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+This eBook, including all associated images, markup, improvements,
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-The Project Gutenberg eBook of Das Friedensfest, by Gerhart Hauptmann
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
-most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
-of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you
-will have to check the laws of the country where you are located before
-using this eBook.
-
-Title: Das Friedensfest
-
-Author: Gerhart Hauptmann
-
-Release Date: December 11, 2022 [eBook #69523]
-
-Language: German
-
-Produced by: Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online Distributed
- Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was
- produced from images generously made available by The
- Internet Archive)
-
-*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS FRIEDENSFEST ***
-
-
- ####################################################################
-
- Anmerkungen zur Transkription
-
- Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1894 so weit
- wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler
- wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr
- verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert;
- fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert.
-
- Der Ausdruck ‚et cetera‘ wird im ursprünglichen Text mit Hilfe
- der Tironischen Note ‚Et‘ dargestellt. Da diese Note in vielen
- Zeichensätzen nicht enthalten ist, wird in der vorliegenden Fassung
- die im Deutschen gebräuchliche Abkürzung ‚etc.‘ verwendet.
-
- Das Original wurde in Frakturschrift gesetzt; besondere
- Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der folgenden
- Sonderzeichen gekennzeichnet:
-
- Regieanweisungen: _Unterstriche_ (kleinere Schriftgröße)
- Fettdruck: =Gleichheitszeichen=
- gesperrt: +Pluszeichen+
- Antiqua: ~Tilden~
-
- ####################################################################
-
-
-
-
- Das Friedensfest.
-
- [Illustration]
-
-
-
-
- Von =Gerhart Hauptmann= erschienen im gleichen Verlage:
-
-
- =Vor Sonnenaufgang.=
-
- Soziales Drama.
-
- 6. Auflage.
-
-
- =Einsame Menschen.=
-
- Drama.
-
- 3. Auflage.
-
-
- =Die Weber.=
-
- Schauspiel aus den vierziger Jahren.
-
- 6. Auflage.
-
-
- =College Crampton.=
-
- Comödie.
-
- 2. Auflage.
-
-
- =Der Biberpelz.=
-
- +Eine Diebscomödie.+
-
- 2. Auflage.
-
-
- Jeder Band eleg. geh. Mark 2.--
- „ „ eleg. geb. „ 3.--
-
-
- =Der Apostel.= -- =Bahnwärter Thiel.=
-
- Novellistische Studien.
-
- Geheftet Mark 1,50, gebunden Mark 2,50.
-
-
- =Hannele.=
-
- +Eine Traumdichtung.+
-
- Reich illustrirt.
-
- Geheftet Mark 5.--, in Prachtband gebunden Mark 7.50.
-
-
-
-
- GERHART HAUPTMANN.
-
- [Illustration]
-
- Das
- Friedensfest.
-
- =Eine Familienkatastrophe.=
-
- Bühnendichtung.
-
-
- Sie finden in keinem Trauerspiele Handlung, als
- wo der Liebhaber zu Füßen fällt ⁊c. ...
-
- Es hat ihnen nie beifallen wollen, daß auch
- jeder innere Kampf von Leidenschaften, jede
- Folge von verschiedenen Gedanken, wo eine die
- andere aufhebt, eine Handlung sei; vielleicht
- weil sie viel zu mechanisch denken und fühlen,
- als daß sie sich irgend einer Thätigkeit dabei
- bewußt wären. -- Ernsthaft sie zu widerlegen,
- wurde eine unnütze Mühe sein.
-
- +Lessing.+
- Abhandlungen über die Fabel.
-
-
- [Illustration]
-
- =Berlin 1894.=
-
- +S. Fischer, Verlag.+
-
-
-
-
- Den Bühnen gegenüber Manuscript.
-
-
-
-
- =Dem Dichter=
-
- =Theodor Fontane=
-
- ehrfurchtsvoll
-
- zugeeignet.
-
-
-
-
-Handelnde Menschen.
-
-
- =~Dr. med.~ Fritz Scholz,= 68 Jahre alt. } Soweit möglich,
- =Minna Scholz,= dessen Ehefrau, 46 Jahre alt.} muß in
- =Auguste,= 29 Jahre alt } } den Masken
- =Robert,= 28 Jahre alt } deren Kinder. } eine Familienähnlichkeit
- =Wilhelm,= 26 Jahre alt } } zum Ausdruck
- } kommen.
- =Frau Marie Buchner,= 42 Jahre alt.
- =Ida,= ihre Tochter, 20 Jahre alt.
- =Friebe,= Hausknecht, 50 Jahre alt.
-
- * * * * *
-
-Die Vorgänge dieser Dichtung spielen sich ab an einem Weihnachtsabend
-der 80er Jahre in einem einsamen Landhaus auf dem Schützenhügel bei
-Erkner. (Mark Brandenburg).
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-Der Schauplatz
-
-
-_aller drei Vorgänge ist eine hohe, geräumige Halle, weiß getüncht,
-mit alterthümlichen Bildern, wie auch mit Geweihen und Thierköpfen
-aller Art behangen. Ein Kronleuchter aus Hirschgeweihen in der Mitte
-der Balkendecke angebracht, ist mit frischen Lichtern besteckt.
-Mitten in der Hinterwand ein nach innen vorspringendes Gehäuse mit
-Glasthür durch die man das schwere, geschnitzte Eichenportal des Hauses
-erblicken kann. Oben auf dem Gehäuse befindet sich ausgestopft ein
-balzender Auerhahn. Seitlich über dem Gehäuse rechts und links je ein
-Fenster, befroren und zum Theil mit Schnee verweht._
-
-_Die Wand rechts weist einen offenen, thorartigen Bogen auf, der nach
-der Treppe in die oberen Stockwerke führt. Von zwei niedrigen Thüren
-derselben Wand führt die eine nach dem Keller, die andere zur Küche.
-Die gegenüberliegende Wand hat ebenfalls zwei Thüren, welche beide
-in ein und dasselbe Zimmer führen. Zwischen diesen Thüren eine alte
-Standuhr, auf deren Dach ein ausgestopfter Kauz hockt. Die Möblirung
-des Raumes besteht aus alten, schweren Eichenholztischen und Stühlen.
-Parallel mit der Seitenwand, rechts vom Zuschauer eine weiß gedeckte
-Tafel. Rechts im Vordergrund ein eisernes Oefchen mit längs der Wand
-hingehender Rohrleitung. Alle Thüren sind bunt, die Thürfüllungen mit
-primitiven Malereien, Papageien ⁊c. darstellend versehen._
-
-
-
-
-Erster Vorgang.
-
-
-_Die Halle ist mit grünen Reisern ausgeschmückt. Auf den Steinfliesen
-liegt ein Christbaum ohne Fuß. +Friebe+ zimmert auf der obersten
-Kellerstufe einen Fuß zurecht. Einander gegenüberstehend zu beiden
-Seiten der Tafel beschäftigen sich Frau +Buchner+ und Frau +Scholz+
-damit, bunte Wachslichte in den dazu gehörigen Tüllen zu befestigen.
-Frau Buchner ist eine gesundaussehende, gut genährte, freundlich
-blickende Person, einfach, solid und sehr adrett gekleidet. Schlichte
-Haartracht. Ihre Bewegungen sind bestimmt, aber vollständig
-ungezwungen. Ihr ganzes Wesen drückt eine ungewöhnliche Herzlichkeit
-aus, die durchaus echt, auch wenn die Art, mit der sie sich kund
-giebt, zuweilen den Eindruck der Ziererei macht. Ihre Sprache ist
-geflissentlich rein, in Momenten des Affects deklamatorisch. Ein Hauch
-der Zufriedenheit und des Wohlbehagens scheint von ihr auszugehen.
--- Anders Frau Scholz: Sie ist eine über ihre Jahre hinaus gealterte
-Person mit den beginnenden Gebrechen des Greisenalters. Ihre
-Körperformen zeigen eine ungesunde Fettansammlung. Ihre Hautfarbe
-ist weißlichgrau. Ihre Toilette ist weniger als schlicht. Ihr Haar
-ist grau und nicht zusammengerafft; sie trägt eine Brille. Frau
-Scholz ist schußrig in ihren Bewegungen, ruhelos, hat eine zumeist
-weinerliche oder winsliche Sprechweise und erregt den Eindruck
-andauernder Aufgeregtheit. Während Frau Buchner nur für andere zu
-existiren scheint, hat Frau Scholz vollauf mit sich selbst zu thun.
