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| author | Roger Frank <rfrank@pglaf.org> | 2025-10-15 05:28:20 -0700 |
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Das Projekt ist unter der Internet-Adresse +http://gutenberg2000.de erreichbar. + + + + +Der Waldbruder, ein Pendant zu Werthers Leiden + +Jakob Michael Reinhold Lenz + + + +Erster Teil + +Erster Brief + +Herz an seinen Freund Rothe in einer großen Stadt + + +Ich schreibe Dir dieses aus meiner vÖllig eingerichteten HÜtte, zwar +nur mit Moos und BaumblÄttern bedeckt, aber doch für Wind und Regen +gesichert. Ich hätte mir nie vorgestellt, daß dies Klima auch im +Winter so mild sein könne. Übrigens ist die Gegend, in der ich +mich hingebaut, sehr malerisch. Grotesk übereinander gewälzte Berge, +die sich mit ihren schwarzen Büschen dem herunterdrückenden Himmel +entgegen zu stemmen scheinen, tief unten ein breites Tal, wo an einem +kleinen hellen Fluß die Häuser eines armen aber glücklichen Dorfs +zerstreut liegen. Wenn ich denn einmal heruntergehe und den engen +Kreis von Ideen, in dem die Adamskinder so ganz existieren, die +einfachen und ewig einförmigen Geschäfte und die Gewißheit und +Sicherheit ihrer Freuden übersehe, so wird mir das Herz so enge und +ich möchte die Stunde verwünschen, da ich nicht ein Bauer geboren bin. +Sie sehen mich oft verwundrungsvoll an, wenn ich so unter ihnen +herumschleiche und nirgends zu Hause bin, mit ihrem Scherz und Ernst +nicht sympathisieren kann, so daß ich mich am Ende wohl schämen und +in ihre Form zu passen suchen muß, da sie denn ihren Witz nach ihrer +Art meisterhaft über meine Unbehelfsamkeit wissen spielen zu lassen. +Alles dies beleidigt mich nicht, weil sie meistens recht haben und +ein Zustand wie der meinige durch die äußern Symptome, die er +veranlaßt, schon seit Petrarchs Zeiten jedermann zum Gespött dienen +muß. Soll ich aber die Wahl haben, so ist mir der Spott des +ehrlichen Landmanns immer noch Wohltat gegen das Auszischen leerer +Stutzer und Stutzerinnen in den Städten. + +Wenn Du einmal einen geschäftfreien Tag hast, so komm zu mir, Du bist +der einzige Mensch, der mich noch zuweilen versteht. + +_Herz._ + + + +Zweiter Brief + +Fräulein Schatouilleuse an Rothen, der aufs Land gereist war, eine +Frühlingskur zu trinken + + +Sagen Sie mir doch in aller Welt, wo mag Herr Herz hingekommen sein. +Etwa bei Ihnen, so hab ich eine Wette gewonnen. Der Papa sagte heut, +er habe seine Bedienung bei der Kanzlei niedergelegt und sei in den +Odenwald gegangen, um Waldbruder zu werden. Da lachten wir nun alle, +daß uns die Tränen von den Backen liefen, er aber schwur, es sei wahr. +Ich schlug gleich eine Wette mit ihm ein, daß er bei Ihnen in +Zornau wäre; schreiben Sie mir doch, ob dem so ist, und ich will +Ihnen auch viel Neues von ihm sagen, das Sie recht zu lachen machen +wird. + + + +Dritter Brief + +Herz an Rothen, der dem Boten weiter nichts als einen Zettel +mitgegeben,auf dem mit Bleistift geschrieben war:Herz! Du dauerst +mich! + + +Ich danke Dir für Dein zuvorkommendes Mitleid. Das Pressende und +Drückende meiner äußern Umstände preßt und drückt mich nicht. Es ist +etwas in mir, das mich gegen alles Äußere gefühllos macht. + +Du hast vermutlich erfahren, daß mein letztes Geld, das ich aus der +Stadt mitgenommen, mir von einem schelmischen Bauren gestohlen worden, +der die Zeit abpaßte, als ich unten war, Brot zu kaufen. Aber wozu +sollte mir auch das Geld? Wenn ich Mangel habe, gehe ich ins Dorf, +und tue einen Tag Tagelöhners Arbeit, dafür kann ich zwei Tage meinen +Gedanken nachhängen. + +Ich bin glücklich, ich bin ganz glücklich. Ich ging gestern, als die +Sonne uns mitten im Winter einen Nachsommer machte, in der Wiese +spazieren, und überließ mich so ganz dem Gefühl für einen Gegenstand, +der's verdient, auch ohne Hoffnung zu brennen. Das matte Grün der +Wiesen, das mit Reif und Schnee zu kämpfen schien, die braunen +verdorrten Gebüsche, welch ein herzerquickender Anblick für mich! +Ich denke, es wird doch für mich auch ein Herbst einmal kommen, wo +diese innere Pein ein Ende nehmen wird. Abzusterben für die Welt, +die mich so wenig kannte, als ich sie zu kennen wünschte--o welche +schwermütige Wollust liegt in dem Gedanken! + +Beständig quält mich das, was Rousseau an einem Ort sagt, der Mensch +soll nicht verlangen, was nicht in seinen Kräften steht, oder er +bleibt ewig ein unbrauchbarer schwacher und halber Mensch. Wenn ich +nun aber schwach, halb unbrauchbar bleiben will, lieber als meinen +Sinn für das stumpf machen, bei dessen Hervorbringung alle Kräfte der +Natur in Bewegung waren, zu dessen Vervollkommnung der Himmel selbst +alle Umstände vereinigt hat. O Rousseau! Rousseau! wie konntest du +das schreiben! + +Wenn ich mir noch den Augenblick denke, als ich sie das erstemal auf +der Maskerade sah, als ich ihr gegenüber am Pfeiler eingewurzelt +stand und mir's war, als ob die Hölle sich zwischen uns beiden +öffnete und eine ewige Kluft unter uns befestigte. Ach wo ist ein +Gefühl, das dem gleichkommt, so viel unaussprechlichen Reiz vor sich +zu sehen mit der schrecklichen Gewißheit, nie, nie davon Besitz +nehmen zu dürfen. Ixion an Jupiters Tafel hat tausendmal mehr +gelitten, als Tantalus in dem Acheron. Wie sie so stand und alles +sich um sie herdrängte und in ihrem Glanze badete, und ihr überall +gegenwärtiges Auge keinen ihrer Bewunderer unbelohnt ließ. Sieh, +Rothe, diese Maskerade war der glücklichste und der unglücklichste +Tag meines Lebens. Einmal kam sie nach dem Tanz im Gedränge vor mir +zu stehen, als ich eben auf der Bank saß, und als ob ich bestimmt +gewesen wäre, in ihren Zauberzirkel zu fallen, so dicht vor mir, daß +ich von meinem Sitz nicht aufstehen konnte, ihr meinen Platz +anzutragen, denn die Ehrfurcht hielt mich zurück, sie anzureden. +Diese Attitüde hättest Du sehen und zeichnen sollen, das Entzücken, +so nah bei ihr zu sein, die Verlegenheit, ihr einen Platz genommen zu +haben, o es war eine süße Folter, auf der ich diese wenige glückliche +Minuten lag. + +Wo bin ich nun wieder hineingeraten, ich fürchte mich, alle die +Sachen dem Papier anvertraut zu haben. Heb es sorgfältig auf, und +laß es in keine unheiligen Hände kommen. + +_Herz._ + + + +Vierter Brief + +Fräulein Schatouilleuse an Rothen + + +Ha ha ha, ich lache mich tot, lieber Rothe. Wissen Sie auch wohl, +daß Herz in eine Unrechte verliebt ist. Ich kann nicht schreiben, +ich zerspringe für Lachen. Die ganze Liebe des Herz, die Sie mir so +romantisch beschrieben haben, ist ein rasendes Qui pro quo. Er hat +die Briefe einer gewissen Gräfin Stella in seine Hände bekommen, die +ihm das Gehirn so verrückt haben, daß er nun ging und sie überall +aufsuchte, da er hörte, daß sie in angekommen sei, um an den +Winterlustbarkeiten teilzunehmen. Ich weiß nicht, welcher Schelm ihm +den Streich gespielt haben muß, ihm die Frau von Weylach für die +Gräfin auszugeben, genug, er hat keinen Ball versäumt, auf dem Frau +von Weylach war, und ist überall wie ein Gespenst mit großen stieren +Augen hinter ihr hergeschlichen, so daß die arme Frau oft darüber +verlegen wurde. Sie bildet sich auch wirklich ein, er sei jetzt noch +verliebt in sie, und ihr zu Gefallen in den Wald hinausgegangen. Sie +hat es meinem Vater gestern erzählt. Melden Sie ihm das, vielleicht +bringt es ihn zu uns zurück und wir können uns zusammen wieder +weidlich lustig über ihn machen. Er muß recht gesund geworden sein +auf dem Lande. Ich wünscht' ihn doch wieder zu sehen. + + + +Fünfter Brief + +Rothe an Herz + + +Aber, Herz, bist Du nicht ein Narr, und zwar einer von den +gefährlichen, die, wie Shakespeare sagt, für ihre Narrheit immer eine +Entschuldigung wissen und folglich unheilbar sind. Ich habe Dir aus +Fräulein Schatouilleusens Brief begreiflich gemacht, daß Dein ganzer +Troß von Phantasei irregegangen wäre, daß Du eine andere für Deine +Gräfin angesehen hättest, und Du willst doch noch nicht aus Deinem +Trotzwinkel zu uns zurück. Du seist nicht in ihre Gestalt verliebt +gewesen, sondern in ihren Geist, in ihren Charakter, Du könntest Dich +geirrt haben, wenn Du zu dem eine andere Hülle aufgesucht hättest, +aber der Grund Deiner Liebe bleibe immer derselbe und +unerschütterlich. Solltest Du aber nicht wenigstens, da Du doch +durchaus einer von denen sein willst, die mit Terenz insanire cum +ratione volunt durch Abschilderung dieses Charakters, dieses Geistes +das Abenteuerliche Deiner Leidenschaft bei Deinem Freunde zu +rechtfertigen suchen? Vielleicht könntest Du hierin ebensowohl eines +Irrtums überwiesen werden, als in jenem, und dafür scheint es, ist +Dir bange. + +Alle Deine Talente in