bock gelegentlich -einen Abgrund hinuntergestoßen oder ihm mit dem spitzen nach rückwärts -gebogenen Gehörn auch der Bauch oder eine andere Körperstelle -aufgerissen wird. Zuerst werden die jüngeren, dann die älteren Geißen -beschlagen. Dabei läßt der Bock von einer bei ihm viel stärker als -bei der Geiß anschwellenden Drüse hinter den Krickeln einen für uns -widrig duftenden, den Geißen aber angenehmen und sie sexuell erregenden -Duft ausströmen. Bei der Brunst, während welcher er beständig erregt -ist und kaum etwas frißt, magert der Gemsbock stark ab, um sich nach -Ablauf derselben allerdings rasch wieder zu erholen. Die Satzzeit fällt -auf Ende Mai oder Anfang Juni. Während jüngere Geißen stets nur ein -Kitzchen setzen, gebären alte deren zwei, ausnahmsweise auch drei, die -ungemein rasch heranwachsen, schon im dritten Monat Hörner erhalten und -bereits im dritten Jahr die volle Größe der Alten erreicht haben.</p> - -<p>Ungeachtet mancherlei Gefahren und der harten Bedrängnis schnee<span class="pagenum"><a id="Seite_613"></a>[S. 613]</span>reicher -Winter vermehren sich die Gemsen da, wo sie gehegt und nur in -vernünftiger Weise abgeschossen werden, ungemein rasch und sind eine -unvergleichliche Zier unseres Hochgebirges. Die Jagd auf sie ist -ein beschwerdereiches Vergnügen, das einen ganzen Mann verlangt. -Ihr Wildbret ist vorzüglich und übertrifft an Wohlgeschmack noch -dasjenige des Rehs, das als das beste der einheimischen Wildarten -gilt, bei weitem durch seinen würzigen Beigeschmack. Das Fell wird -zu einem vorzüglichen Wildleder verarbeitet, die Hörner zu allerlei -Zierat verwendet, während die 20–23 <span class="antiqua">cm</span> langen, schwarzen -Haare mit gelb-weißer Spitze, die als eine Art Mähne dem Rücken -entlanglaufen, als „Gamsbart“ in Nachahmung einer Tiroler Sitte einen -beliebten Hutschmuck auch für die Städter im Reisekostüm bilden. Nur -jung eingefangene Gemsen lassen sich zähmen. Sie werden zunächst mit -Ziegenmilch, dann mit saftigen Kräutern, Kohl, Rüben und Brot ernährt -und einer gutartigen Ziege mit deren Zicklein zugesellt, in deren -Gesellschaft sie zu allerlei keckem Spiel aufgelegt sind. Zutraulich -drängen sie sich an ihren Pfleger heran, um sich Futter zu erbitten. -Erst in erwachsenem Zustande kommt bei ihnen meist eine gewisse -Wildheit zum Durchbruch, die sich durch nachdrücklichen Gebrauch ihrer -Hörner bekundet. In einem Stalle behagt es ihnen nicht. Auch im Winter -wollen sie Tag und Nacht im Freien zubringen und begnügen sich auch im -Schnee mit ein wenig Streu als Lager. Alt eingefangene Gemsen bleiben -immer furchtsam und scheu und pflanzen sich in der Gefangenschaft -kaum je fort. Von jung eingefangenen Gemsen hat man in verschiedenen -Tiergärten Junge gezüchtet.</p> - -<p>Häufiger als auf Gemsen findet sich für den deutschen Weidmann -Gelegenheit, auf Sauen zu jagen. Das <em class="gesperrt">Wildschwein</em> (<span class="antiqua">Sus -scrofa</span>) ist der einzige Vertreter der Schweinefamilie in ganz -Europa. Mit Vorliebe wählt es sich feuchte, sumpfige Gegenden zu -seinem Aufenthaltsort, gleichgültig, ob diese bewaldet oder mit -Sumpfwuchs bestanden seien. Nur wo es verfolgt wird, zieht es sich -in das Waldesdickicht zurück, um darin unter tiefbeasteten Fichten -oder im Gestrüpp tagsüber zu ruhen, wobei es sich eine mit Moos und -Farnen gepolsterte Vertiefung im Boden zum bequemen Lager herrichtet. -Mit einbrechender Dämmerung erhebt es sich, um zunächst einer -Suhle zuzustreben, in welcher es sich ein halbes Stündchen wälzt. -Wenn alles ruhig geworden ist, sucht es mit Vorliebe die reifenden -Getreidefelder und Kartoffeläcker auf, um sich darin gütlich zu tun. -Dabei frißt es weit weniger als es verwüstet, weshalb es dem Landmanne -begreif<span class="pagenum"><a id="Seite_614"></a>[S. 614]</span>licherweise so verhaßt ist. Sonst sucht das Wildschwein in -Wald und auf Wiesen Erdmast in Form von Trüffeln, fleischigen Wurzeln, -Kerbtierlarven, Würmern, Schnecken, aber auch Mäusen und anderen -kleinen Säugetieren nebst Leichen aller Art; im Herbst und Winter -ernährt es sich vorzugsweise von abgefallenen Eicheln, Bucheln, -Haselnüssen und Kastanien, verfolgt angeschossenes und kränkelndes -Wild, um ihm den Garaus zu machen, und frißt in der Not die eigenen -Jungen. Beim Fressen sichert es häufig mit emporgehaltenem Rüssel, -zumal wenn es aus einem Dickicht ins Freie und über einen Weg wechselt. -Fällt ihm etwas Verdächtiges auf, so entfernt es sich nach Ausstoßen -eines schnaubend-fauchenden Tons so geräuschlos, daß man glauben -könnte, es sei in die Erde verschwunden. Das unbedeutendste verdächtige -Zeichen genügt, das scheue Tier zu vertreiben. Geruch und Gehör sind -bei ihm seiner nächtlichen Lebensweise entsprechend ausgezeichnet, -während das Gesicht mangelhaft ist. Den Jäger erkennt es an der -Witterung, nicht an seiner Gestalt. Verfolgt stürzt es sich ohne -Bedenken in reißende Ströme, um sie zu überschwimmen, wobei es sehr -geschickt und ausdauernd schwimmt.</p> - -<p>Als sehr geselliges Tier pflegt sich das Wildschwein zu Rudeln -zusammenzutun, und zwar die stärkeren Keiler für sich, während die -Bachen genannten Weibchen mit den Frischlingen und geringen Keilern -gehen. Vom dritten Lebensjahre an leben die dann Hauptschweine -genannten Männchen als Einsiedler und schlagen sich erst zur -Paarungszeit, zur sogenannten Rauschzeit, zu den Rudeln der Weibchen, -um deren Besitz sie mit gleichstarken Keilern erbitterte Kämpfe -führen. Die geringeren Keiler werden vertrieben, wenn sie sich zur -Rotte, wie man eine Herde Wildschweine nennt, gesellen. Abgeschlagene -Wildschweine suchen ihren Geschlechtstrieb vielfach bei Herden von -zur Eichel- oder Buchelmast in den Wald getriebenen Hausschweinen zu -befriedigen, wodurch dann Blendlinge entstehen, die wegen ihres wilden -und scheuen, mit schlechter Mastfähigkeit gepaarten Temperaments dem -Zuchtsauenbesitzer wenig willkommen sind. Den Hauptschutz der Keiler -bei ihren grimmigen Kämpfen mit den Nebenbuhlern bildet ein an den -Schulterblättern zwischen Haut und Fleisch, oft bis zwei Finger dicker -„Schild“ aus hornartiger weißer Masse. Harnisch dagegen nennt man die -feste Kruste, die sich an Brust und Vorderschulter der Keiler durch -Reiben an den Stämmen Harz ausschwitzender Fichten bildet, deren Harz -die Borsten und die Unterwolle zu einer harten, schützenden Decke -zusammenklebt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_615"></a>[S. 615]</span></p> - -<p>Schon ehe das Wildschwein vollkommen ausgewachsen ist, wird es -fortpflanzungsfähig. Von Ende November bis in den Januar dauert die -Rauschzeit. Nach einer Tragzeit von 20 Wochen wirft die Bache, für sich -abgesondert, so lange sie noch jung ist 4–6, später 10–12 Frischlinge, -die auf gelbgrauem Grunde braune Längsstreifen aufweisen. Es ist -dies ein altmodisches Gewand, das die Vorfahren einst auch erwachsen -trugen. Die Frischlinge werden von der Bache aufmerksam bewacht -und im Falle eines Angriffs mutig verteidigt. Schon der geringste -Klagelaut eines Jungen ruft die Alte herbei, die sich wutschnaubend -auf den Friedensstörer wirft. Die Wildschweine werden 20–25 Jahre alt, -erreichen nur ausnahmsweise ein Gewicht von 225 <span class="antiqua">kg</span> bei einer -Länge von 1,6 <span class="antiqua">m</span> und einer Höhe von 0,5 <span class="antiqua">m</span>. Die einzige -Seuche, die bei ihnen auftritt und sie rasch dahinrafft, ist die -Halsbräune. Sie werden auf dem Anstand, namentlich auf der Saukanzel, -dann auf der Birsch und auf der Jagd mit Treibern und Hunden erlegt. -Jedenfalls ist der Schaden, den sie verschulden, nicht so bedeutend, -daß er ihre vollkommene Ausrottung rechtfertigen würde. Dadurch, daß -sie durch Aufwühlen weiter Bodenstrecken nach Engerlingen (Larven des -Maikäfers) diese Schädlinge ausrotten und gleichzeitig die natürliche -Besamung der Waldbäume erleichtern, sind sie dem Forstmanne geradezu -nützlich. Während sie heute auf freier Wildbahn bei uns selten geworden -sind, werden sie noch vielfach in eingehegten Waldbezirken als -geschätzte Jagdtiere gehalten. Die Jagd auf sie hat seit alten Zeiten -als ein ritterliches Vergnügen gegolten, war es aber nur solange der -Jäger mit der Saufeder ihnen direkt entgegentrat, um sie zu fällen. -Heute aber, wo man sie ohne alle Lebensgefahr auf weite Distanz mit -den weitreichenden Präzisionsgewehren schießt, ist alle Ritterlichkeit -dahin. Ihr Fleisch ist sehr geschätzt, weil es neben dem Geschmack -des Schweinefleisches den des echten Wildbrets hat. Das Gehirn der -Wildsau ist hoch entwickelt, weshalb sie sich leicht abrichten läßt. -Auf den britischen Inseln ist sie wie der Wolf schon seit längerer Zeit -ausgerottet.</p> - -<p>Nur ganz ausnahmsweise kommt ein mitteleuropäischer Jäger auf den -<em class="gesperrt">braunen Bären</em> (<span class="antiqua">Ursus arctos</span>) zu Schuß. Wer diesen in -freier Wildbahn kennen lernen will, der muß schon nach Siebenbürgen -oder Rußland gehen, wo er auch jetzt noch in gewissen Gegenden nicht -selten vorkommt. In Siebenbürgen bewohnt er die Legföhrenregion -des Gebirges, während er in den Rokitnosümpfen Rußlands ein echter -Sumpfbewohner ist, der sich nur zur Winterszeit in trockeneres Gelände<span class="pagenum"><a id="Seite_616"></a>[S. 616]</span> -zurückzieht. Im allgemeinen liebt der Bär schwer zugänglichen oder doch -wenig besuchten, dichten Wald, in welchem ihm Höhlen unter Baumwurzeln -oder in Baumstämmen, im Felsengeklüfte, mit reichem Unterholz -bewachsene Inseln in Brüchen Obdach und Ruhe vor seinem Erzfeinde, dem -Menschen, gewähren. Er kann 2 <span class="antiqua">m</span> Länge, 1 <span class="antiqua">m</span> Höhe und ein -Gewicht von 300 <span class="antiqua">kg</span> erreichen und trägt im Winter ein dichtes, -zottiges, langhaariges Fell, im Sommer dagegen ein viel kürzeres, -dünneres und dunkleres von brauner bis schwarzer Farbe. Trotz seines -schwerfälligen Körperbaues ist er ein gewandtes Tier, das im tiefen -Schnee Sprünge von 3,5–5,5 <span class="antiqua">m</span> machen kann und auch beim Klettern -eine große Gelenkigkeit zeigt. Mit seiner urwüchsigen Kraft, die ihn -einen 350 <span class="antiqua">kg</span> schweren Hirsch aus einer Grube zu ziehen und -weit wegzuschleppen erlaubt, verbindet er eine ungeheure Ausdauer und -Zähigkeit im Ertragen von Strapazen und im Aushalten von Verwundungen. -Während sein Geruch und Gehör ausgezeichnet sind, ist das Gesicht bei -ihm nur schlecht entwickelt. Seine geistigen Fähigkeiten sind sehr -gute, doch ist er bei aller Gutmütigkeit höchst falsch und mißtrauisch, -liebt Behaglichkeit ungemein, greift aber, sobald er gereizt wird, -sofort an. Er ist seinem Gebiß und der Beschaffenheit seiner Eingeweide -nach Allesfresser, hält sich im allgemeinen aber mehr an Pflanzen- -als Fleischkost. Monatelang kann er sich mit Früchten, besonders -Eicheln, Bucheln und Haselnüssen, dann Beeren aller Art, reifendem -Mais, saftigem Hafer und anderem Getreide neben Schnecken, Käfern und -Insektenlarven ernähren. Wo ihm aber Gelegenheit dazu geboten wird, -ergreift er gern Wild oder größere Haustiere des Menschen, besonders -Rinder und Schafe, um sie zu fressen. Kann er keine lebenden Tiere -haben, so begnügt er sich auch mit Aas. Meist schlägt er sein Opfer mit -einer seiner kräftigen Vorderpranken am Rücken, wobei die scharfen, -langen Krallen tief ins Fleisch eindringen, und beißt es dann am Halse -tot. Beim Verzehren des gestreckten Tieres reißt er ihm zuerst die -Brust auf, um die Eingeweide zu verzehren. Was er nicht fressen kann, -wird notdürftig von ihm verscharrt oder mit Reisig bedeckt und später -wieder aufgewühlt. In Siebenbürgen sind außer Haustieren, besonders -Rindern, Wildschweine und Rehe seine gewöhnlichen Opfer, während er in -Rußland außerdem auch Elche erbeutet. Begieriger als nach jeder anderen -Nahrung ist er aber nach Honig. In den Bäumen, in deren Höhlungen -wilde Bienen wohnen und ihre Vorräte angelegt haben, kratzt und beißt -er Löcher, um zu der von ihm so geliebten süßen Speise zu gelangen.<span class="pagenum"><a id="Seite_617"></a>[S. 617]</span> -Wasser kann er nicht längere Zeit entbehren. Solange sein Standquartier -wasserreich genug ist, um seinen Durst zu stillen, verläßt er es nie. -Erst wenn ein sehr heißer Sommer Wassermangel herbeiführt, besucht er -benachbarte, mit Wasser versehene Gegenden, um sofort in sein Revier -zurückzukehren, sobald dessen Wassermangel vorüber ist.</p> - -<p>Bei der Eichel- und Buchelmast im Herbst hat er sich genug Fett -angemästet, um im geschützten Lager gekrümmt, mehr auf der Seite als -auf dem Bauche liegend über die für ihn schlimme Jahreszeit zu ruhen. -Ein Winterschlaf ist es kaum zu nennen; denn es ist mehr ein duselndes -Wachen, bei dem er niemals die angeborene Vorsicht außer acht läßt. -Kurze Zeit nach dem Lagern sind die Bären noch unruhig; besonders die -schlechtgenährten verlassen das Lager häufig, um sich, weil ihnen die -gegen Kälte schützende Fettschicht der feisten fehlt, durch Bewegung -zu erwärmen. Sobald sie beunruhigt werden, erheben sie sich, um ein -anderes Lager zu beziehen. Eingeschneite oder in Höhlen lagernde -Bären liegen am festesten. Bärinnen mit Jungen und alte, früher schon -einmal angeschossene Bären sind am ängstlichsten und erheben bei jedem -verdächtigen Geräusch den Kopf, um sich bei nahender Gefahr beizeiten -zu flüchten.</p> - -<p>Solange der Winter anhält, bleibt der Bär im Lager, wobei sich seine -Sohlen häuten. Sobald Tauwetter eintritt, erhebt er sich, reckt und -streckt und schüttelt sich und geht zunächst auf die Beerensuche, -wobei er mit seinen Pranken die die Moosbeerensträucher bedeckende -Schneeschicht beseitigt, um zu den roten Beeren zu gelangen. Im Mai -oder Anfang Juni suchen sich meist zur Nachtzeit, mitunter schon -in der Dämmerung, laut brummend Bär und Bärin, um sich zu paaren. -Indessen hält sich die Bärin nicht nur an einen Bären, so daß es unter -den Männchen nicht selten harte Kämpfe absetzt, die mit dem Tode des -schwächeren endigen können. Um die Mitte des Winters, im Dezember oder -Januar, wirft die Bärin in ihrem weich mit Moos, Gras und Blättern -ausgestopften Lager das erste Mal höchstens zwei, später drei, auch -wohl vier, im Alter aber schließlich nur ein Junges, um vom 16.-18. -Jahre an gelte, d. h. unfruchtbar, zu bleiben. Im Gegensatz zum Bären -wechselt sie häufig ihr Lager und spielt mit den Jungen auf dem Schnee, -den sie nicht selten vollständig festtritt. Sie bleibt aber länger im -Winterlager als das Männchen. Erst wenn die Jungen ihr folgen können, -verläßt sie es, um zunächst nur in der Nähe umherzustreifen und die -Jungen im Aufsuchen von Fraß, im Klettern und in andern Dingen zu -unterrichten. Können die Jungen<span class="pagenum"><a id="Seite_618"></a>[S. 618]</span> einige Strapazen aushalten, so zieht -die Familie weiter, wobei die Bärin als Beherrscherin ihres Distrikts -jedes Vorkommnis mißtrauisch überwacht und sich dem Eindringen des -Menschen standhaft und mutig widersetzt, auch die Jungen tapfer -verteidigt, während sie nicht selten die unbeholfenen Säuglinge bei -Gefahr verläßt. Sind die Jungen so weit selbständig, daß sie sich -ernähren und erhalten können, so verteidigt sie dieselben fast gar -nicht mehr. Die Jungen beziehen auch, falls die Mutter nicht wieder -trächtig ist, immer denselben Distrikt zum Überwintern, aber besondere, -niemals weit von dem jener entfernte Lagerplätze. Ist die Bärin aber -trächtig, so duldet sie die Jungen unter keinen Umständen in ihrem -Distrikt, sondern vertreibt sie mit Beißen und Ohrfeigen. Von den -Jungen, die von diesem Zeitpunkte an selbständig sind, geht jedes im -nächsten Frühjahr seinen eigenen Weg. Erst im fünften oder sechsten -Jahre werden sie fortpflanzungsfähig. Vom Menschen aufgezogene Bären, -die selbständig fressen und ihren Fraß selbst aufsuchen können, sind -ungemein schwer auszusetzen und arten förmlich zu Haustieren aus, die -sich nicht mehr vertreiben lassen.</p> - -<p>Zur Jagd auf den Bären gehört persönlicher Mut, kaltes Blut und -vollständige Sicherheit in der Handhabung der Waffe; dann ist sie -ebenso ungefährlich wie die auf irgend ein anderes Raubtier. Sie wird -in verschiedenen Gegenden auf verschiedene Weise betrieben. Entweder -wird der Bär mit einer Treiberkette und einer Hundemeute aus dem zuvor -festgestellten Lager getrieben oder in diesem selbst geschossen. Im -Frühjahr und Herbst, wo er Aas am begierigsten annimmt, jagt man ihn -auf dem Anstand bei geschlagenem Vieh. Gewöhnlich besucht der Bär das -Aas erst nach eingetretener Dämmerung oder in der Nacht und ist in der -Dunkelheit schwer zu treffen. Auch durch Selbstschüsse auf den von ihm -begangenen Wechseln und in Tellereisen wird er gefangen. Sein Fleisch -ist wohlschmeckend, besitzt zwar durch Reichtum an Glycogen wie das -Pferdefleisch einen nicht jedermann zusagenden süßlichen Geschmack; -doch sind die Schinken gesalzen und geräuchert ausgezeichnet. Sein -weiches, kaum je ranzig werdendes Fett, das einen guten Ruf als ein den -Haarwuchs beförderndes Mittel besitzt, wird gut bezahlt und sein Fell -gilt 60–250 Mark.</p> - -<p>Das gemeinste Beutetier der mitteleuropäischen Jäger ist der -<em class="gesperrt">Feldhase</em> (<span class="antiqua">Lepus vulgaris</span>), der ganz Mitteleuropa und -einen Teil des westlichen Asien bewohnt. Im Süden vertritt ihn der -kleinere und rötlich gefärbte Hase der Mittelmeerländer, im hohen -Norden der Schnee<span class="pagenum"><a id="Seite_619"></a>[S. 619]</span>hase und im Hochgebirge der Alpenhase, welch -letztere im Sommer bräunlichgrau, im Winter aber bis auf die schwarzen -Ohrspitzen weiß gefärbt sind. Die Nordgrenze der Verbreitung des -Feldhasen geht von Schottland über Südschweden zu den Gegenden am -Weißen Meer; in Sibirien fehlt er. Er hält sich am liebsten auf -ausgedehnten, fruchtbaren Ebenen, auch an lichten Waldrändern auf, -kommt jedoch im Innern von großen, dichten Wäldern selten vor, wird -aber in Gebirgsgegenden noch regelmäßig in der Laubholz-, seltener -in der Nadelwaldregion angetroffen. In den Alpen steigt er bis zu -1600 <span class="antiqua">m</span> und im Kaukasus fast bis zu 2000 <span class="antiqua">m</span>. Er ist -im allgemeinen mehr ein Nacht- als ein Tagtier, obwohl man ihn an -heiteren Sommertagen schon vor dem Untergang der Sonne und noch am -Morgen im Felde, wo er seine Nahrung sucht, umherstreifen sieht. Für -gewöhnlich verläßt er sein Lager oder das ihn bergende Gehölz erst -bei Sonnenuntergang, vor Eintritt der Dämmerung, um sich zum Äsen und -Spielen ins Freie zu begeben. Bei Sonnenaufgang sucht er wieder sein -Lager auf, um tagsüber zu ruhen. Höchst ungern verläßt er den Ort, -an welchem er aufgewachsen und groß geworden ist. Er ernährt sich -von Gras, jungem Getreide und allerhand saftigen Kräutern, in harten -Wintern auch von saftiger junger Baumrinde, besucht aber zu allen -Jahreszeiten gern die Kohl- und Gemüsegärten. Er äst nachts und bringt -den ganzen Tag, das Auge auch im Schlaf weit geöffnet, schlummernd -in einem zwischen Erdschollen oder Gebüsch wohlversteckten, immer -gegen den Wind geschützten Lager zu, worin er sich bei stürmischem -Schneewetter gern vergräbt oder einschneien läßt. Nie geht er gerade -auf den Ort los, wo er ein altes Lager weiß oder ein neues machen will, -sondern läuft erst ein Stück über den Ort, wo er zu ruhen gedenkt, -hinaus, kehrt um, macht wieder einige Sätze vorwärts, dann wieder -einen Sprung seitwärts und verfährt so noch einige Male, bis er mit -dem weitesten Satz an den Platz gelangt, auf dem er bleiben will. Bei -der Zubereitung des Lagers scharrt er im freien Felde eine etwa 5–8 -<span class="antiqua">cm</span> tiefe, am hintern Ende etwas gewölbte Höhlung in die Erde, -welche so lang und breit ist, daß der obere Teil des Rückens nur sehr -wenig sichtbar bleibt, wenn er die Vorderläufe ausstreckt, auf diesen -den Kopf mit anliegenden Löffeln ruhen läßt und die Hinterbeine unter -den Leib zusammendrückt.</p> - -<p>Der Feldhase verläßt sich mehr auf sein scharfes Gehör als auf -sein schlechtes Gesicht, erlaubt dem Menschen, den er weniger als -Hunde fürchtet, auf seine Schutzfärbung vertrauend, oft ganz nah -an ihn heran<span class="pagenum"><a id="Seite_620"></a>[S. 620]</span>zukommen. Plötzlich aufgeschreckt, verläßt er sich -lediglich auf die Schnelligkeit seiner Beine, läuft jedoch selten -lange geradeaus und nähert sich, Winkel und Hacken schlagend, bald -wieder seinem Lager. Weit davon vertrieben, kehrt er, am folgenden -Tage anderswo aufgeschreckt, gern dahin zurück. Bei der eiligen -Flucht läuft er am liebsten ebenaus oder bergan, da er sich wegen -seiner kurzen Vorderbeine beim Laufen bergab leicht überschlägt. -Ist dem fliehenden Hasen ein Hund dicht auf den Fersen, so schlägt -er, um ihn an sich vorbeischießen zu lassen und einen Vorsprung in -umgekehrter Richtung zu gewinnen, einen plötzlichen Hacken; drängt -ihn die Not, so durchschwimmt er auch Teiche und Flüsse. Viermal -im Jahre setzt die Häsin nach einer Tragzeit von je 30 Tagen 2–4 -Junge, die sehr ausgebildet, mit offenen Augen zur Welt kommen. Nur -während der ersten 5–6 Tage verweilt sie bei ihren Kindern, dann aber -überläßt sie dieselben ihrem Schicksal, kehrt nur während 14 Tagen -von Zeit zu Zeit zum Ort zurück, wo sie die Brut verließ, lockt sie -mit einem eigentümlichen Geklapper mit den Löffeln herbei und läßt -sie saugen. Bei Annäherung eines Feindes verläßt sie freilich ihre -Kinder, obwohl auch Fälle bekannt sind, daß alte Häsinnen die Brut -gegen Raubvögel und Raben verteidigten. Die Geschwister entfernen -sich zunächst nur wenig voneinander, wenn auch jedes sich ein anderes -Lager gräbt. Abends rücken sie zusammen auf Äsung aus und morgens -gehen sie gemeinschaftlich nach dem Lager zurück. Erst wenn sie -halbwüchsig sind, trennen sie sich voneinander. Nach 15 Monaten sind -sie erwachsen, können sich aber schon im ersten Jahre fortpflanzen. -Ihre Lebensdauer schätzt man auf 8–10 Jahre; doch stirbt der Hase wohl -nie an Altersschwäche, sondern wird vor der Zeit von einem seiner -zahlreichen Feinde erbeutet und gefressen. Außer dem Menschen stellen -ihm alle kleineren Raubtiere und größeren Raubvögel, selbst der -Storch, nach. Vom Menschen wird er am häufigsten auf Treibjagden und -in Kesseltreiben erlegt, doch auch auf dem Anstand geschossen und mit -Hunden aufgesucht. Durch wiederholte Jagden gewitzigt, erhebt er sich -schon beim Vernehmen des Jagdlärms vom Lager, um sich an ihm bekannte -geschützte Orte zu flüchten. Gefangene Hasen werden leicht zahm, -gewöhnen sich ohne Weigerung an alle Nahrung, die man den Kaninchen -füttert, sind jedoch empfindlich und sterben leicht dahin. Bringt man -junge Hasen zu alten, so werden sie regelmäßig von diesen totgebissen. -Außer ihrem wohlschmeckenden Fleisch wird auch das Fell verwendet. Aus -der von Haaren entblößten und gegerbten Haut ver<span class="pagenum"><a id="Seite_621"></a>[S. 621]</span>fertigt man Schuhe und -eine Art Pergament oder benutzt sie zur Leimbereitung.</p> - -<p>Ein überaus seltenes Wild Mitteleuropas ist der <em class="gesperrt">Biber</em> (<span class="antiqua">Castor -fiber</span>), der früher hier häufig war, aber dem Menschen und seiner -Kultur weichen mußte. Unablässig verfolgt, ist er in den meisten -Gegenden, am frühesten in den Mittelmeerländern, ausgerottet worden. -Die Griechen nannten ihn <span class="antiqua">kastor</span> und die Römer <span class="antiqua">fiber</span> -und machten Jagd auf ihn nicht sowohl seines geschätzten, weichen -Felles wegen, als besonders zur Erlangung des Bibergeils. Dieses -befindet sich in Form einer gelblichen, schmierigen, eigentümlich nach -Karbolsäure riechenden Masse in zwei birnförmigen, zu beiden Seiten -der Geschlechtsöffnung gelegenen Beuteln und spielt vor allem zur -Brunstzeit zur gegenseitigen Anlockung der Tiere eine große Rolle. -Besonders beim Männchen sind die Kastorbeutel stark entwickelt und wird -ihr Inhalt an bestimmten Stellen entleert. Die Anziehungskraft dieses -Geils ist so groß, daß sich Biber, die, dadurch angelockt, in eine -Falle gerieten, aber entkamen, schon nach wenigen Tagen in einer andern -Falle fangen, darunter sogar Tiere, die in Eisen Fußteile eingebüßt -hatten. Dem Menschen diente es von alters her als geschätzte Arznei. -So sagt schon der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte: „Der Biber -trägt einen Arzneistoff an sich, den man <span class="antiqua">castoreum</span> nennt. Bei -drohender Gefahr beißt er sich den Teil, worin jener Stoff enthalten -ist, selbst ab, weil er wohl weiß, weshalb man ihn jagt. Übrigens hat -der Biber ein entsetzliches Gebiß, fällt, wie mit Stahl, Bäume an den -Flüssen; und hat er einen Menschen gepackt, so läßt er nicht eher los -als bis die Knochen zersplittert sind. Er sieht aus wie ein Fischotter, -hat aber einen Fischschwanz (d. h. einen fischartig mit Schuppen -bedeckten Schwanz). Sein Haar ist weicher als Vogelflaum.“</p> - -<p>Noch im Mittelalter war der Biber in allen Ländern nördlich von den -Alpen zu finden. In England kam er noch ums Jahr 1188 als seltener -Bewohner des Flusses Teify in Wales vor, wurde aber dann auch hier -ausgerottet. An einzelnen Flußgebieten Mitteleuropas hielt er sich in -kleinen Kolonien bis gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts. In Böhmen, -wo die Biber schon im 18. Jahrhundert ausgestorben waren, führte -man 1773 aus Polen wieder welche ein, die sich, aus ihrem Zwinger -gebrochen, so stark vermehrten, daß sich einmal über hundert Familien -um Wittingau vorgefunden haben sollen. Als sie jedoch begannen die -Dämme zu untergraben, begann man einen Vernichtungskrieg gegen sie, -der 1865 nur noch zehn übriggelassen hatte.<span class="pagenum"><a id="Seite_622"></a>[S. 622]</span> Zur Gewinnung des noch -immer gesuchten Bibergeils fielen die letzten Tiere bald Wilddieben zur -Beute. Das allerletzte hatte man in einem Zwinger im Rosenberger Teiche -untergebracht, wo es im Januar 1883 starb. Auch in Österreich-Ungarn -kommen heute keine Biber mehr vor. Einzelne fanden sich indessen noch -im Jahre 1857 in Siebenbürgen, 1860 in Galizien und 1865 bei Semlin auf -den Inseln zwischen Donau und Sau. Bei Fischamend, an der Mündung der -Fischa in die Donau, wo noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts größere -Biberansiedelungen bestanden, wurden die beiden letzten Biber 1863 -erlegt. In Bosnien und der Herzegowina, wo, wie anderswo, verschiedene -Ortsnamen für das frühere Vorkommen des Bibers zeugen und Skelettfunde -es bestätigen, sind keine Biber mehr zu finden.</p> - -<p>Früher noch als aus Österreich-Ungarn verschwanden die Biber in -Livland. Noch im 18. Jahrhundert lebten sie dort in Ansiedelungen, -und 1724 begünstigten sie in hohem Maße durch ihre Dammbauten die -Überschwemmungen. Aber auch dort führte die große Wertschätzung des -Bibergeils noch mehr als ihr schönes Fell zu ihrer Ausrottung. Im -Jahre 1841 wurde im Quellgebiet der Aa der letzte Biber geschossen. -In Skandinavien, wo der Biber einst sehr häufig war, ist er heute -vielleicht nicht mehr vorhanden. In Mittelrußland scheint er schon -vor Ende des 18. Jahrhunderts ausgestorben zu sein. Nur an einem -Nebenfluß des Pripet im Westen und an der Petschora und Dwina im -Norden leben noch Biber, obschon ihnen wegen des Pelzes und des -vorzüglichen sogenannten moskovitischen Bibergeils stark nachgestellt -wurde. In der Schweiz lebten noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts Biber -an der Steinach bei St. Gallen, sind aber auch dort schon längst -ausgerottet worden. Unter den deutschen Bibern lebten die letzten des -Alpenvorlandes auf bayerischem Gebiet, und zwar an der Sur, einem in -die Salzach fließenden Bach. Auch in den auf österreichischem Gebiet -liegenden Antheringer Auen nordwestlich von Salzburg kam der Biber -noch 1867 vor. Am Rhein sollen die Biber schon vor über 300 Jahren -ausgestorben sein; im Gebiete der Möhne in Westfalen hielten sie sich -länger; dort wurde der letzte talabwärts durch die Ruhr nach dem Rhein -vertrieben und am 2. Oktober 1870 an der Werthausener Fähre erschlagen.</p> - -<p>Heute lebt der Biber auf deutschem Gebiet nur noch in einem -beschränkten Gebiet an der Saale und an der Elbe zwischen Wittenberg -und Magdeburg, wo er als große Seltenheit vom Menschen geschützt -wird, dennoch aber zusehends abnimmt. Nicht selten fängt er sich in<span class="pagenum"><a id="Seite_623"></a>[S. 623]</span> -den Stellnetzen der Fischer oder in den für die Fischotter gelegten -Eisen. Hier lebt er meist paarweise, nur in den stillsten Gegenden zu -größeren Familien vereinigt und meist wie der Fischotter in einfachen -unterirdischen Uferhöhlen hausend. Nur wo er ungestört leben kann -errichtet er seine Burgen mit im Innern backofenförmigen Hütten, wobei, -wie bei den meisten Tieren, das Weibchen der eigentliche Baumeister -ist und das Männchen mehr Zuträger- und Handlangerdienst leistet. -Außerdem baut er nötigenfalls Dämme von bis 150 und 200 <span class="antiqua">m</span> Länge -und 2–3 <span class="antiqua">m</span> Höhe bei einem Durchmesser von 4–6 <span class="antiqua">m</span> unten -und 1–2 <span class="antiqua">m</span> oben, um das Wasser aufzustauen und in gleicher -Höhe zu erhalten. Die so aufgestauten Flüsse überschwemmen dann die -Täler oft auf weite Strecken, bringen dadurch die teilweise unter -Wasser gesetzten Bäume zum Absterben und nachträglichen Umstürzen -und schaffen so künstliche Teiche und Seen. Zum Bau seiner Dämme und -Hütten benutzt der Biber verschieden lange und dicke, der Rinde, von -der er außer dem Blattwerk vorzugsweise lebt, beraubte Knüttel, die -er übereinander schichtet und mit Steinen beschwert und mit Sand, -Schlamm und Lehm verdichtet. Er ist ein durchaus nächtliches Tier, -das sich erst nach Sonnenuntergang von seinem Lager erhebt, um mit -anbrechendem Tag in seinen Bau zurückzukehren. Bei Tage schläft er -auf dem Bauch oder Rücken, nicht aber auf den Seiten liegend, in -seiner sehr rein gehaltenen Wohnung. Er entleert sich seines Kotes -wahrscheinlich nur im Wasser. Nur in kalten Wintern hält er sich, ohne -Winterschläfer zu sein, Tag und Nacht in der Wohnung auf und verläßt -sie nur bei Tauwetter auf kurze Zeit, um neue Nahrung zu holen oder -die Wohnung auszubessern. Schon Ende Februar beginnt die Brunstzeit -des in Einzelehe lebenden Tieres, die bis in den März hinein dauert. -Gegen das Ende der wahrscheinlich sechs Wochen langen Tragzeit bleibt -das Weibchen ungestört in der Wohnung, um 2–3, höchstens 4 blinde, doch -schon behaarte Junge zur Welt zu bringen, die an den vier Brustwarzen -der Mutter saugen, dem Schreien kleiner Kinder ähnlich klingende Töne -hören lassen, acht Tage nach der Geburt die Augen öffnen und bei -günstigem Wetter bald mit ins Wasser genommen werden, wo sie sich -gleich schwimmend und tauchend umhertummeln, auch wohl an den Rücken -der schwimmenden Mutter anklammern. Nach etwa vier Wochen erhalten sie -schon zur Milch Rinde von Espen, Pappeln, Weiden, Erlen und Birken, die -die Mutter ihnen zuträgt; nach weiteren 6–8 Wochen gehen sie selbst -in den Wald, um Rinden abzunagen und den Eltern bei ihren Arbeiten zu -helfen. In<span class="pagenum"><a id="Seite_624"></a>[S. 624]</span> diesem Alter eingefangen, sind sie sehr leicht zähmbar und -können so zahm werden, daß sie ihrem Herrn wie ein Hund überallhin -folgen. Im dritten Lebensjahre werden sie fortpflanzungsfähig und -verlassen die Wohnung ihrer Eltern, um sich selbständig zu machen und -einen eigenen Hausstand zu gründen. Bäume mit Hartholz benagt der Biber -nur, um seine Zähne zu schärfen; sonst hält er sich ausschließlich an -solche mit weichem Holz, und zwar Laubholz. Nadelholzbäume fällt er -nur, wenn sie ihm im Wege stehen, verarbeitet sie aber nicht weiter, -jedenfalls des Harzgeschmackes wegen, der ihrem Holze anhaftet. -Leckerbissen sind ihm die saftigen Wurzelstöcke mancher Sumpf- und -Wasserpflanzen, wie Seerosen, Schilf, Kalmus und Schachtelhalme. -Vor Beginn des Winters sammelt er sich einen Vorrat, wozu er meist -berindete Knüttel seiner Lieblingsnahrung wählt, von denen er, wenn er -Hunger hat, gewöhnlich nur die Rinde und im äußersten Notfall einen -Teil des Holzes verzehrt. Solche Vorratshaufen werden als falsche -Hütten oder unechte Burgen bezeichnet. Besonders große Vorräte trägt -er dann zusammen, wenn ein strenger Winter bevorsteht. Er erreicht ein -hohes Alter, wurde selbst in der Gefangenschaft 50 Jahre alt, und wird -heute kaum je gegessen, da sein Fleisch tranig schmeckt. Außer dem -Menschen hat der freilebende Biber wenig Feinde.</p> - -<p>Ein anderes Nagetier von geringer Bedeutung ist das allbekannte -<em class="gesperrt">Eichhörnchen</em> (<span class="antiqua">Sciurus vulgaris</span>), das die bewaldeten -Gegenden ganz Europas und Nordasiens bewohnt. Meist ist es braunrot, -nur in manchen Gebirgen schwarz gefärbt, klettert vorzüglich von einem -Baum zum andern, ohne auf den Boden zu kommen, lebt von Haselnüssen, -Bucheckern, Eicheln, Nadelholzsämereien, jungen Vögeln und Eiern, im -Notfall auch von Knospen und Baumrinde, gelegentlich auch von Pilzen. -Von seiner Nahrung, die es, auf den Hinterbeinen sitzend, mit den -beweglichen Vorderfüßen zum Munde führt, legt es im Herbst in hohlen -Bäumen Wintervorräte an. Es hält keinen eigentlichen Winterschlaf, wenn -es auch bei unfreundlichem Winterwetter sein freistehendes, rundes, im -Innern weich gepolstertes, mit einem einzigen Eingangsloch versehenes -Nest, das es in Mehrzahl für sich erbaut, oft tagelang nicht verläßt. -Darin und auch in Baumlöchern wirft das Weibchen vier Wochen nach der -die Männchen zu erbitterten Kämpfen mit Nebenbuhlern veranlassenden, -von Ende Februar bis in den April dauernden Paarungszeit seine 3–7, -etwa neun Tage blind bleibenden Jungen, die es sorgsam nährt und nach -Störungen in ein anderes Nest trägt. Nachdem sie entwöhnt wurden, -schleppt ihnen die Mutter, vielleicht<span class="pagenum"><a id="Seite_625"></a>[S. 625]</span> auch der Vater, noch einige Tage -lang Nahrung zu; dann werden sie ihrem eigenen Schicksal überlassen. -Doch bleiben sie, häufig spielend und gemeinsam Nahrung suchend, noch -längere Zeit beisammen, bevor sie sich zerstreuen. Im Juni wirft -die Alte das zweite Geheck, dessen Mitglieder sich später oft mit -denjenigen des ersten vereinigen, um in demselben Waldesteil ihr Wesen -zu treiben. Im Edelmarder hat das Eichhörnchen seinen furchtbarsten -Feind. Das muntere Tierchen ist eine der Hauptzierden unserer Wälder -und läßt sich, jung gefangen, leicht zähmen. Es gewöhnt sich bald an -seinen Herrn und wird wegen seiner Lebhaftigkeit in Verbindung mit -großer Reinlichkeit gerne gehalten.</p> - -<p>Wichtiger ist für die Alpenländer, die Pyrenäen und Karpaten das -<em class="gesperrt">Murmeltier</em> (<span class="antiqua">Arctomys marmotta</span>), das auf den höchsten -Steinhalden des Hochgebirges, wo kein Baum und Strauch mehr wächst, -auf ringsum von steilen Felswänden eingerahmten, der Sonne möglichst -Zutritt gewährenden Grasplätzen lebt und sich am liebsten von saftigen -Bergkräutern und deren Blüten ernährt. Es erreicht eine Leibeslänge -von 51 <span class="antiqua">cm</span>, außer der Schwanzlänge von 11 <span class="antiqua">cm</span>, bei einer -Höhe von 15 <span class="antiqua">cm</span>, ist dicht schwarzbraun behaart, lebt während -des Sommers paar- oder familienweise in nur 1, höchstens 2–4 <span class="antiqua">m</span> -langen Sommerwohnungen, deren oft kaum das Durchzwängen einer Faust -zulassender Gang in einen erweiterten Kessel führt. Dieser ist bald -einfach, bald in zwei Arme geteilt, von denen der eine zum Wohn- und -Schlafkessel, der andere zum Abort führt. In letzterem Fall wird er -auch im Winter benutzt und hat dann einen geräumigeren Wohnkessel. Im -ersteren Falle wird eine besondere Winterwohnung bezogen, die 300–600 -<span class="antiqua">m</span> tiefer liegt und durch eine 2–6, ja 8 <span class="antiqua">m</span> lange, am Ende -meist aufwärts gerichtete Röhre in eine 1–2 <span class="antiqua">m</span> im Durchmesser -haltende, längliche oder runde Kammer führt, die die Tiere schon im -August mit abgebissenem und getrocknetem Grase und Kraut beschicken. -Die losgegrabene Erde der selten tiefer als 1,5 <span class="antiqua">m</span> unter dem -Rasen liegenden Höhle wird nur zum kleinsten Teile hinausgeschafft; -das meiste wird festgetreten, wodurch die Gänge fest und hart werden. -Noch ehe sich die 5–15 Glieder starke Familie zum Winterschlaf in -den Bau begibt, wird dessen Winterbenutzung durch davorliegende -Heureste verraten. Nach den ersten rauhen Tagen gegen Ende Oktober -wird die Winterwohnung bezogen und ihr Eingang mit Heu, Erde, Steinen -verstopft, damit kein Raubtier eindringe. Hier ruht die zuvor gemästete -Gesellschaft zusammengerollt im Winterschlafe unter stark ver<span class="pagenum"><a id="Seite_626"></a>[S. 626]</span>minderter -Lebensintensität, wobei sie die geringe Wärmeabgabe durch Verbrennen -des zuvor angesammelten Fettes bestreitet. Im April erscheinen sie -dann stark abgemagert vor der Öffnung ihrer Winterwohnung, um an -schneefreien Stellen etwas verdorrtes Gras zur Stillung ihres Hungers -zu fressen. Dann verzehren sie wohl auch von dem bis dahin nur als -Lager dienenden, im Herbste eingetragenen Heu. Sobald die Vegetation -wieder zu sprossen beginnt, finden sie reichlich Futter und erholen -sich bald von ihrer Abmagerung, paaren sich, und schon im Juni findet -man die 4–6 zuerst aschgrauen, später gelbbraun werdenden Jungen, die -sich, ehe sie etwas herangewachsen sind, selten vor dem Baue zeigen. -Sie werden von der auf den Hinterbeinen sitzenden und die Vorderbeine -weit ausgespreizt haltenden Mutter lange gesäugt und bleiben bis in -den nächsten Sommer hinein bei den Eltern. Auch die Familien, die -keine höher gelegene Sommerwohnung beziehen, machen oft weite Gänge -auf blumenreiche Weideplätze, von denen sie den unwillkommenen, unter -erbärmlichem Geschrei fliehenden Artgenossen durch tüchtige, mit -den Vorderpfoten auf Kopf und Rücken ausgeteilte Hiebe vertreiben. -Dabei fressen, spielen und ruhen sie abwechselnd. Alle Augenblicke -sehen sie sich um und überwachen mit der größten Aufmerksamkeit die -Umgebung. Das erste, das etwas Verdächtiges bemerkt, einen Raubvogel, -Fuchs oder Menschen, pfeift tief und laut durch die Nase, die übrigen -wiederholen das Warnungssignal teilweise und im Nu sind sie in die -benachbarten Löcher verschwunden. Bei dieser ihrer Wachsamkeit ist -es für den Jäger sehr schwer, sie zu beschleichen. Deshalb erbeutet -man gerne die Murmeltiere durch das vielerorts allerdings verbotene -Ausgraben der Baue, auch wohl in Fallen, die man oft nur für die alten -Tiere einrichtet. Man sucht sie auch mit eigens darauf abgerichteten -Hunden auf, die ihnen den Rückweg zum Bau abschneiden und sie in den -nächsten Schlupfwinkel treiben, wo sie mit einem Stock totgestoßen -werden. Da ihr Gewicht im Herbst auf 6–8 <span class="antiqua">kg</span> steigt, liefern sie -einen nicht zu verachtenden Braten. Ihr Fleisch hat zwar einen erdigen -Wildgeschmack, wird aber gewöhnlich durch Einreiben und Abbrühen mit -Salz und Salpeter und Räuchern während einiger Tage vor dem Kochen -wohlschmeckender. Das Fett dient den Gebirgsbewohnern als Arznei für -allerhand Übel, der frisch abgezogene Balg wird bei Rheumatismus -angezogen, und die Tiere selbst dienen dem Älpler als Wetterpropheten. -Im halbwüchsigen Alter gefangene Junge lassen sich leicht auffüttern -und werden im Umgang mit dem Menschen sehr zahm<span class="pagenum"><a id="Seite_627"></a>[S. 627]</span> und zutraulich. Sie -achten auf den Ruf ihres Pflegers, sind gehorsam und gelehrig, so daß -man ihnen allerlei Kunststücke beibringen kann. Früher durchzogen arme -Savoyardenknaben mit solch einem gezähmten Murmeltier Almosen heischend -die Städte und Dörfer. Neuerdings ist jedoch der intelligentere Affe -an dessen Stelle getreten, und wandern nun an Stelle der Savoyarden -Italiener damit durchs Land.</p> - -<p>Von andern Nagetieren werden noch die baumbewohnenden, in Wäldern, -Hainen und Baumgärten lebenden <em class="gesperrt">Bilche</em> oder <em class="gesperrt">Schlafmäuse</em> -(<span class="antiqua">Myoxus</span>) gelegentlich gefangen gehalten. Sie sind zwar -außerordentlich reinlich wie die Murmeltiere, aber im Gegensatz -zur Zutraulichkeit jener scheu und wenig liebenswürdig. Besonders -unfreundlich benimmt sich der gefangen gehaltene <em class="gesperrt">Siebenschläfer</em> -(<span class="antiqua">Myoxus glis</span>), der sich durchaus nicht an seinen Pfleger gewöhnt -und ihn, wie jeden andern, der sich ihm nähert, wütend anknurrt. -Dieses besonders die Eichen- und Buchenwaldungen Süd- und Osteuropas -bewohnende, 16 <span class="antiqua">cm</span> Leibes- und 13 <span class="antiqua">cm</span> Schwanzlänge -erreichende aschgraue Tier, das sich tagsüber verborgen hält und nur -nachts nahrungsuchend in seinem Revier herumstreift und von einer -Gefräßigkeit ohnegleichen ist, außer Eicheln, Bucheln, Kastanien, -Hasel- und Walnüssen auch saftiges Obst liebt und alle kleinen Tiere, -denen es begegnet und die es zu überwältigen vermag, mordet und -frißt, sammelt gegen den Herbst Nahrungsvorräte ein und speichert -sie in seinen Höhlen auf. Diese macht es in trockenen Erdlöchern, in -altem Gemäuer oder in tiefen Baumhöhlungen zurecht, bereitet sich ein -Nest von zartem Moos und fällt darin, gewöhnlich mit mehreren seiner -Artgenossen gemeinsam, zusammengekugelt gegen den Oktober hin in -tiefen Schlaf, der gewöhnlich sieben Monate lang andauert. Es erwacht -daraus Ende April, paart sich und wirft in seiner Höhle 3–6 nackte und -blinde Junge, die sich sehr rasch entwickeln und schon vor dem Herbste -selbständig sind.</p> - -<p>Im Herbste wird der Siebenschläfer durch Ansammlung von -Brennmaterialien für seinen sieben Monate dauernden Winterschlaf recht -fett und galt in diesem Zustande den alten Römern als Leckerbissen. -Sie wurden von ihnen in besondern Zuchtanstalten (<span class="antiqua">glirarium</span> -von <span class="antiqua">glis</span> = Siebenschläfer) gezogen und zum Verbrauch gemästet. -Eine solche umfaßte nach Varro einen kleinen Hain von Eichen, der von -einer glattwandigen Mauer umgeben war, damit sie nicht hinausklettern -konnten. Darin machte man ihnen zum Schlafen und Nisten geräumige -Höhlungen zurecht. „Das Mästen geschieht in großen, faßartigen Töpfen, -an deren<span class="pagenum"><a id="Seite_628"></a>[S. 628]</span> Wänden inwendig Treppen sind; auch muß eine Höhle darin -sein, worin die Tiere ihr Futter verstecken können. Die Mast wird -durch Eicheln, Walnüsse und Kastanien, die im Überflusse gereicht -werden, bewirkt; dabei wird das Faß dunkel gehalten.“ Der drei -Generationen später lebende Plinius bemerkt in seiner Naturgeschichte: -„Der Siebenschläfer (<span class="antiqua">glis</span>) ist ein Tier, dessen Genuß, -gleich dem der Austern und ausländischen Vögel, durch Gesetze der -Zensoren und des Konsuls Marcus Scaurus verboten wurde. Der Erfinder -der Tiergärten (Fulvius Lupinus) hat auch die Kunst erfunden, -Siebenschläfer in Töpfen zu mästen. Es ist dabei wohl zu beachten, -daß man nur Landsleute aus demselben Walde zusammenstecken darf; denn -wenn fremde dazukommen, und wenn sie nur durch einen Berg oder Fluß -getrennt gelebt hatten, so beißen sie sich tot. Ihre abgelebten Eltern -versorgen sie mit kindlicher Liebe. Mit jedem Frühjahr erwachen sie -verjüngt. Ihre Winterruhe ist von der der Haselmäuse (<span class="antiqua">nitela</span>) -nicht verschieden.“ Heute noch stellt ihm der Mensch überall da, wo er -häufig ist, teils des Fleisches, teils des Felles wegen eifrig nach, -lockt ihn in Fallen aller Art und künstliche Winterwohnungen, um ihn -darin zu erbeuten. In Unterkrain erbeuten ihn die Bauern in mit einer -saftigen Birne oder Pflaume beköderten Schnellfallen. Außerdem gräbt -man teilweise mit Obst gefüllte Fässer in die Erde, in die ein Rohr -führt, in welchem Eisendrähte so befestigt werden, daß sie wohl das -Hineinschlüpfen, aber nicht das Herauskommen des Bilches gestatten. -Hier fangen sich die Tiere oft in so großer Menge, daß mancher Bauer -während eines Herbstes 200–400 Bilche erbeuten kann.</p> - -<p>Im Gegensatz zum knurrigen Bilch und dem ebenso verdrossenen -<em class="gesperrt">Gartenschläfer</em> (<span class="antiqua">Eliomys nitela</span>) wird die anmutige, -niedliche, gelblichrote <em class="gesperrt">Haselmaus</em> (<span class="antiqua">Muscardinus -avellanarius</span>), deren Heimat Mitteleuropa ist und die nicht selten -in Dohnenstiegen gefangen wird, weil sie auch den Beeren der Eberesche -nachgeht, ein höchst beliebter Stubengenosse des Menschen. In England -wird sie wie Stubenvögel zu Markt gebracht und wie diese sehr viel -in Käfigen gehalten. Sie verliert in der Gefangenschaft bald ihre -Scheu, wenn auch nicht ihre Furchtsamkeit, und gewöhnt sich rasch an -den Menschen. Durch ihre große Reinlichkeit, Liebenswürdigkeit und -Verträglichkeit mit ihresgleichen, die zierlichen Bewegungen und ihr -munteres Wesen wird sie bald zum Lieblinge des Menschen. Sie frißt -anfänglich nur nachts, sparsam und bescheiden und fällt auch in der -Gefangenschaft in Winterschlaf, wenn die Örtlichkeit nicht stets -gleichmäßig warm gehalten wird. Sie ver<span class="pagenum"><a id="Seite_629"></a>[S. 629]</span>sucht sich dann ein Nestchen zu -bauen und hüllt sich in dieses oder schläft in einer Ecke ihres Käfigs. -Bringt man sie wieder an die Wärme, z. B. zwischen die warme Hand, so -erwacht sie, schläft aber bald wieder ein.</p> - -<p>Ein für uns Mitteleuropäer nur ausnahmsweise in Betracht kommender -Wildhund ist der <em class="gesperrt">Wolf</em> (<span class="antiqua">Canis lupus</span>), der in Paaren oder -einzeln sowohl offenes Land als auch Wälder bewohnt, am Tage wie in -der Nacht beutelüstern umherschweift und sich manchmal, besonders im -Winter, zu Rudeln zusammentut, um gemeinsam unter Ausstoßen eines -fürchterlichen Geheuls größeres Wild zu jagen und auch den Menschen -anzufallen. So fielen im Jahre 1875 nicht weniger als 161 Menschen -russischen Wölfen zum Opfer. Die Wölfe, die beim scharenweisen -Durchstreifen einer Gegend in einer Reihe hintereinander herlaufen, -verfolgen ihre Beute in einem außerordentlich ausdauernden Galopp, -reißen ein eingeholtes Tier nicht sofort nieder, sondern verwunden -es, folgen ihm, beißen es abermals und hetzen es so zu Tode. Pferde- -und Rinderherden schließen, sobald sie Wölfe wittern, einen Kreis und -stellen sich, die Pferde mit den Hinterbeinen, die Rinder mit den -Hörnern, zur Wehr, greifen einzelne Wölfe auch ohne weiteres an. Nicht -bloß große Rudel, sondern auch einzelne Wölfe können ein entsetzliches -Geheul ausstoßen, das selbst den Menschen vor diesem sonst feigen Tiere -erzittern läßt. Die Paarungszeit des Wolfes dauert vom Dezember bis in -den April. Die 14 Tage dauernde Ranzzeit der Wölfin tritt nämlich bei -alten Weibchen früher ein als bei jüngeren. Während der Paarungszeit -kämpfen die Männchen oft auf Leben und Tod. Etwa 13 Wochen nach der -Paarung wirft das Weibchen in Felshöhlen oder Erdlöchern 6–10 neun bis -vierzehn Tage lang blindbleibende Junge, die bis zur nächsten Ranzzeit -bei der Mutter bleiben, bis zum dritten Jahre wachsen, dann auch -fortpflanzungsfähig werden und ein Alter von 12–15 Jahren erreichen. -Junge Wölfe lassen sich leicht zähmen und gewöhnen sich gleich -Hunden an ihren Herrn, weshalb es leicht zu verstehen ist, daß der -Wolf in verschiedenen Abarten zum Stammvater eines großen Teiles der -Haushunde wurde. Den alten Wölfen, denen großer Verstand und ungemeine -Schlauheit innewohnt, sucht man in Schießhütten und auf Treibjagden -beizukommen. Sie werden auch in tiefen, steilwandigen Gruben, -sogenannten Wolfsgruben, gefangen, die man mit Reisig und darüber mit -Moos und Schnee bedeckt, auf einer in der Mitte der Grube stehenden -Stange mit einem Huhn oder dergleichen beködert und mit einem etliche -Fuß hohen Zaun<span class="pagenum"><a id="Seite_630"></a>[S. 630]</span> umgibt, der vom Wolfe übersprungen werden muß und ihn -daran hindert, unzeitigen Verdacht zu schöpfen. Denn der Wolf ist -außerordentlich vorsichtig und weiß unbekannten Öffnungen, Schlingen -oder Fallen aus dem Wege zu gehen, wird jedoch auch in Tellereisen -gefangen, soll sich aber, wenn er gefangen ist, häufig tot stellen -und in einem geeigneten Augenblick entlaufen. Da er auch Aas angeht, -wird ihm auch mit vergiftetem Fleische nachgestellt. Früher, als es -in Europa noch viel Wölfe gab, waren sie eine wesentliche Gefahr der -Herden. Noch heute ist bezeichnenderweise bei den Renntiere züchtenden -Lappen das Wort Friede gleichbedeutend mit Ruhe vor Wölfen. In Rußland, -das noch reich daran ist, fallen ihnen jährlich etwa 180000 Stück -Großvieh und über 600000 Stück Kleinvieh, besonders Schafe, zur Beute. -Laserewski bemißt den durch sie angerichteten Schaden an Haustieren auf -15 Millionen, an nutzbarem Wilde aber auf 50 Millionen Rubel (= 165 -Millionen Mark). Dazu kommt noch, daß sie auch von der Tollwut befallen -und dann Menschen wie Tieren gleich gefährlich werden. Selbst die -Hunde hassen den Wolf und scheinen kein größeres Vergnügen zu kennen, -als auf ihn Jagd zu machen. Auf der südrussischen Steppe, wo der Wolf -in selbstgegrabenen Höhlen wohnt, wird er zu Pferd so lange gehetzt, -bis er nicht mehr laufen kann, und dann totgeschlagen. Den größten -Nutzen bietet er in seinem Winterfell, das als gutes Pelzwerk vielfach -verwendet wird. Die besten und größten Felle kommen aus Skandinavien, -Nordrußland, Sibirien und Nordchina und werden mit 10–25 Mark bezahlt. -Außerdem gewähren viele Regierungen noch ein besonderes Schußgeld für -die Erlegung eines Wolfes.</p> - -<p>Ein kleinerer, aber noch viel listigerer Wildhund ist der <em class="gesperrt">Fuchs</em> -(<span class="antiqua">Canis vulpes</span>), der in den eigentlichen Wolfsgegenden -verhältnismäßig selten ist, da der Wolf ihm feindlich wie dem Hund -gegenübertritt und ihn tötet und frißt, wo er nur kann. In dem Maße -aber als der Wolf ausgerottet wird, vermehrt er sich und weiß sich -dank seiner Schlauheit und Gewandtheit auch da noch zu behaupten, wo -dies andern Raubtieren nicht möglich wäre. Um zu rauben, zieht der -Fuchs die Nacht dem Tage vor; doch jagt er an stillen Orten auch bei -Tage. Den Tag über hält er sich mit Vorliebe in dichten Schonungen -und mit Gestrüpp bewachsenem Gelände auf, um dort zu schlafen, bis er -mit Eintritt der Dämmerung oder schon in den Nachmittagstunden auf -Raub ausgeht. Dabei gilt seine Jagd allem Getier, vom jungen Reh an -bis zum Käfer, vorzüglich aber den Mäusen, die den Haupt<span class="pagenum"><a id="Seite_631"></a>[S. 631]</span>bestandteil -seiner Mahlzeiten ausmachen. Auch Beerenfrüchte, Stein- und Kernobst, -besonders Trauben, verschmäht er so wenig als Honig, wenn er solches -haben kann. Am Bache lungert er umher, um eine Forelle oder einen -Krebs zu erbeuten. Am Meeresstrand frißt er den Fischern die Netze -aus; im Walde nimmt er die gefangenen Vögel aus den Dohnen- und -Schnepfenstiegen. Als ungeselliges Tier geht jeder Fuchs seinen -eigenen Weg und bekümmert sich um andere seiner Art nur insoweit, als -es ihm Vorteil gewährt. Sobald die Füchsin Ende Januar oder Anfang -Februar hitzig zu werden beginnt, was sich durch Schwellung der -äußeren Geschlechtsteile und Austritt von etwas Blut aus der Scheide -bekundet, beginnt sie unruhig umherzutraben. Zu mehreren folgen ihr -dabei die männlichen Füchse, einer seine Füße in die Fußtapfen seiner -Vorgänger im Schnee setzend. So geht es fast ohne Halt und Rast die -ganze Nacht durch den Wald und über das Feld, bis schließlich einer -das Ziel seiner Begierden erreicht hat und der Füchsin in ihr Lager -folgt. Nach einer Tragzeit von 60–63 Tagen, gegen deren Schluß die -Füchsin den selbstgegrabenen oder von einem daraus verjagten Dachse -bezogenen Bau nur bei Nacht und für kurze Zeit verläßt und vom Gatten -mit Raub versorgt wird, wirft sie 4–7 unbeholfene, 14 Tage lang blind -bleibende, aber alle Milchzähne besitzende Junge, die sie mit großer -Zärtlichkeit säugt. Sie verläßt sie in den ersten Tagen ihres Lebens -gar nicht, später nur für kurze Zeit in der Nacht und scheint ängstlich -bestrebt zu sein, ihren Aufenthalt zu verheimlichen. Etwa fünf Wochen -nach der Geburt erscheinen die mit rötlichgrauem Grannenhaar über -ihrem ursprünglichen Wollkleid bedeckten Jungen, um sich zu sonnen und -untereinander oder mit der gefälligen Alten zu spielen. Diese beginnt -ihnen lebende Käfer, Frösche, Mäuse und Vögel zuzutragen und lehrt sie -dieselben fangen und verzehren. Scharf nach allen Richtungen hinsehend -und riechend, überwacht sie die sorglosen, äußerst possierlichen -Spiele der Jungen und veranlaßt sie, beim geringsten Verdacht einer -Gefahr sofort in den Bau zu kriechen. Wird dieser stärker beunruhigt, -so verläßt sie ihn mit den Jungen noch in der nächsten Nacht, wobei -sie die zu weiten Wanderungen etwa noch zu schwachen Kleinen einzeln -oder zu zweien im Maule wegträgt. Nur in höchster Not raubt sie -gleich dem männlichen Fuchs in nächster Umgebung des Baus und nähert -sich ihm höchst vorsichtig gegen den Wind, um ihre Jungen nicht zu -verraten. Hat sie nichts Verdächtiges wahrgenommen, so naht sie sich -dem Baue trabend, um ihre Beute vor ihm abzulegen und die hungrigen -Jungen<span class="pagenum"><a id="Seite_632"></a>[S. 632]</span> durch einen leisen Ruf zur Mahlzeit einzuladen, die sehr -rasch beendet ist. Schon im Juli begleiten die Jungen die Alte in der -Abenddämmerung in die Umgebung des Baus auf die Jagd und werden von -ihr sorgfältig zum Rauben angeleitet, wobei ungeschickte Junge durch -scharfe Bisse bestraft werden. Wenn das Getreide hoch genug ist, zieht -die Fuchsfamilie nachts aufs Feld, wo manches junge Rebhuhn und mancher -halbwüchsige Hase den jungen Füchsen zur Beute fällt, bis die Ernte die -zu dieser Zeit nur selten zu Baue gehenden Tiere zur Rückkehr in den -Wald zwingt, wo sie sich tagsüber im dichten Buschwerk verbergen. Wenn -aber die Blätter im Herbste fallen, trennen sich die mit Vollendung -des ersten Lebensjahres fortpflanzungsfähigen, aber erst nach Ablauf -des zweiten ausgewachsenen jungen Füchse allmählich von der Mutter, um -unter glücklichen Umständen, nach gefangenen zu urteilen, ein 16 Jahre -übersteigendes Alter zu erreichen. Jung eingefangene Füchschen kann man -leicht aufziehen. Sie werden, falls man sich viel mit ihnen abgibt, -bald zahm, wenn auch nie eigentlich zutraulich, und erfreuen durch ihre -Munterkeit und Beweglichkeit. Außer dem Menschen hat der Fuchs bei -uns wenige Feinde. Dieser vertilgt ihn als Jagdschädling wo er kann -mit Schießen, Fangen, Vergiften und Ausgraben und verwertet höchstens -seinen Pelz. Durch Vertilgung sehr zahlreicher Mäuse, die, wie gesagt, -seine Hauptspeise bilden, und deren er 20 bis 30 Stück pro Mahlzeit -verbraucht, macht er sich einigermaßen nützlich. Auch er leidet wie -Wolf und Hund gelegentlich an Tollwut und kommt dann am hellen Tage ins -Innere von Dörfern, um dort alles zu beißen, was ihm in den Weg kommt.