--- Auf der Tafel zwei fünfarmige, mit Lichtern besteckte Girandolen.
-Weder der Kronleuchter noch die Girandolen sind angesteckt. Brennende
-Petroleumlampe._
-
-+Friebe+ _(führt mit dem Beil einen Schlag)_: Da jeht mer ooch keen
-Schlag nich fehl.
-
-+Frau Scholz+: -- ffff!!! Ich kann’s doch aber nich hören, Friebe! wie
-oft hab’ ich Ihn’n schon ... wie leicht kann Ih’n das Beil abfahren.
-Auf Steinen hackt man nich Holz!
-
-+Friebe+: Da jarantir ick for. Wofor wär ick d’nn sonst zehn Jahre
-Rejimenter jewesen?
-
-+Frau Buchner+: Regimenter?
-
-+Frau Scholz+: Er war Vorarbeiter in den königlichen Forsten.
-
-+Friebe+: Keen -- _(er schlägt zu)_ -- Schlag da -- ä! _(er schlägt)_
-komm ich for uff.
-
-_(Er steigt herauf, betrachtet, was er gemacht hat, bei der Lampe und
-befestigt dann den Christbaum, so daß er aufrecht steht. Friebe ist
-klein, bereits ein wenig gebeugt, obeinig und hat eine Glatze. Sein
-kleines, bewegliches Affengesichtchen ist unrasirt. Kopfhaare und
-Bartstoppeln spielen in’s Gelblichgraue. Er ist ein Allerweltsbastler.
-Der Rock, welchen er trägt, ein Ding, das von Putzpulver, Oel,
-Stiefelwichse, Staub ⁊c. starrt, ist für einen doppelt so großen
-Mann berechnet, deshalb die Aermel aufgekrempt, die Rockflügel
-weit übereinander gelegt. Er trägt eine braune, verhältnißmäßig
-saubre Hausknechtsschürze, unter welcher er von Zeit zu Zeit eine
-Schnupftabacksdose hervorzieht, um mit Empfindung zu schnupfen. Der
-Baum ist befestigt, Friebe hat ihn auf die Tafel gehoben, steht
-davor und betrachtet ihn)._ Een janzet -- schönet -- richtijet --
-Tannenbäumken! _(mit wegwerfender Ueberlegenheit zu den Frauen
-hinüber)_ ’t is woll jar keens, wat?
-
-+Frau Buchner+: Als ehemaliger Forstmann müssen Sie ja das wohl
-unterscheiden können.
-
-+Friebe+: Na jewiß doch, det wär ja noch verrückter! was de nu de
-Fichte is ....
-
-+Frau Scholz+ _(unterbricht ihn ungeduldig)_: Wir dürfen uns beileibe
-nich aufhalten Friebe. Meine Tochter hat extra gesagt: Daß Du mir
-Frieben schickst.
-
-+Friebe+: Na .... i! .... meinswejen doch _(mit einer wegwerfenden
-Handbewegung ab durch die Küchenthür.)_
-
-+Frau Buchner+: An dem habt Ihr wohl was?
-
-+Frau Scholz+: I warum nich gar! ’n ganz verdrehter Zwickel.
-Wenn nich mei Mann .... na sehen Se, so war mei Mann; diese alte
-Schnupftabacknase, die war nu für ihn, die mußt’ er den ganzen Tag um
-sich haben, sonst war ihm nich wohl. Ein zu merkwürdiger Mann!
-
-+Auguste+ _(in Hast und Bestürzung von draußen herein. Innen angelangt
-schlägt sie die Glasthür heftig in’s Schloß und stemmt sich dagegen,
-wie um Jemand den Eintritt zu verwehren.)_
-
-+Frau Scholz+ _(auf’s heftigste erschrocken schnell nach einander)_: O
-Gottogottogott!!!
-
-+Frau Buchner+: -- Ja -- was ...?
-
-_(Auguste ist lang aufgeschossen und +auffallend+ mager, ihre
-Toilette ist hochmodern und geschmacklos. Pelzjacke, Pelzbarrett,
-Muff. Gesicht und Füße sind lang; das Gesicht scharf mit schmalen
-Lippen, die fest aufeinander passen und Zügen der Verbitterung. Sie
-trägt eine Lorgnette. Mit der Aufgeregtheit der Mutter verbindet sie
-ein pathologisch offensives Wesen. Diese Gestalt muß gleichsam eine
-Atmosphäre von Unzufriedenheit, Mißbehagen und Trostlosigkeit um sich
-verbreiten.)_
-
-+Auguste+: Draußen .... meiner Seele .... es ist Jemand hinter mir
-hergekommen.
-
-+Frau Buchner+ _(die Uhr ziehend)_: Wilhelm vielleicht schon -- nein,
-+doch+ nicht. Der Zug kann noch nicht da sein, _(zu Auguste)_ warten
-Sie doch mal! _(sie greift nach der Thürklinke, um sie zu öffnen)._
-
-+Auguste+: Nich doch, nich doch!
-
-+Frau Buchner+: Sie sind nervööös, liebes Kind, _(sie geht durch die
-Glasthür und öffnet das Außenportal. Ein wenig zaghaft)_ Ist Jemand
-hier? -- _(resolut)_ Ist Jemand hier? _(Pause, keine Antwort.)_
-
-+Frau Scholz+ _(erbost)_: Großartig wirklich -- Ich dächte ma hätte
-gerade genug Aufregung. Man kann ja den Tod davon haben. Was Du och
-immer hast.
-
-+Auguste+: Haben! haben! _(batzig)_ was ich nur immer haben soll?!
-
-+Frau Scholz+: Du bist ja recht liebenswürdig zu deiner Mutter!
-
-+Auguste+: Ach, meinswegen! -- soll man sich etwa nicht fürchten, wenn
-man .... im Stockfinstern -- mutterseelenallein ....
-
-+Frau Buchner+ _(die Hände von rückwärts um ihre Taille legend,
-begütigend)_: Hitzkopf, Hitzkopf! -- wer wird denn immer gleich soo
-sein?! -- Kommen Sie _(ist ihr beim Ablegen behülflich)_ so -- sehen
-Sie!?
-
-+Auguste+: Ach Frau Buchner, ’s is’ auch wahr!
-
-+Frau Buchner+: Hört mal, Herrschaften! vier lange Tage sind wir nun
-schon bei Euch. Ich dächte .... wollt Ihr mich nicht Du nennen? --
-ja?! -- schön! also .... _(umarmt und küßt Auguste, desgleichen Frau
-Scholz)._
-
-+Frau Scholz+ _(bevor sie die Umarmung entgegennimmt)_: Wart nur wart,
-ich habe Wachshände.
-
-+Frau Buchner+ _(zu Auguste, welche an das Oefchen getreten ist, um
-sich zu wärmen)_: Gelt, jetzt ist Dir schon gemüthlicher? -- war die
-Bescheerung hübsch?
-
-+Auguste+: Na, ich geh jedenfalls nicht mehr hin. Schlechte Luft, eine
-Hitze zum Umkommen.
-
-+Frau Buchner+: Hat der Herr Pastor schön gesprochen?
-
-+Auguste+: So viel steht fest: wenn ich arm wäre, ich hätte auf die
-Rede des Großmann hin .... wahrhaftig den ganzen Bettel hätte ich ihnen
-vor die Füße geschmissen.
-
-+Frau Buchner+: Es ist aber doch ein großer Segen für die armen Leute.
-
-_(Man hört hinter der Scene durch eine helle, schöne Frauenstimme
-gesungen:)_
-
- [1] „Wenn im Haag der Lindenbaum
- Wieder blüht,
- Huscht der alte Frühlingstraum
- Durch mein treu Gemüth.“
-
- [1] Herzenstestament. Komponirt von +Max Marschalk+.