eine Einsiedelei zu begraben--Und was sollen +diese Schwärmereien endlich für ein Ende nehmen? Höre mich, Herz, +ich gelte ein wenig bei den Frauenzimmern, und das bloß, weil ich +leichtsinnig mit ihnen bin. Sobald ich in die hohen Empfindungen +komme, ist's aus mit uns, sie verstehen mich nicht mehr, so wenig als +ich sie, unsere Liebesgeschichten haben ein Ende. Ich schreibe Dir +dies nicht, Dich in Deinem Vorhaben wankend zu machen, ich weiß, daß +Du einen viel zu originellen Geist hast, um Deine Eigentümlichkeit +aufgeben zu wollen, aber ich sage Dir nur, wie ich bin, ich klage Dir +meine kleinen Empfindungen auf der Querpfeife, wie Du Deine auf dem +Waldhorn. Siehst Du, so bin ich in einer beständigen Unruhe, die +sich endlich in Ruhe und Wollust auflöst und dann mit einer reizenden +Untreue wechselt. So wälze ich mich von Vergnügen auf Vergnügen, und +da kommen mir Deine Briefe eben recht, unsern eingeschrumpften +Gesellschaften Stoff zum Lachen zu geben. Es sticht alles so +schrecklich mit unsrer Art zu lieben ab. Nun lebe wohl und besinne +Dich einmal eines Bessern. + +_Rothe._ + + + +Sechster Brief + +Herz an Rothe + + +Das einzige, was mir in Deinem letzten Briefe erträglich war, ist die +Stelle, da Du eine Abschilderung von dem Charakter des Gegenstandes +meiner einsamen Anbetung wünschtest, das übrige habe ich nicht +gelesen. Zwar scheint auch in diesem Wunsch nur die Bosheit des +Versuchers durch, der dadurch, daß er mein Geheimnis aus meinem +Herzen über die Lippen lockt, mir dasselbe gern gleichgültiger machen +möchte. Aber sei es, es soll Dir dennoch genug geschehen. Zwar weiß +ich wohl, wie vielen Schaden ich ihr durch meine Beschreibungen tue, +aber dennoch wirst Du, wenn Du klug bist und Seele hast, Dir aus +meinem Gestotter ein Bild zusammensetzen können. + +Denke Dir alles, was Du Dir denken kannst, und Du hast nie zu viel +gedacht--doch nein, was kannst Du denken? Die Erziehung einer +Fürstin, das selbstschöpferische Genie eines Dichters, das gute Herz +eines Kindes, kurzum alles, alles beisammen, und alle Deine Mühe ist +dennoch vergeblich, und alle meine Beschreibungen abgeschmackt. So +viel allein kann ich Dir sagen, daß Jung und Alt, Groß und Klein, +Vornehm und Gering, Gelehrt und Ungelehrt, sich herzlich wohl +befinden, wenn sie bei ihr sind, und jedem plötzlich anders wird, +wenn sie mit ihm redt, weil ihr Verstand in das Innerste eines jeden +zu dringen, und ihr Herz für jede Lage seines Herzens ein +Erleichterungsmittel weiß. Alles das leuchtet aus ihren Briefen, die +ich gelesen habe, die ich bei mir habe und auf meinem bloßen Herzen +trage. Sieh, es lebt und atmet darinnen eine solche Jugend, so viel +Scherz und Liebe und Freude, und ist doch so tiefer Ernst, die +Grundlage von alledem, so göttlicher Ernst--der eine ganze Welt +beglücken möchte! + + + +Siebenter Brief + +Rothens Antwort + + +Dein Brief trägt die offenbaren Zeichen des Wahnsinns, würde ein +andrer sagen, mir aber, der ich Dir ein für allemal durch die Finger +sehe, ist er unendlich lieb. Du bist einmal zum Narren geboren, und +wenigstens hast Du doch so viel Verstand, es mit einer guten Art zu +sein. + +Ich lebe glücklich wie ein Poet, das will bei mir mehr sagen, als +glücklich wie ein König. Man nötigt mich überall hin und ich bin +überall willkommen, weil ich mich überall hinzupassen und aus allem +Vorteil zu ziehen weiß. Das letzte muß aber durchaus sein, sonst +geht das erste nicht. Die Selbstliebe ist immer das, was uns die +Kraft zu den andern Tugenden geben muß, merke Dir das, mein +menschenliebiger Don Quischotte! Du magst nun bei diesem Wort die +Augen verdrehen, wie Du willst, selbst die heftigste Leidenschaft muß +der Selbstliebe untergeordnet sein, oder sie verfällt ins +Abgeschmackte und wird endlich sich selbst beschwerlich. + +Ich war heut in einem kleinen Familienkonzert, das nun vollkommen +elend war und in dem Du Dich sehr übel würdest befunden haben. Das +Orchester bestand aus Liebhabern, die sich Taktschnitzer, Dissonanzen +und alles erlaubten und Hausherr und Kinder, die nichts von der Musik +verstunden, spähten doch auf unsern Gesichtern nach den Mienen des +Beifalls, die wir ihnen reichlich zumaßen, um den guten Leuten die +Kosten nicht reu zu machen. Nicht wahr, das würde Dir eine Folter +gewesen sein, Kleiner? besonders da seine Töchter mit den noch nicht +ausgeschrienen Singstimmen mehr kreischend als singend uns die Ohren +zerschnitten. Da in laute Aufwallungen des Entzückens auszubrechen +und bravo, bravissimo zu rufen, das war die Kunst--und weißt Du, +womit ich mich entschädigte? Die Tochter war ein freundlich +rosenwangigtes Mädchen, das mich für jede Schmeichelei, für jede +herzlichfalsche Lobeserhebung mit einem feurigen Blick bezahlte, mir +auch oft dafür die Hand und wohl gar gegen ihr Herz drückte, das hieß +doch wahrlich gut gekauft. Ich weiß, Du knirschest die Zähne +zusammen, aber mein Epikureismus führt doch wahrhaftig weiter, als +Dein tolles Streben nach Luft- und Hirngespinsten. Ich weiß, das +Mädchen denkt doch heute den ganzen Abend mit Vergnügen an mich, +warum soll ich ihr die Freude nicht gönnen, daß sie sich mit den +Gedanken an mich zu Bette legt. + +Willst Du's auch so gut haben, komm zu uns, ich will gern die zweite +Rolle spielen, wenn ich Dich nur zum brauchbaren Menschen machen kann. +Was fehlte Dir bei uns? Du hattest Dein mäßiges Einkommen, das zu +Deinen kleinen Ausgaben hinreichte, Du hattest Freunde, die Dich ohne +Absichten liebten, ein Glück, das sich Könige wünschen möchten, Du +hattest Mädchen, die an kleinen Netzen für Dein Herz webten, in denen +Du Dich nur so weit verstricktest, als sie Dir behaglich waren, +hernach flogst Du wieder davon und sie hatten die Mühe, Dir neue zu +weben. Was fehlte Dir bei uns? Liebe und Freundschaft vereinigten +sich, Dich glücklich zu machen, Du schrittst über alles das hinaus in +das furchtbare Schlaraffenland verwilderter Ideen! + +Nichts lieblicher als die Eheknoten, die für mich geschlungen werden +und an denen ich mit solcher Artigkeit unten weg zu schleichen weiß. +Denk, was für ein Aufwand von Reizungen bei alle den Geschichten um +mich her ist, welch eine Menge Charaktere sich mir entwickeln, wie +künstliche Rollen um mich angelegt und wie meisterhaft sie gespielt +werden. Das ergötzt meinen innern Sinn unendlich, besonders weil ich +zum voraus weiß, daß sich die Leute alle an mir betrügen, um mir +hernach doch nicht einmal ein böses Wort darum geben dürfen. So gut +würde Dir's auch werden, wenn Du mir folgtest; wäre doch besser, +unter blühenden und glühenden Mädchen in Scherz und Freude und +Liebkosungen sich herumzuwälzen, als unter deinen glasierten Bäumen +auf der gefrornen Erde. Was meinst Du, Herz? Lachst Du? Narr, wenn +Du lachen kannst, so ist alles gewonnen. + + + + +Achter Brief + +Antwort Herzens an Rothen + + +Deine Briefe gefallen mir immer mehr und mehr, obschon ich Deine +Ratschläge immer mehr und mehr verabscheue, und das bloß, weil der +Ton in denselben mit dem meinigen so absticht, daß er das +verdrüßliche Einerlei meines Kummers auf eine pikante Art unterbricht. +Fahre fort, mir mehr zu schreiben, es ist mir alles lieb, was von +Dir kommt, sollte mir's auch noch so viel Galle machen. + +Sei glücklich unter Deinen leichten Geschöpfen, und laß mir meine +Hirngespinste. Ich erlaub es euch sogar, über mich zu lachen, wenn +euch das wohltun kann. Ich, lache nicht, aber ich bin glücklicher +als ihr, ich weide mich zuweilen an einer Träne, die mir das süße +Gefühl des Mitleids mit mir selbst auf die Wange bringt. Es ist wahr, +daß ich alles hier begrabe, aber eben in dieser Aufopferung findt +mein Herz eine Größe, die ihm wieder Luft macht, wenn seine Leiden zu +schwer werden. Niemanden im Wege--welch eine erhabene Idee! ich will +niemanden in Anspruch nehmen, niemand auch nur einen Gedanken kosten, +der die Reihe seiner angenehmen Vorstellungen unterbricht. Nur +Freiheit will ich haben, zu lieben, was ich will, und so stark und +dauerhaft, als es mir gefällt. Hier ist mein Wahlspruch, den ich in +die Rindentüre meiner Hütte eingegraben: + +Du nicht glücklich, kümmernd Herz? Was für Recht hast +du zum Schmerz? Ist's nicht Glück genug für dich, Daß +sie da ist, da für sich? + + + +Neunter Brief + +Rothe an Herz + + +Wenn wir uns lange so fortschreiben, so geraten wir beide in eine +GeschwÄtzigkeit, die zu nichts fÜhrt. Du willst unterhalten sein und +ich kann und mag Dich nicht unterhalten. Alles was ich Dir schrieb, +war, um Dich zurückzubringen, willst Du nicht, so laß bleiben, kurz +und gut. Alle Deine Klagen und Leiden und Possen helfen Dir bei uns +zu