</p> - -<p>Ebenfalls nicht selten in Mitteleuropa ist der <em class="gesperrt">Dachs</em> (<span class="antiqua">Meles -taxus</span>), der gelegentlich in Weinbergen und auf Rübenfeldern Schaden -anrichtet, aber diesen reichlich durch Wegfangen und Verzehren von -allerlei Ungeziefer, besonders Engerlingen und Mäusen, in Wald und Flur -nützt. Unter allen Mardern ist er der nützlichste und ein Erhalter, -nicht aber ein Schädiger des Waldes, weshalb er den weitgehendsten -Schutz verdient. Auf der Sonnenseite dicht mit Gestrüpp bedeckter Hügel -gräbt er sich mit seinen Krallen eine geräumige Höhle mit mehreren -Ausgängen, von denen die wenigsten von ihm benützt werden, sondern -als Notausgänge zur Flucht oder als Luftgänge dienen. Überall in -ihr herrscht die größte Reinlichkeit, wodurch sich der Dachsbau vor -allen übrigen ähnlichen unterirdischen Behausungen von Säugetieren -vorteilhaft auszeichnet. Der Hauptraum im Bau, der Kessel, ist sehr -geräumig und weich mit Moos ausgepolstert. In diesem traulichen -Gemach ruht<span class="pagenum"><a id="Seite_633"></a>[S. 633]</span> der Dachs während des Tages, um ihn erst, wenn die Nacht -vollkommen hereingebrochen ist, zur Nahrungssuche zu verlassen. -Nur ganz ausnahmsweise treibt er sich in stillen Waldungen während -des Hochsommers schon in den späteren Nachmittagsstunden herum, um -außer kleinen Tieren aller Art auch saftige Wurzeln, Buchnüsse und -Obst zu verzehren. Nur zur Zeit der Paarung gesellt sich der Dachs -vorübergehend zu einem Weibchen, bewohnt aber den ganzen übrigen Teil -des Jahres allein einen Bau. In dem ihrigen wirft die Dächsin Ende -Februar oder Anfang März 3–4, selten 5 bis zum zehnten Tage blinde -Junge, die sie treu behütet und denen sie nach der Säugezeit so lange -Würmer, Schnecken, Engerlinge, Wurzeln und kleine Säugetiere in den -Bau schleppt, bis sie sich selbst zu ernähren vermögen. Schon nach 3–4 -Wochen begeben sich die kleinen Dachse in Gesellschaft ihrer Mutter vor -den Eingang der Höhle, um sich zu sonnen und zu spielen. Bis zum Herbst -bleiben sie bei der Mutter, trennen sich dann und leben für sich, indem -sie sich eine eigene Höhle graben. Im zweiten Jahre sind sie völlig -ausgewachsen und beginnen sich fortzupflanzen. Der Dachs erreicht ein -Alter von 10 oder 12 Jahren. In Gegenden mit kalten Wintern hält er -einen Winterschlaf ab, wobei er die Mündungen seiner Wohnung verstopft. -Schon in England, das ein verhältnismäßig mildes Klima besitzt, -unterbricht er denselben. Jung eingefangene und sorgfältig aufgezogene -Dachse werden sehr zahm und anhänglich, alte aber nie. Man fängt den -Dachs in Fallen, jagt ihn mit Dachshunden oder Foxterriers aus seinem -Bau und gräbt oder bohrt ihn aus. Nur ganz früh am Morgen kann man -dem heimkehrenden Dachse wohl auch auf dem Anstande auflauern und ihn -erlegen. Sein Fell wird für allerlei Pelzwerk verwendet, seine ziemlich -steifen Haare geben ein gutes Material für Bürsten und sein Fleisch -wird von Jägern gern verzehrt.</p> - -<p>Ein Wassermarder von reichlich 1,2 <span class="antiqua">m</span> Länge, wovon 42 <span class="antiqua">cm</span> -auf den Schwanz zu rechnen sind, ist der <em class="gesperrt">Fischotter</em> (<span class="antiqua">Lutra -vulgaris</span>), der ganz Europa und Asien nördlich vom Himalaja -bewohnt. Er findet sich an allen fischreichen Gewässern, wo er sich -mehrere unterirdische Wohnungen gräbt, deren Eingang sich stets etwa -<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> <span class="antiqua">m</span> tief im Wasser befindet, um mit einem etwa 2 <span class="antiqua">m</span> -langen, schief aufwärts steigenden Gang in einen regelmäßig mit -Gras und Laub ausgepolsterten geräumigen Kessel zu führen, von dem -ein zweiter schmaler Gang zur Vermittlung des Luftwechsels nach der -Bodenoberfläche geht. Im Wasser ist er zu Hause und führt darin weite -Streifzüge aus, um<span class="pagenum"><a id="Seite_634"></a>[S. 634]</span> außer Fischen, die die Hauptmenge seiner Nahrung -bilden, allerlei Wassertiere, Vögel und deren Eier und saftige Wurzeln -nebst Obst zu erbeuten. Alte Fischotter leben gewöhnlich einzeln, -alte Weibchen aber streifen lange Zeit mit ihren Jungen umher oder -vereinigen sich mit andern Weibchen oder um die Paarungszeit mit -solchen und Männchen und fischen dann in Gesellschaft. Neun Wochen nach -der Paarung, bei uns gewöhnlich im Mai, wirft das Weibchen in seinem -sichern Uferbau 2–4 fast schwarze Junge, die nach 9–10 Tagen die Augen -öffnen und von der Mutter sorgfältig verpflegt werden. Im Alter von -ungefähr zwei Monaten nimmt sie die Mutter auf den Fischfang mit, um -sie in allen Otterkünsten zu unterrichten. Im zweiten Jahre sind sie -schon erwachsen und fortpflanzungsfähig. Jung aus dem Nest genommen -und richtig behandelt wird der Fischotter sehr zahm und anhänglich -an seinen Herrn, dem er treu wie ein Hund auf Ruf und Pfiff folgt. -Wie den Kormoran benützen die Chinesen auch ihn beim Fischfang. Daß -ein so intelligentes, gewandtes Raubtier wie er im Fischstand eines -Gewässers großen Schaden anrichtet, ist begreiflich. Nach dem Urteil -Sachverständiger verzehrt er täglich wenigstens 1 <span class="antiqua">kg</span> Fische. -Deshalb haben schon zu Beginn des Mittelalters Otterjäger von Beruf -ihn gleich dem Biber mit eigens dazu abgerichteten Hunden gejagt. -Sie standen unter den Fischmeistern und waren weniger angesehen -als andere Jäger. Noch bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts gab -es an allen Fürstenhöfen und auf größeren Besitzungen Otterjäger, -die sich zur Otterjagd besonderer Otterhunde bedienten. Diese schon -längst ausgestorbene Rasse war niedrig, langgestreckt, stichelhaarig, -dunkelbraun, mit seitwärts abstehenden Ohren, starkem Gebiß und von -bissigem, zänkischem Charakter. Mit dem Schwinden der Ottern und Biber -gerieten diese Otterjäger in Deutschland in Vergessenheit, während sich -in England der Ottersport in früherer Blüte erhielt. Die Otterjagd -wird auf verschiedene Weise betrieben, nämlich durch Ansitz auf den -Otter, durch die Suche nach ihm mit Dachs- und Vorstehhunden, durch -die Treibjagd, die Jagd mit Sperrnetzen, das Stechen des Otters mit -dem Ger und durch die Parforcejagd. Der Ansitz auf den Otter ist wenig -erfolgreich, die übrigen Jagdweisen, die nur mit Hunden betrieben -werden können, sind nur in seichten Flüssen oder Bächen aussichtsvoll, -während die Hunde in großen, tiefen Gewässern nichts auszurichten -vermögen. Deshalb stellt man dem Otter, wo man ihm sonst nicht -beikommen kann, mit Fallen nach und sucht ihn auch in Schlingen und -durch Selbstschüsse zu erbeuten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_635"></a>[S. 635]</span></p> - -<p>Ganz Europa, mit Ausnahme des höheren Nordens, namentlich Skandinaviens -und Rußlands, bewohnt die <em class="gesperrt">Wildkatze</em> (<span class="antiqua">Felis catus</span>), ein -echtes Waldtier, das ausgedehnte, dichte Wälder der Mittelgebirge, -namentlich Nadelwälder, bevorzugt, von denen sie in die Wälder -des Flachlandes hinausschweift. In Mitteleuropa wird sie noch im -Harz und in den Ostalpen, besonders aber in den ganz unbewohnten -Gebirgswaldungen der Karpaten gefunden. Sie ist bedeutend stärker als -die Hauskatze, hat einen dickeren Kopf, einen gedrungeneren Leib, einen -kürzeren, buschigeren, schwarzgeringelten Schwanz, der von der Wurzel -bis zum schwarzen Ende gleichmäßig dick, ja an der Spitze aufgetrieben -erscheint. Ihre Farbe ist bräunlichgrau mit schwarzen Querstreifen, auf -dem Scheitel mit schwarzen Längsstreifen und gelblich weißem Fleck an -der Kehle. Sie erreicht eine Körperlänge von 70–90 <span class="antiqua">cm</span> und ein -Gewicht von 9 <span class="antiqua">kg</span>. Sie ist äußerst scheu und lebt nur während -der Ranzzeit oder solange die Jungen noch nicht selbständig sind in -Gesellschaft, sonst stets allein. Den Tag über verbirgt sie sich gern -in hohlen Bäumen, Felsspalten, verlassenen Fuchs- oder Dachsbauten, oft -auch in dichtbewachsenen Sümpfen und tritt mit Beginn der Dämmerung -ihre Jagdzüge an. Vorsichtig und listig, unhörbar sich anschleichend -und geduldig lauernd, überfällt sie den Hasen in seinem Lager, den -Vogel in seinem Nest, das Eichhörnchen auf dem Baume, springt dem Reh -und dem Hirschkalb auf den Rücken und zerbeißt ihm die Halsschlagader, -lauert an Seen und Wildbächen auf Fische und Wasservögel und weiß sie -mit großer Geschicklichkeit zu erbeuten. Weitaus die Hauptnahrung aber -bilden Mäuse und daneben kleine Vögel. Das in der Art der Fortpflanzung -der Hauskatze nahestehende Tier wirft im April oder Mai sechs anfangs -noch blinde Junge, bringt sie in Baumhöhlen, Felsspalten oder ähnlichen -Verstecken unter, schleppt sie bei Befürchtung von Gefahr in ein -anderes Versteck, gleicht im Benehmen sehr der Hauskatze, spinnt in -guter Laune wie sie und drückt ihre Gefühle durch Bewegungen der -Schwanzspitze aus. Vielfach vermischt sie sich mit der Hauskatze und -erzeugt dann ungebärdige Junge, die leicht verwildern und sich wie der -Vater raubend in den Wäldern herumtreiben.</p> - -<p>Der früher überall in den Ländern nördlich der Alpen verbreitete -<em class="gesperrt">Luchs</em> (<span class="antiqua">Felis lynx</span>) wird gegenwärtig nur noch im Norden -von Skandinavien und Rußland gefunden. Ostwärts verbreitet er sich -durch den größten Teil des nördlich vom Himalaja gelegenen Teiles -von Asien. In den entlegenen Gebieten der Alpen wird er gelegentlich -noch erbeutet,<span class="pagenum"><a id="Seite_636"></a>[S. 636]</span> ist in den Karpaten häufiger, wurde aber auf den -Mittelgebirgen Deutschlands und Frankreichs längst ausgerottet. Die -letzten fünf Luchse des Thüringer Waldes wurden zwischen 1773 und -1796, der letzte oberschlesische Luchs 1809, die letzten beiden -Harzer Luchse 1817 und 1818, der letzte Luchs der schwäbischen Alb -1846, der letzte französische in dem Departement Haute-Loire 1822 -geschossen. Er ist ein ausgesprochenes Waldtier, das mit Leichtigkeit -Bäume erklettert, um von deren untersten Ästen aus dem Wild auf dessen -Wechseln aufzulauern, ihm beim Vorübergehen ins Genick zu springen und -die Halsschlagader aufzubeißen. Wie die Wildkatze ist der Luchs ein -durchaus nächtliches Tier, das sich tagsüber in allerlei Schlupfwinkeln -der dichten von ihm bewohnten Wälder versteckt hält, um nachts auf -Raub auszugehen. Im Gegensatz zum Wolf hält sich der Luchs oft längere -Zeit in ein und demselben Gebiete auf, um es nachts nach allen -Richtungen zu durchstreifen. Größeres Wild zieht er kleinerem vor und -scheint sich durchaus nicht mit Mäusefang zu befassen. Er schleicht -den Rehen in den Waldungen, den Gemsen auf den Alpen nach, berückt -Auer-, Birk-, Hasel- und Schneehühner und fällt räuberisch unter die -Schaf-, Ziegen- und Kälberherden, unter denen er gelegentlich großen -Schaden anrichtet, indem er mehr erwürgt als er zur Nahrung braucht, -auch von einem von ihm geschlagenen Tier oft nur das Blut aufleckt und -kleine Partien frißt, das übrige aber, Wölfen und Füchsen zur Beute, -liegen läßt. Dadurch macht er sich dem Jäger wie dem Hirten gleich -verhaßt, die ihn überall mit Eifer verfolgen. Jung eingefangen und -an den Pfleger gewöhnt, wird er sehr zahm und zutraulich. Außer dem -Kalbfleisch ähnlichen, sehr schmackhaften Fleisch, das noch zu Anfang -des vorigen Jahrhunderts auf fürstlichen Tafeln als vorzügliches -Mittel gegen Schwindel gegessen wurde, ist sein Pelz sehr gesucht. -Die skandinavischen gelten als die schönsten und werden mit 30 Mark -und darüber bezahlt. Sibirien liefert alljährlich etwa 15000, Rußland -und Skandinavien etwa 9000 Felle. Die Pelze der Luchse des östlichen -Sibirien kommen ausschließlich in den chinesischen Handel und werden -von den an die Mongolei grenzenden Völkern, besonders den Chinesen, -sehr begehrt.</p> - -<p>Mit diesen letzteren Wildarten haben wir uns schon mit den eigentlichen -Pelztieren befaßt, die wesentlich ihres schönen, dichten Felles -wegen gejagt werden. Zu ihnen gehören auch Marder, Iltis, Wiesel, -Hermelin, Zobel und die übrigen Marderarten, die wir im nächstfolgenden -Abschnitte für sich betrachten wollen. Es sei hier nur noch be<span class="pagenum"><a id="Seite_637"></a>[S. 637]</span>merkt, -daß zum Ersatz des vielfach ausgerotteten einheimischen Wildes -vielfach fremdes eingeführt wurde, so beispielsweise Hasen und -Rotwild aus Ungarn; doch sind die großen Hoffnungen, die man an diese -Blutauffrischung knüpfte, nur zum geringen Teile erfüllt worden. Mit -gutem Erfolge hat man jedoch das südeuropäische Wildschaf, den Muflon, -aus Korsika und Sardinien, im Harz, im Thüringerwald und in anderen -Gebirgsgegenden eingeführt. Seine Lebensgewohnheiten wurden auf -Seite 135 besprochen, so daß wir an dieser Stelle nicht näher darauf -einzutreten brauchen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_638"></a>[S. 638]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XXVI_Nuetzliche_wilde_Voegel">XXVI. Nützliche wilde Vögel.</h2> - -</div> - -<p>Alle größeren einheimischen Vögel sind beliebte Jagdobjekte, von der -scheuen Trappe und dem Urhahn bis zu den Rebhühnern. Die stattliche -<em class="gesperrt">Trappe</em> (<span class="antiqua">Otis tarda</span>) ist ein Bewohner der baumlosen -Ebene, die außer der Brutzeit als Standvogel in geselligen Vereinen -von 6–10, im Winter oft in Scharen von 50–100 Stück lebt. Von den -entlegensten Brachfeldern, auf denen sie stets Nachtruhe hält, -zieht sie morgens früh auf ihre Futterplätze, wo sie außer größeren -Insekten und Sämereien aller Art hauptsächlich Teile grüner Pflanzen -frißt. Dabei reckt der scheue Vogel oft den Kopf in die Höhe, um sich -umzusehen. Geht er ruhig seiner Nahrung nach, so schreitet er langsam -und gemächlich einher, läuft er davon, so holt ihn ein flüchtiger Hund -nur schwer ein. Im Fluge bewegt er sich mit langsamen Flügelschlägen -ohne sonderliche Anstrengung. Im März kämpfen die Männchen um die -Weibchen, bis die Paare sich gefunden haben und zu brüten beginnen. In -der zweiten Hälfte des Mai, wenn sich das Weibchen im jungen Getreide -verbergen kann, bereitet es das Nest in Form einer Mulde im Boden -und brütet darin in 30 Tagen seine 3 Eier aus. Die zunächst sehr -unbeholfenen, erst nach einigen Tagen ordentlich laufen lernenden -Jungen verbergen sich mit der Mutter meist im Getreide und leben -zuerst nur von Insekten und deren Larven, später von zartem Grün. -Sie werden von den Eltern sorgsam bewacht und kräftig selbst gegen -ebenbürtige Feinde verteidigt. Da die Trappen besonders im Alter kein -wohlschmeckendes Fleisch haben, werden sie hauptsächlich wegen der -Schwierigkeit, mit der ihnen beizukommen ist, gejagt. Um sie leichter -beschleichen zu können, bedient man sich des Schießpferdes oder des -Bauernwagens, verkleidet sich gelegentlich auch einmal als Bauernfrau -mit dem obligaten Tragkorb.</p> - -<p>In höherem Ansehen als sie stehen beim Weidmann die <em class="gesperrt">Ur-</em> und -<em class="gesperrt">Birkhühner</em>, von denen fast nur die Männchen im Vorfrühling —<span class="pagenum"><a id="Seite_639"></a>[S. 639]</span> -von Ende März an — auf der Balz, während welcher die sonst äußerst -vorsichtigen Vögel weder sehen noch hören, geschossen werden. Das -<em class="gesperrt">Urhuhn</em>, d. h. großes Huhn (<span class="antiqua">Tetrao urogallus</span>), ist ein -echter Waldvogel und lebte ursprünglich im Tiefland, wurde aber mit -der Ausrodung des Waldes aus der Ebene ins Gebirge hinauf vertrieben. -In Europa ist es heute von den Gebirgen der südeuropäischen Halbinseln -bis Rußland und zum Eismeer und durch Sibirien bis nach Kamtschatka -verbreitet. Das meiste Urwild kommt in Asien, aber auch noch in Rußland -vor. Allen andern Waldarten zieht es den Kiefernwald vor, lebt aber nur -in ausgedehnten Waldbeständen mit reichem Unterwuchs und ernährt sich -vorwiegend von Kiefernadeln, Wacholderbeeren und anderer Pflanzenkost.</p> - -<p>Das <em class="gesperrt">Birkhuhn</em> (<span class="antiqua">Tetrao tetrix</span>) dagegen liebt gemischte, -lockere Waldbestände mit zerstreutem Buschwerk und erhielt seinen Namen -nach seiner Vorliebe für Birken. Es äst gern Laubknospen und hat einen -bestimmten Standort, den es nur wechselt, wenn es beunruhigt wird. -Sein Verbreitungsgebiet stimmt mit dem des vorigen überein, doch lebt -es sowohl im Tiefland, als im Mittel- und Hochgebirge, und geht in -letzterem über die Baumgrenze hinaus. Seine Balzzeit währt von Mitte -März bis Mitte oder Ende Mai; dabei balzt der Birkhahn im Gegensatz -zum Urhahn, der dies stets auf Bäumen tut, fast ausschließlich auf -dem Boden, auch fleißiger und zu verschiedener Tageszeit, nicht bloß -wie jener in der Morgen- und Abenddämmerung. Auf den Balzplätzen -des Tieflandes und des Mittelgebirges, auf Waldblößen, Weiden oder -Torfstichen balzen manchmal gleichzeitig 20 und mehr Hähne, im -Hochgebirge treten sie dagegen mehr vereinzelt auf. Je schlechter ein -Forst bewirtschaftet wird, desto eher ist Birkwild darin anzutreffen. -In Rußland und Sibirien verbreitet es sich mehr und mehr nach Norden, -indem es vielfach die Stände des durch die großen Holzrodungen -vertriebenen Urwilds einnimmt. In Neufundland ist es mit Erfolg -eingeführt worden. In Mitteleuropa ist es weniger zahlreich als das -Urwild vertreten, dagegen ist es im Norden zahlreicher als jenes. -Infolge der stärkeren und besseren Bodenbewirtschaftung nimmt es bei -uns mehr und mehr ab, wie auch das Haselwild.</p> - -<p>Das <em class="gesperrt">Haselhuhn</em> (<span class="antiqua">Tetrao bonasia</span>) ist das kleinste der -mitteleuropäischen Waldhühner und liebt im allgemeinen ähnliche -Standorte wie das Urwild, meidet aber die dem Birkwild besonders -zusagenden wilden oder verwilderten Holzbestände und Kahlschläge. Gern -lebt es an Waldstellen, wo es leicht zwischen Laub- und Nadelholz -wechseln kann. Es<span class="pagenum"><a id="Seite_640"></a>[S. 640]</span> ernährt sich vorzugsweise von Laubholzknospen und -Waldbeeren, wie auch von kleinen Tieren aller Art. Es lebt vorzugsweise -in den gemischten Wäldern von Mittelgebirgen und in den Vorbergen und -dem Waldgürtel der Alpen, obwohl es ursprünglich mehr ein Vogel des -Tieflandes als des Gebirges ist. Am reichsten an Hasel-, wie überhaupt -an Waldhühnern, ist heute noch die russische Tiefebene. Je mehr in -andern Ländern der Wald aus dem Tieflande verschwand, um so mehr -hat sich das Haselhuhn in deren Gebirge zurückgezogen. Je mehr die -unterwuchslosen, geschlossenen Hochwälder aus Reinbeständen namentlich -von Nadelholz verschwinden, um so seltener wird das Haselwild, weil -ihm dadurch besonders die zu seiner Äsung notwendigen Beerenfrüchte -entzogen werden. Es hält sich vorzugsweise am Boden auf, wo es durch -Scharren allerlei Insektenlarven und Gewürm verschiedenster Art zu -erlangen sucht. Es läuft sehr gewandt und bildet familienweise ganze -Ketten im Wald, kommt jedoch manchmal auch einzeln vor. Da es sich -bei Beunruhigungen im Gestrüpp oder im dichten Astwerk versteckt oder -sich an den Boden drückt, wird es von Unkundigen auch in gutbesetzten -Revieren kaum je wahrgenommen. Es ist ein treuer Standvogel und liefert -ein hochgeschätztes Wildbret. Es erzeugt mit dem Schnee- und Birkhuhn -Bastarde.</p> - -<p>Unter den beiden Arten der europäischen <em class="gesperrt">Schneehühner</em> liebt -das <em class="gesperrt">Moorhuhn</em> (<span class="antiqua">Lagopus albus</span>) feuchte, mit Krüppelwald, -besonders mit Birken- und Weidenbeständen, abwechselnde Niederungen -und Moorgründe. Es lebt meist im Gestrüpp der Tundren und Moore, -nicht aber im Waldinnern. Dieser mehr nordische Vogel ist in den -Mittelgebirgen Schottlands und Skandinaviens sehr häufig und findet -sich überall zirkumboreal außer in Grönland und auf Island, wo nur -das Alpenschneehuhn gefunden wird. In Deutschland findet es sich -nur im nordöstlichsten Preußen, wo es im Sommer in unzugänglichen -Mooren brütet. Einzelne Moorhühner des Nordens überwintern in ihrem -Brutgebiet, die Mehrzahl aber begibt sich nach Süden bis dahin, wo der -Nadelwald aufhört und die Birkenbestände beginnen, um im April oder -Mai auf ihre nordischen Brutplätze zurückzukehren. In Schottland und -Skandinavien wird es wegen seines wohlschmeckenden Fleisches eifrig -gejagt und in sehr großen Mengen auf den Markt gebracht.</p> - -<div class="figcenter illowe26 break-before" id="tafel65" > - -<p class="captop">Tafel 65.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel65.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Im Heidegestrüpp brütendes schottisches Moorhuhn - (<span class="antiqua">Lagopus scoticus</span>). Vom gemeinen nordischen Moorhuhn - unterscheidet es sich durch braune Schwingen, graue Beine und vor allem dadurch, - daß es im Winter nicht wie jenes weiß wird.<br /> - (Unretuschierte Naturaufnahme von Cherry und Kearton.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel65_gross.jpg" id="tafel65_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel66" > - -<p class="captop">Tafel 66.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel66.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Durch ihre Färbung geschützte brütende Waldschnepfe - auf dem Nest.<br /> - (Nach Meerwarth, Naturstudien.)</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel66_gross.jpg" id="tafel66_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Das <em class="gesperrt">Alpenschneehuhn</em> (<span class="antiqua">Lagopus mutus</span>) lebt im Hochgebirge -über 1800 <span class="antiqua">m</span> Höhe zwischen wilden Steinmassen, Zwergweiden, -Alpenrosen, Legföhren und anderem Gesträuch. Im hohen Norden ist es -der Be<span class="pagenum"><a id="Seite_641"></a>[S. 641]</span>gleiter des Schneehasen und Moschusochsen und durch sein -dichtes Federkleid gut gegen die Kälte geschützt, weiß sich auch mit -seinen gleich denen des Moorhuhns dicht befiederten Füßen tiefe Gänge -in den Schnee zu graben, die es an seine Nahrung, die Knospen der -verschiedensten Sträucher, bringen und es auch vor seinen Feinden -schützen. Es ist kleiner und geselliger als das Moorhuhn und wird -wegen seiner an Einfalt grenzenden Arglosigkeit leicht die Beute von -Jägern und Raubvögeln. In Skandinavien bildet es, wie der Fisch an der -Küste, so im Innern die gewöhnliche Fleischspeise, während das Moorhuhn -mehr auf den Markt der südlichen Städte gebracht wird. Das Fleisch -des Alpenschneehuhns ist indessen dunkler und weniger schmackhaft als -dasjenige des Moorhuhns; es ähnelt dem Hasenwildbret.</p> - -<p>Ein ausschließlicher Feldvogel, aber auch ein Freund von Gebüsch und -niederem Gehölz, ist das <em class="gesperrt">Rebhuhn</em> (<span class="antiqua">Perdix cinerea</span>). Es ist -Standvogel und nur zum Teil Strichvogel, lebt im Winter familienweise, -die übrige Zeit in einzelnen Paaren, die treu zusammenhalten. Im auf -Saatfeldern, im hohen Wiesengras und Gestrüpp oder an Buschrändern -gut versteckten Neste werden 10–12 Junge ausgebrütet, die von den -beiden Eltern sorgsam behütet und zum Auffinden der aus Insekten, -Getreidekörnern und anderen Sämereien, wie auch grünen Pflanzenteilen -bestehenden Nahrung angeleitet werden. Erwachsen bilden sie mit den -Eltern eine sogenannte Kette, die im Herbst mit Hilfe des Vorstehhundes -gejagt wird. Hat derselbe mit seinem vorzüglichen Geruchssinn eine -solche an den Boden geduckte Rebhuhnfamilie ausgekundschaftet, so -bleibt er mit lang vorgestrecktem Hals und einer erhobenen Pfote -wie angewurzelt stehen, bis der Herr sie sieht und auf sie schießen -kann. Das im Grunde nicht sehr scheue Rebhuhn wird in Gegenden, wo es -gejagt wird, sehr vorsichtig und weiß sich seinem Feinde durch rasches -Verstecken zu entziehen. In Südeuropa tritt es seltener auf, desto -häufiger aber in Mitteleuropa, wo es eines der gemeinsten Feldvögel -und das gewöhnlichste Federwild ist. Auf Neuseeland wurde es vor einem -Menschenalter mit Erfolg eingeführt.</p> - -<p>Die alten Griechen und Römer fingen die Rebhühner mit Netzen, um -sie teilweise zahm zu halten und die Männchen gegeneinander kämpfen -zu lassen, wie dies heute noch auf den Kykladen mit Steinhühnern -geschieht. Nach Oppian wurden sie in der Weise mit Netzen gefangen, -daß man sie durch andere Rebhühner hineinlocken ließ, oder der mit -einer Hirschhaut verkleidete Jäger schlich sich an sie heran, um sie -in Schlingen oder auch Netzen zu fangen. Der etwas später, zu<span class="pagenum"><a id="Seite_642"></a>[S. 642]</span> Beginn -des 3. Jahrhunderts n. Chr. lebende Grieche Älian schreibt in seinem -Buch über die Tiere: „Diejenigen Rebhühner (<span class="antiqua">perdix</span>), die eine -helle Stimme oder große Kampfeslust haben, sträuben sich sehr, wenn -sie von Menschen gefangen werden, weil sie wissen, daß sie nicht zum -Schlachten, sondern deswegen gefangen werden, weil sie durch ihre -Stimme und den Kampfesmut ergötzen sollen. Diejenigen aber, die sich -bewußt sind, daß sie weder als Sänger, noch als Kämpfer geachtet sind -und zum Braten gefangen werden, sind schlau genug, dem Menschen seinen -Spaß zu verderben; denn sie fressen nichts, wovon sie fett werden -könnten, dagegen Knoblauch in großer Menge. Wer das weiß, gibt sich -demnach mit dem Fang dieser Tiere keine Mühe; wer solches aber nicht -weiß und auf den Fang geht, der erlebt an seinem Braten wenig Freude.“</p> - -<p>Ein weiterer Bewohner der Grassteppe und Getreidefelder ist die -<em class="gesperrt">Wachtel</em> (<span class="antiqua">Coturnix communis</span>), die die milderen Gegenden -Europas von Süditalien nördlich bis Mittelschweden, aber auch weit -ausgedehnte Gebiete von Afrika, namentlich aber die Steppenländer -Asiens bis nach Nordchina bewohnt. In Europa beherbergen Ungarn und -die südrussischen Steppen die meisten Wachteln; in Deutschland hat -ihre Zahl besonders im Süden stark abgenommen. Sie ernährt sich wie -das Rebhuhn von Insekten, Sämereien und grünen Pflanzenteilen, ist in -der Morgen- und Abenddämmerung am tätigsten und verläßt nur in der -Mittagshitze ihr Versteck, um sich zu sonnen und im Sande zu baden. -Sie fliegt nur ungern und verkriecht sich viel lieber, als daß sie -sich einer Gefahr durch Fliegen entzöge. Auf freiem Felde überrascht, -drückt sie sich ganz flach auf den Boden, was sie auch tut, wenn sie -aufgescheucht wurde und sich wieder niederwarf. Im Frühjahr ist das -Männchen sehr kampflustig und schlägt sich auf Leben und Tod mit -Nebenbuhlern um ein Weibchen. Dann läßt es fleißig seinen bekannten -Schlag hören, den die Römer mit „<span class="antiqua">dic cur hic</span> (sage, weshalb -bist du da),“ die Deutschen mit „Bück den Rück“ oder „Flick de Büx“ -wiederzugeben versuchten. Wegen dieses seines Balzgesangs wird die -Wachtel gern als Stubenvogel gehalten. Sie wird im umgitterten Raume -bald ganz zahm und schreitet in ihm auch leicht zur Fortpflanzung. -Sogar in den Bauernstuben läßt man sie gern brüten und schätzt den -Vogel wegen seines stets munteren Wesens und der Vertilgung manchen -Ungeziefers. Noch mehr als bei uns ist die Wachtel in Persien und der -Bucharei ein beliebter Stubenvogel, der nicht nur zahlreich in Käfigen -gehalten, sondern auch als lebendiges<span class="pagenum"><a id="Seite_643"></a>[S. 643]</span> Spielzeug viel in den Händen -getragen und gehätschelt wird. Den wilden Vogel schießt man im Herbst -wie das Rebhuhn vor dem Hühner- oder Vorstehhund oder fängt ihn in -Netzen, und zwar oft mit der Wachtelpfeife, einem kleinen Instrument, -das den die Nebenbuhler in die Schranken fordernden Schlag der Hähne -oder den Lockton des Weibchens „Krüb krüb“ genau nachahmen muß.</p> - -<p>Erst im Juli paart sich die Wachtel. Schon während des Brütens -trennt sich das Männchen vom Weibchen; denn die Wachteln führen kein -Familienleben wie die Rebhühner. Das Nest der Wachtel findet sich, gut -versteckt, meist zwischen Äckergewächsen, seltener im Wiesengras und -Sommergetreide, bildet eine kleine, kunstlos mit Hälmchen ausgekleidete -Vertiefung, in der 8–14 Eier ausgebrütet werden. Gleich nach dem -Auskriechen laufen die Jungen mit der Mutter davon und werden bald -selbständig.</p> - -<p>Die Wachtel gehört bei uns zu den Zugvögeln. Viele Wachteln überwintern -zwar schon in Südeuropa, die meisten gehen aber weit nach Afrika -hinein, teilweise bis nach Südafrika. Ende September ziehen sie ab; -Mitte September ist der Zug am stärksten, bis anfangs Oktober die -letzten Nachzügler abreisen. Die Wachteln fliegen zwar gut, reisen aber -gern in der Richtung eines leichten Windes, werden durch Gegenwind -veranlaßt, Land oder auch nur Klippen oder Sandbänke, selbst das -Verdeck von Schiffen, wo sie ermattet und verwirrt liegen bleiben, -aufzusuchen und sollen sich sogar auf den Meereswellen eine Zeitlang -ausruhen, kommen aber häufig darin um. In zahlloser Menge erscheinen -sie auf ihrem Zuge in Südeuropa und Nordafrika und werden dort in Menge -gefangen, so daß sie für die betreffenden Bewohner eine ergiebige -Nahrungs- und Erwerbsquelle bilden. Außer der spanischen Küste, -Sizilien und manchen Gegenden Nordafrikas ist besonders auch Capri -wegen der Ergiebigkeit des Wachtelfangs berühmt. Frühere Bischöfe, -zu deren Sprengel das Eiland gehörte, hatten einen bedeutenden Teil -ihres Einkommens dem Wachtelfang zu verdanken, der mit Fuß- und -Halsschlingen, mit Klebe- und Steckgarnen, vornehmlich aber mit -italienisch <span class="antiqua">roccoli</span> genannten Schlagnetzen ausgeübt wird. Die -gefangenen, fetten Tiere werden gerupft, ihnen die Köpfe und Füße -abgeschnitten, der Bauch geöffnet und die Eingeweide herausgenommen, -sie dann wie Heringe verpackt und versendet. Schon die alten Griechen -und Römer lagen diesem Fange ob, wie auch die Kinder Israels auf ihrem -Zuge durch die Wüste. Der griechische Schriftsteller Oppianos sagt, -daß man die Wachteln, wenn sie mit geschlossenen<span class="pagenum"><a id="Seite_644"></a>[S. 644]</span> Augen aus Furcht vor -dem Meere aufs Land fallen, in Garnen fängt, indem man sie entweder -durch in Käfigen gehaltene Wachteln lockt oder in die man sie treibt, -indem man ein Kleid auf zwei Stäbe steckt, hochhält und so vorwärts -schreitet. In einem kürzlich in Ägypten aufgefundenen Fragment des im -3. Jahrhundert v. Chr. lebenden alexandrinischen Dichters Kallimachos -soll ein Priester auf einer der Kykladen ungünstigen Wind für den -Wachtelfang bitten... „wenn sich der Wachteln (<span class="antiqua">órtix</span>) Volk -stürzt in das Netz aus Garn“. In seiner Naturgeschichte berichtet -Plinius von ihnen: „Die Wachteln (<span class="antiqua">coturnix</span>) sind kleine, bei -uns mehr an der Erde als in der Luft lebende Vögel. Sie fliegen -scharenweise über das Meer und bringen, wenn sie sich dem Lande nähern, -selbst Schiffe in Gefahr; denn sie fallen oft in solcher Menge, und -zwar bei Nacht in die Segel, daß die Schiffe versinken. Bei ihren -Reisen haben sie bestimmte Gegenden, in denen sie sich niederlassen, -um zu ruhen. Bei Südwind fliegen sie nicht, weil dieser Wind ihnen zu -feucht und schwer ist, und doch wollen sie mit dem Winde fliegen, weil -ihr Körper schwer und ihre Kraft gering ist. Die Anstrengung, welche -ihnen der Flug verursacht, geben sie durch klagende Töne zu erkennen. -Sie fliegen daher vornehmlich mit dem Nordwind und unter Anführung des -Wachtelkönigs (eines größeren Vogels, der mit ihnen zugleich nach Süden -zieht, aber natürlich sie nicht anführt). Die erste Wachtel, die sich -dem Lande naht, holt sich der Falke. Ziehen sie nun weiter, so tun -sie sich nach Begleitern um und überreden die Glottis, die Horneule -(<span class="antiqua">otus</span>) und den Cychramus, mitzufliegen. Erhebt sich ein dem Zuge -widriger Wind, so nehmen die Wachteln kleine Steinchen als Ballast in -die Füße, oder den Schnabel voll Sand und fliegen dann weiter. Sie -fressen vorzüglich gern giftige Sämereien und werden deshalb nicht -verspeist. Sie sind das einzige Tier, das gleich den Menschen am bösen -Wesen leidet, und deshalb pflegt man, so oft man eine Wachtel sieht, -auszuspucken.“</p> - -<p>Daß die Römer nicht wie ihre Nachkommen, die heutigen Italiener, die -Wachteln gern gegessen hätten, ist kaum anzunehmen. Sagt doch Varro -zu Ende der Republik ausdrücklich: „Manche Leute mästen in ihren -Vogelhäusern auch Ortolane und Wachteln und verkaufen dann beide -teuer.“ Auch die Griechen verzehrten diesen Vogel gern, aber noch -lieber benützten sie die, wie uns bezeugt wird, mit Netzen gefangenen -und mit Hirse gefütterten Wachteln, wie heute noch die Chinesen und -Süditaliener, zu Kampfspielen. Der 125 n. Chr. geborene griechische -Schriftsteller Lukianos sagt, in Athen seien die Wachtel<span class="pagenum"><a id="Seite_645"></a>[S. 645]</span>kämpfe sehr -beliebt und häufig gewesen. Die Leute hätten sich dabei in großer Menge -versammelt; ja, es habe ein Gesetz bestanden, das den Jünglingen gebot, -den Wachtel- und Hahnenkämpfen zuzusehen, um von diesen Vögeln, die mit -Hartnäckigkeit auf Tod und Leben kämpfen, Tapferkeit zu lernen. Nach -dem Berichte des Plutarch war der junge Alkibiades (450–404 v. Chr.) -in seiner Vaterstadt Athen auf den Markt gekommen, wo das versammelte -Volk gefragt wurde, wer freiwillige Steuern bezahlen wolle. Da meldete -sich Alkibiades. „Über diese Freigebigkeit war das Volk entzückt, -klatschte und schrie, da vergaß Alkibiades selbst vor lauter Freude die -(Kampf-)Wachtel, die er zufällig unter dem Mantel trug, lies sie los -und sie flog davon. Nun schrien die Leute noch ärger, jagten hinter -der Wachtel her und es gelang dem Steuermann Antiochus, sie wieder -einzufangen.“ Der Philosoph Platon sagt, indem er auf die übertriebene -Wachtelliebhaberei seiner Zeitgenossen anspielt, im Lysis: „Mir ist -denn doch ein braver Freund lieber als die beste Wachtel oder der beste -Hahn“, und der Komödiendichter Aristophanes nennt die Söhne seines -Kollegen Karkinos „Hauswachteln“, weil sie sich zu Hause immerfort -zankten. Er sagt von der Wachtel, sie lasse ihre Stimme während des -Kampfes ertönen, das Rebhuhn dagegen vorher und der Haushahn nach dem -Siege. An einer andern Stelle schreibt er, die Athener hätten denen, -die sie liebten, gern Purpurhühner, Wachteln oder Gänse geschenkt. -Noch um 200 n. Chr. waren die Wachteln als Kampfvögel bei den Griechen -beliebt, denn der damals in Alexandrien lebende Athenaios nennt -Leute, die gar zu erpicht auf Kampfwachteln sind, Wachtelnarren. -Von ihnen übernahmen die Römer diese Liebhaberei, so daß wir die -Behauptung des Plinius, daß man in Rom keine Wachteln esse, dahin -deuten können, daß sie von den reicheren Römern lieber zu Kampfspielen -denn als Braten verwendet wurden. Noch heute ist in vielen Städten -Italiens, insbesondere in Neapel, der Wachtelkampf eine beliebte -Volksbelustigung. Die Wachtelhähne werden mit Hirse gefüttert und dann -auf jedes Ende eines länglichen Tisches einer gesetzt. Alsbald nähern -sich die Tiere und hauen so wütend mit Schnabelhieben aufeinander ein, -daß die Federn fliegen und das Blut aus offenen Wunden fließt, bis -eines besiegt ist und die Flucht ergreift. Der Besitzer der siegreichen -Wachtel bekommt den ausgesetzten Preis und kann das Tierchen, wenn -es mehrmals gesiegt hat, oft für 10–12 Goldstücke verkaufen, da der -Käufer durch weitere Siege diese Summe reichlich wieder einbringen -kann. Allerdings haben schon im Altertum die besseren Ele<span class="pagenum"><a id="Seite_646"></a>[S. 646]</span>mente von -dieser Volksbelustigung gelassen. So schreibt Marcus Antonius, er habe -vom Philosophen Diognetos gelernt, keine Wachteln zum Vergnügen zu -halten und überhaupt sich nicht mit Albernheiten abzugeben. Übrigens -wurde damals die Wachtel außer zum Kampf auch zu Spielen aller Art -verwendet. So schreibt Julius Pollux von einem griechischen Spiele, -das Wachtelhieb genannt wurde. Dabei setzte einer seine Wachtel in die -Mitte eines gezogenen Kreises; ein anderer aber versetzte ihr einen -schwachen Hieb mit dem Finger. Wich nun die Wachtel nach diesem Hiebe -aus dem Kreise, so hatte der Besitzer der Wachtel die Wette verloren.</p> - -<p>Denselben Griechen verdankten die Römer und in der Folge das -ganze Abendland die Einführung des <em class="gesperrt">Fasans</em> (<span class="antiqua">Phasianus -colchicus</span>), von dem wir erfahren, daß ihn einst die unter Anführung -des Jason zur Erlangung des von einem grimmigen Drachen gehüteten -goldenen Vließes ausgezogenen Argonauten, d. h. Schiffer auf dem -Schiffe Argo, am Flusse Phasis, im Lande Colchis südlich vom Kaukasus -kennen lernten und danach <span class="antiqua">phasianós</span>, d. h. den phasischen Vogel -nannten. Dieser ursprünglich Westasien bewohnende Vogel ist heute -durch den Menschen nicht nur in den Mittelmeerländern, sondern in -Europa bis England und Norddeutschland, d. h. soweit die klimatischen -Verhältnisse es zuließen, verbreitet worden. Schon die Römer, die -ihn von den Griechen mit demselben Namen übernommen hatten, brachten -ihn wie den Pfau in ihre Kolonien nach Südfrankreich und Helvetien, -von wo aus er allerdings erst zu Ende des Mittelalters als Wildling -weiter nordwärts vordrang. Während er heute in ganz Süddeutschland, -Böhmen und Österreich im Zustande vollkommener Wildheit lebt, wird -er in Norddeutschland noch unter Obhut des Menschen in sogenannten -Fasanerien gehalten, und, wenn freilebend, wenigstens in strengen -Wintern gefüttert. Als nunmehr vollkommen eingebürgertes Wild wird der -Fasan mit dem Hühner- oder Vorstehhund in seinem Lager aufgesucht und -zum Schuß gebracht, oder nach Zerstreuung eines Volkes in Steckgarnen -gefangen. Man beschleicht auch die Hähne beim Balzen und stellt, wenn -viele auf einmal geschossen werden sollen, förmliche Treibjagden auf -sie an, wie dies bei großen Herren Mode ist.</p> - -<p>Eine Lieblingsjagdart vieler Jäger ist die auf dem sogenannten -Schnepfenstrich, wenn im ersten Frühjahr die <em class="gesperrt">Schnepfen</em> aus ihren -in Südeuropa gelegenen Winterquartieren zu uns in ihre Brutgebiete -zurückkehren. Was dieser Jagd ihren besonderen Reiz verleiht, ist -das dabei zu beobachtende Wiedererwachen der Natur, wenn schon -die Wild<span class="pagenum"><a id="Seite_647"></a>[S. 647]</span>tauben, das Rotkehlchen, die Amsel, die Heidelerche, die -Bachstelze aus dem Süden eingetroffen sind und mit ihren Werbelauten -den Wald beleben. Man unterscheidet drei Arten von Schnepfen.</p> - -<p>1. Die <em class="gesperrt">Waldschnepfe</em> (<span class="antiqua">Scolopax rusticula</span>), die mit -Ausnahme einiger nordischer Inseln alle Länder Europas, wie auch ganz -Mittel- und Nordasien bewohnt. Im Norden trifft man sie während des -Sommers in allen größeren Waldungen an, wo sie, ohne einen Unterschied -zwischen Laub- und Nadelholz zu machen, feuchte, sumpfige Stellen, -niemals aber eigentliche Sümpfe und freie Moräste bewohnt. Nur in -der Dämmerung begibt sie sich auf Waldwiesen und Viehtriften in der -Nähe des Waldes, wo sie sich von allerlei Getier ernährt, die sie -mit ihrem feinfühligen, langen Schnabel aus der Erde zieht. Fleißig -wendet sie zur Erbeutung von Würmern, Schnecken und Insektenlarven das -vermodernde Waldlaub um und bohrt in Rinderdünger, wie auch in von -jenen belebten weichen Bodenschichten ihren Schnabel ein, den sie zum -Erfassen und Verschlingen ihrer Beute nur vorne öffnet, ohne ihn aus -dem Boden herauszuziehen. Laufend weicht sie zwar häufig einer Gefahr, -z. B. einem Hühnerhund, aus und duckt sich, ihrer Schutzfärbung wohl -bewußt, zu Boden, aber, um etwas zu suchen, fliegt sie am liebsten. -Dabei bewegt sie sich in geringer Höhe langsamer als die übrigen -Schnepfenarten.</p> - -<p>Die ungeheure Anzahl von Waldschnepfen, die auf ihrem Herbstzuge fast -alljährlich gefangen und vertilgt wird und trotzdem immer wiederkehrt, -legt die Vermutung nahe, daß das Hauptbrutgebiet der Waldschnepfe die -dünn bevölkerten, einsamen Wälder Nordrußlands und Sibiriens sind. -Jedenfalls ist die Waldschnepfe im Osten und Norden viel reichlicher -als Brutvogel vertreten als im Westen und Süden. Während sie schon -auf den Karpaten in ziemlicher Zahl brütet, gehört sie im waldarmen -Frankreich und England zu den seltenen Brutvögeln und wird auch bei uns -fast nur auf dem Durchzuge geschossen, wenn sie je nach der Witterung -von Mitte März an in ihre nordische Heimat zurückkehrt. Ihre Straße -ist nicht stets dieselbe, so daß man sie in einem bestimmten Revier -nicht alle Jahre gleich häufig zu sehen bekommt. Der Balzflug, der -gewöhnlich nur in einer Höhe von 12–15 <span class="antiqua">m</span> ausgeführt wird und in -der Abend- und Morgendämmerung nicht viel länger als <span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">4</span></span> Stunde dauert, -niemals bei Kälte und Ostwind, besonders aber bei warmer, regnerischer -Witterung und bei Südwestwind, der die stets mit dem Winde wandernden -Schnepfen herbeiführt, stattfindet, ist eine Art Unterbrechung des -Frühlingszuges,<span class="pagenum"><a id="Seite_648"></a>[S. 648]</span> um dem Männchen ein Weibchen zu verschaffen oder -einem schon gewonnenen seine Aufmerksamkeit zu erweisen. Wenn es dann -liebetrunken mit dick aufgeblähtem Gefieder mit kurzen Flügelschlägen -langsam unter Ausstoßen leiser, pfeifender und quaksender Töne über dem -Gehölze streicht, fällt es dem Blei des Jägers zum Opfer.</p> - -<p>2. Die <em class="gesperrt">Sumpfschnepfe</em> oder <em class="gesperrt">Bekassine</em> (<span class="antiqua">Gallinago -coelestis</span>), deren Heimat ebenfalls der Norden Europas und Asiens -ist. Auch sie überwintert in Südeuropa, Nordafrika und Indien und -zieht Ende März und im April zu ihren Brutplätzen im Norden, um schon -Ende August bis Oktober wieder ihre Rückreise in die Winterquartiere -im Süden zu vollführen. In Norddeutschland, Dänemark, Skandinavien, -Rußland und Sibirien ist sie sehr gemein und lebt dort auf sumpfigen -Wiesen und Mooren zwischen Weiden- und Erlengebüsch. Ihr Nest findet -sich auf kleinen Hügelchen und auf Grasbüscheln im Sumpf und enthält in -der zweiten Hälfte des April vier Eier, die vom Weibchen ausgebrütet -werden, während das Männchen morgens und abends über dem Nestplatz -seinen eigentümlichen Balzflug vollführt. Mit dem Ausschlüpfen der -Jungen hat der regelmäßige Balzflug ein Ende. Dank ihres geschützten -Aufenthaltsortes und ihrer größeren Flugfertigkeit ist sie weniger -Gefahren als die Waldschnepfe ausgesetzt. Wegen ihres schmackhaften -Wildbrets, das jenes der Waldschnepfe entschieden übertrifft, wird -sie allenthalben verfolgt, wenn auch nicht überall mit besonderem -Eifer, da das Umherwaten im Sumpfe nicht jedermanns Sache ist. Wie die -Waldschnepfen lassen sie sich auch in der Gefangenschaft halten, doch -ist ihre Eingewöhnung keine sehr leichte.</p> - -<p>3. Die <em class="gesperrt">Moorschnepfe</em> (<span class="antiqua">Gallinago gallinula</span>), die kleinste -aller Schnepfen. Sie ist ebenfalls ein Sumpfbewohner und hat ihre -Heimat im Norden, besonders in Rußland und Westsibirien. Wie die andern -Schnepfen wird sie an denselben feuchten Stellen bei ihrem Durchzuge -geschossen, um als Leckerbissen verzehrt zu werden.</p> - -<p>Von weiteren jagdbaren Vögeln sind die <em class="gesperrt">Enten</em> und <em class="gesperrt">Gänse</em> -zu nennen, die besonders für die nordischen Völker eine wichtige Rolle -spielen. Der bei uns häufigste Brutvogel unter den Wildenten ist die -<em class="gesperrt">Stockente</em> (<span class="antiqua">Anas boscas</span>), deren Nest man an buschreichen -Ufern unter Weiden und Erlen, zwischen Schilfrohr und Sumpfpflanzen, -im Grase oder auf mäßig hohen Bäumen in verlassenen Krähen- und -Raubvogelnestern findet. Es enthält anfangs April 8–14 schmutzigweiße, -von denen der, wie wir sahen, von ihr abstammenden Hausente nicht -unterscheidbare Eier. Die nach 26tägiger Bebrütung aus ihnen -aus<span class="pagenum"><a id="Seite_649"></a>[S. 649]</span>schlüpfenden Jungen werden von ihrer Mutter auf versteckreiche -Gewässer geführt, unter ihren Flügeln erwärmt und fast bis zur -Erlangung vollständiger Flugfähigkeit sorgsam beschützt und geleitet. -Sie ernähren sich mit der verschiedensten tierischen und pflanzlichen -Speise. Während die Weibchen brüten und ihre Jungen aufziehen, -vereinigen sich die Männchen zu kleineren oder größeren Gesellschaften. -Die im Oktober ihr Jugendkleid verlierenden Jungen gehen dann mit den -alten Artgenossen aus den stillen Gewässern auf die Flüsse, um hier -Scharen zu bilden und, wenn das Wasser gänzlich zufriert, nach milderen -Gegenden im Süden zu ziehen. In schräger Linie oder ein hinten offenes -Dreieck bildend fliegen sie meist zur Nachtzeit nach Südeuropa, um -schon im Februar oder März in ihr Brutgebiet zurückzukehren. Dieses -erstreckt sich von der unteren und mittleren Donau, Süddeutschland -und der Schweiz bis zur Waldgrenze im Norden und verbreitet sich auch -über Nordasien und Nordamerika. Der äußerst scheue und vorsichtige, in -der Gefangenschaft leicht zur Fortpflanzung zu bringende Vogel wird -namentlich in Brüchen, wo er dem Samen des Schwadengrases nachfliegt, -auf dem Morgen- und besonders auf dem Abendanstand erlegt. Auch fängt -man ihn in Laufschlingen und mit Angeln, in großen Massen aber in den -sogenannten Entenfängern oder Vogelkojen, die es freilich früher in -größerer Menge als jetzt in Deutschland gab. Es sind dies fünfeckige -Teiche, die an jeder der fünf Ecken spitz zulaufende, von Erdwällen -umgebene und mit mannshohen Blendschirmen aus Schilfrohr eingefaßte -Ausbuchtungen haben, die mit einem Netze bedeckt sind und in eine -gewöhnliche Fischreuse endigen. Die Wälle und die Umgebung der Koje -sind mit dichtem Buschwerk bepflanzt. Auf den Teichen und deren -Ausläufen befinden sich zahlreiche zahme Enten, Spieß-, Pfeif- und -Stockenten mit gestutzten Flügeln. Der Kojenwärter, der sich durch ein -stets bei sich getragenes Torfräuchergefäß verwittert, streut dann -seinen zahmen Enten Futter, meist Gerste, und lockt sie damit unter -die Netze, wohin ihnen die Wildlinge ohne Bedenken folgen. Durch das -Erscheinen des Kojenwärters aufgescheucht, wollen sie ihm entfliehen, -wobei sie immer mehr in den Blindsack und schließlich in die Reuse -geraten, wo sie getötet werden. Dann wird den Lockenten abermals -Futter gestreut, und das Spiel beginnt von vorne. Ist eine Ausbuchtung -zweimal abgetrieben, so kommt die nächste an die Reihe. So werden -viele Tausende von Enten jährlich gefangen, z. B. auf der Insel Föhr -in einem Herbst über 30000 Stück. Weniger aber als durch die Jäger und -Entenfänger<span class="pagenum"><a id="Seite_650"></a>[S. 650]</span> nimmt die Stockente infolge der zunehmenden Bodenkultur, -besonders infolge der Trockenlegung von Wiesen und Sümpfen, bei uns ab.</p> - -<p>Etwas kleiner als die Stockente ist die zu derselben Zeit nach Süden -ziehende <em class="gesperrt">Schnatterente</em> (<span class="antiqua">Anas strepera</span>), die ihren -Namen dem schnatternden Rufe des Weibchens verdankt, an dem man sie, -namentlich wenn das helle Pfeifen der Männchen dazwischen klingt, von -allen andern in Deutschland vorkommenden Entenarten unterscheiden kann. -Der auch durch einen eigentümlichen wippenden Flug ausgezeichnete Vogel -bewohnt den Norden von Europa, Asien und Nordamerika und nistet mehr -im Osten unseres Kontinents bis zum Schwarzen Meer. In Deutschland -nistet er namentlich in Schlesien und in einigen Seen Ostpreußens. In -das von ihr kunstlos hergestellte Nest legt das Weibchen 6–12 trüb -olivengrünliche Eier, die sie selbst ausbrütet.</p> - -<p>Häufiger als sie ist die <em class="gesperrt">Spießente</em> (<span class="antiqua">Anas acuta</span>) -mit langem, dünnem Hals und stark verlängertem Schwanz. Zu ihrem -Aufenthalte wählt sie ausgedehnte Sümpfe mit vielen Wassergräben und -freien Wasserflächen, dann große, schilfreiche Seen und verwilderte -Teiche mit Wasserpflanzen aller Art, nicht aber buschreiche, im Walde -versteckte Örtlichkeiten, wie sie die Stockente liebt. Hier findet man, -bei uns in der zweiten Hälfte des April, 8–10 sehr bleiche, graugrüne -Eier, die etwas kleiner als die der Stockente sind. Ihr Brutgebiet -erstreckt sich über den Norden Europas, Asiens und Nordamerikas, wo -sie ungefähr dieselben Gegenden wie die Stockente bewohnt, aber weiter -nach Norden geht. Sie wandert vom Oktober an nach Süden und kehrt im -März und April in ihr Brutgebiet zurück. Auf dem Zuge ist sie neben der -Krick- und Pfeifente die häufigste Ente an der Nordseeküste.</p> - -<p>Dasselbe Verbreitungsgebiet hat die <em class="gesperrt">Löffelente</em> (<span class="antiqua">Anas -clypeata</span>), die ihren Namen von dem vorn stark verbreiterten -Schnabel hat. Sie zieht Ende August nach Südeuropa und Nordafrika, nach -Indien und Südchina, um im März und April paarweise auf ihre Brutplätze -zurückzukehren, wo man im Mai das zwischen Schilf und Binsen stehender -Gewässer versteckte und mit 7–14 trüb gelblichweißen Eiern belegte Nest -findet.</p> - -<p>Die häufigste deutsche Sommerente nach der Stockente ist die -<em class="gesperrt">Knäckente</em> (<span class="antiqua">Anas querquedula</span>), obwohl sie später als jene -bei uns ankommt und früher wieder abzieht. Sie hat ihren Namen von -ihrer gewöhnlichen Stimme, ist klein und äußerst gewandt im Fliegen, -so<span class="pagenum"><a id="Seite_651"></a>[S. 651]</span> daß sie sich durch geschickte Schwenkungen selbst einem auf sie -stoßenden Falken in der Regel zu entziehen vermag. Sie nistet vom Rhein -bis nach Südschweden im Schilf oder Gebüsch an sumpfigen Gewässern. -Ende April findet man 9–12 gelblichweiße Eier in ihrem Nest.</p> - -<p>Ebenso zierlich von Gestalt, aber schöner wie sie ist die -<em class="gesperrt">Krickente</em> (<span class="antiqua">Anas crecca</span>), die ihr Brutgebiet weiter -nördlich hat und auf dem Durchzuge fast überall an der deutschen Küste -erscheint. Sie ist wenig scheu, fliegt schnell und geräuschlos und -ist eine fertige Taucherin, die eine weite Strecke unter dem Wasser -zurücklegen kann.</p> - -<p>Ebenso mehr dem Norden eigentümlich ist die <em class="gesperrt">Pfeifente</em> (<span class="antiqua">Anas -penelope</span>), so genannt, weil sie beim Fluge einen lauten, pfeifenden -Ton von sich gibt. Auch sie kommt auf dem Zuge regelmäßig an unsere -Küsten und wird dann erbeutet. Ebenso im Norden, besonders in Rußland -häufig ist die kleine <em class="gesperrt">Tafelente</em> (<span class="antiqua">Fuligula ferina</span>), die -mit einem vernehmbaren Rauschen fliegt und sich mit einem kleinen -Anlauf von der Wasserfläche erhebt. Eigentliche Moore dagegen bevorzugt -die verwandte <em class="gesperrt">Moorente</em> (<span class="antiqua">Fuligula nyroca</span>). Sie gehört -vorwiegend dem Osten von Europa an und reicht bis Turkestan.</p> - -<p>Von den zahlreichen übrigen Enten ist besonders die <em class="gesperrt">Eiderente</em> -(<span class="antiqua">Somateria mollissima</span>) für den Menschen von Bedeutung, weil -sie ihm die durch ihre Feinheit und Elastizität hochgeschätzten Dunen -liefert. Sie ist ein echter Meeresvogel, der sich auf dem Lande nur -schwerfällig fortbewegt und auch beim Fluge rasch ermüdet. Sie taucht -vortrefflich und bleibt dabei gewöhnlich zwei Minuten unter Wasser. -Sie taucht selbst in der stärksten Brandung unter und bringt von 20 -bis 24 <span class="antiqua">m</span> tiefem Grunde ihre teils aus kleinen Tieren, besonders -Miesmuscheln, teils aus Tang bestehende Nahrung in ihrem Kropfe herauf. -Sie bewohnt den Norden der ganzen Erde und kommt in Europa von Jütland -bis Spitzbergen vor. Je weiter nach Norden, um so häufiger wird sie. -Schon in Mittelnorwegen lebt sie zu Tausenden, von den Küstenbewohnern -durch besondere, leider nicht überall geachtete Gesetze geschützt und -gehegt. Sie brütet mit Vorliebe auf kleinen Inseln, wohin der Eisfuchs, -ihr gefährlichster Feind, nicht hingelangen kann, erst im Juni und -Juli, und zwar nicht in einzelnen Paaren wie die echten Tauchenten, -sondern in großen Gesellschaften zusammen. Das aus allerlei Stoffen -der Umgebung, besonders Tang, höchst liederlich zusammengeschichtete -Nest wird innen mit den feinen Dunenfedern ausgepolstert, die sich -das Weibchen vom Bauche rupft. Diese sind bräunlichgrau und an der -Wurzel weiß gefleckt, haften zwar so fest<span class="pagenum"><a id="Seite_652"></a>[S. 652]</span> aneinander, daß auch bei -starkem Wind nicht eine wegfliegt, trotzdem aber ballen sie sich nicht -zusammen. Da, wo sich der Mensch um deren Brutgeschäft kümmert, indem -er den Vögeln außer den Dunen auch die sehr wohlschmeckenden Eier -nimmt, legt er alte Kisten und mit Brettern und Reisig überdeckte -Steine zum Empfange der für ihn so überaus nützlichen Gäste bereit. So -scheu der Eidervogel früher war, so zutraulich zeigt er sich jetzt, da -er sich des Schutzes des Menschen sicher fühlt. Dreist kommen diese -Vögel bis unmittelbar an das Gehöft des einsamen Küstenbewohners -gewatschelt, ja begeben sich sogar in das Innere der Hütte, um sich -einen passenden Platz zum Nest auszusuchen. So geschieht es nicht -selten, daß manche Eidervögelweibchen in Kammern, Backöfen oder -Ställen brüten und dadurch der Hausfrau fast lästig werden. Anfänglich -begleitet das Männchen sein Weibchen regelmäßig bei allen diesen -Fußwanderungen; wenn aber das Gelege vollständig geworden ist, verläßt -es Nest und Weibchen und fliegt aufs Meer hinaus, wo es sich mit andern -Männchen vereinigt und jenem das Brutgeschäft überläßt.</p> - -<p>In bewohnten Gegenden kommt nun das Eiderentenweibchen nur selten dazu, -seine erste Brut aufzuziehen, da die Nester regelmäßig der wertvollen -Dunen und Eier beraubt werden. Einsichtige Eigentümer der Brutplätze -von Eiderenten begnügen sich damit und lassen die Vögel dann gewähren; -habsüchtige und unverständige Leute aber rauben ihnen nicht bloß die -erste Brut von 4–6 Eiern, sondern auch die zweite, die aus 3, oder -gar die dritte, die nur aus 2 Eiern, manchmal nur aus einem einzigen -besteht und gleich der zweiten oft merklich kleinere Eier aufweist. Für -das Wegnehmen der dritten Brut werden aber die Leute gewöhnlich durch -den dauernden Abzug der Vögel bestraft. Da das Eiderentenweibchen, das -sich, wenn ihm die Dunen wiederholt weggenommen wurden, trotzdem es -sich den Bauch beinahe kahl rupft, für die späteren Gelege nicht mehr -genug Dunen hat, so muß dann das Männchen herhalten, das sich auch vom -Weibchen geduldig ausrupfen läßt, um es dann allerdings zu verlassen. -Das Weibchen besorgt das Brüten und Aufziehen der Jungen allein. Die -Norweger tragen die eben ausgeschlüpften Jungen gern in einem Korbe zum -Meere, um sie dort auszuschütten. Ihnen folgen die besorgten Mütter, um -wieder zu ihren Jungen zu gelangen, die sie dann an sich locken, um sie -zum Leben im Wasser zu erziehen.</p> - -<p>Für die armen Bewohner der Küsten des hohen Nordens ist der Handel mit -Eiderdunen sehr wichtig; deshalb suchen sie die Eiderenten<span class="pagenum"><a id="Seite_653"></a>[S. 653]</span> in die -Nähe ihrer Wohnungen zum Brüten anzusiedeln, wo sie dann ganz zahm -werden. Am wertvollsten sind die Dunen dann, wenn sie vor dem Brüten -aus dem Nest genommen werden, da sie nachher meist verunreinigt sind. -Ein Kilogramm gut gereinigter Dunen, zu dessen Gewinnung 10–15 Nester -geplündert werden müssen, wird mit 30 Mark und darüber bezahlt. Zur -Füllung eines Bettes sind etwa 2,5 <span class="antiqua">kg</span> Dunen nötig, die sich, -auf einen kleinen Raum zusammengedrückt, bei nachlassendem Druck -so schnell wieder ausdehnen, daß ein mit ihnen gefülltes Bett an -Weichheit und Warmhalten seinesgleichen sucht. Die Eier werden wie die -Hühnereier verwendet. Auch das Fleisch der Eiderente wird gegessen und -ihr abgezogener Balg zur Anfertigung warmer Unterkleider verwendet. -Geschossen wird die Eiderente auch auf dem hohen Meere selten. Der dort -sehr scheue Vogel verlangt seines dichten Pelzes wegen einen tüchtigen -Schuß mit grobem Schrot und ist so ungemein zählebig, daß er sich, -wenn ihn der Schuß nicht augenblicklich tötet, durch Tauchen zu retten -sucht, wobei er sich an Pflanzen auf dem Meeresgrund festbeißt, dort -verendet und deshalb für den Schützen meist verloren geht.</p> - -<p>Von den zahlreichen nordischen Vögeln dienen noch manche andere dem -Menschen regelmäßig als Speise, so außer verschiedenen nordischen -Enten und Gänsen auch die im hohen Norden brütenden <em class="gesperrt">Schwäne</em> -(Höcker-, Sing- und Zwergschwan), deren Fleisch, wenn die Tiere noch -jung sind, äußerst zart und wohlschmeckend ist. Deren mit den Federn -gargemachten Häute liefern ein kostbares Pelzwerk und die Dunen einen -bedeutenden Handelsartikel. Auch <em class="gesperrt">Möven</em>, <em class="gesperrt">Segeltaucher</em> -und <em class="gesperrt">Pelikane</em> liefern gutes Fleisch, geschätzte Eier und ein -zu Muffen und Verbrämungen beliebtes Pelzwerk. Noch wichtiger als -sie sind für den Menschen die <em class="gesperrt">Gänse</em>, von denen einzig die -<em class="gesperrt">Graugans</em> (<span class="antiqua">Anser cinereus</span>), die Stammutter unserer -Hausgans, in Mitteleuropa brütet, während die übrigen Gänsearten -mehr nördlich brüten und nur bei ihrem Durchzuge nach dem Süden bei -uns geschossen werden. Nach der Überwinterung in Afrika erscheint -dieses Tier bei uns in großen Gesellschaften mit viel Lärm, um in -wasserreichen Einöden zu brüten. Hier kämpfen die jüngeren Männchen -ums Weibchen, während die älteren schon gepaart sind. Das Weibchen -legt, wenn es jung ist, 5, wenn es älter wird bis 10 trüb gelblichweiße -Eier, die es mit von Brust und Bauch abgerupften Dunen umgibt. Es -bebrütet sie mit der infolgedessen fast bloßgewordenen Haut und bedeckt -sie beim jedesmaligen Verlassen des Nestes sorgsam mit Dunen, damit -sie nicht etwa erkalten.