-
-
-_(Ida tritt ein von der Treppe her. Sie ist zwanzig Jahre alt und
-trägt ein schlichtes, schwarzes Wollkleid. Sie hat eine schöne, volle
-Gestalt, sehr kleinen Kopf und trägt das lange, gelbe Haar bei ihrem
-ersten Auftreten offen. In ihrem Wesen liegt etwas Stillvergnügtes,
-eine verschleierte Heiterkeit und Glückszuversicht; demgemäß ist der
-Ausdruck ihres klugen Gesichts meist heiter, geht aber auch mitunter
-plötzlich in einen milden Ernst über oder zeigt spontan tiefes
-Versonnensein.)_
-
-+Ida+ _(ein Handtuch um die Schultern gelegt, einige Cartons auf dem
-Arm)_: Es kam doch Jemand?
-
-+Frau Scholz+: Auguste hat uns ’n schönen Schreck eingejagt.
-
-+Ida+ _(rückwärts nach der Treppe deutend)_: Da oben ist’s auch recht
-ungemüthlich; _(lachend)_ ich hab gemacht, daß ich runter kam.
-
-+Frau Scholz+: Aber Kindel! über Dir wohnt ja jetzt noch Robert.
-
-+Ida+ _(stellt die Cartons auf den Tisch; öffnet sie und entnimmt ihnen
-einige Gegenstände)_: Wenn auch! der ganze Stock ist doch immer +leer+.
-
-+Frau Buchner+: Dein Haar müßte doch nun bald trocken sein, höre?
-
-+Ida+ _(den Kopf anmuthig wendend und zurückwerfend)_: Fühl mal!
-
-+Frau Buchner+ _(thut es)_: O bewahre! -- du hätt’st zeitiger baden
-sollen, Kind.
-
-+Ida+: Was die alte Mähne doch für Mühe macht, eine ganze halbe Stunde
-hab ich am Ofen gehockt. _(sie hat einem der Cartons eine gelbseidne
-Börse entnommen, die sie Augusten hinhält.)_ Die Farbe ist nett, wie?
-’S is ja nur so ein kleines Späßchen. Hat er schon manchmal Börsen
-gehabt?
-
-+Auguste+ _(über ihr Peluchejaquet hinweg, an dem sie herumreinigt,
-achselzuckend)_: Weiß nicht _(sie bringt ihre kurzsichtigen Augen
-prüfend in nächste Nähe der Börse)_. Bischen sehr locker im Muster
-_(sogleich wieder in ihre vorige Arbeit vertieft)_. Der Peluche ist hin.
-
-+Ida+ _(ein Kistchen Cigarren aufbauend)_: Ich freu mich recht! -- daß
-Ihr nur nie einen Baum geputzt habt --?
-
-+Auguste+: Wenn man’s recht bedenkt: eigentlich ist das doch auch
-nichts für Erwachsene.
-
-+Frau Scholz+: Nie! da hätt ich ihm nur kommen sollen, mei Mann hätt
-mich schöne gestenzt. Bei meinen seligen Eltern .... ja wenn ich denke
-.... was war das für ein scheeenes Familienleben! Kein Weihnachten
-ohne Baum _(gleichsam Gang und Maniren des Vaters copirend)_, wenn der
-Vater so am Abend aus dem Bureau kam und die +schööö+nen Lehmannschen
-Pfefferkuchen mitbrachte! _(sie bringt Daumen und Zeigefinger, als ob
-sie ein Stückchen dieses superben Kuchens damit hielte, in die Nähe
-des Mundes)_, ach ja, das sind vergangene Zeiten! +Mei+ Mann, -- der
-aß nich mal Mittags mit uns zusammen. Er wohnte oben, wir unten; der
-reine Einsiedler. Wollte man was von ihm, dann mußte man sich weeß Gott
-hinter Frieben stecken.
-
-+Auguste+ _(am Ofen, wo sie anlegt)_: Ach, red doch nicht immer so!
-
-+Frau Scholz+: Heiz Du lieber nich so unsinnig.
-
-+Auguste+: Ja, soll’s denn nicht warm werden?
-
-+Frau Scholz+: Die ganze Hitze fliegt ja heut zum Schornstein ’naus.
-
-+Auguste+ _(unschlüssig, erbost)_: Ja, soll denn nu nicht angelegt
-werden?
-
-+Frau Scholz+: Laß mich zufrieden!
-
-+Auguste+ _(wirft die Kohlenschaufel geräuschvoll in den Kasten)_: Na,
-dann nicht! _(wüthend links ab)._
-
-+Ida+: Ach, Gustchen, bleibt da! _(zu Fr. Scholz)_ paß auf, ich werd’
-sie schon wieder fidel machen _(ihr nach, ab.)_
-
-+Frau Scholz+ _(resignirt)_: So sind meine Kinder alle! -- nein, so ein
-Mädel wirklich! -- und kein Halten. Bald möcht’ se das, bald jen’s.
--- Da fällt’s ihr uffemal ein .... da muß se lernen. Dann steckt se
-oben und red wochenlang ke Wort -- dann kommt se sich wieder mal ganz
-überflüssig vor. -- Ach Du mein Gott ja, Du bist zu beneiden! So’n
-liebes Dingelchen wie +Deine+ Tochter is ....
-
-+Frau Buchner+: Aber +Gustchen+ doch +auch+.
-
-+Frau Scholz+: So allerliebst, wie sie Clavier spielt, und diese
-reizende Stimme! wie gern +ich+ so ein paar +Töne+ höre! ....
-
-+Frau Buchner+: Warum spielst Du denn garnicht?
-
-+Frau Scholz+: I! da käm ich scheen an, da wäre mein bischen Ruhe
-vollends hin. Auguste ist ja +so+ nervös ....! gerade wie ihr Vater,
-den konnte man auch jagen mit dem Clavierspiel.
-
-+Frau Buchner+: Deinen +Wilhelm+ solltest Du jetzt spielen hören; +der+
-hat sich vervollkommnet! -- was wäre denn Ida ohne +ihn+? von +ihm hat+
-sie ja doch alles gelernt, was sie kann.
-
-+Frau Scholz+: Ach ja, Du sagtest’s ja schon. Talentvoll ist er; davon
-is nicht die Rede. Es war ’ne Lust, ihn zu unterrichten.
-
-+Frau Buchner+: Ach und er denkt mit solcher Rührung an die Zeit
-zurück, wo sein Muttelchen ihm die Anfangsgründe beibrachte.
-
-+Frau Scholz+: So?! mein Gott ja, schöne Zeiten waren das ja auch. --
-... Damals dacht ich: -- ... Alles kommt anders .... -- es regt mich
-doch sehr auf.
-
-+Frau Buchner+: Es regt Dich .... was?
-
-+Frau Scholz+: Nu, daß er kommt; wie sieht er denn jetzt eigentlich so
-aus?
-
-+Frau Buchner+: Gut -- dick -- gesund -- Du wirst Dich freuen über
-Deinen Sohn.
-
-+Frau Scholz+: Ich muß mich wirklich wundern, daß der Junge kommt. Mei
-Herz hat mir manchmal richtig weh gethan; und was ich blos für Papier
-verschrieben hab’. Nich mal geantwortet hat er seiner alten Mutter.
-Wie hast Du ihn nur dazu gebracht? das kann ich nich +begreifen+, das
-+kann+ ich nich begreifen.
-
-+Frau Buchner+: Ich? o nein, Ida hat das über ihn vermocht.
-
-+Frau Scholz+: Robert kümmert sich ja auch nicht viel um uns, aber er
-kommt doch wenigstens alle Jahr einmal um die Weihnachtszeit ein paar
-Tage. Das lobt man sich doch! aber Wilhelm .... sechs volle Jahre ist
-er nich hiergewesen: er und mein Mann sechs volle Jahre! Kommt sie denn
-mit ihm aus?
-
-+Frau Buchner+: Ida? sehr gut, in jeder Hinsicht.
-
-+Frau Scholz+: Das ist aber doch zu wunderlich Du kannst Dir nämlich
-nich denken, +wie+ verschlossen der Junge immer war, ganz wie der
-Vater. Keinen Spielkameraden, keinen Schulfreund, kein Nichts hatte er.