nichts, wir Deine wahren Freunde und Freundinnen und alle +Vernünftigen--verzeih mir's, was kÖnnen wir anders tun--lachen +darüber--ja lachen entweder Dich aus der Haut und der Welt +hinaus--oder wieder in unsre bunten Kränzchen zurück. + +Du tätest also besser, wenn Du mir nicht mehr schriebest. Ich komme +nicht zu Dir, das hab ich verschworen. Aber ich erwarte Dich bei mir, +wenn Du mich wieder einmal zu sehen Lust hast. + +_Rothe_. + +Die Antwort auf diesen Brief blieb aus. + + + +Zehnter Brief + +Honesta an den Pfarrer Claudius, einen ihrer Verwandten auf dem Lande + + +Wissen Sie auch wohl, daß wir hier einen neuen Werther haben, noch +wohl schlimmer als das, einen Idris, der es in der ganzen Strenge des +Worts ist, und zu der Nische, die Herr Wieland seinem Helden am Ende +leer gelassen hat, mit aller Gewalt ein lebendes Bild sucht. Kurz, +es ist der junge Herz, den Sie bisweilen in unserm Hause müssen +gesehen haben, er war sehr einschmeichelnd beim Frauenzimmer, aber +immer in seinen Ausdrücken etwas romantisch, welches mir um soviel +besser gefiel. Er hat im ganzen Ernst seine Bedienung niedergelegt, +und ist in den Odenwald gegangen und Einsiedler geworden. Jedermann +redt davon und bedaurt das Unheil, das solche Schriften anrichten. +Ich aber behaupte, daß der Grund davon in seinem Herzen liegt, und +daß er auch ohne Werther und Idris das geworden wäre, was er ist. + +Die Person, die er liebt, ist eine Gräfin, die in der Tat ein rechtes +Muster aller Vollkommenheiten ist, wie man sie mir beschrieben hat. +Sie tanzt wie ein Engel, zeichnet, malt nach dem Leben, spricht alle +Sprachen, ist mit jedermann freundlich und liebreich, kurz, sie +verdient es wohl, daß eine Mannsperson um sie den Kopf verliert. +Alle ihre Stunden sollen so eingeteilt sein, daß sie niemalen müßig +ist, sie unterhält allein eine Korrespondenz, wozu mancher +Staatsminister nicht Sekretärs genug finden würde, und die Briefe +schreibt sie alle während der Zeit, da sie frisiert wird, auf der +Hand, damit sie ihr von ihren übrigen Beschäftigungen nicht Zeit +wegnehmen. Es muß ein liebes Geschöpf sein, sie soll von dem Unglück +des armen Herz gehört haben, und darüber untröstlich sein, denn sie +hat ein Gemüt, das nicht gern ein Kind beleidigen möchte. Er hat +einige von ihren Briefen in die Hände bekommen, die sie während ihres +Aufenthalts auf dem Lande an die Witwe Hohl hier geschrieben hatte. +Sie wissen doch die Witwe Hohl in der Laubacherstraße in dem großen +roten Hause. Herz soll bei ihr logiert haben. Das seltsamste ist, +daß er seinen Abgott noch nicht von Person kennt, obschon er alles +angewandt, sie zu sehen zu kriegen. Er hat eine andere für sie +angesehen und also eine ganz falsche Vorstellung von ihr in seine +Zelle mitgenommen. + +Die Fräulein Schatouilleuse kennt die Gräfin auch, weil sie oft in +ihr Haus kommt, will aber nicht viel Gutes von ihr sagen. Sie meint, +sie affektiere entsetzlich, nun ist das ganz natürlich, weil ihre Art +zu denken von jener ihrer himmelweit unterschieden sein muß. + +Man sagt, die Gräfin wolle an den armen Herz schreiben, um ihn +vielleicht wieder zurecht zu bringen. Ich habe nicht Zeit, Ihnen +mehr zu sagen, obgleich ich sonst so ungern weiß Papier übriglasse. +Unser Haus ist voll Fremde, die zur Ostermesse gekommen sind. Wenn +Sie doch auch auf einige Tage herein könnten. Der wunderliche Herr +Hokum ist auch da. + +_Honesta_. + + + +Eilfter Brief + +Herz an Rothen + + +Ich bin untröstlich, daß meine Einsiedlerei eine Fabel der Stadt wird. +Gestern sind eine Menge Leute aus ** hier gewesen, die mich sehen +und sprechen wollten, und mir einigemal zwar unter vielen andern den +Namen derjenigen genannt haben, die ich den Wänden meiner Hütte und +den leblosen Bäumen kaum zu nennen das Herz habe. Sollte etwas davon +laut geworden sein, und durch Dich, Verräter? Du weißt allein, wer +es ist, und wieviel mir daran gelegen, daß ihr Name auf den Lippen +der Unheiligen nicht in meiner Gesellschaft ausgesprochen werde. + +Auf diesen Brief erfolgte keine Antwort. + + + +Zwölfter Brief + + +Ich schreibe Dir dieses, obschon Du's nicht verdienst. Aber ich kann +nicht, ich kann die Freude über alle mein Glück nicht bei mir +behalten. Und da ich sonst gewohnt war, mein Herz gegen Dich zu +öffnen--Wisse alles, Rothe, sie kennt mich, sie weiß, daß ich um +ihrentwillen hier bin, wer muß ihr das gesagt haben? + +Gestern konnt' ich's fast nicht aushalten in meiner Hütte. Alles war +versteinert um mich, und ich habe die Kälte in der härtesten +Jahrszeit in meinem Vaterlande selbst nicht so unmitleidig gefunden. +Ich nahm mir das Eis aus den Haaren, und es war mir nicht möglich, +Feuer anzumachen; ich mußte also ziemlich spät ins Dorf hinabgehen, +mich zu wärmen. + +Stelle Dir das Entzücken, die Flamme vom Himmel vor, die meine +ausgequälte Seele durchfuhr, als ich auf einmal Fackeln vor einem +Schlitten auf mich zu kommen und bei deren Schein die Liverei meiner +angebeteten Gräfin sah. Ich hielt sie dafür, ich betrog mich nicht. +Sie war es, sie war es selbst, nicht die, die ich auf dem Ball +gesehen, aber mein Herz sagte mir's, daß sie es sei, denn als sie +mich sah, sie sah scharf heraus, hielt sie den Muff vor das Gesicht, +um die Bewegungen ihres Herzens zu verbergen. Und wie groß, wie +sprachlos war meine Freude, als ich hernach im Dorf hörte, sie habe +sich durch ihre Bedienten nach einem gewissen Waldbruder erkundigen +lassen, der hier in der Nähe wohnte. + +Ich, so lebhaft gegenwärtig in ihrem Andenken--und in dieser Kälte +kam sie heraus, mich zu sehen--wenn es auch nur Spazierfahrt war, wie +glücklich, daß meine Hütte sie auf diesen Weg locken +mußte--vielleicht kann ich sie noch einmal sehen und sprechen.--Rothe! +Gibt's eine höhere Aussicht für menschliche Wünsche? + + + +Brief + +der Gräfin Stella an Herz + + +Mein Herr! ich habe ihren Zustand erfahren, er dauert mich. Von +ganzem Herzen wünschte ich Unmöglichkeiten möglich zu machen. +Indessen kommen Sie nach der Stadt, und wenn Ihnen damit ein Gefallen +geschehen kann, mich zu sehen und zu sprechen, wie Herr Rothe mir +versichert hat, so hoffe ich, es soll sich bei Ihrer Freundin, der +Witwe Hohl, schon Gelegenheit dazu finden. _Stella_. + + + + +Zweiter Teil + +Erster Brief + +Herz an Rothen, der in Geschäften nach Braunsberg gereist war + + +Da bin ich wieder, mein Wohltäter! in allem Rosenschimmer des Glücks +und der Freude. Rothe! Rothe! was bist Du für ein Mensch. Wie hoch +über den Gesichtskreis meines Danks hinaus! Ich habe auch nicht Zeit, +das alles durchzudenken, wie Du mich geschraubt und geschraubt hast, +mich wieder herzukriegen, mich über alle Hoffnung glücklich zu +machen--ich kann's nur fühlen und schaudern, indem ich Dir in +Gedanken Deine Hände drücke. Ja ich habe sie gesehen, ich habe sie +gesprochen--Dieser Augenblick war der erste, da ich fühlte, daß das +Leben ein Gut sei. Ja ich habe ihr vorgestammelt, was zu sagen ich +Ewigkeiten gebraucht haben würde, und sie hat mein +unzusammenhängendes Gewäsch verstanden. Die Witwe Hohl, Du kennst +die Plauderin, glaubte allein zu sprechen, und doch waren wir es, wir +allein, die, obgleich stumm, uns allein sprechen hörten. Das läßt +sich nicht ausdrücken. Alles was sie sagte, war an die Witwe Hohl +gerichtet, alles was ich sagte, gleichfalls und doch verstand die +Witwe Hohl kein Wort davon. Ich bekam nur Seitenblicke von ihr, und +sie sah meine Augen immer auf den Boden geheftet und doch begegneten +unsere Blicke einander und sprachen ins Innerste unsers Herzens, was +keine menschliche Sprache wird ausdrücken können. Ach als sie so auf +einmal das Gesicht gegen das Fenster wandte, und indem sie den Himmel +ansah, alle Wünsche ihrer Seele auf ihrem Gesicht erschienen--laß +mich, Rothe, ich entweihe alles dies durch meine Umschreibungen. + + + +Zweiter Brief + + +Nun ist es wunderbar, welch einen hohen Platz die Witwe Hohl in +meinem Herzen einnimmt. Du weißt, welch eine Megäre von Angesicht +sie ist, und doch kann ich mich in keiner einzigen +Frauenzimmergesellschaft so wohl befinden als in ihrer. Ich +verschwende Liebkosungen auf Liebkosungen an sie, und das nicht aus +Politik, sondern aus wahrer herzlicher Ergebenheit, denn es scheint +mir, daß sie wie Moses von dem Gesicht meiner Göttin einen gewissen +Schimmer erhalten hat, der sie um und um zur Heiligen macht. Alle +ihre Handlungen scheinen mir Abschattungen von den Handlungen meiner +Gräfin, alle ihre Worte Nachhälle von den ihrigen. Wenn sie von ihr +redt, bekommt auch in der Tat ihr Medusenkopf gefälligere Mienen, +eine gewisse himmlische Heiterkeit blitzt aus ihren Augen und ihre +Reden erhalten alle eine gewisse Melodie in ihrem Munde, über die sie +sich selbst zu wundern scheint. Sie redt deswegen gern von ihr. Und +wer ist glücklicher dabei als ich? Zugleich habe ich an ihr gemerkt, +daß sie keine gemeine Gabe des Vortrages hat. Besonders kann sie +einen Charakter mit wahrer poetischer Kraft darstellen. Es scheint +mir, daß Frauenzimmer ihrer Art immer dadurch vor den schönen und +artigen gewinnen, daß sie in einer gewissen Entfernung von den Leuten +abstehen, die ihren Gesichtspunkt, aus dem sie sie auffassen, immer +unendlich richtiger macht. Sie sehen alles ganz, was andere nur halb +sehen. Kurzum, ich liebe sie, diese Olinde. + + + +Dritter Brief + + +O Rothe! hundertmal fällt mir die Frau ein, die in einer katholischen +Kirche gesessen, wo sie von der lateinischen Predigt kein Wort +verstand, außer einem gewissen Namen, der ihre Andacht erhielt, und +dem zu Gefallen sie allein in die Kirche kam. + +Du weißt, daß ich, um mich hier zu erhalten, weil ich meinen Dienst +niedergelegt, den ganzen Tag informieren muß. Es mattet mich ein +wenig ab, allen den verschiedenen Köpfen auf so verschiedene Art +faßlich zu werden. Den Abend geh ich zur Erholung zur Witwe Hohl +hinauf und wenn ich auch weiter nichts als den Namen einer gewissen +Person aussprechen höre, so ist mir doch gleich wieder so wohl und +kann mich so vergnügt zu Bette legen. + + + +Vierter Brief + + +Ich sehe, ich sehe, daß sich die Witwe Hohl an mir betrügt. Aber laß +sie, es ist ihr doch auch wohl dabei, und da es in meinem Vermögen +nicht steht, einen Menschen auf der Welt durch Handlungen glücklich +zu machen, so soll es mich wenigstens freuen, eine Person, die auf +dieser Art der Glückseligkeit in der Welt schon Verzicht getan hatte, +wenigstens durch ihre eigene Phantaseien glücklich gemacht zu haben. +Unter uns, sie glaubt in der Tat, ich liebe sie. Noch mehr, auch +andere Leute glauben's, weil ich ihr so standhaft den Hof mache. Ich +liebe sie auch wirklich, aber nicht wie sie geliebt sein will. + +Es wird mir fast zu lange, daß ich die Gräfin nicht sehe. Nirgends, +nirgends ist sie anzutreffen. Und die ewige Sisyphus-Arbeit meiner +täglichen Arbeiten ohne die mindeste Freude und Erholung ermattet +sehr. Wenn ich nur durch alle meine Mühe noch was ausrichtete. Ich +zerarbeite mich an Leuten, die träger als Steine sind und die, was +das schlimmste ist, mich mit den bittersten Vorwürfen kränken, daß +sie bei mir nicht weiterkommen können. Witwe Hohl spricht auch kein +Wort von der Gräfin mehr. + + + +Fünfter Brief + +Fräulein Schatouilleuse an Rothen + + +Was T--, machen Sie denn so lange auf dem Lande, das ist ja nicht +auszuhalten. Ihr Herz, den kriegt ja kein Mensch zu sehen, noch zu +genießen, den hat die Witwe Hohl vermutlich an ihrem Bettstollen +angebunden. Es ist doch schändlich, daß der Mensch ihr so hündisch +getreu ist, da sie ihn offenbarlich hintergeht. + +Wissen Sie auch was Neues, Rothe, recht was Neues, daß die Gräfin +Stella Braut ist und das mit einem garstigen alten Mann, der aber +viel Geld hat. Diese Nachricht, versichert, wird Herrn Herzen übel +schmecken. Wenn er sie nur nicht gar zu plump erfährt, ich glaube, +er erschießt sich. + +Wissen Sie mir nicht zu sagen, ob man in Braunsberg gute weiche +Flockseide bekommt? Und was dort die Chinesischen Blumen gelten. +Bringen Sie mir welche mit, die Leute hier sind judenmäßig teuer. + + + +Sechster Brief + +Herz an Rothen + + +Bruder! es ist etwas auf dem Tapet, ich bin der glücklichste unter +allen Sterblichen. Die Gräfin--kaum kann ich es meinen Ohren und +Augen glauben--sie will sich mir malen lassen. O unbegreiflicher +Himmel! wie väterlich sorgst du für ein verlaßnes verlornes Geschöpf. +Meine letzten harrenden und strebenden Kräfte waren schon ermattet, +ich erlag--ich richte mich wieder auf, ich stehe, ich eile, ich +fliege--fliege meinen großen Hoffnungen entgegen. + + + +Siebenter Brief + +Witwe Hohl an die Gräfin Stella + + +Ich habe endlich ein Mittel ausfindig gemacht, liebe Gräfin, das Bild, +das Sie Herrn Rothen in seine Sammlung von Gemälden versprochen +haben, ihm ohne daß es ein Mensch auf der Welt merkt für wen, zu +verschaffen. Mein Freund Herz ist in genauer Verbindung mit einem +hiesigen Maler, dieser soll, als ob ich ihn heimlich durch Herzen +hätte bestellen lassen, Sie unvermutet auf meinem Zimmer überraschen, +Sie müssen sich ein wenig erschrocken stellen, ich bitte Sie sodann +um Verzeihung und sage, weil Sie bald weg von hier zu reisen +gedächten, hätt' ich mir die Gelegenheit zunutz machen wollen, bei +Ihrem letzten Besuch wenigstens Ihr Bild auf der Stube zu behalten. +Herz hat mir alles dies selbst so angegeben, und Sie können sich auf +ihn verlassen, daß er alles so beim Maler einrichten wird, daß Sie +auf keine Weise dadurch kompromittiert werden. + + + +Achter Brief + +Herz an Rothen + + +Eben erhalte ich einen wunderbaren Brief von einem Obristen in +hessischen Diensten, der ehmals mit mir in Leipzig zusammen studiert +hat, und mir die Stelle als Adjutant bei ihm anträgt, wenn ich ihn +nach Amerika begleiten will. Wie, Rothe! dieser Sprung aus dem +Schulmeisterleben auf die erste Staffel der Leiter der Ehre und des +Glücks, der Himmelsleiter, auf der ich alle meine Wünsche zu +ersteigen hoffe. Was sagst Du dazu? Und ihr Bild nehme ich mit. +Mit diesem Talisman in tausend bloße Bajonetter zu stürzen--Ha, Rothe, +daß Du fühlen könntest, wie mir das Herz schlägt! Künftige Woche +läßt sie sich malen. O die großen Akkorde des Schicksals, des +göttlichgütigen Schicksals, dem wir in den umwölkten Stunden durch +unsere Verwünschungen soviel Unrecht tun. Hörst Du sie nicht auch? +segnest Du sie nicht auch? Wie sich alles, alles vereinigt, alles +vereinigen muß--Warum antwortest Du mir denn nicht? + + + +Neunter Brief + +Rothe an den Obristen von Plettenberg + + +Hier überschick ich Ihnen, mein Gönner! einen mir auf mein Gewissen +anvertrauten Brief Ihrer Gräfin Nichte. Es deucht mir, er enthalte +eine nochmalige Vorbitte für den armen Herz, für dessen Schicksal in +Amerika ihr bange ist. Er ist in der Tat nicht zum Soldaten gemacht, +so sehr er sich's zu sein einbildet. Wäre es nicht möglich, daß Sie +ihn dem Kurfürsten zu ** empfehlen könnten, zu der erledigten +Hofjunkerstelle. Ich werde ihn Ihnen selber nach Zelle bringen und +über verschiedene Umstände seines Herkommens und seiner bisherigen +Schicksale Ihnen mündlich nähere Aufschlüsse geben. + + + +Zehnter Brief + +Herz an Rothe + + +Ewige Wonne ruhe auf diesem Tage und unter dem Schimmer des +rosenlächelnden Himmels müssen sich an demselben zwo große Seelen, +die das unerbittliche Schicksal lang voneinander trennte, im höchsten +Taumel der Liebe küssen. + +Laß mich zu mir selber kommen, Rothe, ich kann nicht reden--kann die +Gefühle nicht ausdrücken--aber wenn es je Entzücken auf Erden gibt, +so war es das. Sie wiederzusehn--nach so langem Schmachten--so +wiederzusehn--siehst Du, alle die Wonne schneidt mir ins Herz, ich +sitze da, halb ohne Atem, alle meine Pulse hüpfen, zittern für Freude +und eine wollüstige Träne über die andere stürzt sich aus meinen +Augen herab. + +Die Geschichte dieses Tages--daß Du doch das alles nicht gesehen hast! +Wie kann ich's erzählen? Ich kam mit dem Maler. Nein, ich +schickte den Maler voraus und nach einem Weilchen kam ich nach. Sie +saß ihm schon--saß da in aller ihrer Herrlichkeit--und ich konnte +mich ihr gegenüberstellen und mit nimmersatten Blicken Reiz für Reiz, +Bewegung für Bewegung einsaugen. Das war ein Spiel der Farben und +Mienen! Wenn der Himmel mir in dem Augenblick aufgetan würde, könnt' +er mir nichts Schöners weisen. Das Vergnügen funkelte aus ihren +Augen, o welch eine elysische Jugend blühend und düftend auf ihren +Wangen, ihr Lächeln zauberte mir die Seele aus dem Körper in das +weite Land grenzenloser Chimären. Und ihr Busen, auf dem sich mein +ehrfurchtsvoller Blick nicht zu verweilen getraute, den Güte und +Mitleid mir entgegenhob--Bruder, ich möchte den ganzen Tag auf meinem +Angesicht liegen, und danken, danken, danken-- + + + +Eilfter Brief + +Herz an Rothen + + +Welch ein schreckliches Ungewitter hat diesen himmlischen +Sonnenschein abgelöst! Rothe, ich weiß nicht, ob ich noch lebe, ob +ich noch da bin oder ob alles dies nur ein beängstigender Traum ist. +Auch Du ein Verräter--nein, es kann nicht sein. Mein Herz weigert +Sich, die schrecklichen Vorspiegelungen meiner Einbildungskraft zu +glauben und doch kann ich mich deren nicht erwehren. Auch Du, +Rothe--nimmermehr! + +Schick mir das Bild zurück, oder ich endige schrecklich. Du mußt es +nun haben, dieses Bild, und mit