<span class="pagenum"><a id="Seite_654"></a>[S. 654]</span> Die den Eiern nach einer vierwöchentlichen -Brutzeit entschlüpfenden Jungen werden von der Mutter noch einen Tag -lang erwärmt, dann zum Aufsuchen zarter Pflanzennahrung aufs Wasser und -später wieder aufs Land geführt, während der Vater ängstlich auf die -Sicherheit der Seinen bedacht ist und sie beim geringsten Anzeichen -von Gefahr warnt. Als junges Tier zu Ausgang der Ernte geschossen, -liefert die Graugans einen vorzüglichen Braten, ist aber als scheuer, -vorsichtiger Vogel schwer zu beschleichen. Sie wird meist morgens und -abends auf dem Anstand erlegt. Meist verläßt sie uns im August, um nach -Süden zu ziehen, wobei die flugfähigen Jungen schon im Juli den Eltern -vorausgezogen sind. Die Graugans ist zierlicher und schlanker als die -Hausgans, von der sie sich sonst nur durch ihr stets bräunlichgraues -Gefieder unterscheidet.</p> - -<p>Im September und Oktober trifft bei uns die den hohen Norden Asiens -bewohnende <em class="gesperrt">Saatgans</em> (<span class="antiqua">Anser segetum</span>) auf ihrem Zuge -nach Süden ein, um entweder bei uns oder in südlicheren Gegenden zu -überwintern und im April wieder auf ihre Brutplätze zurückzukehren. -Etwas später als sie trifft die etwas kleinere, ebenfalls hochnordische -<em class="gesperrt">Ackergans</em> (<span class="antiqua">Anser arvensis</span>) teils als Durchzugsvogel, -teils als Wintergast bei uns ein, während die dieselben Breiten -bewohnende <em class="gesperrt">kurzschnäbelige Gans</em> (<span class="antiqua">Anser brachyrhynchus</span>) -mehr Westeuropa streift. Dagegen trifft man nicht selten bei uns -im Winter die Nordasien bewohnende <em class="gesperrt">Bläßgans</em> (<span class="antiqua">Anser -albifrons</span>). Alle sind sehr vorsichtige, scheue Tiere, die sehr wohl -den gefährlichen Jäger vom harmlosen Bauern zu unterscheiden vermögen. -In China, wo sie in großer Zahl überwintern und gesetzlich geschützt -sind, erweisen sie sich infolge des Schutzes, den sie genießen, viel -zutraulicher gegen den Menschen als bei uns. Besonders zahlreich sind -auch dort die Saatgänse, die sich sogar im Innern von Peking in Scharen -niederlassen, während sie bei uns überall geschossen werden, wo sie -sich zeigen.</p> - -<p>In Waldrevieren gewinnt gelegentlich die Jagd auf <em class="gesperrt">Drosseln</em> -Wichtigkeit, da sie mitunter mehr abwirft als diejenige des übrigen -Federwildes. Diese geschieht fast nur mit Dohnen in Form von an -die unteren Baumäste aufgehängten Bügeln, die Vogelbeeren oder -Holundertrauben als Lockspeise erhalten, bei deren Verzehrenwollen sich -die armen Tiere an den heimtückischerweise angebrachten Schleifen aus -Pferdehaar fangen und dabei erwürgt werden. Für solche Drosselarten, -die, wie die Wacholder- und Ringdrossel, sich mehr an der Erde -aufhalten, werden zwischen den von ihnen mit Vorliebe besuchten<span class="pagenum"><a id="Seite_655"></a>[S. 655]</span> -Wacholderbüschen Pferdehaarschleifen als sogenannte Laufdohnen am Boden -befestigt.</p> - -<p>Auch der <em class="gesperrt">Krammetsvogel</em>, so genannt, weil er auf seinem -Durchzuge im Herbst gern Krammets- oder Wacholderbeeren nascht, -oder die <em class="gesperrt">Wacholderdrossel</em> (<span class="antiqua">Turdus pilaris</span>) ist ein -vorzugsweise im Norden brütender Vogel, dessen Heimat fast die Grenze -des Baumwuchses erreicht. Hier nistet er als ein echter Waldvogel in -großen Kolonien gesellig in den lichten, niederen Wäldern des Nordens, -um im November zu uns zu kommen, in gelinden Wintern auch wohl ganz -bei uns zu bleiben, meistens aber nach Südeuropa und selbst Nordafrika -zu ziehen. Er wird wegen seines Fleisches geschätzt; doch kommen als -Krammetsvögel auch seine Verwandten auf den Markt, vor allem auch die -ebenfalls hochnordische <em class="gesperrt">Weindrossel</em> (<span class="antiqua">Turdus iliacus</span>) und -die außer im Norden auch auf den Alpen und anderen südlichen Gebirgen -lebende <em class="gesperrt">Ringdrossel</em> (<span class="antiqua">Turdus torquatus</span>). Schon von Mitte -September an führt der Herbstzug diese Drosseln in beerenreiche Wälder -Südeuropas, Kleinasiens, Persiens und Nordafrikas, von wo sie Ende -März oder im April in ihre kalten Brutgebiete zurückkehren. Mit ihnen -wird dann auch die am liebsten in hohen Wäldern lebende, Nadelholz dem -Laubholz vorziehende <em class="gesperrt">Misteldrossel</em> (<span class="antiqua">Turdus viscivorus</span>) -erbeutet, die ein nicht minder wohlschmeckendes Fleisch besitzt. Sie -bewohnt Nord- und Mitteleuropa und Nordasien bis zum Himalaja hinauf. -Im Norden ist sie Zug-, weiter südlich dagegen Strich- und Standvogel, -der im Vorfrühling und Spätherbst familienweise umherstreicht, um -Futter zu suchen und sich dabei vielfach in den schnöden Dohnen fängt.</p> - -<p>Wie heute noch in den romanischen Ländern Südeuropas, vor allem in -Italien, so wurde früher auch bei uns Jagd auf die Gesamtheit der -kleinen Vögel gemacht, die auf ihrem Durchzuge, besonders im Herbst, -gut gemästet nach Süden ziehen. Man benutzte und benutzt heute noch -dazu den Vogelherd, den schon der Sachsenherzog Heinrich der Sage nach -bestellt haben soll, als er im Jahre 919 von den Franken und Sachsen -in Fritzlar zum deutschen Könige gewählt wurde. Davon erhielt dieser -eigentliche Gründer des Deutschen Reiches, der die Einheit des von ihm -innerlich gefestigten Reiches herstellte, seinen Beinamen der „Finkler“ -oder der „Vogelsteller“. Zur Anlage eines solchen Vogelherdes wählt der -Vogelsteller zur Zugzeit im Herbst eine hochgelegene, von den Zugvögeln -regelmäßig besuchte Stelle, etwa einen bebuschten Hügel auf der -Zugstraße. Hier stellt er ein großes Schlagnetz auf, stellt im Bereiche -desselben Futter zum Speisen der hungrigen<span class="pagenum"><a id="Seite_656"></a>[S. 656]</span> und Wasser zum Tränken -der durstigen Wanderer auf und ladet diese durch besondere Lockvögel -ein, bei ihrem Durchzuge sich hier niederzulassen und zu stärken. Dazu -tut auch der in einer Rasen- oder Laubhütte versteckte Papageno mit -der Lockpfeife sein Möglichstes, bis die armen Wichte, wenn sie sich -müde und hungrig oder durstig niederlassen, durch Niederfallen des -Netzes infolge eines Ruckes an der Schnur, gefangen werden, wonach -ihnen meuchlings der Hals umgedreht wird. Heute schämen wir feinfühlig -gewordenen Kulturmenschen uns solcher Roheit und lassen die durch -Insektenvertilgung äußerst nützlichen und durch ihren ansprechenden -Gesang uns lieben Vögel, die doch keinen nennenswerten Nährwert haben, -lieber am Leben und an ihrer nützlichen Arbeit in Wald und Feld. Anders -die gefühlsrohen, noch von der römischen Kaiserzeit an Blutvergießen -und Tierquälerei nicht nur keinen Anstoß nehmenden, sondern sich -vielmehr noch daran erfreuenden Romanen, die diese kleinen Leichname -gerupft, an dünnen Weidenruten aufgezogen, auf den Markt bringen und -ihren Volksgenossen gegen geringes Entgelt zum Braten und Verspeisen -mit einer Reis- oder Maisspeise verkaufen. Wie in den Städten Italiens -kann man auch in Marseille solche Vögel für billiges Geld kaufen. Es -ist eigentlich eine Schande, daß solche Leckerei in einem sonst so -hochstehenden Kulturstaate heute noch geduldet wird.</p> - -<p>Unter allen diesen Vögeln sind besonders die Lerchen von den -Feinschmeckern geschätzt. Unter ihnen versteht man in erster Linie -unsere mitteleuropäische <em class="gesperrt">Feldlerche</em> (<span class="antiqua">Alauda arvensis</span>), -die auf allen Ebenen mit Getreidebau, auf öden Heiden und auf feuchten -Marschländern, nicht aber im Wald, auf kahlen Bergrücken und in -Ortschaften angetroffen wird. Auf einem ihm zusagenden Gebiet wählt -sich jedes Pärchen einen kleinen Bezirk aus, worin es keinen Nachbarn -duldet. In jubilierenden Trillern läßt das Männchen, während das -Weibchen brütet, immer höher gen Himmel steigend, seinen Balzgesang -erschallen, um sein Brutrevier gegen allfällige Eindringlinge zu -behaupten. 2–3mal im Jahre brüten sie und von Ende September an ziehen -sie in großen Gesellschaften in die Winterherberge nach Süden, um -schon Ende Februar scharenweise in ihre Heimat zurückzukehren. In -gelinden Wintern können manche auch in unseren Gegenden zurückbleiben. -Doch sind es nicht sie, sondern Haubenlerchen, welche wir dann auf -unseren Straßen, selbst in Städten, nach Futter suchend, umhertrippeln -sehen. Die <em class="gesperrt">Haubenlerche</em> (<span class="antiqua">Galerita cristata</span>) ist ein -Gattungsgenosse der Heidelerche, deren flötender, abwechselungsreicher<span class="pagenum"><a id="Seite_657"></a>[S. 657]</span> -Gesang dem der Feldlerche wenig nachsteht. Sie ist ein echter -Steppenbewohner, der in den Ebenen Mittelasiens von China und der -Mongolei an bis Südrußland Standvogel ist und erst seit der Mitte -des vorigen Jahrhunderts sich bei uns in Mitteleuropa einbürgerte. -Bei ihrem Vordringen nach Westen folgte sie hauptsächlich den großen -Heerstraßen, auf denen sie ihre Nahrung sucht, besonders auch, indem -sie den unverdauten Haferkörnern im Roßmist nachgeht, und in deren -Nähe sie auch gern brütet. Man sollte meinen, jeder feinfühlige Mensch -ziehe die so nützliche lebende Lerche mit ihrem unsere Ackerfluren -belebenden und die Laut gewordene Poesie des Feldes darstellenden -herrlichen Gesang der gebratenen vor. Dies ist aber leider durchaus -nicht der Fall. Sie wird heute auch bei uns in Menge gegessen, wenn -auch ihr Konsum seit 1850 auf etwa den vierten Teil zurückging. -Immerhin verbraucht Berlin deren noch 30000, Wien 36000 und Paris gar -1500000 jährlich. In Frankreich kamen um 1750 zuerst in Pithiviers, -dem Safranzentrum, die Lerchenpasteten auf, denen sich in unserer Zeit -die „Lerchen in Aspik“ als eine Glanznummer des Frühstücksprogramms -der Schlemmer neben der Gänseleber mit Trüffeln hinzugesellten. Der -deutsche Kaiser Wilhelm II. ist ein besonderer Verehrer dieser -feinen Bissen und die dazu nötigen Lerchen fangen und liefern ihm als -besonderes Privileg die Halloren in die kaiserliche Küche. Wenn solches -noch bei uns an tonangebender Stelle geschieht, so haben wir keine -Ursache, den Romanen ihre Grausamkeit und Herzlosigkeit vorzuwerfen, -daß sie solch edle Sänger einem so schändlichen Lose opfern! Auch -die Tatsache, daß die Lerchen gut schmecken, entschuldigt nicht die -Brutalität, die in ihrem Verspeisen liegt. Wir können nur die rohe -Gesinnung des Schriftstellers Rosner bedauern, der 1894 schrieb: „Eine -ausgebeinte, feiste schmucke Lerche ist allerdings nur ein Bissen, -aber ein Bissen von wunderbarer Saftfülle und geradezu köstlichem -Wohlgeschmack, der den ganzen Schmeckapparat bis in die feinsten Fibern -hinein in namenloses Entzücken versetzt.“</p> - -<p>Von den Feinschmeckern Chinas werden gleicherweise die <em class="gesperrt">eßbaren -Vogelnester</em> als eine der feinsten Delikatessen geschätzt -und in großen Mengen nach China eingeführt, wo sie als die -Geschlechtstätigkeit anregendes Mittel gelten und schon aus diesem -Grunde sehr gesucht sind. Deren Erzeuger sind eine Art Segler Südasiens -und Indonesiens, die <em class="gesperrt">Salanganen</em> (<span class="antiqua">Collocalia nidifica</span>), -die unsere Uferschwalbe etwas an Größe übertreffen und an den Wänden -dunkler Höhlen aus dem zähen Schleim ihrer Speicheldrüsen ihre sehr -bald erhärtenden, getrock<span class="pagenum"><a id="Seite_658"></a>[S. 658]</span>netem arabischen Gummi gleichenden zierlichen -Nester erbauen. Die Höhlen, in denen sie auf Java und sonst nisten, -sind Eigentum bestimmter Personen, die sie besonders zur Nistzeit -streng bewachen lassen, damit kein Unberufener sich unerlaubterweise -solche Nester aneigne. Dreimal im Jahre brüten diese Tiere, wobei -sich Männchen und Weibchen alle 6 Stunden ablösen sollen. Dabei wird -von ihnen niemals von einem Neste zweimal Gebrauch gemacht, sondern -sie bauen für jede Brut ein neues Nest, an dem sie etwa einen Monat -lang zu arbeiten haben, während das alte Nest mit der Zeit stinkend -wird und abfällt. Der Zahl der Bruten entsprechend wird dreimal im -Jahre geerntet, sobald die Jungen halbwegs flügge geworden sind. Dabei -geht gleichwohl etwa die Hälfte der Jungen zugrunde. Doch vermindert -sich die Zahl der Salanganen nicht wesentlich, da man an den Orten, -wo man an die Zukunft dieser Vögel denkt, jährlich wenigstens eine -Brut ganz ausfliegen läßt. Eine einzige, vom Meer ausgewaschene große -Höhle an der Südküste von Java liefert 500000 Nester; verteilt man nun -diese auf drei Ernten, so ergibt es sich, daß über 33000 Salanganen -darin ihrem Brutgeschäfte obliegen. Alljährlich werden etwas über 5 -Millionen Salanganennester nach China ausgeführt, die einen Gesamtwert -von 6 Millionen Mark repräsentieren. Man benützt sie hauptsächlich zu -Suppen; sie quellen im heißen Wasser auf und schmecken an sich fade, -sollen aber in der sorgfältigen Zubereitung, die ihnen die Chinesen -angedeihen lassen, köstlich zu essen sein, wie mir solche berichteten, -die mehrfach Gelegenheit fanden, sie bei vornehmen Chinesen zu essen.</p> - -<p>Wie einst bei unseren Vorfahren, so steht heute noch bei den -Hirtenvölkern der asiatischen Steppen, den Kirgisen, Baschkiren und -wie sie sonst heißen mögen, die Jagd mit Falken und Adlern hoch -in Ehren. Man beizt mit ihnen Antilopen und Hasen, wie auch Wölfe -und Füchse; dabei erscheinen die Jäger noch in Prunkaufzügen auf -prächtigen Pferden, die ganz an die Jagdaufzüge der Deutschen im -Mittelalter erinnern. Die Abrichtung der Jagdfalken und übrigen zur -Jagd gebrauchten Raubvögel war ein eigener Zweig der Jägerei in Europa. -Im Abschnitte über die Geschichte der Jagd wurde Näheres darüber -berichtet. Von Europäern, die sich noch heute diesem Sport widmen, sind -außer Russen und dem Herzog von Bedford in England nur die englischen -Offiziere in Indien zu nennen. Diese reiten gern mit einem Jagdfalken -auf der mit starkem Lederhandschuh bekleideten Rechten auf die -Antilopenjagd.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_659"></a>[S. 659]</span></p> - -<p>Am großartigsten wurde von jeher die Falkenjagd in Mittelasien -betrieben. So schreibt der weitgereiste Venezianer Marco Polo von -seinem vieljährigen Aufenthalt in Zentralasien vom Tatarenchan Kublai -ums Jahr 1290: „Im März pflegt Kublai Chan Kambalu zu verlassen; er -nimmt dann etwa 10000 Falkner und Vogelsteller mit sich. Diese werden -in Abteilungen von 200–300 Mann im Lande verteilt, und was von ihnen -erlegt wird, muß dem Chan abgeliefert werden.“ Der Franzose Tavernier, -der sich viele Jahre in Persien aufhielt, erzählt im Jahre 1681: „Der -König von Persien hält sich über 800 Falken, wovon die einen auf wilde -Schweine, wilde Esel, Antilopen und Füchse, die andern auf Kraniche, -Reiher, Gänse und Feldhühner abgerichtet — der fachmännische Ausdruck -heißt abgetragen — sind.“ 1827 schreibt der Engländer John Malcolm -über die Falkenjagd in Persien: „Man jagt zu Pferde, mit Falken und -Windhunden. Ist eine Antilope aufgetrieben, so flieht sie mit der -Schnelligkeit des Windes. Alsbald läßt man Hunde und Falken auf sie -los; die letzteren fliegen nahe am Boden hin, erreichen das Wild bald, -stoßen gegen dessen Augen und halten es auf; inzwischen kommen die -Hunde heran und packen es.“</p> - -<div class="figcenter illowe28_4375" id="bild61" > - <img class="w100" src="images/bild61.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 61. Der Angelnherzog Harald und seine Mannen reiten - auf die Jagd.<br /> - Anfang des 1066 gestickten 70 <span class="antiqua">m</span> langen, 0,2 - <span class="antiqua">m</span> breiten Teppichs von Bayeux.</div> -</div> - -<p>Bei den Kirgisen und Baschkiren ist die Falknerei noch ein -hochgeschätzter Betrieb, in welchem man Adler für großes und -Falken, Habichte und Sperber für kleines Wild verwendet. Bei ihnen -wird ein bewährter Jagdfalke so hoch bewertet, daß der glückliche -Besitzer sich eher entschließen würde, sein Weib als seinen Vogel -zu verkaufen. Die geschätztesten Jagdgehilfen des Menschen sind die -<em class="gesperrt">Edelfalken</em>, unter denen, wie wir bereits besprachen, der den -hohen Norden bewohnende, fast rein weiße <em class="gesperrt">Jagdfalke</em> (<span class="antiqua">Falco -candicans</span>) im Mittel<span class="pagenum"><a id="Seite_660"></a>[S. 660]</span>alter der geschätzteste war. Man bezog ihn -damals vorzugsweise aus Island, wo er auch noch brütet. Sonst begnügte -man sich meist mit dem über ganz Europa verbreiteten, alle Erdteile -vom hohen Norden bis in die heiße Zone bewohnenden <em class="gesperrt">Wanderfalken</em> -(<span class="antiqua">Falco peregrinus</span>). Während er im Norden auch häufig auf der -flachen Tundra vorkommt, wählt er in den heißeren Ländern die kühleren -Gebirgszüge zu seinem Aufenthalt. Dort baut er sein Nest auf dem -nackten Boden, hier wählt er zur Errichtung seines Horstes am liebsten -Höhlungen in unzugänglichen, nackten Felswänden oder nistet, wo er -solches nicht haben kann, auf hohen Waldbäumen. Dabei wählt er gern, -um sich Mühe zu ersparen, das Nest eines andern Raubvogels, eines -Reihers oder Raben. Ist ein solches, das ihm passen würde, besetzt, -so vertreibt er den betreffenden Eigentümer mit Gewalt. Er ist ein -äußerst mutiger Vogel, der mit raschen Flügelschlägen meist niedrig -über die Erde dahinfliegt. Auf einen aufgescheuchten Vogel, den er -rasch überstiegen hat, stößt er mit reißender Schnelligkeit schief von -oben herab. Er vermag nur fliegende Vögel zu erbeuten, da er mit so -großer Heftigkeit auf sie stößt, daß er sich beim Stoßen auf den Boden -verletzen würde. Seine Beute bilden Vögel von der Größe einer Lerche -bis zu der einer Ente, ja einer Wildgans. Im Walde sind es Ur-, Birk- -und Haselhühner, auf dem Felde vorzugsweise Rebhühner, die er wegfängt, -um sie stets auf freiem Felde zu verzehren, niemals aber im Gebüsch, -weshalb Bussarde und Milane oft über ihn herfallen, um ihm seine Beute -abzujagen. Indessen vertreibt ihn nur die freche Schmarotzermöve aus -seinem Gebiet. In Deutschland ist jetzt der Wanderfalke als Brutvogel -selten. Als solcher zieht er im Herbste nach Süden, um indessen -durch Besucher aus dem Norden ersetzt zu werden. Oft schlägt der -Wanderfalke sein Winterquartier auf Türmen in belebten Städten auf, -von wo aus er den Tauben nachstellt. So nistete im Jahre 1880 sogar -ein Paar auf dem Turm der Petrikirche mitten in Berlin. Als großer -Schädling kann er nicht geduldet werden und wird deshalb von Jägern -und Taubenzüchtern aufs eifrigste verfolgt. Gefangen hält er sich bei -sorgsamer Pflege jahrelang im Käfig und nimmt hier mit allerlei Fleisch -vorlieb, verlangt aber viel Nahrung. Er ist der gewöhnliche Jagdfalke -der Vergangenheit und Gegenwart, der auch dem Dorf Falkenwerd bei -Herzogenbusch in Flandern den Namen gab. Dort bestand Jahrhunderte -hindurch die beste und zuletzt einzige Falknerschule Europas. Da -früher die an Ort und Stelle gefangenen Vögel für den großen Bedarf -nicht hin<span class="pagenum"><a id="Seite_661"></a>[S. 661]</span>reichten, reisten die Angestellten der Falkner oder diese -selbst weit herum, selbst nach Norwegen und Island, um solche zu -fangen. Dies geschah vorzugsweise im Herbst. Man behielt in der Regel -nur die Weibchen, und zwar am liebsten die von demselben Jahre, weil -diese sich zur Dressur am besten eignen. Die zweijährigen galten auch -noch als brauchbar, ältere dagegen ließ man wieder fliegen. Der Fang -geschieht in folgender Weise: Der Falkner sitzt gut verborgen auf -freiem Felde und hält eine auf dem Boden sitzende Taube an einer etwa -100 <span class="antiqua">m</span> langen Schnur fest. 40 <span class="antiqua">m</span> vom Falkner entfernt geht -diese Schnur durch einen Ring, neben welchem ein Schlagnetz liegt, -von dem eine Schnur ebenfalls zum Falkner verläuft. Ist ein Falke im -Anzug, was durch einen unweit der Taube gefesselten, äußerst eifrigen -und scharfsichtigen Wächter, nämlich einen Würger, schon zu einer -Zeit angezeigt wird, da das menschliche Auge durchaus noch nichts zu -erkennen vermag, so wird der Taube mit der Schnur ein Ruck gegeben, -wodurch sie emporflattert, den Falken anlockt und von ihm in der Luft -ergriffen wird. Sobald dies geschehen ist, zieht der Falkner die Taube -und mit ihr den sie krampfhaft festhaltenden Falken allmählich bis zum -Ringe, wo plötzlich das Schlagnetz beide zudeckt. Der frisch gefangene -Falke muß zunächst drei Tage hungern und wird dann in der früher -angegebenen Weise abgerichtet. Ein gut abgerichteter Vogel wird nicht -selten mit 800 holländischen Gulden (= 856 Mark) bezahlt.</p> - -<p>Jedenfalls ist die Kunst, Falken zur Jagd abzurichten, eine uralte, -schon von den asiatischen Kulturvölkern des hohen Altertums geübte. -Der Grieche Ktesias aus Knidos, der von 416–399 v. Chr. als Arzt am -persischen Hofe in Susa lebte und eine wertvolle persische Geschichte -schrieb, die uns leider nur in Auszügen und Bruchstücken erhalten -blieb, berichtet von den Indern, daß sie gern mit dem abgerichteten -Falken jagen. Ums Jahr 75 hören wir von der Falkenjagd bei den -Thrakern. Damals war sie auch schon bei den germanischen Stämmen -eingeführt, doch haben weder die Griechen, noch die Römer sie ausgeübt. -Erst ums Jahr 480 n. Chr. hören wir vom römischen Geschichtschreiber -Sidonius Apollinaris, daß des römischen Kaisers Avitus’ Sohn, -Hecdicius, der erste war, der in seiner Gegend die von den Deutschen -Falkenbeize genannte und jedenfalls auch ihnen entlehnte Jagd mit dem -abgerichteten Falken einführte. Dieser Sport fand bei den Vornehmen -alsbald großen Beifall und selbst die Geistlichen taten mit, so daß man -schon im Jahre 506 auf einer<span class="pagenum"><a id="Seite_662"></a>[S. 662]</span> Kirchenversammlung zu Agda das Führen -von Jagdfalken und Jagdhunden verbot. Wie die deutschen Stämme die -auf die Jagd abgerichteten verschiedenen Raubvögel seit dem frühen -Mittelalter überaus hochschätzten, haben wir bereits gesehen. Auch ihre -Fürsten jagten mit Vorliebe hoch zu Pferd hinter dem Jagdfalken her. -So wird von Friedrich I. Barbarossa, dem zweiten Kaiser aus dem -Haus der Hohenstaufen (1123–1190), berichtet, daß er selbst Falken, -Pferde und Hunde zur Jagd abrichtete. Sein Sohn, der mit der Erbin -von Sizilien, Konstantia, vermählte und in Messina verstorbene Kaiser -Heinrich IV. (1165–1197) war gleicherweise ein großer Liebhaber -der Falknerkunst. Und dessen Sohn, Friedrich II., der sich ganz -als Sizilianer fühlte (1194–1250), war ein leidenschaftlicher Falkner, -der sogar ein namhaftes Buch über die Kunst, mit Raubvögeln zu jagen, -schrieb. Noch der prachtliebende, aber ausschweifende König Franz -I. von Frankreich (1494–1547) hatte einen Oberfalkenmeister, -unter welchem 15 Edelleute und 50 Falkner standen. Die Zahl seiner -Jagdfalken betrug 300. Sein Rivale, Kaiser Karl V., belehnte die -Johanniter, den ältesten der drei geistlichen Ritterorden, im Jahre -1530 mit den Inseln Malta, Gozzo, Comino und dem Lande Tripolis unter -der Bedingung, daß sie ihm jährlich einen nordischen weißen Jagdfalken -liefern sollten. Selbst die geistlichen Herrn schwärmten für Jagdfalken -und nahmen sie selbst in die Kirche mit, bis sie die ihnen lästige -Formalität des täglichen Messelesens gedankenlos genug absolviert -hatten. Als ihnen solches von ihrem Oberhaupte verboten wurde, blieben -doch die Barone, über die jener keine Macht hatte, auf ihrem Recht, die -Jagdfalken während des Gottesdienstes auf den Altar setzen zu dürfen. -Die ganze mittelalterliche Poesie strahlt die Freude aus an diesem -ritterlichen Sport und spricht an unzähligen Stellen vom Falken als dem -Lieblingsgenossen des höfischen Menschen jener Zeit.</p> - -<p>Außer dem nordischen weißen Jagd- und dem stattlichen Wanderfalken -wurde aber auch das verkleinerte Abbild des letzteren, der -<em class="gesperrt">Baumfalke</em> (<span class="antiqua">Falco subbuteo</span>), gelegentlich zur Jagd -abgerichtet. Als der schnellste unter allen europäischen Raubvögeln -fliegt er leicht und pfeilgeschwind und überholt alle andern Vögel, -selbst Schwalben und Mauersegler. Mit bewundernswürdiger Gewandtheit -verbindet er große Kühnheit und Entschlossenheit; auch er fängt niemals -sitzende, sondern nur fliegende Vögel, auf die er schief von oben herab -so reißend schnell stößt, daß man seine Gestalt nicht zu erkennen -vermag. Allerhand kleine Vögel, vor allem Lerchen und Schwalben, bilden -außer fliegen<span class="pagenum"><a id="Seite_663"></a>[S. 663]</span>den größeren Insekten, wie Heuschrecken und Käfer, die -Nahrung des niemals Aas berührenden Vogels. Die Lerchen fürchten ihn -so sehr, daß sie entsetzt zur Erde stürzen und sich mit den Händen -greifen lassen, wenn er plötzlich erscheint. Erblicken sie ihn aber -rechtzeitig, so retten sie sich in die Höhe, in die er ihnen nicht -folgt. Ist das Getreide hoch genug, so daß sich die Lerchen darin vor -dem Baumfalken verbergen können, beginnt er, sich mehr den Schwalben -zuzuwenden, die die meisten anderen Raubvögel necken und verfolgen, -vor ihm jedoch, gewöhnlich in einem lärmenden Schwarm, eiligst in die -Luft, ins Röhricht oder in ein anderes Versteck fliehen. Wo er sich -auch zeigt, ist die ganze Gegend in einem Augenblick schwalbenleer. -Sieht der Baumfalke eine vom Haupttrupp abgelöste Schwalbe, so verfolgt -er sie sogleich. Falls sie noch jung und weniger gewandt als eine -Alte ist, ist sie schon nach wenigen Stößen verloren. Alte Schwalben -entwischen einem noch ungeübten jungen Baumfalken leichter, und auch -alte Baumfalken ziehen mißmutig ab, wenn sie 4–10 Fehlstöße getan -haben. Zuweilen leitet der Baumfalke, als ob er die Vögel verwirren -wolle, seine Jagd mit eigentümlichen Schwenkungen ein, und manchmal -jagen Männchen und Weibchen gemeinsam, ohne sich indessen beim -Verzehren der Beute vertragen zu können. Mit seiner Beute kehrt der -Falke nach seinem vorher innegehabten Standorte auf einem hohen Baume -zurück, um sie dort gemütlich zu verzehren. Diesen Standort verläßt -der kleine Räuber erst ziemlich spät am Morgen, überkreist dann -seinen liebsten Aufenthaltsort, den Wald, und begibt sich erst nach -Sonnenaufgang auf die Feldjagd, bei der er nicht selten dem Hunde eines -Jägers folgt, um die von ihm aufgescheuchten Lerchen und andere kleine -Vögel dicht vor dem Jäger wegzufangen. Zum Nestbau hat er ebensowenig -Lust als seine Verwandten und die meisten anderen Raubvögel. Zum Nisten -benutzt er am liebsten ein fremdes, besonders ein Krähennest, das -meistens erst im Juni 3–4 Junge, wie beim Wanderfalken, enthält. Sobald -sie flugfähig sind, werden sie von den Eltern im Fluge gefüttert. Im -September und Oktober verläßt uns der Baumfalk, um im April wieder -zu erscheinen. Er bewohnt sonst die gemäßigten Länder Europas von -Schweden bis zum Mittelmeer und die entsprechenden Breiten Asiens und -überwintert im Süden.</p> - -<p>Sehr häufig wurde auch der bedeutend größere, statt 30 wie jener -50 <span class="antiqua">cm</span> wie der Wanderfalk langwerdende <em class="gesperrt">Habicht</em> -(<span class="antiqua">Astur palumbarius</span>) besonders von den alten Deutschen zur -Jagd abgerichtet. Sein liebster Aufenthalt sind mit Feldern und -obstbaumbepflanzten Wiesen ab<span class="pagenum"><a id="Seite_664"></a>[S. 664]</span>wechselnde Wälder in der Nähe von -Dörfern. Dort baut er sich auf einem hohen Baum, sei es Laub- oder -Nadelholz, sein Horst, in welchem man in der zweiten Hälfte des April -2–4 Eier findet. Die oben mit grau-, unten mit reinweißen Dunen -bekleideten Jungen sitzen zuerst mit geschlossenen Zehen auf den -Fersen, lernen erst nach Wochen stehen und sind erst nach zwei Monaten -befiedert genug, um auszufliegen. Die Mutter ist so überaus anhänglich -an ihre Jungen, daß sie ihretwegen alle Vorsicht außer acht läßt -und nicht nur auf Kinder, sondern auch erwachsene Menschen, die die -Jungen bedrohen, mit Wut stößt. Allerlei Vögel und kleine Wirbeltiere, -selbst Hasen, bilden die Nahrung des Habichts. Ein lähmender Schrecken -ergreift alle kleineren Vögel bei seinem Erscheinen, so daß sie oft -starr sitzen bleiben und sich vom Räuber greifen lassen. Flüchtende -Vögel sind nicht einmal im Gebüsch vor ihm sicher; er springt ihnen zu -Fuß nach und zerrt sie aus den dichtesten Dornen hervor. Gleich dem -ihm an Gewandtheit ebenbürtigen Sperber stürmt er Waldrändern oder -Zäunen entlang, auch wohl über ein niedriges Dach hinweg oder zwischen -zwei Gebäuden hindurch und ergreift seine Beute so schnell, daß der -erschrockene Vogel erst zu lärmen beginnt, wenn der Habicht schon mit -ihm davonfliegt. Von allen Seiten, selbst von unten her ergreift er -fliehende Vögel und versteht es auch, im Gegensatz zu den Edelfalken, -auf sitzende zu stoßen. Mit seinen scharfen Krallen tötet er sehr rasch -die meisten Tiere, selbst Raben; mit den Fängen und nie im Schnabel -trägt er seine Beute davon. Am besten kann man sich an ihn schleichen, -wenn er vollgefressen auf einem Aste ruht. Dagegen ist er wegen seiner -Raubgier in Fallen und auf Vogelherden leicht zu fangen. Den Verlust -der Freiheit ertragen alte Vögel nicht leicht; selbst mit Hilfe ihrer -geraubten Jungen gefangene und mit ihnen zusammengesperrte Habichte -gebärden sich so wütend, daß sie zuerst die Jungen auffressen und sich -dann gegenseitig überfallen, wobei meistens das größere und stärkere -Weibchen übrig bleibt. Junge Habichte indessen werden leicht zahm. -Aber auch Wildfänge verstand man früher durch ein drei Tage und drei -Nächte andauerndes, den Schlaf verunmöglichendes Wiegen zu zähmen, um -sie für die Jagd abzurichten. Denn wie heute noch in der Tartarei und -in Indien, war er früher bei uns als Jagdgenosse des Menschen teilweise -noch höher geschätzt als die Edelfalken, zu denen er übrigens damals -gerechnet wurde. In der Jagdkunst übertrifft tatsächlich der Habicht -mit dem ebenso gewandten und mutigen Sperber, der gleich jenem sowohl -auf schnellfliegende als auch auf sitzende Vögel stößt,<span class="pagenum"><a id="Seite_665"></a>[S. 665]</span> selbst die -Edelfalken. Das Ausnehmen eines Habichtnestes im Bannwalde wurde -schon bei den alten Deutschen streng bestraft, ebenso, wie wir sahen, -der Diebstahl eines für die Jagd dressierten Habichts. König Eduard -III. von England (1312–1377), der grimmige Gegner Frankreichs, -dem er einen Teil seiner westlichen Besitzungen entriß, der Stifter -des berühmten Hosenbandordens, setzte sogar den Tod auf den Diebstahl -eines Habichts, und ließ jeden, der ein Habichtnest ausnahm, auf ein -Jahr und einen Tag ins Gefängnis setzen. Der Habicht bewohnt als -Brutvogel die gemäßigten und nördlichen Gegenden von Europa und Asien -bis zum fernsten Osten in Japan; doch fehlt er in manchen Gegenden aus -unbekannter Ursache.</p> - -<p>Außer dem Habicht ist auch der bedeutend kleinere, im männlichen -Geschlecht 31, im weiblichen 36–40 <span class="antiqua">cm</span> lang werdende -<em class="gesperrt">Sperber</em> (<span class="antiqua">Accipiter nisus</span>), wie bei den alten Deutschen, -so noch heute bei asiatischen Steppenvölkern ein hochgeschätzter -Beizvogel, der im südlichen Ural von allen Falken am meisten zur Jagd -gebraucht wird, wenn auch hauptsächlich nur zu solcher auf Wachteln. -Er kann am besten gezähmt werden, wenn man ihn im Dunenkleid aus dem -Neste nimmt und schon ganz jung dressiert. Er gehört bei uns nebst dem -Turmfalken zu den bekanntesten Raubvögeln; denn er dehnt namentlich im -Winter seine Raubzüge ohne Scheu bis in belebte Ortschaften aus. Doch -bleiben nicht alle Sperber den Winter über bei uns. Die meisten ziehen -im September und Oktober weg, um im März und April auf ihre Brutplätze -zurückzukehren. Das Brutgebiet des Sperbers erstreckt sich über ganz -Europa, Nordwestafrika und die entsprechenden Gebiete Asiens. Hier hält -er sich am liebsten in Feldgehölzen oder in kleineren, an Wiesen und -Felder grenzenden Waldungen in der Nähe von Ortschaften auf, kehrt auch -von seinen Jagdzügen und zur Nachtruhe dahin zurück. Im Stangenholz -häufiger eines Nadel- als Laubholzes errichtet er sein Nest dicht am -Stamm, oft aus einem gutgelegenen Krähennest hergerichtet und so groß, -daß der lange Schwanz des brütenden Weibchens es nicht überragt. Dieses -brütet von Mitte Mai bis Mitte Juni sein Gelege von 3–5 Eier aus, -verteidigt seine Brut aufs energischste und greift selbst Knaben, die -den Horstbaum ersteigen, mit Krallenhieben an. Beide Eltern tragen den -Jungen Nahrung in solcher Fülle zu, daß nicht selten 8–10 kleine Vögel -gleichzeitig auf dem Horste liegen, doch ist nur das Weibchen imstande, -diese in entsprechender Weise für die Jungen zu zerlegen. So hat man -beobachtet, daß junge Sperber, deren Mutter getötet worden war, bei -vollbesetzter<span class="pagenum"><a id="Seite_666"></a>[S. 666]</span> Tafel verhungerten, weil der Vater zu ungeschickt war, -ihnen die Speise mundgerecht zu machen. Noch lange nach dem Ausfliegen -werden die jungen Sperber von den Eltern geführt und unterrichtet, bis -sie dieselbe Meisterschaft im Erhaschen der Beute wie jene erlangt -haben; dann müssen sie sich ein anderes Jagdgebiet suchen. Mit -reißender Geschwindigkeit streicht der Sperber auf seinen Jagdzügen -dicht über die Erde dahin und schießt oft weite Strecken hindurch ohne -Flügelschlag durch die Luft und mit angelegten Flügeln pfeilartig -durch dichte Baumkronen. Er fliegt meistens niedrig, weiß alle sich -ihm entgegenstellenden Hindernisse, wie Hecken und Zäune, leicht zu -überwinden, biegt mit unglaublicher Schnelligkeit um scharfe Ecken und -überrascht so wie ein Blitz aus heiterem Himmel die kleinen Vögel, -deren Futter- und Sammelplätze er genau auszukundschaften versteht. -Diese fürchten ihren unheimlichen Feind auch über alles und werfen sich -sofort zu Boden oder verkriechen sich in ein nahes Mauseloch.</p> - -<p>Der Sperber jagt alle Vögel von der Größe eines Zeisigs bis zu der -einer Taube, mit Vorliebe Sperlinge, denen er sogar in vom Menschen -besetzte Zimmer folgt. Dabei stößt er in schräger Richtung und von -oben herab auf seine Beute, und immer unter einer raschen Schwenkung -im Augenblick des Greifens, so daß er seine Beute von unten oder von -der Seite zu packen kriegt. Hat der Sperber keinen besonders großen -Hunger, so beschreibt er mit seiner Beute zuweilen zierliche Kreise -in der Luft, bevor er sie nach Ausrupfen der großen Federn gemächlich -auf einem Baumast verzehrt. Knochen, Federn und Haare gibt er wie -alle Raubvögel in sogenannten Gewöllen von sich. Junge Nestvögel, -namentlich solche, die am Boden ausgebrütet wurden, gehören zu seinem -Lieblingsfutter; aber auch die Eier verschont er nicht. Die weit -größeren Edelfalken und der Habicht fressen den Sperber als verhaßten -Konkurrenten ohne Umstände, wenn sie seiner habhaft werden können. -Auch der Mensch verfolgt ihn als überaus schädlichen Räuber gleich -dem Habicht, wo er nur kann. Um ihrer habhaft zu werden, stellt er -Käfige aus Drahtgitter auf, die unten einen Doppelboden haben, zwischen -welchen eine Locktaube gesteckt wird. Oben ist dieser sogenannte -Habichtskorb offen, in der Mitte hat er ein Trittholz, das mit einem -Schlagnetz in Verbindung steht. Stößt nun der Räuber auf die Taube -herab und berührt er das Trittholz, so löst sich alsbald das Schlagnetz -aus und bedeckt die obere Abteilung des Korbes.</p> - -<p>Eine beliebte Methode, um diese, wie auch die dem Menschen<span class="pagenum"><a id="Seite_667"></a>[S. 667]</span> verhaßten -kleinen Raubvögel, wie Raben und Elstern zu schießen, besteht in -der Anwendung einer Krähen- oder Schuhuhütte. Diese ist auf einem -freiliegenden, weithin sichtbaren Hügel angebracht und außen mit Rasen -bedeckt. Ein Pfahl mit Querholz trägt den Uhu, den man durch Zerren an -einer Schnur zum Flattern bringt, wenn ihn seine Feinde nicht bemerken -sollten. Ringsum stehen eingegrabene Bäume mit dürren Ästen, auf denen -sich die Vögel niederlassen können und von denen sie herabgeschossen -werden können, wenn sie nicht schon beim Losfahren auf den Uhu erlegt -werden.</p> - -<p>Zum Schlusse geziemt es sich, unter den Vögeln, die mit dem Menschen in -engerem Zusammenhange stehen, auch den <em class="gesperrt">weißen Storch</em> (<span class="antiqua">Ciconia -alba</span>) anzuführen, der im Gegensatz zu seinem einzigen, ebenso -weit verbreiteten europäischen Gattungsgenossen, dem <em class="gesperrt">schwarzen -Storch</em> (<span class="antiqua">C. nigra</span>), seit dem hohen Altertum in Sage und -Geschichte unzertrennlich mit ihm verbunden ist. Als das Einschlagen -des Blitzes verhindernd und überhaupt glückbringend, siedelte er ihn -auf den Giebeln seiner Wohnungen und Kirchen an, indem er ihm in einem -flachen Korb oder in einem alten Wagenrad Nistgelegenheit bot, die er -sonst auf hohen Bäumen mit ausgebreiteten Ästen oder abgebrochenem -Wipfel suchte, um hier sein kunstloses Nest aus Stecken, Reisern, -Schilfrohr und Erdklumpen zu bauen. Sein würdevolles Betragen, sein -gravitätischer Gang und die Eigenschaft, sich von im Boden hausenden -und darin die Seelen der darin Bestatteten in sich aufnehmenden Tieren -zu ernähren und damit selbst ein Seelenträger zu sein, brachte ihn beim -gemeinen Volke von jeher in den Geruch der Heiligkeit und garantierte -ihm, als in vermeintlichem Besitze überirdischer Kenntnisse und Gaben -seiend, Unverletzlichkeit. Bei den alten Germanen war er der Adebar -oder Seelenträger, der die kleinen Kinder den Eltern bringen sollte. -Bei den Orientalen zeigt er sich uns in den Märchen von Tausend und -einer Nacht als ein verwunschener Prinz, dem die höchste Einsicht in -künftiges Geschehen verliehen sein soll. Vom Menschen unterscheide er -sich nur durch das Fehlen des Sprachvermögens. Was dem Storche aber -an Stimmitteln fehlt, das ersetzt er reichlich durch sein Klappern, -das schon von den Jungen im Neste geübt wird, beim Männchen stärker -als beim Weibchen ist und bald Freude und Verlangen, bald Hunger, Zorn -und Ärger ausdrückt. Mit Klappern erheben sich die Störche, wenn sie -gegen Ende August in größeren Trupps nach dem warmen Süden verreisen, -mit Klappern begrüßen sie im Frühjahr ihr Nest, wenn Ende Februar oder -Anfang März zuerst das<span class="pagenum"><a id="Seite_668"></a>[S. 668]</span> Männchen und einige Tage später das Weibchen -nachts in ihre alte Heimat und Niststätte einrücken. Alljährlich kehrt -dasselbe Paar dahin zurück, um ihre 3–5 Jungen großzuziehen, die nach -dem Ausschlüpfen aus den Eiern noch mehr als zwei Monate hindurch -unter der rührenden Pflege und Aufsicht der Eltern im Neste bleiben. -In den ersten Tagen würgen ihnen die Alten halbverdauten Futterbrei in -den Schnabel, indem sie dessen Spitze in den Mund nehmen, so daß die -Jungen nur zu schlucken brauchen. Später würgen sie ihnen das Futter -aus dem Kehlsack, zuerst ins Nest hinein, später an dessen Rand, und -schließlich lassen sie dieselben ihre tierische Nahrung sich selbst -suchen.</p> - -<p>Schon die alten Griechen glaubten, wie uns Aristophanes und -gleicherweise Aristoteles erzählen, die Störche hätten von alters her -ein Gesetz, wonach die Jungen, sobald sie flügge sind, ihre Eltern -ernähren müssen. Aristoteles sagt, daß die Störche und andere Vögel, -wenn sie verwundet würden, Dosten (<span class="antiqua">origanon</span>) auflegen. Noch -der gelehrte Plinius schreibt in seiner Naturgeschichte: „Man weiß -noch nicht, woher die Störche (<span class="antiqua">ciconia</span>) kommen und wohin -sie ziehen. Wollen sie fortziehen, so versammeln sie sich an einem -bestimmten Orte, wobei keiner fehlt, er schmachte denn in menschlicher -Gefangenschaft. Und sie beginnen nun den Zug, als wenn der Tag dazu -durch ein Gesetz bestimmt sei. Niemand hat sie wegziehen sehen, -obgleich jeder die Anstalten zu ihrem Abzuge bemerkt; ebensowenig sieht -man sie zurückkehren, sondern nur, daß sie zurückgekehrt sind; denn -beides geschieht zur Nachtzeit. In Asien liegt auf einer weiten Ebene -ein Ort, welcher Pythonos Kome heißt; dort versammeln sich die Störche, -murmeln, zerreißen den zuletzt kommenden und dann erst ziehen sie weg. -Manche behaupten, der Storch habe keine Zunge (tatsächlich hat er eine, -aber eine sehr kleine). Wegen Vertilgung der Schlangen wird er so hoch -geehrt, daß Leute, die einen töteten, sonst in Thessalien mit dem Tode -bestraft wurden. Die Störche kehren jedes Jahr zu ihrem Neste zurück. -Die jungen ernähren ihre Eltern, wenn diese schwach werden.“ Und der -Grieche Älianos schreibt: „Alexander der Myndier (der ein auch von -Athenaios um 200 n. Chr. erwähntes naturgeschichtliches Buch schrieb) -sagt, daß die Störche, wenn sie alt geworden sind, nach den im Okeanos -gelegenen Inseln ziehen, dort menschliche Gestalt annehmen und für -die fromme Liebe, die sie ihren Eltern erwiesen, den Lohn empfangen. -Auch wollen die Götter dort, wie ich glaube, ein frommes und heiliges -Geschlecht absondern, da ein solches sonst nirgends unter der Sonne -ein Plätzchen findet. Mir scheint das keine Fabel. Und<span class="pagenum"><a id="Seite_669"></a>[S. 669]</span> was hätte denn -Alexander davon gehabt, wenn er sich solche Fabeln erdacht hätte. Ein -verständiger Mann wie er lügt selbst dann nicht, wenn er den größten -Vorteil davon haben könnte.“</p> - -<p>Ähnliche Verehrung, wie bei den Abend- und Morgendländern der -Storch, genoß bei den alten Ägyptern der heilige weiße <em class="gesperrt">Ibis</em> -(<span class="antiqua">Ibis religiosa</span>), der durch das Verschlingen und Wegschaffen -von tierischen Leichen ebenfalls als ein Seelenträger galt und als -solcher mit besonderen Eigenschaften ausgestattet gewähnt wurde. -Der griechische Geschichtschreiber Diodorus Siculus schreibt: „Die -Ägypter behaupten, der Ibis nütze durch Vertilgung der Schlangen, -Heuschrecken und Raupen“, und Strabon sagt, daß sie in Ägypten, dank -ihrer Unverletzlichkeit, sehr zutraulich seien. „In Alexandreia wimmeln -alle Straßen von ihnen; sie sind nützlich, weil sie alles Tierische -auflesen, namentlich die Abfälle der Fleisch- und Fischmärkte, -andererseits aber lästig, da sie alles beschmutzen.“ Sein Kollege -Älianos weiß die merkwürdigsten Dinge von diesem, nach ihm der -Mondgöttin heiligen Tiere zu berichten, das nie aus Ägypten weggehe, -weil dieses Land unter allen das feuchteste sei. Zum Ausbrüten seiner -Eier brauche er so viel Tage als der Mond ab- und zunimmt. „Freiwillig -wandert der Ibis nicht aus; fängt ihn aber jemand und bringt ihn mit -Gewalt fort, so ist alle Mühe vergeblich; denn der Vogel hungert sich -zu Tode. Er schreitet ruhig und wie ein Mädchen einher und geht immer -nur Schritt vor Schritt. Die schwarzen Ibisse beschützen Ägypten gegen -die aus Arabien kommenden geflügelten Schlangen, die weißen Ibisse -aber vernichten die Schlangen, welche zur Zeit der Überschwemmung aus -Äthiopien kommen. Ägypten wäre verloren, wenn es nicht von Ibissen -beschützt würde. Er ist sehr hitziger Natur, frißt Schlangen und -Skorpione. Nur sehr selten sieht man einen kranken Ibis. Den ganzen -Tag geht er im Schmutze herum, sucht darin nach allerlei Dingen, -steckt den Schnabel in alles, badet sich aber erst gehörig ab, bevor -er schlafen geht. Um den Katzen zu entgehen, nistet er auf Palmbäumen; -denn auf diese klettern die Katzen wegen der daran befindlichen -Hervorragungen nicht gern.“ Tatsächlich bevorzugt der Ibis zum Nisten -eine Mimosenart, die die Araber der dichten, ungemein dornigen, ja fast -undurchdringlichen Äste halber <span class="antiqua">harasi</span>, d. h. die sich Schützende -nennen. Aus den Zweigen des <span class="antiqua">harasi</span> besteht auch das innen mit -Grashalmen ausgepolsterte flache Nest des Vogels, in welchem die 3–4 -Eier ausgebrütet werden.</p> - -<p>Zur Zeit der alten Ägypter haben die heiligen Vögel sich -höchst<span class="pagenum"><a id="Seite_670"></a>[S. 670]</span>wahrscheinlich im Zustande einer Halbgefangenschaft in -Tempelhöfen fortgepflanzt. Heute tun sie dies bei guter Pflege nicht -allzuselten in unseren Tiergärten. Noch heute stellt man dem Ibis im -Sudan nicht nach, obgleich sein schmackhaftes Fleisch die Jagd wohl -lohnen würde. So aßen auch die alten Griechen und Römer den Storch -nicht. Erst der gottlose einstige Prätor Asinius Sempronius Rufus soll -die Sitte, junge Störche zu essen, in Rom eingeführt haben, worauf -Horaz in einer seiner Satiren auf seine genußsüchtige Zeitgenossen -anspielt.</p> - -<p>Wie die Ägypter den heiligen Ibis, so hielten die alten Griechen -und Römer das prächtig gefärbte <em class="gesperrt">Purpurhuhn</em> (<span class="antiqua">Porphyrio -hyacinthinus</span>) in halber Gefangenschaft in den Höfen ihrer Villen -und Heiligtümer. So schreibt der Grieche Älian von ihm: „Das Purpurhuhn -(<span class="antiqua">porphyríon</span>) ist ein ausgezeichnet schönes Tier. Es badet sich -im Staube wie im Wasser, frißt aber nicht gern vor Zeugen, daher am -liebsten in einem Versteck. Die Menschen haben es sehr gern und füttern -es mit großer Sorgfalt. Es paßt gut in prachtliebende, reiche Häuser, -auch in Tempel, und geht in diesen als heiliger Vogel frei umher. -Schwelger schlachten den Pfau, der ebenfalls schön ist, aber ich weiß -von keinem Menschen, der das Purpurhuhn für die Tafel geschlachtet -hätte.“ Mit dem Untergang der alten Kultur verschwand auch dieses Tier -wieder aus der Nähe des Menschen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_671"></a>[S. 671]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XXVII_Pelz-_Schmuckfedern-_und_Schildpattlieferanten">XXVII. -Pelz-, Schmuckfedern- und Schildpattlieferanten.</h2> - -</div> - -<p>Zu allen Zeiten hat bei den mehr im Norden wohnenden Völkern, bei -denen es im Winter empfindlich kalt wurde und denen es an der nötigen -Erwärmung der nur mangelhaft verschließbaren Räume fehlte, die -Pelzkleidung hohe Wertschätzung gefunden. Dies war um so eher möglich, -als gerade die für sie zunächst in Betracht kommenden nordischen Tiere -zum Schutze gegen die winterliche Kälte ein sehr schönes, dichtes -Fell besitzen, das sich der Mensch zu seiner Erwärmung, daneben auch -als Zierde gern aneignete. Noch im Mittelalter spielte der Pelzbesatz -als Schmuck in der Männerkleidung eine große Rolle, während ihn heute -fast ausschließlich die Frauen tragen. Bei diesen ist allerdings der -Pelz nicht nur zum Wärmen, sondern in erster Linie als Schmuck, heute -mehr Mode als je; die elegante, reiche Frau schwelgt geradezu im -Pelzwerk. Und wie immer, ist die für sie geschaffene Mode auch für die -minderbegüterten Kreise maßgebend. Sie paßt sich den kleinen Geldbörsen -an, und die dienstwillige Industrie zaubert für diese Nachahmungen aus -billigem Pelzwerk hervor, die, technisch von überraschender Vollendung, -schließlich auch der Arbeiterfrau und dem Dienstmädchen eine Pelzstola -und einen Pelzmuff zu tragen gestatten.</p> - -<p>Bis über das Mittelalter hinaus war das gewaltige russische Reich -der Hauptlieferant des Pelzwerkes für die Kulturvölker Europas und -die Häfen der Ostsee bildeten die Hauptstapelplätze dieses Handels. -Die Entdeckung Amerikas lenkte den Pelzhandel in neue Bahnen und -verschaffte den Europäern zahlreiche neue Produkte, die teilweise -große Wertschätzung fanden. Um den großen Bedarf zu decken, sind heute -zahllose Menschen mit der Beschaffung und Verarbeitung von Pelzen aller -Art beschäftigt; und zwar kommt das Material Kanadas in London und -dasjenige Sibiriens in Nischni Nowgorod und Irbit im Gouvernement Perm -auf den Markt. In diesen Städten kaufen dann<span class="pagenum"><a id="Seite_672"></a>[S. 672]</span> die Leipziger Großhändler -und andere die Ware, um sie zugerichtet und teilweise auch gefärbt in -den Handel zu bringen. Nur für den echten Sealskin besitzt London noch -das Monopol, sonst hat es Leipzig für alle übrigen „Rauchwaren“ — wie -der technische Ausdruck lautet —, so daß dort die Pelzhändler aller -kaukasischen Kulturländer ihren Bedarf einkaufen. Da nicht weniger als -75 Prozent des ganzen Bestandes des großen russischen Pelzstapelplatzes -Nischni Nowgorod nach Leipzig gelangen, ist es begreiflich, daß ein -jährlicher Umsatz von etwa 50 Millionen Mark in Pelzen erzielt wird.</p> - -<p>Die erste Zubereitung der Felle ist fast in allen Ländern dieselbe. -Nachdem das Fell vorsichtig abgezogen ist, wird es mit einem scharfen -Messer von anhaftenden Fett- und Fleischteilen so gut wie möglich -gereinigt und dann an einem luftigen, kühlen Ort im Freien getrocknet. -Hierauf werden sie auf der Innenseite reichlich mit Salz bestreut und -eines auf das andere gelegt. In dieser Lage bleiben sie 2–3 Wochen. -Nach diesem Pökelprozeß sind sie zum Versand fertig. Zu diesem Zwecke -werden sie mit der Pelzseite nach außen je zu zweien zusammengerollt -und stark verschnürt. So gelangen sie auf die Auktionsplätze, wo sie -von geübten Händen geglättet und dann versteigert werden. Die auf der -Auktion erworbenen Felle wandern, bevor sie der Kürschner in die Hände -bekommt, in eine Pelzbearbeitungsfabrik, in der sie zugerichtet werden. -Dabei wird das rohe, getrocknete Fell zuerst in Wasser oder feuchten -Sägespänen aufgeweicht, damit es geschmeidig werde; dann wird es, -nachdem es in Zentrifugen getrocknet wurde, an der Rückseite mit großen -Messern von etwaigen noch anhaftenden Fleischteilchen gesäubert und -unter Zusatz von etwas Fett in besonderen Maschinen gewalkt. Hierauf -wird es in rotierenden Trommeln unter Zusatz von Sägespänen entfettet, -ausgezogen und gespannt, damit es Form gewinnt, nochmals gereinigt -und zum Schluß vielfach geschoren oder gerupft, um die längeren -Grannenhaare zu entfernen. Umgekehrt werden manche Pelze „frisiert“, -indem man mit unendlicher Geduld bestimmte Haarsorten, z. B. weiße -(Silberhaare) in dunkeln Pelz einklebt.</p> - -<p>Ein großer Teil der Pelzwaren wird auch gefärbt, nicht nur die -Nachahmungen, wie man wohl anzunehmen geneigt ist. So zeigt z. B. -das Fell der zwischen Kamtschatka und Alaska lebenden Bärenrobbe, -von den Engländern <span class="antiqua">fur seal</span> genannt, im Naturzustande ein dichtes -gelbes Wollhaar, und darüber ein grobes aschgraues bis braunschwarzes -Grannenhaar. Erst wenn letzteres entfernt und das ganze Fell -dunkel<span class="pagenum"><a id="Seite_673"></a>[S. 673]</span>kastanienbraun gefärbt ist, entsteht der herrliche samtartige -Sealskin, für den unsere Damen eine so erklärliche Vorliebe haben. Um -nun diesen beliebten Pelz auf den Markt bringen zu können, werden die -grausamsten Massenschlächtereien abgehalten, in denen die wehrlos auf -dem Lande zur Fortpflanzung und Paarung versammelten Tiere zu Tausenden -erschlagen werden. Ebenso sind sämtliche Persianer, die gekräuselten -Felle junger Schafe, gefärbt, wodurch sie erst den eigentümlichen -prachtvollen Glanz erhalten. Dabei ist die Kunst der Färberei heute -so weit fortgeschritten, daß sie absolut wetterbeständige Ware -liefert. Wo es Imitationen herzustellen gilt, wirken Zurichterei -und Färberei auch zusammen. Und diese sind sehr wichtig, da sie -auch Minderbemittelten beinahe an Schönheit, jedenfalls aber an -Haltbarkeit den Originalien ebenbürtige Nachahmungen bieten. So wird -der teure Sealskin mit Vorteil durch den Sealbisam, den geschorenen -und gefärbten Pelz der nordamerikanischen hell- bis dunkelbraunen -Bisamratte, ersetzt, neuerdings aber durch den noch viel billigeren -Sealkanin von langhaarigen Kaninchen meist belgischer Herkunft. Welche -Preisunterschiede dabei in Betracht kommen, illustriert am besten -die Angabe, daß ein einfacher Muff in echtem Sealskin 100 Mark, in -Sealbisam 15 Mark und in Sealkanin nur 4 bis 6 Mark kostet.</p> - -<div class="figcenter illowe22_1875" id="bild62" > - <img class="w100" src="images/bild62.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 62. Altdeutsche Kürschnerwerkstatt.<br /> - (Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann.)</div> -</div> - -<p>Aus den Zurichtereien und Färbereien gelangen die Pelze zu -Hunderttausenden in die Speicher der Großhäuser zurück, um von hier -aus in den Handel gebracht zu werden. So treffen zur Ostermesse, die -immer noch einen zeitlichen Mittelpunkt des Rauchwarenhandels bildet, -die Aufkäufer nicht nur der engeren Heimat, sondern aus aller Herren -Ländern in den Großhäusern Leipzigs ein, um ihren Bedarf<span class="pagenum"><a id="Seite_674"></a>[S. 674]</span> einzuhandeln. -Dieser wird dann im Laufe des Sommers fertiggestellt, um im nächsten -Herbst und Winter verkauft zu werden. Die Ostermesse ist auch die -Haupterntezeit der zahlreichen Kommissionäre und Makler, die der -Rauchwarenhandel ernähren hilft. Diese geben mit ihrem geschäftigen -Wesen dem Brühl den Charakter der Messe, in der unaufhörlich gehandelt, -gefeilscht, gelärmt und gestritten wird. Doch hat heute die Ostermesse -lange nicht mehr die Bedeutung für den Rauchwarenhandel, die sie -einst besaß. Konzentrierte sich in ihr ehemals das Hauptgeschäft, so -bildet sie in diesem nur eine, allerdings wichtige und unruhvolle -Etappe. Heute geht nämlich der Verkauf von Pelzwaren mehr oder weniger -während des ganzen Jahres vor sich. Die erleichterten Reisebedingungen -ermöglichen den Käufern den häufigeren Besuch Leipzigs. Viele ziehen -überhaupt den Kauf zu einer ruhigeren Periode, als die Messezeit -es ist, vor. Dazu kommt, daß die von den Grossisten auf den großen -Londoner Auktionen erstandenen Waren zur Osterzeit noch nicht -zugerichtet sein können, und daß von der Messe zu Nischni Nowgorod, -die vom Juli bis September stattfindet, die russischen Waren erst im -Frühherbst in Leipzig eintreffen können. Dazu kommt noch, daß die neuen -Moden, die immer noch hauptsächlich in Paris gemacht werden, erst zu -Ende des Sommers oder zu Herbstbeginn in die Erscheinung treten, und -daß die Pelzkonfektion dann durch sie oft noch zu großen Einkäufen -veranlaßt wird.</p> - -<div class="figcenter illowe22_1875" id="bild63" > - <img class="w100" src="images/bild63.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 63. Fellgerber.<br /> - (Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann.)</div> -</div> - -<p>Die vornehme russische Gesellschaft versteht viel von edlen Pelzen; -denn in jenem Lande spielte das Pelzwerk von jeher eine wichtige -Rolle in der Kleidung der reicheren Leute. Besonders der Zobel -stand dort mit an der Spitze der Wertschätzung. Ist doch die<span class="pagenum"><a id="Seite_675"></a>[S. 675]</span> alte -Zarenkrone eine mit Goldschmuck und Juwelen besetzte Zobelmütze. Noch -höher als Zobel werden aber Schwarz- und Silberfüchse eingeschätzt, -d. h. solche, die ein glänzend schwarzes oder ein mit silbrigen -Haaren durchschossenes schwarzes Fell haben. Die schönsten Exemplare -derselben kommen nicht aus Sibirien, sondern aus dem nordamerikanischen -Labradorgebiet, und ein ausgesuchtes Stück kostete schon vor Jahren -11600 Mark. Ein ebenfalls sehr hoch bewerteter Pelz ist derjenige des -ursprünglich ausschließlich aus Kamtschatka, neuerdings aber mehr aus -Alaska ausgeführten Seeotters, der in ausgesuchtester Qualität auf -5–6000 Mark zu stehen kommt. Die sibirischen Zobelfelle stehen den -nordamerikanischen bedeutend voran, und sie sind um so geschätzter, -je dunkler sie sind, auch je regelmäßiger die silbergespitzten -Grannenhaare im Fell verteilt sind. Daher schwankt der Wert eines -solchen sehr. Während ein geringes, erst durch „Blenden“, d. h. -Auffärben ansehnlich gemachtes Zobelfell schon zu 60 Mark zu haben ist, -kosten die besten 1000 bis 1500 Mark und mehr. Wenn auch der Zobel -in den letzten Jahren viel seltener geworden ist, kommen außer den -nordamerikanischen immer noch jährlich 40000 bis 50000 nordasiatische -Zobelfelle in den Handel, von denen aber nur ein kleiner Prozentsatz -die hochgeschätzte dunkle Farbe aufweist.</p> - -<p>Außer dem Zobel liefert Rußland auch den Edelmarder, der im Wert dem -hellen Zobel nahe kommt. Die besten Stücke derselben liefert aber -Norwegen und Finnland. Ferner liefert Rußland den Nörz, ebenfalls eine -Marderart, deren beste Felle allerdings Nordamerika liefert, dann den -kostbaren Hermelin, dessen Preis sich in den letzten Jahren, nachdem -er eine Zeitlang wenig begehrt war, durch die gewaltige Nachfrage -verzehnfachte. Es ist dies bekanntlich eine Wieselart, deren im Sommer -gelblichbrauner Pelz in kälteren Gegenden mit viel Schnee rein weiß -wird bis auf die schwarze Schwanzspitze. Weiterhin beziehen wir aus -Rußland die Felle von Iltis, Wolf und Bär, außerdem in ungeheuren -Massen von sibirischen Eichhörnchen, die man als „Feh“ oder „Grauwerk“ -bezeichnet. Endlich stammen von dorther auch die in Südrußland, -noch mehr aber in der Bucharei gewonnenen Persianer, die von jungen -Fettschwanzschafen, die noch nicht Gras gefressen haben, gewonnen -werden.