-
-+Frau Buchner+: Ja, ja, so war er anfänglich auch uns gegenüber. --
-Er wollte durchaus nicht anders als zu den Clavierstunden unser Haus
-betreten.
-
-+Frau Scholz+: Na und dann is er doch gekommen?
-
-+Frau Buchner+: Das heißt .... ja. Er sagte; wir sollten ihn nur
-vorläufig in Ruhe lassen, und wenn er so weit wäre, dann würde er schon
-selbst kommen. Wir waren so vernünftig, ihm seinen Willen zu lassen,
-und richtig, nachdem wir ein halbes Jahr gewartet -- eigentlich schon
-+nicht mehr+ gewartet -- kam er. Von da ab Tag für Tag. Da ist es denn
-nach und nach so ganz anders geworden.
-
-+Frau Scholz+: Ihr müßt hexen können. Die Verlobung +allein+ schon ist
-ja ein ganz unbegreifliches Wunder für sich.
-
-+Frau Buchner+: Mit Künstlern muß man umzugehen wissen. Ich hab’s
-gelernt, -- mein seliger Mann war auch einer.
-
-+Frau Scholz+: Und -- die -- Geschichte mit -- Vater? -- hat er Euch
-auch in -- diese Geschichte eingeweiht?
-
-+Frau Buchner+: N--ein liebe Freundin. -- Siehst Du, das ist der
-allereinzigste Punkt, das ist .... In diesem Punkt hat er sich noch
-nicht überwinden können. Es läge ja nichts daran, aber Du kannst mir
-glauben, er leidet an der Erinnerung furchtbar. Bis auf den heutigen
-Tag leidet er. Nicht am wenigsten freilich dadurch, daß er die Sache
-geheim hält. Jedenfalls muß er darüber hinweg kommen, auch über diese
-Sache.
-
-+Frau Scholz+: I’ Gott bewahre -- nee, nee, nee, Alles was recht is.
-Ehre Vater und Mutter: die Hand, die sich gegen den eigenen Vater
-erhebt .... aus dem Grabe wachsen solche Hände. Wir haben uns gezankt,
-ja doch! wir haben beide Fehler mei Mann und ich; aber das sind +unsre+
-Sachen. Kein Mensch hat sich da ’neinzumischen, am wenigsten der eigne
-Sohn. -- Und wer hat die Sache ausbaden müssen? natürlich ich. So ’ne
-alte Frau die hat ’n breiten Puckel. Mei Mann ging aus dem Hause, noch
-am selbigen Tage, und eine halbe Stunde später auch Wilhelm. Da half
-kein reden. Erst dachte ich, sie würden wiederkommen, aber wer nicht
-kam, das waren sie. Und Wilhelm allein, kein andrer Mensch is Schuld
-d’ran, kein andrer Mensch.
-
-+Frau Buchner+: Wilhelm mag eine schwere Schuld haben, davon bin ich
-überzeugt, aber sieh mal, wenn man Jahre lang gebüßt hat und -- -- --
-
-+Frau Scholz+: Ne, ne! i Gott! wo denkst Du hin?! darüber kann man nich
-so leicht hinweggehen. Das wäre noch schöner! es ist ja sehr schön von
-Dir, daß Du Dich des Jungen so angenommen hast, -- es ist ja auch sehr
-hübsch, daß er kommt, ja warum denn nicht? Aber im Grunde, was nützt
-das alles? so leicht sind die Klüfte nicht auszufüllen. -- Ja, ja, es
-sind Klüfte, -- richtige -- tiefe Klüfte zwischen uns Familiengliedern.
-
-+Frau Buchner+: Ich glaube doch, daß wir Menschen mit dem festen,
-ehrlichen Willen ....
-
-+Frau Scholz+: Der Wille, der Wille! geh mer nur damit! das kenn ich
-besser. Da mag man wollen und wollen und hundertmal wollen, und Alles
-bleibt doch beim Alten. Ne, ne! das ist ’n ganz andrer Schlag Deine
-Tochter: die is so, und Wilhelm is so, und beide bleiben, wie sie sind.
-Viel zu gutte Sorte für Einen von uns, viel, viel zu gutt. -- Gott ja
-der Wille der Wille! -- ja ja Alles gutter Wille -- Dein Wille ist sehr
-gutt, aber ob Du damit was erreichen wirst --? ich glaube nicht.
-
-+Frau Buchner+: Aber ich hoffe es um so fester.
-
-+Frau Scholz+: Kann ja alles sein. Ich will ja nichts verderben. Im
-Grunde freue ich mich ja auch von ganzem Herzen auf den Jungen, nur
-regt es mich sehr, sehr auf und paß auf: Du stellst es Dir viel zu
-leicht vor.
-
-+Ida+ _(links hereinkommend zu Fr. Scholz, zuthunlich)_:
-Schwiegermütterchen, sie vergoldet Nüsse.
-
-+Frau Buchner+: Es wird Zeit Idchen! Du mußt Dich hübsch machen. Er
-kann jetzt jeden Augenblick hier sein.
-
-+Ida+ _(erschrocken)_: Soo? schon?
-
-+Frau Scholz+: Ach macht ok keene Geschichten! für den Jungen is sie
-viel zu schön.
-
-+Frau Buchner+: Ich hab Dir das Blaue zurechtgelegt _(Ida’n
-nachrufend)_ und steck die Broche an, hörst Du! _(Ida ab)_
-
-+Frau Buchner+ _(fortfahrend zu Fr. Scholz)_: Auf Schmuck giebt sie
-garnichts.
-
-_(Das Außenportal des Hauses geht.)_
-
-+Frau Scholz+: Wart .... wer? .... _(zu Fr. Buchner)_ thu mer den
-Gefallen Du .... ich kann ihn jetzt noch nicht sehen, ich ....
-
-+Frau Buchner+ _(an der Treppenthür hinaufrufend)_: Ida! Dein Wilhelm
-kommt.
-
-_(~Dr.~ Scholz tritt ein durch die Glasthür.)_
-
-_~Dr.~ Scholz ist ungewöhnlich groß, breitschultrig, stark
-aufgeschwemmt. Gesicht fett, Teint grau und unrein, die Augen
-zeitweilig wie erstorben, zuweilen lackartig glänzend, vagirender,
-Blick. Er hat einen grauen und struppigen Backenbart. Seine Bewegungen
-sind schwerfällig und zitterig. Er spricht unterbrochen von keuchenden
-Athemzügen, als ob er Mehl im Munde hätte und stolpert über Silben._
-
-_Er ist ohne Sorgfalt gekleidet: ehemals braune, verschossene
-Sammetweste Rock und Beinkleider von indifferenter Färbung. Mütze
-mit großem Schild, steingrau, absonderlich in der Form. Rohseidnes
-Halstuch. Wäsche zerknittert. Zum Schnäuzen verwendet der Doctor ein
-großes, türkisches Taschentuch. Er führt bei seinem Eintritt ein
-spanisches Rohr mit Hirschhornkrücke in der Rechten, hat einen großen
-Militär-Reisehavelock umgehängt und trägt einen Pelzfußsack über den
-linken Arm._
-
-~Dr.~ +Scholz+: ~Servus! servus!~
-
-+Frau Scholz+ _(den Doctor wie eine überirdische Erscheinung
-anstarrend)_: Fritz! -- --
-
-~Dr.~ +Scholz+: Ja wie Du sehen kannst.
-
-+Frau Scholz+ _(mit einem Schrei ihren Mann umhalsend)_: Fritz!!!
--- -- --
-
-+Auguste+ _(öffnet die Thür links, fährt zugleich zurück)_: Der Vater!
-
-_(Fr. Buchner mit starrem Ausdruck rückwärts schreitend, ab durch linke
-Seitenthür.)_
-
-~Dr.~ +Scholz+: Ich bin’s, wie Du siehst. Vor allem, Du: ist Friebe da?
-
-+Friebe+ _(guckt durch die Küchenthür, erschrickt, kommt vollends
-hervor)_: Herr Doctor!! _(er stürzt auf ihn zu, faßt und küßt seine
-beide Hände)_ nu bitt’ ick eenen Menschen! Jott soll mir’n Thaler
-schenken!