blutiger Faust werde ich's +zurückzufodern wissen, wenn Du mir's nicht in gutem gibst. + +Dein Stillschweigen, Dein geheimnisvolles Wesen gegen mich--gegen +mich, Rothe--bedenke, was das sagen will--nein doch, ich kann es, +kann es nicht glauben. Du kannst Dich eines so schwarzen Complots +nicht schuldig gemacht haben. + +Ich will Dir alles erzählen, aber ich fodere von Dir, daß Du mir +Aufrichtigkeit mit Aufrichtigkeit belohnst. + +Ich flog den Nachmittag, sobald meine Informationen vorbei waren, zur +Witwe Hohl hinauf--kannst Du Dir vorstellen, mit welchen +Empfindungen? Ich wollte ihre beide Hände unbeweglich an meine +Lippen drücken, mich auf die Knie vor ihr werfen, und ihr mit Blicken +und Tränen für alle das Vergnügen danken, das sie mir den Vormittag +verschafft hatte. Aber Gott! wie ward mir das versalzen? Ich fand +sie--zu Bette. Mit der wahren Stimme einer Verzweifelnden redte sie +mich an: "Unglücklicher, fort von mir! was wollt Ihr bei mir"--"Was +ist Ihnen, beste Witwe Hohl"--"Seht da Euer Werk, Verräter"--"Ich +schuld an Ihrer Krankheit"--"Ja schuld an meinem +Tode"--"Wodurch"--"Fragt Euer Herz, Bösewicht!" + +Ich war für Wut außer mir, ich fing an zu bitten, ich fing an zu +schmeicheln, zu weinen, zu schwören--Welche grausame Verwirrungen +hatte unser Mißverstand angerichtet, oder vielmehr meine +Nachlässigkeit, sie eher aus ihrem Irrtum zu reißen. Sie war über +mein Betragen den Vormittag eifersüchtig geworden--sie +eifersüchtig--nie hatte ich mir das träumen lassen. Hätte sie doch +nur einmal während der ganzen Zeit unserer Bekanntschaft in den +Spiegel gesehen, wieviel Leiden hätte sie sich ersparen können! +Indessen, der Mensch sucht seine ganze Glückseligkeit im Selbstbetrug. +Vielleicht betrüge ich mich auch. Sei es was es wolle, ich will +das Bild wieder haben, oder ich bringe mich um.--Nun kommt das +Schlimmste erst. Ich hatte ihr gesagt, ich würde Dir das Bild +zuschicken, weil ich wirklich glaubte, die Gräfin hätte vielleicht +gewünscht, daß Du es auch vorher sehen solltest, eh' ich's nach +Amerika mitnähme. Jetzt sagte sie mir, daß ich die Gräfin aufs +grausamste und unverzeihlichste beleidigen würde, wenn ich ihr nicht +mit einem Eide verspräche, Dir das Bild zuzuschicken und es nimmer +wiederzufodern--"Es nimmer wiederzufodern", sagte ich, "wie können +Sie das verlangen"--"Ja das verlange ich", sagte sie, "und zwar auf +Ordre der Gräfin, denn das erste ist schon geschehen." + +Nun stelle Dir vor, sie hatte während meiner Abwesenheit mein Zimmer +vom Hausherrn aufmachen lassen, und das Bild herausgenommen. Ich +hatte mir vorgesetzt, davon eine Kopei nehmen zu lassen und sie Dir +zuzusenden, das Original aber für mich zu behalten, weil des Malers +Hand dabei sichtbarlich von einer unsichtbaren Macht geleitet ward +und ich das, was die Künstler die göttliche Begeisterung nennen, +wirklich da arbeiten gesehen habe--und nun--ich hätte sie mit Zähnen +zerreißen mögen--alles fort--Rothe, das Bild wieder, oder den Tod! + +Dazu kommt noch, daß ich übermorgen reisen soll. Ich wünschte, ich +könnte Dich abwarten. Schick nur, wenn Du selbst nicht kommen kannst, +das Bild an Fernand, der weiß meine Adresse. O mein Herz ist in +einem Aufruhr, der sich nicht beschreiben läßt. + +Was für Ursachen konnte die Gräfin haben, das Bild Dir malen zu +lassen?--Nein, es ist ein Einfall der Witwe Hohl. Antworte mir doch. + +_Herz._ + + + +Dritter Teil + + +Erster Brief + +Honesta an den Pfarrer Claudius + + +Sie wollen das Schicksal des armen Herz wissen und was ihn zu einem +so schleunigen und seltsamen Entschluß, als der ist, nach Amerika zu +gehen, hat bewegen können. Lieber Pfarrer, um das zu beantworten, +muß ich wieder zurückgehn und eine ziemlich weitläuftige Erzählung +anfangen, die mir, da ich so gern Briefe schreibe, ein sehr +angenehmer Zeitvertreib ist. + +Ich habe seitdem vollständigere Nachrichten eingezogen von Herzens +erster Bekanntschaft mit der Witwe Hohl, von der unglücklichen +Leidenschaft, die er für die Gräfin Stella faßte, von den Ursachen, +die alle zusammentrafen, diese Leidenschaft zu unterhalten, welches +bei jedem vernünftigen Menschen sonst unbegreiflich sein würde, da +die Gräfin nicht allein so weit über seinen Stand erhaben, sondern +auch seit fünf Jahren schon eine Braut mit einem gewissen Obersten +Plettenberg ist, der schon eine Campagne wider die Kolonisten in +Amerika mitgemacht hat, bloß damit er Gelegenheit habe, sich bis zum +General oder Generallieutnant zu bringen, weil er sonst nicht wagen +darf, bei dem Vater der Gräfin um sie anzuhalten. Heimlich ist aber +unter ihr und ihren Verwandten alles mit ihm schon ausgemacht.--Alle +diese Nachrichten sollen Ihnen den Schlüssel zu Herzens wunderbarem +Charakter und Handlungen geben. + +Diese Geschichte ist aber so wie das ganze Leben Herzens ein solch +unerträgliches Gemisch von Helldunkel, daß ich sie Ihnen ohne innige +Ärgernis nicht schreiben kann. Kein Zustand der Seele ist mir +fataler, als wenn ich lachen und weinen zugleich muß, Sie wissen, ich +will alles ganz haben, entweder erhabene Melancholei oder +ausgelassene Lustigkeit--indessen ist es nun einmal so und ich kann +mir nicht helfen. + +Die Witwe Hohl--Sie kennen die Witwe Hohl und ich brauche Ihnen ihre +Häßlichkeit nicht zu beschreiben, doch wenn Sie sich nicht mehr auf +ihr Gesicht erinnern sollten, sie hat eingefallene Augen, den Mund +auf die Seite verzogen, der ein wahres Grab ist, das, wenn sie ihn +öffnet, Totenbeine weist, eine eingefallene Nase, kurz alles was +häßlich und schrecklich in der Natur ist--hier lassen Sie mich +aufstehn und abbrechen, die Beschreibung hat mich angegriffen, +besonders wenn ich bedenke, daß der delikate, der fein organisierte +Herz in sie verliebt war-- + + + +Zweiter Brief + + +Die Witwe Hohl ist eine Person von vielem Vermögen, und was Sie mir +nicht glauben werden, von einem außerordentlichen Verstande. + +Sie können dies nur daraus sehen, daß sie wirklich den Plan gemacht, +dem jungen feinen scharfsichtigen Herz sein Herz zu entführen, und +daß sie diesen Plan--welches mir das unbegreiflichste ist--ausgeführt +hat. Ich weiß nicht, durch welche Zaubermittel sie ihn in ihr Haus +zu locken gewußt hat. Ich stelle mir's so vor, sie war in der ganzen +Stadt bekannt, daß sie eine große weitläuftige Korrespondenz mit +Vornehmen und Gelehrten hat, die sie sich alle durch ihren Verstand +verbindlich zu machen wußte. Herz, der immer ein Narr auf Charaktere +war und in der wirklichen Welt sie aufzusuchen zuviel Ekel und Launen +hatte, dachte hier einen reichen Fund zu tun, und--da sie für alle +diese Korrespondenten zugleich immer Geschäfte machte--bei allen +diesen Personen ihre Art sich zu benehmen, die verschiedenen Massen +von Licht und Schatten, von Selbstliebe und Großmut, oder auch wohl, +bei Leuten von geringeren Ton, von Geiz und Hochmut in ihrem +Charakter hier gleichsam aus der ersten Hand zu haben. Nun kommt +noch dazu, daß sie selbst eine ungemein große Gabe zu erzählen hat, +sie weiß alle Gegenstände, die sie einmal sieht, gleich so zu fassen +und vorzutragen, daß man sie auch zu sehen glaubt, kurz, als Herz das +erstemal mit ihr in Gesellschaft war, wo sie denn gleich einige ihrer +Briefe hervorgezogen, und von ihr hörte, daß sie ein Zimmer in ihrem +Hause um einen sehr wohlfeilen Preis zu vermieten habe, zog er +sogleich des folgenden Tages bei ihr ein, und nun war er für alle +unsere Gesellschaften verloren. + +Er kam alle drei Tage nur in unser Haus und tat dabei so frostig, daß +wir ihn immer nur das Terzianfieber nannten. Zuletzt blieb er gar +weg und wer dabei am wenigsten verlor, das waren wir. Jetzo erst, da +ich von dem Herrn Rothe den wahren Zusammenhang seiner Verirrungen +erfahren, fange ich an, ihn zu bedauren. + +Stellen Sie sich vor, sie kramte die Briefe der Gräfin aus, die schon +seit ihrer Kindheit mit ihr in großer Bekanntschaft steht und seit +dieser Zeit her in ** alle Geschäfte durch sie hat machen lassen. +Nun habe ich Ihnen die Gräfin Stella schon beschrieben, noch müssen +Sie das wissen, sie schreibt wie ein Engel. Ich habe Briefe von ihr +gesehen, sie weiß den allergeringsten Sachen so etwas Anzügliches zu +geben, daß man sogar ihre kleinsten Kommissionen mit eben dem +Interesse liest, als den wohlgeschriebensten Roman. Mein Herz war +hin, als er immer weiter in dieses Heiligtum trat, Brief für Brief +dieser Charakter sich immer herrlicher ihm entwickelte, denn es waren +hier Briefe von den ersten Jahren ihres Lebens an und sie hatte nie +geglaubt, gegen die Witwe Hohl im geringsten sich verstellen oder, +was heutzutage so allgemein ist, repräsentieren