</p> - -<p>Beginnen wir die Aufzählung der verschiedenen Pelzlieferanten mit -dem sibirischen <em class="gesperrt">grauen Eichhörnchen</em>. Je weiter östlich, um so -dunkler und wertvoller wird dessen Fell; diesseits des Urals ist es -heller und billig im Preise. An der Lena leben die Bauern von Anfang<span class="pagenum"><a id="Seite_676"></a>[S. 676]</span> -März bis Mitte April ganz dem Eichhörnchenfang vermittelst Fallen, -von denen mancher dort über 1000 stellt. Die Tungusen erlegen es -mit stumpfen Pfeilen oder gebrauchen engläufige Büchsen mit Kugeln -von der Größe einer Erbse, und schießen es in den Kopf, um das Fell -nicht zu verderben. Rußland und Sibirien liefern deren jährlich 6 -bis 7 Millionen im Werte von 3 Millionen Mark. Davon kommen bloß 2–3 -Millionen Felle auf den westeuropäischen Markt; die übrigen werden im -Lande selbst verbraucht oder gehen nach China. Außer dem Felle, von dem -die grauen Rücken Mäntel und anderes Pelzwerk, die weißen Bauchseiten -dagegen, zu großen Tafeln zusammengenäht, ein beliebtes Pelzfutter -geben, verwendet man die Schwänze zu „Boas“ und die Schwanzhaare zu -guten Malerpinseln.</p> - -<p>Auch das kleinere und plumper gebaute sibirische <em class="gesperrt">Backenhörnchen</em>, -der <em class="gesperrt">Burunduk</em> (<span class="antiqua">Tamias striatus</span>), der am häufigsten in -Zirbelkieferbeständen lebt und unter den Wurzeln dieser Bäume eine -gabelförmig geteilte Höhle anlegt, deren einer Teil als Wohnraum, der -andere als Vorratskammer für Getreidekörner und Nüsse dient, von denen -sie für manchen Winter 5 <span class="antiqua">kg</span> in den Backentaschen nach Hause -schleppen, liefert hübsche Bälge. Diese gelangen meist nach China, wo -man sie hauptsächlich zur Verbrämung wärmerer Pelze benützt.</p> - -<p>Von allen Nagetieren hat der <em class="gesperrt">Biber</em> das geschätzteste Fell. -Von Amerika her kamen früher jährlich etwa 150000 derselben im -Gesamtwerte von 3 Millionen Mark in den Handel. Heute aber sind es -deren höchstens noch 50000 im Jahr, und zwar sind auch von ihnen die -dunkeln die wertvollsten. Je nach seiner Güte wird das Stück mit 20–60 -Mark bezahlt. Er wird dort von den Trappern meist in Fallen gefangen, -nur ausnahmsweise geschossen. Da er aber auch in Amerika mehr und -mehr abnimmt, muß vielfach der <em class="gesperrt">Sumpfbiber</em> oder <em class="gesperrt">Coypu</em> -(<span class="antiqua">Myopotamus coypu</span>), die <em class="gesperrt">Nutria</em> der spanischen Amerikaner, -mit ihrem Felle für ihn eintreten. Auch der Sumpfbiber ist ein -ausgesprochenes Wassertier von nahezu der Größe des Fischotters, das -vorzugsweise die reich mit Pflanzen bewachsenen Ufer der stillen Wasser -Südamerikas zu beiden Seiten der Anden bewohnt. Jedes Paar gräbt sich -am Ufer eine metertiefe, 60 <span class="antiqua">cm</span> weite Höhle, in der es die Nacht -und einen Teil des Tages zubringt. In dieser Wohnung wirft das Weibchen -8–9 Junge, die behaart und mit offenen Augen zur Welt kommen, schon in -den ersten Tagen fressen und bald ihrer Mutter auf ihren Streifzügen -folgen. Die Tiere werden in ihrer Heimat mit Schlagfallen gefangen oder -mit eigens abgerichteten Hunden<span class="pagenum"><a id="Seite_677"></a>[S. 677]</span> gejagt. Ihr weißes, wohlschmeckendes -Fleisch wird gegessen, das braune Fell jedoch in großen Mengen in den -Handel gebracht. Davon kommen jährlich eine halbe Million nach Europa, -um hier nach Ausrupfen der langen, groben Grannenhaare zu Pelzbesätzen -zu dienen. Das dichte, weiche Wollhaar gibt einen sehr schönen und -dabei billigen Pelz, ist daher sehr beliebt.</p> - -<p>Viel teurer und begehrter ist das seidenweiche, aschfarbene Fell -der die hohen Anden zwischen Südchile und dem Norden von Bolivia -bewohnenden <em class="gesperrt">Chinchilla</em> oder <em class="gesperrt">Wollmaus</em> (<span class="antiqua">Chinchilla -lanigera</span>), an dem schon die vorgeschichtlichen Peruaner, die -Inkas, ihre Freude hatten. Wie sie aus den Haaren der Vicuña die -feinsten Stoffe herstellen, bereiteten sie aus den Haaren dieser -Wollmaus wunderbare Gewebe für ihre Herrscher. Sie erbeuteten das -Tierchen in Schlingen und Schlagfallen, die sie vor deren Löcher -aufstellten, daneben auch mit gezähmten Wieseln, die speziell auf -die Chinchillajagd abgerichtet waren, wie in Südeuropa die Frettchen -auf die Kaninchenjagd. Nach Europa kamen die ersten Chinchillafelle -gegen Ende des 18. Jahrhunderts, und zwar vermittelte Spanien den -Handel damit. Für das Dutzend der kleinen Fellchen dieser in großen -Gesellschaften in selbstgegrabenen Erdlöchern lebenden Tierchen wurde -früher an die Jäger 6–8 Mark bezahlt. Seither sind die Preise infolge -der übermäßigen Jagd danach gewaltig in die Höhe gegangen. Schon 1899 -bot ein französisches Haus 150–300 Franken für das Dutzend und jetzt -ist der Preis dafür auf über 1060 Franken gestiegen. Noch ums Jahr 1900 -schätzte man die jährliche Ausfuhr allein aus den beiden argentinischen -Provinzen Coquimbo und Vallenar auf 40400 Dutzend. 1905 betrug die -Gesamtausfuhr der Felle aus Chile 18153 Dutzend, 1906 nur 9776, 1907 -4000 und 1909 3000 Dutzend.</p> - -<p>Die Chinchilla bevorzugt steinige, dürre Hänge und Hochebenen, die mit -dem zierlichen Leguminosenstrauch <span class="antiqua">Balsamocarpum brevifolium</span>, -der <span class="antiqua">algarobilla</span> der spanischen Chilenen, bewachsen sind, von -dessen wie Nuß schmeckenden Samen sie sich ernährt und die sie auch -in ihren Höhlen aufspeichert. Zur Zeit der Paarung sind die Männchen -sehr eifersüchtig und kämpfen ingrimmig wegen der Weibchen miteinander. -Letztere werfen zweimal im Jahr 2–4 Junge, für die sie aus sich selbst -ausgerauften Haaren ein weiches Lager bereiten. Sie sind auch später -sehr besorgt um sie und führen sie zum Futter. Morgens und nachmittags -sind diese hübschen Nager am lebhaftesten und verlassen alsdann ihre -Höhlen, um auf die Nahrungssuche auszugehen, ohne sich jedoch<span class="pagenum"><a id="Seite_678"></a>[S. 678]</span> weit -zu entfernen. Sie lassen sich leicht in der Gefangenschaft halten -und werden darin bald recht zahm; nur die Männchen vertragen sich -gegenseitig nicht gut. Solange es genug dieser Tierchen gab, war -die Chinchillajagd sehr lohnend und brachte noch vor wenigen Jahren -mit geringer Mühe reichen Gewinn. Seitdem diese Tiere aber beinahe -ausgerottet sind, ist ihre Jagd kaum mehr lohnend. Meist werden sie, -wenn das Gestrüpp auf größere Strecken niedergebrannt ist, mit Knüppeln -aus ihren Höhlen aufgescheucht und, in weitem Kreise beginnend, -allmählich der Mitte zugetrieben, wo sie, unterschiedlos alte und -junge von abgerichteten Hunden totgebissen werden. Außerdem werden sie -vielfach vermittelst Rattenfallen gefangen. Neuerdings beginnt man sie -zur Pelzgewinnung zu züchten. Auch das Fleisch wird sehr geschätzt.</p> - -<p>Von nordamerikanischen Pelzlieferanten ist der <em class="gesperrt">Waschbär</em> oder -<em class="gesperrt">Schupp</em>, der Raccoon der Amerikaner (<span class="antiqua">Procyon lotor</span>), zu -nennen, dessen gelblichgraues, schwarzgemischtes Fell die beliebten -Schuppelze liefert. Dieser Kleinbär von 80–90 <span class="antiqua">cm</span> Gesamtlänge ist -gleichzeitig Boden-, Wasser- und Baumtier. Am Tage schläft er in einem -hohlen Baume oder auf der Astgabel einer dichten Baumkrone, um dann -nachts auf Beute auszugehen. Gern hält er sich in der Nähe seichten -Wassers auf, um Fische und Krebse zu fangen oder Süßwassermuscheln zu -erbeuten. Außerdem ernährt er sich von Fröschen, Süßwasserschildkröten, -Vögeln und deren Eiern, Mäusen, Insekten aller Art, aber auch Nüssen, -Früchten und Korn. Im Norden hält er einen Winterschlaf ab. Das -Weibchen wirft im April 4–6 Junge, die es ein Jahr lang um sich behält. -Wegen seines sehr geschätzten Pelzes, der früher in den Staaten des -Mississippitales als eine Art Münze im Werte von <span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">4</span></span> Dollar galt, -wird er eifrig verfolgt und entweder in am Rande von Sümpfen oder -Flüssen unter Wasser angebrachten Fallen aus Stahl gefangen oder -während der Nacht mit eigens dazu abgerichteten, gewöhnlich zur -Rasse der Fuchshunde gehörenden Hunden gejagt. Diese wissen seiner -Spur zu folgen und treiben ihn nach kurzer Zeit auf einen Baum, wo -er, falls er sich nicht in einem Loche verkriecht, vom Jäger erlegt -wird. Neuerdings wird er, da er sich leicht in der Gefangenschaft -fortpflanzt, zur Pelzgewinnung in eingehegten Waldteilen gezüchtet. -Jung eingefangen wird er gewöhnlich sehr bald und in hohem Grade zahm. -Seine Beweglichkeit und Zutraulichkeit machen ihn dem Menschen als -Gesellschafter angenehm.</p> - -<p>Der Winterpelz der amerikanischen <em class="gesperrt">grauen Eichhörnchen</em> geht unter -dem Namen Petitgris, ist aber weniger geschätzt als der russische<span class="pagenum"><a id="Seite_679"></a>[S. 679]</span> -Feh; ebenso verhält es sich mit demjenigen des Luchses. Dagegen wird -der Pelz der nordamerikanischen Iltisse ebensosehr wie derjenige der -altweltlichen geschätzt. Der <em class="gesperrt">Iltis</em> oder <em class="gesperrt">Ratz</em> (<span class="antiqua">Mustela -putoria</span>) ist ein Nachttier, das am Tage zwischen Gestein, -aufgestapeltem Holz, in verlassenen Fuchs- oder Kaninchenlöchern ruht, -abends jedoch seinen Schlupfwinkel verläßt, um auf Raub auszugehen. -Dabei verzehrt es alle Tiere, die es zu überwältigen vermag. Außer -Fröschen sind Mäuse, Wachteln, Rebhühner, Hühner, Enten und Fische -seine bevorzugte Nahrung. Er ist sehr gewandt, versteht meisterhaft -zu schleichen und unfehlbare Sprünge auszuführen, klettert gut, -besteigt aber selten Bäume. Nach Art der Stinktiere verteidigt er -sich im Notfalle durch Ausspritzen einer sehr stinkenden Flüssigkeit -und schreckt dadurch oft die ihn verfolgenden Hunde zurück. Seine -Lebenszähigkeit ist unglaublich groß. Nach zweimonatlicher Tragzeit -wirft das Weibchen im April oder Mai in einer Höhle oder noch lieber -in einem Holzhaufen 4–5, zuweilen auch 6 Junge, die es sorgfältig -großzieht, so daß es dieselben schon nach sechs Wochen auf seine -Raubzüge mitnehmen kann. Junge Iltisse lassen sich leicht durch -Katzenmütter großziehen und zähmen; doch erlebt man an ihnen wenig -Freude, da der angeborene Blutdurst mit der Zeit durchbricht. Sie -lassen sich ohne Mühe zum Kaninchenfang abrichten. Wir sahen ja am -Schlusse des 13. Abschnittes, daß durch jahrhundertelange Domestikation -in Verbindung mit Albinismus aus dem Iltis das Frett hervorging, das -als Mäusefänger bei den Griechen und Römern eine nicht unwichtige Rolle -spielte, bevor die Katze von Ägypten her zu ihnen gelangte. Der Iltis -wird besonders seines dichten Felles wegen gejagt, das aber wegen des -ihm anhaftenden unangenehmen Geruches weniger geschätzt ist als es -ohnedies der Fall wäre.</p> - -<p>Dem Iltis ungemein nahestehend ist der <em class="gesperrt">Nörz</em> (<span class="antiqua">Mustela -lutreola</span>), ein halber Wassermarder, der vortrefflich schwimmt und -taucht und die Fische bis in ihre Verstecke verfolgt, selbst flinke -Forellen und Lachse erbeutet. Im Moore verfolgt er Wasserratten und -allerlei Wasser- und Sumpfvögel mit Einschluß von Enten. Er hält sich -gewöhnlich an den Ufern von Flüssen und Seen auf und kommt fast nur -noch in Rußland vor. In Nordamerika vertritt ihn der ganz ähnlich -lebende, fast ebenso gefärbte <em class="gesperrt">Mink</em> (<span class="antiqua">Mustela vison</span>), -dessen Pelz noch weicher und wolliger ist. Beide graben sich unter -überhängenden Flußufern ein Loch oder beziehen in einem hohlen Baum ein -Lager, das sie mit Federn auspolstern und in das das Weibchen<span class="pagenum"><a id="Seite_680"></a>[S. 680]</span> im April -4–6 Junge wirft, die bis zum nächsten Herbste bei der Mutter bleiben. -Jung eingefangen lassen sie sich leicht zähmen und in ähnlicher Weise -wie das Frettchen verwenden. Wegen des Gestankes war sein Pelz früher -so wenig geschätzt, daß es Fang und Förderung kaum lohnte. Neuerdings -legt man ihm einen größeren Wert bei, weshalb die Tiere viel gefangen -werden und dadurch stellenweise stark vermindert worden sind. Ums Jahr -1865, in welchem ein gutes Minkfell in Amerika 5 Dollar kostete, wurden -von Neuschottland allein über 6000 Minkfelle jährlich ausgeführt. In -den letzten Jahrzehnten wurden in Europa durchschnittlich 55000 Nörze -erbeutet, während die Anzahl der in dieser Zeit jährlich gefangenen -Minke 160000 erreichte und im Jahre 1888 sogar 370000 betrug. In jenem -Jahre kostete ein russisches Nörzfell etwa 4 Mark, ein Minkfell dagegen -bis 10 Mark. Die besten Minkfelle kommen von Alaska und Neuengland.</p> - -<p>Vortreffliche Pelze liefern auch die anderen Marderarten, unter denen -der berühmte <em class="gesperrt">Zobel</em> (<span class="antiqua">Mustela zibellina</span>), den weitaus -kostbarsten liefert. Er ist dem Baummarder sehr nahe verwandt, hat nur -einen viel ausgesprochener kegelförmigen Kopf, große Ohren, längere und -stämmigere Beine und ein langhaarigeres, seidenweiches, gelbbraunes -bis schwarzes Fell. Letzteres gilt für um so schöner, je größer seine -Dichtigkeit, Weichheit und Gleichfarbigkeit ist. Die dunkleren Felle -stehen im Preise weit höher als die helleren und können fast schwarze -von reiner Farbe bis 2500 Mark das Stück erzielen, während helle von -geringster Qualität schon für 50 Mark das Stück zu haben sind. Diese -ganz dunkeln stammen von Tieren, die in den dichtesten Urwäldern -leben, in die kein Sonnenstrahl einzudringen vermag. Das Wohngebiet -des Zobels erstreckte sich einst vom Uralgebirge im Westen bis zum -Beringsmeer im Osten und vom 68. Grad nördlicher Breite bis zu den -südlichen Grenzgebirgen Sibiriens. Aber infolge der langjährigen -unablässigen Verfolgung ist er aus vielen Gegenden verschwunden -und ist nur noch in den abgelegensten Gebirgswäldern Ostsibiriens -und Kamtschatkas einigermaßen häufig. Dieser menschenscheue Marder -liebt die einsamen Wälder, in denen er, seinem Lieblingswilde, dem -Eichhörnchen, nachziehend, größere Wanderungen unternimmt und bei -deren Verfolgung ungescheut auch breite Ströme, selbst während des -Eisgangs, durchschwimmt. Sehr beliebte Aufenthaltsorte sind für ihn -die ausgedehnten Arvenwaldungen, deren riesige Stämme ihm ebensowohl -passende Schlupfwinkel wie in den ölreichen Samen ihrer<span class="pagenum"><a id="Seite_681"></a>[S. 681]</span> Zapfen eine -erwünschte Speise darbieten. Auch er ist ein Nachttier, das bei Tage -in Baumlöchern oder unter Baumwurzeln schläft und erst nachts auf -Raub ausgeht. In Baumlöchern wirft er einmal im Jahr, und zwar meist -im April, seine 4–5 Jungen, die er wohl behütet und später zur Jagd -erzieht.</p> - -<p>Die Zobeljagd beschränkt sich auf die drei Monate Oktober, November -und Dezember. Da die Jagdgründe in der Regel sehr weit abgelegen -sind, brechen die Zobeljäger mit eigens abgerichteten Hunden schon im -September auf, um beim ersten Schneefall an Ort und Stelle zu sein. -Die Hunde müssen während der Reise zugleich die Schlitten ziehen, -welche mit Lebensmitteln für mehrere Monate beladen sind. Auf den -Jagdplätzen vereinigen sie sich zu kleinen Gesellschaften, die sich -Hütten bauen und nach allen Richtungen ihre Streifzüge unternehmen. -Man stellt Fallen und Schlingen der verschiedensten Art und verfolgt -mit den Hunden die Spur eines Zobels auf Schneeschuhen. Sobald ein -solcher aufgespürt ist, sucht man ihn auf einen Baum zu treiben, den -man alsbald mit Netzen umgibt, auf die er durch Schütteln der Zweige -oder mit Stangen hinuntergeschlagen wird. Fällt der Zobel vorbei, so -wird er entweder von den Hunden eingeholt und zu Tod gebissen, oder -auf einen andern Baum getrieben, wo man ihn wiederum, wenn möglich -ohne Schuß, der sein kostbares Fell verderben könnte, zu erlangen -sucht. Ist ein Zobel erbeutet, so wird er in ein Tuch gewickelt -und mit einem Stück Holz so lange geklopft, bis das Innere zu Brei -zerschlagen ist und durch kleine Löcher um den After und die Augen -herausgenommen werden kann. Dann wird das Fell umgedreht und weiter -präpariert. Auf diese Weise wird es ermöglicht, das ganze Fell völlig -unverletzt in den Handel zu bringen. Jedenfalls ist der Zobelfang -eine ununterbrochene Reihe von Mühseligkeiten aller Art, und wenn ein -Jäger zwanzig Zobelfälle auf einer Expedition erbeutet, so schätzt er -sich glücklich. Für ein einzelnes Zobelfell erhält der Jäger Waren -im Werte von 16 Rubeln (= 52 Mark). In St. Petersburg gilt es dann -ein Mehrfaches davon. Völlig wertlos sind die Bälge der im Frühjahr -erbeuteten Zobel, auch wenn sie noch ihre Winterhaare haben, denn -dieses fällt selbst dann noch aus, wenn die Haut schon hergerichtet -ist. Natürlich wird von dem kostbaren Pelz jedes Fleckchen verwertet; -so werden beispielsweise die helleren und dunkleren Partien der Kehle -zu farbenprächtigen Pelzstücken zusammengefügt, die als Mantelfutter -sehr beliebt sind. Infolge des Immerseltenerwerdens des Zobels machen -sich die Zobel<span class="pagenum"><a id="Seite_682"></a>[S. 682]</span>jagden je länger um so schlechter bezahlt, so daß die -russischen Pelzhändler in diesem Jahre beschlossen, den Präsidenten -des Ministerrats telegraphisch um ein Verbot des Zobelfangs während -zweier Jahre zu bitten. Nur hierdurch könne der Ausrottung des Zobels -vorgebeugt werden.</p> - -<p>Unter unseren einheimischen Säugetieren liefert der <em class="gesperrt">Baum-</em> oder -<em class="gesperrt">Edelmarder</em> (<span class="antiqua">Mustela martes</span>) das weitaus kostbarste -Pelzwerk, das in seiner Beschaffenheit am meisten demjenigen des Zobels -ähnelt. Die schönsten und größten liefert Skandinavien. Diese sind noch -einmal so dicht und so lang als diejenigen unserer deutschen Edelmarder -und in der Farbe grauer. Unter den deutschen finden sich mehr -gelbbraune als dunkelbraune, welch letztere mehr in Tirol vorkommen -und dem amerikanischen Zobel oft täuschend ähneln. Die südlicher -vorkommenden Edelmarderarten sind heller, blaßgraubraun oder gelbbraun. -Der Edelmarder lebt von menschlichen Wohnungen weit entfernt in Wäldern -und findet sich um so häufiger, je einsamer, dichter und finsterer sie -sind. Er ist ein echtes Baumtier und ein unübertroffener Kletterer, -bereitet sich in hohlen Bäumen, Felsspalten, verlassenen Nestern von -Wildtauben, Raubvögeln und Eichhörnchen ein weiches Lager aus Moos, das -er — denn er besitzt gleichzeitig mehrere Wohnungen — nach Störungen -mit einem andern vertauscht. Wo er sich sicher fühlt, geht er schon in -den frühen Abendstunden, sonst erst mit Beginn der Nacht auf Raub aus. -Vom Rehkälbchen und Hasen bis hinab zur Maus ist kein Säugetier vor -ihm sicher, ebenso Wald- und Feldhühner. Geräuschlos schleicht er zu -ihrem Lager, mag dieses auf einem Baume oder am Boden sein, überfällt -sie plötzlich und würgt sie ab, gierig sich am Blute der zerbissenen -Halsschlagader labend. Außerdem plündert er alle Vogelnester aus, -raubt den Bienen den Honig und sucht sich an Früchten und Beeren der -verschiedensten Art zu laben. Wenn ihm Nahrung im Walde zu mangeln -beginnt, wird er dreister und schleicht sich an die menschlichen -Wohnungen heran, um den Hühnerställen und den Taubenschlägen einen -Besuch abzustatten und darin große Verwüstung unter den Insassen -anzurichten. Er würgt nämlich, von Blutgier berauscht, auch dann -noch, wenn sein Hunger gestillt ist. Im Januar oder Februar findet -die Paarung statt und im April oder Mai wirft das Weibchen in sein -Mooslager 3–5 Junge, die 14 Tage lang blind sind, im Alter von 6–8 -Wochen jedoch schon selbständig auf den Bäumen herumspringen und von -den Alten sorgsam zur Jagd angeleitet werden. Solche Junge lassen sich -wie junge Zobel leicht<span class="pagenum"><a id="Seite_683"></a>[S. 683]</span> zähmen, während alt eingefangene Individuen -ihre Wildheit niemals verlieren. Überall wird der Edelmarder auf das -eifrigste verfolgt, weniger um seinem Würgen zu steuern, als vielmehr -um sich seines wertvollen Felles zu bemächtigen. Man fängt ihn in -Tellereisen und Kastenfallen mit einem Stückchen in ungesalzener Butter -mit etwas Zwiebel und Honig gebratenem Brot, das man mit Kampfer -bestreut. Am leichtesten erwischt man ihn, wenn man ihn mit einem -scharfen Hunde bei Neuschnee bis zu seinem Lager verfolgt und ihn dort -schießt oder vom Hunde, gegen den er wütend springt, abwürgen läßt.</p> - -<p>Etwas kleiner als der Edelmarder und mit einem weit weniger -wertvollen helleren, kürzeren Pelze versehen ist der <em class="gesperrt">Stein-</em> -oder <em class="gesperrt">Hausmarder</em> (<span class="antiqua">Mustela foina</span>), so genannt von seiner -Vorliebe für Felsen, Steinhaufen und menschliche Wohnungen, in denen -er Mäuse, Ratten, Hühner, Tauben und anderes Geflügel zu erbeuten -hofft. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich weiter südlich und -weniger nach Norden als dasjenige des vorigen. In Deutschland ist er -häufiger als der Edelmarder, den er an Kühnheit übertrifft und dessen -Lebensweise sich fast ganz mit der seinigen deckt. Er ist schon aus -dem Grunde weit schädlicher als jener, weil er weit öfter Gelegenheit -findet, dem Menschen Verluste an seinem Hausgeflügel beizubringen und -sein Spalierobst zu brandschatzen. Wie seine Verwandten ist auch er im -Vergleich zu seiner Größe ein außerordentlich blutdürstiges Tier, das -oft mehr Beute tötet als es fressen kann. Während der Paarungszeit, -die Ende Februar, ungefähr drei Wochen später als diejenige des -Edelmarders, stattfindet, läßt dieser sonst schweigsame Marder -katzenähnliche, schon auf weite Strecken hörbare Rufe vernehmen. In -seinem in einer Baumhöhle, einer Felsenspalte oder an einem anderen -geschützten Ort aus Heu oder Stroh errichteten Nest wirft das Weibchen -4–5 vierzehn Tage lang blinde Junge, die sich leicht zähmen lassen. -Während das Fell des Edelmarders auf 30–100 Mark zu stehen kommt, -kostet das des Steinmarders 20–40 Mark. Auch sein Pelz ist um so -wertvoller, aus um so nördlicherer Gegend er stammt. So werden die -Edel- und Steinmarderfelle Nordeuropas meistens als Zobel verkauft, -obschon sie jenen an Wert weit nachstehen, nicht bloß wegen ihrer Farbe -und der geringen Haarlänge, sondern auch wegen der verhältnismäßig -bedeutenden Länge des von den Grannen kaum verdeckten Wollhaars.</p> - -<p>Der nächste mitteleuropäische Verwandte des Iltis ist das -<em class="gesperrt">Hermelin</em> oder <em class="gesperrt">große Wiesel</em> (<span class="antiqua">Mustela erminea</span>), -das nördlich von den Pyrenäen und dem Balkan in ganz Europa, ebenso -in Mittel- und Nordasien<span class="pagenum"><a id="Seite_684"></a>[S. 684]</span> bis zur Ostküste Sibiriens vorkommt. In -Deutschland ist es eines der häufigsten Raubtiere, das tagsüber in -einem Erdloch oder anderen Schlupfwinkel schläft, um gegen Anbruch -der Dämmerung rege zu werden und außer Mäusen, Ratten, Schlangen und -Eidechsen, Kaninchen, Tauben, Hühner, Sperlinge, Schwalben, Lerchen -und dergleichen aus ihren Nestern zu holen. Meist jagt es paarweise, -nicht selten auch zu dreien, zeigt große Behendigkeit, tollkühnen Mut -und eine unbändige Mordlust. Im April oder Mai legt das Weibchen in -ein verstecktes, weich ausgepolstertes Nest 5–6 und mehr Junge, die -es sorgfältig beschützt und großzieht. In allen nördlicheren Gegenden -seines Verbreitungsgebietes wird es im Winter bis auf die auch dann -schwarzbleibende Schwanzspitze weiß, so bei uns in Deutschland, -wie in Skandinavien und dem schottischen Hochland, während es in -Nordengland häufig, aber nicht immer, und in Südengland nur selten -weiß wird. In die Enge getrieben, strömt es einen höchst unangenehmen, -durchdringenden Duft aus, wenn auch weniger stark als der Iltis. Es -wird in Fallen aller Art, auch Rattenfallen, in die es zufällig gerät, -gefangen. Jung aus dem Nest genommene Hermeline werden sehr zahm, -folgen ihrem Herrn wie ein Hund und bereiten ihm viel Vergnügen. Früher -war der Hermelinpelz sehr geschätzt und durfte nur von Fürsten getragen -werden. Heute tragen ihn oder dessen Imitation auch Bürgersleute; doch -ist er gleichwohl im allgemeinen weniger begehrt als einst, da die -Krönungsmäntel der Fürsten aus ihm mit den schwarzen Schwanzspitzen -wie Flämmchen zwischen dem reinen Weiß bestanden. Die aus nördlicheren -Gegenden stammenden Pelze sind gleichfalls besser und deshalb begehrter -als die aus südlicheren, die kürzeres, dünneres und weniger reinweißes -Haar besitzen. Während noch im Jahre 1833 über 100000 Hermelinfelle -nach England kamen, fand man später die Mühe des Sammelns nicht mehr -lohnend genug; doch hob sich in letzter Zeit ihr Import infolge der -gesteigerten Nachfrage in bedeutendem Maße und ist ihr Preis sehr stark -gestiegen.</p> - -<p>Weit weniger wertvoll ist der Pelz des kleinsten europäischen Marders, -des <em class="gesperrt">Wiesels</em> (<span class="antiqua">Mustela vulgaris</span>). Es ist im Norden der -ganzen Welt verbreitet und findet sich in geeigneten Gegenden fast -überall, indem es in Baumhöhlen, Steinhaufen, altem Gemäuer, unter -hohlen Ufern, in Maulwurfsgängen, Hamster- und Rattenlöchern, im Winter -in Scheunen, Kellern und Ställen, unter Dachböden usw. Schlupfwinkel -vor seinen größeren Feinden sucht. Von dort aus unter<span class="pagenum"><a id="Seite_685"></a>[S. 685]</span>nimmt dieses -kühne und neugierige Tier, wo es ungestört ist selbst bei Tage, wo es -aber verfolgt wird bloß bei Nacht oder wenigstens tagsüber nur mit -größter Vorsicht, seine Raubzüge, bei denen es alle kleinen Tiere, die -es zu überwältigen vermag, abwürgt und frißt. Als geselliglebendes Tier -jagt es oft auch gemeinschaftlich, wobei es von den größeren Tieren, -die es mordet, nur das Blut leckt. Meist in einer Erdhöhle oder in -einem hohlen Baum wirft das Weibchen nach fünfwöchiger Tragzeit 2–3mal -im Jahr 5–8 Junge, die es lange säugt und dann noch mehrere Monate mit -Mäusen ernährt, die es ihnen lebendig zuträgt. Bei Gefahr verteidigt -es dieselben mit größtem Mute und trägt sie bei Beunruhigung im Maul -an einen andern Ort. Von Kindheit auf an den Menschen gewöhnt, werden -die Wiesel ungemein zahm und können 4–6 Jahre in der Gefangenschaft -aushalten. In der Freiheit dürften sie ein Alter von 8–10 Jahren -erreichen und machen sich durch die Mäusejagd, zu der sie sich -vortrefflich eignen, ungemein nützlich, so daß sie so viel als möglich -geschont werden sollten, um so mehr ihr winziges Pelzchen nur geringen -Wert hat.</p> - -<p>Sehr wertvoll ist der Pelz des früher besprochenen <em class="gesperrt">Fischotters</em> -(<span class="antiqua">Lutra vulgaris</span>), der 30–50 Mark wert ist und zu Mützen, -Kragen und Verbrämungen verwendet wird. Noch beliebter ist er bei den -Mongolen, die viel höhere Preise als die Europäer für ihn bezahlen. Am -wertvollsten ist aber derjenige des nordamerikanischen Fischotters, -der einen Wert bis zu 200 Mark erreicht. Ein Riese von über 1 <span class="antiqua">m</span> -Körperlänge und einem Schwanz von 60 <span class="antiqua">cm</span> ist der <em class="gesperrt">brasilische -Fischotter</em> (<span class="antiqua">Lutra brasiliensis</span>), der ungleich andern -Ottern ein ausgesprochenes Tagtier ist. Auch sein Fell steht hoch -im Preise. Unvergleichlich kostbarer als dieses ist aber das des -<em class="gesperrt">Seeotters</em> (<span class="antiqua">Enhydris lutra</span>), der eine Gesamtlänge von -1,5 <span class="antiqua">m</span> bei einer Schwanzlänge von 30 <span class="antiqua">cm</span> und ein Gewicht -von 40–50 <span class="antiqua">kg</span> erreicht. Der lange, walzenförmige Körper trägt -vorn kurze und hinten längere Füße mit Schwimmhäuten. Das auffallend -lose Fell besteht der Hauptsache nach aus dem weichen Wollhaar von -dunkelbrauner Farbe, zwischen dem sich die langen, steifen, an der -Spitze weißen Grannenhaare nur in geringer Anzahl finden. Sie verleihen -aber dem Pelz das prachtvolle, silberschimmernde Aussehen und den -herrlichen Glanz. Je gleichmäßiger und dichter die Silberspitzen in -dem Pelz verteilt sind, um so kostbarer ist er; davon gibt es einzelne -Stücke, die bis 8000 Mark wert sind. Ein gutes Fell bringt schon dem -kamtschadalischen Jäger<span class="pagenum"><a id="Seite_686"></a>[S. 686]</span> 100 Rubel ein und kostet durchschnittlich -1200–1600 Mark, in tadellosen Stücken in Europa sogar 4000–6000 Mark. -Im Frühjahr, vom März bis Mai, ist der Pelz am besten. Daher wird die -Jagd auf den Seeotter zu dieser Jahreszeit am eifrigsten betrieben. Und -zwar wird dieses Tier entweder in seinem Lager beschlichen und getötet -oder vom Boot aus, nachdem man sich leise an dasselbe herangerudert -hat, erschlagen, auch durch Schüsse in den Kopf erbeutet. Zu Ende des -Winters wird es auf dem Eise auf Schneeschuhen eingeholt und mit einem -Stocke totgeschlagen.</p> - -<p>Der Seeotter ist ein äußerst scharfsichtiges, kluges und behendes Tier, -das sich mit vollendeter Meisterschaft im Wasser bewegt und auch am -Lande sehr flink ist. Seine Heimat sind die Gestade des nördlichen -Stillen Ozeans. Längs der amerikanischen Küste geht er aber weiter nach -Süden als längs der asiatischen, wird aber auch hier dank der eifrig -auf ihn betriebenen Jagd immer seltener. Er ernährt sich der Hauptsache -nach von Schaltieren und Seeigeln, daneben von Krabben, weniger von -Fischen. Das, wie es scheint, zu verschiedenen Jahreszeiten geborene -einzige Junge ist erst im vierten oder fünften Jahre ausgewachsen; -es läßt sich in der Gefangenschaft nicht aufziehen, da es darin -ausnahmslos eines freiwilligen Hungertodes stirbt. Vielleicht weil es -da in größerer Menge sein Lieblingsfutter findet, zieht es gewisse -Örtlichkeiten anderen vor. So werden mehr als zwei Drittel der an den -Küsten von Alaska erbeuteten Seeotter in der Umgebung der Insel Saanach -und Chernobours erbeutet. Früher waren sie bei den ostwärts von den -Alëuten im Beeringmeer gelegenen Prybiloffinseln so häufig, daß in der -ersten Jagdperiode nach der Entdeckung dieser Inseln dort über 5000 -Stück erbeutet wurden. Sechs Jahre später war der Seeotter bei den -Prybiloffinseln vollständig verschwunden, und auch an fast allen andern -Stellen seines Verbreitungsgebietes ist er so selten geworden, daß -er, wenn er nicht aussterben soll, schleunigen Schutzes bedarf. Heute -werden jährlich höchstens 500 Seeotterfelle auf den Markt gebracht und -meist Kragen daraus geschnitten. In China sind solche Seeotterpelze -besonders beliebt und reiche Würdenträger lassen sich ganze Mäntel -daraus verfertigen, die selbst dort mit 15000–20000 Mark bezahlt werden -müssen.</p> - -<p>Ungefähr dieselben Breiten wie der Seeotter bewohnt die <em class="gesperrt">nordische -Bärenrobbe</em> (<span class="antiqua">Otaria ursina</span>), eine in den männlichen -Exemplaren bis 2,4 <span class="antiqua">m</span> lange und 400 <span class="antiqua">kg</span> schwere Pelzrobbe -mit einem Gürtelumfang von 1,8–2,1 <span class="antiqua">m</span>. Während diese ihre -volle Größe etwa<span class="pagenum"><a id="Seite_687"></a>[S. 687]</span> im sechsten Jahre erreichen, tun dies die viel -kleineren Weibchen schon im fünften Jahre. Sie werden nur 1,2 <span class="antiqua">m</span> -lang, 40–50 <span class="antiqua">kg</span> schwer und erhalten einen Gürtelumfang von 76 -<span class="antiqua">cm</span>. In der Jugend sind sie glänzend schwarz, später die Männchen -an den oberen Teilen mit Ausnahme der Schultern beinahe schwarz mit -einer mehr oder weniger starken, bald mehr grauen, bald mehr rötlichen -Bereifung, auf den Schultern grau, am Gesicht bräunlich, an der Brust -bräunlich orangefarben und an Bauch und Beinen rötlichbraun. Die -Weibchen dagegen tragen ein viel helleres Gewand, das oben ziemlich -einförmig grau, unten dagegen bräunlich oder roströtlich ist. Die -Bärenrobbe kam früher an der amerikanischen Seite des Stillen Ozeans -südwärts bis nach Kalifornien vor, an der asiatischen bis zum Südende -der Insel Sachalin. Heute besucht sie zur Fortpflanzung vor allem die -beiden Inseln St. Paul und St. Georg der Prybiloffgruppe. Das Klima -dieser hochnordischen Inseln ist sehr unwirtlich; selbst im kurzen -Sommer bedeckt fast immer Nebel das Land, der Regen setzt fast keinen -Tag aus und im Winter liegt alles unter Eis und Schnee begraben. -Auf diesen vollständig öden und vom Menschen nicht bewohnten Inseln -erscheinen im Mai nach der Schneeschmelze zuerst die erwachsenen -Männchen der sonst im offenen Meer von Fischen lebenden Bärenrobbe. -Sie sind sehr scheu und halten sich zunächst immer dicht am Ufer auf, -später suchen sie sich mehr landeinwärts Standplätze auf, an denen im -Juni noch weitere Männchen zu ihnen stoßen, mit denen sie oft grimmige -Kämpfe ausfechten, um ihren jeweiligen Standort zu behaupten. Von den -fortwährenden Kämpfen mit den Nebenbuhlern erschöpft und verdrängt -müssen viele der ersten Ankömmlinge sich weiter landeinwärts einen -neuen Standplatz suchen; manche derselben gehen an den mit den scharfen -Eckzähnen erzeugten schweren Wunden zugrunde. Ein laut dröhnendes -Gebrüll, das selbst das Donnern der Brandung übertönt, wird von den -im ununterbrochenen Kampfe befindlichen Männchen ausgestoßen. Zu den -Kämpfen um den Platz treten nach Ankunft der Weibchen Mitte Juni die -um deren Besitz, die mit voller Wut während der ganzen Paarungszeit -fortgesetzt werden. Kein Wunder, daß die Männchen Mitte Juli, wenn die -letzten Weibchen ankommen, schon völlig erschöpft sind. Schließlich -haben aber die meisten Weibchen bekommen, deren Zahl je nach der -Stärke der Männchen und der Lage der von ihnen eingenommenen Plätze -verschieden ist. Bei einem durch die günstige Lage seines nur mit -einem Zugangsloch versehenen Platzes begünstigten alten Männchen<span class="pagenum"><a id="Seite_688"></a>[S. 688]</span> hat -man über 45 Weibchen beobachtet; die in der Nachbarschaft des Ufers -festgesetzten Männchen haben durchschnittlich 12–15, die weiter ins -Land zurückgedrängten nur 5–9 Weibchen und manche der am weitesten -landeinwärts verdrängten Männchen erlangen überhaupt keine. Indessen -können etliche von den bis fast an den Schluß der Paarungszeit -unbeweibten Männchen die Stelle der inzwischen infolge Erschöpfung -abgezogenen Nebenbuhler einnehmen. Während der ganzen Paarungszeit, die -bis in den August hinein andauert, können die ihren Platz zu behaupten -wünschenden Männchen denselben auch nicht einen Augenblick verlassen -und fasten wenigstens drei, manchmal auch vier Monate hindurch. Dabei -leben sie von dem vorher reichlich angesammelten Speck.</p> - -<p>Die Weibchen der Bärenrobbe sind sehr sanftmütige Geschöpfe, die -niemals einen Streit miteinander haben und selten einen Schrei -ausstoßen, auch wenn sie von den Männchen roh behandelt oder gar mit -den Hauern schwer verwundet werden. Nur wenn sie ihr Junges geworfen -haben, blöken sie, um es an sich zu locken. Gleich bei ihrer Ankunft -werden sie von den dem Ufer nächsten Männchen mit aller Aufmerksamkeit -empfangen, wechseln aber in der Folge oft ihren Besitzer, indem sie -immer weiter nach dem Innern drängen, wo sie unter sorgfältiger -Vermeidung von Plätzen mit Wassertümpeln Herden bilden. Hier werfen -sie bald nach ihrer Ankunft je ein Junges, das sie immer wieder nach -ihren Exkursionen zum Fressen ins Meer aufsuchen, um es zu stillen. Mit -dem Größerwerden desselben bleibt die inzwischen aufs neue befruchtete -Mutter immer länger aus. Anfangs August versuchen sich die dem Ufer -nächsten Jungen im Schwimmen. Wenn auch die ersten Schwimmübungen sehr -unbeholfen ausfallen und bald eingestellt werden, so bilden sie sich -bald zu geschickten Schwimmern aus, die von Ende September in größeren -Gesellschaften das Meer nach Beute durchsuchen. Ende Oktober verlassen -sie mit den Müttern und älteren Geschwistern die Inseln, um sich mit -Eintritt des Winters nach dem wärmeren Süden zu begeben.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel67a" > - -<p class="captop">Tafel 67.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel67a.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><div class="capright">(<span class="antiqua">Copyright M. - Koch, Berlin.</span>)</div> - Biber.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="tafel67b" > - <img class="w100" src="images/tafel67b.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><div class="capright">(<span class="antiqua">Copyright M. - Koch, Berlin.</span>)</div> - Von Bibern errichteter Damm.</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe26 break-before" id="tafel68" > - -<p class="captop">Tafel 68.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel68.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><div class="capright">(<span class="antiqua">Copyright Underwood - & Underwood.</span>)</div> - Junge Ohrenrobben am Strand der Insel Santa Catalina in Kalifornien.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel68_gross.jpg" id="tafel68_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Auf den Prybiloffinseln dürfen nur die unbeweibten ein- bis -sechsjährigen Männchen getötet werden, und auch diese nur in bestimmter -Zahl, um der Ausrottung der Tiere vorzubeugen. Die Regierung der -Vereinigten Staaten hat das alleinige Recht zum Robbenschlag auf den -Prybiloffinseln im Jahre 1869 an eine Handelsgesellschaft verpachtet -und ihr erlaubt, auf St. Georg jährlich 25000 und auf St. Paul 75000, -also zusammen 100000 junge Männchen zu töten.<span class="pagenum"><a id="Seite_689"></a>[S. 689]</span> Durch die Ausbeutung -dieses Rechtes hat die Gesellschaft von 1869 bis 1889 über 33 Millionen -Dollar eingenommen, und zwar unter Aufwendung einer geringen Arbeit, -indem sich die ein- bis sechsjährigen männlichen Bärenrobben für sich -halten und von den Angestellten der Gesellschaft leicht vom Meere -abgedrängt werden können. Die auf dem Lande unbeholfenen, vor Angst -brüllenden Tiere werden nun langsam dem Innern zugetrieben, wobei sie -in einer halben Stunde beinahe einen Kilometer zurücklegen. Dann müssen -sie eine Zeitlang ruhen und sich erholen, bis sie weitergetrieben -werden können. Unterwegs werden alle wegen Beschädigung des Felles -unbrauchbaren Tiere und die etwa mitgefangenen Weibchen ausgesondert -und ihnen die Rückkehr zum Meere gestattet. Der anderen harrt, an den -Schlachtplätzen in der Nähe der Salzhäuser angelangt, ein schreckliches -Schicksal. Nachdem sie eingehürdet, sich gekühlt und ausgeruht haben, -werden sie in Scharen von 50–100 Stück durch Hiebe auf den Kopf mit -schweren eichenen Knütteln niedergehauen und von den noch warmen, -zuckenden Leibern die Felle abgestreift und in die Salzhäuser gebracht. -Hier werden sie immer zwei und zwei mit den Haarseiten aufeinander -gelegt und so schichtenweise verpackt, wobei jede Schicht mit einer -Lage Salz bedeckt wird. Nachdem die Felle so 2–3 Wochen gelagert -haben, werden sie paarweise, aber jetzt mit der Haarseite nach außen, -zusammengerollt und, in Fässer verpackt, in die Schiffe verstaut, die -sie nach London, dem Hauptmarkt dieser rohen Felle, führen. Von dort -kommen sie nach Entfernung des groben aschgrauen bis braunschwarzen -Grannenhaars als kostbarer <em class="gesperrt">Sealskin</em> in den Handel, um als -Jackett eine Dame oder als Kragen den Mantel eines reichen Herrn zu -zieren. 40–50 Robbenjäger töten und enthäuten an einem Tage bis zu 3000 -Stück der wehrlosen Pelzrobben. Während des Sommers 1872 haben 45 Leute -über 72000 Bärenrobben in weniger als vier Wochen zum Schlachtplatz -getrieben, getötet und abgehäutet.</p> - -<p>Trotz der Bestimmung, daß in jedem Jahre nur 100000 männliche -Bärenrobben getötet werden dürfen, soll diese Anzahl vielfach -überschritten werden. Die Folge davon ist, daß die Zahl der die -Prybiloffinseln zur Fortpflanzung aufsuchenden Bärenrobben immerfort -abnimmt. Die jungen Männchen und unfruchtbaren Weibchen bleiben auch -den Sommer über auf hoher See, wo ihnen britische Schiffe nachstellen. -Hat eins der wohlausgerüsteten etwa 50 britischen Segelschiffe eine -Bärenrobbe in der Beringsee gesichtet, so werden mit je zwei Matrosen -und einem mit zwei Schrotflinten und einer Kugel<span class="pagenum"><a id="Seite_690"></a>[S. 690]</span>büchse ausgerüsteten -Jäger bemannte kleine Boote auf die Pelzrobbenjagd ausgesandt. Ruhig -fährt das Boot an die wahrgenommene Bärenrobbe heran und der Jäger -sucht sie durch einen Schuß in den Kopf zu töten, was allerdings durch -die große Wachsamkeit der Tiere in den allermeisten Fällen vereitelt -wird, indem sie beizeiten die Gefahr merken und untertauchend in -die Tiefe verschwinden. Der Jäger soll nur dann schießen, wenn er -seiner Beute ganz sicher zu sein glaubt. Ist diese getroffen, so -beginnt sie sofort zu sinken, weshalb das Boot sich beeilen muß, an -den Kadaver heranzukommen, ihn zu gaffeln und an Bord zu nehmen. Die -auf die Robbenjagd geschickten kleinen Boote bleiben auf dem Wasser, -solange sie eine Bärenrobbe sehen können, und wenn sie manchmal auch -nur eine oder zwei während eines ganzen Tages erbeuten, so fallen -ihnen gelegentlich auch mehr, bis zwanzig, zum Opfer. Das Fleisch -dieser Tiere wird von den Eingeborenen, aber auch den Europäern, gern -gegessen, da es recht schmackhaft ist.</p> - -<p>In derselben Weise wie der Bärenrobbe wird auf den Prybiloffinseln -der im männlichen Geschlecht bis 4 <span class="antiqua">m</span> langen, einen Umfang von -2,5–3 <span class="antiqua">m</span> und ein Gewicht von 500–650 <span class="antiqua">kg</span> erreichenden -<em class="gesperrt">Stellerschen Ohrenrobbe</em> (<span class="antiqua">Otaria stelleri</span>), von den -Matrosen wegen ihres grimmigen Gesichtsausdrucks <em class="gesperrt">Seelöwe</em> -genannt, nachgestellt. Diese größte aller Pelzrobben, die in der Jugend -lebhaft kastanienbraun, erwachsen dagegen in beiden Geschlechtern -hellrötlichbraun ist, wurde im Jahre 1741 während Berings erster -Forschungsfahrt in diesem Weltteil entdeckt und von dem Bering -begleitenden Naturforscher Steller, nach welchem das Tier später -benannt wurde, beschrieben. Da diese Robbe ihren schweren Körper -über Land nur sehr mühsam fortbewegt, begibt sie sich während der -Fortpflanzungszeit nicht so weit ins Land hinein wie die Bärenrobbe, -nämlich nicht sehr weit über den Bereich der höchsten Flut hinaus. -Während der Paarungszeit im Frühsommer besucht sie dieselben -Küstenstrecken wie die Bärenrobbe, die sie durch ihre bedeutendere -Stärke verdrängt, ohne daß sie sich ihrem gewaltigen Gattungsgenossen -gegenüber zur Wehr setzte. Doch scheint es die männliche Ohrenrobbe bei -der Bildung und Beschützung ihres Harems weniger genau zu nehmen als -die männliche Bärenrobbe. Die Ohrenrobbe ist äußerst scheu und wachsam -und läßt keinen Menschen nahe herankommen, ohne daß sie sich plötzlich -Hals über Kopf ins Meer stürzte. Hierbei werden die Weibchen von den -Männchen begleitet, die die Jungen bewachen, sie im Wasser schwimmend -umkreisen und sie<span class="pagenum"><a id="Seite_691"></a>[S. 691]</span> so lange zusammenhalten, bis eine neue Landung -gefahrlos erscheint. Bei den Jungen bleiben auch die mit ihnen und den -Männchen ins Wasser geflohenen Weibchen, tauchen und schwimmen hierhin -und dorthin, beim jedesmaligen Auftauchen den Störenfried mit einem -heisern Grollen bedrohend.</p> - -<p>Auf ihren Paarungsplätzen erscheinen die männlichen Ohrenrobben im -Mai. Ihnen folgen 3–4 Wochen später die Weibchen, die ihre Jungen -einen Monat früher als die Bärenrobben werfen. Auch bei ihnen nehmen -die stärksten Männchen die meisten Weibchen in Beschlag, um bis Ende -September mit ihnen zusammenzubleiben. Gewöhnlich versammelt jedes -genügend starke Männchen 10–15 Weibchen um sich, um sie bald nach dem -Werfen der Jungen zu befruchten. Auch nach der Paarungszeit halten -sich die Ohrenrobben den ganzen Winter hindurch nahe der Küste. Doch -sind sie nicht mehr zahlreich auf den Prybiloffinseln. Man schätzt -die Anzahl der die Insel St. Paul besuchenden Ohrenrobben auf etwa -25000, während 7000–8000 auf die zweite Hauptinsel der Prybiloffgruppe, -St. Georg, kommen sollen. Ein Beobachter meint, daß übrigens nur -15000–20000 Ohrenrobben im Jahre die Prybiloffinseln besuchen. Auf -der Insel St. Paul werden die zum Abschlachten bestimmten Ohrenrobben -langsam der Küste entlang getrieben, wobei sie fortwährend tiefe -Klagetöne ausstoßen. Um die Tiere aufzuscheuchen, genügt es, in ihrer -Nähe plötzlich einen Regenschirm auszuspannen. Dies wird alle paar -Minuten wiederholt, bis die ganze Herde munter geworden ist und sich -unter viel Gebrüll und Gekläff in Bewegung setzt. Durch Rufe und -Flaggenschwenken am Ende und an den Rändern der Herde werden die Tiere, -die jetzt so gut wie möglich vorwärtshumpeln, so lange in Bewegung -gehalten, bis sie neuer Ruhe bedürfen. Endlich am Schlachtplatz -angelangt, werden die zum Erschlagen durch Keulen viel zu gewaltigen -ausgewachsenen Männchen mit Büchsen totgeschossen und ihr Fell -abgezogen. Die Weibchen und jungen Männchen dagegen, die die besten -Pelze liefern, werden erstochen. Mit einem scharfen Messer wird das -Unterhautzellgewebe der abgezogenen Häute und zugleich damit die tiefer -als die Wollhaare wurzelnden Grannenhaare durch Entwurzelung aus dem -Pelze entfernt. Im übrigen ist die Behandlung der Felle dieselbe wie -bei den Bärenrobben.</p> - -<p>Von ihnen wie von den weiter südlich lebenden Ohrenrobben wird auch -das Fett gesammelt und eingekocht, das schwach behaarte Fell der -letzteren zur Herstellung eines starken Leders erbeutet. Vor etwa<span class="pagenum"><a id="Seite_692"></a>[S. 692]</span> -100 Jahren war die Zahl der Ohrenrobben vieler Gegenden ungeheuer -groß. An der chilenischen Küste, die seitdem nahezu eine Million -Felle lieferte, sollen damals 500000–700000 dieser Tiere gelebt -haben. In Südgeorgien wurden im Jahre 1800 nicht weniger als 112000 -Bärenrobben erbeutet, wovon auf ein einziges amerikanisches Schiff -rund 50000 kamen. Damals wurde auch die Entdeckung von Bärenrobben an -der australischen Küste bekannt, von wo im Jahre 1804 ein einziges -Schiff 74000 Häute ausführte. Auch an den südostwärts vom Kap der -Guten Hoffnung gelegenen Prinz Edward-Inseln wurden große Scharen von -Ohrenrobben erbeutet, und zwischen 1820 und 1821 wurden über 300000 -Häute von den Südshettlandinseln ausgeführt, wo 1821 über 100000 junge -Ohrenrobben, ihrer Mütter beraubt, zugrunde gingen. Von der in der -Nähe der Küste von Neusüdwales gelegenen Antipodeninsel wurden 1814 -und 1815 über 400000 Felle großer Pelzrobben ausgeführt, wovon der -vierte Teil bei der Ankunft in Europa wegen ungenügender Zubereitung -als Dünger verkauft oder fortgeworfen werden mußte. Kein Wunder, daß -die Anzahl der Pelzrobben der südlichen Meere schon im Jahre 1813 so -gering geworden war, daß die auf ihren Fang ausgehenden Schiffe statt -Gewinn meistens Verlust hatten, und daß eine den Pelzrobben geltende -Schiffsreise ein großes Risiko in sich faßte, ob sie sich überhaupt -bezahlt macht. So unvernünftig hat das grimmigste Raubtier, der Mensch, -mit den ihm unerschöpflich scheinenden Naturschätzen gewütet, die ihm -bei einigermaßen vernünftiger Ausbeutung viele Jahrhunderte hindurch -Reichtümer ohne Zahl gewährt hätten. Die einst immensen Herden von -Pelz- und Haarrobben sind heute so sehr zusammengeschmolzen, daß -jährlich insgesamt nur noch etwa 185000 Pelz- und 875000 Haarrobben -erbeutet werden. Wenn nicht ganz energische Schonungsmaßregeln von -seiten der betroffenen Nationen ergriffen werden, wird das völlige -Aussterben der großen Ohrenrobben wie so mancher anderer Wunder der -Schöpfung — es sei hier nur an die gewaltige Stellersche Seekuh -erinnert — nur eine Frage der Zeit sein.</p> - -<p>Ein anderes Wassertier, dessen Pelz sehr geschätzt wird, ist der -ebenfalls auf den Aussterbeetat gesetzte <em class="gesperrt">Biber</em>, von dem in -einem früheren Abschnitte eingehend die Rede war. Für den Handel ist -nur noch mit dem Biber in Nordamerika, speziell Kanada, zu rechnen. -Von dort kommen ungefähr noch 50000 Felle jährlich in den Handel. Die -Farbe des Bibers, die gewöhnlich auf der Oberseite dunkelbraungrau, auf -der Unterseite dagegen heller ist, variiert ganz bedeutend. Es gibt<span class="pagenum"><a id="Seite_693"></a>[S. 693]</span> -von ihm ganz helle und ganz dunkle Exemplare; die Pelze der letzteren -sind die wertvollsten. Bei deren Zubereitung wird das grobe, braune -Grannenhaar entweder stehen gelassen oder entfernt, so daß nur das -weiche, dichte, graublaue Wollhaar zurückbleibt, das ein sehr feines, -überaus geschätztes Pelzwerk liefert.</p> - -<p>Eines der wichtigsten Pelztiere ist der <em class="gesperrt">Fuchs</em>, dessen -Lebensweise ebenfalls bereits besprochen wurde. Der bei uns heimische -Rotfuchs mit rötlichgelbem, auf dem Rücken braunrotem Pelze hat an -seiner dichten, buschigen Lunte meistens eine weiße Spitze. Je nach -ihrer Farbe und Dichtigkeit steigen die Felle des Fuchses bedeutend -an Wert. Die schönsten für Pelzwerk in Betracht kommenden Rotfüchse -stammen aus Alaska und Kamtschatka; aber auch Sibirien hat sehr -gesuchte Fuchspelze. Im Gouvernement Tobolsk wurden in den letzten -Jahren 50000–75000 junge und nur 5000–10000 ausgewachsene Füchse -jährlich gefangen. In den Gouvernements Jakutsk und Jenissei, wo die -Jungen nicht gefangen werden dürfen, kommen jährlich 15000 bis 25000 -Füchse zur Strecke. Zu diesem Rotfuchs tritt in den Polarländern noch -der Weißfuchs. Eine besondere Art desselben mit blaugrauer Farbe ist -der Blaufuchs, der schon sehr hoch im Preise steht. Bei weitem am -kostbarsten sind aber die Silber- oder Schwarzfüchse, die in Sibirien, -auf den Alëuten und im nördlichsten Teile Kanadas leben, aber heute -infolge der unaufhörlichen Verfolgung überall selten geworden sind, so -daß man sie manchenorts in regelrechte Zucht in eingehegten Revieren -genommen hat, um einigermaßen mühelos ihren kostbaren Pelz zu erhalten. -Derselbe hat ganz schwarzes, sehr feines, langes Haar, das stets -nach unten fällt. Trägt dieses Haar weiße Spitzen, so wird der Pelz -Silberfuchs genannt, überwiegt aber das reine Schwarz in der Färbung -und sind nur wenige Stellen mit Silberhaaren bedeckt, dann heißt der -Pelz Schwarzfuchs. Ganz reine Schwarzfüchse ohne jedes Silber sind ganz -außerordentlich selten. Von ihnen werden jährlich noch nicht ein halbes -Dutzend erbeutet, und der Wert eines solchen Felles steigt bis auf -12000 Mark.</p> - -<p>In den Provinzen Schensi und Schansi wird das an Gestalt der -Angoraziege ähnliche Tibetschaf in großen Massen nur des Pelzes wegen -gezüchtet. Der deutsche Pelzhandel kennt diese Felle, die sich durch -eine feine, langhaarige, glänzendweiße Wolle auszeichnen, seit kaum -20 Jahren. Heute aber werden jährlich wenigstens 600000 Stück davon -importiert, und zwar meist schon in zugerichtetem Zustande, was die -Chinesen, die überhaupt Meister in der Kürschnerkunst sind, ganz -vortrefflich besorgen.<span class="pagenum"><a id="Seite_694"></a>[S. 694]</span> In den weiten Ebenen und Steppen der Bucharei -dagegen lebt in großen Herden bis zu 5000 Stück das auf Seite 127 -besprochene Fettschwanzschaf von Arkalabstammung, das die schwarzen, -seidenglänzenden, vielfach gekräuselten und gerollten Pelze gibt, -die unter dem Namen Astrachan, Krimmer oder Persianer in den Handel -gelangen und prächtige Wintermäntel und Jacken liefern. Ihn erzeugen -die ganz jungen Schafe, während die Felle der neugeborenen Lämmer, die -ein eigenartiges, moiréähnliches Muster zeigen, Breitschwanz genannt -werden. Letztere werden an Ort und Stelle schon mit 8 Mark das Stück -bezahlt, während die Felle der älteren Lämmer als Astrachan nur 4 bis 5 -Mark kosten. Um die Bildung der feinen Löckchen des Felles zu fördern, -näht man zuweilen die jungen Lämmer während ihres kurzen Lebens in ein -Fell oder ein Stück grobe Leinwand ein. Die Bucharen sind sehr stolz -auf diese ihre Schafe, die so herrliche Felle besitzen und die es noch -nicht gelang anderswo anzusiedeln. Die Felle werden alljährlich von den -Vertretern großer Pelzfirmen an Ort und Stelle eingekauft oder gelangen -auch auf die großen Märkte nach Astrachan. Sie werden darauf in rohem -Zustande in besonderen Fabriken einer ersten Präparierung unterworfen, -die sie für die Reise nach Europa geeignet macht. Hier werden sie -vollends gereinigt und, da das natürliche Schwarz zu stumpf wirkt, noch -künstlich gefärbt, bis sie den sie so beliebt machenden schwarzen Glanz -erlangt haben.</p> - -<p>Zu Nachahmungen wertvollerer Pelze dient hauptsächlich der dichte -Winterpelz des <em class="gesperrt">Kaninchens</em>. Zu diesem Zwecke wird er gewöhnlich -geschoren, gefärbt und kommt dann als Sealkanin, Nutriakanin, -Chinchillakanin und Zobelkanin in den Handel. Am beliebtesten ist das -Fell des Silberkaninchens, das im Rohzustande herrliche Imitationen -des echten Hermelins liefert. Deshalb wird dieses Tier in sehr großen -Mengen gezüchtet und seine Felle in gewaltiger Zahl namentlich in die -romanischen Länder eingeführt, wo sie meist sehr gut bezahlt werden. -Außer durch Kaninchenfell wird der so beliebte Chinchillapelz vielfach -auch durch das Fell einer australischen Beuteltierart imitiert. Das -Fell des nordischen Eisfuchses wird sehr häufig durch dasjenige des -nordischen Schneehasen nachgeahmt oder aus dem Felle des vorhin -genannten weißen Tibetschafes imitiert, nachdem es durch Aufbügeln -und Auskämmen einem Regenerationsverfahren unterworfen wurde. Auf -eine bestimmte nordische Wolfsart führt meist der vielgerühmte -Kamtschatkafuchs seinen Stammbaum zurück und hinter dem Luchspelz aus -Rußland steckt in der Regel das Fell eines australischen Beutel<span class="pagenum"><a id="Seite_695"></a>[S. 695]</span>tieres. -Der russische Edelmarder entpuppt sich dem Kundigen nicht selten -als Fell des nordamerikanischen Opossums, also ebenfalls eines -Beuteltieres. Gleicherweise werden auch die als Kolinski bezeichneten -Felle des tatarischen Marders durch diejenigen von Hauskatzen geschickt -nachgeahmt.</p> - -<p>Wie die Säugetiere der nördlichen Breiten mit ihrem dichten Pelz, -müssen die Vögel der sonnenreichen Tropenländer mit ihrem herrlichen -Gefieder dem Menschen dienen. Wie jene hat er deshalb auch diese -mit erbarmungsloser Gier in ungezählten Scharen gemordet, so daß -das Herz jedes Naturfreundes sich in Bitterkeit zusammenkrampft, -wenn man bedenkt, wie scheußlich gegen jene frohe, bunte Schaar im -Laufe der letzten Jahrzehnte dank der infamen, launischen, von den -herz- und gedankenlosen Halbweltdamen in Paris zum größten Teil -diktierten Mode gewütet wurde. Und dank ihrer angeborenen Eitelkeit -macht auch die bessere, anständige Frau jenen frivolen Hetären all -diesen Blödsinn nach. Der beklagenswerten Mode des Tragens von bunten -Vogelfedern oder ganzen Vogelbälgen auf den Damenhüten sind schon viele -Milliarden Vögel in der herrlichsten Zeit ihres Lebens, in der Zeit -der Fortpflanzung, wenn sie ihr schönstes Kleid, das Hochzeitskleid, -anhaben, herzlos in den Tod geschickt und mit ihnen ihre Brut dem -Hungertode und der Vernichtung preisgegeben worden. Wir haben bei -Besprechung der kulturgeschichtlichen Rolle der Straußenfeder gesehen, -daß ihr im 15. Jahrhundert am üppigen, reichen burgundischen Hofe die -zierliche Aigrette als Hutschmuck vorausging. Diese Aigrette wurde -ursprünglich vom <em class="gesperrt">Silberreiher</em> (<span class="antiqua">Ardea alba</span>) gewonnen, -der am liebsten in schwer zugänglichen Rohrdickichten an den Ufern -stehender oder langsam fließender Gewässer nistet und einst wie in -ganz Südeuropa, so in den Donautiefländern, von Ungarn an bis in die -Dobrudscha hinein, ein häufiger Brutvogel war. Durch die ihm seiner -prächtigen Schmuckfedern wegen bereiteten Nachstellungen ist er nicht -nur dort, sondern überall auf der Welt, wo er nistet, selbst in den -entlegensten Gegenden, überaus selten geworden. Auch der dieselben -Gegenden bewohnende überaus anmutige <em class="gesperrt">Seidenreiher</em> (<span class="antiqua">Ardea -garzetta</span>), der in den Brutkolonien seine Nester fast ausnahmslos -auf den obersten, ziemlich dünnen Seiten- und Gipfelzweigen der -Bäume errichtet, in denen er von Ende Mai an seine 3–4, selten 5 -hellbläulichgrünen Eier bebrütet, ist dank den eifrigen Nachstellungen -beinahe ausgerottet, obschon seine Schmuckfedern viel weniger begehrt -sind und dementsprechend niedriger im Preise stehen als diejenigen -des Silber<span class="pagenum"><a id="Seite_696"></a>[S. 696]</span>reihers. Die mit sparrigen, kurzen Strahlen versehenen -Schmuckfedern dieser Edelreiher stehen bei dem Männchen den Rücken -entlang und nicht am Hinterkopfe, wie man gewöhnlich glaubt. Ihretwegen -werden sie geschossen. So hat man im Jahre 1898 in Venezuela allein -1538738 dieser Edelreiher zur Gewinnung der Aigretten getötet; zehn -Jahre später konnte man nur noch 259916 derselben erbeuten. Dort und -in Mittelamerika, Afrika und Ostasien, wo er einst in ungezählten -Scharen lebte, ist er so überaus selten geworden, daß man trotz der -hohen Preise die größte Mühe hat, die Nachfrage nach den Aigretten zu -befriedigen.