-
-~Dr.~ +Scholz+: Pssst! -- sehen Sie mal nach -- schließen Sie die
-Hausthür fest _(Friebe nickt und vollführt den Befehl mit freudigem
-Eifer.)_
-
-+Frau Scholz+ _(vor Staunen außer sich)_: Aber sag mer nur Fritz! sag
-mer nur .... die Gedanken fliegen mer davon, _(ihn weinend umhalsend)_
-ach Fritz! was hast Du mir für Kummer gemacht in der langen Zeit!
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(seine Frau sanft zurückdrängend)_: Ach, Du .... mein
-Leben ist auch .... wir wollen uns doch lieber nicht von Anfang an mit
-Vorwürfen .... Du bist doch immer die alte wehleidige Seele, _(mit
-gelinder Bitterkeit)_ übrigens würde ich Dich sicher nicht belästigt
-haben, wenn nicht .... _(Friebe nimmt ihm Mantel, Fußsack ⁊c. ab.)_
-Es giebt Lebenslagen, liebe Minna .... wenn man wie ich einflußreiche
-Gegner hat.
-
-_(Friebe ab durch den Treppenausgang, mit den Sachen des Doctor.)_
-
-+Frau Scholz+ _(gutmüthig schmollend)_: Es hat Dich doch Niemand
-geheißen Fritz! Du hatt’st doch hier ’n sichres, warmes Zuhause. So
-schön hätt’st Du leben können!
-
-~Dr.~ +Scholz+: Sei nicht böse, aber: daß verstehst Du nicht!
-
-+Frau Scholz+: Na ja; ich bin ja nur ’ne einfache Person, das mag ja
-möglich sein, aber Du warst ja wirklich auf Niemand angewiesen, es war
-doch garnicht nöthig, daß Du ....
-
-~Dr.~ +Scholz+: Pssst, es war sehr nöthig _(halbwegs geheimnißvoll)_
-auf Schuld folgt Sühne, auf Sünde folgt Strafe.
-
-+Frau Scholz+: Na ja -- freilich Fritz -- es hat wirklich auch viel an
-Dir mitgelegen _(sie wirft von jetzt ab bis zum Schluß des Gesprächs
-fortwährend ängstliche Blicke nach der Hausthür, als befürchte sie
-jeden Augenblick die Ankunft Wilhelms)_, wir hätten doch so ruhig --
-so zufrieden .... wenn Du nur gewollt hätt’st.
-
-~Dr.~ +Scholz+: +Alles+ hat an mir gelegen, ganz und gar +Alles+.
-
-+Frau Scholz+: Da bist Du nu auch wieder ungerecht.
-
-~Dr.~ +Scholz+: I! ich will ja auch nicht bestreiten: viel Gemeinheit
-hat sich verbunden gegen mich; das ist ja bekannt: -- zum Beispiel
-denke Dir: in den Hotels -- die Kellner -- keine Nacht konnte ich
-durchschlafen, hin und her, hin und her auf den Corridoren und gerade
-immer vor +meiner+ Thür.
-
-+Frau Scholz+: Aber sie werden Dich doch am Ende nicht +absichtlich+
-gestört haben.
-
-~Dr.~ +Scholz+: Nicht? -- Du, hör mal, das verstehst Du nicht!
-
-+Frau Scholz+: Na es kann ja sein; die Kellner sind ja mitunter
-niederträchtig.
-
-~Dr.~ +Scholz+: Niederträchtig! ja wohl, niederträchtig! -- übrigens
-wir können ja später darüber reden. Ich habe etwas Kopfschmerz _(faßt
-nach dem Hinterkopf)_ da! Auch so eine Infamie! ich weiß ganz gut, wem
-ich das zu verdanken habe .... ich will mich nur noch vergewissern, ob
-ich sie durch einen gesunden Schlaf vertreibe. Ich bin +sehr+ müde.
-
-+Frau Scholz+: Aber oben ist nicht geheizt! Fritz.
-
-~Dr.~ +Scholz+: Denk Dir mal an, in einer Tour von Wien. Nicht geheizt?
-macht nichts: Friebe besorgt das schon. -- Sag mal, wie steht’s mit
-Friebe? -- was ich fragen wollte? ist er noch so zuverlässig?
-
-+Frau Scholz+: Friebe is, wie er immer war.
-
-~Dr.~ +Scholz+: Das dacht ich mir doch! -- auf Wiedersehen!
-_(nachdem er seiner Frau die Hand gedrückt, wendet er sich mit tief
-nachdenklichem Ausdruck und schreitet auf den Treppenausgang zu. Den
-Tannenbaum bemerkend, bleibt er stehen und starrt ihn verloren an.)_
-Was heißt denn das?
-
-+Frau Scholz+: _(zwischen Furcht, Beschämung und Rührung)_: Wir feiern
-Weihnachten!
-
-~Dr.~ +Scholz+: Feiern? -- -- _(nach einer langen Pause, in Erinnerung
-verloren)_ das -- ist -- lange -- her! _(sich wendend mit echter
-Empfindung redend)_ Du bist +auch+ weiß geworden.
-
-+Frau Scholz+: Ja Fritz, -- wir beide ....
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(nickt, wendet sich weg. Ab durch den Treppenausgang)_.
-
-+Frau Buchner+ _(hastig von links)_: Also Dein Mann ist wieder da?!
-
-+Frau Scholz+: Daß is wie so .... wie wenn .... ich weeß nich! Jesus,
-was soll ich nur davon denken?
-
-+Frau Buchner+: Daß es eine Schickung ist, liebe Freundin! für die wir
-alle dankbar sein müssen.
-
-+Frau Scholz+: Ach, der sieht aus! -- +der+ hat gelebt! So ein Leben,
-wie der geführt haben mag: von einem Land in’s andre, von einer Stadt
-.... ach! der hat eingelegt!
-
-+Frau Buchner+ _(will die Treppe hinauf)_.
-
-+Frau Scholz+ _(erschreckt)_: Wo denn hin?
-
-+Frau Buchner+: Ida von dem freudigen Ereigniß verständigen! _(ab durch
-den Treppenausgang)_.
-
-+Frau Scholz+: O Gott ja! ne ne, wo denkst Du hin! Das dürf’n mer
-’n nich merken lassen! Da kenn ich meinen Mann zu gutt! wenn der
-rauskriegt, daß noch Jemand außer ihm oben wohnt .... da käm ich schön
-an!
-
-+Frau Buchner+ _(schon auf der Treppe)_: Ich werd’ schon ganz leise ....
-
-+Frau Scholz+: Nur ganz leise! das wär’ so was!
-
-+Frau Buchner+: Ganz leise geh ich.
-
-+Frau Scholz+: O Gottogott! nur schon +ja+ ganz leise!
-
-+Frau Scholz+ _(außer Fassung)_: Na natürlich! was soll man nu machen?
-und nu der Wilhelm noch. Todtenangst hab ich ausgestanden. Wenn er nu
-mit Vater zusammengetroffen wäre? Jeden Augenblick konnte er eintreten.
-Was werde ich alte Frau noch Alles erleben müssen!
-
-+Auguste+: Ein zu merkwürdiges Gefühl, Mama, zu merkwürdig! Man hatte
-sich so daran gewöhnt. -- Wie wenn ein Todter nach Jahren wieder
-aufsteht. Ich hab Angst, Mama.
-
-+Frau Scholz+: Am Ende ist er mit seinem Gelde alle geworden?
-
-+Auguste+: Na das wäre doch ....! meinswegen! das wäre noch das letzte.
-
-+Frau Scholz+: Na auf welche Weise wir dann blos auskommen sollten ...
-da könnten wir nur gleich betteln geh’n.
-
-+Ida+ _(in Toilette von oben, freudig. Augusten die Hand drückend,
-innig.)_ Gustchen! also wirklich?! ach das freut mich. _(Frau Scholz
-und Auguste peinlich berührt)._
-
-+Robert+ _(aus einer der Thüren links. Er ist mittelgroß, schmächtig,
-im Gesicht hager und blaß. Seine Augen liegen tief und leuchten
-zuweilen krankhaft. Schnurr- und Kinnbart. Er raucht aus einer Pfeife
-mit ganz kurzem Rohr türkischen Taback.)_
-
-+Robert+ _(leichthin)_: Es wird ungemüthlich bei Dir Mutter!