zu dürfen. + +Nun beging die Witwe die grausame List, Herzen ganz und gar zu +verhehlen, daß die Gräfin mit irgend einer Mannsperson auf der Welt +in Verbindungen des Herzens stehe. Alle die neueren Briefe, in denen +etwas von Plettenberg vorkam, versteckte sie ihm sorgfältig, Herz, +der von jeher, wie Sie wissen, vielleicht durch die Schicksale seiner +Jugend, die sonderbar genug sein sollen, äußerst romantisch gestimmt +war, glaubte es vielleicht möglich, daß er dies Herz wenigstens zur +Freundschaft gegen ihn durch Zeit, Geduld und Sorgfalt stimmen könnte. +Er faßte also den gigantischen Vorsatz, nicht abzulassen, bis er es +durch die Witwe Hohl so weit gebracht, daß die Gräfin Stella +wenigstens seine Freundin würde. Auf der andern Seite faßte die +Witwe Hohl, die wohl einsah, daß Herz nur durch Reize der Seele +gefesselt werden könnte und sich für die gewöhnlichen schönen und +artigen Gesichte der Stadt zu gut hielt, gleichfalls den festen +Vorsatz, nicht abzulassen, bis sie es durch die Briefe der Gräfin +dahin gebracht, daß er sich ganz und gar an unsichtbare Vorzüge +gewöhnte und wenn er sähe, daß seine Leidenschaft für die Gräfin eine +bloße Chimäre sei, _sie_ als ihre vertrauteste Freundin an ihre +Stelle setzte. Sie behielt also die Nachricht von ihrer geheimen +Verbindung mit Plettenberg als den Theaterstreich zurück, der die +ganze Katastrophe entscheiden sollte. Ich fürchte sehr, das Stück +könne eher tragisch als komisch endigen. + +Nun ging das Drama von beiden Seiten an und die Rollen wurden +meisterhaft abgespielt. Witwe Hohl redete immer von der Gräfin und +zog dadurch Herzen immer fester an sich. Sie ließ sogar bei der +Erzählung von den Jugendjahren derselben ihren ganzen Witz und ihr +ganzes Herz mit all seinen Hoffnungen teilnehmen, welches ihren Augen +so wie ihren Ausdrücken ein Feuer gab, das Herzen oft ganz bezauberte. +Er trank das süße Gift begierig in sich, doch brauchte er die +Vorsicht, bei alledem eine gewisse Kälte und Gleichgültigkeit zu +affektieren und das, was die wütendste Leidenschaft in seinem Herzen +war, als frostige Bewunderung einzukleiden, welches auf der andern +Seite die Witwe Hohl an ihm bezauberte, die denn dadurch immer besser +humorisiert, immer, daß ich so sagen mag, begeisterter wurde, so daß +beiden nie besser zumut war, als wenn sie auf diese Materie kamen, +und sie von allen Diskursen des gemeinen Lebens immer Gelegenheit zu +finden wußten, dahin einzulenken. Dazu kam noch, daß diese Materie +ein unvergleichlicher Probierstein ihres Witzes war, bei alledem +ihren Zweck immer vor Augen zu behalten und mit unmerklichen, aber +ihrer Meinung nach sehr festen und zuverlässigen Schritten ihren +großen Staatsgefangenen demselben entgegenzuführen. Zu dem Ende ließ +sie von Zeit zu Zeit einige nicht gar zu vorteilhafte Beschreibungen +von dem Gesicht der Gräfin mit unterlaufen, sagte aber, alle diese +kleinen Fehler würden von den Eigenschaften ihres Gemüts so +verdunkelt--ich kann nicht schreiben, lieber Pfarrer, ich muß laut +lachen, wenn ich mir das Gesicht der Witwe bei diesen Reden denke und +die erstaunte und verlegene Miene, mit der Herz ihr muß zugehört +haben. + + + +Dritter Brief + + +Sie trieb es so weit, daß sie in ihren Briefen an die Gräfin von +ihrer neuen Bekanntschaft mit Herzen redte oder vielmehr mit dieser +neuen und seltenen Eroberung prahlte, da sie denn, wie natürlich, auf +die Beschreibungen, die sie von seinem Charakter gemacht und die +ausschweifend vorteilhaft waren, von der Gräfin auch für ihn sehr +vorteilhafte Ausdrücke zur Antwort erhalten mußte. Sie hielt diese +Kriegslist für notwendig, um das Feuer, das sie einmal in seinem +Herzen angeblasen und das er aus Politik auf seinem Gesicht oft sehr +trüb und dunkel brennen ließ, nicht auslöschen zu lassen. Wer war +glücklicher als Herz? Er suchte in allen diesen Ausdrücken der ganz +und gar unschuldigen Gräfin wahre Spuren dessen, was er für sie +fühlte, und nun ging's mit seinem Verstande, Genie und Talenten +Galopp berghinunter. Er hörte, sie sei zu den Winterlustbarkeiten in +** angekommen. Er lief überall wie ein Wahnwitziger herum, sie zu +suchen, sie zu sehen, das Bild zu dieser unsichtbaren Gottheit zu +finden, die er anbetete. Sie können sich vorstellen, daß er sich +alles hat kosten lassen, und so mußte er bei seinem +schmalzugeschnittenen Vermögen notwendigerweise in Schulden geraten. +Endlich als ihm das Geld ausging und ihm niemand mehr borgen wollte, +denn so viel Vernunft war ihm immer noch übriggeblieben, daß er sich, +auch wenn's ihm das Leben gekostet hätte, nie um Geld an die Witwe +Hohl wenden wollte, um ihr kein Recht über ihn zu geben, worauf sie +nur lauerte--marschierte er aus der Stadt und in eine Einsiedelei, wo +kein Mensch weiter von ihm hörte oder sah. + +Rothe war hinter alles das gekommen. Er hat seit langer Zeit Zutritt +in dem Hause der Gräfin, so wie er überhaupt hier in den besten +Häusern hat, weil er von den Großen in wichtigen Geschäften mit +Erfolg gebraucht wird und seine persönlichen Gaben seine Gesellschaft +zu der angenehmsten von der Welt machen. Er versuchte alles, Herzen +wieder in die Stadt zu bringen, da alles vergeblich war, wandte er +sich an die Gräfin und erzählte ihr aufrichtig den Verlauf der Sache +und die komplizierte Rolle, die die Witwe Hohl bei derselben gespielt. +Die Gräfin, wie Sie sich leicht vorstellen können, war ganz +innigstes tiefstes Bedauern für die Verirrung eines Menschen von so +vielen Talenten, wie Rothe ihr den Herz beschrieb, und bat ihn, ihr +ein Mittel an die Hand zu geben, ihn vielleicht zu heilen. Rothe +wußte ihr kein bessers vorzuschlagen, als daß sie sich etwa für ihn +malen ließe, damit er doch einige Entschädigung für seine getäuschten +Hoffnungen hätte, und alsdenn wollten sie dafür sorgen, ihn zu +entfernen und darüber mit Plettenberg selber korrespondieren, der von +der ganzen Sache unterrichtet werden mußte, weil sie schon eine Fabel +in der Stadt geworden war. Das geschah, Plettenberg schlug vor, ihn +nach Amerika mitzunehmen, um gegen die Kolonisten zu dienen. Das +wunderbarste war, daß Plettenberg ihn schon ehmals auf der Akademie +gekannt und daselbst viel Freundschaft für ihn gefaßt hatte. Er trug +ihm also die Stelle als Adjutant bei seinem Regiment an, die denn +auch Herz mit beiden Händen annahm, weil er glaubte, dies sei die +Laufbahn, an deren Ziel Stella mit Rosen umkränzt ihm den Lorbeer um +seine Schläfe winden würde. + +Sie hatten zugleich den Plan gemacht, dem armen Herz nichts von ihrer +Verbindung mit Plettenberg merken zu lassen, sondern ihn in seinem +lieben Irrtum fortträumen zu lassen, bis Zeit und Entfernung ihn von +selbst in den Stand setzten, einen solchen Todesstreich auszuhalten. +Denn jetzt war nichts anders als sein unvermeidlicher Untergang +abzusehen, sobald er ihn erführe. Unterdessen sollte Plettenberg aus +Amerika zurückkommen, und in Abwesenheit unsers Ritters die Hochzeit +vollziehen, den er denn so lange von Europa entfernt halten konnte, +als es ihm gelegen war. + +Dieser Plan ist grausam genug, indessen ist er doch der einzig +erträgliche für einen so gespannten Menschen als Herz ist. Sie haben +auch wirklich den Anfang gemacht ihn auszuführen: wie er ausgehen +wird, weiß der Himmel, ich mache immer die Augen zu, wenn ich daran +denke. + +Nun stellen Sie sich vor, was die arme liebenswürdige Gräfin dabei +leidet. Einen Menschen unglücklich zu sehen bloß dadurch, daß sie so +vollkommen ist, mit dazu beigetragen zu haben, ohne daß sie im +mindesten die Absicht dazu gehabt, die schrecklichsten Aussichten für +diesen Menschen vor sich zu sehen, den sie sich nicht entbrechen kann, +hochzuschätzen, dessen Schwärmerei für sie selbst das schönste +Kolorit seines Charakters macht. Auf der andern Seite eines +Liebhabers zu schonen, der schon fünf Jahre her die redendsten Proben +seiner Treue gegeben hat und mit dem sie die glücklichsten Tage +voraussieht.