</p> - -<p>Eine einzige Sendung eines großen Londoner Hauses umfaßte außer 19000 -Aigretten 80000 Seevögel und 800000 Paare von Flügeln verschiedener -Art. Eine andere einer Berliner Firma enthielt 32000 Kolibris. Die -Kolibrifedern dienen nicht nur zur Verzierung von Damenhüten, sondern -auch zum Garnieren von Schuhen, von denen allerdings ein Paar 6000 -Mark kostet. So ist es kein Wunder, daß z. B. auf der Insel Trinidad, -wo der Gang der Ausrottung überschaut werden kann, von ursprünglich 18 -Kolibriarten nur noch 5 existieren. Von den wundervollen Paradiesvögeln -Neuguineas kamen 1907 19742 Bälge in London auf den Markt. Eine einzige -Sendung einer Londoner Firma zählte 28300 Bälge dieser Art auf und -täglich laufen neue große Sendungen derselben in London ein. Kürzlich -schossen japanische Raubjäger auf einsamen Inseln der Hawai-Gruppe -250000 brütende Albatros, jene herrlichen Flieger des offenen Meeres, -die mitten auf den gewaltigen Wasserwüsten der Ozeane als fast einzige -Vertreter der Vogelwelt anzutreffen sind, um sie über Japan auf den -Londoner Mark zu bringen. In einer einzigen Saison wurden von einer -Pariser Modistin 40000 Seeschwalben verbraucht. Hunderttausende von -nützlichen einheimischen Schwalben und Stieglitzen, wie der schönsten -und seltensten exotischen Vogelarten werden jährlich der Eitelkeit der -europäischen Frau geopfert. Wie die Paradiesvögel stehen vor allem -die herrlichen Glanzstaare, Quesals, Trogone, Sittiche, Kolibris und -zahlreiche andere Schmuckvögel der Tropen auf der Liste der bald der -Ausrottung Verfallenen. So hat man berechnet, daß für die europäische -Damenwelt allein über 300 Millionen Ziervögel jährlich ihr Leben lassen -müssen. Es ist dies, wie <span class="antiqua">Dr.</span> Paul Sarasin in Basel in seinem -Aufruf zur Gründung eines Weltnaturschutzbundes mit Recht sagt: „ein -die Natur beleidigendes Riesenopfer an die Eitelkeit und Herzlosigkeit -der europäischen Frau.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_697"></a>[S. 697]</span></p> - -<p>Es wäre höchste Zeit, daß die betreffenden Nationen sich in zwölfter -Stunde aufrafften, um diesem sinnlosen Treiben der Ausrottung der -schönsten Geschöpfe unserer Erde ein jähes Ende zu setzen. Haben -wir nicht in den bunten Seidenbändern und den mit großer Naturtreue -erzeugten künstlichen Blumen hübsche Garnituren genug, um auch die -größten Ansprüche der verwöhntesten Dame zu befriedigen?</p> - -<p>Außer Pelz und Feder ist auch das <em class="gesperrt">Schildpatt</em> und die Haut -mancher Schlangen und Alligatoren ein gesuchter Handelsartikel. -Das Schildpatt oder Schildkrot wird von der eine Gesamtlänge von -nahezu 1 <span class="antiqua">m</span> erlangenden, als gieriger Räuber ausschließlich -von tierischen Stoffen lebenden <em class="gesperrt">Karettschildkröte</em> (<span class="antiqua">Chelone -imbricata</span>) gewonnen. Diese lebt nicht nur im Indischen und -Stillen, sondern auch im Atlantischen Ozean, hat zwar ungenießbares -Fleisch, liefert aber durch ihre 3–7 <span class="antiqua">mm</span> dicken, auf braunem -Grunde eine gelbe Zeichnung tragenden, dachziegelartig angeordneten -Rückenplatten, von denen ein ausgewachsenes Tier 2–6 <span class="antiqua">kg</span> besitzt, -ein wichtiges Rohmaterial für allerlei Schmucksachen, wie Kämme, -Dosen und Einlegearbeiten. Dieses Schildpatt wird indessen auch von -mehreren anderen verwandten Schildkröten gewonnen und kommt in bester -Beschaffenheit von Indonesien, in großer Menge aber auch vom Roten -Meer, von Westindien und den Küsten Südamerikas in den Handel. Nur -wenn es stark erwärmt wird, löst es sich leicht vom Rückenpanzer der -betreffenden Schildkröte. So wird dieses bedauernswerte Tier über einem -Feuer aufgehängt und so lange geröstet, bis jene Wirkung erzielt worden -ist. Die Chinesen, die einsahen, daß das Schildkrot durch trockene -Wärme leicht verdorben werden kann, bedienen sich gegenwärtig zu -diesem Zwecke des kochenden Wassers. Nach überstandener Ablösung des -Schildkrots gibt man die Karettschildkröte wieder frei und läßt sie dem -Meere zulaufen, da man glaubt, daß sich das Patt wieder erzeugt.</p> - -<p>Das Schildpatt übertrifft nicht nur an Schönheit und Güte jede andere -Hornmasse, sondern läßt sich auch leicht zusammenschweißen. Es -genügt, die einzelnen Tafeln, die ungleich dick und spröde sind, in -siedendheißes Wasser zu tauchen und sie dann zwischen Metallwalzen zu -pressen. Bei hinreichendem Druck haften sie so fest aneinander, daß man -die einzelnen Teile nicht mehr unterscheiden kann, behalten dabei auch, -nachdem sie langsam erhärtet sind, jede ihnen im erweichten Zustande -beigebrachte Form vollkommen bei und eignen sich somit vortrefflich -zur Herstellung von Dosen und Kämmen. Selbst die Abfälle können noch -gut benutzt werden, da man mit ihnen die Vertiefungen zwischen<span class="pagenum"><a id="Seite_698"></a>[S. 698]</span> den -einzelnen Tafeln ausfüllt und sie wieder in der Wärme so lange preßt, -bis sie sich mit jenen innig verbunden haben.</p> - -<p>Dieses Schildpatt wurde schon im hohen Altertum zur Herstellung von -allerlei kostbaren Schmuckgegenständen verwendet. So sagt Seneca, der -Erzieher Kaiser Neros: „Die Schale der Schildkröte, dieses scheußlichen -und über alle Maßen faulen Tieres, wird mit großer Kunst und Sorgfalt -bearbeitet, durch allerlei Mittelchen bunt gefärbt und zu ungeheueren -Preisen gekauft.“ Und Plinius schreibt in seiner Naturgeschichte: -„Carvilius Pollio, ein verschwenderischer und in Gegenständen des -Luxus erfinderischer Mann, hat zuerst die Schalen der Schildkröten -zerschneiden und mit den Platten Betten und Präsentierteller überziehen -lassen.“ Auch Ovid, Vergil, Martial, Juvenal und Lucanus erwähnen das -Schildpatt, von dem Julius Capitolinus speziell berichtet, daß in Rom -kaiserliche Prinzen in damit ausgelegten Badewannen gebadet wurden. -In der Renaissancezeit wurden damit besonders kunstvolle Einlagen in -wertvolle Möbel erzeugt. Erst in der Neuzeit sind Dosen und Kämme -daraus verfertigt worden. Jetzt wird es sehr viel, wie das teure -Elfenbein, in billigem Celloidin nachgeahmt.</p> - -<p>Verwandt mit der Karettschildkröte ist die viel größere -<em class="gesperrt">Suppenschildkröte</em> (<span class="antiqua">Chelone viridis</span>), die bei den -Feinschmeckern in hohen Ehren steht. Dieses im Stillen, im Indischen -und im Atlantischen Ozean, selten als Irrgast auch im Mittelmeer -auftretende, 2 <span class="antiqua">m</span> lang und 500 <span class="antiqua">kg</span> schwer werdende Tier -lebt vorwiegend von Pflanzen, namentlich von Seetang, und wird von -Westindien aus lebend auf den europäischen Markt gebracht. Im Meere -schwimmt es mit solcher Kraft, daß es sich ungefährdet in die stärkste -Brandung wagen darf. Nur zum Eierlegen verlassen die weiblichen -Suppenschildkröten das hohe Meer und steuern bestimmten, altgewohnten, -von Menschen nicht bewohnten Plätzen mit sandigem Ufer zu, um dort -nachts ihre Eier lose in den Sand zu vergraben. Dabei lassen sie sich -von den Menschen leicht erbeuten. Doch muß er sich ganz leise an -sie heranschleichen, da das ungemein argwöhnische und trotz seines -stumpfsinnigen Benehmens mit sehr scharfen Sinnen ausgestattete Tier -beim geringsten Verdacht schleunigst dem Meere zustrebt und, wenn -es das Wasser auch nur mit den Vorderflossen erreicht hat, selbst -durch die vereinte Kraft mehrerer Männer nicht mehr zurückgehalten -zu werden vermag. Ist es weit genug vom rettenden Wasser entfernt, -so muß man versuchen, den mit seinen riesigen Ruderfüßen wütend um -sich schlagenden Koloß auf den Rücken zu werfen, wozu ein einzelner -Mensch manchmal nicht stark genug ist.<span class="pagenum"><a id="Seite_699"></a>[S. 699]</span> Auf dem Rücken liegend ist die -Schildkröte völlig wehrlos und endgültig in die Gewalt des Menschen -gegeben. Am folgenden Morgen werden die Gefangenen in eigens für sie -bereitete Behälter mit Seewasser oder auf die Schiffe gebracht. In der -Gefangenschaft fressen sie kaum, magern deshalb rasch ab und verlieren -ihren Wert. Auf dem Verdeck der Schiffe werden sie auf dem Rücken -liegend mit Stricken befestigt, ein Tuch über sie gebreitet und dieses -so oft mit Seewasser begossen, daß es beständig naß oder wenigstens -feucht bleibt. In den europäischen Seestädten hält man sie in großen -Kübeln, die alle 2 bis 3 Tage einmal mit Wasser gefüllt werden, -schlachtet sie dann, indem man ihnen den Kopf abhackt, und hängt sie -1–2 Tage so auf, daß alles Blut ablaufen kann. Erst dann hält man das -Fleisch geeignet zur Bereitung von köstlichen Suppen.</p> - -<p>Die Indianer Südamerikas töten diese und andere Meerschildkröten -des Öles wegen, das in ihrem Fleische enthalten ist, kochen es -aus und sammeln die zahlreichen Eier, die im Sande oder noch im -Leibe des Tieres enthalten sind, in großen Körben, um sie zu Hause -zu verzehren. Die Eier mehrerer, die südamerikanischen Flüsse -bewohnender <em class="gesperrt">Halswenderschildkröten</em> (<span class="antiqua">Pleurodira</span>) sind -für manche Indianerstämme von größtem Nutzen. Am berühmtesten wurde -aber durch die farbenreiche Schilderung Alexanders von Humboldt -die im ganzen tropischen Südamerika östlich der Anden lebenden -<em class="gesperrt">Arrauschildkröte</em> (<span class="antiqua">Podocnemis expansa</span>), ein Tier von -77 <span class="antiqua">cm</span> Panzerlänge und einem Gewicht von 20–25 <span class="antiqua">kg</span>. Zur -Zeit des niedrigsten Wasserstandes der von ihr bewohnten Flüsse, -zu Anfang März, kommt diese Schildkröte alljährlich an die von ihr -zur Eiablage bevorzugten sandigen Ufer und Inseln und genügt ihrem -Fortpflanzungstrieb. Hier wird sie teilweise von den in großer Menge -zur Ernte herbeieilenden Indianern erlegt; zum weitaus größten Teile -läßt man sie unbehelligt ihre taubeneigroßen, mit ziemlich dicker -Pergamentschale versehenen Eier ablegen, um diese zu erbeuten. Die -betreffenden sandigen Ufer sind dann durchschnittlich 1 <span class="antiqua">m</span> -tief damit gefüllt. Sie werden von den Indianern mit den Händen -ausgegraben, in Körben ins benachbarte Lager getragen und in große, -mit Wasser gefüllte hölzerne Tröge geworfen. In diesen werden sie mit -Holzschaufeln zerdrückt, umgerührt und der Sonne ausgesetzt, bis der -obenauf schwimmende ölige Teil, das Eigelb, dick geworden ist. Das Öl -wird dann abgeschöpft und über starkem Feuer gekocht. Gut zubereitet -ist es farblos mit einem Stich ins Gelbliche, geruchlos, um so besser -haltbar, je stärker es gekocht wurde und dient als sehr ge<span class="pagenum"><a id="Seite_700"></a>[S. 700]</span>schätztes -Speisefett. Da es meist recht unreinlich gewonnen wird und teilweise -ausgebildete und dann in der Weiterentwicklung gehemmte Keime enthält, -die verfaulen, besitzt es in der Regel einen fauligen Geschmack, der -aber der Wertschätzung von seiten der Indianer keinen Eintrag tut.</p> - -<p>Begreiflicherweise ist keine Schildkröte in engere Beziehungen zum -Menschen getreten. Dagegen ist dies mit einigen anderen Reptilien -der Fall, vor allem mit einigen Schlangen, die der Mensch teils -aus heiliger Scheu wegen ihres überaus giftigen Bisses, teils aus -praktischen Gründen, weil sie ihm bei der Bekämpfung der seinen -Vorräten schädlichen Mäuse und Ratten gute Dienste leisten, in -Kultpflege nahm. Bei manchen Volksstämmen Indiens und Afrikas sind -verschiedene gefürchtete Giftschlangen geradezu heilige Tiere, denen -regelmäßig Opfer von Milch dargebracht werden. Dies war schon im -Altertum der Fall, wo beispielsweise in Ägypten die überaus giftige -<em class="gesperrt">Hornviper</em> (<span class="antiqua">Cerastes cornutus</span>), ein typischer sandfarbener -Wüstenbewohner, als heiliges Tier in einigen Tempeln gehalten und vom -Menschen gefüttert wurde. Gleicherweise geschah es im alten Athen -mit der ungiftigen <em class="gesperrt">Natter</em>, von welcher der Geschichtschreiber -Herodot erzählt: „Die Athener sagen, als Schutzgeist wohne in ihrer -Burg im Tempel der Athene eine große Schlange, und diese füttern sie -alljährlich mit einem Honigkuchen. Als nun die Perser die Stadt mit -Heeresmacht bedrohten, verkündete die Priesterin der Pallas, diesmal -sei der sonst immer verzehrte Honigkuchen unberührt geblieben. Hieraus -schlossen nun die Athener, die Göttin habe die Stadt verlassen; sie -faßten demnach alsbald den Entschluß, ein Gleiches zu tun, schafften -ihre Habe fort und begaben sich auf die Schiffe.“ Die Rolle, welche die -harmlose <em class="gesperrt">Äskulapnatter</em> (<span class="antiqua">Coluber aesculapi</span>) als heiliges -Tier des Heilgottes Asklepios an dessen Heiligtümern in Griechenland -und später, als sein Dienst bei Gelegenheit einer schweren, drei Jahre -die Stadt heimsuchenden Seuche nach Rom überpflanzt wurde, im ganzen -römischen Reiche spielte, ist zu bekannt, als daß hier näher darauf -eingetreten zu werden brauchte. Diese zutrauliche Schlange wurde auch -sonst in römischen Haushaltungen als guter Geist und Mäusefängerin -gehalten und mit Milch gefüttert, so wie heute überall in Brasilien -halbzahme ungiftige Hausschlangen an Stelle der Katzen zur Befreiung -der Häuser von der lästigen Mäuseplage gehalten werden. Unter diesen -ist die beliebteste eine Giboea genannte kleine Art Boa von etwa 4 -<span class="antiqua">m</span> Länge und der Dicke eines Arms. Diese wird z. B. auf<span class="pagenum"><a id="Seite_701"></a>[S. 701]</span> den -Märkten von Rio de Janeiro, Pernambuco und Bahia für 4 bis 5 Mark -verkauft und findet stets Abnehmer. Die Schlange liegt den ganzen Tag -schläfrig im Hausflur; erst bei Eintritt der Nacht beginnt sie ihre -Jagd, gleitet geräuschlos den Mauern entlang und schnellt geschwind wie -der Blitz auf eine Maus oder Ratte zu, die sie mit tödlicher Sicherheit -ergreift. Sie begnügt sich aber nicht mit einem Fraß, sondern tötet die -schädlichen Nager massenhaft aus bloßer Mordlust. Ihrem Herrn gegenüber -wird sie vollständig zahm und bekundet große Anhänglichkeit an das -Haus, das sie fast niemals verläßt, so daß eine gute Hausschlange für -den Besitzer ein wahrer Schatz ist.</p> - -<p>Von den Reptilien sind sonst einzig noch die <em class="gesperrt">Alligatoren</em> zu -halben Haustieren erhoben worden, und zwar weil ihre Haut ein zur Mode -gewordenes geschätztes Luxusleder, ihre Zähne einen beliebten Schmuck -liefern und winzige Alligatorbabies nebst mit Edelsteinen gezierten -kleinen Schildkröten, die gleicherweise als lebende Broschen getragen -werden, die „Lieblingstiere“ der extravaganten reichen Amerikanerinnen -geworden sind. Um nun diese durch die zunehmende Besiedelung immer -seltener werdenden Tiere leichter erlangen zu können, haben findige -Yankees begonnen, sie zu züchten. So gibt es in den Vereinigten -Staaten, besonders in Kalifornien, eigentliche Alligatorenfarmen, in -denen diese gefürchteten Saurier in besonderen Gehegen gehalten werden. -Um sich vor Schaden zu schützen, legt der Farmer den bösartigsten -dieser in Pflege genommenen Echsen einen regelrechten Maulkorb an. -Im Monat Juli scharren sich die Weibchen aus Riedgras und Reisig ein -primitives Nest zusammen und legen 30–40 längliche Eier hinein. Ist -dies geschehen, so bedecken sie dieselben sorgfältig mit demselben -Material und überlassen der Sonne das Ausbrüten ihrer Nachkommenschaft. -Der Farmer aber entnimmt den Nestern alsbald die meisten Eier, um -sie einem Brutapparat anzuvertrauen. Darin werden die Eier bei einer -Temperatur von 70° <span class="antiqua">C.</span> unter täglicher Anfeuchtung in etwa 60 -Tagen ausgebrütet. Haben die Jungen die Eischale verlassen, so sind -sie schon eine gesuchte marktfähige Ware. Sie gedeihen ohne besondere -Pflege und werden mit Fleischabfällen gefüttert. Ihr Wachstum geht -außerordentlich langsam vor sich. So hat ein zwei Fuß langes Tier ein -Alter von annähernd zehn Jahren, während ein zwölf Fuß langes oft -das stattliche Alter von hundert Jahren aufzuweisen hat. Die großen -Exemplare sind für Menagerien und zoologische Gärten sehr begehrt.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_702"></a>[S. 702]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XXVIII_Die_Transpender">XXVIII. Die Transpender.</h2> - -</div> - -<p>Das Tier war dem Menschen der älteste Fettlieferant, den später -mit dem Aufkommen des Hackbaues und dem Anpflanzen gewisser Öl in -ihren fettreichen Samen liefernder Pflanzen das vegetabilische Fett -wenigstens bei den Kulturvölkern mehr und mehr verdrängte. Gleichwohl -nimmt auch der gesittete Kulturmensch gern die Fettquellen des -Tierreichs in Anspruch, um seinem gesteigerten Bedarf nach solchen -Genüge zu tun. Unter diesen sind die Transpender die wichtigsten. Es -sind dies alles dem Leben im Wasser angepaßte Raubtiere, teilweise -geistig sehr hochstehende warmblütige Säugetiere, deren Körper zur -Aufrechterhaltung der bedeutenden Eigenwärme in dem sehr viel besser -als die Luft die Wärme leitenden nassen Element eine dicke Schicht -eines schlechten Wärmeleiters umgibt. Diese warmhaltende Fettumhüllung -in Form einer massenhaften Ansammlung von im Lebendzustande flüssigem -Fett im Zellgewebe vermindert zugleich das bedeutende Gewicht der meist -eine gewaltige Größe erreichenden Tiere, läßt sie dementsprechend -leichter in der salzigen Flut schwimmen und hilft zugleich den riesigen -Wasserdruck bzw. die Schwankungen desselben beim raschen Hinabtauchen -in große Tiefen und Wiederauftauchen ohne Schaden ertragen. Und je -nördlicher das Wohngebiet der betreffenden Tierart sich erstreckt, je -größer also die Wärmeabgabe im eisigen Meerwasser ist, um so mächtigere -Fettschichten sammelt das betreffende Tier um sich an.</p> - -<p>Die gesuchtesten, weil ausgiebigsten Fettspender sind die heute nur -noch im hohen Norden in einiger Zahl vorkommenden <em class="gesperrt">Wale</em>, die man -nach ihrem Gebiß in <em class="gesperrt">Zahn-</em> und <em class="gesperrt">Bartenwale</em> einteilt. Beide -Arten von Tieren sind Räuber, die ausschließlich von tierischer Beute -sich ernähren. Während aber die Zahnwale auch größere Tiere, besonders -Tintenfische und Fische in teilweise größerer Meerestiefe erbeuten -und fressen, ernähren sich die nur in ihrer Jugend rudimentäre<span class="pagenum"><a id="Seite_703"></a>[S. 703]</span> -Zähne aufweisenden und später kammartig von den Rändern des Gaumens -herabhängende Barten aus <em class="gesperrt">Fischbein</em> ausbildenden Bartenwale von -winzigen pelagischen Weichtieren, meist Flügelschnecken, die sie zu -Tausenden mit jedem Schluck Meerwasser in die Mundhöhle aufnehmen. -Beim Schließen und Zusammendrücken der Mundhöhle fließt das Wasser -durch das Nachobenpressen der gewaltigen Zunge seitwärts durch die -feinen Lücken des Fischbeinsiebes in Gestalt der Barten ab, während die -kleinen Weichtiere zurückbleiben und durch den engen Schlund in den -Magen und Darmkanal zur Verdauung und Assimilation aufgenommen werden. -Diese Fischbeinsiebe sind bei manchen Walen nur wenige Dezimeter, bei -vielen aber auch 4–5 <span class="antiqua">m</span> lang und ebensoviele Dezimeter breit. Das -Fischbein von Walen der besten Art wiegt zuweilen 1500 <span class="antiqua">kg</span>, ist -für die Industrie außerordentlich wertvoll und kann für manche Zwecke -kaum durch einen andern Stoff ersetzt werden; von anderen Arten aber -ist es so kurz, schlecht und brüchig, daß es nur einen niedrigen Preis -erzielt. Diese letzteren, die schon für 1 Mark das Kilogramm zu haben -sind, bilden nicht den Gegenstand des eigentlichen Fischbeinhandels, -der ausschließlich mit den Barten der rückenfinnenlosen Glattwale -sich beschäftigt. Diese nennt man deshalb auch die Rechtwale (engl. -<span class="antiqua">right whales</span>), und zwar unterscheidet man als die besten die -„Polarbarten“ des Grönlandwals, dann die an Güte nächstfolgenden -„Nordwestbarten“ des Japanwals und endlich die „Südseebarten“ des -Südpolarwals, deren Verwendung im eigenen Lande der Weltmarkt den -Japanern und Australiern um so weniger streitig macht, als sie kleiner -und weniger elastisch sind als jene. Für die Damenkonfektion und die -Peitschenindustrie, wofür das Fischbein heute noch unersetzlich ist, -werden die Fischbeinlamellen in großen Dampfkesseln erhitzt und dann -nach Entfernung der minderwertigen Außenteile von Reißern genannten -Arbeiten dem Fasernwuchs entsprechend der Länge nach gespalten. Diese -Stangen werden von Arbeiterinnen weitergespalten, auf rotierenden -Filzscheiben poliert und grosweise zum Versand fertiggemacht. Mit der -zunehmenden Abnahme der Wale ist das Fischbein außerordentlich teuer -geworden, so daß es schon heute einen kostbaren Artikel darstellt.</p> - -<p>Die Wale sind ins Wasser gegangene und dementsprechend umgestaltete -Huftiere, wie die Seekühe ins Wasser gegangene Elefantenverwandte -und die Robben ins Wasser gegangene Raubtiere sind. Im Gegensatz zu -den durch Kiemen atmenden Fischen haben die durch Lungen atmenden -Wale als mächtiges Auftriebswerkzeug zum regel<span class="pagenum"><a id="Seite_704"></a>[S. 704]</span>mäßigen Emporsteigen -an die Oberfläche des Wassers zum Luftatmen eine wagrechtstehende -Schwanzflosse ausgebildet und fehlt bei ihnen, weil als Wärmeschutz -des Körpers überflüssig, das bis auf wenige Borsten an Kinn und -Oberlippe aufgegebene Haarkleid der Säugetiere. Zur raschen Bewegung -im Wasser wurde der Hals unterdrückt und wurden die sieben Halswirbel -zu schmalen, platten Scheiben zusammengepreßt, die vielfach noch -untereinander verwachsen sind. Vom Schultergürtel ist nur noch das -Schulterblatt vorhanden, während die vorderen Gliedmaßen mit einer -Überzahl von Fingern zu Steuerflossen verändert wurden. Von den -hinteren Gliedmaßen sind nur noch im Fleisch verborgene Rudimente -vorhanden. Die markhöhlenlosen Knochen sind mit Fett erfüllt. Am -Schädel ist der Hirnteil ausnehmend klein, doch ist die Intelligenz -der Wale nicht so gering, wie man vermuten könnte. Die Sinnesorgane -sind nicht besonders entwickelt, das Gesicht ist schlecht, das Gehör -ziemlich gut, der Geruch vollkommen fehlend. Die auf dem höchsten -Teile des Kopfes ausmündende Nase ist nur ein Luftkanal, der -unten in den fest verschließbaren Kehlkopf mündet und die während -des langen Schwimmens unter Wasser in den Lungen zurückgehaltene -körperwarme Atmungsluft mit großer Gewalt nach außen schleudert. Diese -ist mit Feuchtigkeit gesättigt und verdichtet sich in der kalten -Atmosphäre der nordischen Meere zu einer Art Dampfstrahl. Das ist -das sogenannte „Spritzen“ der Wale. Der mehrfache Magen deutet auf -Huftierverwandtschaft. Das Blutgefäßsystem zeichnet sich durch häufige -Auflösung der größeren Blutgefäße in sogenannte Wundernetze aus, die -offenbar den chemischen Atmungsprozeß, d. h. die Abgabe von Sauerstoff -und Aufnahme von Kohlensäure seitens des Blutes, verlangsamen und -so den Tieren langes Anhalten des Atems und damit langes Tauchen -ermöglichen. Besonders an Herz- und Lungenschlagader finden sich -sackförmige Blutbehälter, in welchen sich sowohl arterielles als -venöses Blut ansammeln kann. So können große Wale 10–20 Minuten, bei -Verfolgung sogar bis eine Stunde unter Wasser bleiben. Die Brutpflege -ist dem Wasserleben angepaßt. Die Milchdrüsen liegen in Vertiefungen -zu beiden Seiten der Geschlechtsöffnung und die Milch wird dem Jungen, -das meist in einer wenig tiefen Bucht sehr hoch entwickelt geboren -wird und sogleich der Mutter folgt, durch den Druck eines besonderen -Muskels ins Maul gespritzt, sobald es dieses in die erwähnte Vertiefung -hineinstreckt. Wie die Tragzeit bei den größeren Arten bis auf zwei -Jahre geht, ist die Säugezeit auf mindestens ein Jahr anzunehmen. Dabei -wird das Junge von<span class="pagenum"><a id="Seite_705"></a>[S. 705]</span> der um es sehr besorgten Mutter unter Nichtachtung -ihres eigenen Lebens verteidigt.</p> - -<p>Die Wale kommen in allen Meeren vor, leben gesellig in sogenannten -„Schulen“ und machen, ihrer Lieblingsbeute nachziehend, weite -Wanderungen. Während sie früher nicht selten waren, sind sie heute -nur noch in geringen Resten vorhanden, was jeder Naturfreund in hohem -Maße bedauern muß. Allerdings werden nicht alle Walarten gewerbsmäßig -verfolgt, sondern nur alle diejenigen, bei denen der Wert der Ausbeute -die Gefahr und Mühe des Fangens und die Kosten der Ausrüstung aufwiegt. -Nur beim Küstenfang, der bloß gelegentlich betrieben wird, und zwar -wenn eben Wale an den Küsten erscheinen, ist man nicht besonders -wählerisch; dann muß die Masse es bringen, wie man zu sagen pflegt. -Dabei werden auch kleinere Walarten oft zu Hunderten vermittelst Booten -in seichte Buchten getrieben und dort jämmerlich abgeschlachtet. Den -Menschen kommt hierbei zustatten, daß die Wale sich leicht durch den -Lärm anrückender Boote aufscheuchen und sich in ihrer Verwirrung auf -den Strand treiben lassen. Brechen aber erst einige durch die Linie der -Boote hindurch, so folgt ihnen unaufhaltsam in geschlossener Masse die -ganze Schule und die Menschen haben das Nachsehen. Große Wale dagegen -kommen selten der Küste so nahe, daß sie sich auf den Strand treiben -lassen; sie müssen kunstgerecht verfolgt und erlegt werden, was früher -mit Harpunen geschah, jetzt aber mit aus kleinen Kanonen gefeuerten -Granaten mit Widerhaken an etwa 700 <span class="antiqua">m</span> langem, glatt geöltem, -ungemein leicht ablaufendem Tau geschieht. Sobald das aus der kleinen, -beweglichen Harpunenkanone gefeuerte Stahlgeschoß tief in den Körper -des Wales gedrungen ist, explodiert es daselbst, wobei ein zweiter -dumpfklingender Schuß ertönt. Dies tötet den Wal meist augenblicklich. -Sollte dies nicht der Fall sein und der Wal zu entfliehen versuchen, -so spreizen sich beim Anziehen des Harpunentaues die beweglichen -Widerhaken der Granate und halten ihn am leicht ablaufenden Taue fest. -Vom Blutverlust und vom Ziehen des schweren Schiffes ermattet der Wal -bald, stirbt und wird an Bord gezogen, um schon hier oder später am -Lande zerlegt zu werden. Im ersteren Falle wird der Körper durch eine -starke, vom Vordersteven aus um die Schwanzwurzel geschlungene Kette -längsseit mit dem Kopf nach hinten festgelegt und die Speckhülle in -Längsstreifen abgelöst, wobei ein Teil der Mannschaft von einem vom -Bord herabgelassenen Hängegerüst aus mit scharfen, langgestielten -Spaten arbeitet. Ein anderer Teil schneidet<span class="pagenum"><a id="Seite_706"></a>[S. 706]</span> die an Bord gehißten -Speckstreifen klein und bedient die großen Trankessel, die nur anfangs -mit Holz, später mit den Grieben des ausgelassenen Specks geheizt -werden. Der so gewonnene Tran wird in Fässer gefüllt und diese werden -dann in mehreren Lagen im Schiffsraum verstaut. Ebenso wird das -wertvolle Fischbein losgelöst und im Schiff aufgestapelt, um später zu -sehr guten Preisen verkauft zu werden.</p> - -<p>Die ersten Nachrichten über den Walfang stammen aus dem 9. Jahrhundert -von Angelsachsen und Isländern; doch beschränkte man sich damals -wesentlich auf den gelegentlichen Küstenfang. Erst seit dem 13. -Jahrhundert begannen die Basken als kühne Seefahrer besonders die -großen Bartenwale mit eigens zu diesem Zweck ausgerüsteten Schiffen bis -nach Grönland hin zu verfolgen. Als mit ihrem politischen Niedergang -auch ihre Seeschiffahrt aufhörte, traten besonders holländische, später -auch britische Walfänger an ihre Stelle und machten ungeheure Beute. -In der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts sandten die Holländer in -manchen Jahren etwa 260 Schiffe mit 14000 Seeleuten auf den Walfang -aus. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gesellten sich zu ihnen die -Engländer in namhaften Kontingenten, so daß die Zahl der Fangschiffe -in die Tausende, die der getöteten Wale in die Zehntausende und der -Gesamterlös aus diesen in die Hunderte von Millionen ging. Um auch sein -Volk an diesem großen Gewinn zu beteiligen, ließ Friedrich der Große -gegen das Ende seiner Regierungszeit ebenfalls Walfänger ausrüsten. -Doch war damals die goldene Zeit des Walfanges schon vorbei. Im 19. -Jahrhundert verringerte sich die Zahl der erbeuteten Wale dermaßen, -daß man schon in die entlegensten Gebiete des hohen Nordens und Südens -fahren mußte, um überhaupt noch Beute zu machen. Gegenwärtig sind die -Nordamerikaner die wichtigsten Waljäger, die auch die Südpolarwelt nach -den so geschätzten Tranlieferanten absuchen und noch einigermaßen gute -Geschäfte machen, bis auch ihnen einmal durch gänzliche Ausrottung -dieser Meeresriesen das Geschäft unmöglich gemacht wird.</p> - -<p>Unter allen Walen ist der 18–20 <span class="antiqua">m</span> lang werdende, schwarz -gefärbte <em class="gesperrt">Grönlandwal</em> (<span class="antiqua">Balaena mysticetus</span>) einer der -gesuchtesten, da er 130–200, manchmal sogar 280 Faß Tran und 500–1500 -<span class="antiqua">kg</span> dunkles Fischbein in mehr als 380 in der Mitte 3–4 <span class="antiqua">m</span> -lang werdenden Platten liefert. Letztere sind sehr geschätzt und -kosteten schon 1881 22000 Mark die 1000 <span class="antiqua">kg</span>, heute aber über -56000 Mark. Je nach der Größe repräsentiert dieser Wal einen Wert von -20000 bis 40000 Mark, so daß man begreift, daß er ein sehr gesuchtes<span class="pagenum"><a id="Seite_707"></a>[S. 707]</span> -Beutetier ist. Er schwimmt in kleinen Gesellschaften den seine Nahrung -bildenden Ruderschnecken des Nordens nach, sammelt sich im Herbst -in größeren Schulen, um nach Süden zu ziehen, wo er den Winter über -verbleibt. Nach der Schätzung Sachkundiger legt er beim gewöhnlichen -Schwimmen durchschnittlich 8 <span class="antiqua">km</span> in der Stunde zurück, kann sich -aber bei Verwundung mit mehr als doppelter Geschwindigkeit fortbewegen. -Verwundet bleibt er bis zu 50 Minuten lang unter Wasser, während er -sonst alle 12–15 Minuten zum Atemholen an die Oberfläche kommt. So -plump auch sein Leib erscheint, so rasch und geschickt sind seine -Bewegungen. Von Natur ist er sehr friedfertig, ja äußerst furchtsam, so -daß er die Boote seiner Verfolger nie angreift. Im Frühjahr bringt das -Weibchen nach einer Tragzeit von 14 Monaten ein einziges, selten zwei -Junge zur Welt, die ein Jahr lang gesäugt werden, wobei sich die Alte -etwas zur Seite neigt, um ihnen die Zitze darzubieten. Das Wachstum -geht sehr rasch vor sich, so daß das Junge bereits während der Saugzeit -eine Länge von 6 <span class="antiqua">m</span> bei einem Umfange von 4 <span class="antiqua">m</span> und ein -Gewicht von 6000 <span class="antiqua">kg</span> erreicht.</p> - -<p>Im nördlichen Stillen Ozean ist der wichtigste Bartenwal der -<em class="gesperrt">Grauwal</em> (<span class="antiqua">Rhachianectes glaucus</span>), der im männlichen -Geschlecht 11–13, im weiblichen 12–14 <span class="antiqua">m</span> lang wird, oben -bläulichgrau, unten fast weiß ist und nur 45 <span class="antiqua">cm</span> lange, spröde -gelbe Barten besitzt. Auch er ist infolge der eifrigen Verfolgung sehr -selten geworden, so daß er in Gefahr schwebt, ausgerottet zu werden. -Der einst auch im Norden sowohl des Stillen als des Atlantischen -Ozeans verbreitete <em class="gesperrt">Südwal</em> (<span class="antiqua">Balaena australis</span>) kommt im -eigentlichen südlichen Eismeer nicht mehr vor. Er war der wichtigste -Transpender der baskischen Walfänger, bis er zu Ende des 16. -Jahrhunderts bei uns so selten geworden war, daß diese sich dem Fange -des wertvolleren Grönlandwales zuwandten.</p> - -<p>Weit öfter als diese und besonders der Grönlandwal wird der plumpe -<em class="gesperrt">Buckelwal</em> (<span class="antiqua">Megaptera longimana</span>) in Schulen angetroffen. -Dieser oben schwarze, unten aber dunkelaschfarbene Wal von bis 15 -<span class="antiqua">m</span> Länge, mit kurzen, breiten Barten, die grob sind und wenig -federn, kommt zu beiden Seiten des Äquators bis zum nördlichen und -südlichen Eismeer vor und hat seinen Namen von einer buckelartigen -Erhebung auf dem hinteren Teil des Rückens, die eine kleine -Rückenflosse trägt. Die bis 4,3 <span class="antiqua">m</span> langen Brustflossen haben -ihm den Namen Langflossenwal eingetragen. Er bewegt sich meist sehr -lebhaft, wird aber nicht selten an ruhigen, sonnigen Tagen schlafend an -der spiegelnden Meeresoberfläche angetroffen. Das Buckelwalweibchen<span class="pagenum"><a id="Seite_708"></a>[S. 708]</span> -wirft oft zwei Junge und hat, auch wenn es nur eines besitzt, nach der -langen Säugezeit kaum mehr Speck. Überhaupt liefert mancher Buckelwal -nur 8–10 Faß Tran, während fette deren bis 75 Faß liefern.</p> - -<p>Weit größere Kehlhautfurchen als die Buckelwale besitzen die -<em class="gesperrt">Finnwale</em>, Tiere, die ihren Namen von einer kleinen, -sichelförmigen, weit hinten auf dem Rücken stehenden Rückenfinne oder -Rückenflosse haben. Diese schlanken Tiere mit flachem, zugespitztem, -<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">5</span></span>–<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">4</span></span> der Gesamtlänge einnehmendem Kopf haben nur kleine, schmale, -bloß vier Finger in sich bergende Brustflossen und kurze Barten mit -grobem Fischbein. Die Mitglieder der in allen Meeren vertretenen -Gattung waren früher, solange die echten Wale noch häufiger waren, -weniger zahlreichen Verfolgungen durch Walfänger ausgesetzt, da sie -sich schneller bewegen und schwerer zu töten sind, zudem weniger -Speck und nur ein schlechtes Fischbein liefern. Auf der Nordhalbkugel -leben vier Arten, nämlich der selten über 20 <span class="antiqua">m</span>, meist nur -18–19,5 <span class="antiqua">m</span> lange <em class="gesperrt">gemeine Finnwal</em> oder <em class="gesperrt">Rorqual</em> -(<span class="antiqua">Balaenoptera musculus</span>), der oben schiefergrau und unten weiß -gefärbt ist und wie der vorige hauptsächlich Fische frißt. Er wird -nicht selten in Scharen von 10–20 Stück angetroffen, spielt gern um -fahrende Schiffe herum und wird im Schwimmen an Geschwindigkeit und -Kraft nur vom <em class="gesperrt">Riesenfinnwal</em> (<span class="antiqua">B. sibbaldi</span>) übertroffen, -der bis zu 26 <span class="antiqua">m</span> lang wird und bei dieser Länge etwa 90 Fässer -Tran liefert. Er besitzt lange Kiefer und große Brustflossen, -entwickelt mit seiner mächtigen Schwanzflosse eine unvergleichliche -Kraft und treibt beim Ausatmen seinen wasserdampfgesättigten Hauch -höher als die anderen Walarten. Schiffen folgt er manchmal auf weite -Entfernungen, ist aber weniger kühn als der gemeine Finnwal. Im -Frühling zieht er nordwärts und im Herbst südwärts.</p> - -<p>Nicht wie diese von Fischen, sondern ausschließlich von kleinen -Krebsen lebt <em class="gesperrt">Rudolphi’s Finnwal</em> (<span class="antiqua">B. borealis</span>), der bis -16 <span class="antiqua">m</span> lang wird und auf bläulichschwarzem Grunde längliche -weiße Flecken aufweist. Er atmet geräuschloser als seine Artgenossen -und macht beim Auftauchen statt 5–6 Atemzügen deren nur 1–2. Auch er -wird eifrig verfolgt, obschon er nur halb so viel wert ist als der -gemeine Finnwal, nämlich nur etwa 700 Mark, und bloß 15–30 Fässer -Tran liefert. Der kleinste Finnwal ist der durch seine zugespitzte -Schnauze ausgezeichnete <em class="gesperrt">Schnabelwal</em> (<span class="antiqua">B. rostrata</span>), der -selten über 10 <span class="antiqua">m</span> lang wird. Er ist oben grauschwarz, unten weiß -und hat nahezu weißes Fischbein. Er wird in den nördlichen Meeren -beider Erdhälften noch ziemlich häufig gefunden,<span class="pagenum"><a id="Seite_709"></a>[S. 709]</span> fühlt sich ganz -wohl zwischen Eisschollen und wird meist allein, selten paarweise -angetroffen. Er besucht gern die Fjorde und Buchten Norwegens, in denen -er mit Netzen gefangen und daraufhin mit Speeren getötet wird.</p> - -<p>Zu den Zahnwalen gehört als deren von den Walfängern gesuchtester -Vertreter der über alle wärmeren Meere verbreitete, im nördlichen -oder südlichen Eismeer fehlende <em class="gesperrt">Potwal</em> (<span class="antiqua">Physeter -macrocephalus</span>). An Größe steht er nur einigen der längsten -Bartenwale nach. Die Männchen erreichen 17–18 <span class="antiqua">m</span> Länge, während -die schlankeren Weibchen bedeutend kleiner bleiben. Früher sollen -gelegentlich Männchen von 24 m Länge gefangen worden sein, die bis -100–120 Fässer Tran lieferten. Außer diesem gewinnt man von ihm -noch das sogenannte Walrat oder Spermaceti, ein wasserhelles Öl, -das sich vornehmlich im Kopfe des Tieres, dann in einer bis zum -Schwanze verlaufenden Röhre und in vielen kleinen, in Fleisch und Fett -zerstreuten Säckchen gefunden wird, in der Kälte gerinnt und dann eine -weiße Färbung annimmt. Das grobfaserige Fleisch wird von vielen dicken -Sehnen durchflochten. Der große Rachen geht fast bis zum Auge und trägt -eine Reihe wurzelloser, kegelförmiger Zähne von wechselnder Zahl, -weil manche ausfallen und im höheren Alter nicht mehr ersetzt werden. -Die Zunge ist mit ihrer ganzen Unterseite am Grunde des Unterkiefers -festgewachsen; der Magen ist vierteilig. Gewöhnlich trifft man den -Potwal in Gesellschaften an, die 20–30 Stück verschiedenen Alters -und Geschlechts unter Anführung von alten Männchen vereinigen. Gern -treibt er sich in der Nähe von Steilküsten umher, meidet aber ängstlich -die ihm so gefährlichen Untiefen, obwohl er auch dort gelegentlich -angetroffen wird. Beim ruhigen Schwimmen gleitet er leicht unter der -Oberfläche dahin, bei schnellerem dagegen schlägt er so heftig mit dem -Schwanz auf und nieder, daß sein Kopf bald tief untersinkt, bald hoch -emportaucht. Gar nicht selten stellt er sich senkrecht ins Wasser, -was andere Wale kaum je tun. Er soll in einer Stunde 20–24 <span class="antiqua">km</span> -weit schwimmen können. Seine Hauptnahrung bilden große, in ziemlicher -Tiefe lebende Kopffüßler, die wir teilweise nur aus Potfischmägen -kennen. Von diesen Tintenfischen bildet sich in seinen Gedärmen eine -immer eine Anzahl von Krakenschnäbeln aufweisende wachsartige, leichte -Masse von verschiedener Färbung, die einen höchst angenehmen Geruch -besitzt, durch Kochen sich in ein Öl umwandeln und bei großer Hitze -verflüchtigen läßt. Es ist dies der einst als Arznei sehr gesuchte -Amber, der heute nur noch in der Par<span class="pagenum"><a id="Seite_710"></a>[S. 710]</span>fümerie eine große Rolle spielt. -Viel häufiger als aus dem Leibe des Potwals gewinnt man ihn durch -Auffischen im Meere, wo man ihn in oft sehr großen Klumpen von bis -90 <span class="antiqua">kg</span> Gewicht antrifft. Außer Tran, Walrat und Amber finden -auch die Zähne des Potwals Verwendung. Sie sind zwar im Innern etwas -gelblich, doch sehr fest und dienen zur Herstellung von Knöpfen und -Spielmarken. 1 <span class="antiqua">kg</span> derselben wird mit 5–8 Mark bezahlt.</p> - -<p>Bei der Vielseitigkeit seiner Nutzstoffe ist es kein Wunder, daß -diesem Ungeheuer schon lange eifrig nachgestellt wird, obschon er -der wehrhafteste aller Wale ist und verwundet ohne Scheu die größten -Schiffe angreift, auch nicht selten kleinere Segler und Kutter zum -Kentern bringt und die Menschen durch seinen ungestümen Angriff -gefährdet. Im vergangenen Jahrhundert haben ihn besonders Engländer und -dann Amerikaner im Stillen Ozean verfolgt und große Reichtümer durch -ihn gewonnen, da ein ausgewachsenes Männchen Stoffe im Werte von bis -zu 20000 Mark liefert. Seit zwei Menschenaltern aber ist der Ertrag -des Potwalfanges bedeutend zurückgegangen, weil er bei der jetzigen -Seltenheit des Tieres kaum mehr lohnt. Sein Tran wird teuerer bezahlt -als anderer Walfischtran. Von ihm gibt es mehrere Abarten. Alle sind so -sehr dem Leben auf hoher See angepaßt, daß sie in der Nähe der Küste -häufig hilflos werden und stranden.</p> - -<p>Hierin stimmen mit den Potwalen die verschiedenen <em class="gesperrt">Entenwale</em> -(<span class="antiqua">Hyperoodon</span>) überein, die der Hauptsache nach durch gestrandete -Exemplare bekannt wurden. Auch sie leben im offenen Meere und ernähren -sich von pelagischen Tintenfischen. Sie haben ihren Namen von der -schnabelartigen Form ihrer längeren oder kürzeren Schnauze, besitzen -aber im Gegensatz zu den Potwalen im Unterkiefer nur ein bis zwei Paar -Zähne, die besonders bei den Männchen sehr groß werden. Der gemeinste -von ihnen ist der im männlichen Geschlecht 9 <span class="antiqua">m</span>, im weiblichen -7,3 <span class="antiqua">m</span> lang werdende <em class="gesperrt">Dögling</em> oder <em class="gesperrt">Entenwal</em> im -engeren Sinne (<span class="antiqua">H. rostratus</span>), bei dem die beiden an der Spitze -des Unterkiefers stehenden Zähne während des Lebens vollständig im -Zahnfleisch versteckt bleiben. Dieser in der Jugend oben schwarze, mit -zunehmendem Alter aber hellbraun und zuletzt fast gelb werdende Zahnwal -ist auf den Norden des Atlantischen Ozeans beschränkt und gehört zu -den wandernden Walen, der aber nicht weit über Großbritannien hinaus -nach Süden vorzugehen scheint, da man an der Westküste von Frankreich -und Spanien noch niemals Exemplare von ihm gestrandet<span class="pagenum"><a id="Seite_711"></a>[S. 711]</span> fand, wie dies -im Herbste gewöhnlich an den Küsten des Kanals und der Nordsee der -Fall ist. Schon früh im Jahre wandert dieser Entenwal nach Norden, -um in größerer Tiefe seine größtenteils aus Tintenfischen bestehende -Nahrung zu erbeuten. Dem weiten Weg in die Nährgründe entsprechend -bleibt er sehr lange unter Wasser und atmet sehr schwer, wenn er wieder -auftaucht. Mit großer Lebendigkeit schwingt er sich gelegentlich -hoch in die Luft, um nach Artgenossen Umschau zu halten; denn, wenn -er auch meist in einzelnen, übrigens gewöhnlich noch jungen Stücken, -ausnahmsweise auch als altes Weibchen mit seinen beiden Jungen auf den -Strand gerät, trifft man ihn als geselliges Tier meist in Herden von -4–10 Stück. Sie werden manchmal von einem der allerdings häufig einzeln -lebenden erwachsenen Männchen geführt und vom Geselligkeitstrieb so -beherrscht, daß die Mitglieder einer Herde bei einem verwundeten -Genossen bleiben, bis er tot ist, so daß man bisweilen sämtliche -Mitglieder einer Herde nach und nach töten kann. Die Erbeutung des -wenig furchtsamen, dagegen, wie es scheint, sehr neugierigen Döglings -wird auch durch dessen Gewohnheit, um die Schiffe herum und darunter -hinweg zu schwimmen, sehr erleichtert; doch ist er sehr zählebig. Alte -Männchen haspeln rasch die ganze Harpunenleine ab und bleiben zuweilen -zwei Stunden unter Wasser, um anscheinend völlig munter wieder zu -erscheinen. Dennoch ist sein Fang lohnend genug, da erwachsene Männchen -in ihren Köpfen wenigstens 100 <span class="antiqua">kg</span> Walrat haben und außerdem -mehrere Faß Tran liefern.</p> - -<p>Auf der südlichen Erdhalbkugel, wie es scheint, in größerer Anzahl -vertreten als auf der nördlichen, sind die in verschiedenen Arten -bekannt gewordenen <em class="gesperrt">Riemenzahnwale</em> (<span class="antiqua">Mesoplodon</span>), so -genannt, weil die beiden, gewöhnlich nicht am Ende, sondern mehr in -der Kiefermitte stehenden Zähne des Unterkiefers zwar zugespitzt, -aber seitlich stark zusammengedrückt sind, wodurch sie namentlich bei -einer Art der Gattung, bei der sie stark verlängert und gebogen sind, -eine riemenartige Gestalt annahmen. An den europäischen Küsten ist -der etwa 4,5 <span class="antiqua">m</span> lang werdende <em class="gesperrt">Sowerby’s Riemenzahnwal</em> -(<span class="antiqua">M. bidens</span>) der häufigste. Er ist durch einen fast geraden -Schnabel, von welchem an sich der Kopf allmählich wölbt, um vor dem -Atemloche eine ziemlich starke Hervorragung zu bilden, und durch seine -verhältnismäßig kleinen Zähne gekennzeichnet.</p> - -<p>Den Entenwalen näher steht der sehr weit verbreitete, aber seltene und -nur von gestrandeten Stücken bekannte <em class="gesperrt">Cuvierswal</em> (<span class="antiqua">Ziphius -cavi<span class="pagenum"><a id="Seite_712"></a>[S. 712]</span>rostris</span>). Bei ihm sind die an der Spitze des Unterkiefers -stehenden beiden Zähne gut entwickelt. Von allen Walen aber strandet -am allerhäufigsten der zu den Rundkopfwalen gehörende <em class="gesperrt">Grindwal</em> -(<span class="antiqua">Globiocephalus melas</span>), dessen große Geselligkeit ihm bei Gefahr -regelmäßig verderblich wird. Kaum ein Jahr vergeht, in welchem nicht -hier oder da eine größere oder geringere Zahl dieser Tiere, die zu den -wichtigsten Nutztieren der Nordländer gehören, auf den Strand läuft. Im -Jahre 1779 verunglückte eine Herde von 200, 1805 eine solche von 300 -Stück auf den Shetlandinseln; in den Jahren 1809 und 1810 wurden gar -1110 Stück in einer nach den Grindwalen Walfjord genannten Bucht auf -Island durch die eifrigen Bemühungen der Menschen ans Ufer geworfen, -und 1845 sollen in einem Zeitraum von sechs Wochen 2080 Stück auf den -Faröerinseln in ähnlicher Weise erbeutet worden sein. Überall, wo sich -Herden dieses Tieres zeigen, erfolgt eine allgemeine Jagd auf sie. Die -ganze Fischerflotte der Nachbarschaft eilt unverzüglich aufs Meer, um -den Tieren durch Bildung eines aus Booten bestehenden Halbkreises den -Rückzug abzuschneiden und die ganze Grindwalgesellschaft in eine Bucht -oder dergleichen hineinzutreiben, wobei man die Tiere durch Werfen von -zu diesem Zwecke reichlich mitgenommenen Steinen zu erschrecken sucht, -wenn sie durchzubrechen versuchen. Gelingt der auf den Faröerinseln -noch durch Seile, mit Strohpuppen von Boot zu Boot gezogen, erschwerte -Durchbruch auch nur einem einzigen Wal, so ist die ganze Gesellschaft -für die Fischer verloren, weil dann die übrigen Tiere trotz aller -Bemühungen der Fischer dem ersten folgen. Gelingt es aber, die -Grindwale in seichtes Wasser zu treiben, so drängen sie in ihrer Angst -so ungestüm vor, daß sie stranden. Dann eilt die ganze Bevölkerung -mit allerlei Waffen, wie Harpunen, Speeren, Beilen, Pickeln, Spaten -u. dgl. herbei, um unter heillosem Geschrei den hilflosen Tieren -den Todesstreich zu geben. Weithin färbt sich das Meer vom Blut der -Gemordeten rot. Solcher Tag bedeutet einen Festtag für die Insulaner; -denn bei der meist gewaltigen Beute gibt es Fleisch und Speck die -Fülle. Zuerst werden Leber, Herz und Nieren als besondere Leckerbissen -gegessen; dann labt man sich an Fleisch und Speck, und was man von -diesen nicht essen kann wird eingesalzen oder getrocknet. Auf jeden -Grindwal rechnet man eine Tonne Tran. Unter allen Angehörigen der -artenreichen Delphinfamilie ist der Grindwal einer der größten. Er wird -nämlich etwa 6 <span class="antiqua">m</span> lang und bildet unter allen Walen die größten -Scharen, nämlich Gesellschaften, die nicht selten 200–300 Stück<span class="pagenum"><a id="Seite_713"></a>[S. 713]</span> zählen -und gelegentlich aus 1000, ja selbst aus 2000 Tieren bestehen. Wenn das -Leittier dieser sonst das hohe Meer bewohnenden Wale in seichtes Wasser -gerät und dort festgerannt ist, folgen ihm die übrigen Mitglieder der -Herde blindlings, wodurch eben ganze Scharen stranden und verderben. -Er geht ziemlich weit nach Norden, nämlich bis Grönland, und kommt -in verschiedenen Abarten in fast allen Meeren vor, scheint aber im -Mittelmeer selten zu sein. Er besitzt in jeder Kieferhälfte nur 8–12 -auf das vordere Ende der Kiefer beschränkte kleine Zähne, ist einförmig -schwarz gefärbt — deshalb wird er auch Schwarzwal genannt — von -Natur sehr sanftmütig und ernährt sich vorzugsweise von Tintenfischen, -daneben aber auch von Fischen und Weichtieren. Er ist durch seinen -schnabellosen, fast kugelförmigen Kopf, durch eine lange, niedrige, -dicke Rückenflosse und durch lange, schmale Brustflossen ausgezeichnet. -Von den Mundwinkeln bis zu den Brustflossen erstreckt sich ein weißer -Fleck.</p> - -<p>In allen Meeren rings um den Nordpol lebt ebenfalls meist in großen -Gesellschaften der auch <em class="gesperrt">Beluga</em> genannte <em class="gesperrt">Weißwal</em> -(<span class="antiqua">Delphinapterus leucas</span>). Dieses 5–6 <span class="antiqua">m</span> lang werdende Tier -ist in der Jugend hell graubraun, erwachsen dagegen gelblichweiß und -entbehrt der Rückenflosse. Große Herden der Weißwals treten namentlich -an den Küsten von Spitzbergen und Nowaja Semlja auf. Gern besucht der -Weißwal die Mündungen von Flüssen, in die er beträchtliche Strecken -weit hinaufsteigt. Er ernährt sich von Kopffüßlern, Fischen und Krebsen -und gerät gelegentlich bei der Verfolgung von Heilbutten oder Flundern -in seichtes, ihm kaum das Schwimmen erlaubendes Wasser. Oft ziehen -die Mitglieder einer Herde in einzelnen Reihen, selten mehr als zwei -oder drei der Tiere nebeneinander, unregelmäßig auftauchend dahin, -wobei sie oft ein schwaches Gebrüll ausstoßen. Wo er nur kann, macht -der Nordländer Jagd auf ihn. Wie den Grindwal sucht man ihm durch vor -die Eingänge der Fjorde und Buchten aufgestellte Netze den Rückweg -zum Meer zu versperren und ihn mit Harpunen und Lanzen zu töten. Im -offenen Meere ist ihm dank seiner Geschwindigkeit und Gewandtheit kaum -beizukommen, so daß die Walfänger meist auf seine Jagd verzichten, -obschon er einen Handelswert von durchschnittlich 60 Mark besitzt. Die -Zirkumpolarvölker schätzen ihn außerordentlich hoch und benützen alle -Teile von ihm. Auch die Europäer verwenden außer dem Tran, von dem ein -ausgewachsenes Tier über 450 Liter gibt, das Fleisch und die Haut, die -in England als Tümmlerhaut verkauft und in Rußland zu Pferdegeschirr -u. dgl.<span class="pagenum"><a id="Seite_714"></a>[S. 714]</span> verarbeitet wird. Wenn auch gefangene Weißwale in der -Gefangenschaft bald sterben, so erweisen sie sich als leicht zähmbar -und gelehrig. Wiederholt wurden diese Tiere im Westminsteraquarium in -London vorübergehend gehalten.</p> - -<p>Ebenfalls eine hochnordische Delphinart ist der <em class="gesperrt">Narwal</em> oder -das <em class="gesperrt">See-Einhorn</em> (<span class="antiqua">Monodon monoceros</span>), ein gewöhnlich -in kleinen, 15 bis 20 Stück starken Scharen auftretendes Tier -von 4–5 <span class="antiqua">m</span> Länge, unten weiß, oben dunkelgrau gefärbt, mit -unregelmäßigen, verwaschenen, helleren und dunkleren kleinen Flecken -dazwischen. Abgesehen von einigen kleinen, verkümmerten, unregelmäßig -auftretenden Zähnen ist der weibliche Narwal zahnlos, was auch für das -Männchen gelten würde, wenn dieses nicht durch einen im Oberkiefer -stehenden 2–2,5 <span class="antiqua">m</span> langen und an der Wurzel einen Umfang von 20 -<span class="antiqua">cm</span> besitzenden Stoßzahn ausgezeichnet wäre. Dieser Zahn gehört -in der Regel der linken Oberkieferhälfte an, ist schraubenförmig, -und zwar immer von links nach rechts gewunden, auf dem größeren Teil -seiner Länge hohl und besteht aus einer sehr dichten, sahnenfarbigen, -elfenbeinartigen Masse. Äußerst selten entwickeln sich bei einem -Männchen zwei Stoßzähne, wie sie sich z. B. an einem Narwalschädel -des Museums von Cambridge finden, an dem auch der rechte Zahn -merkwürdigerweise von links nach rechts gedreht ist. Dieser Stoßzahn -dient den Männchen bei ihren Kämpfen um die Weibchen. Die Tiere sind -sehr lebhaft und spiellustig, ernähren sich ebenfalls vorwiegend von -Tintenfischen, daneben von verschiedenen Krebsen und kleinen Fischen. -Wie bei allen Walen werfen die Weibchen meist nur ein einziges, nur -ausnahmsweise zwei Junge, die von ihnen lange gesäugt und sorgsam -behütet werden.</p> - -<p>Wegen der sehr geschätzten Stoßzähne, seines trefflichen Fleisches -und seines gewöhnlichen Waltran an Güte übertreffenden Tranes hat der -Narwal heute in allen den Walfängern zugänglichen Meeren bedeutend an -Zahl abgenommen. Südlich des Polarkreises kommt er nur ausnahmsweise -in verirrten Exemplaren vor. So weiß man nur von drei Narwalen, die -zwischen den Jahren 1648 und 1808 an der Küste Englands auftauchten -und erlegt wurden. An der deutschen Nordseeküste wurden nur im -Jahre 1736, aber zweimal, solche beobachtet und erlegt. Bei der -ungeheuren Seltenheit des Tieres an den nördlichen Küsten Europas -kann es nicht wundern, daß man seine Stoßzähne, denen man allerlei -Wunderkräfte zuschrieb, mit ungeheuren Summen bezahlte. Galten sie -doch als vom Einhorn der Bibel abstammend, weshalb dieses fabelhafte -Tier im englischen Wappen<span class="pagenum"><a id="Seite_715"></a>[S. 715]</span> auch solche Zier trägt. Kaiser und Könige -ließen sich oft mit dem zierlichsten Schnitzwerke versehene Stäbe -daraus verfertigen und sich nachtragen, auch wurden die kostbarsten -Bischofsstäbe daraus geschnitzt. Noch im 16. Jahrhundert bewahrte -man im Bayreuther Archiv auf der Plassenburg vier Narwalzähne als -außerordentliche Seltenheit auf. Einen derselben hatten zwei Markgrafen -von Bayreuth von Kaiser Karl V. für einen großen Schuldenposten -angenommen, und für den größten wurde von den Venezianern noch im Jahre -1559 die ungeheure Summe von 30000 Zechinen (= 198000 Mark) angeboten, -ohne daß es ihnen gelungen wäre, in den Besitz desselben zu gelangen. -Ein Zahn, der in der kurfürstlichen Sammlung zu Dresden an einer -goldenen Kette hing, wurde auf 100000 Reichstaler geschätzt.</p> - -<p>In den gemäßigten Meeren, auch im Nordatlantischen Ozean, in -der Nordsee und im Mittelmeer lebt der fast 4 <span class="antiqua">m</span> lange, -hauptsächlich Tintenfische fressende <em class="gesperrt">Risso’s Delphin</em> (<span class="antiqua">Grampus -griseus</span>). Viel verbreiteter und auch weiter nach Norden gehend -ist der 9 <span class="antiqua">m</span>, meist aber 5–6 <span class="antiqua">m</span> lange <em class="gesperrt">Schwertwal</em> -(<span class="antiqua">Orca gladiator</span>), der nirgends häufig ist und sich nur in -kleinen Gesellschaften teils in offenem Meere, teils nahe den Küsten -umhertreibt, um Beute zu machen. Er ist nicht nur der größte, sondern -auch der raublustigste und gefräßigste aller Delphine, der nicht bloß -von Fischen, sondern auch von Seehunden und kleinen Delphinen lebt. -Er ist so unersättlich, daß er gelegentlich vier oder mehr Tümmler -nacheinander verschlingt. Im Magen eines gegen 5 <span class="antiqua">m</span> langen -Schwertwales befanden sich einmal nicht weniger als 14 Seehunde. Ja, er -greift gelegentlich sogar die größten Wale, darunter den Grönlandwal, -an, um ihnen ganze Stücke Fleisch aus den Seiten und von den Lippen zu -reißen. Schon Plinius weiß in seiner Naturgeschichte zu erzählen, daß -der <span class="antiqua">orca</span> junge und alte Wale angreift und sie mit seinen großen -Zähnen zerfleischt. „Die Wale können weder ausweichen, noch Widerstand -leisten und suchen nur zu entfliehen und das hohe Meer zu erreichen; -ihre Feinde aber versperren ihnen den Weg, treiben sie in die Enge und -jagen sie auf die Sandbänke oder Klippen. Solche Kämpfe bieten ein -erhabenes Schauspiel dar und die Wogen brausen und schäumen infolge des -Schlachtgetümmels, als ob der ärgste Wirbelwind wütete.“ Obgleich der -Schwertwal sehr viel Tran besitzt, wird doch nirgends regelmäßig Jagd -auf ihn gemacht.