-
-+Frau Scholz+: Nanu fängt der +auch+ noch an!
-
-+Auguste+: Meinswegen _(verstohlen, scheele Blicke auf Idas Toilette)_.
-
-+Robert+ _(zu Ida die ihn angeblickt hat)_: Ja, so bin ich nun mal,
-Fräulein Ida!
-
-+Ida+ _(schüttelt ungläubig den Kopf)_:. Nein -- nein.
-
-+Robert+: Wieso nicht? -- Ich halte es nicht für der Mühe werth, ’n
-paar gleichgültige Gefühle zu heucheln. -- Wirklich nicht!
-
-+Ida+: Nein -- nein.
-
-+Auguste+ _(ausbrechend)_: Du bist empörend, Robert!
-
-+Robert+: Nicht mit Absicht. Empöre sich Niemand!
-
-+Auguste+: Meinswegen.
-
-+Robert+: Na item.
-
-+Auguste+: Item, item -- Quatsch!
-
-+Robert+ _(mit geheucheltem Erstaunen)_: Verzeih’, -- ich glaubte ....
-aber Du hältst ja nichts mehr auf äußere Reize.
-
-+Ida+ _(schlichtend)_: Ach Herr Robert ....
-
-+Robert+: Ja -- soll ich mich denn nicht meiner Haut ....?
-
-+Auguste+ _(von Thränen halb erstickt)_: Ganz Du! -- ganz Du! Dein
-ganzes .... mein Alter .... geradezu perfid! -- Frau Buchner! das
-soll nicht gemein sein? -- mir .... ich -- die ich hier gesessen hab
-.... bei der Mutter hier -- die schönste .... schönste Zeit meines
-.... Lebens verbracht, während Ihr .... ich .... geradezu wie eine
-Dienstmagd ....
-
-+Robert+: Das klingt sehr echt, -- in der That! -- geh doch zur Bühne!
--- _(mit verändertem Ton, brutal)_ mach keine schlechten Scherze! hör
-mal: Du und der Märtyrernimbus, das wirkt einfach putzig. Du bist eben
-wo anders noch weniger auf Deine Rechnung gekommen, als zu Hause, das
-ist die Wahrheit!
-
-+Auguste+: Mutter! Du bist Zeuge: hab ich nicht drei Anträge abgewiesen!
-
-+Robert+: Hui! Wenn Mutter nur mit dem nöthigen Gelde rausgerückt
-hätte, dann hätten Dich die Herren gewiß mit in Kauf genommen.
-
-+Frau Scholz+: Geld? _(auf Robert zutretend, ihm die Hand hinhaltend)_
-da nimm ein Küchenmesser! -- schneid mir’s raus! schneid mir das Geld
-aus der Hand!
-
-+Auguste+: +Sie mich?+ willst Du die Absagebriefe sehen?
-
-+Frau Scholz+ _(unterbechend)_: Kinder! _(sie macht eine Bewegung,
-als ob sie ihre Brust für den Todesstoß entblößen wollte)_ da hier!
--- macht mich doch lieber gleich todt! habt ihr denn nich +so+ viel
-Rücksicht für mich? nich +so+ viel? -- wie ....? großer Gott nich fünf
-Minuten .... ich weiß nich, was das blos für Kinder ...., nich fünf
-Minuten halten sie Frieden.
-
-+Robert+: Na ja freilich! ich sag ja schon: -- es wird eben wieder
-ungemüthlich.
-
-+Friebe+ _(geschäftig aus dem oberen Stockwerk. Er flüstert Fr. Scholz
-etwas zu, worauf hin diese ihm einen Schlüssel einhändigt. Friebe ab in
-den Keller)_.
-
-+Robert+ _(hat stillstehend den ganzen Vorgang beobachtet. Im selben
-Augenblick, als Friebe in der Kellerthür verschwindet)_: Aha!
-
-+Auguste+ _(hat ihrerseits Robert im Auge behalten. Nun bricht sie aus,
-entrüstet)_: Pietätlos bist Du -- durch und durch.
-
-+Robert+: Na item.
-
-+Auguste+: Aber Du spielst Komödie; Du lügst ganz erbärmlich, und das
-ist das Widerwärtige daran!
-
-+Robert+: In Hinsicht auf Vater meinst Du?!
-
-+Auguste+: Allerdings in Hinsicht auf Vater.
-
-+Robert+ -- _(achselzuckend)_: -- Wenn Du meinst ....
-
-+Auguste+: Ja -- das .... das .... ja -- denn -- wenn es anders wäre,
-dann .... ja .... dann wärst Du ein Wicht.
-
-+Frau Scholz+ _(dazwischen redend)_: Wird denn das irgend bald aufhören
-oder was ....
-
-+Robert+ _(gleichmüthig)_: Dann +bin+ ich ein Wicht. Nun, und?
-
-_(Ida seit geraumer Zeit unruhig in Erwartung ab durch die Glasthür.)_
-
-+Auguste+: Pfui, schamlos!
-
-+Robert+: Schamlos, ganz recht, das bin ich.
-
-+Frau Buchner+: Herr Robert! ich glaube Ihnen nicht .... Sie sind
-besser, als Sie uns glauben machen wollen, -- besser, als Sie selbst
-glauben sogar.
-
-+Robert+ _(mit gelindem, sich steigerndem Sarkasmus, kalt)_: Verehrte
-Frau Buchner! -- es ist ja vielleicht äußerst liebenswürdig .... aber
-wie gesagt: -- ich weiß nicht recht, wie ich zu der Ehre .... ja ich
-muß sogar Ihre Liebenswürdigkeit geradezu ablehnen. Meine Selbstachtung
-ist vorläufig wenigstens noch keineswegs so gering, daß ich Jemand
-nöthig hätte mich ....
-
-+Frau Buchner+ _(in gelinder Verwirrung)_: Das ist ja auch garnicht
-meine Absicht. -- Nur .... Ihr Vater -- ....
-
-+Robert+: Mein Vater ist für mich ein ~Doctor medicinae~ Fritz Scholz.
-
-+Auguste+: Ja, ja, red’ nur!
-
-+Robert+: Und wenn ich diesem Menschen nicht ganz so gleichgültig
-gegenüberstehe, als irgend einem X- oder Y-Narren, so liegt das
-+da+ran, daß ich .... na ~item~ .... _(er raucht)_ weil ich .... na
-eben: ich bin eben gewissermaßen ein Produkt seiner Narrheit.
-
-+Frau Buchner+ _(gleichsam betäubt)_: Verzeihen Sie! -- hier kann ich
-nun doch nicht mehr mit -- So etwas wagen Sie auszusprechen!? mich
-überläuft es förmlich.
-
-+Frau Scholz+ _(zu Fr. Buchner)_: Laß gut sein, laß gut sein! Du wirst
-bei uns noch Dinge erleben ....
-
-+Auguste+: Was das nun auch wieder heißen soll, Mutter! -- wir sind,
-wie wir sind. Andre Leute, die wer weiß +wie+ thun, sind um nichts
-besser.
-
-+Robert+: Es giebt in der That noch immer naive Seelen, die sich
-nicht wohl fühlen, wenn sie nicht an ihren Mitmenschen herumbessern und
-herumflicken können. Veralteter Zauber! -- Zopf!
-
-+Frau Buchner+ _(Robert bei beiden Händen fassend, herzlich)_: Herr
-Robert! ich fühle mich im Dienste einer +bestimmten+ Sache. Das feit
-mich. Aus Herzensgrund: Sie haben mich nicht beleidigt.
-
-+Robert+ _(ein wenig aus der Fassung)_: Sie sind eine +merkwürdige+
-Frau.
-
-+Friebe+ _(kommt aus dem Keller. Er trägt in der linken Hand drei
-Flaschen Rothwein -- und zwar so, daß die Finger geklemmt sind -- unter
-der linken Achselhöhle eine Flasche Cognac. Mit der rechten Hand hält
-er die Kellerschlüssel. Zu Fr. Scholz tretend, geschäftig)_: Nun man
-fix die Cigarren!