--Sie hat sich wirklich für Herzen malen lassen, wobei +die Witwe Hohl immer die Hand mit im Spiel gehabt, weil Plettenberg +dies nicht erfahren sollte. Sie wissen, die Delikatesse eines +Liebhabers kann durch nichts so sehr beleidigt werden, als auch nur +das Bild von seiner Angebeteten in fremden Händen zu wissen. + +So stehen die Sachen, lieber Pfarrer! und so wie ich höre, soll Herz +wirklich gestern abends zu den hessischen Truppen abgegangen sein, +die nach Amerika eingeschifft werden. Er schwimmt jetzt in lauter +seligen Träumen von Liebe und Ehre, ich fürchte, das Aufwachen wird +schrecklich sein. + +Ich kenne Plettenberg von Person, er ist nicht schön und schon bei +Jahren, hat aber vielen Verstand und ein ungemein empfindliches Herz, +Geld genug hat er und könnte die äußern Glücksumstände des armen Herz +sehr leicht in guten Stand setzen. Aber welche Entschädigung für +einen solchen Verlust und bei einem Menschen wie Herz ist! dessen +ganzes Glück in Träumen besteht und der das, was man solid nennt, mit +Füßen tritt. + +Leben Sie wohl und verzeihen Sie, daß ich soviel geplaudert habe. +Nicht wahr, ich hab eine gute Anlage zur Romanenschreiberin? + + + +Vierter Teil + + +Erster Brief + +Rothe an Plettenberg + + +Herz ist weggereist, bester Plettenberg, ohne mich abzuwarten. Sie +sehen, er ist wie ein wilder mutiger Hengst, den man gespornt hat, +der Zaum und Zügel verachtet. Auch machen mir's meine Geschäfte +unmöglich, ihm gleich nachzureisen oder ihn noch einzuholen, ehe er +zu Ihnen kommt. Ich will ihm also diese kleine Empfehlung als einen +Vorreiter vorausschicken, damit Sie wissen, wie Sie ihn zu empfangen +haben. Denn ich zweifle, obschon Sie in Leipzig mit ihm studiert, +daß Sie mir diesen seltsamen Menschen ganz kennen. + +Er ist--daß ich's Ihnen kurz sage--der unechte Sohn einer +verstorbenen großen Dame, die vor einigen zwanzig Jahren noch die +halbe Welt regierte. Er war die Frucht ihrer letzten Liebe und als +eine solche einem gewissen Großen zur Erziehung anvertraut worden, +der ihn bei ihrem Hintritt sehr scharf hielt. Endlich ließ er ihn +mit seinen Kindern unter der Aufsicht eines Hofmeisters reisen, der +nun freilich dem wunderbaren Charakter unsers Herz auf keine Weise zu +begegnen wußte und das Ansehen, das er von dem Grafen ** über ihn +erhalten, auf das niederträchtigste mißbrauchte. Herz, der überall +zu Hause zu sein glaubte, setzte sich im zwölften Jahr mit einigen +dreißig Dukaten, die er von ihm hatte ausholen können, auf die Post, +und reiste heimlich à l'aventure nach Frankreich. + +Hier kam er in die elendesten Umstände. Sein Geld ging zu Ende, er +verstund wenig oder nichts von der Sprache, mit dem allen, so wie das +ein Hauptzug in seinem Charakter ist, den er vielleicht mit mehrern +seiner Nation gemein hat, alle seine Vorsätze nur einmal zu fassen +und durch nichts in der Welt sich davon abbringen zu lassen, war er +auch jetzt durch keine Umstände mehr zu bewegen, den Schritt zu +seinem Hofmeister oder zum Grafen ** zurück zu tun. Er beharrte also +unveränderlich darauf, in Frankreich zu bleiben, und da er den großen +Abstand der französischen von den Sitten seines Vaterlandes sah, sich +mit seinen eigenen Fähigkeiten und Fleiß durch alle Klassen selber +hindurchzutreiben, um das Eigentümliche dieser Nation, die er an +Kultur so weit über der seinigen glaubte, sich dadurch ganz zu eigen +zu machen. Dieser abenteuerliche Vorsatz gelung ihm. Er wußte sich +durch seine Gelehrigkeit und durch die guten Eigenschaften seines +Geistes und Herzens in dem Hause eines reichen Bankiers so zu +empfehlen, daß er ihn alles lernen ließ, was er verlangte, und mit +seinem Gelde und Ansehen unterstützte. Bei diesem hat er den Namen +Herz angenommen, den er auch nachher immer beibehalten hat und keinem +Menschen als mir von seinen Schicksalen was hat merken lassen. + +Dieser war es auch, der ihn nach Leipzig schickte, um Deutsch zu +lernen, wo Sie ihn denn müssen gekannt haben. Als er zurückkam, +brauchte er ihn hauptsächlich zu seiner Korrespondenz und hat ihm, so +wie man auch nicht anders konnte, wenn man näher mit ihm umging, sein +ganzes Herz geschenkt. Endlich verschickte er ihn, um dem Bankerut +eines der größten Häuser vorzubeugen, nach der Hauptstadt, wo er sich +auch mit so vieler Ehre dieses Geschäfts entledigte, daß er von +beiden eine jährliche Pension erhielt, die er verzehren konnte, wo er +wollte. Er ging nach Holland damit, weil er von jeher das Land zu +sehen gewünscht hatte, wo Peter der Große Schiffszimmermann gewesen, +weil er aber zu nachlässig war, die Gewogenheit seiner Wohltäter +durch öftere Briefe zu unterhalten, so verlor er die Pension, kam +darauf ins Clevische, von da er endlich hieher gekommen ist. + +Sehen Sie hier die wunderbare Landkarte seiner Schicksale. Sollte +ich Ihnen aber die Geschichte seines Herzens erzählen und wieviel +Anteil die an seinen äußern Umständen und Begebenheiten gehabt hat, +so würde Ihre Verwunderung und vielleicht Ihr Mitleid noch höher +steigen. + + + +Zweiter Brief + +Herz an Rothen einige Meilen vor Zelle + + +Das Bild, Rothe! oder ich bin des Todes--Ich eile ihm immer näher, +dem Ort meiner Bestimmung, und ohne sie--Ist mir's doch, als ob ich +zum Hochgericht ginge.--Rothe, wärest Du etwa ein Bösewicht? Was für +Ursachen kannst Du haben, mir das Bild vorzuenthalten. Es ist so +schrecklich, so unmenschlich grausam. Bedenke, wo ich hin soll--und +ohne sie! + + + +Dritter Brief + +Rothe an Plettenberg + + +Ich kann nicht anders, ich muß meinem vorigen noch einen Brief +nachschicken. Sie sollten nicht glauben, was alle diese Schicksale, +mit dem Abstechenden und Befremdlichen, das er an allen Charakteren +und Sitten in Frankreich und Deutschland gegen die Charaktere und +Sitten seines Vaterlandes gefunden, seiner Seele für eine +wunderbar-romantische Stimmung gegeben haben. Er lebt und webt in +lauter Phantasieen und kann nichts, auch manchmal nicht die +unerheblichste Kleinigkeit aus der wirklichen Welt an ihren rechten +Ort legen. Daher ist das Leben dieses Menschen ein Zusammenhang von +den empfindlichsten Leiden und Plagen, die dadurch nur noch +empfindlicher werden, daß er sie keinem Menschen begreiflich machen +kann. Er hat sich nun einmal eine gewisse Fertigkeit gegeben, die +seine andere Natur ist, alle Menschen und Handlungen in einem +idealischen Lichte anzusehen. Alle Charaktere und Meinungen, die von +den seinigen abgehen, scheinen ihm so groß, er sucht so viel dahinter, +daß er mit lauter außerordentlichen Menschen, gigantischen +Tugendhelden oder Bösewichtern umgeben zu sein glaubt, und ihm gar +nicht begreiflich gemacht werden kann, daß der größte Teil der +Menschen mittelmäßig ist, und weder große Tugenden noch große Laster +anders, als dem Hörensagen nach kennet. + +Nun nehmen Sie diesen Menschen, wenn er verliebt ward, was der in +seine Schönen hineinlegte. Dreimal ist er so angelaufen, endlich +verzweifelte er an dem ganzen weiblichen Geschlecht und was er ihnen +vorhin zu viel beilegte, traute er ihnen jetzt zu wenig zu. + +Nun stellen Sie sich vor, was die Entdeckung eines solchen Charakters, +wie der Ihrer Braut war, auf ihn für einen Eindruck muß gemacht +haben. Er sah, dachte, hörte, fühlte jetzt nun nichts als die +Erscheinung einer Gottheit, die in weiblicher Gestalt auf die Erde +gekommen wäre, ihn von seinem lästerlichen Irrtum zurückzubringen. +Desto mehr aber haben wir jetzt von ihm zu befürchten, da sein +Verstand mit seiner wilden taumelnden Einbildungskraft nun gemeine +Sache macht. + +Ich muß Ihnen doch, um Ihnen seine Art zu lieben ein wenig ins Licht +zu setzen, von den drei Liebesgeschichten seiner Jugend, soviel ich +davon weiß, eine Idee geben. Seine erste Liebe war in Rußland, als +er erst 11 Jahr alt war, und dazu in die Mätresse des alten Grafen ** +selbst, bei dem er im Hause war. Stellen Sie sich vor, wie +aufbrausend schon die kindische Einbildungskraft dieses Menschen +gewesen sein muß, da er in dieser wirklich liederlichen Weibsperson +das Gegenbild zu dem Ideal zu finden glaubte, das er sich von der +Nymphe des Telemachs, den sein Hofmeister mit ihm exponierte, gemacht. +Dieses Ideal wurde nun aber schändlich über den Haufen geworfen, +als er sie mit dem alten Grafen einmal im Bette antraf--Seine zweite +Liebe war die Nichte des Kaufmanns in Lion, deren lebhafter Witz ihn +steif und fest glauben machte, er habe an ihr eine zweite Ninon +gefunden. Endlich aber fand er, daß sie nur kokett gegen ihn gewesen +war, und da sehnte er sich herzlich nach Deutschland, um aus Goethens +oder Wielands Romanen und aus Klopstocks Cidli sich ein Ideal +zusammenzuschmelzen, das seinesgleichen noch nicht gehabt. So gut +ward's ihm denn auch, als er nach Leipzig kam, und die Tochter eines +Landpredigers, die sich eine Zeitlang daselbst bei einer Verwandtin +aufgehalten, versprach ihm die Erfüllung aller seiner Wünsche. Aber +wie jämmerlich wurden seine Entzückungen mit schreienden und +schnarrenden Dissonanzen unterbrochen, als er auf einmal auch diese +seine Messiasheldin, nachdem die ersten Wochen ihrer Maskerade vorbei +waren, nur als eine künstliche Agnese erscheinen sah, die unter ihrem +Nonnenschleier Liebesbriefchen ohne Zahl und tausend verstohlne +Küßchen entgegennahm, ja die er endlich sogar bei einer starken +Vertraulichkeit