</p> - -<p>Der gemeinste Delphin unserer Meere ist der <em class="gesperrt">Tümmler</em> oder -<em class="gesperrt">Braunfisch</em>, auch <em class="gesperrt">Meerschwein</em> genannt (<span class="antiqua">Phocaena -communis</span>), der 1,5–2, in seltenen Fällen auch wohl 3 <span class="antiqua">m</span> -lang wird. Er lebt im<span class="pagenum"><a id="Seite_716"></a>[S. 716]</span> ganzen Norden des Atlantischen Weltmeers, -wandert gegen den Winter nach Süden, im Frühling wieder nach Norden -und verfolgt dann die Heringe mit solchem Eifer, daß er den Fischern -die Netze zerreißt. Seine Gefräßigkeit ist sprichwörtlich, er verdaut -außerordentlich schnell und bedarf einer ansehnlichen Menge von -Nahrung. Gesellig wie alle Delphine, findet man ihn nur in kleinen -Scharen mit überraschender Schnelligkeit durch die Wellen dahineilen. -Er zieht im Gegensatz zu den anderen Walen die Küstengewässer dem hohen -Meere entschieden vor und tummelt sich, wie schon die Alten wußten, -besonders lebhaft vor und während eines Sturmes im Wasser umher. Selbst -in der schwersten Brandung weiß er der Gefahr des Strandens zu entgehen -und schwimmt spielend um die Schiffe, denen er begegnet. Früher wurde -er auch seines Fleisches wegen, jetzt wird er hauptsächlich zur -Gewinnung seines Tranes und seiner Haut, die gewöhnlich als Haut des -Weißwals auf den Markt gelangt, verfolgt.</p> - -<p>Viel berühmter als er und mit den merkwürdigsten Fabeln bedacht -ist unter den verschiedenen eigentlichen Delphinen der <em class="gesperrt">gemeine -Delphin</em> (<span class="antiqua">Delphinus delphis</span>). Dieser etwa 2,3 <span class="antiqua">m</span> lange, -gewöhnlich oben dunkelbraune und unten weiße Zahnwal besitzt eine -schnabelförmig ausgezogene Schnauze und ist durch seine ungewöhnliche -Lebendigkeit und Spiellust allen Seefahrern bekannt. Früher wurde er -an den meisten Küsten Europas seines Fleisches wegen gejagt; nur die -alten Griechen und Römer hielten das Töten dieses dem Meeresgotte -heiligen Tieres für eine Sünde und Schande. Plinius sagt von ihm, daß -er gegen den Menschen freundlich gesinnt sei, die Musik, besonders -den Ton der Wasserorgel sehr liebe und leicht so zahm werde, daß er -sich mit Brot füttern lasse. Unter der Regierung des Kaisers Augustus -habe ein Delphin im Golf von Puteoli (dem heutigen Pozzuoli) bei -Neapel eine solche Zuneigung zu einem Knaben, der ihn mit dem Namen -Simon anrief und mit Brot fütterte, gefaßt, daß er jedesmal erschien, -wenn er gerufen wurde, dem Knaben aus der Hand fraß, ihn durch seine -Stellung zum Aufsitzen einlud und ihn mitten durch das Meer nach -Puteoli in die Schule trug und ihn von dort wieder nach Hause brachte. -Dies sei mehrere Jahre so gegangen, bis der Knabe an einer Krankheit -starb. „Jetzt kam der Delphin noch oft traurig ans Ufer geschwommen -und überlebte, ohne Zweifel von Sehnsucht gequält, seinen Geliebten -nicht lange.“ Mehrfach weiß Plinius nicht nur von Knaben, sondern -sogar von Männern zu berichten, die von Delphinen weithin übers Meer -getragen worden seien. „Alles<span class="pagenum"><a id="Seite_717"></a>[S. 717]</span> dies,“ fährt er fort, „macht auch die -Geschichte des Arion glaublich. Er war zu Schiffe und die Matrosen -wollten ihn wegen seiner Schätze ermorden. Da bat er um die Erlaubnis, -nochmals seine Kithara erklingen lassen zu dürfen. Beim Klang der Töne -versammelten sich die Delphine, und als er sich ins Meer stürzte, ward -er von ihnen aufgenommen und ans Ufer von Tänarum (am Peloponnes) -getragen.“ Nach ihm sollten in einem See an der Rhonemündung die -Delphine, zu Hilfe gerufen, den Menschen die Fische ins Netz treiben -und dafür mit einem Teil der Beute und mit in Wein getauchtem Brot -gefüttert werden.</p> - -<p>Im Mittelalter war man auch in den Mittelmeerländern weniger -skrupulös gegen diesen „Liebling Poseidons“ und harpunierte ihn -gern, um ihn als geschätzte Fastenspeise wie die eigentlichen Fische -zu verzehren. In der Neuzeit wird der Delphinfang besonders an der -atlantischen Küste Nordamerikas mit starken Netzen eifrig betrieben -und scheint sich reichlich zu lohnen, da 3,5 <span class="antiqua">m</span> lange Stücke -des in allen gemäßigten und warmen Meeren verbreiteten <em class="gesperrt">großen -Delphins</em> (<span class="antiqua">Thursiops tursio</span>) etwa 110 Liter Tran liefern. -Auch die in den großen Strömen Indiens und Südamerikas vorkommenden -<em class="gesperrt">Flußdelphine</em>, die kaum über 2 <span class="antiqua">m</span> Größe hinausgehen, werden -vielfach ihres Fleisches und Tranes wegen gejagt.</p> - -<p>Als Transpender viel wichtiger als diese Zwergwale sind die mancherlei -großen <em class="gesperrt">Robben</em>, die heute eine Hauptbeute der Walfänger bilden. -Auch diese ins Wasser gegangenen Raubtiere haben sich weitgehend, -wenn auch lange nicht so wie die Wale, dem Wasserleben angepaßt. So -haben sie die beiden Hinterbeine zu einem kräftigen Ruderschwanze -zusammengelegt, der die vorwärtstreibende Kraft beim Schwimmen ist. -Beim Geradeausschwimmen werden die Vorderflossen an den Körper -angezogen gehalten und nur bei Richtungsänderung werden sie zu -Hilfe genommen. Am weitesten in der Umbildung der Hinterfüße zu -reinen Flossen ist der Seehund gegangen, der sich am Lande wie eine -Spannerraupe bewegt und sich durch rasch aufeinanderfolgende hüpfende -Bewegungen des ganzen Körpers vorwärts schnellt. Das geringste Maß -der Umbildung der Extremitäten zu Flossen zeigt das Walroß, das sich -durch die starke Verkürzung der Schenkelknochen auf dem Lande zwar -auch noch unbeholfen, aber doch ganz nach Art der großen Landtiere -vorwärtsbewegt, indem es je ein Vorder- und ein Hinterbein gleichzeitig -vorsetzt. Zwischen diesen beiden Extremen finden wir bei den Robben -alle möglichen Übergänge.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_718"></a>[S. 718]</span></p> - -<p>Die Haut der Robben ist äußerst elastisch und liegt dem Körper -nur lose auf, damit sie sich bei der Anhäufung des Fettes im -Unterhautzellgewebe nach Belieben dehnen kann. Bei ihnen ist das -Haarkleid nur spärlich geworden und nicht ganz ausgemerzt wie bei den -Walen; es ist so reichlich mit Talg eingefettet, daß es durchaus kein -Wasser annimmt. Äußere Ohren, wenn auch sehr kleine, haben noch die -danach auch Ohrenrobben genannten Seelöwen. Die Ohröffnungen können -durch willkürliche Muskeln verschlossen werden. In der Ruhe sind die -schlitzförmigen Nasenlöcher durch elastische Knorpel verschlossen, -können aber willkürlich durch strahlig angeordnete Muskelbündel -geöffnet werden. Der Geruch ist außerordentlich scharf, wie überhaupt -das Gehirn ein verhältnismäßig hochentwickeltes Raubtiergehirn -darstellt, das von guter Intelligenz zeugt. Die Hornhaut der großen, -klug dreinblickenden Augen ist dem Brechungswinkel der Lichtstrahlen -im Wasser entsprechend flach gewölbt, während dafür die Linse als -Anpassung an das Wasserleben fast kugelig ist. Entsprechend der weichen -Fischnahrung sind die Zähne verhältnismäßig schwach, besonders die -Schneidezähne sehr klein und hinfällig. Das Milchgebiß verschwindet -schon vor oder unmittelbar nach der Geburt. Das Nahrungsbedürfnis ist -groß und der Stoffwechsel ein rascher. So frißt der gemeine Seehund -täglich etwa 7,5 <span class="antiqua">kg</span> Fische, der viel größere kalifornische -Seelöwe dagegen 20 <span class="antiqua">kg</span>. Am Herzen und an den großen Gefäßen sind -durch Erweiterungen und Auflösungen in sog. Wundernetze Vorrichtungen -getroffen, die es den Flossenfüßlern ermöglichen, verhältnismäßig -lange unter Wasser zu bleiben, ohne atmen zu müssen. Die Tiere leben -gesellig; die meisten derselben haben sog. „Brutplätze“, an denen -sie sich stets wieder zur Fortpflanzung einfinden. Zuerst erscheinen -auf denselben die Männchen, und zwar vorzugsweise alte, die höchst -eifersüchtig aufeinander sind und als Polygamisten möglichst viel -Weibchen für sich in Anspruch zu nehmen suchen. Bei ihren Kämpfen um -die Weibchen brüllen die größeren Robben, besonders die Walrosse, -furchtbar, während bei den kleineren die Lautäußerungen mehr dem Bellen -eines heisern Hundes gleichen, woher auch der Name „Seehund“ herrührt. -Bald nach der Ankunft der kleineren und schlankeren Weibchen an den -„Brutplätzen“ werfen sie ihr meist einziges Junges. Sehr selten werden -deren zwei geboren, die für junge Raubsäugetiere merkwürdig entwickelt -sind, so daß die gefährliche Zeit der Säugung je nach der Größe der -Art nur 4–8 Wochen dauert. Wie die eifersüchtigen Männchen während -des Bewachens der von<span class="pagenum"><a id="Seite_719"></a>[S. 719]</span> ihnen erkämpften Weibchen ausschließlich vom -angesammelten Speck zehren, fressen auch die Weibchen auf dem Lande -nichts während der Säugungszeit, da sie von den Männchen gewaltsam vom -Besuche des Meeres abgehalten werden. Diese Robbenansammlungen bei -Gelegenheit der Fortpflanzung werden vom Menschen zum Robbenschlag -benutzt. Erst nach Verlust des sehr weichen Jugendkleides begeben sich -die jungen Flossenfüßler ins Meer, wo die Mütter sie schwimmen, tauchen -und Fische fangen lehren. Dabei werden sie von jenen aufs sorgsamste -beschützt. Die Weibchen haben 2–4 Paar weit nach hinten liegender -Zitzen und behalten die Jungen bis zur Geburt des folgenden Sprößlings -bei sich. Die Seehunde sind sehr liebenswürdige und gelehrige -Geschöpfe, die, abgerichtet, ihrem Herrn die Fische ins Netz treiben -und unschwer allerlei Kunststücke lernen.</p> - -<p>Überall auf ihren „Brutplätzen“ werden die verschiedenen Robbenarten -mühelos erbeutet. So sind sie an vielen Orten beinahe ausgerottet -worden. Früher pflegte man in Grönland etwa 33000, bei Neufundland über -500000 und bei Jan Mayen mindestens 30000 Stück des bis 2 <span class="antiqua">m</span> lang -werdenden <em class="gesperrt">grönländischen Seehundes</em> oder der <em class="gesperrt">Sattelrobbe</em> -— so genannt von einem eigentümlichen an einen Sattel erinnernden -schwarzen Fleck auf dem Rücken (<span class="antiqua">Phoca groenlandica</span>) — jährlich -zu erbeuten, da dieses Tier in großen Scharen auftritt und deshalb -einen Hauptgegenstand der Robbenjagd im nördlichen Atlantischen -Ozean bildet. Die Sattelrobben waren einst so massenhaft auf ihren -„Brutplätzen“ vorhanden, daß eine Schiffsbesatzung an einem einzigen -Tage 500–800 erwachsene und 2000 junge Tiere tötete. Im Jahre 1866 -erbeutete ein einziger Dampfer in neun Tagen deren 22000 Stück. So -wurde denn, um der Ausrottung des Tieres zu wehren, im Jahre 1876 den -britischen Untertanen eine Schonzeit für Sattelrobben auferlegt, ein -Beispiel, das bald darauf auch in anderen Ländern nachgeahmt wurde.</p> - -<p>Von den andern hochnordischen Robbenarten, die mehr einzeln auftreten, -sich von der Küste stets fernhalten und im März auf Treibeis ihre -Jungen gebären, werden jährlich nur etwa je 1000–3000 Stück erbeutet. -Einer der mutigsten dieser Seehunde ist die von den Robbenschlägern -<em class="gesperrt">Klappmütze</em> genannte <em class="gesperrt">Blasenrobbe</em> (<span class="antiqua">Cystophora -cristata</span>), deren bis 3 <span class="antiqua">m</span> lang werdende Männchen einen mit -der Nase in Verbindung stehenden blasenartigen Sack willkürlich mit -Luft aufblähen können. Das nicht bloß von Fischen, sondern zum größten -Teil auch von Tintenfischen lebende Tier gehört zu den wandernden<span class="pagenum"><a id="Seite_720"></a>[S. 720]</span> -Robbenarten und verteidigt sich nicht selten auch gegen den Menschen -so mutig, daß deren Jagd für die Eskimos in ihren leichten, aus -Robbenhaut verfertigten Booten nicht ungefährlich ist. Der größte -nordische Seehund ist die im männlichen Geschlecht eine Länge von 3 -<span class="antiqua">m</span> erreichende <em class="gesperrt">Bartrobbe</em> (<span class="antiqua">Phoca barbata</span>), die mehr -einsiedlerisch lebt, aber von den Eskimos gern gejagt wird, da ihre -dicke Haut zur Anfertigung von Harpunenleinen sehr geschätzt ist und -ihr Fleisch und Tran schmackhafter als die anderer Robben sein sollen.</p> - -<p>Die größte Robbe ist die in den Männchen bis 6 <span class="antiqua">m</span> Länge und ein -Gewicht von über 3000 <span class="antiqua">kg</span> erreichende <em class="gesperrt">Elefantenrobbe</em> -(<span class="antiqua">Macrorhinus leoninus</span>), die ihren Namen davon hat, daß die -Männchen nicht den gewöhnlichen Robbenkopf der Weibchen und Jungen -haben, sondern einen kurzen, gewöhnlich schlaff herunterhängenden, -aber willkürlich aufblähbaren, an der Spitze schief abgeschnittenen -Rüssel haben, der den Tieren ein höchst sonderbares Aussehen verleiht. -Die Elefantenrobbe bewohnt das Südpolarmeer bis in die gemäßigteren -Regionen und geht in einer Abart an der Westküste Amerikas bis über -Kalifornien hinauf. Vor 20–30 Jahren war sie noch ziemlich häufig, ist -aber überall infolge der unsinnigen Verfolgung recht selten geworden. -Dies läßt sich sehr wohl begreifen, da die Tranausbeute bei alten, -gut genährten Männchen gegen 1000 Liter beträgt. Vor 60 und 70 Jahren -wurden allein an der patagonischen Küste jährlich durchschnittlich -40000 Elefantenrobben erschlagen. Auf den Kerguelen, die bei ihrer -Entdeckung von ihnen wimmelten, hatten einmal nordamerikanische -Robbenschläger, die rohesten und rücksichtslosesten dieser -Mordgesellen, so ungeheure Mengen Tran von diesen Tieren eingeheimst, -daß der Markt damit überfüllt war und sie keinen Absatz dafür fanden. -Kurz entschlossen verbrannten sie die zahllosen mitgebrachten mit Tran -gefüllten Fässer, um nicht die Preise zu drücken. Welche Niedertracht -liegt nicht in solch unsinniger Handlung!</p> - -<p>Weniger der Gefahr der Ausrottung ausgesetzt als die Elefantenrobbe ist -das das nördliche Eismeer und die nördlichen Teile des Atlantischen und -Stillen Ozeans in zwei Unterarten bewohnende wehrhafte <em class="gesperrt">Walroß</em> -(<span class="antiqua">Trichechus rosmarus</span>), die ungeheuerlichste aller Robben, von -der im Mittelalter die wunderlichsten Sagen in Europa kursierten. -Einen eingezalzenen Kopf desselben sandte ein Bischof von Drontheim -1520 an den Papst Leo X. nach Rom; dieser wurde in Straßburg -abgezeichnet und der Züricher Naturforscher Konrad Geßner gab eine -ziemlich richtige Beschreibung von ihm. Einen guten, aus<span class="pagenum"><a id="Seite_721"></a>[S. 721]</span>führlichen -Bericht von ihm gab erst Martens von Hamburg, der zu Ende des 17. -Jahrhunderts das Walroß im Eismeere selbst zu sehen bekam. Das Tier -erreicht bei einem Umfang von 2,5–3 <span class="antiqua">m</span> und einem Gewicht bis -1500 <span class="antiqua">kg</span> eine Länge von 4,5 <span class="antiqua">m</span>. Das Gebiß des jungen -Walrosses ist demjenigen der Ohrenrobben ähnlich zusammengesetzt. Von -den ursprünglich 30 Zähnen behalten ausgewachsene Walrosse nur 18, von -denen die zwei oberen wurzellosen Eckzähne zu gewaltigen Hauern werden, -die nahezu 80 <span class="antiqua">cm</span> lang und gut 4 <span class="antiqua">kg</span> schwer werden können. -Infolge der rücksichtslosen Verfolgung sind aber Hauer von solcher -Größe selbst bei ausgewachsenen Männchen jetzt schon sehr selten. -Eckzähne von 60 <span class="antiqua">cm</span> Gesamtlänge und 2 <span class="antiqua">kg</span> Gewicht können -schon als stark entwickelt gelten und ragen etwa 45 <span class="antiqua">cm</span> weit aus -dem Kiefer hervor. Die Eckzähne der weiblichen Walrosse werden selten -mehr als 50 <span class="antiqua">cm</span> lang. Beim pazifischen Walrosse mit breiterer und -höherer Schnauze sind sie länger und stärker, dazu mehr gegeneinander -geneigt. Sie dienen dem Tiere dazu, seinen unförmlichen Körper aus dem -Wasser aufs Eis hinaufzuziehen und unterstützen es auch bei seinem -unbeholfenen Forthumpeln über Land. Der Hauptdienst aber, den sie -seinem Träger leisten, besteht darin, daß das Walroß mit ihnen Schlamm -und Sand gewissermaßen durchpflügt, um darin nach Schaltieren zu -suchen. Außer Tintenfischen, Fischen und Krebsen sind nämlich Muscheln -die Hauptnahrung dieser Tiere, die deren Schalen mit ihren Mahlzähnen -zertrümmern und dann wieder ausspucken. Mit der Beschaffenheit ihrer -Nahrung hängt es zusammen, daß die Walrosse sich selten auf hohem -Meere, sondern meist in der Nachbarschaft des Ufers aufhalten, und zwar -in mehr oder weniger großen Herden, deren Gebrüll man schon aus weiter -Entfernung vernimmt. Ihrer Herdentiernatur entsprechend tun sie sich -zur Verteidigung eines verwundeten Genossen zusammen und greifen dann -ungescheut feindliche Boote an, die sie mit ihren mächtigen Hauern -leicht zum Kentern bringen. Außer auf dem Lande werden sie auch vom -Wasser aus in besonders dafür gebauten starken Booten verfolgt, wobei -man ihnen den Rückzug ins Wasser zu verlegen sucht; denn die das Meer -erreichenden Stücke entkommen dem Jäger gewöhnlich. Man sucht sie -mit Harpunen zu spießen, um sie dann ans Land zu ziehen und dort mit -langen Lanzen oder durch Büchsenschüsse zu töten. Fett liefern die -Walrosse zwar verhältnismäßig weniger als die eigentlichen Robben, -denn die größten Stücke geben selten mehr als 250 <span class="antiqua">kg</span>. Auch ist -das Walroßfett weniger fein als<span class="pagenum"><a id="Seite_722"></a>[S. 722]</span> das Robbenfett. Die 2,5–4 <span class="antiqua">cm</span> -dicke Haut wird zu Sattelzeug, besonders zu starken Schuhsohlen und -Ruderriemen verarbeitet. Wertvoller als sie sind die allerdings den -Elefantenstoßzähnen weit an Güte nachstehenden Hauer, die in Amerika -1879 nur 40 Cents, 1883 aber schon 4<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Dollar das Pfund kosteten.</p> - -<p>Während die Walrosse früher an den Küsten Nordeuropas in größerer -Zahl vorkamen und südwärts bis Schottland wanderten, sind sie heute -selbst auf Grönland und Spitzbergen so selten geworden, daß sich ihre -Erbeutung nur noch als Nebenbetrieb des Walfanges lohnt. Auf der -Bäreninsel beim Nordkap wurden bei einer Gelegenheit deren innerhalb -sechs Stunden nicht weniger als 600–700 getötet und ein anderes Mal in -kaum sieben Stunden 900–1000 abgeschlachtet. In weniger als acht Jahren -waren sie dort ganz ausgerottet. Auf einer Insel bei Spitzbergen stach -man an einem einzigen Tage über 900 Walrosse tot, die man unbenutzt -liegen ließ, da man auf das Wegschaffen einer solchen Beute nicht -eingerichtet war. Ähnlich sinnlos wurde auch anderwärts gegen diese -auf dem Lande wehrlosen Tiere vorgegangen. Bei Labrador tötete die -Besatzung des französischen Schiffs Bonaventura im Jahre 1589 1500 -große und kleine Walrosse auf einer kleinen Insel, und 1593 tötete die -Besatzung eines französischen Schiffes so viele derselben, daß deren -Knochen noch jahrelang künstliche Strandstrecken bildeten. Zu jener -Zeit scheinen Walroßhauer sehr geschätzt gewesen zu sein und wurden -fast ausschließlich an den Tieren benutzt; sie kosteten doppelt so -viel als das beste Elfenbein und wurden zu Kämmen und Messerschalen -verarbeitet. Das pazifische Walroß war niemals so verbreitet als das -atlantische. Sein Vorhandensein im nördlichen Stillen Ozean wurde um -die Zeit von 1640–1645 bekannt; aber eine regelrechte Jagd auf es -begann erst 1680, da der Walfang bis dahin viel vorteilhafter war. -Mit der zunehmenden Verminderung der Wale wandten sich die Walfänger -mehr und mehr dem Walroß zu, und zwischen 1870 und 1880 wurden rund -2 Millionen Gallonen Walroßtran und 400000 Pfund Walroßzähne auf den -Markt gebracht, was einer Beute von etwa 100000 Walrossen entsprach.</p> - -<p>Ebenso mitleidlos schlachtete der Mensch einen andern Riesen der -Schöpfung ab, so daß dieses Wunder der Natur bald nach seinem -Bekanntwerden überhaupt ausgerottet war. Es ist dies das gewaltige -<em class="gesperrt">Borkentier</em>, eine 7,5–9 <span class="antiqua">m</span> Länge mit einem Bauchumfang von -5,5 bis 6 <span class="antiqua">m</span> und einem Gewicht von 4000 <span class="antiqua">kg</span> aufweisende -Seekuh, mit der am 12. Juni 1742 die schiffbrüchigen Leute des im -Jahre zuvor<span class="pagenum"><a id="Seite_723"></a>[S. 723]</span> auf der nach ihm benannten Insel verstorbenen jütischen -Schiffskapitän in russischen Diensten Vitus Bering bekannt geworden -waren. Nach dem Arzte der Expedition, G. W. Steller, einem eifrigen -Naturforscher, der die erste Beschreibung dieses merkwürdigen Tieres -gab, wird es auch <em class="gesperrt">Stellersche Seekuh</em> (<span class="antiqua">Manatus gigas</span>) -genannt. Die 4 <span class="antiqua">cm</span> dicke, dunkelgefärbte Lederhaut war so rauh -und runzelig, daß sie von Steller der Rinde oder Borke eines Baumes -verglichen wurde. Dieses stumpfsinnige Tier lebte gesellig in Herden -in der Nachbarschaft von Flußmündungen und fraß Tang, namentlich die -dort in reichlicher Menge vorkommenden Laminarien. Ihr Unvermögen -zu Tauchen zwang diese unbeholfenen Geschöpfe ihre Nahrung in -seichtem Wasser zu suchen, und da Stürme und Eis die Küsten ihres -nordpazifischen Wohngebiets oft schwer zugänglich machten, waren die -Tiere im Frühling gewöhnlich stark abgemagert. Auf diesen leicht zu -erbeutenden Fleischlieferanten aufmerksam geworden, lebten in der Folge -alle Pelzjägerexpeditionen von ihm und nahmen große Vorräte von dessen -Fleisch eingesalzen mit sich fort. Die Pelzjäger pflegten sich dem -unbeholfenen Tier, während es in seichtem Wasser lag, vorsichtig zu -nähern und zu versuchen, ihm einen tödlichen Lanzenstich beizubringen. -Natürlich wurden so nur wenig Seekühe auf der Stelle getötet; die -Mehrzahl entfloh ins tiefere Wasser, unterlag dort der Verwundung, um -dann später ans Ufer gespült zu werden und nutzlos zu verfaulen, zumal -das Borkentier so schnell in Verwesung überging, daß sein Fleisch schon -24 Stunden nach dem Tode wertlos war. Von den 1500–2000 Borkentieren -auf den 15 für sie geeigneten Weideplätzen der Beringinsel wurde das -letzte 1767 oder 1768 getötet. Im Jahre 1754, nur neun Jahre nach -der Entdeckung der Insel, war das Borkentier auch auf der kleinen -Kupferinsel ausgerottet. Bis zum Jahre 1883 waren zwei Skelette in -den Museen von St. Petersburg und Helsingfors und zwei im Britischen -Museum in London aufbewahrte Rippen alles, was der Wissenschaft von -Überbleibseln dieses Wunders der Schöpfung übrig geblieben war. Da -brachte der im Auftrag des Nationalmuseums der Vereinigten Staaten zur -Forschung nach Borkentierskeletten ausgesandte Stejneger im Laufe von -zwei Jahren noch ansehnliche Reste von Schädeln und Knochen zusammen, -die sich in verschiedenen Tiefen des Sandes fanden und dadurch -aufgefunden wurden, daß man eiserne Stäbe in den Sand hineinstieß. -Viele Knochen fanden sich so weit vom Ufer entfernt, daß die Annahme -naheliegt, die Insel habe sich seither gehoben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_724"></a>[S. 724]</span></p> - -<p>Dieselbe geistige Beschränktheit haben die anderen noch existierenden, -gesellig als Pflanzenfresser an seichten, tangbewachsenen Küsten oder -im Süßwasser lebenden <em class="gesperrt">Seekühe</em>. Wie den Walen fehlen ihnen die -hinteren Gliedmaßen und ist infolgedessen das Becken verkümmert, so daß -dessen Reste teilweise gar nicht mehr mit dem übrigen Skelett verbunden -sind. Die Knochen, besonders des Kopfes und der Rippen, entbehren -einer Markhöhle, sind massig und schwer, um das Sinken dieser Tiere -an ihren Weideplätzen zum Abgrasen des Seetangs zu erleichtern. Sie -haben einen deutlich abgesetzten Hals mit nicht verwachsenen Wirbeln, -im Gegensatz zu den äußerlich ganz zu Fischen gewordenen Walen. Die -äußere Gehöröffnung erinnert durch ihre auffallende Kleinheit noch an -die Wale, aber Augen und Nase liegen oben am Kopf an ihrer gewöhnlichen -Stelle, die äußeren Nasenlöcher sind mit einer Klappe versehen. Das -Zwerchfell steigt von vorn unten auffallend schräg nach hinten oben, so -daß sich die Brusthöhle nach rückwärts fast über die ganze Bauchhöhle -hinweg erstreckt. Mit den sehr geräumigen Lungen können die Tiere ohne -einzuatmen bis 8 Minuten aushalten. Die Mundhöhle ist mit hornigen -Kauplatten versehen und die Backenzähne wachsen zeitlebens nach, indem -sie entsprechend der Ausnutzung nach und nach erscheinen. Die Hände -haben bloß vier Finger, jeder aus drei schlanken Gliedern bestehend und -durch eine gemeinsame Haut vereinigt. Zu Beginn des Frühjahrs kämpfen -die Männchen um den Besitz der Weibchen, die nach längerer Tragzeit -stets nur ein Junges werfen, das sie mit größter Mutterliebe umgeben -und beim Säugen mit einer der Flossen an eine der beiden brustständigen -Zitzen halten. Ihre Stimme besteht in einem schwachen, dumpfen Stöhnen, -während des Atmens vernimmt man auch ein heftiges Schnauben. Von ihnen -finden Fleisch und Speck, Haut und Zähne Verwendung.</p> - -<p>An den Küsten des Indischen Ozeans lebt der nach der malaiischen -Bezeichnung für Meerkuh genannte <em class="gesperrt">Dujong</em> (<span class="antiqua">Halicore -dujong</span>). <span class="antiqua">Halicore</span> heißt Seemaid, so auch deutsch geheißen -nach der schon von Plinius und Älian erzählten Fabel, daß an den Küsten -Indiens Seetiere in Gestalt von Satyrn mit Weibergesichtern leben, -deren Körper nach hinten in lange, gewundene Schwänze auslaufen und -die statt der Füße Flügel haben. Nachts kämen sie aus dem Wasser ans -Land, um Gras und Palmenfrüchte zu fressen, und in der Morgendämmerung -kehrten sie ins Meer zurück. Dieser 3–5 <span class="antiqua">m</span> lange Dujong bevorzugt -die Nähe der Küste, die reich mit ihnen Nahrung bietenden Meeresalgen -bewachsen ist, und lebt dort paarweise oder in kleinen Familien,<span class="pagenum"><a id="Seite_725"></a>[S. 725]</span> alle -paar Minuten zum Atmen an die Wasseroberfläche kommend und dann langsam -wieder in die Tiefe versinkend. So lange es noch Nahrung an einer -Stelle gibt, verändert das faule Tier kaum seinen Aufenthaltsort. Erst -wenn eine Meerwiese abgeweidet ist, siedelt es langsam nach anderen -tangbewachsenen Stellen über, welche ihm wieder eine Zeitlang Nahrung -liefern. Besonders die Jungen haben äußerst zartes, weniger fettes, -süßliches Fleisch, das vom Menschen sehr begehrt ist, weshalb die Tiere -von den Anwohnern gern gejagt werden. Das an der Luft getrocknete harte -Leder gibt vortreffliche Sandalen.</p> - -<p>Während der Dujong höchstens Flußmündungen aufsucht, geht der die -Ostküste Mittel- und Südamerikas und die Westküste Afrikas bewohnende -ebenso große und bis 400 <span class="antiqua">kg</span> schwere <em class="gesperrt">Lamantin</em> — eine -französische Verballhornung des spanischen Manati, d. h. mit Händen -versehen — (<span class="antiqua">Manatus latirostris</span> und andere Arten) von den -Küsten weit die Flüsse aufwärts und bei Überschwemmungen auch in -Seen und Sümpfe, wo er die an ruhigen Stellen reichlich wachsenden -Wasserpflanzen abweidet. Da auch sein Fleisch vorzüglich, wenn -auch ziemlich fett ist, wird ihm überall mit Eifer nachgestellt. -Eingesalzen und getrocknet bleibt es sehr lange gut und soll nach einem -Schriftsteller des 16. Jahrhunderts sogar Gnade vor den Feinschmeckern -am spanischen Hof gefunden haben. Unter den fortwährenden Verfolgungen -ist er an den meisten Stellen, wo er einst sehr häufig war, -verschwunden und allgemein sehr selten geworden. Die weit ins Innere -hineingehende westafrikanische Art ist schwarzgrau und wird nur etwas -über 2 <span class="antiqua">m</span> lang. Die bleigraue gewöhnliche südamerikanische Art -wird selten über 3 <span class="antiqua">m</span> lang und bildete einst ein beliebtes -Jagdobjekt für die Eingeborenen, denen sein schmackhaftes Fleisch als -besonders lecker gilt.</p> - -<p>Endlich wäre noch als einst für die Seefahrer wichtiger Fett- und -Fleischlieferant die <em class="gesperrt">Dronte</em> oder der <em class="gesperrt">Dodo</em> (<span class="antiqua">Didus -ineptus</span>) zu nennen. Dodo kommt vom portugiesischen <span class="antiqua">doudo</span>, -d. h. Tölpel. Dieser Name wurde dem reichlich truthahngroßen Girrvogel -der Insel Mauritius gegeben, weil er äußerst wenig scheu, wozu seine -geringe geistige Begabung beigetragen haben mag, mit ungemein plumpem, -schwerfälligem Körper auf kurzen, watschelnden Beinen dem Menschen -entgegentrat. Der große Kopf trug einen starken, hakenförmigen -Schnabel; der Körper war spärlich mit lockerem, grauem, auf der Brust -braunem Gefieder bedeckt und trug an Flügel und Schwanz gelbliche oder -schmutzigweiße steife Federn. Infolge Fehlens von Feinden hatten diese -Vögel ihre Flugfähigkeit eingebüßt und sich durch reichliche Ernährung -zu<span class="pagenum"><a id="Seite_726"></a>[S. 726]</span> den reinsten Fettkugeln entwickelt, die den ersten Schiffen, die -dort landeten, willkommenen lebenden Proviant lieferten. Als erster -schreibt der holländische Admiral Jakob Cornelius van Neck von ihm als -Walckvogel, rühmt aber sein Fleisch nicht besonders. Besser mundete -es der Mannschaft des 1601 auf Mauritius landenden holländischen -Schiffes eines gewissen Wilhelm van West-Zannen, den die reiche Beute -sogar zu einem Gedicht begeisterte. An einem Tage erbeutete seine -Mannschaft 24, am folgenden 20 der großen, überaus schweren Vögel, -von denen sie insgesamt nicht einmal zwei bei einer Mittagsmahlzeit -verzehren konnten. Bei der Abfahrt nahm sie einen großen Vorrat an -eingesalzenen Dronten mit. Andere holländische Schiffe folgten dem -Beispiele Zannens, schwelgten in Dodo- und Landschildkrötenfleisch, -nahmen Mengen von eingesalzenen Vögeln mit und ließen die Reihen der -Dronten stark gelichtet zurück. Deshalb ist es nicht zu verwundern, daß -sich der letzte Bericht über lebende Dronten im Schiffstagebuche des -englischen Steuermanns Benjamin Harry findet, der Mauritius im Jahre -1681 besuchte. Schon 1693, also noch nicht ein Jahrhundert nach seiner -Entdeckung, war die Dronte ausgerottet; denn Leguat, der sorgfältige -Beschreiber eines damit verwandten, etwas weniger schwerfällig -gebauten, ebenfalls längst ausgerotteten Vogels, des <em class="gesperrt">Einsiedlers</em> -(<span class="antiqua">Pezophaps solitaria</span>) der Insel Rodriguez, erwähnte sie nicht -mehr und bemerkt überdies, daß Wasserhühner und Schildkröten dort -selten geworden seien. Kurz nach der Ausrottung der Dronte verließen -die Holländer, die bis dahin Mauritius besetzt hielten, die Insel, von -der die Franzosen 1715 Besitz ergriffen, um sie 1811 an die Engländer -abzutreten. Dieser wiederholte Besitzwechsel hatte zur Folge, daß -alles Wissen über den sonderbaren Vogel verloren ging und nicht einmal -in der mündlichen Überlieferung weiterlebte. Auch waren die wenigen, -übrigens längst verloren gegangenen, in Museen aufbewahrten Stücke des -Dodo so wenig bekannt, daß selbst einige Naturforscher am früheren -Vorkommen eines solchen Vogels zu zweifeln begannen. Diese Zweifel -wurden jedoch durch verschiedene Veröffentlichungen wieder zerstreut, -und im Jahre 1866 gelang es, beträchtliche Mengen von Dronteknochen -zu sammeln. Sie fanden sich ausschließlich im Bodenschlamm des unter -dem Namen <span class="antiqua">mare aux songes</span>, d. h. Traumpfütze, bekannten großen -Moores, das mit dem Land herum noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts -dicht mit großen Bäumen bedeckt war, deren Früchte einst den Dronten -zweifellos als Nahrung dienten. Die hier gefundenen Überreste scheinen -von einst friedlich hier verstorbenen<span class="pagenum"><a id="Seite_727"></a>[S. 727]</span> Dronten zu stammen; denn keiner -unter den im Moore aufgefundenen Knochen zeigt Spuren einer Benagung. -Als einzige Darstellung der Dronte sind solche auf zwei Gemälden von -Roland Savary und seinem Neffen Johann, holländischen Malern aus der -ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, auf uns gekommen. Diese malten den -Vogel nach lebend nach Holland gebrachten Exemplaren. So räumt der -Mensch unbarmherzig und gedankenlos mit allem auf, was sich ihm in -der Schöpfung an wehrlosen, aber ihm irgendwie nützlichen Geschöpfen -entgegenstellt.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_728"></a>[S. 728]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="XXIX_Tiere_als_Spielzeug">XXIX. Tiere als Spielzeug.</h2> - -</div> - -<p>Von jeher hat der Mensch, wie wir schon in der Einleitung dieses -Buches bemerkten, jung eingefangene und sich dann leichter an seine -Gesellschaft gewöhnende Tiere zu keinem andern Zweck als zu seiner -und der Seinen Unterhaltung in seinen Niederlassungen gehalten. -Alteingefangene Männchen von solchen Tierarten, die als eifersüchtige -Nebenbuhler gern miteinander kämpfen, ließ er zu seiner Belustigung -gegeneinander los und freute sich, wenn sie sich recht zerzausten. -Nach Überwindung des kommunistischen Urzustandes und der Erwerbung -von Besitz ging er mit seinen Genossen Wetten ein, setzte für den -Gewinnenden Preise aus und erhob das Spiel zum Sport. Die Wetten -bildeten später einen Hauptzweck solcher Tierkämpfe, seien die -Ausübenden Grillen, Wachteln, Hähne, Gänse oder Widder. Mit der -Verrohung der Massen bei durch zahlreiche Kriege an Blutvergießen -gewöhnten Stämmen hatten solche Kämpfe nur Reiz, wenn sie blutig -endeten und wenn möglich, auf Leben und Tod gingen. So hefteten die -Malaien ihren Kampfhähnen haarscharf geschliffene Stahlklingen an ihre -Sporne, mit denen sich die Duellanten sehr oft gegenseitig erstachen.</p> - -<p>Im alten Rom wurden diese blutigen Tierkämpfe zu Massenabschlachtungen -gesteigert, in denen selbst Menschen auftraten, um miteinander zu -kämpfen und sich nach dem Willen des Pöbels abzustechen. Es sind -dies die bekannten <em class="gesperrt">Gladiatorenkämpfe</em>, die aus Fechterspielen -bei Gelegenheit des Begräbnisses hervorragender Männer hervorgingen, -wie sie zuerst die Etrusker und dann auch die Römer in jenen Zeiten -ausübten, als auf dem Forum bei der Bestattung eines Feldherrn die -Kriegsgefangenen, die er erbeutet, zu Ehren des Totengeistes des -Verstorbenen auf Tod und Leben miteinander kämpfen mußten. Vielfach -ließ man auch an solchen Leichenspielen schwere Verbrecher gegenseitig -an sich das Todesurteil vollziehen. Das taten diese nicht ungern; -denn Seneca sagt in einer seiner Episteln, daß ein solcher lieber<span class="pagenum"><a id="Seite_729"></a>[S. 729]</span> -öffentlich kämpfend in der Arena sterbe, als daß er sich in einem -geschlossenen Raum hinrichten lasse. Und zu diesem Schauspiel wurde das -Volk eingeladen, wie noch im 18. und 19. Jahrhundert das Henken und -Köpfen vor großem Publikum geschah. Wer von diesen Verurteilten brav -focht und durch seine Tapferkeit Bewunderung erregte, dem wurde vom -Volke durch Akklamation das Leben geschenkt. Auch viele Kriegsgefangene -und mißliebige Sklaven wurden als Gladiatoren verhandelt. Gewöhnlich -standen sie bei jedem Gefecht etwa hundert gegen hundert, die einen -mit großen, die andern mit kleinen Schilden, die einen mit Netz und -Harpune, die anderen mit Schwert oder Dolch, alle aber mit kostbaren -Helmen, vielfach aus purem Silber mit Edelsteinen eingelegt, mit -Pfauenfedern als Helmbusch versehen. Zum Kampf erscholl grelle Musik, -um das Stöhnen und Todesröcheln der Sterbenden zu übertönen. Die -Leichen wurden fortgeschafft, frischer Sand in die Blutlachen gestreut -und das Volk ging befriedigt nach Hause. Die gewandten Fechter aber, -denen es gelang, solche Schlachten zu überleben, wurden die Helden des -Tages und Lieblinge des Publikums, wie es heute den Stierkämpfern in -Spanien ergeht, und der Festgeber beschenkte sie in der Arena selbst -mit Schüsseln voll blinkenden Goldes. In der Kaiserzeit waren solche -Gladiatorenkämpfe bei allen festlichen Anlässen zu sehen, und bei den -viermonatlichen Siegesfesten des Trajan im Jahre 107 sollen im ganzen -10000 Mann gefochten und zum größten Teil ihren Tod gefunden haben.</p> - -<p>Für diese Massenkämpfe und die alsbald zu besprechenden Tierhetzen -wurden mit ungeheuerem Aufwand luxuriöse Arenen gebaut, die möglichst -die ganze freie Stadtbevölkerung aufnehmen sollten. Denn auch die -Frauen erschienen zu solchen Schauspielen und brachten selbst die -Kinder mit. Während sie im Zirkus mitten unter den Männern saßen, waren -sie im Amphitheater von ihnen getrennt. Rom gelangte zuerst im Jahre -29 v. Chr. durch den reichen Statilius Taurus zu einem Amphitheater. -Dieser Bau wurde aber durch das meist als Colosseum bezeichnete -berühmte flavische Amphitheater übertroffen, das vom Kaiser Vespasian -erbaut und im Jahre 80 von dessen Sohn Titus eingeweiht wurde. Es war -185 <span class="antiqua">m</span> lang, 156 <span class="antiqua">m</span> breit und 50 <span class="antiqua">m</span> hoch, besaß 80 -Portale und faßte 85000 Zuschauer. Die Arena selbst war 86 <span class="antiqua">m</span> -lang und konnte nebst dem Zuschauerraum mit einem etwa 180 <span class="antiqua">m</span> -langen Zelttuche gegen die Sonne überspannt werden. Unter ihr waren -weite Hohlräume, aus denen wie durch Zauber ganze Kämpfergruppen -und Scharen von wilden Tieren emporgehoben werden konnten. Auch<span class="pagenum"><a id="Seite_730"></a>[S. 730]</span> -vermochte man sie unter Wasser zu setzen, um ganze Seeschlachten darin -vorzuführen. Wurde des Kaisers Anwesenheit erwartet, so erschien das -ganze Publikum weiß gekleidet und bekränzt. Solche Festtage waren in -Rom durchaus keine Seltenheit. Hören wir doch gelegentlich, daß es -dort jährlich 175 regelmäßige Spieltage gab, die außerordentlichen bei -Triumphen usw. gar nicht gerechnet. Davon entfielen 10 Tage auf die -Gladiatorenkämpfe, 64 auf Wagenrennen, 101 dagegen auf das Theater, in -welchem vorzugsweise operettenhafte Possen, deren Coupletmelodien man -auf allen Gassen pfiff, mit allerlei Anzüglichkeiten auf stadtbekannte -Personen, und zweideutige Pantomimen aufgeführt wurden. Am meisten -zogen beim rohen Pöbel die Fechterspiele und Tierhetzen, bei denen -Blut in Strömen floß und die Arena voller Leichen lag. Das gab eine -Aufregung, wenn man seltene wilde Tiere miteinander kämpfen und sterben -sah! Da füllten sich schon vor Sonnenaufgang die Zuschauerränge, -um ja einen guten Platz bei solchen interessanten Tierhetzen zu -erhalten. Das fesselndste dieser Schauspiele waren die eigentlichen -Jagden, <span class="antiqua">venationes</span> genannt, bei denen ungeheuere Mengen von wilden -Tieren von besonders dazu angestellten Leuten verfolgt und erlegt -wurden. So wurden in der Kaiserzeit alle größeren Tiere der damals den -Römern zugänglichen Welt nicht nur in einzelnen Exemplaren, sondern -gelegentlich in ganzen Scharen dem nach Unterhaltung verlangenden Volke -in der Arena vorgeführt und von gut geschulten, gut bewaffneten und -von starken Hunden unterstützten Jägern, die ihr Handwerk trefflich -verstanden, zum Gaudium des Pöbels kunstgerecht gejagt und schließlich -abgeschlachtet. Nur seltene Tierarten wurden verschont, um späterhin -abermals bei solchen Jagden auftreten zu können. Hauptsächlich waren -es dem Menschen gefährliche Raubtiere, die bei diesen Jagdspielen -auftraten und zur Belustigung des festfeiernden Volkes getötet wurden, -so vor allem Bären, Panther, Tiger, Löwen und Hyänen, seltsamerweise -aber nicht der Wolf. Der mochte für jenes Vergnügen zu gemein und wegen -seiner Feigheit reizlos zum Abschlachten sein. Selten kamen harmlose -große Bestien wie Flußpferde und Giraffen aus dem fernen Afrika in -die Arena, um dem Volke, das damals noch keine zoologischen Gärten -kannte, vorgeführt zu werden. Nach Plinius zeigte Marcus Scaurus in Rom -bei den Spielen, die er als Ädil gab, das erste Flußpferd nebst fünf -Krokodilen, und hatte dazu einen besonderen Teich graben lassen. Nach -Dio Cassius wurde bei den feierlichen Spielen, die Kaiser Augustus gab, -wiederum ein Flußpferd gezeigt und erlegt. Zur Zeit Heliogabals und der -Gordiane waren in Rom im Amphi<span class="pagenum"><a id="Seite_731"></a>[S. 731]</span>theater Flußpferde zu sehen, die damals -wegen der vielen Verfolgungen schon nicht mehr in Ägypten vorkamen, -sondern aus dem Lande der Blemmyer im Sudan geholt werden mußten, also -zweifellos sehr teuer zu stehen kamen. Nach Plinius sah man in Rom die -erste Giraffe bei den Spielen, die der Diktator Cäsar gab, und seitdem -öfter. Nach Flavius Vopiscus gab es zur Zeit des Aurelian mehrere -Giraffen in Rom, und zwar nach Julius Capitolinus zur Zeit der Gordiane -nicht weniger als zehn. Was mögen diese Tiere, die weither vom oberen -Nilgebiet bezogen wurden, bei den mangelhaften Verkehrsverhältnissen -jener Zeit für eine umständliche Reise hinter sich gehabt haben, bis -sie dem verwöhnten Pöbel in Rom gezeigt werden konnten!</p> - -<p>Nach dem Geschichtschreiber Dio Cassius ließ der römische Kaiser -Caligula in Rom 400 Bären auf dem Kampfplatz erscheinen und mit -großen Hunden und schwerbewaffneten Gladiatoren kämpfen. Und Julius -Capitolinus berichtet, daß Gordian I., als er unter Caracalla -und Alexander Severus Konsul war, an einem Tage in Rom 100 libysche -Bestien, an einem andern 1000 Bären im Amphitheater auftreten und -töten ließ. Als er zum sechsten Male Spiele gab, wurden im ganzen 200 -Damhirsche, 30 wilde Pferde, 100 wilde Schafe, 10 Elche, 100 kyprische -Stiere, 300 Strauße, 30 wilde Esel, 150 Wildschweine, 200 Steinböcke -und ebensoviel Antilopen dem Volke preisgegeben. Und unter seinem -Enkel Gordian III. (238–244) wurden einmal in Rom 32 Elefanten, -10 Elche, 10 Tiger, 60 zahme Löwen, 30 zahme Leoparden, 10 Hyänen, 1 -Flußpferd, 1 Nashorn, 10 große Löwen, 10 Giraffen, 20 wilde Esel, 40 -wilde Pferde und noch zahllose derartige Tiere auf die Arena geführt -und bei den Jagdspielen getötet.</p> - -<p>In seiner Biographie des Kaisers Probus (276–282) schreibt Flavius -Vopiscus: „Probus gab im Zirkus ein ungeheures Jagen und überließ -dem Volke die Tiere. Dabei verfuhr er so: Erst ließ er von Soldaten -entwurzelte Bäume im Zirkus pflanzen und wartete ab, bis sie mit grünem -Laube prangten. Als nun der Wald fertig war, wurden alle Zugänge -geöffnet: Es kamen 1000 Strauße in die Arena hinein, dann 1000 Hirsche, -1000 Wildschweine, 1000 Antilopen, Steinböcke, wilde Schafe und andere -graßfressende Haartiere, soviel man hatte auftreiben und füttern -können. Jetzt wurde auch das Volk hereingelassen und jeder packte und -behielt, was ihm beliebte. Am folgenden Tage ließ er im Amphitheater -auf einmal 100 mit Mähnen prangende Löwen los, deren Gebrüll wie Donner -rollte. Sie wurden sämtlich mit sarmatischen Speeren erlegt. Nach -ihnen traten 100 li<span class="pagenum"><a id="Seite_732"></a>[S. 732]</span>bysche Leoparden auf, dann 100 syrische, ferner -100 Löwinnen und 300 Bären. Übrigens war das ganze Schauspiel mehr -großartig als hübsch.“</p> - -<p>Nach Plinius hat zuerst Quintus Scaevola als Ädil mehrere Löwen in -Rom kämpfen lassen. Dann ließ Lucius Sulla, der spätere Diktator, als -Prätor zuerst 100 alte bemähnte Löwen kämpfen, später Pompejus in der -Rennbahn 600 Löwen, worunter 315 mit Mähnen, und Cäsar als Diktator 400 -Löwen. Gezähmte Löwen hat nach demselben Autor zuerst Marcus Antonius, -der Triumvir, vor den Wagen gespannt, und zwar nach der Schlacht bei -Pharsalos, wo er von Augustus besiegt worden war. Nach Dio Cassius -gab Pompejus bei der Einweihung des von ihm erbauten Theaters außer -Wettrennen, Schauspielen, Konzerten und gymnastischen Spielen auch -Tierhetzen im Amphitheater, wobei in der Zeit von fünf Tagen 500 Löwen -erlegt wurden und 18 Elefanten mit bewaffneten Männern kämpften. Und -Julius Capitolinus berichtet, daß bei Jagdspielen, die Kaiser Antoninus -Pius (der Adoptivsohn Kaiser Hadrians, regierte von 138–161) gab, -Elefanten, gefleckte Hyänen, Krokodile, Flußpferde, Tiger und andere -Tiere aus allen Weltgegenden auftraten. Damals wurden auf einmal 100 -Löwen auf den Kampfplatz gelassen.</p> - -<p>Wie an den morgenländischen Fürstenhöfen gab es gelegentlich auch -im Kaiserpalast in Rom gezähmte große Raubtiere als Begleiter der -Cäsaren, wie am Schlusse des XII. Abschnittes über die Katzen -berichtet wurde. Die sich als Götter fühlenden halbverrückten Kaiser, -wie Caracalla (212–217) und Heliogabalus (218–223) ließen sich wie -die ihnen vorschwebenden Vorbilder aus dem Olymp gelegentlich von -bestimmten wilden Tieren auf ihrem Zweigespann ziehen, so ersterer von -Löwen mit der Behauptung, er sei die Göttin Cybele, die man sich von -Löwen gezogen vorstellte, und letzterer nach Lampridius von Tigern als -angeblicher Bacchus; der Tiger war ja mit seinem buntgefleckten Fell -das Leibtier jenes angeblich aus Indien nach den Mittelmeerländern -gekommenen Gottes der Fruchtbarkeit und des Lebensgenusses. Älian sagt, -daß unter den Geschenken, welche die Inder ihrem Könige darbringen, -auch zahme Tiger seien. Aus Indien gelangten solche auch nach Westasien -und in den Machtbereich des römischen Reichs. Nach Plinius hat -Pompejus den ersten zahmen Tiger, den er aus Kleinasien im Jahre 63 -v. Chr. mitbrachte, zu Rom in einem Käfig gezeigt. Nach ihm zeigte -Claudius, der Stiefsohn des Augustus, der nach Caligulas Ermordung -im Jahre 41 von den Prä<span class="pagenum"><a id="Seite_733"></a>[S. 733]</span>torianern zum Kaiser ausgerufen wurde, deren -vier zu gleicher Zeit. Afrikanische Panther durften nach einem alten -Senatsbeschluß nicht nach Italien gebracht werden. Doch setzte nach -Plinius der Volkstribun Cnäus Aufidius beim Volke ein Gesetz durch, -wonach sie wenigstens zur Verwendung bei Jagdspielen im Amphitheater -nach Rom gebracht werden durften. Scaurus habe als Ädil zuerst 150 nach -Rom kommen lassen, dann Pompejus 410 und der vergötterte Augustus 420. -Alle wurden bei Jagdspielen im Zirkus Maximus zur Unterhaltung des -römischen Plebs getötet.</p> - -<p>Derselbe Autor sagt, daß Pompejus zum erstenmal den nordischen Luchs -bei den zirzensischen Spielen in Rom vorführte. Sein Beispiel ist -späterhin kaum je nachgeahmt worden, da dieses Tier zu klein ist, um -Aufsehen zu erregen, was doch der Hauptzweck dieser Tierkämpfe war. -Dagegen war, wie oben geschildert, der grimmige Bär ein dankbares -Objekt, das besonders in der Arena der nördlich der Alpen gelegenen -Theater, die dieses Tier aus den ausgedehnten Wäldern der Umgebung -sich leicht verschaffen konnten, häufig aufzutreten hatte und von -Hunden gehetzt wurde und mit Menschen kämpfte. Auch dieses Tier hat -sich wenigstens ein Kaiser zu seinem Liebling erwählt. Es war dies der -aus Pannonien gebürtige Valentinian I. (364–375), ein sonst -tüchtiger Regent und Krieger. Von ihm erzählt der Geschichtschreiber -Ammianus Marcellinus: „Kaiser Valentinianus hielt sich zwei Bären, -die er mit Menschenfleisch fütterte. Den einen derselben nannte er -Goldkrümchen, den andern Unschuld. Diese Bestien wurden aufs allerbeste -verpflegt; ihre Käfige standen neben dem Wohnzimmer des Kaisers (er -residierte in Mailand) und treue Wärter mußten für ihre Wohlfahrt -sorgen. Endlich ließ er die Unschuld, nachdem sie vor seinen Augen -eine große Anzahl Menschen gefressen hatte, zur Belohnung dieses guten -Dienstes im Walde frei.“</p> - -<p>Zur Kurzweil der mächtigen Herren der Welt wurden in den Palästen Roms -neben gezähmten Raubtieren auch zahme Affen und Papageien gehalten. -Nach dem Griechen Älian war der Affe beliebt, „weil er herrlich -nachahmt und allerlei Verrichtungen leicht lernt, so z. B. tanzen und -die Flöte spielen. Ja, ich habe einen gesehen, der die Zügel hielt, die -Peitsche schwang und kutschierte. An schlimmen Streichen läßt’s der -Affe auch nicht fehlen, namentlich wenn er den Menschen nachahmen will. -Beobachtet er z. B. von fern eine Amme, wie sie ein Kind badet, so paßt -er auf, wo sie es dann hinlegt, schlüpft, wenn die Stube leer ist, -zum Fenster hinein, holt das Kindchen aus<span class="pagenum"><a id="Seite_734"></a>[S. 734]</span> dem Bett, legt es in die -Wanne, holt siedendes Wasser vom Feuer, begießt damit das unglückliche -Geschöpf und tötet es so auf eine jämmerliche Weise.</p> - -<p>In Indien gehen die Paviane in Tierfelle gekleidet, sind gerecht, -tun niemandem was zuleide, sprechen nicht, heulen aber und verstehen -die Sprache der Inder. Sie fressen das Fleisch wilder Tiere, halten -sich auch Ziegen und Schafe und trinken deren Milch. Zur Zeit der -Ptolemäer lehrten die Ägypter den Pavian buchstabieren, auf der Flöte -oder auf einem Saiteninstrument spielen. Das Tier ließ sich auch -seine Mühe bezahlen und steckte, wie ein geübter Bettler, den Lohn -in ein angehängtes Ränzchen. Bekommt so ein Pavian Mandeln, Eicheln, -Nüsse und dergleichen, so knackt er sie auf, wirft die Schale weg und -frißt den Kern. Er trinkt auch Wein und labt sich ganz gehörig an -gesottenem und gebratenem Fleisch, wenn er’s bekommt. Zieht man ihm -ein Kleid an, so schont er es. Hat man ein ganz junges Paviänchen, so -kann es gesäugt werden wie ein Kindchen. — Klitarchos (ein Begleiter -Alexanders des Großen) erzählt, es gebe in den indischen Gebirgen so -große Affen, daß Alexander samt seinem Heere nicht wenig erschrak, als -er plötzlich eine Menge solcher Affen sah und sie für eine feindliche -Armee hielt. Um sie zu fangen, ziehen die Jäger vor ihren Augen Schuhe -an, lassen dann aber die Schuhe stehen, die aus Blei gefertigt und -also schwer sind, zugleich auch Schlingen enthalten. Man erzählt auch -noch allerlei andere Dinge von Affen, die für gescheite Leute recht -interessant sind.“ Auch Plinius weiß allerlei Merkwürdiges von den -Affen zu erzählen. Er sagt von ihnen unter anderem: „Die Affen kommen -der menschlichen Gestalt am nächsten. Ihre Klugheit setzt in Erstaunen. -Nach Mutianus sollen sie sogar Schach spielen und die Figuren -unterscheiden lernen. Die geschwänzten Affen sollen bei abnehmendem -Monde traurig sein, den Neumond aber mit Jubel begrüßen. Mond- und -Sonnenfinsternisse fürchten sie gleich andern Tieren. Haben sie in der -Gefangenschaft Junge bekommen, so tragen sie diese herum, zeigen sie -allen und freuen sich, wenn sie liebkost werden. Meist ersticken sie -die Jungen durch allzu zärtliche Umarmungen.“ Daher die noch bei uns -gebräuchliche Redensart von der Affenliebe. Einst soll ein Affe auch -künftiges Geschehen vorausverkündet haben, wie uns der beredte Cicero -in seinem Buche über Prophezeiungen erzählt: „Als die Spartaner vor der -Schlacht bei Leuktra (in Böotien südwestlich von Theben, wo 371 v. Chr. -die Thebaner unter Epameinondas über die Spartaner unter Kleombrotos -siegten) Ge<span class="pagenum"><a id="Seite_735"></a>[S. 735]</span>sandte nach Dodona schickten, dort den Jupiter zu fragen, -ob Sieg zu hoffen sei, da prophezeite ihnen ein Affe schweres Unglück. -Die Sache verhielt sich so: Als die Gesandten die Urne zurechtgestellt -hatten, worin sich die Lose befanden, kam der Lieblingsaffe des Königs -der Molosser und warf die Lose und alles, was zum Losen gehörte, nach -allen Seiten hin auseinander. Darauf sprach die Priesterin des Jupiter -die Worte: ‚Denkt nicht an Sieg, ihr Lakedaimonier, denkt nur an eure -Rettung!‘“</p> - -<p>Nach den vorhin aus den Angaben der alten Autoren mitgeteilten -Tatsachen läßt sich ersehen, welch ungeheurer Verbrauch von wilden, -aber auch gezähmten Tieren aus allen damals den Römern erreichbaren -Weltgegenden besonders in der Hauptstadt, aber auch in den -Provinzialstädten, die hinter jener nicht zurückbleiben wollten, -jährlich stattfand, alles nur zur Unterhaltung und zum Vergnügen des -Volkes, das in Rom ohne ernsthafte Beschäftigung, von den Machthabern -gefüttert und verwöhnt, nach Brot und Zirkusspielen (<span class="antiqua">panem et -circenses!</span>) schrie. Dort in der Hauptstadt war stets so viel los, -daß der Dichter Juvenal sagen konnte: „Deshalb trauert, wer aus Rom -auswandert!“</p> - -<p>Trotz aller unbeschreiblichen Grausamkeiten, die dabei geübt wurden, -ist aber doch anzuerkennen, daß die Römer mit ihren Tierhetzen zugleich -auch ein unvergleichliches Kulturwerk leisteten. Wenn allein Kaiser -Augustus während seiner allerdings 45jährigen Regierungszeit nicht -weniger als 3500 afrikanische Tiere an den Spielen in Rom umbringen -ließ, wenn bei einer einzigen Hetze des Pompejus 500 Löwen umkamen -und der Betrieb so bis ins 5. Jahrhundert andauerte, so summiert sich -das schließlich zu Millionen. Darunter waren weit mehr schädliche als -nützliche Tiere, und zwar große Raubtiere. So geschah es, daß alle -Provinzen des ausgedehnten Reiches von den großen Raubtieren, die süd- -und westdeutschen Wälder von den Bären planvoll gesäubert und dadurch -erst der friedlichen Kultur erschlossen wurden. Dafür sind die auf -deutschem Boden ausgegrabenen Mosaikfußböden — so beispielsweise auch -das von uns wiedergegebene schöne Mosaik in Bad Kreuznach, etwa aus dem -Jahre 300 n. Chr. — denkwürdige Monumente, wenn sie uns wie dort den -Bären in der Arena von Schwerbewaffneten angegriffen zeigen.</p> - -<p>In Pompeji hat man mehrere Anschläge (<span class="antiqua">programmata</span>) vorgefunden, -durch welche dergleichen Tierhetzen angekündigt wurden. Sie waren mit -roten Buchstaben auf die geweißten Mauern der Stadttore<span class="pagenum"><a id="Seite_736"></a>[S. 736]</span> geschrieben. -Um nun immer wieder neue Anzeigen darauf schreiben zu können, wurden -letztere öfters neu geweißt. Ein solches in Pompeji aufgefundenes -Programm besagt: „Die Gladiatorentruppe des Ädilen Aulus Svettius -Cerius wird zu Pompeji am 31. Mai (79 n. Chr.) kämpfen; es wird eine -Tierhatz geben und das Amphitheater wird mit Tüchern beschattet sein -(<span class="antiqua">familia gladiatoria pugnabit — venatio et vela erunt</span>).“ -Ein anderes zeigt folgendes an: „Die Gladiatorentruppe des Numerius -Popidius Rufus wird am 29. Oktober (79) zu Pompeji kämpfen; es wird -eine Tierhatz geben.“ Tücher zum Schattenspenden werden da keine -erwähnt, da die Sonne im Spätherbst nicht mehr zu heiß schien, und nur -für sie, nicht für etwaigen Regen, waren jene über die Arena und die -Zuschauerplätze ausgespannten Tücher bestimmt. Allerdings kam diese -hier angekündigte Schaustellung nicht mehr zustande, da bekanntlich -jene etwa 30000 Menschen beherbergende blühende Landstadt Kampaniens im -August durch einen fürchterlichen Aschenregen des Vesuvs verschüttet -wurde. Bei den 1748 begonnenen, oft unterbrochenen, erst seit 1860 -mit Energie wieder aufgenommenen Ausgrabungen, wobei bisher erst ein -Drittel der Stadt aufgedeckt wurde, fand man am Amphitheater die sich -nach der <span class="antiqua">arena</span>, dem Kampfplatze hin öffnenden Zwinger für die -wilden Tiere nebst den für die Fechter bestimmten Räumen gut erhalten. -An der Brustwehr waren noch inzwischen von der Witterung zerstörte -Bilder, welche den Kampf zwischen Löwe und Pferd, Bär und Stier, Tiger -und Eber vorstellten. Man fand in jenem Amphitheater eine ziemliche -Menge Einlaßbilletts in Gestalt kleiner Knochenplatten, die die Nummer -des betreffenden Platzes rot aufgemalt trugen.</p> - -<p>Mit dem Verfall des Römertums hörten diese Jagdspiele auf; doch -vergnügten sich die großen Herren noch im Mittelalter gelegentlich -damit, in eigenen Tiergärten großgezogene Bären mit großen Doggen -kämpfen zu lassen. Besonders war solches am sächsischen Hofe unter dem -Kurfürsten August dem Starken (1670–1733), dem späteren König von Polen -der Fall. Flemming erzählt, daß im Jahre 1630 im Schloßhofe in Dresden -binnen acht Tagen drei Bärenhetzen stattfanden. In den beiden ersten -mußten sieben Bären mit Hunden, im dritten aber mit großen Keilern -kämpfen, von denen fünf auf dem Platze blieben. Die Bären wurden -außerdem durch Schwärmer gereizt und vermittelst eines ausgestopften -roten Männchens genarrt. Gewöhnlich stachen die großen Herren selbst -die von den Hunden festgehaltenen Bären ab; August der Starke pflegte -ihnen aber den Kopf abzuhauen.<span class="pagenum"><a id="Seite_737"></a>[S. 737]</span> Mit der Verfeinerung der Sitten kamen -aber diese rohen Schauspiele glücklicherweise allmählich ab.</p> - -<div class="figcenter illowe31_25 break-before" id="tafel69" > - -<p class="captop">Tafel 69.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel69.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Das etwa aus dem Jahre 300 n. Chr. stammende schöne Mosaik - in Bad Kreuznach (Hüffelsheimerstraße 26), das uns Gladiatoren- und Tier-, - besonders Bärenkämpfe in der Arena zeigt.</div> - <p class="grossbild"><a href="images/tafel69_gross.jpg" id="tafel69_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-before" id="tafel70a" > - -<p class="captop">Tafel 70.</p> - - <img class="w100" src="images/tafel70a.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Eine Ochsen- und Bärenhatz, wie sie von der Zunft der Metzger - bis ins 18. Jahrhundert hinein im Fechthause zu Nürnberg abgehalten wurde.<br /> - (Nach einem zeitgenössischen Stich.)</div> -</div> - -<div class="figcenter illowe37_5 break-after" id="tafel70b" > - <img class="w100" src="images/tafel70b.