-
-+Frau Scholz+: Gott ja, Friebe! ich weiß ja garnicht ....
-
-+Robert+: Im Schreibtisch, Mutter.
-
-+Frau Scholz+: Ach so .... _(sie nimmt das Schlüsselbund und sucht
-fahrig nach dem rechten Schlüssel)_.
-
-+Auguste+: Du kennst doch den Schreibtischschlüssel.
-
-+Robert+: Mit gradem Bart.
-
-+Frau Scholz+: Richtig! -- wart! ....
-
-+Robert+: Gieb mal ....
-
-+Frau Scholz+: Wart nur, wart! -- hier! ach nein doch! -- ich bin ganz
-verwirrt. _(Robert das Bund hinreichend.)_ Da.
-
-+Robert+ _(den richtigen Schlüssel abziehend und Friebe hinreichend)_:
-Da -- Lassen Sie Sich meines Vaters Cigarren gut schmecken.
-
-+Friebe+: Na ooch noch! det krijt den ollen Zacken den janzen Tach nich
-aus de Kinnladen _(es wird stark an der Klingel gerissen)_ komm schon!
-_(Friebe ab nach oben.)_
-
-+Frau Scholz+: Da wird der Wein bald alle werden .... Großer Gott,
-wohin soll das führen? der viele Wein! immer die theuren, schweren
-Cigarren! ich sag ja, er wird sich noch zu Grunde richten.
-
-+Robert+: Das muß Jedem unbenommen bleiben.
-
-+Frau Buchner+: Was meinen Sie?
-
-+Robert+: Sich auf seine eigne Art zu vergnügen. Ich wenigstens würde
-mir dieses Recht auf keine Weise verkümmern lassen. Selbst nicht durch
-Gesetze. Sonderbar übrigens! --
-
-+Frau Buchner+: Wie? ....
-
-+Robert+: Sonderbar! --
-
-+Frau Buchner+: Weshalb betrachten Sie mich so eingehend? ist es an
-mir, -- das Sonderbare?
-
-+Robert+: Wie man’s nimmt. Sie sind mehrere Tage bei uns und denken
-noch immer nicht an’s Abreisen.
-
-+Auguste+: So’n Gerede!
-
-+Frau Scholz+: Das hört nich auf! _(schüttelt verzweifelt den Kopf)._
-
-+Robert+ _(mit brutaler Heftigkeit)_: Na Mutter, ist es etwa nicht
-wahr? -- Hat es bei uns irgend ein Fremder je länger als einen halben
-Tag ausgehalten? -- haben sie sich nicht alle von uns zurückgezogen,
-Nitzssches, Lehmann’s ....?
-
-+Auguste+: Als ob wir auf fremde Leute angewiesen wären. -- Meinswegen!
-wir sind uns selber genug ....
-
-+Robert+: Ja, vollauf wirklich: _(brutal im Ton)_ ich saaage Ihnen,
-Frau Buchner! in Gegenwart wildfremder Menschen kamen sie sich derart
-in die Haare, daß die Fetzen flogen. Die Mutter riß das Tischtuch
-herunter, der Vater zerkeilte die Wasserflasche. -- Heiter! nicht? --
-heitre Scenen, heitre Kindheitseindrücke!?
-
-+Auguste+: Du solltest Dich verkriechen vor Scham, gemeiner Mensch!
-_(schnell ab.)_
-
-+Frau Scholz+: Siehst Du nu? daran bin ich nu seit Jahrzehnten, seit
-Jahrzehnten gewöhnt! _(ab in Bewegung.)_
-
-+Robert+ _(unbeirrt fortfahrend)_: Kein Wunder allerdings. Ein Mann von
-vierzig heirathet ein Mädchen von sechzehn und schleppt sie in diesen
-weltvergessenen Winkel. Ein Mann, der als Arzt in türkischen Diensten
-gestanden und Japan bereist hat. Ein gebildeter, unternehmender Geist.
-Ein Mann, der noch eben die weittragendsten Projekte schmiedete,
-thut sich mit einer Frau zusammen, die noch vor wenigen Jahren
-fest überzeugt war, man könne Amerika als Stern am Himmel sehen. Ja
-wirklich! ich schneide nicht auf. Na und darnach ist es denn auch
-geworden: ein stehender, fauler, gährender Sumpf, dem wir zu entstammen
-das zweifelhafte Vergnügen haben. Haarsträubend! Liebe -- keine Spur.
-Gegenseitiges Verständniß -- Achtung -- nicht Rühran -- und dies das
-Beet, auf dem wir Kinder gewachsen sind.
-
-+Frau Buchner+: Herr Robert! ich möchte Sie recht sehr bitten ....
-
-+Robert+: Schön! -- am Reden liegt mir garnichts. Die Geschichte ist
-außerdem ....
-
-+Frau Buchner+: Nein, nein. Ich möchte Sie nur um etwas bitten; es eilt.
-
-+Robert+: Bitten? -- mich?
-
-+Frau Buchner+: Könnten Sie’s nicht +mir+ zu Liebe thun .... könnten
-Sie nicht .... Wäre es denn garnicht möglich .... Könnten Sie nicht für
-diesen Abend einmal Ihre Maske ablegen?
-
-+Robert+: Sehr gut! -- Maske ablegen?
-
-+Frau Buchner+: Ja, denn es ist wirklich nicht Ihr wahres Gesicht, was
-Sie herauskehren.
-
-+Robert+: Was Sie sagen!
-
-+Frau Buchner+: Versprechen Sie mir, Herr Robert ....
-
-+Robert+: Aber ich weiß ja garnicht ....
-
-+Frau Buchner+: Wilhelm .... Ihr Bruder Wilhelm kann jeden Augenblick
-kommen und ....
-
-+Robert+ _(unterbrechend)_: Frau Buchner! wenn -- Sie -- mir -- doch
--- glauben wollten! Ihre Bemühungen -- ich versichere Sie -- sind ganz
-umsonst. Dies alles führt zu nichts -- zu garnichts. Wir sind alle von
-Grund aus verpfuscht. Verpfuscht in der Anlage, vollends verpfuscht in
-der Erziehung. Da ist nichts mehr zu machen. Es sieht Alles recht gut
-aus: Weihnachtsbaum -- Lichter -- Geschenke -- Familienfest, aber es
-ist doch nur obenhin; eine gequälte, plumpe Lüge -- weiter nichts! --
-Und nun gar noch der Vater. Wenn ich nicht wüßte, wie unzugänglich er
-ist -- auf Ehre! ich würde glauben, Sie hätten ihn hierher gebracht.
-
-+Frau Buchner+: Bei Gott, nein! das gerade hat meine Hoffnung belebt.
-Das kann kein Zufall sein, das ist Fügung. Und deshalb aus Grund meiner
-Seele: seien Sie freundlich und gut zu Ihrem Bruder! Wenn Sie wüßten,
-wie gut er von Ihnen spricht, mit welcher Liebe und Achtung ....
-
-+Robert+ _(unterbrechend)_: Ja, und der Zweck?
-
-+Frau Buchner+: Wie.
-
-+Robert+: Weshalb soll ich zu ihm freundlich und gut sein?
-
-+Frau Buchner+: Das fragen Sie?!
-
-+Robert+: Ja.
-
-+Frau Buchner+: Nun -- doch wohl zunächst, um ihm die Rückkehr in’s
-Elternhaus nicht von vornherein zu verleiden.
-
-+Robert+: O, wir tangiren einander nicht, wie Sie zu glauben scheinen,
-und -- übrigens, wenn Sie meinen, daß sich seiner beim Eintritt in
-diese Räume etwa eine subtile Rührung bemächtigen wird ....
-
-+Frau Buchner+: Ihr Bruder ist ein so guter, im Grunde so edler Mensch!
--- Er hat einen Riesenkampf gekämpft, bevor er sich zu diesem Schritt
-entschloß. Ich kann Ihnen die Versicherung geben, er kommt mit dem
-heißen Wunsche einer Aussöhnung.