mit einem dicken runden Studenten überraschte. Da +lagen nun alle seine Ideale umgestürzt, und er hätte nun mit eben dem +kalten Blut, als jene Belagerten sich mit griechischen Bildsäulen +verteidigten, sie alle über die Stadtmauer werfen können. Das Leben +ward ihm zur Last, er zog in der Welt herum von einem Ort zum andern +nimmer ruhig und hätte seine Existenz gar zu gern mit eigner Hand +verkürzt, wenn er nicht den Selbstmord, ohne dringende Not, nach +seinem Glaubenssystem für Sünde gehalten hätte. + +Jetzt, mein teurester Plettenberg, können Sie sich eine Vorstellung +machen, was wir von einem Menschen dieser Art in einem solchen Fall +zu erwarten haben, wenn er nicht behutsam behandelt wird. Er hat +Vernunft genug einzusehen, daß in seinem jetzigen Stande es Torheit +wäre, Ansprüche oder Hoffnungen auf den Besitz der Gräfin zu machen, +aber auch wilde Einbildungskraft genug, sich alles möglich +vorzustellen, was ihn zur Gleichheit mit ihr erheben kann, besonders +da die Ideen seiner Jugendjahre und seiner Geburt bei allen seinen +Unglücksfällen ihn nie verlassen haben. Am allermeisten, da seine +Jahre sich immer mehr der männlichen Reife nähern und er in ihr die +Erfüllung aller seiner Ideen gefunden zu haben glaubt. + +Haben Sie also die Gütigkeit, ihn so zu empfangen, wie ein weiser +Arzt einen höchst gefährlichen Kranken empfangen würde, der durch +alles, was wirkliche Achtung, Mitleid und Freundschaft verdient, alle +Ihre edleren Empfindungen in Anspruch nimmt. + + + +Vierter Brief + +Herz an Fernand + +Rothe ist ein Verräter--er schickt mir das Bild nicht--sag ihm, er +wird meinen Händen nicht entrinnen. + + + +Fünfter Brief + +Plettenberg an Rothe + + +Eben habe ich Ihren irrenden Ritter nebst Ihren Vorreutern und +blasenden Postillonen erhalten, lieber Rothe. Ich muß sagen, diese +Erscheinung wirkt sonderbar auf mich, der Mensch ist so ganz, was er +sein will, und da er eine der schwersten Rollen auf Gottes Erdboden +spielt, so repräsentiert er doch nicht im mindesten. + +Er war bleich und blaß, als er hereintrat. Es ist lustig, wie wir +miteinander umgehen. Gleich als ob ich der verliebte Ritter und er +der Bräutigam sei, hat er mit einer Zuversicht mir von seiner Liebe +zu meiner Braut eine Vertraulichkeit gemacht, die mich so ziemlich +aus meiner Fassung setzte, aus der ich doch, wie Sie wissen, sonst so +leicht nicht zu bringen bin. Er sagte mir zugleich, Sie wären ein +schwarzer Charakter; als ich ihn um die Ursache fragte, gestand er +mir, Sie hätten ihm das Porträt meiner Braut zuschicken sollen, und +hätten es nun nicht getan. Wirklich hatte ich von jemand anders ein +Paket für ihn erhalten, als ich es ihm wies, schlug er beide Hände +gegen die Stirn, fiel auf die Knie und schrie "o Rothe! Rothe! wie +oft muß ich mich an dir versündigen!" Ich fragte ihn um die Ursache, +er sagte, er habe selbst alles so angeordnet, daß das Paket durch +seinen Kommissionär in **, unter meiner Adresse an ihn geschickt +werden sollte, und nun hab' er's unterwegens vergessen, und Sie im +Verdacht gehabt, daß Sie es ihm hätten vorenthalten wollen. + +In der Tat, mein lieber Rothe, habe ich Ursache, von diesem Ihrem +Verfahren gegen mich ein wenig beleidigt zu sein, besonders aber von +der Gewissenhaftigkeit, mit der Sie alles das vor mir verschwiegen +gehalten. Ich hatte das Herz nicht, dieses seinsollende Porträt +meiner Braut Herzen zu entziehen, weil ich fürchtete, seine +Gemütskrankheit dadurch in Wut zu verwandeln, aber es kränkt mich +doch, daß ein Bild von ihr in fremden und noch dazu so +unzuverlässigen Händen bleiben soll. Wenn Sie mir's nur vorher +gesagt hätten, aber wozu sollen die Verheimlichungen? + +Unsere Truppen marschieren erst den Zwanzigsten, wir haben heute den +Ersten, ich dächte, es wäre nicht unmöglich, Sie vor unserem Abmarsch +noch einige Tage zu sehen. Ich habe Ihnen viel, viel an meine Braut +zu sagen, und brauche in der Tat einen Mann wie Sie, mir bei meiner +Abreise ein wenig Mut einzusprechen. + +Freund, ich merke an meinen Haaren, daß ich alt werde. Sollte Stella, +wenn ich wiederkomme und von den Beschwerden des Feldzugs nun noch +älter bin--Kommen Sie, Sie werden mein Engel sein. Es gibt +Augenblicke, wo mir's so dunkel in der Seele wird, daß ich +wünschte-- + +_Plettenberg._ + + +Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Der Waldbruder, ein Pendant zu +Werthers Leiden, von Jakob Michael Reinhold Lenz. + + + + + + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER WALDBRUDER, EIN PENDANT ZU WERTHERS LEIDEN *** + +This file should be named 6833-8.txt or 6833-8.zip + +Project Gutenberg eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +We are now trying to release all our eBooks one year in advance +of the official release dates, leaving time for better editing. +Please be encouraged to tell us about any error or corrections, +even years after the official publication date. + +Please note neither this listing nor its contents are final til +midnight of the last day of the month of any such announcement. +The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at +Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A +preliminary version may often be posted for suggestion, comment +and editing by those who wish to do so. + +Most people start at our Web sites at: +https://gutenberg.org or +http://promo.net/pg + +These Web sites include award-winning information about Project +Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new +eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!). + + +Those of you who want to download any eBook before announcement +can get to them as follows, and just download by date. This is +also a good way to get them instantly upon announcement, as the +indexes our cataloguers produce obviously take a while after an +announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter. + +http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext04 or +ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext04 + +Or /etext03, 02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90 + +Just search by the first five letters of the filename you want, +as it appears in our Newsletters. + + +Information about Project Gutenberg (one page) + +We produce about two million dollars for each hour we work. The +time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours +to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright +searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our +projected audience is one hundred million readers. If the value +per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 +million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text +files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ +We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 +If they reach just 1-2% of the world's population then the total +will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. + +The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! +This is ten thousand titles each to one hundred million readers, +which is only about 4% of the present number of computer users. + +Here is the briefest record of our progress (* means estimated): + +eBooks Year Month + + 1 1971 July + 10 1991 January + 100 1994 January + 1000 1997 August + 1500 1998 October + 2000 1999 December + 2500 2000 December + 3000 2001 November + 4000 2001 October/November + 6000 2002 December* + 9000 2003 November* +10000 2004 January* + + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created +to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. + +We need your donations more than ever! + +As of February, 2002, contributions are being solicited from people +and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut, +Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois, +Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, +Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New +Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio, +Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South +Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West +Virginia, Wisconsin, and Wyoming. + +We have filed in all 50 states now, but these are the only ones +that have responded. + +As the requirements for other states are met, additions to this list +will be made and fund raising will begin in the additional states. +Please feel free to ask to check the status of your state. + +In answer to various questions we have received on this: + +We are constantly working on finishing the paperwork to legally +request donations in all 50 states. 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