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Englisches Derbyrennen in Epsom zu Anfang des 19. - Jahrhunderts.<br /> - (Nach einer zeitgenössischen Lithographie.) - </div> -</div> - -<p>Wie Gladiatoren- und Tierkämpfe, ebenso der unfeine Mimus und -Pantomimus Ausflüsse des ungebildeten Römertums waren, so bildeten -die Griechen die nationalen Ringkämpfe und Wettrennen, wie auch das -feinere Theater aus. Hier soll nur von den Pferderennen die Rede -sein. Schon bei Homer finden wir in der Ilias bei Gelegenheit der -Leichenfeier von Achilleus’ Freund Patroklos ein Wagenrennen für -Zweispänner veranstaltet, wobei Achilleus Starter und Richter und -Phoinix Kontrolleur am Wendeposten war. Fünf namhafte Griechen fuhren -bei diesem ausgesprochenen Herrenfahren, bei dem schon eifrig gewettet -wurde. Als erster Preis figurierte ein Weib „kundig untadeliger -Arbeiten“ und ein gehenkelter, 22 Maß fassender Dreifuß, als zweiter -Preis eine 6jährige, mit einem Maultier trächtige Stute, als dritter -ein neuer viermaßiger Silberkessel, als vierter zwei Talente Gold und -als fünfter eine neue Doppelschale.</p> - -<div class="figcenter illowe34_375" id="bild64" > - <img class="w100" src="images/bild64.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 64. Zweispänniger Rennwagen von einer griechischen - Vase des 7. Jahrhunderts v. Chr.</div> -</div> - -<p>In der Folge treffen wir das Rennfahren an den vier nationalen Spielen, -den olympischen, pythischen, nemeischen und isthmischen, die alle -vier oder zwei Jahre abgehalten und von ganz Griechenland beschickt -werden. Dabei wurden nur Hengste verwendet, die in Kategorien von -über und unter fünf Jahren eingeteilt wurden. In Olympia wurden acht -verschiedene Rennen gefahren, und zwar in der Rennbahn, die so gebaut -war, daß die Zuschauer den ganzen Verlauf des<span class="pagenum"><a id="Seite_738"></a>[S. 738]</span> Kampfes verfolgen -konnten. Dabei mußten die Konkurrierenden außer den beschworenen neun -Monaten heimatlichen Trainings einen Monat in Olympia selbst geübt -haben. Und bei diesen Übungen wurden alle minderwertigen Gespanne -ausgeschaltet, so daß nur bestes Material zum Wettrennen kam. Das -Hauptrennen bestand in einem Wagenrennen mit vier Hengsten über fünf -Jahre, wobei in gestrecktem Galopp zwölf Umläufe der Rennbahn, im -ganzen 18,5 <span class="antiqua">km</span> gefahren werden mußten. Dann kam ein Wagenrennen -mit zwei Hengsten über fünf und ein solches mit vier Hengsten unter -fünf Jahren, wobei acht Umläufe, d. h. 12,3 <span class="antiqua">km</span> gefahren werden -mußten. Nachher folgte ein Wagenrennen mit zwei Hengsten unter fünf -Jahren mit drei Umläufen, d. h. 4,6 <span class="antiqua">km</span>, ein Reitrennen auf -Hengsten von über fünf und ein solches auf Hengsten von unter fünf -Jahren mit sechs Umläufen, d. h. 9,3 <span class="antiqua">km</span>. Endlich kam ein -Reitrennen auf Stuten, wobei der Reiter beim letzten Umlauf abspringen -und zu Fuß nebenher laufen mußte, und zum Schlusse ein Wagenrennen -mit Maultieren. Dadurch, daß der Besitzer und nicht der Fahrer den -Hauptruhm erntete, legten mehr reiche Leute Geld in die Pferdezucht, -auch wenn sie selbst nicht rennen wollten. Um vier gute Rennen zu -erhalten, mußte der Sportsmann mindestens zehn Pferde züchten oder -kaufen, und aus dieser Zahl wurde nach sorgfältigem Trainieren das -beste Material ausgewählt. Dabei mußten auch für die Wagenrennen die -Pferde zuerst durch Bereiten ausgebildet werden, um ein gleichmäßiges, -andauerndes Reiten im Galopp, eine leichte Wendsamkeit und den -disziplinierten Gehorsam zu erreichen.</p> - -<p>Von den Griechen Unteritaliens übernahmen dann die Römer die -Wagenrennen zumeist mit dem Viergespann. Zu Ende der Republik und -namentlich zur Kaiserzeit bildete das Schauspiel der Wettrennen im -Zirkus eine wichtige Art der Unterhaltung des Stadtrömers. Für diese -diente der in der Senkung zwischen Aventin und Palatin gelegene -Zirkus Maximus von 650 <span class="antiqua">m</span> Länge, in welchem im 4. Jahrhundert -etwa 270000 Zuschauer auf lauter Marmorsitzen Platz fanden. Die von -einem Wassergraben umgebene Rennbahn war durch eine <span class="antiqua">spina</span> genannte -Mauer in zwei Teile geteilt und besaß am Ende die gefürchteten <span class="antiqua">metae</span>, -je drei freie Kegelsäulen aus Goldbronze, an denen die Wagen bei zu -knappem Heranfahren nur zu leicht zerschellten. An den Spieltagen gab -es 20–24 Wettfahrten, wobei der leichte zweiräderige Wagen von vier -meist 3–5jährigen Hengsten gezogen wurde. Die besten Renner kamen -aus Spanien, Sizilien, Kappa<span class="pagenum"><a id="Seite_739"></a>[S. 739]</span>dozien und Afrika, d. h. Algerien. Das -Hauptpferd des Quadriga war das an der Außenseite laufende; ihre -Namen sind uns zu hunderten erhalten, wie auch derjenigen berühmter -Berufskutscher, zu denen junge, leichte Leute genommen wurden. -Ja, schon zehnjährige Knaben produzierten sich als Rennfahrer und -führten das Viergespann mit Erfolg zum Ziel. Siebenmal mußte die Bahn -durchlaufen werden, wobei die Kutscher der verschiedenen Quadrigen in -Röcke von verschiedener Farbe gekleidet waren. Um die Brust trugen sie -den aus Leder und Schnüren verfertigten Wagenlenkerverband, der sie bei -einem Sturze vor Rippenbrüchen schützen sollte; in ihrem Gürtel stak -ein scharfes sichelförmiges Messer, um im Falle der Gefahr die Zügel, -die sie um den Leib geschlungen hatten, zu durchschneiden. Auf dem -Kopfe hatten sie eine schützende Lederkappe; in der Rechten hielten sie -die kurze Peitsche aus Leder und in der Linken die Zügel.</p> - -<div class="figcenter illowe36_5625" id="bild65" > - <img class="w100" src="images/bild65.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 65. Wettfahren mit dem Viergespann bei der - Leichenfeier des Peltas. Links sitzen die Preisrichter und vor ihnen - stehen die als Preise ausgesetzten drei Dreifüße. Darstellung von einer - griechischen Vase des 6. Jahrhunderts v. Chr.</div> -</div> - -<p>Bei der Eröffnung eines jeden Rennens wurden zuerst die Statuen der -Götter Roms und der vergöttlichten Kaiser in feierlicher Prozession -durch den Zirkus getragen, und das Volk huldigte jedem Bilde durch -Zuruf. Dann zog der festgebende Beamte oder Kaiser wie ein Triumphator -durch die Bahn, nahm den Ehrensitz ein und gab das Signal zum Beginn -des Rennens, indem er aus seiner Loge ein Tuch herabwarf. Auf die -besten Renner, deren Namen und Stammbaum jeder Habitué kannte, -wurde eifrig gewettet. Weit vorgebeugt standen die Rennfahrer auf -den leichten zweirädrigen Wagen und belauerten die Gegner, hielten -anfänglich zurück, um dann plötzlich vorzufahren und dem nächsten -Fahrer mit ihrem Wagen den Weg zu verlegen, nicht selten auch mit -Peitschenhieben aufeinander loszuhauen. Die zahlreichen Unfälle machten -eben den Reiz dieser Fahrten aus. Die Wagen zerschlugen sich und die -Fahrer wurden von den Nachfolgenden überfahren oder von ihren eigenen -Pferden geschleift, wenn sie nicht rechtzeitig mit ihren Sichelmessern -die Zügel<span class="pagenum"><a id="Seite_740"></a>[S. 740]</span> durchzuschneiden vermochten. Den Gipfel der Bravour aber -erstiegen jene Rosselenker, die nach dem Verluste des eigenen Wagens -nach Herunterschlagen des Gegners mit dessen Gespann siegten.</p> - -<p>Diese Rosselenker hatten etwas barbarisch Heldenhaftes. Wir haben -Grabinschriften von solchen, die über 2000 Siege davontrugen. Der -Kutscher Scorpus wird von Martial als das Entzücken Roms besungen; die -Todesgöttin, sagt er von ihm, habe seine Siege mit seinen Lebensjahren -verwechselt und so sei er schon als Jüngling gestorben. Ein anderer, -Eutychus, ist für uns denkwürdig, weil der römische Fabeldichter -Phädrus, ein Freigelassener des Augustus, ihm seine dem Griechen Äsop -nachgedichteten Fabeln widmete. Eine Fülle von Bildsäulen wurde diesen -Leuten errichtet, und Kaiser Heliogabalus machte den Kutscher Cordius -unmittelbar zum Kommandanten der Feuerwehr. Dieser Kaiser ließ auch -Quadrigen von Kamelen laufen und gar den großen Wassergraben des Zirkus -mit Wein füllen und darauf allerlei Schiffskämpfe ausführen.</p> - -<p>In der Blütezeit der Wagenrennen waren nicht einzelne Private, sondern -Gesellschaften oder Klubs die Besitzer der Gespanne. Anfangs waren -es zwei, dann vier Parteien, die sich Ställe hielten und Kutscher -mieteten. Letztere waren meist Unfreie oder, wenn sie Freigelassene -waren, fuhren sie um Geld für diejenige Partei, die ihnen am meisten -bezahlte. Ihre enggeraffte ärmellose Tunika zeigte weithin die Farbe -der Partei, für die sie fuhren. Im Laufe der Zeit gingen die Erfolge -der Weißen und Roten mehr und mehr zurück, während die Blauen und -Grünen sich der größten Popularität erfreuten. Auch die Kaiser waren -vielfach leidenschaftlich an dieser Begeisterung für einzelne Parteien -beteiligt, so Vitellius und Caracalla für die Blauen, Nero und Domitian -für die Grünen. Und als nach der Teilung der beiden Reichshälften der -Sitz der Regierung von Rom nach Byzanz verlegt wurde, gingen die Kämpfe -zwischen den Blauen und Grünen hier weiter, so daß durch sie nicht nur -Straßenaufläufe, sondern eigentliche Palastrevolutionen hervorgerufen -wurden. Das ganze Volk verfolgte mit leidenschaftlichem Interesse die -Vorgänge auf der Rennbahn. Von ihrer bronzenen Tribüne pflegten die -Herrscher von Byzanz dem Kampfe zuzusehen. In den Pausen zog sich -dann der Hof zur Mahlzeit zurück. Aber derjenige Kaiser, der dabei -auf die Genüsse der Tafel zu viel Zeit verwendete, setzte damit seine -Popularität aufs Spiel; denn dann wurde das Volk ungeduldig, begann zu -murren und schließlich ertönte der Ruf: „Erhebe dich endlich, du unsere -Sonne, und<span class="pagenum"><a id="Seite_741"></a>[S. 741]</span> gib das Zeichen.“ Denn das war das am meisten beneidete -Vorrecht des Kaisers, daß er mit einer Handbewegung das Zeichen zum -Start geben mußte.</p> - -<p>Wie in Rom gab es auch selbst unter den vornehmen Geistlichen von -Byzanz eigentliche Pferdenarren. Ein solcher war auch der Patriarch -Tophanes, der für seinen Marstall eine Reihe prunkvoll ausgestatteter -Ställe besaß, in denen selbst die Krippen aus massivem Silber -gearbeitet waren. Ein Heer von Dienern sorgte für das Wohlbefinden -der Pferde, streute ihnen nicht nur Heu und Gerste, sondern Datteln, -Feigen, Rosinen und andere Leckerbissen in die Krippen. Die Ställe -wurden mit kostbaren Wohlgerüchen parfümiert und die Pferde auch in -Wein gebadet. Wie weit die Leidenschaft dieses Kirchenfürsten für -seine Pferde ging, zeigt ein charakteristischer Vorfall. Eines Tages -zelebrierte er in der Sophienkirche (Hagia Sophia) das Hochamt. -Plötzlich sah man den Prälaten den Altar verlassen, verschwinden -und Kaiser und Volk in der Kirche stehen lassen. Was war geschehen? -Ein Eilbote hatte dem hohen Herrn die Kunde gebracht, daß sein -Lieblingspferd einem Füllen das Leben gegeben habe. Da litt es ihn -nicht länger in der Kirche. Er unterbrach seine geistliche Handlung -und eilte sofort nach den Ställen, um sich von dem Vorfall selbst zu -überzeugen.</p> - -<div class="figcenter illowe23_4375" id="bild66" > - <img class="w100" src="images/bild66.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 66. Griechischer Rennleiter von einer um 550 v. - Chr. gemalten Vase.</div> -</div> - -<p>Hatten schon die Griechen das Wettreiten dem Wettfahren hintangestellt, -so taten es die Römer noch mehr. Jene Südländer waren eben kein -Reitervolk gewesen, wie etwa die Hunnen und Germanen; ihnen wäre auch -ein einfaches Wett- oder Hürdenrennen zu reizlos und undramatisch -gewesen. Um diese rohen Gemüter zu erfreuen, brauchte es schon -stärkerer Reizmittel als solche harmlose Reiterkünste. Den alten -Deutschen dagegen war das Pferd als Fortbewegungsmittel in Krieg und -Frieden gleich wichtig. Erst in der Zeit der Völkerwanderung kamen -bei ihnen Sättel in Gebrauch, auf die man zum<span class="pagenum"><a id="Seite_742"></a>[S. 742]</span> weicheren Sitzen auch -noch Decken oder Kissen legte. Während man früher nur auf Trense ritt, -wurde in der Ritterzeit die Kandare, oft mit sehr langem Hebelarm, -üblich. Seit der Merowingerzeit wird der Steigbügel und der Sporn mit -einfacher Spitze wie bei den alten Römern gefunden. Öfter findet sich -in den Gräbern jener Zeit nur <em class="gesperrt">ein</em> Sporn, und zwar am linken -Fuße, um das Pferd zu einer Schwenkung nach rechts zu veranlassen, -weil man so dem Feind seine durch den Schild geschützte linke Seite -zukehrte. Schon Tacitus sagt in seiner Germania von den germanischen -Pferden: „Sie werden nicht gelehrt, verschiedenartige Wendungen nach -unserer Art zu machen, sondern man läßt sie geradeaus oder mit einer -Schwenkung nach rechts laufen.“ Zu der Ritterzeit hatte man dann stets -zwei Sporen, und zwar vom 12. Jahrhundert an mit Rädchen. Solange -der Kettenpanzer nur den Mann bedeckte, kam man mit den feingebauten -warmblütigen Schlägen aus. Erst als die Ritter sich nicht nur selbst in -schwere Eisenrüstungen kleideten, sondern auch ihre Pferde in solche -steckten, war man wegen des zu tragenden schweren Gewichts darauf -angewiesen, kräftige kaltblütige Schläge zu bevorzugen. Auf diesen -zogen die Ritter in ihren Plattenpanzern wie in den Krieg so auch zum -friedlichen Scheinkampf, zum <em class="gesperrt">Turnier</em>. Dieses, ursprünglich der -Turnei, vom Französischen <span class="antiqua">le tournoi</span> — von <span class="antiqua">tourner</span>, -mit dem Pferd einen Kreis beschreiben — genannt, kam mit dem ganzen -Apparat der Ritterschaft aus Frankreich, das, von der altrömischen -Kultur befruchtet, früher als Deutschland zur Kulturblüte gelangte. In -Deutschland ist das erste Turnier 1127 in Würzburg abgehalten worden. -Es wurde von Fürsten oder vornehmen Gesellschaften veranstaltet und -war nur dem Adel zugänglich. In prunkvollem Aufzuge, den feurigen -Hengst mit einer Decke (<span class="antiqua">covertiure</span>) in denselben Farben und -mit denselben Wappenbildern wie der Waffenrock des Ritters geziert, -fand man sich mit seinem Gefolge zum ritterlichen Kampfspiel an dem -Orte ein, wohin die Einladung rief. Dabei fanden sich auch allerlei -fahrende Sänger und Gaukler, wie zu jedem Feste im Mittelalter, ein, -und schöngeschmückte, edle Frauen sahen von Tribünen dem Spiele zu.</p> - -<p>Im ausgebildeten Turnier unterschied man drei verschiedene -Waffenübungen. 1. Den mit französischem Namen bezeichneten Buhurt, -ein Reitergefecht in Gruppen, ohne Rüstung und mit ungefährlichen -Waffen. Im Nibelungenlied erscheint er noch als die Hauptsache. -2. Den Tjost, später das Stechen genannt, das dem Ritterideal am -meisten entsprach und in den Ritterepen immer mit besonderer Vorliebe -ge<span class="pagenum"><a id="Seite_743"></a>[S. 743]</span>schildert wird, das vom Erneuerer des Rittertums, König Maximilian -I., mit Vorliebe gepflegt wurde. Der Tjost bestand in dem Kampf -zwischen zweien, die in schwerer Rüstung mit eingelegter Lanze mit -eigentümlicher stumpfdreizackiger Krone an der Spitze aufeinander -losrannten und sich gegenseitig aus dem Sattel zu werfen suchten. Trotz -dem Plattenpanzer und dem das ganze Gesicht bedeckenden Helm gab es da -gelegentlich nicht ungefährliche Verletzungen, wie Knochenbrüche und -Augenauslaufen, so daß ein gewisser Mut zu solchem Stechen gehörte. 3. -Das eigentliche Turnier, das den Schluß und die Hauptsache der ganzen -Veranstaltung bildete. Es war eine Art Kavalleriemanöver, wobei die -Gesamtmasse der Ritter in zwei gleichwertige Hälften geteilt wurde, die -unter den dazu bestimmten Kommandierenden gegeneinander kämpften. Dabei -wurde zuerst mit der Turnierlanze, dann mit dem stumpfen oder durch -einen Stock ersetzten Schwerte, erst zu Pferd, dann zu Fuß gefochten. -Nach dem Urteil des Schiedsgerichts wurden die Sieger ausgerufen und -empfingen von zarter Hand ihren Ehrenpreis. Später wurden verschiedene -Varianten des Tjostierens und Turnierens unterschieden, wie das -Buntrennen, das Offenrennen, das geschift Scheibenrennen, das geschift -Tartschenrennen, das wälsche Rennen in dem Armetin (einer bestimmten -Helmart), das loblich gemain deutsch Stechen (mit dem Krönlein, -der stumpfdreizackigen Lanze), das Stechen im hohen Zeug und im -geschlossenen Sattel und anderes mehr. Das letzte echte Turnier in -Deutschland fand 1487 in Worms statt.</p> - -<p>Wenn auch noch im 17. Jahrhundert Schauturniere gelegentlich an einigen -Höfen Deutschlands stattfanden, so war doch mit dem Beginn des 16. -Jahrhunderts die Zeit dieser ritterlichen Kampfspiele des Mittelalters -endgültig vorbei. Man begnügte sich nach italienischem Vorbild der -Renaissancezeit mit allerlei Figurenreiten, malerischen Aufzügen und -Quadrillen. Dieses Figurenreiten war von den Arabern und Sarazenen -ausgegangen und kam mit der Bezeichnung <span class="antiqua">caracolo</span>, d. h. Wendung -im Kreise (aus dem Arabischen <span class="antiqua">karak</span>) nach Italien, gelangte -dann als <span class="antiqua">caroussel</span> zu den Franzosen und von da zu den übrigen -Kulturvölkern Europas. Man versteht darunter ein Evolutionsspiel zu -Pferde, bei dem das Kreise- und Achterfigurenbeschreiben eine große -Rolle spielte. Diese Reitübungen förderten in der Folge sehr die -Beweglichkeit und Feldtüchtigkeit der Reiterei, so daß sie teilweise -noch bis in unsere Zeit beibehalten wurden.</p> - -<p>Dieses <span class="antiqua">karak</span> der Araber, das speziell die Mauren pflegten, -ist<span class="pagenum"><a id="Seite_744"></a>[S. 744]</span> eines der Reiterspiele, wie sie bei allen Völkern, die Pferde -halten und zum Reiten benutzen, seit dem hohen Altertume beliebt -waren. Diese Reiterspiele stehen gewöhnlich in unmittelbarer -Beziehung zur Kampfmethode des betreffenden Volkes und sollten in -erster Linie dazu dienen, die Kriegstüchtigkeit der Jungmannschaft zu -erhöhen. So treffen wir schon bei den alten Griechen den beliebten -altdeutschen kriegerischen Tanz <span class="antiqua">pyrrhiche</span>, den die Knaben im -15. Jahre erlernten und in welchem unter Flötenklang alle Bewegungen -und Verrichtungen, die beim Kampfe vorkommen, rhythmisch nachgeahmt -wurden. Später wurden solche Übungen auch zu Pferde vorgenommen. Damit -übten sich besonders die Reiter, als Vorbereitung für die wirkliche -Schlacht. Als dann die Römer mit der griechischen Kultur bekannt -wurden, übernahmen sie dieses Kunstreiten mit Waffen und bildeten es -bei ihrer Reiterei weiter aus. Diese Gelegenheit, prächtige Pferde und -gelenkige Beweglichkeit vor bewundernden Zuschauern zu zeigen, ließen -sich die vornehmen römischen Stutzer nicht entgehen. Von Beginn der -Kaiserzeit bis zum Fall des römischen Reichs wurde dieses Kriegsspiel -zu Pferd gern als Schaustellung vorgeführt und hieß später <span class="antiqua">ludus -trajanus</span>, weil Kaiser Trajan dies besonders begünstigte und neue -Variationen dabei einführte. Eine lebendige Beschreibung desselben -findet sich in Claudians Lobgedicht auf das Konsulat des Honorius; -dann finden wir es gelegentlich auf Inschriften erwähnt und auf -Gemmen und Münzen abgebildet, als Beweis dafür, wie beliebt es war. -Nach Überschwemmung des weströmischen Reiches durch die germanischen -Barbarenhorden, pflegte Ostrom dieses Erbe weiter, und so treffen wir -dieses Reiterspiel in Byzanz mit allerlei persischen Ausschmückungen -im sogenannten Ringstechen, bei welchem man mit einer langen Lanze -gegen eine mit konzentrischen Kreisen in verschiedenwertige Flächen -eingeteilte runde Scheiben anritt, und in einer Art Karussel wieder.</p> - -<p>Im Orient wurde von alters her das neuerdings bei den vornehmen -Europäern beliebte <em class="gesperrt">Polospiel</em> zu Pferde geübt. So sandte einst -der Perserkönig Darius, Sohn des Hystaspes, dem König Alexander von -Makedonien (521–485), als er ihm den Tribut verweigerte, einen Ball -und einen Stock zum Polospiel und ließ ihm sagen, solche Beschäftigung -passe für ihn besser als Krieg anzufangen. Die Kreuzfahrer sahen das -Polo in Byzanz beim griechischen Kaiser Manuel Komnenos und brachten -es nach Europa, wo es allmählich zu einem Spiel zu Fuß degradiert und -in England zu Kricket, Fußball und Golf<span class="pagenum"><a id="Seite_745"></a>[S. 745]</span> differenziert wurde. Bei den -Persern und den kriegerischen Stämmen Nordindiens erhielt sich das Polo -bis auf den heutigen Tag. Als der Iman Ibn Omar den Schah Nur-ed-Din -von Persien (ca. 1070 n. Chr.) selbst Polo spielen sah, meinte er, -solche Übung passe nicht für einen Herrscher. Da antwortete er ihm: -er spiele, bei Gott, das Spiel nicht zu seinem Vergnügen, sondern als -gutes Beispiel für seine Untertanen, damit ihre Pferde geübt und sie -selbst gelenkig würden, um im Kampfe ihren Mann zu stellen.</p> - -<p>Wie einst bei den Persern das Polo, so ist heute bei den Arabern -der Dscherid — bei uns besser unter der algerischen Bezeichnung -<span class="antiqua">fantasia</span> bekannt — ein fast täglich zur Übung der Pferde -vorgenommenes Reiterspiel. Darin ist das Karussel mit den -militärischen, bei ihren Kämpfen gebräuchlichen Evolutionen verbunden. -Unter Geschrei und Schwingen des Dscherid, d. h. des aus dem Holz -der Dattelpalme hergestellten Wurfspeers, ritten zwei Reiterscharen -in wildem Galopp aufeinander los, um kurz voreinander anzuhalten, -umzukehren und unter allerlei Wendungen das Spiel aufs neue zu -beginnen. In vollem Laufe mußte der zu Boden geworfene Dscherid wieder -aufgenommen werden, dann stand oder legte man sich auf den Sattel, -benutzte die Vorhand des Pferdes als Schutz und Schild, hing während -des Galopps ganz auf der Seite und schoß dabei mit Pfeil und Bogen -auf ein bestimmtes Ziel, sprang vom Pferde ab und schwang sich wieder -hinauf. Mit der Einführung der Gewehre begnügte man sich, dann blind zu -schießen und einen großen Lärm zu verführen.</p> - -<p>Außer den verschiedenen Reitübungen wurde das Pferd schon im hohen -Altertum auch zu allerlei Kunststücken verwendet, wie wir sie heute -besonders im Zirkus zu bewundern Gelegenheit haben. So weiß schon Homer -in der Ilias von Kunstreitern zu berichten, wenn er sagt: „Gleichwie -ein guter Kunstreiter, nachdem er aus einer großen Anzahl vier Rosse -zusammengefügt, abwechselnd sicher und beständig von einem Pferd auf -das andere springt, während sie dahinfliegen, so schwang sich Ajas -von einem Schiff auf das andere“. Schon bei den alten Mykenäern der -Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends finden wir auf den -Freskomalereien der Palastwände mit Vorliebe solche Jonglierkünste -abgebildet, und zwar sind es statt Pferde wilde Stiere, die beim -Anstürmen in der Arena von leicht geschürzten Männern oder Frauen -an den Hörnern gefaßt werden, wobei sich das betreffende Individuum -in kühnem Bogen über das Ungetüm schwingt, um teilweise mit einem -wahrhaftigen Salto mortale wieder den Boden<span class="pagenum"><a id="Seite_746"></a>[S. 746]</span> zu gewinnen. Daß solche -Darstellungen an den Wänden der Fürstenpaläste so häufig vorkommen, -beweist, daß die betreffenden kunstvollen Spiele des schwachen, aber -intelligenten Menschen mit dem starken, einfältigen Tier in jenen -Kreisen höchst beliebt waren.</p> - -<div class="figcenter illowe37_5" id="bild67" > - <img class="w100" src="images/bild67.jpg" alt="" /> - <div class="caption">Bild 67. Altägyptischer Stierkämpfer mit einem einfachen - Stock gegen die Stiere vorgehend. (Nach Wilkinson.)</div> -</div> - -<p>Schon im alten Reiche Ägyptens sehen wir mehrfach den Menschen, mit -einem einfachen Stock bewaffnet, wildgemachten Stieren entgegentreten -und sie dank seiner geistigen Überlegenheit bezwingen. Solche Spiele -mit Tieren, speziell Kämpfe des Menschen mit wildgemachten Stieren, -kamen schon frühe aus dem Niltal und Westasien auch nach Griechenland -und Rom, wo sie beim Volke besonders populär wurden. Während aber in -den Wirren der Völkerwanderung diese Stiergefechte zur Belustigung -des dabei zuschauenden Publikums aus allen Ländern im Machtbereiche -der römischen Kultur verschwanden, erhielten sie sich als nationales -Vergnügen einzig in Spanien, das dort und im spanischen Amerika trotz -wiederholter Aufhebung wegen der dabei ausgeübten Tierquälerei bis -auf den heutigen Tag sich größter Popularität erfreut, ja trotz aller -Anstrengungen der Tierschutzvereine sich sogar über Südfrankreich -verbreitete und bis nach Genf in die Schweiz hineingelangte. Daß -solches in unserer aufgeklärten, humandenkenden Zeit möglich ist, -beweist eben, daß ein Zug von Gefühlsroheit und Grausamkeit seit dem -Tierhetzen und Menschenschlächtereien im Altertum im romanischen Blute -steckt, der dem Germanen, der ja auch von manchen Tierquälereien, -besonders bei Ausübung der Jagd, nicht ganz freizusprechen ist, -völlig abgeht. Letzterer ist zu gefühlvoll und mitleidig, um die dem -Menschen trotz ihrer natürlichen Waffen wehrlose Kreatur absichtlich -zu peinigen und sich an ihrem Schmerz und den<span class="pagenum"><a id="Seite_747"></a>[S. 747]</span> damit verbundenen -Ausbrüchen von Grimm zu erfreuen. Der Romane aber hat selbst in -der zärter fühlenden Frau noch nicht seine angeborene und durch -Jahrhunderte nicht gebändigte Rohheit überwunden und kennt nichts -höheres, als selbst die Mutter Gottes und die Heiligen an ihrem Feste -durch ein <em class="gesperrt">Stiergefecht</em> zu ehren. Diese werden in besonderen -Amphitheatern — da, wo noch solche aus dem Altertum vorhanden -sind, mit Vorliebe in diesen — auf öffentliche Kosten oder von -Privatunternehmern abgehalten. Der ganze Verlauf des Volksfestes -ähnelt in hohem Maße demjenigen der Arena bei den alten Römern. Die -Stierfechter (<span class="antiqua">toreros</span>) teilen sich in <span class="antiqua">picadores</span>, die -zu Pferd — allerdings auf dem Tode verfallenen wertlosen Rosinanten -mit verbundenen Augen —, die Beine gegen allfällige Angriffe des -Stieres mit seinen spitzen Hörnern sorgsam einbandagiert, mit ihren -Lanzen gegen den Stier losreiten, ihn reizen und ermüden; dann die -<span class="antiqua">banderilleros</span>, die mit roten Bändern gezierte, mit Widerhaken -versehene Stäbe in die Schultern des Tieres stoßen und es dadurch und -durch den damit verbundenen Schmerz wütend machen. Ferner aus den -<span class="antiqua">chulos</span> oder <span class="antiqua">capeadores</span>, die mit Bändern und Schärpen -seine Wut, wenn sie nachzulassen droht, aufs neue erregen und möglichst -steigern, und endlich die meist als <span class="antiqua">matadores</span> bezeichneten -<span class="antiqua">espadas</span> oder Schwertträger, die mit ihren feinen Degen dem Tiere -den Todesstoß ins Rückenmark zu geben haben. Vermochten sie damit -den aufs äußerste gequälten Stier nicht zu töten, so gibt ihnen der -<span class="antiqua">cachetero</span> den Gnadenstoß.</p> - -<p>Zahllos sind die verschiedenen Arten von Tierdressuren, die teils schon -im hohen Altertum, besonders aber heute in unserer genußsüchtigen, -stets nach neuen Sensationen begehrlichen Zeit, dem danach begierigen -Publikum im Zirkus und in Varietétheater vorgeführt werden. Da begnügt -man sich nicht mit dem Anblick friedlich den Wagen ziehender oder auf -Kugeln rollender, sorgsam den furchtsamen Hasen, ohne ihn zu verletzen, -apportierender Löwen, von Elefanten als Seiltänzer oder Musikanten, -die auch griechisch und lateinisch schrieben, wie dies zur römischen -Kaiserzeit Sensation erregte, sondern bringt brennende Lampen aus -Glas und andere heikle Gegenstände jonglierende Seehunde, mit der -Nasenspitze ihnen zugeworfene Erdbeeren und andere Früchte auffangende -und balancierende Seelöwen, usw., von wie Menschen gekleideten und -sich als Gentlemen beim Essen, Rauchen, Radfahren usw. benehmenden -Schimpansen ganz zu schweigen. Es würde uns zu weit führen, auch nur -die merkwürdigsten, durch unendliche Geduld erzielten Tierdressuren -hier zu erwähnen. Es ge<span class="pagenum"><a id="Seite_748"></a>[S. 748]</span>nüge, nur solche Errungenschaften des -Menschengeistes über die Tierseele zu erwähnen.</p> - -<p>Auch Menagerien und Tierschaustellungen sind keine Erwerbung der -Neuzeit; mit den Tiergärten kamen sie teilweise schon im Altertum vor. -Besonders letztere waren an fürstlichen Hofhaltungen beliebt. So ist -im Schi-king ein Tiergarten des Kaisers Wen-wang (um 1150 v. Chr.) -unter der Bezeichnung „Park der Intelligenz“ erwähnt, worin allerlei -Säugetiere, Vögel, Schildkröten und Fische gehalten wurden. Einen -ähnlichen Tiergarten unterhielten die aztekischen Herrscher in Mexiko. -Da gab es nach den zeitgenössischen spanischen Berichten zahlreiche -Gehege, Zwinger, Vogelhäuser und Wasserbecken, in denen die Fauna -Mittelamerikas vollständig vertreten und in systematischer Anordnung -untergebracht war. Die Verpflegung der Raubvögel allein soll täglich -500 Truthähne beansprucht haben.</p> - -<p>Auch den Vornehmen des alten Rom waren Tiergärten bei ihren Villen -eine beliebte Anlage, die meist viele Morgen Landes umfaßte und zum -Schutz gegen das Eindringen von Raubtieren mit einer hohen, glatten -Mauer umgeben war. Im Innern waren Gruppen von hohen Bäumen mit -ausgebreiteten Ästen, die dem Adler und anderen Raubvögeln das Jagen -darin verunmöglichen sollten. In ihnen wurden Hasen, Rehe, Hirsche, -Antilopen und Wildschweine teils zum Vergnügen, teils des Gewinnes -wegen gehalten. Man gewöhnte sie daran, zur Fütterung zu kommen, wenn -ins Horn gestoßen wurde. Varro, dem wir diese Angaben verdanken, sagt -u. a.: „Im Tiergarten des Quintus Hortensius (eines berühmten Redners) -ist ein erhabener Platz mit Pavillon. Während dort gespeist wird, -erscheint ein Orpheus in langem Gewande mit einer Kithara. Er beginnt -die Saiten zu schlagen, es wird ins Horn gestoßen; da erscheinen -sogleich Wildschweine, Hirsche und andere vierfüßige Tiere in Menge und -gewähren ein lustiges Schauspiel.“</p> - -<p>Im Mittelalter traten die tierfreundlichen Araber das Erbe der -Römer an und ein Tiergarten gehörte zum notwendigen Requisit jedes -muhammedanischen Fürstenhofes. Als der größte der Omajaden, Abdurrhaman -III., die Stadt Az-Zahra bei Cordova errichten ließ, ordnete -er auch die Anlage eines Gartens an, in welchem in umgitterten und -eingezäunten Räumen Vögel und seltene vierfüßige Tiere gehalten -wurden. Dies war der älteste Tiergarten Europas. Viel später, zur -Renaissancezeit, unterhielten die kleinen Fürstenhöfe Italiens je eine -kleine Sammlung fremder Tiere. Die berühmteste der<span class="pagenum"><a id="Seite_749"></a>[S. 749]</span>selben war diejenige -des Herzogs Ferrante von Neapel, die unter anderem als bis dahin im -christlichen Abendlande noch nicht gesehene Tiere, eine Giraffe und -ein Zebra, aufwies, die der Herzog vom Kalifen von Bagdad zum Geschenk -erhalten hatte. 1513 schenkte ein Türkensultan dem Könige Emanuel -von Portugal ein ostindisches Nashorn, der dieses zusammen mit einem -Elefanten dem Papste Leo X. verehrte. Dieses Wundertier hat -Albrecht Dürer 1515 in einem bekannten Holzschnitt gezeichnet.</p> - -<p>In Mitteleuropa finden sich Tiergärten zuerst bei den reicheren -Klöstern. So enthielt der „Twinger“ des Klosters St. Gallen im 10. -Jahrhundert Bären, Dachse, Steinböcke, Murmeltiere, Reiher und -Silberfasanen. Im späteren Mittelalter war der Tiergarten in der -Residenz des Hochmeisters des Deutschen Ordens zu Marienburg am -bedeutendsten. Er enthielt außer Hirschen, Rehen und kleinerem Wild -große Ure, Geschenke des Großfürsten Witold von Litauen und des Komturs -von Balga, ferner einen Zwinger mit Bären und Affen, dann Meerkühe und -Meerochsen und seit 1408 auch einen Löwen.</p> - -<p>Namentlich im 16. Jahrhundert waren Ure, Elche und wilde Pferde -die begehrtesten Tiere für die fürstlichen und adeligen Liebhaber -Deutschlands, derentwegen ein lebhafter Briefwechsel und besondere -diplomatische Missionen stattfanden. Die Hauptlieferanten dieser Tiere -waren die Hochmeister des Deutschen Ordens und der Herzog von Preußen. -Schon 1518 sandte der Hochmeister dem Kurfürsten Joachim I. von -Brandenburg einen Ur, der als seltenes Schauspiel gebührend angestaunt -wurde. Die Elche waren damals schon nicht mehr häufig und gingen beim -Transport mitunter zugrunde. So teilte der Pfalzgraf Otto Heinrich vom -Rhein dem Herzog von Preußen 1533 mit, daß von den ihm übersandten -Elchen „das Männle, als es bis auf 64 Meilen Wegs von Königsberg -gekommen, und das Fräule bis auf 28 Meilen von hinnen gestorben“ sei. -In den 1550er Jahren war es besonders der Erzherzog Ferdinand von -Österreich, der sich zur Bereicherung seines Tiergartens in Prag von -Zeit zu Zeit an den Herzog von Preußen wandte. Im Jahre 1591 erhielt -Landgraf Wilhelm IV. von Hessen von Herzog Karl von Schweden -einen Elch, der im Tiergarten von Zapfenburg vortrefflich gedieh. -Im Mai schrieb der Landgraf entzückt an jenen: „Das Elend ist so -lustig, daß wir ein gutes Gefallen an ihm tragen, denn sobald wir nach -Zapfenburg in unsern Tiergarten kommen und es uns reden hört, läuft es -zu uns und läuft hinter unserm Birschwäglein.“ Zwischen den kleineren -und größeren<span class="pagenum"><a id="Seite_750"></a>[S. 750]</span> fürstlichen Tiergärten entwickelte sich ein lebhafter -Austausch, so daß wenigstens die einheimischen Tiere gut vertreten -waren. In den Reichsstädten wurden in den trockenen Gräben vielfach -Hirsche gehalten, was für Frankfurt a. M. 1399, für Solothurn 1448, für -Friedberg 1489, später auch für Zürich, Basel und Luzern nachgewiesen -ist.</p> - -<p>Während alle diese Tiergärten ausschließlich zur Unterhaltung -gegründet wurden, hatte schon Ptolemäos I., Sohn des Lagos, -einer der Feldherren Alexanders des Großen, der erst als Statthalter -der Nachkommen Alexanders, seit 321 selbständig bis zu seinem Tode -283 regierte, neben allerlei wissenschaftlichen Instituten mit einer -großen Bibliothek auch einen großen zoologischen Garten in Alexandrien -errichtet, auf dessen Vermehrung auch sein Sohn und Nachfolger -Ptolemäos II. Philadelphos eifrig bedacht war. So zeigte er den -erstaunten Alexandrinern zum erstenmal ein Nashorn und eine Giraffe. -Zur römischen Kaiserzeit bestand dieser Tiergarten noch, aber mit dem -Untergang der antiken Kultur verschwand auch er, und viele Tierarten, -die den Alten bekannt gewesen waren, gerieten in Vergessenheit oder -verwandelten sich im Volksbewußtsein in seltsame Fabelwesen. Erst mit -der Erweiterung des Horizontes durch die Kreuzzüge begann im Abendlande -im 12. Jahrhundert ein langsames Wiedererwachen des zoologischen -Interesses, das aber erst im Zeitalter der geographischen Entdeckungen -wesentlich gefördert wurde.</p> - -<p>Als Geburtsjahr der modernen Zoologie darf man das Jahr 1635 -ansehen, in welchem ein Edikt Ludwigs XIII. die beiden -Leibärzte Hérouard und Gui de la Brosse zu der Gründung des Jardin -des plantes ermächtigte, der zunächst nur als ein Versuchsgarten -für Medizinalgewächse gedacht war, bald aber mit einer Menagerie -verbunden wurde. Während der großen französischen Revolution wurde auf -Veranlassung von Bernardin de St. Pierre die Versailler Menagerie mit -dem Jardin des plantes vereinigt, und 1797 wurde sogar eine Expedition -nach Afrika gesandt, um neue Tierarten zu erwerben. Ein Gönner des -Gartens war später Mehemet Ali, Pascha von Ägypten, der außer einem -afrikanischen Elefanten, Antilopen usw. auch eine Giraffe sandte, die -1827 in Paris anlangte. Dort wurde sie in der Folge so populär, daß -sich die Mode ihrer bemächtigte und sich die Pariser Damen und Stutzer -länger als ein Jahr <span class="antiqua">à la girafe</span> trugen. Heute wäre allerdings -eine solche Moderichtung schon nach einem Vierteljahr veraltet und -verlassen.</p> - -<p>Nicht minder berühmt als der Jardin des plantes in Paris war<span class="pagenum"><a id="Seite_751"></a>[S. 751]</span> die -kaiserliche Menagerie zu Schönbrunn, die 1742 durch Kaiser Franz -I. und Maria Theresia gegründet worden war und die Bestände der -älteren kaiserlichen Menagerien in sich aufgenommen hatte. Es waren -dies die Menagerie von Ebersdorf (um 1552 gegründet), von Neugebäu -und die vom Prinzen Eugen angelegte Menagerie im Belvedere. Zur -Bereicherung der Schönbrunner Menagerie wurden auf Geheiß Kaiser Josefs -II. zwei große Expeditionen unternommen, die erste von 1783–1785 -nach Nordamerika und Westindien, die zweite von 1787 bis 1788 nach -Südafrika, Isle de France (Mauritius) und Bourbon.</p> - -<p>Der erste wissenschaftlich geleitete zoologische Garten in England war -ein Privatunternehmen des Earl of Derby in Knowsley bei Liverpool. Nach -dem Tode seines Eigentümers ging der sehr bedeutende Tierbestand in -den Besitz der 1828 gegründeten Zoological Society über, die 1829 in -Regent’s Park einen zoologischen Garten anlegte. Schon 1830 enthielt -der Garten über 1000 Tierarten. 1852 wurde mit dem Bau von geräumigen -Aquarien begonnen. Dieser Londoner zoologische Garten wurde das Vorbild -für die meisten Institute dieser Art, die auf dem Kontinent in rascher -Folge ins Leben gerufen wurden und deren bedeutendsten die Gärten von -Amsterdam (1838), Antwerpen (1843), Berlin (1844), Brüssel (1851), -Rotterdam (1857), Frankfurt a. M. (1858), Kopenhagen (1858), Köln -(1860), Dresden (1861), Haag (1863), Hamburg (1863), Moskau (1864), -Breslau und Hannover (beide 1865) sind.</p> - -<p>Durch diese und zahlreiche andere seither eröffnete zoologische Gärten -wurden die wandernden Menagerien und Tierbuden unserer Jahrmärkte, -die bis dahin ausschließlich der Aufklärung des großen Publikums -gedient hatten, stark in den Hintergrund gedrängt. Früher dienten -dressierte Affen und Tanzbären auf den Jahrmärkten zur Befriedigung der -Sensationslust des Volkes. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts kamen von -größeren ausländischen Säugetieren nur der indische Elefant und das -indische Nashorn nach Mitteleuropa. Ersterer wurde zuerst 1443 auf der -Messe in Frankfurt a. M., dann 1562 auf der Breslauer Johannismesse und -1607 in Hamburg, letzteres 1741 zuerst in Holland gezeigt. Es war ein -bei seiner Ankunft drei Jahre altes Tier, das auf den Ankündigungen -ausdrücklich als der Behemoth der Bibel (Hiob 40, tatsächlich aber war -dies ein Flußpferd) und das Einhorn des Mittelalters bezeichnet und -erregte ungeheueres Aufsehen. Auf der Ostermesse 1747 erschien es in -Leipzig, wo ihm Gellert in dem Gedichte:</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_752"></a>[S. 752]</span></p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">„Um das Rhinozeros zu sehen,</div> - <div class="verse indent0">Erzählte mir mein Freund,</div> - <div class="verse indent0">Beschloß ich auszugehen“ usw.</div> - </div> -</div> -</div> - -<p class="p0">ein literarisches Denkmal errichtete. Im Herbste desselben Jahres kam -es nach Nürnberg, im Frühling 1748 nach Augsburg, wo es Joh. Ridinger -sehr gut abzeichnete und radierte.</p> - -<p>Auffallend spät erschienen Kamele in Deutschland. Die erste auf uns -gekommene Nachricht, die sich auf ein solches Tier bezieht, datiert aus -dem Jahre 1487. Erst als es der Großherzog Ferdinand II. von -Toskana 1622 auf seinem Landgute San Rossore bei Pisa zu Zuchtzwecken -einführte, wurden alle Tierbuden und Tiergärten damit versorgt. -Um dieses Tier, das beständig mit dem zweihöckerigen Trampeltier -verwechselt wurde, wand sich wie um die vorigen ein ganzer Kranz von -Fabeln. Am meisten wurde von unseren trinkfesten Vorfahren die Tatsache -angestaunt, „daß der Romdarius auch zu Sommerszeiten 3 Monate ohne -Sauffen leben kann“.</p> - -<p>Von den übrigen, wohl in jeder größeren Menagerie vorhandenen Tieren -ist das Lama außer in Spanien, wo es bald nach der Eroberung Perus -durch Pizzaro gezeigt wurde, zuerst 1558 in Antwerpen zur Schau -gestellt worden, das Krokodil 1566 in Nürnberg, der Elch 1586 ebenfalls -in Nürnberg, das Stachelschwein, das seine totbringenden Stacheln auf -den Gegner schießen sollte, 1627, der indische „Riesenbüffel“ 1745, der -afrikanische Strauß schon 1450 auf der Frankfurter Messe, das Zebra um -1670, der Eisbär 1754 als „crulanischer (wahrscheinlich grönländischer) -Meer-Löwe oder weißer Walfisch-Bär“. Verhältnismäßig spät und selten -— wohl weil ihre Ernährung mit frischem Fleisch sehr kostspielig war -— waren große Raubtiere zu sehen, so 1584 in Nürnberg ein Löwe, 1611 -ein Löwe und ein Tiger. Um so beliebter und verbreiteter waren seit dem -Ende des 18. Jahrhunderts auf allen deutschen Jahrmärkten verschiedene -Robben, besonders deren kleinster Vertreter, der Seehund als angeblich -„menschenfressendes Ungeheuer“ zu sehen. Auch größere Affen wurden -damals als Satyre oder wilde Männer bei uns gezeigt.</p> - -<p>Um die Mitte des 18. Jahrhunderts, mit der Zeit der Aufklärung, -begann die Blütezeit der Wandermenagerien, als deren erste die -des „Herrn Dalmatine, eines geborenen Dalmatiners“ von 1750–1760 -Deutschland durchzog. Deren uns erhaltene Anpreisungszettel wimmeln -von unrichtigen, abenteuerlichen Angaben und Übertreibungen von -der Gefährlichkeit der gezeigten Tiere. Besonders mit der Herkunft -derselben<span class="pagenum"><a id="Seite_753"></a>[S. 753]</span> nahm man es damals nicht genau. Ums Jahr 1800 erschien -in Nürnberg die Menagerie Anton Alpi & Co. mit zwei Elefanten, zwei -Eisbären, einem „großen breitgestreiften König der Tiger aus Bengalen“, -einem „Pander oder gefleckten bengalischen Tiger“, einer Hyäne, -einem „Kasoar“, einem „Condor aus Afrika, man nennet ihn auch den -Lämmer-Geyer oder Geyer-König“, einem „Eremiten oder Einsiedleraffen“, -einem kanadischen Biber — „seine Nahrung besteht bloß in Holz“ — -und „zwey junge Cangoru, welche — wie der Königstiger — noch nie in -Deutschland lebendig gesehen worden sind“. Weniger phantastisch waren -die Ankündigungen der zwischen 1813 und 1815 Deutschland bereisenden -Menagerie Simonelli. Sie besaß einen von den damaligen Zoologen zu -den Faultieren gerechneten Lippenbären und als Glanzstück einen -jungen „großen Barbaro männlichen Geschlechts, welcher die Negerinnen -wegraubt; er ist vom Geschlecht der Waldmänner. Von dem Barbaro kommt -der wahre Orang-Outang oder Waldmann her. Dieser Barbaro, erst 4 Jahre -alt, ist bereits 4<span class="nowrap"><span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">2</span></span> Fuß hoch, seine vollkommene Größe ist 6 oder 7 -Fuß; dieses Tier, das man sehr jung auf der Insel Madagaskar bey dem -Cap der guten Hoffnung gefangen hat, ist jetzt gezähmt, jedoch hält man -es aus Furcht des Zufalls in einem wohlbehaltenen Käfig an einer guten -Kette so, daß es den Zuschauern gar nicht schaden kann.“ Es mag dies -ein Schimpanse auf Westafrika gewesen sein.</p> - -<p>Seit den 1820er Jahren wuchs die Zahl der Wandermenagerien ins -Ungemessene. Unter diesen übertraf alle an Reichhaltigkeit des Inhalts -und Eleganz der Ausstattung das berühmte Institut der holländischen -Familie van Aken, das zwei Jahrzehnte hindurch alle Tierfreunde -des Kontinents in Entzücken versetzte und 1840 an den Zoologischen -Garten von Amsterdam überging. Um 1830 kamen die Dressuren der großen -Raubtiere, besonders des Löwen auf; da war es ein Mitglied der Familie -van Aken, der von der Damenwelt vergötterte „kühne Anton“, dem sogar -die Bändigung eines bengalischen Tigers gelang. Nicht minder berühmt -war sein Zeitgenosse Henri Martin aus Marseille, dessen Lieblingslöwe -„Coburg“, der gewöhnlich das Zimmer mit ihm teilte, einen unrühmlichen -Tod fand, indem er an einem verschluckten Pantoffel starb. In unserer -Zeit hat erst der unternehmende Karl Hagenbeck in Stellingen sowohl den -Import als die Dressur fremdländischer Tiere auf den Gipfel getrieben. -Darin wird er auch von keinem amerikanischen Nebenbuhler übertroffen, -die ja sonst von allem „<span class="antiqua">the biggest in the world</span>“ zu haben -behaupten.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_755"></a>[S. 755]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Sachregister">Sachregister.</h2> - -</div> - -<div class="register"> - -<ul class="index"> -<li class="ifrst"> <b>A</b>al, <a href="#Seite_422">422</a>.</li> - -<li class="indx"> Ackergans, <a href="#Seite_654">654</a>.</li> - -<li class="indx"> Ägyptische Biene, <a href="#Seite_520">520</a>.</li> - -<li class="indx"> Älesbury-Ente, <a href="#Seite_354">354</a>.</li> - -<li class="indx"> Äsche, <a href="#Seite_428">428</a>.</li> - -<li class="indx"> Äskulapnatter, <a href="#Seite_700">700</a>.</li> - -<li class="indx"> Affen, <a href="#Seite_733">733</a>, <a href="#Seite_751">751</a>, <a href="#Seite_752">752</a>.</li> - -<li class="indx"> Afrikanische Biene, <a href="#Seite_520">520</a>.</li> - -<li class="indx"> Aigretten, <a href="#Seite_696">696</a>.</li> - -<li class="indx"> Ailanthusspinner, <a href="#Seite_538">538</a>.</li> - -<li class="indx"> Albatros, <a href="#Seite_696">696</a>.</li> - -<li class="indx"> Alligatoren, <a href="#Seite_701">701</a>.</li> - -<li class="indx"> Alpaca, <a href="#Seite_222">222</a>, <a href="#Seite_224">224</a>.</li> - -<li class="indx"> Alpenschneehuhn, <a href="#Seite_640">640</a>.</li> - -<li class="indx"> Amber, <a href="#Seite_709">709</a>.</li> - -<li class="indx"> Amhurstfasan, <a href="#Seite_332">332</a>.</li> - -<li class="indx"> Anchovis, <a href="#Seite_417">417</a>.</li> - -<li class="indx"> Ancona-Hühner, <a href="#Seite_319">319</a>.</li> - -<li class="indx"> Andalusier Hühner, <a href="#Seite_319">319</a>.</li> - -<li class="indx"> Angolaschaf, <a href="#Seite_126">126</a>.</li> - -<li class="indx"> Angorameerschweinchen, <a href="#Seite_277">277</a>.</li> - -<li class="indx"> Angoraschaf, <a href="#Seite_129">129</a>.</li> - -<li class="indx"> Angoraseidenkaninchen, <a href="#Seite_275">275</a>.</li> - -<li class="indx"> Araberpferd, <a href="#Seite_206">206</a>.</li> - -<li class="indx"> Araras, <a href="#Seite_395">395</a>.</li> - -<li class="indx"> Argali, <a href="#Seite_137">137</a>.</li> - -<li class="indx"> Arkal, <a href="#Seite_126">126</a>.</li> - -<li class="indx"> Arrauschildkröte, <a href="#Seite_699">699</a>.</li> - -<li class="indx"> Aschenhund, <a href="#Seite_18">18</a>.</li> - -<li class="indx"> Astrachanpelz, <a href="#Seite_694">694</a>.</li> - -<li class="indx"> Atlasspinner, <a href="#Seite_540">540</a>.</li> - -<li class="indx"> Auerhahn, <a href="#Seite_639">639</a>.</li> - -<li class="indx"> Auster, <a href="#Seite_460">460</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>B</b>ackenhörnchen, <a href="#Seite_676">676</a>.</li> - -<li class="indx"> Bachforelle, <a href="#Seite_426">426</a>.</li> - -<li class="indx"> Badeschwamm, <a href="#Seite_482">482</a>.</li> - -<li class="indx"> Bär, brauner, <a href="#Seite_615">615</a>, <a href="#Seite_731">731</a>, <a href="#Seite_733">733</a>.</li> - -<li class="indx"> Bärenhetze, <a href="#Seite_736">736</a>.</li> - -<li class="indx"> Bärenrobbe, <a href="#Seite_686">686</a>.</li> - -<li class="indx"> Bankiva-Huhn, <a href="#Seite_300">300</a>, <a href="#Seite_316">316</a>.</li> - -<li class="indx"> Bantam-Huhn, <a href="#Seite_320">320</a>.</li> - -<li class="indx"> Banteng, <a href="#Seite_54">54</a>.</li> - -<li class="indx"> Barsch, <a href="#Seite_441">441</a>.</li> - -<li class="indx"> Bartenwale, <a href="#Seite_703">703</a>.</li> - -<li class="indx"> Bartgrundel, <a href="#Seite_443">443</a>.</li> - -<li class="indx"> Barsoi, <a href="#Seite_26">26</a>.</li> - -<li class="indx"> Bartrobbe, <a href="#Seite_720">720</a>.</li> - -<li class="indx"> Battahund, <a href="#Seite_8">8</a>.</li> - -<li class="indx"> Baumfalke, <a href="#Seite_662">662</a>.</li> - -<li class="indx"> Baummarder, <a href="#Seite_682">682</a>.</li> - -<li class="indx"> Bekassine, <a href="#Seite_648">648</a>.</li> - -<li class="indx"> Beluga, <a href="#Seite_713">713</a>.</li> - -<li class="indx"> Berberpferd, <a href="#Seite_210">210</a>.</li> - -<li class="indx"> Bergamaskerschaf, <a href="#Seite_134">134</a>.</li> - -<li class="indx"> Bergschaf, englisches, <a href="#Seite_134">134</a>.</li> - -<li class="indx"> Bernhardinerhund, <a href="#Seite_32">32</a>.</li> - -<li class="indx"> Beuten, <a href="#Seite_512">512</a>.</li> - -<li class="indx"> Bezoarziege, <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx"> Biber, <a href="#Seite_621">621</a>, <a href="#Seite_676">676</a>, <a href="#Seite_692">692</a>, <a href="#Seite_753">753</a>.</li> - -<li class="indx"> Bilch, <a href="#Seite_627">627</a>.</li> - -<li class="indx"> Bindenschwein, <a href="#Seite_145">145</a>.</li> - -<li class="indx"> Birkhuhn, <a href="#Seite_638">638</a>.</li> - -<li class="indx"> Blasenrobbe, <a href="#Seite_719">719</a>.</li> - -<li class="indx"> Blaufelchen, <a href="#Seite_427">427</a>.</li> - -<li class="indx"> Blaufuchs, <a href="#Seite_693">693</a>.</li> - -<li class="indx"> Bluthunde, <a href="#Seite_37">37</a>.</li> - -<li class="indx"> Boa, <a href="#Seite_701">701</a>.</li> - -<li class="indx"> Bodenrenke, <a href="#Seite_427">427</a>.</li> - -<li class="indx"> Bogenkrabbe, <a href="#Seite_449">449</a>.</li> - -<li class="indx"> Borkentier, <a href="#Seite_722">722</a>.</li> - -<li class="indx"> Brachse, <a href="#Seite_444">444</a>.</li> - -<li class="indx"> Brahmaputra-Huhn, <a href="#Seite_320">320</a>.</li> - -<li class="indx"> Brahmas, <a href="#Seite_320">320</a>.</li> - -<li class="indx"> Braunfisch, <a href="#Seite_715">715</a>.</li> - -<li class="indx"> Brautente, <a href="#Seite_355">355</a>.</li> - -<li class="indx"> Bressehund, <a href="#Seite_19">19</a>.</li> - -<li class="indx"> Brieftaube, <a href="#Seite_382">382</a>.</li> - -<li class="indx"> Bronzehund, <a href="#Seite_22">22</a>.</li> - -<li class="indx"> Buckelrind, <a href="#Seite_54">54</a>.</li> - -<li class="indx"> Buckelwal, <a href="#Seite_707">707</a></li> - -<li class="indx"> Büffel, <a href="#Seite_79">79</a>, <a href="#Seite_752">752</a>.</li> - -<li class="indx"> Bündnerschaf, <a href="#Seite_119">119</a>.</li> - -<li class="indx"> Bündnerschwein, <a href="#Seite_154">154</a>.</li> - -<li class="indx"> Bullenbeißer, <a href="#Seite_36">36</a>.</li> - -<li class="indx"> Burunduk, <a href="#Seite_676">676</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>C</b>hinchilla, <a href="#Seite_677">677</a>.</li> - -<li class="indx"> Chinesische Gans, <a href="#Seite_351">351</a>.</li> - -<li class="indx"> Chittagong-Hühner, <a href="#Seite_317">317</a>.</li> - -<li class="indx"> Churraschaf, <a href="#Seite_130">130</a>.</li> - -<li class="indx"> Cochinchina-Huhn, <a href="#Seite_320">320</a>.</li> - -<li class="indx"> Collie, <a href="#Seite_23">23</a>.</li> - -<li class="indx"> Coypu, <a href="#Seite_676">676</a>.</li> - -<li class="indx"> Crève-Cœur-Hühner, <a href="#Seite_119">119</a>.</li> - -<li class="indx"> Cuvierswal, <a href="#Seite_711">711</a>.</li> - -<li class="indx"> Cyprische Biene, <a href="#Seite_520">520</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>D</b>achs, <a href="#Seite_632">632</a>.</li> - -<li class="indx"> Dachshunde, <a href="#Seite_27">27</a>.</li> - -<li class="indx"> Damhirsch, <a href="#Seite_607">607</a>.</li> - -<li class="indx"> Davidshirsch, <a href="#Seite_228">228</a>.</li> - -<li class="indx"><span class="pagenum"><a id="Seite_756"></a>[S. 756]</span> Delphin, gemeiner, <a href="#Seite_716">716</a>.</li> - -<li class="indx"> Delphin, großer, <a href="#Seite_717">717</a>.</li> - -<li class="indx"> Deutsche Biene, <a href="#Seite_519">519</a>.</li> - -<li class="indx"> Diamantfasan, <a href="#Seite_333">333</a>.</li> - -<li class="indx"> Dinkaschaf, <a href="#Seite_126">126</a>.</li> - -<li class="indx"> Dodo, <a href="#Seite_725">725</a>.</li> - -<li class="indx"> Dögling, <a href="#Seite_710">710</a>.</li> - -<li class="indx"> Doggen, <a href="#Seite_27">27</a>, <a href="#Seite_35">35</a>.</li> - -<li class="indx"> Dogge, dänische, <a href="#Seite_35">35</a>.</li> - -<li class="indx"> — deutsche, <a href="#Seite_35">35</a>.</li> - -<li class="indx"> Dorking-Hühnerrasse, <a href="#Seite_319">319</a>.</li> - -<li class="indx"> Dromedar, <a href="#Seite_216">216</a>.</li> - -<li class="indx"> Dronte, <a href="#Seite_725">725</a>.</li> - -<li class="indx"> Drosseln, <a href="#Seite_387">387</a>, <a href="#Seite_654">654</a>.</li> - -<li class="indx"> Dscherid, <a href="#Seite_745">745</a>.</li> - -<li class="indx"> Dschiggetai, <a href="#Seite_170">170</a>.</li> - -<li class="indx"> Dschungelrind, <a href="#Seite_53">53</a>.</li> - -<li class="indx"> Dujong, <a href="#Seite_724">724</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>E</b>delfalke, <a href="#Seite_659">659</a>.</li> - -<li class="indx"> Edelfasan, <a href="#Seite_331">331</a>.</li> - -<li class="indx"> Edelhirsch, <a href="#Seite_596">596</a>.</li> - -<li class="indx"> Edelkoralle, <a href="#Seite_479">479</a>.</li> - -<li class="indx"> Edelmarder, <a href="#Seite_682">682</a>.</li> - -<li class="indx"> Eichelhäher, <a href="#Seite_391">391</a>.</li> - -<li class="indx"> Eichenseidenspinner, <a href="#Seite_539">539</a>.</li> - -<li class="indx"> Eichhörnchen, <a href="#Seite_624">624</a>.</li> - -<li class="indx"> — graues, <a href="#Seite_675">675</a>, <a href="#Seite_678">678</a>.</li> - -<li class="indx"> Eiderente, <a href="#Seite_651">651</a>.</li> - -<li class="indx"> Einhorn, <a href="#Seite_714">714</a>, <a href="#Seite_751">751</a>.</li> - -<li class="indx"> Einsiedler, <a href="#Seite_726">726</a>.</li> - -<li class="indx"> Eisbär, <a href="#Seite_752">752</a>, <a href="#Seite_753">753</a>.</li> - -<li class="indx"> Elch, <a href="#Seite_609">609</a>, <a href="#Seite_749">749</a>, <a href="#Seite_752">752</a>.</li> - -<li class="indx"> Elchhund, <a href="#Seite_14">14</a>, <a href="#Seite_747">747</a>.</li> - -<li class="indx"> Elefant, indischer, <a href="#Seite_238">238</a>.</li> - -<li class="indx"> — afrikanischer, <a href="#Seite_243">243</a>.</li> - -<li class="indx"> Elefantenrobbe, <a href="#Seite_720">720</a>.</li> - -<li class="indx"> Elenantilope, <a href="#Seite_144">144</a>.</li> - -<li class="indx"> Elstern, <a href="#Seite_391">391</a>.</li> - -<li class="indx"> Emdener Gans, <a href="#Seite_350">350</a>.</li> - -<li class="indx"> Ente, <a href="#Seite_352">352</a>.</li> - -<li class="indx"> Entenwale, <a href="#Seite_710">710</a>.</li> - -<li class="indx"> Erde, eßbare, <a href="#Seite_487">487</a>.</li> - -<li class="indx"> Esel, <a href="#Seite_161">161</a>.</li> - -<li class="indx"> Eskimohund, <a href="#Seite_11">11</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>F</b>ahhad, <a href="#Seite_294">294</a>.</li> - -<li class="indx"> Falbkatze, <a href="#Seite_280">280</a>.</li> - -<li class="indx"> Falken, <a href="#Seite_547">547</a>, <a href="#Seite_658">658</a>.</li> - -<li class="indx"> Falkenjagd, <a href="#Seite_565">565</a>, <a href="#Seite_658">658</a>.</li> - -<li class="indx"> Falkenzähmung, <a href="#Seite_567">567</a>.</li> - -<li class="indx"> Fangvorrichtungen, <a href="#Seite_552">552</a>.</li> - -<li class="indx"> Farbentauben, <a href="#Seite_377">377</a>.</li> - -<li class="indx"> Farörschaf, <a href="#Seite_137">137</a>.</li> - -<li class="indx"> Fasan, <a href="#Seite_331">331</a>, <a href="#Seite_646">646</a>.</li> - -<li class="indx"> Feh, <a href="#Seite_675">675</a>.</li> - -<li class="indx"> Feldhase, <a href="#Seite_618">618</a>.</li> - -<li class="indx"> Feldlerche, <a href="#Seite_656">656</a>.</li> - -<li class="indx"> Feldtaube, <a href="#Seite_377">377</a>.</li> - -<li class="indx"> Felsentaube, <a href="#Seite_361">361</a>.</li> - -<li class="indx"> Fettschwanzschafe, <a href="#Seite_127">127</a>, <a href="#Seite_694">694</a>.</li> - -<li class="indx"> Fettsteißschafe, <a href="#Seite_139">139</a>.</li> - -<li class="indx"> Fezzanschaf, <a href="#Seite_126">126</a>.</li> - -<li class="indx"> Finken, <a href="#Seite_384">384</a>.</li> - -<li class="indx"> Finnwale, <a href="#Seite_708">708</a>.</li> - -<li class="indx"> Fischbein, <a href="#Seite_703">703</a>.</li> - -<li class="indx"> Fischotter, <a href="#Seite_633">633</a>, <a href="#Seite_685">685</a>.</li> - -<li class="indx"> — brasilischer, <a href="#Seite_685">685</a>.</li> - -<li class="indx"> Flachfische, <a href="#Seite_419">419</a>.</li> - -<li class="indx"> Flamingos, <a href="#Seite_339">339</a>.</li> - -<li class="indx"> Flibustier, <a href="#Seite_70">70</a>.</li> - -<li class="indx"> Flundern, <a href="#Seite_419">419</a>.</li> - -<li class="indx"> Flußdelphine, <a href="#Seite_717">717</a>.</li> - -<li class="indx"> Flußkrebs, <a href="#Seite_450">450</a>.</li> - -<li class="indx"> Flußperlmuschel, <a href="#Seite_475">475</a>.</li> - -<li class="indx"> Flußpferd, <a href="#Seite_730">730</a>, <a href="#Seite_751">751</a>.</li> - -<li class="indx"> Forelle, <a href="#Seite_425">425</a>.</li> - -<li class="indx"> Foxterrier, <a href="#Seite_15">15</a>.</li> - -<li class="indx"> Freibeuter, <a href="#Seite_70">70</a>.</li> - -<li class="indx"> Freiburgerrind, <a href="#Seite_69">69</a>.</li> - -<li class="indx"> Frettchen, <a href="#Seite_298">298</a>.</li> - -<li class="indx"> Frutigerschaf, <a href="#Seite_134">134</a>.</li> - -<li class="indx"> Fuchs, <a href="#Seite_630">630</a>, <a href="#Seite_693">693</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>G</b>arneelen, <a href="#Seite_451">451</a>.</li> - -<li class="indx"> Gartenschläfer, <a href="#Seite_628">628</a>.</li> - -<li class="indx"> Gaur, <a href="#Seite_53">53</a>.</li> - -<li class="indx"> Gayal, <a href="#Seite_53">53</a>, <a href="#Seite_78">78</a>.</li> - -<li class="indx"> Gazelle, <a href="#Seite_141">141</a>.</li> - -<li class="indx"> Gebirgspapagei, <a href="#Seite_398">398</a>.</li> - -<li class="indx"> Gebrauchshund, <a href="#Seite_21">21</a>.</li> - -<li class="indx"> Gemse, <a href="#Seite_611">611</a>.</li> - -<li class="indx"> Gepard, <a href="#Seite_294">294</a>.</li> - -<li class="indx"> Germanenpferd, <a href="#Seite_202">202</a>.</li> - -<li class="indx"> Giboea, <a href="#Seite_701">701</a>.</li> - -<li class="indx"> Giraffe, <a href="#Seite_731">731</a>, <a href="#Seite_749">749</a>, <a href="#Seite_750">750</a>.</li> - -<li class="indx"> Gladiatorenkämpfe, <a href="#Seite_728">728</a>.</li> - -<li class="indx"> Glanzstaare, <a href="#Seite_696">696</a>.</li> - -<li class="indx"> Goldfasan, <a href="#Seite_332">332</a>.</li> - -<li class="indx"> Goldlackhuhn, <a href="#Seite_319">319</a>.</li> - -<li class="indx"> Granaten, <a href="#Seite_451">451</a>.</li> - -<li class="indx"> Graugans, <a href="#Seite_343">343</a>, <a href="#Seite_653">653</a>.</li> - -<li class="indx"> Graupapagei, <a href="#Seite_394">394</a>.</li> - -<li class="indx"> Grauwal, <a href="#Seite_706">706</a>.</li> - -<li class="indx"> Grauwerk, <a href="#Seite_675">675</a>.</li> - -<li class="indx"> Greyhound, <a href="#Seite_26">26</a>.</li> - -<li class="indx"> Grindwal, <a href="#Seite_712">712</a>.</li> - -<li class="indx"> Grönlandwal, <a href="#Seite_706">706</a>.</li> - -<li class="indx"> Großflosser, <a href="#Seite_445">445</a>.</li> - -<li class="indx"> Großstirnrind, <a href="#Seite_68">68</a>.</li> - -<li class="indx"> Grunzochse, <a href="#Seite_90">90</a>.</li> - -<li class="indx"> Guanaco, <a href="#Seite_222">222</a>.</li> - -<li class="indx"> Guineaschaf, <a href="#Seite_126">126</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>H</b>abicht, <a href="#Seite_547">547</a>, <a href="#Seite_663">663</a>.</li> - -<li class="indx"> Hahnenkämpfe, <a href="#Seite_308">308</a>.</li> - -<li class="indx"> Halswenderschildkröte, <a href="#Seite_699">699</a>.</li> - -<li class="indx"> Hamburger-Hühner, <a href="#Seite_319">319</a>.</li> - -<li class="indx"> Hase, <a href="#Seite_618">618</a>.</li> - -<li class="indx"> Haselhuhn, <a href="#Seite_639">639</a>.</li> - -<li class="indx"> Haselmaus, <a href="#Seite_628">628</a>.</li> - -<li class="indx"> Haubenhühner, <a href="#Seite_318">318</a>, <a href="#Seite_319">319</a>.</li> - -<li class="indx"> Haubenlerche, <a href="#Seite_656">656</a>.</li> - -<li class="indx"> Hausen, <a href="#Seite_429">429</a>.</li> - -<li class="indx"> Hausgans, <a href="#Seite_343">343</a>.</li> - -<li class="indx"> Haushahn, <a href="#Seite_313">313</a>.</li> - -<li class="indx"> Haushund, <a href="#Seite_7">7</a>.</li> - -<li class="indx"> Hauskatze, chinesische, <a href="#Seite_290">290</a>.</li> - -<li class="indx"> — europäische, <a href="#Seite_288">288</a>.</li> - -<li class="indx"> — malaische, <a href="#Seite_290">290</a>.</li> - -<li class="indx"> Hausmarder, <a href="#Seite_683">683</a>.</li> - -<li class="indx"> Hausmaus, zahme, <a href="#Seite_278">278</a>.</li> - -<li class="indx"> Hausschwein, asiat., <a href="#Seite_155">155</a>.</li> - -<li class="indx"> — europäisches, <a href="#Seite_145">145</a>, <a href="#Seite_154">154</a>.</li> - -<li class="indx"> Haustiere, <a href="#Seite_1">1</a>.</li> - -<li class="indx"> Hebridenschaf, <a href="#Seite_136">136</a>.</li> - -<li class="indx"> Hecht, <a href="#Seite_443">443</a>.</li> - -<li class="indx"> Heidebiene, <a href="#Seite_519">519</a>.</li> - -<li class="indx"> Heideschafe, <a href="#Seite_136">136</a>.</li> - -<li class="indx"><span class="pagenum"><a id="Seite_757"></a>[S. 757]</span> Heidschnucken, <a href="#Seite_136">136</a>.</li> - -<li class="indx"> Herdenhund, <a href="#Seite_7">7</a>.</li> - -<li class="indx"> Hering, <a href="#Seite_414">414</a>.</li> - -<li class="indx"> Hermelin, <a href="#Seite_683">683</a>.</li> - -<li class="indx"> Heuschreckenkrebs, <a href="#Seite_451">451</a>.</li> - -<li class="indx"> Hirtenhunde, <a href="#Seite_38">38</a>.</li> - -<li class="indx"> Hirsch, <a href="#Seite_596">596</a>.</li> - -<li class="indx"> Hirschhund, <a href="#Seite_21">21</a>.</li> - -<li class="indx"> Höckergans, <a href="#Seite_351">351</a>.</li> - -<li class="indx"> Höckerschwan, <a href="#Seite_356">356</a>, <a href="#Seite_653">653</a>.</li> - -<li class="indx"> Hokkohuhn, <a href="#Seite_337">337</a>.</li> - -<li class="indx"> Holothurien, <a href="#Seite_477">477</a>.</li> - -<li class="indx"> Honig, <a href="#Seite_502">502</a>.</li> - -<li class="indx"> Honigbiene, <a href="#Seite_488">488</a>.</li> - -<li class="indx"> Hornviper, <a href="#Seite_700">700</a>.</li> - -<li class="indx"> Houdan-Hühner, <a href="#Seite_319">319</a>.</li> - -<li class="indx"> Huchen, <a href="#Seite_425">425</a>.</li> - -<li class="indx"> Hülsenwurm, <a href="#Seite_44">44</a>.</li> - -<li class="indx"> Hühner, italienische, <a href="#Seite_318">318</a>.</li> - -<li class="indx"> — spanische, <a href="#Seite_318">318</a>.</li> - -<li class="indx"> Hühnerweissagung, <a href="#Seite_302">302</a>.</li> - -<li class="indx"> Huhn, <a href="#Seite_300">300</a>.</li> - -<li class="indx"> Huhntauben, <a href="#Seite_380">380</a>.</li> - -<li class="indx"> Hund, <a href="#Seite_3">3</a>.</li> - -<li class="indx"> Hundebandwurm, <a href="#Seite_44">44</a>.</li> - -<li class="indx"> Hund, epirotischer, <a href="#Seite_31">31</a>.</li> - -<li class="indx"> Hundekünste, <a href="#Seite_43">43</a>.</li> - -<li class="indx"> Hummer, <a href="#Seite_449">449</a>.</li> - -<li class="indx"> Hyäne, <a href="#Seite_753">753</a>.</li> - -<li class="indx"> Hyänenhund, <a href="#Seite_45">45</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>I</b>bis, <a href="#Seite_669">669</a>.</li> - -<li class="indx"> Ibizahund, <a href="#Seite_27">27</a>.</li> - -<li class="indx"> Iltis, <a href="#Seite_679">679</a>.</li> - -<li class="indx"> Iltisfrettchen, <a href="#Seite_299">299</a>.</li> - -<li class="indx"> Infusorienerde, <a href="#Seite_486">486</a>.</li> - -<li class="indx"> Inkahund, <a href="#Seite_39">39</a>.</li> - -<li class="indx"> Inostranzews Hund, <a href="#Seite_17">17</a>.</li> - -<li class="indx"> Italienische Biene, <a href="#Seite_519">519</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>J</b>agd, <a href="#Seite_543">543</a>.</li> - -<li class="indx"> Jagdfalke, <a href="#Seite_565">565</a>, <a href="#Seite_659">659</a>.</li> - -<li class="indx"> Jagdhunde, <a href="#Seite_545">545</a>.</li> - -<li class="indx"> Jagdspiele, <a href="#Seite_733">733</a>.</li> - -<li class="indx"> Japanische Ente, <a href="#Seite_355">355</a>.</li> - -<li class="indx"> Jardin des plantes, <a href="#Seite_750">750</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>K</b>abeljau, <a href="#Seite_413">413</a>.</li> - -<li class="indx"> Kaiserente, <a href="#Seite_354">354</a>.</li> - -<li class="indx"> Kakadus, <a href="#Seite_398">398</a>.</li> - -<li class="indx"> Kamele, <a href="#Seite_189">189</a>, <a href="#Seite_213">213</a>.</li> - -<li class="indx"> Kamel, einhöckeriges, <a href="#Seite_216">216</a>, <a href="#Seite_740">740</a>, <a href="#Seite_752">752</a>.</li> - -<li class="indx"> — zweihöckeriges, <a href="#Seite_215">215</a>.</li> - -<li class="indx"> Kammuschel, <a href="#Seite_463">463</a>.</li> - -<li class="indx"> Kampfhühner, <a href="#Seite_318">318</a>.</li> - -<li class="indx"> Kanadagans, <a href="#Seite_351">351</a>.</li> - -<li class="indx"> Kanarienvogel, <a href="#Seite_384">384</a>.</li> - -<li class="indx"> Kaninchen, <a href="#Seite_270">270</a>, <a href="#Seite_694">694</a>.</li> - -<li class="indx"> — japanische, <a href="#Seite_275">275</a>.</li> - -<li class="indx"> — russische, <a href="#Seite_275">275</a>.</li> - -<li class="indx"> Karausche, chinesische, <a href="#Seite_437">437</a>.</li> - -<li class="indx"> Karausche, europäische, <a href="#Seite_438">438</a>.</li> - -<li class="indx"> Karettschildkröte, <a href="#Seite_697">697</a>.</li> - -<li class="indx"> Kariben, <a href="#Seite_229">229</a>.</li> - -<li class="indx"> Karousselreiten, <a href="#Seite_743">743</a>.</li> - -<li class="indx"> Karpfen, <a href="#Seite_430">430</a>.</li> - -<li class="indx"> Karpfkarausche, <a href="#Seite_439">439</a>.</li> - -<li class="indx"> Karthäuserkatze, <a href="#Seite_289">289</a>.</li> - -<li class="indx"> Kaschmirziege, <a href="#Seite_107">107</a>.</li> - -<li class="indx"> Kasuar, <a href="#Seite_753">753</a>.</li> - -<li class="indx"> Katze, <a href="#Seite_280">280</a>.</li> - -<li class="indx"> Katze der Insel Man, <a href="#Seite_290">290</a>.</li> - -<li class="indx"> Kaulbarsch, <a href="#Seite_442">442</a>.</li> - -<li class="indx"> Kaurischnecke, <a href="#Seite_459">459</a>.</li> - -<li class="indx"> Kea, <a href="#Seite_398">398</a>.</li> - -<li class="indx"> Kieselgur, <a href="#Seite_486">486</a>.</li> - -<li class="indx"> Klappmütze, <a href="#Seite_719">719</a>.</li> - -<li class="indx"> Kluthuhn, <a href="#Seite_317">317</a>.</li> - -<li class="indx"> Knäckente, <a href="#Seite_650">650</a>.</li> - -<li class="indx"> Knotenschwanzkatze, <a href="#Seite_290">290</a>.</li> - -<li class="indx"> Kochinchinahuhn, <a href="#Seite_317">317</a>, <a href="#Seite_320">320</a>.</li> - -<li class="indx"> Königsfasan, <a href="#Seite_332">332</a>.</li> - -<li class="indx"> Königstiger, <a href="#Seite_293">293</a>, <a href="#Seite_732">732</a>, <a href="#Seite_753">753</a>.</li> - -<li class="indx"> Kolibris, <a href="#Seite_696">696</a>.</li> - -<li class="indx"> Kongoschaf, <a href="#Seite_126">126</a>.</li> - -<li class="indx"> Kopffüßler, <a href="#Seite_451">451</a>, <a href="#Seite_709">709</a>.</li> - -<li class="indx"> Koralle, schwarze, <a href="#Seite_480">480</a>.</li> - -<li class="indx"> Kormoran, <a href="#Seite_400">400</a>.</li> - -<li class="indx"> Krainer Biene, <a href="#Seite_519">519</a>.</li> - -<li class="indx"> Krammetsvogel, <a href="#Seite_387">387</a>, <a href="#Seite_655">655</a>.</li> - -<li class="indx"> Kraniche, <a href="#Seite_338">338</a>.</li> - -<li class="indx"> Krickente, <a href="#Seite_650">650</a>.</li> - -<li class="indx"> Krimmerfelle, <a href="#Seite_694">694</a>.</li> - -<li class="indx"> Krokodil, <a href="#Seite_730">730</a>, <a href="#Seite_752">752</a>.</li> - -<li class="indx"> Kropffelchen, <a href="#Seite_428">428</a>.</li> - -<li class="indx"> Kropftauben, <a href="#Seite_379">379</a>.</li> - -<li class="indx"> Krüperhühner, <a href="#Seite_317">317</a>.</li> - -<li class="indx"> Kuhantilope, <a href="#Seite_144">144</a>.</li> - -<li class="indx"> Kuhglocken, <a href="#Seite_76">76</a>.</li> - -<li class="indx"> Kulan, <a href="#Seite_170">170</a>.</li> - -<li class="indx"> Kunstreiten, <a href="#Seite_745">745</a>.</li> - -<li class="indx"> Kurzhornrind, <a href="#Seite_59">59</a>.</li> - -<li class="indx"> Kurzkopfrind, <a href="#Seite_61">61</a>.</li> - -<li class="indx"> Kurzschnabelgans, <a href="#Seite_654">654</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>L</b>achs, <a href="#Seite_423">423</a>.</li> - -<li class="indx"> Lachsforelle, <a href="#Seite_427">427</a>.</li> - -<li class="indx"> Lachtaube, <a href="#Seite_382">382</a>.</li> - -<li class="indx"> Lackenfelder Huhn, <a href="#Seite_321">321</a>.</li> - -<li class="indx"> La Flèche-Hühner, <a href="#Seite_319">319</a>.</li> - -<li class="indx"> Lama, <a href="#Seite_222">222</a>, <a href="#Seite_752">752</a>.</li> - -<li class="indx"> Lamantin, <a href="#Seite_725">725</a>.</li> - -<li class="indx"> Landhühner, <a href="#Seite_318">318</a>.</li> - -<li class="indx"> Landschaf, <a href="#Seite_133">133</a>.</li> - -<li class="indx"> Langhornrind, <a href="#Seite_56">56</a>.</li> - -<li class="indx"> Langshan-Hühner, <a href="#Seite_320">320</a>.</li> - -<li class="indx"> Langstirnrind, <a href="#Seite_59">59</a>.</li> - -<li class="indx"> Languste, <a href="#Seite_449">449</a>.</li> - -<li class="indx"> Laubenfische, <a href="#Seite_445">445</a>.</li> - -<li class="indx"> Laufhund, schweizer., <a href="#Seite_18">18</a>.</li> - -<li class="indx"> Leiners Hund, <a href="#Seite_22">22</a>.</li> - -<li class="indx"> Leporiden, <a href="#Seite_276">276</a>.</li> - -<li class="indx"> Lerchen, <a href="#Seite_656">656</a>.</li> - -<li class="indx"> Libyerschaf, <a href="#Seite_127">127</a>.</li> - -<li class="indx"> Lippenbär, <a href="#Seite_753">753</a>.</li> - -<li class="indx"> Lockentauben, <a href="#Seite_278">278</a>.</li> - -<li class="indx"> Löffelente, <a href="#Seite_650">650</a>.</li> - -<li class="indx"> Löwe, <a href="#Seite_292">292</a>, <a href="#Seite_732">732</a>, <a href="#Seite_752">752</a>.</li> - -<li class="indx"> Luchs, <a href="#Seite_635">635</a>, <a href="#Seite_733">733</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>M</b>adagassische Biene, <a href="#Seite_520">520</a>.</li> - -<li class="indx"> Mähnenschaf, <a href="#Seite_121">121</a>.</li> - -<li class="indx"> Märzgans, <a href="#Seite_343">343</a>.</li> - -<li class="indx"> Maifisch, <a href="#Seite_428">428</a>.</li> - -<li class="indx"> Maikong, <a href="#Seite_40">40</a>.</li> - -<li class="indx"> Makrele, <a href="#Seite_418">418</a>.</li> - -<li class="indx"> Malaienhühner, <a href="#Seite_318">318</a>.</li> - -<li class="indx"> Malaienziege, <a href="#Seite_111">111</a>.</li> - -<li class="indx"> Maltesertaube, <a href="#Seite_390">390</a>.</li> - -<li class="indx"> Mamberziege, <a href="#Seite_106">106</a>.</li> - -<li class="indx"><span class="pagenum"><a id="Seite_758"></a>[S. 758]</span> Mammut, <a href="#Seite_269">269</a>.</li> - -<li class="indx"> Manati, <a href="#Seite_725">725</a>.</li> - -<li class="indx"> Mandarinenente, <a href="#Seite_355">355</a>.</li> - -<li class="indx"> Maräne, <a href="#Seite_427">427</a>.</li> - -<li class="indx"> Markhor, <a href="#Seite_106">106</a>.</li> - -<li class="indx"> Marschrind, <a href="#Seite_69">69</a>.</li> - -<li class="indx"> Marschschaf, <a href="#Seite_137">137</a>.</li> - -<li class="indx"> Maskatesel, <a href="#Seite_172">172</a>.</li> - -<li class="indx"> Maskenschwein, <a href="#Seite_159">159</a>.</li> - -<li class="indx"> Maulbeerseidenspinner, <a href="#Seite_521">521</a>.</li> - -<li class="indx"> Maulesel, <a href="#Seite_174">174</a>.</li> - -<li class="indx"> Maultier, <a href="#Seite_164">164</a>, <a href="#Seite_174">174</a>.</li> - -<li class="indx"> Meerschnecken, <a href="#Seite_452">452</a>.</li> - -<li class="indx"> Meerspinne, <a href="#Seite_449">449</a>.</li> - -<li class="indx"> Meerschwein, <a href="#Seite_715">715</a>.</li> - -<li class="indx"> Meerschweinchen, <a href="#Seite_276">276</a>.</li> - -<li class="indx"> Menagerien, <a href="#Seite_748">748</a>.</li> - -<li class="indx"> Merinoschaf, <a href="#Seite_130">130</a>.</li> - -<li class="indx"> Merlan, <a href="#Seite_412">412</a>.</li> - -<li class="indx"> Miesmuschel, <a href="#Seite_463">463</a>.</li> - -<li class="indx"> Milu, <a href="#Seite_228">228</a>.</li> - -<li class="indx"> Mink, <a href="#Seite_679">679</a>.</li> - -<li class="indx"> Minorca-Hühner, <a href="#Seite_319">319</a>.</li> - -<li class="indx"> Misteldrossel, <a href="#Seite_655">655</a>.</li> - -<li class="indx"> Mövchen, <a href="#Seite_379">379</a>.</li> - -<li class="indx"> Möven, <a href="#Seite_653">653</a>.</li> - -<li class="indx"> Molosserhund, <a href="#Seite_32">32</a>.</li> - -<li class="indx"> Mondkult, <a href="#Seite_48">48</a>.</li> - -<li class="indx"> Mongolen-Ziege, <a href="#Seite_110">110</a>.</li> - -<li class="indx"> Moorente, <a href="#Seite_651">651</a>.</li> - -<li class="indx"> Moorhuhn, <a href="#Seite_640">640</a>.</li> - -<li class="indx"> Moorschnepfe, <a href="#Seite_648">648</a>.</li> - -<li class="indx"> Moschusente, <a href="#Seite_355">355</a>.</li> - -<li class="indx"> Mürgüsziege, <a href="#Seite_110">110</a>.</li> - -<li class="indx"> Muflon, <a href="#Seite_135">135</a>.</li> - -<li class="indx"> Muräne, <a href="#Seite_420">420</a>.</li> - -<li class="indx"> Murmeltier, <a href="#Seite_625">625</a>.</li> - -<li class="indx"> Muschelesser, <a href="#Seite_4">4</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>N</b>ackthalshühner, <a href="#Seite_317">317</a>, <a href="#Seite_319">319</a>.</li> - -<li class="indx"> Nalpserschaf, <a href="#Seite_119">119</a>.</li> - -<li class="indx"> Napfschnecken, <a href="#Seite_458">458</a>.</li> - -<li class="indx"> Natter, glatte, <a href="#Seite_700">700</a>.</li> - -<li class="indx"> Narwal, <a href="#Seite_714">714</a>.</li> - -<li class="indx"> Nase, <a href="#Seite_440">440</a>.</li> - -<li class="indx"> Nashorn, <a href="#Seite_731">731</a>, <a href="#Seite_749">749</a>, <a href="#Seite_751">751</a>.</li> - -<li class="indx"> Nedjeschaf, <a href="#Seite_123">123</a>.</li> - -<li class="indx"> Neufundländerhund, <a href="#Seite_34">34</a>.</li> - -<li class="indx"> Nigerschaf, <a href="#Seite_126">126</a>.</li> - -<li class="indx"> Nilgans, <a href="#Seite_240">240</a>.</li> - -<li class="indx"> Nörz, <a href="#Seite_679">679</a>.</li> - -<li class="indx"> Nordische Biene, <a href="#Seite_519">519</a>.</li> - -<li class="indx"> Norfolkschaf, <a href="#Seite_133">133</a>.</li> - -<li class="indx"> Nutria, <a href="#Seite_676">676</a>.</li> - -<li class="indx"> Nutzfische, <a href="#Seite_412">412</a>.</li> - -<li class="indx"> Nutztiere, <a href="#Seite_2">2</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>O</b>chse, <a href="#Seite_51">51</a>.</li> - -<li class="indx"> Ohrenrobbe, Stellersche, <a href="#Seite_690">690</a>.</li> - -<li class="indx"> Onager, <a href="#Seite_170">170</a>.</li> - -<li class="indx"> Orpington-Hühner, <a href="#Seite_320">320</a>.</li> - -<li class="indx"> Oryxantilope, <a href="#Seite_141">141</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>P</b>aco, <a href="#Seite_225">225</a>.</li> - -<li class="indx"> Paduaner Hühner, <a href="#Seite_320">320</a>.</li> - -<li class="indx"> Pampasrind, <a href="#Seite_72">72</a>.</li> - -<li class="indx"> Panther, <a href="#Seite_733">733</a>.</li> - -<li class="indx"> Papageien, <a href="#Seite_393">393</a>, <a href="#Seite_733">733</a>.</li> - -<li class="indx"> Paradiesfische, <a href="#Seite_445">445</a>.</li> - -<li class="indx"> Paradiesvögel, <a href="#Seite_696">696</a>.</li> - -<li class="indx"> Pariahunde, <a href="#Seite_5">5</a>, <a href="#Seite_16">16</a>.</li> - -<li class="indx"> Parforcejagd, <a href="#Seite_563">563</a>.</li> - -<li class="indx"> Pavian, <a href="#Seite_734">734</a>.</li> - -<li class="indx"> Pekingente, <a href="#Seite_354">354</a>.</li> - -<li class="indx"> Pelikan, <a href="#Seite_653">653</a>.</li> - -<li class="indx"> Pelzhandel, <a href="#Seite_671">671</a>.</li> - -<li class="indx"> Pelzrobben, <a href="#Seite_692">692</a>.</li> - -<li class="indx"> Penelopehuhn, <a href="#Seite_337">337</a>.</li> - -<li class="indx"> Perlen, <a href="#Seite_465">465</a>.</li> - -<li class="indx"> Perlhuhn, <a href="#Seite_322">322</a>.</li> - -<li class="indx"> Perlmuscheln, echte, <a href="#Seite_465">465</a>.</li> - -<li class="indx"> Perückentauben, <a href="#Seite_378">378</a>.</li> - -<li class="indx"> Persianer, <a href="#Seite_675">675</a>, <a href="#Seite_694">694</a>.</li> - -<li class="indx"> Pfahlbauspitz, <a href="#Seite_8">8</a>.</li> - -<li class="indx"> Pfau, <a href="#Seite_324">324</a>.</li> - -<li class="indx"> Pfauentauben, <a href="#Seite_379">379</a>.</li> - -<li class="indx"> Pfeifente, <a href="#Seite_651">651</a>.</li> - -<li class="indx"> Pferd, <a href="#Seite_180">180</a>.</li> - -<li class="indx"> — okzidentales, <a href="#Seite_203">203</a>.</li> - -<li class="indx"> — orientalisches, <a href="#Seite_203">203</a>.</li> - -<li class="indx"> Pferdeschwamm, <a href="#Seite_482">482</a>.</li> - -<li class="indx"> Pflanzenperlen, <a href="#Seite_477">477</a>.</li> - -<li class="indx"> Phönixhuhn, <a href="#Seite_317">317</a>, <a href="#Seite_318">318</a>.</li> - -<li class="indx"> Phoinix, <a href="#Seite_334">334</a>.</li> - -<li class="indx"> Plymouth-Rocks, <a href="#Seite_320">320</a>.</li> - -<li class="indx"> Polospiel, <a href="#Seite_744">744</a>.</li> - -<li class="indx"> Porzellanschnecken, <a href="#Seite_459">459</a>.</li> - -<li class="indx"> Pommersche Gans, <a href="#Seite_350">350</a>.</li> - -<li class="indx"> Potwal, <a href="#Seite_709">709</a>.</li> - -<li class="indx"> Präriewolf, <a href="#Seite_39">39</a>.</li> - -<li class="indx"> Przewalskis Pferd, <a href="#Seite_187">187</a>.</li> - -<li class="indx"> Pudel, <a href="#Seite_24">24</a>.</li> - -<li class="indx"> Purpurhuhn, <a href="#Seite_670">670</a>.</li> - -<li class="indx"> Purpurschnecken, <a href="#Seite_454">454</a>.</li> - -<li class="indx"> Purzlertauben, <a href="#Seite_380">380</a>.</li> - -<li class="indx"> Puter, <a href="#Seite_335">335</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>Q</b>uesal, <a href="#Seite_696">696</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>R</b>aben, <a href="#Seite_391">391</a>, <a href="#Seite_752">752</a>.</li> - -<li class="indx"> Radiolarien, <a href="#Seite_486">486</a>.</li> - -<li class="indx"> Ramelsloher Huhn, <a href="#Seite_321">321</a>.</li> - -<li class="indx"> Ratz, <a href="#Seite_679">679</a>.</li> - -<li class="indx"> Rebhuhn, <a href="#Seite_641">641</a>.</li> - -<li class="indx"> Rechtwale, <a href="#Seite_703">703</a>.</li> - -<li class="indx"> Regenbogenforelle, <a href="#Seite_425">425</a>.</li> - -<li class="indx"> Reh, <a href="#Seite_601">601</a>.</li> - -<li class="indx"> Reiher, <a href="#Seite_339">339</a>.</li> - -<li class="indx"> Reitochsen, <a href="#Seite_74">74</a>.</li> - -<li class="indx"> Renken, <a href="#Seite_427">427</a>.</li> - -<li class="indx"> Rennfahren, <a href="#Seite_737">737</a>.</li> - -<li class="indx"> Renntier, <a href="#Seite_228">228</a>.</li> - -<li class="indx"> Rhönschaf, <a href="#Seite_134">134</a>.</li> - -<li class="indx"> Riemenzahnwale, <a href="#Seite_711">711</a>.</li> - -<li class="indx"> Riesenfinnwal, <a href="#Seite_708">708</a>.</li> - -<li class="indx"> Riesengienmuschel, <a href="#Seite_464">464</a>.</li> - -<li class="indx"> Rind, <a href="#Seite_47">47</a>.</li> - -<li class="indx"> — hornloses, <a href="#Seite_56">56</a>.</li> - -<li class="indx"> Ringdrossel, <a href="#Seite_655">655</a>.</li> - -<li class="indx"> Rissos Delphin, <a href="#Seite_715">715</a>.</li> - -<li class="indx"> Robben, <a href="#Seite_717">717</a>.</li> - -<li class="indx"> Roquefortschaf, <a href="#Seite_137">137</a>.</li> - -<li class="indx"> Rorqual, <a href="#Seite_708">708</a>.</li> - -<li class="indx"> Roßschweife, <a href="#Seite_91">91</a>.</li> - -<li class="indx"> Rotbarben, <a href="#Seite_418">418</a>.</li> - -<li class="indx"> Rotbart, <a href="#Seite_418">418</a>.</li> - -<li class="indx"> Rotforelle, <a href="#Seite_427">427</a>.</li> - -<li class="indx"><span class="pagenum"><a id="Seite_759"></a>[S. 759]</span> Rotfuchs, <a href="#Seite_693">693</a>.</li> - -<li class="indx"> Rothirsch, <a href="#Seite_596">596</a>.</li> - -<li class="indx"> Rotwild, gezähmtes, <a href="#Seite_549">549</a>.</li> - -<li class="indx"> Rudolphis Finnwal, <a href="#Seite_708">708</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>S</b>aatgans, <a href="#Seite_654">654</a>.</li> - -<li class="indx"> Säbelantilope, <a href="#Seite_141">141</a>.</li> - -<li class="indx"> Sahnenziege, <a href="#Seite_103">103</a>.</li> - -<li class="indx"> Saibling, <a href="#Seite_427">427</a>.</li> - -<li class="indx"> Salanganen, <a href="#Seite_657">657</a>.</li> - -<li class="indx"> Salm, <a href="#Seite_423">423</a>.</li> - -<li class="indx"> Samojedenspitz, <a href="#Seite_11">11</a>.</li> - -<li class="indx"> Sandgarneele, <a href="#Seite_451">451</a>.</li> - -<li class="indx"> Sardelle, <a href="#Seite_417">417</a>.</li> - -<li class="indx"> Sardenschaf, <a href="#Seite_133">133</a>.</li> - -<li class="indx"> Sardine, <a href="#Seite_416">416</a>.</li> - -<li class="indx"> Sattelrobbe, <a href="#Seite_719">719</a>.</li> - -<li class="indx"> Schabrackenschakal, <a href="#Seite_17">17</a>.</li> - -<li class="indx"> Schäferhund, <a href="#Seite_23">23</a>.</li> - -<li class="indx"> Schaf, <a href="#Seite_116">116</a>.</li> - -<li class="indx"> — chinesisches, <a href="#Seite_139">139</a>.</li> - -<li class="indx"> — finnisches, <a href="#Seite_136">136</a>.</li> - -<li class="indx"> — nordrussisches, <a href="#Seite_136">136</a>.</li> - -<li class="indx"> — skandinavisches, <a href="#Seite_136">136</a>.</li> - -<li class="indx"> Schakal, <a href="#Seite_5">5</a>.</li> - -<li class="indx"> — kaukasischer, <a href="#Seite_8">8</a>.</li> - -<li class="indx"> Schakalwolf, <a href="#Seite_17">17</a>.</li> - -<li class="indx"> Scheckenkaninchen, <a href="#Seite_275">275</a>.</li> - -<li class="indx"> Schellfisch, <a href="#Seite_412">412</a>.</li> - -<li class="indx"> Schildkröten, <a href="#Seite_697">697</a>.</li> - -<li class="indx"> Schildkrot, <a href="#Seite_697">697</a>.</li> - -<li class="indx"> Schildpatt, <a href="#Seite_697">697</a>.</li> - -<li class="indx"> Schimpanse, <a href="#Seite_747">747</a>, <a href="#Seite_753">753</a>.</li> - -<li class="indx"> Schlafmaus, <a href="#Seite_627">627</a>.</li> - -<li class="indx"> Schleie, <a href="#Seite_439">439</a>.</li> - -<li class="indx"> Schmerle, <a href="#Seite_443">443</a>.</li> - -<li class="indx"> Schmuckvögel, <a href="#Seite_696">696</a>.</li> - -<li class="indx"> Schnatterente, <a href="#Seite_650">650</a>.</li> - -<li class="indx"> Schnäpel, <a href="#Seite_428">428</a>.</li> - -<li class="indx"> Schnecken, <a href="#Seite_452">452</a>.</li> - -<li class="indx"> Schneehuhn, <a href="#Seite_640">640</a>.</li> - -<li class="indx"> Schnepfen, <a href="#Seite_646">646</a>.</li> - -<li class="indx"> Schollen, <a href="#Seite_419">419</a>.</li> - -<li class="indx"> Schraubenziege, <a href="#Seite_106">106</a>.</li> - -<li class="indx"> Schupp, <a href="#Seite_677">677</a>.</li> - -<li class="indx"> Schwalben, <a href="#Seite_696">696</a>.</li> - -<li class="indx"> Schwan, <a href="#Seite_356">356</a>.</li> - -<li class="indx"> Schwanengans, <a href="#Seite_351">351</a>.</li> - -<li class="indx"> Schwarzbockantilope, <a href="#Seite_295">295</a>.</li> - -<li class="indx"> Schwarzfuchs, <a href="#Seite_693">693</a>.</li> - -<li class="indx"> Schwarzhalsschwan, <a href="#Seite_359">359</a>.</li> - -<li class="indx"> Schwarzschwan, <a href="#Seite_359">359</a>.</li> - -<li class="indx"> Schwarzwild, gezähmtes, <a href="#Seite_549">549</a>.</li> - -<li class="indx"> Schwein, <a href="#Seite_145">145</a>.</li> - -<li class="indx"> — romanisches, <a href="#Seite_154">154</a>.</li> - -<li class="indx"> — kraushaariges, <a href="#Seite_154">154</a>.</li> - -<li class="indx"> Schweinezucht, deutsche, <a href="#Seite_151">151</a>.</li> - -<li class="indx"> Schweißhund, <a href="#Seite_21">21</a>.</li> - -<li class="indx"> Schwertwal, <a href="#Seite_715">715</a>.</li> - -<li class="indx"> Sealskin, <a href="#Seite_673">673</a>, <a href="#Seite_689">689</a>.</li> - -<li class="indx"> Sebastopolgans, <a href="#Seite_350">350</a>.</li> - -<li class="indx"> Seeeinhorn, <a href="#Seite_714">714</a>.</li> - -<li class="indx"> Seeforelle, <a href="#Seite_426">426</a>.</li> - -<li class="indx"> Seegurke, eßbare, <a href="#Seite_478">478</a>.</li> - -<li class="indx"> Seegurken, <a href="#Seite_477">477</a>.</li> - -<li class="indx"> Seehund, grönländischer, <a href="#Seite_719">719</a>, <a href="#Seite_747">747</a>, <a href="#Seite_752">752</a>.</li> - -<li class="indx"> Seeigel, <a href="#Seite_478">478</a>.</li> - -<li class="indx"> Seekühe, <a href="#Seite_724">724</a>.</li> - -<li class="indx"> Seekuh, Stellersche, <a href="#Seite_723">723</a>.</li> - -<li class="indx"> Seelöwe, <a href="#Seite_690">690</a>, <a href="#Seite_747">747</a>.</li> - -<li class="indx"> Seeotter, <a href="#Seite_685">685</a>.</li> - -<li class="indx"> Seeschwalben, <a href="#Seite_696">696</a>.</li> - -<li class="indx"> Seevögel, <a href="#Seite_696">696</a>.</li> - -<li class="indx"> Seezunge, <a href="#Seite_419">419</a>.</li> - -<li class="indx"> Segeltaucher, <a href="#Seite_653">653</a>.</li> - -<li class="indx"> Segusier Hund, <a href="#Seite_20">20</a>.</li> - -<li class="indx"> Shetlandschaf, <a href="#Seite_137">137</a>.</li> - -<li class="indx"> Senegalschaf, <a href="#Seite_126">126</a>.</li> - -<li class="indx"> Seidenhühner, <a href="#Seite_317">317</a>, <a href="#Seite_320">320</a>.</li> - -<li class="indx"> Seidenraupenzucht, <a href="#Seite_527">527</a>.</li> - -<li class="indx"> Seidenreiher, <a href="#Seite_695">695</a>.</li> - -<li class="indx"> Seidenspinner, <a href="#Seite_521">521</a>.</li> - -<li class="indx"> Seitenschwimmer, <a href="#Seite_419">419</a>.</li> - -<li class="indx"> Sepia, <a href="#Seite_451">451</a>.</li> - -<li class="indx"> Siamkatze, <a href="#Seite_290">290</a>.</li> - -<li class="indx"> Siebenschläfer, <a href="#Seite_627">627</a>.</li> - -<li class="indx"> Silberfasan, <a href="#Seite_333">333</a>.</li> - -<li class="indx"> Silberfisch, <a href="#Seite_434">434</a>.</li> - -<li class="indx"> Silberfuchs, <a href="#Seite_693">693</a>.</li> - -<li class="indx"> Silberkaninchen, <a href="#Seite_275">275</a>.</li> - -<li class="indx"> Silberlack-Hühner, <a href="#Seite_319">319</a>.</li> - -<li class="indx"> Silberreiher, <a href="#Seite_695">695</a>.</li> - -<li class="indx"> Silbersprenkel-Hühner, <a href="#Seite_319">319</a>.</li> - -<li class="indx"> Simmentalerrind, <a href="#Seite_69">69</a>.</li> - -<li class="indx"> Singschwan, <a href="#Seite_357">357</a>, <a href="#Seite_653">653</a>.</li> - -<li class="indx"> Sittiche, <a href="#Seite_696">696</a>.</li> - -<li class="indx"> Slughi, <a href="#Seite_26">26</a>.</li> - -<li class="indx"> Somaliziege, <a href="#Seite_106">106</a>.</li> - -<li class="indx"> Sowerbys Riemenzahnwal, <a href="#Seite_711">711</a>.</li> - -<li class="indx"> Sperber, <a href="#Seite_547">547</a>, <a href="#Seite_665">665</a>.</li> - -<li class="indx"> Spermaceti, <a href="#Seite_709">709</a>.</li> - -<li class="indx"> Spiele, circensische, <a href="#Seite_733">733</a>.</li> - -<li class="indx"> Spieltauben, <a href="#Seite_377">377</a>.</li> - -<li class="indx"> Spießente, <a href="#Seite_650">650</a>.</li> - -<li class="indx"> Springbock, <a href="#Seite_143">143</a>.</li> - -<li class="indx"> Sprotte, <a href="#Seite_416">416</a>.</li> - -<li class="indx"> Steckmuschel, <a href="#Seite_464">464</a>.</li> - -<li class="indx"> Stachelschwein, <a href="#Seite_752">752</a>.</li> - -<li class="indx"> Steinbock, europäisch., <a href="#Seite_114">114</a>.</li> - -<li class="indx"> — nordafrikanischer, <a href="#Seite_141">141</a>.</li> - -<li class="indx"> — sibirischer, <a href="#Seite_115">115</a>.</li> - -<li class="indx"> Steinbutt, <a href="#Seite_419">419</a>.</li> - -<li class="indx"> Steinmarder, <a href="#Seite_683">683</a>.</li> - -<li class="indx"> Steinseeigel, <a href="#Seite_478">478</a>.</li> - -<li class="indx"> Steppenesel, westasiatischer, <a href="#Seite_170">170</a>.</li> - -<li class="indx"> — nordafrikanischer, <a href="#Seite_162">162</a>.</li> - -<li class="indx"> Steppenkuh, <a href="#Seite_141">141</a>.</li> - -<li class="indx"> Steppenrind, <a href="#Seite_68">68</a>.</li> - -<li class="indx"> Steppenschaf, <a href="#Seite_126">126</a>.</li> - -<li class="indx"> Steppenwolf, <a href="#Seite_26">26</a>.</li> - -<li class="indx"> Sterlet, <a href="#Seite_429">429</a>.</li> - -<li class="indx"> Stieglitz, <a href="#Seite_696">696</a>.</li> - -<li class="indx"> Stiergefecht, <a href="#Seite_747">747</a>.</li> - -<li class="indx"> Stirnrind, <a href="#Seite_78">78</a>.</li> - -<li class="indx"> Stockente, <a href="#Seite_353">353</a>, <a href="#Seite_648">648</a>.</li> - -<li class="indx"> Stör, <a href="#Seite_429">429</a>.</li> - -<li class="indx"> Störche, <a href="#Seite_339">339</a>.</li> - -<li class="indx"> Storch, weißer, <a href="#Seite_667">667</a>.</li> - -<li class="indx"> — schwarzer, <a href="#Seite_667">667</a>.</li> - -<li class="indx"> Strauß, <a href="#Seite_403">403</a>, <a href="#Seite_752">752</a>.</li> - -<li class="indx"> Struppgans, <a href="#Seite_350">350</a>.</li> - -<li class="indx"> Strupphühner, <a href="#Seite_317">317</a>.</li> - -<li class="indx"> Sumpfbiber, <a href="#Seite_676">676</a>.</li> - -<li class="indx"> Sumpfluchs, <a href="#Seite_289">289</a>, <a href="#Seite_292">292</a>.</li> - -<li class="indx"> Sumpfschnepfe, <a href="#Seite_648">648</a>.</li> - -<li class="indx"><span class="pagenum"><a id="Seite_760"></a>[S. 760]</span> Sundarind, <a href="#Seite_54">54</a>.</li> - -<li class="indx"> Suppenschildkröte, <a href="#Seite_698">698</a>.</li> - -<li class="indx"> Syrische Biene, <a href="#Seite_520">520</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>T</b>afelente, <a href="#Seite_651">651</a>.</li> - -<li class="indx"> Tahr, <a href="#Seite_111">111</a>.</li> - -<li class="indx"> Tanzmäuse, japan., <a href="#Seite_279">279</a>.</li> - -<li class="indx"> Tanzbär, <a href="#Seite_751">751</a>.</li> - -<li class="indx"> Tanzratte, <a href="#Seite_279">279</a>.</li> - -<li class="indx"> Tarpan, <a href="#Seite_184">184</a>.</li> - -<li class="indx"> Taschenkrebs, <a href="#Seite_449">449</a>.</li> - -<li class="indx"> Tatarenschaf, <a href="#Seite_139">139</a>.</li> - -<li class="indx"> Taube, <a href="#Seite_361">361</a>.</li> - -<li class="indx"> Teichkarausche, <a href="#Seite_434">434</a>.</li> - -<li class="indx"> Teichkarpfen, <a href="#Seite_430">430</a>.</li> - -<li class="indx"> Thüringerschaf, <a href="#Seite_134">134</a>.</li> - -<li class="indx"> Thunfische, <a href="#Seite_418">418</a>.</li> - -<li class="indx"> Tibetdogge, <a href="#Seite_28">28</a>.</li> - -<li class="indx"> Tibetschaf, <a href="#Seite_693">693</a>.</li> - -<li class="indx"> Tiergärten, <a href="#Seite_748">748</a>.</li> - -<li class="indx"> Tierhetzen, <a href="#Seite_735">735</a>.</li> - -<li class="indx"> Tierschaustellungen, <a href="#Seite_748">748</a>.</li> - -<li class="indx"> Tiger, <a href="#Seite_293">293</a>, <a href="#Seite_732">732</a>, <a href="#Seite_752">752</a>.</li> - -<li class="indx"> Tintenfische, <a href="#Seite_451">451</a>.</li> - -<li class="indx"> Toggenburger Ziege, <a href="#Seite_103">103</a>.</li> - -<li class="indx"> Tollwut, <a href="#Seite_44">44</a>.</li> - -<li class="indx"> Tonnenschnecke, <a href="#Seite_457">457</a>.</li> - -<li class="indx"> Torfhund, <a href="#Seite_8">8</a>.</li> - -<li class="indx"> Torfrind, <a href="#Seite_52">52</a>, <a href="#Seite_59">59</a>.</li> - -<li class="indx"> Torfschaf, <a href="#Seite_119">119</a>.</li> - -<li class="indx"> Torfschwein, <a href="#Seite_152">152</a>.</li> - -<li class="indx"> Trampeltier, <a href="#Seite_215">215</a>.</li> - -<li class="indx"> Transpender, <a href="#Seite_702">702</a>.</li> - -<li class="indx"> Trappe, <a href="#Seite_638">638</a>.</li> - -<li class="indx"> Trauerschwan, <a href="#Seite_359">359</a>.</li> - -<li class="indx"> Trepang, <a href="#Seite_477">477</a>.</li> - -<li class="indx"> Tritonshörner, <a href="#Seite_458">458</a>.</li> - -<li class="indx"> Trogon, <a href="#Seite_696">696</a>.</li> - -<li class="indx"> Trommeltauben, <a href="#Seite_378">378</a>.</li> - -<li class="indx"> Truthuhn, <a href="#Seite_335">335</a>.</li> - -<li class="indx"> Tschau, <a href="#Seite_11">11</a>.</li> - -<li class="indx"> Tschita, <a href="#Seite_294">294</a>.</li> - -<li class="indx"> Tümmler, <a href="#Seite_715">715</a>.</li> - -<li class="indx"> Tümmlertaube, <a href="#Seite_380">380</a>.</li> - -<li class="indx"> Tungusenhund, <a href="#Seite_11">11</a>.</li> - -<li class="indx"> Turteltaube, <a href="#Seite_383">383</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>U</b>klei, <a href="#Seite_477">477</a>.</li> - -<li class="indx"> Ur, <a href="#Seite_58">58</a>, <a href="#Seite_62">62</a>, <a href="#Seite_749">749</a>.</li> - -<li class="indx"> Urhuhn, <a href="#Seite_639">639</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>V</b>icuña, <a href="#Seite_222">222</a>.</li> - -<li class="indx"> Vogelnester, eßbare, <a href="#Seite_657">657</a>.</li> - -<li class="indx"> Vorstehhunde, <a href="#Seite_20">20</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>W</b>acholderdrossel, <a href="#Seite_387">387</a>, <a href="#Seite_655">655</a>.</li> - -<li class="indx"> Wachtel, <a href="#Seite_642">642</a>.</li> - -<li class="indx"> Wachtelkämpfe, <a href="#Seite_644">644</a>.</li> - -<li class="indx"> Wagen, heiliger, <a href="#Seite_51">51</a>.</li> - -<li class="indx"> Wagenrennen, <a href="#Seite_737">737</a>.</li> - -<li class="indx"> Waldbienenzucht, <a href="#Seite_510">510</a>.</li> - -<li class="indx"> Waldschnepfe, <a href="#Seite_647">647</a>.</li> - -<li class="indx"> Wale, <a href="#Seite_703">703</a>.</li> - -<li class="indx"> Walfang, <a href="#Seite_705">705</a>.</li> - -<li class="indx"> Walliser Schaf, <a href="#Seite_134">134</a>.</li> - -<li class="indx"> Walliser Ziege, <a href="#Seite_102">102</a>.</li> - -<li class="indx"> Walrat, <a href="#Seite_708">708</a>, <a href="#Seite_711">711</a>.</li> - -<li class="indx"> Walroß, <a href="#Seite_720">720</a>.</li> - -<li class="indx"> Wanderfalke, <a href="#Seite_660">660</a>.</li> - -<li class="indx"> Wandermenagerien, <a href="#Seite_753">753</a>.</li> - -<li class="indx"> Wanderschafe, <a href="#Seite_131">131</a>.</li> - -<li class="indx"> Warzentauben, <a href="#Seite_381">381</a>.</li> - -<li class="indx"> Waschbär, <a href="#Seite_678">678</a>.</li> - -<li class="indx"> Wasserbock, <a href="#Seite_141">141</a>.</li> - -<li class="indx"> Wegschnecke, rote, <a href="#Seite_454">454</a>.</li> - -<li class="indx"> Weinbergschnecke, <a href="#Seite_452">452</a>.</li> - -<li class="indx"> Wellensittiche, <a href="#Seite_396">396</a>.</li> - -<li class="indx"> Weindrossel, <a href="#Seite_655">655</a>.</li> - -<li class="indx"> Weißfische, <a href="#Seite_445">445</a>.</li> - -<li class="indx"> Weißfuchs, <a href="#Seite_693">693</a>.</li> - -<li class="indx"> Weißwal, <a href="#Seite_713">713</a>.</li> - -<li class="indx"> Wettfahren, <a href="#Seite_741">741</a>.</li> - -<li class="indx"> Wiesel, <a href="#Seite_298">298</a>, <a href="#Seite_684">684</a>.</li> - -<li class="indx"> — großes, <a href="#Seite_683">683</a>.</li> - -<li class="indx"> Wildgänse, <a href="#Seite_653">653</a>.</li> - -<li class="indx"> Wildhund, <a href="#Seite_3">3</a>.</li> - -<li class="indx"> Wildkatze, <a href="#Seite_635">635</a>.</li> - -<li class="indx"> Wildpferd, <a href="#Seite_180">180</a>.</li> - -<li class="indx"> Wildschwäne, <a href="#Seite_653">653</a>.</li> - -<li class="indx"> Wildschwein, <a href="#Seite_613">613</a>.</li> - -<li class="indx"> Windhunde, <a href="#Seite_24">24</a>.</li> - -<li class="indx"> Wisent, <a href="#Seite_85">85</a>.</li> - -<li class="indx"> Wolf, abessinischer, <a href="#Seite_26">26</a>.</li> - -<li class="indx"> — europäischer, <a href="#Seite_629">629</a>.</li> - -<li class="indx"> — indischer, <a href="#Seite_22">22</a>.</li> - -<li class="indx"> — nordamerikanisch., <a href="#Seite_39">39</a>.</li> - -<li class="indx"> Wolfsabkömmlinge, <a href="#Seite_17">17</a>.</li> - -<li class="indx"> Wollschaf, westasiat., <a href="#Seite_129">129</a>.</li> - -<li class="indx"> Wyandotte-Hühner, <a href="#Seite_320">320</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>Y</b>ak, <a href="#Seite_90">90</a>.</li> - -<li class="indx"> Yorkshire-Terrier, <a href="#Seite_16">16</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>Z</b>ackelschafe, <a href="#Seite_133">133</a>.</li> - -<li class="indx"> Zahnwale, <a href="#Seite_702">702</a>.</li> - -<li class="indx"> Zander, <a href="#Seite_441">441</a>.</li> - -<li class="indx"> Zaupelschaf, <a href="#Seite_133">133</a>.</li> - -<li class="indx"> Zebra, <a href="#Seite_178">178</a>, <a href="#Seite_749">749</a>, <a href="#Seite_752">752</a>.</li> - -<li class="indx"> Zebroide, <a href="#Seite_178">178</a>.</li> - -<li class="indx"> Zeburind, <a href="#Seite_54">54</a>.</li> - -<li class="indx"> Zeideln, <a href="#Seite_510">510</a>.</li> - -<li class="indx"> Zeidelweide, <a href="#Seite_510">510</a>.</li> - -<li class="indx"> Ziege, <a href="#Seite_94">94</a>.</li> - -<li class="indx"> — gemsfarbige, <a href="#Seite_102">102</a>.</li> - -<li class="indx"> — hornlose, <a href="#Seite_102">102</a>.</li> - -<li class="indx"> — kreuzhörnige, <a href="#Seite_111">111</a>.</li> - -<li class="indx"> Ziermäuse, chinesische, <a href="#Seite_278">278</a>.</li> - -<li class="indx"> — japanische, <a href="#Seite_278">278</a>.</li> - -<li class="indx"> Ziervögel, <a href="#Seite_696">696</a>.</li> - -<li class="indx"> Zobel, <a href="#Seite_675">675</a>, <a href="#Seite_680">680</a>.</li> - -<li class="indx"> Zoologischer Garten, <a href="#Seite_751">751</a>.</li> - -<li class="indx"> Zwerghühner, <a href="#Seite_320">320</a>.</li> - -<li class="indx"> Zwergschwan, <a href="#Seite_357">357</a>, <a href="#Seite_653">653</a>.</li> - -<li class="indx"> Zunu, <a href="#Seite_126">126</a>.</li> - -<li class="indx"> Zypernkatze, <a href="#Seite_289">289</a>.</li> -</ul> - -</div> - -<hr class="chap" /> - -<div class="rek"> - -<div class="chapter"> -<p class="s3 center"><b class="bbd">Verlag von Ernst Reinhardt in München.</b></p> -</div> - -<p class="s4 center">Als Band IV der Sammlung „<b>Die Erde und die Kultur</b>“ -erschien:</p> - -<p class="s1 center"><b>Die Kulturgeschichte der Nutzpflanzen</b></p> - -<p class="center">von</p> - -<p class="s2 center"><span class="antiqua">Dr.</span> Ludwig Reinhardt.</p> - -<p class="s4 center">2 starke Bände in Lexikonformat von ca. 1500 Seiten. In -Leinwand geb.</p> - -<p class="s3 center"><b>Preis M. 20.—</b></p> - -<p class="s4 center">Mit vielen Illustrationen im Text und 150 Kunstdrucktafeln.</p> - -<p class="s3 center"><b>Urteile der Presse:</b></p> - -<p><b>Prof. Möbius in „Frankfurter-Zeitung“.</b> Es war eine dankenswerte, -aber auch schwierige Aufgabe, die sich der Verfasser gestellt hatte, -denn gründliche historische und wirtschaftliche Studien mußten mit -botanischen Kenntnissen verbunden und das Ganze dann als angenehm zu -lesende Erzählung vorgetragen werden, wenn das Buch wirklich populär -und wissenschaftlich zugleich sein sollte. Diese Aufgabe ist aber -unseres Erachtens glänzend gelöst worden, so daß wir das Erscheinen -des Werkes freudig begrüßen können. Man liest jedes Kapitel mit -Vergnügen und lernt, wenn es sich um eine wichtige Pflanze handelt, -die Geschichte ihrer Entdeckung und Einführung, ihre Kulturmethoden -und Sorten, ihre Verarbeitung und Verwendung kennen. Dabei wird unsere -Vorstellung unterstützt durch zahlreiche Abbildungen, deren meiste als -photographische Reproduktionen auf besonderen Tafeln beigefügt sind.</p> - -<p><b>Botanisches Zentralblatt vom 18./IV. 1911.</b> Das Werk füllt -eine wesentliche Lücke aus. Der Bilderschmuck ist ausgezeichnet, viele -Bilder sind bisher noch nirgends veröffentlicht worden.</p> - -<p><b>Kosmos.</b> Leicht verständliche Schreibweise verbindet sich hier -mit gewissenhaftester Arbeit in der kritischen Verwendung des Materials -und beides zusammen wird dem Werke hoffentlich viele Leser sichern.</p> - -<p><b>Österreichische Gartenzeitung April 1911.</b> Der Versuch ist dem -Verfasser über Erwarten gut gelungen. Das vortreffliche Werk vermittelt -nicht nur Kenntnisse, sondern es ist ein Genuß es zu lesen.</p> - -<p><b>Pädagogische Rundschau vom 1./IV. 1911.</b> Das Werk stellt -ein Musterbeispiel deutschen Fleißes und deutscher Gründlichkeit vor, -dessen Lektüre eine wahre Fundgrube des Interessanten und Wissenswerten -bietet und im Hinblick auf die anschauliche und fesselnde Darstellung -jeden Lehrer, mag er nun Botaniker von Fach sein oder sich bloß über -die Geschichte der Einführung und die wirtschaftliche Bedeutung -unserer Kulturpflanzen eingehend unterrichten wollen, in hohem Grade -befriedigen wird.</p> - -<p><b>Mannheimer Tagblatt vom 9./I. 1911.</b> In allen Dingen weiß -Reinhardt zu fesseln und anzuregen. Der Fleiß des Verfassers ist mit so -viel Frische, Laune und Sinn für Humor gemischt, daß er, und das ist -wohl das beste Zeugnis, das einem deutschen Gelehrten zuteil werden -kann, den Genuß einer Dattel, Ananas und Banane nicht im mindesten -beeinträchtigt.</p> - -<p><b>Deutsche Kolonialzeitung vom 4./III. 1911.</b> Der -Verfasser hat sich mit seiner Darstellung unstreitig ein großes -Verdienst erworben. Wir besitzen kein anderes neuzeitliches Buch, -welches diesen Stoff in ähnlich umfassender Weise behandelt; dazu -ist dem Reinhardtschen Buche eine anschauliche, frische, allgemein -verständliche Darstellungsweise eigen, so daß ein jeder, dessen Auge -sich noch an dem Blühen und Wachsen in der Natur zu erfreuen vermag -und der sich für die Entwicklung unseres Wirtschaftslebens und für -die Lebens- und Produktionsbedingungen der Völker in Vergangenheit -und Gegenwart interessiert, das Buch immer wieder gern zur Hand -nehmen wird, um daraus Unterhaltung und Belehrung zu schöpfen. Der -Wert des Buches wird noch wesentlich erhöht durch die Beigabe von 81 -Abbildungen im Text und nicht weniger als 168 Bildertafeln mit durchweg -vorzüglichen und zum Teil schwer zugänglichen Photographien. Im -Verhältnis zu Inhalt, Umfang und Ausstattung des Buches muß der Preis -als sehr niedrig bezeichnet werden.</p> - -<p><b>Hamburger Fremdenblatt vom 22./I. 1911.</b> Eine Schöpfung, -die unser Erstaunen wach ruft. Man muß schon seine Feder etwas zügeln, -um nicht im Lobe zu hoch zu greifen. Mit sicherem Gefühl hat er das -Wesentliche vom minder wesentlichen gesondert. Worauf es aber vor allem -ankommt: Seine Angaben sind durchaus zuverlässig, wie ich mich an -verschiedenen Stichproben überzeugen konnte.</p> - -<hr class="r20" /> - -<p>Unter dem Sammeltitel „<b>Die Erde und die Kultur</b>“ werden folgende -Bände erscheinen:</p> - -<div class="csstab padleft1"> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right nobreak vat padbot0_5"> - Band I. - </div> - <div class="csscell vat padbot0_5"> - Die Erde und ihr Wirtschaftsleben. (Erscheint Sommer 1912.) - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right nobreak vat padbot0_5"> - „  II. - </div> - <div class="csscell vat padbot0_5"> - Kulturgeschichte des Menschen. (Erscheint Herbst 1912). - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right nobreak vat padbot0_5"> - „ III. - </div> - <div class="csscell vat padbot0_5"> - III. Kulturgeschichte der Nutztiere. Preis M. 10.— (liegt vor). - </div> - </div> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell right nobreak vat padbot0_5"> - „ IV. - </div> - <div class="csscell vat padbot0_5"> - Kulturgeschichte der Nutzpflanzen. 2 Teile zu je M. 10.— (liegt vor). - </div> - </div> -</div> - -<p class="center mtop1">Jeder Band ist in sich abgeschlossen und einzeln käuflich.</p> - -<div class="chapter"> -<p class="s3 center mtop3"><b class="bbd">Verlag von Ernst Reinhardt in München.</b></p> -</div> - -<p class="s1 center"><b>Vom Nebelfleck zum Menschen</b></p> - -<p class="s4 center">Eine gemeinverständliche Entwicklungsgeschichte des Naturganzen nach -den <em class="gesperrt">neuesten Forschungsergebnissen</em> von</p> - -<p class="s2 center"><span class="antiqua">Dr.</span> Ludwig Reinhardt</p> - -<p class="s4 center">4 starke Bände in eleg. Lwd. von zusammen 3000 Seiten mit über 1600 -Illustrationen im Text und gegen 80 Tafeln und Karten</p> - -<p class="s3 center"><b>Preis M. 37.50</b></p> - -<p class="s4 center bbd padbot0_5">Jeder Band ist in sich abgeschlossen und einzeln käuflich</p> - -<p class="hang1_5">Bd. I: <b>Die Geschichte der Erde.</b> Mit 112 Abbildungen im -Text, 42 Volltafeln und 4 geologischen Profiltafeln, nebst farbigem -Titelbild von <em class="gesperrt">A. Marcks</em>. 600 Seiten Gr.-8<sup class="o">o</sup>. In elegantem -Leinwandband <b>Preis M. 8.50.</b></p> - -<p class="s5 center"><em class="gesperrt">Inhaltsverzeichnis:</em></p> - -<p class="s5">I. Wie das Weltbild entstand. II. Die Sternenwelt. -III. Unser Sonnensystem. IV. Die Erde und der Mond. -V. Die Kometen und Meteore. VI. Die Erstarrungsgesteine -der Erde. VII. Der Vulkanismus. VIII. Die -Schichtgesteine. IX. Die Gebirgsbildung. X. Wasser -und Land. XI. Der Kreislauf des Wassers. XII. Die -Verwitterung der Erdoberfläche. XIII. Die Abtragung des -Festlandes.</p> - -<p class="hang1_5 mtop1">Bd. II: <b>Das Leben der Erde.</b> Mit 380 Abbildungen, 21 -Tafeln, 2 Stammbäumen und farbigem Titelbild nach Aquarell von Prof. -<em class="gesperrt">Ernst Haeckel</em>. 650 Seiten Gr.-8<sup class="o">o</sup>. In elegantem Leinwandband -<b>Preis M. 8.50</b>.</p> - -<p class="s5 center"><em class="gesperrt">Inhaltsverzeichnis:</em></p> - -<p class="s5">I. Das Leben und seine Entstehung. II. Die Entfaltung -des Lebens. III. Die Erscheinungen des Lebens. IV. -Die Funktionen des Lebens. V. Die Entwicklung des Lebens. -VI. Die Ausbildung der Tiere. VII. Die Ausbildung der -Pflanzen. VIII. Das Ende des Lebens. IX. Der Schutz des -Lebens. X. Die Abstammungslehre. XI. Über Symbiose. -XII. Vergesellschaftungen von Tieren und Pflanzen. XIII. -Pflanzengenossenschaften. XIV. Schmarotzertum.</p> - -<p class="hang1_5 mtop1">Bd. III: <b>Die Geschichte des Lebens der Erde.</b> Mit 424 -Abbildungen, 18 Tafeln, 7 Stammbäumen und farbigem Titelbild von <em class="gesperrt">L. -Müller-Mainz</em>. 560 Seiten Gr.-8<sup class="o">o</sup>. In elegantem Leinwandband. -<b>Preis M. 8.50.</b></p> - -<p class="s5 center"><em class="gesperrt">Inhaltsverzeichnis:</em></p> - -<p class="s5">I. Einführung in die Palaeontologie. II. Die ältesten -fossilführenden Ablagerungen. III. Die frühpalaeozoischen -Organismen. IV. Die Tierentwicklung während der Silurzeit. -V. Die Entfaltung der höchsten Weichtiere. VI. Die -ersten Besiedler des Festlandes. VII. Das Aufkommen der -Wirbeltiere. VIII. Die Devon- und Kohlenformation. IX. -Das Zeitalter der Amphibien. X. Die Triasformation. XI. -Die Juraformation. XII. Die Kreideformation. XIII. Die -Tertiärformation. XIV. Das Pleistocän.</p> - -<p class="hang1_5 mtop1">Bd. IV: <b>Der Mensch zur Eiszeit in Europa und seine -Kulturentwicklung bis zum Ende der Steinzeit.</b> 2. stark -<em class="gesperrt">verbesserte und vermehrte Auflage</em> (3.-7. Tausend). Mit -535 Abbildungen, 20 Volltafeln und farbigem Umschlag von <em class="gesperrt">A. -Thomann</em>. 950 Seiten Gr.-8<sup class="o">o</sup>. In elegantem Leinwandband <b>Preis M. -12.—</b></p> - -<p class="s5 center"><em class="gesperrt">Inhaltsverzeichnis:</em></p> - -<p class="s5 bbd padbot1">I. Der Mensch zur Tertiärzeit. II. Die Eiszeit und ihre -geologischen Wirkungen. III. Der Mensch während der ersten -Zwischeneiszeit. IV. Der Mensch der letzten Zwischeneiszeit. -V. Der Mensch der frühen Nacheiszeit. VI. Die -Übergangsperiode von der älteren zur jüngeren Steinzeit. VII. -Die jüngere Steinzeit und ihre materiellen Kulturerwerbungen. -VIII. Die Germanen als Träger der megalithischen Kultur. -IX. Die Entwicklung der geistigen Kultur am Ende der Steinzeit. -X. Steinzeitmenschen der Gegenwart. XI. Niederschläge aus -alter Zeit in Sitten und Anschauungen der geschichtlichen Europäer.</p> - -<p class="s3 center mtop1">Urteile der Presse:</p> - -<p class="s5a"><b>Geologisches Zentralblatt</b>: „Unstreitig das Beste, was über -diesen Gegenstand vorhanden ist.“</p> - -<p class="s5a"><b>Frankfurter Zeitung</b>: „Das Buch ist das beste -allgemeinverständliche Werk, welches unsere Erde und ihre Geschichte -behandelt. Seit Neumayrs Zeiten ist keine so sympathische Behandlung -des spröden Stoffes mehr erschienen. Besonders Volksbibliotheken werden -einen großen Leserkreis mit den Reinhardtschen Büchern anlocken können, -und wenn erst das dritte Buch des Verfassers erschienen sein wird, -auf welches ich mich schon jetzt freue, dann werden wir eine populäre -Entwicklungsgeschichte der Erde und des Lebens besitzen, die für jeden -nachdenkenden Menschen eine Quelle des Genusses und der Freude sein -wird.“</p> - -<p class="s5a"><b>Die Zeit</b>: „Ein angenehm geschriebenes Werk... eine -empfehlenwerte, anschauliche Darstellung, die auch die Lücken unseres -Wissens nicht allzusehr verschließt — bekanntlich eine Hauptgefahr für -populäre Werke.“</p> - -<p class="s5a"><b>Gaea</b>: „Die vorzügliche wissenschaftliche und doch interessante -Form der Darstellung werden demselben zahlreiche Freunde erwerben.“</p> - -<p class="s5a"><b>Allgemeine Zeitung</b>: „Ein die weitesten Kreise interessierender -Stoff, fesselnde, leicht verständliche Schreibweise, gepaart mit -hohem wissenschaftlichen Ernst und umfassendem Wissen sind die -charakteristischen Merkmale des Werkes, mit dem uns <span class="antiqua">Dr.</span> L. -Reinhardt beschert hat. Er hat es verstanden, die in zahlreichen -Zeitschriften und Monographien zerstreuten Ergebnisse der Forschung zu -einem überzeugenden einheitlichen Bilde streng kritisch zu vereinigen.“</p> - -</div> - -<hr class="full" /> - - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of Project Gutenberg's Kulturgeschichte der Nutztiere, by Ludwig Reinhardt - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KULTURGESCHICHTE DER NUTZTIERE *** - -***** This file should be named 63602-h.htm or 63602-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/6/3/6/0/63602/ - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in -accordance with this agreement, and any volunteers associated with the -production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm -electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, -including legal fees, that arise directly or indirectly from any of -the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this -or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or -additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any -Defect you cause. - -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm - -Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at -www.gutenberg.org - - - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the -mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its -volunteers and employees are scattered throughout numerous -locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt -Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular -state visit www.gutenberg.org/donate - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. - -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. - -Most people start at our Web site which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - - - -</pre> - -</body> -</html> diff --git a/old/63602-h/images/bild1.jpg b/old/63602-h/images/bild1.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index b093202..0000000 --- a/old/63602-h/images/bild1.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/63602-h/images/bild10.jpg b/old/63602-h/images/bild10.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 2128122..0000000 --- a/old/63602-h/images/bild10.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/63602-h/images/bild11_12.jpg b/old/63602-h/images/bild11_12.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 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