-
-+Robert+: Ich begreife garnicht, was das heißen soll! Aussöhnen?! mit
-was will er sich denn aussöhnen? Ich verstehe so was garnicht. Wir
-verstehen uns doch sonst untereinander so ziemlich, wir Geschwister.
-Das ist mir ganz neu. Ich habe ihm nichts vorzuwerfen. Andererseits
-sind Thatsachen nicht zu vertuschen. -- Ich frage Sie: Glauben Sie, daß
-ich besondere Hochachtung vor meinem Vater empfinde --? Nicht wahr?
-nein --? Oder lieb’ ich ihn vielleicht? -- Empfinde ich vielleicht
-kindliche Dankbarkeit? -- Nun sehen Sie, zu alledem habe ich auch nicht
-den mindesten Grund. Wir sind uns gegenseitig zeitlebens im besten
-Falle Luft gewesen. -- Zu Zeiten, als wir uns gegenseitig für unser
-Unglück verantwortlich machten, haben wir uns sogar geradezu gehaßt.
--- Nun, zwischen Vater und Wilhelm ist dieser selbe Haß ausgeartet.
-Das ist mir durchaus begreiflich. Wenn ich nicht wie Wilhelm verfahren
-bin, so ist das vielleicht Zufall. Also, ich habe nichts gegen ihn, --
-notabene, wenn ich ihn nicht sehe. Seh’ ich ihn aber, dann geht alle
-meine Ueberlegung zum Teufel, dann bin ich etwas .... etwas .... na,
-wie soll ich sagen? dann .... dann seh’ ich eben nur den Menschen, der
-+meinem+ Vater -- nicht seinem, sondern meinem Vater -- in’s Gesicht
-geschlagen hat.
-
-+Frau Buchner+: O du großer Gott!
-
-+Robert+: Und da steh’ ich für garnichts ein, durchaus für garnichts.
-
-+Frau Buchner+: O du großer Gott! das also ist es. -- Geschlagen,
-sagten Sie? -- in’s G--esicht? -- seinen +eignen+ Vater?
-
-+Robert+: Na item. --
-
-+Frau Buchner+ _(halb von Sinnen)_: O du großer Gott! o du großer Gott!
-aber -- dann .... dann kann ich ja .... dann muß ich ja auf der Stelle
-mit Ihrem guten, alten Vater reden, dann ....
-
-+Robert+ _(tief erschrocken)_: Mit wem?
-
-+Frau Buchner+ _(halb weinend)_: Mit Ihrem guten, alten, armen,
-gemißhandelten Vater.
-
-+Robert+ _(sucht sie festzuhalten)_: Um Himmelswillen, mit wem wollen
-Sie ....?
-
-+Frau Buchner+: Lassen Sie mich! ich muß, muß. _(ab durch den
-Treppenausgang.)_
-
-+Robert+ _(ihr nachrufend)_: Frau Buchner! _(sich wendend)_ Hysterie,
-verdammte!
-
-_(Er zuckt mit den Achseln und durchmißt den Raum; mehrmals noch
-nimmt er plötzlich einen Anlauf, wie um ihr nachzueilen, ändert aber
-jedesmal seinen Entschluß, giebt ihn schließlich ganz auf und beruhigt
-sich gewaltsam bis zu einem Stadium scheinbaren Gleichmuths. In diesem
-Stadium beschäftigt ihn anfänglich seine Tabakspfeife: er klopft sie
-aus, füllt sie mit neuem Tabak, den er einem Beutel entnimmt, setzt
-sie in Brand und scheint mehrere Augenblicke dem Genuß des Rauchens
-ganz allein hingegeben. Sein Interesse fängt in der Folge an, sich dem
-Christbaum und den Geschenken auf der Tafel zuzuwenden, breitbeinig
-davorstehend und Alles überblickend lacht er, die Pfeife im Munde,
-wiederholt bitter auf. Plötzlich stutzt er dann und beugt sich,
-nachdem er die Pfeife in die Hand genommen, tief über die Tafel. Sich
-aufrichtend, scheint er jetzt erst die Entdeckung zu machen, daß er
-allein ist. Scheu wie ein Dieb umherblickend, beugt er sich abermals,
-ergreift mit Hast die gelbseidne Geldbörse, führt sie den Augen
-näher und mit einer jähen leidenschaftlichen Bewegung an die Lippen.
-Dieser Moment zeigt das Aufblitzen einer unheimlichen, krankhaften
-Leidenschaftlichkeit. Ein Geräusch stört ihn. Augenblicklich liegt die
-Börse an ihrem alten Platz. Auf den Zehen gehend, sucht Robert sich
-davon zu schleichen. Im Begriff durch die erste Seitenthür links zu
-verschwinden, bemerkt er, wie durch die Nebenthür seine Mutter, Frau
-Scholz, eintritt, und steht seinerseits still.)_
-
-+Frau Scholz+ _(geht schwerfällig aber eilig quer durch den Saal bis
-zum Treppenausgang; hier horcht sie)_.
-
-+Robert+ _(sich zurückwendend)_: Sag’ mal, Mutter! -- was +will+ denn
-eigentlich diese Frau?
-
-+Frau Scholz+ _(erschreckt)_: O Gottogottogott!! -- Du erschrickst
-ein’n aber auch ....
-
-+Robert+: Was .... w .... was beab .... was die Buchner hier eigentlich
-beabsichtigt, möchte ich gerne wissen.
-
-+Frau Scholz+: Wenn ich lieber wüßte, -- was der Vater .... Was will er
-denn eigentlich? ja -- sag’ mir! -- was -- will er?
-
-+Robert+: Na, die Unterkunft wirst Du ihm doch wohl nicht verweigern
-wollen?
-
-+Frau Scholz+ _(halb weinerlich trotzend)_: Ich seh nicht ein, -- so
-lange hat er mich nicht nöthig gehabt. Man war doch wenigstens sei’
-eigner Herr. Nu wird’s wieder schön losgehen, das Gekujenire. Nu wird
-man woll uff seine alten Tage noch wie e kleenes Kind pariren müssen.
-
-+Robert+: Du mußt immer übertreiben! Es geht partout nicht anders:
-übertrieben muß werden.
-
-+Frau Scholz+: Paß Du nur uff, wenn er morgen das leere Glashaus sehen
-wird. Ich kann doch für den Prast nicht extra eenen Gärtner halten!?
--- und die Ameisenkästen sind ooch weg. Meinswegen brauchen keene
-Blumen wachsen, man krigt doch blos Kopfschmerzen davon! Und erscht das
-Ungeziefer! -- ich weiß nich, was er daran blos hat. Und deshalb muß
-man sich runterlumpen lassen. Das Halloh blos! ich ängst’ mich schon zu
-Tode -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- Ach ’s is nich mehr hibsch uff der
-Welt.
-
-+Robert+ _(hat, während Frau Scholz noch redet, sich achselzuckend zum
-Gehen gewendet; nun steht er still und spricht zurück)_: Ist’s irgend
-früher mal hübscher gewesen?
-
-+Frau Scholz+: Nun +das+ -- dächt ich!!!
-
-+Robert+: So? na dann muß das wohl +vor+ meiner Zeit gewesen sein. _(ab
-durch die erste Thür links.)_
-
-+Frau Scholz+ _(schon wieder lauschend an dem Treppenausgang)_: Wenn
-ich zurückdenke .... oben wird ja gesprochen .... _(sie schließt auf,
-sieht sich allein, horcht abermals unruhig und verschwindet schließlich
--- die Hand am Ohr -- mit einem Gesicht voll Gram, Kummer und Neugier
-durch den Treppenausgang)_.
-
-_(+Ida+ und +Wilhelm+ durch die Glasthür. +Wilhelm+: mittelgroß,
-kräftig, wohlaussehend. Blonder kurzgeschorener Kopf, Kleidung
-gutsitzend, nicht geckenhaft. Paletot, Hut, Reisetasche. Seine Linke
-ist um die Schultern Ida’s gelegt, die ihn ihrerseits mit dem rechten
-Arm umfaßt hält und den leise Widerstrebenden vorwärts drängt.)_
-
-+Ida+: Siehst Du, nu bist Du drin! die Hauptsache ist nu schon
-überstanden.
-
-+Wilhelm+ _(schwer aufseufzend)_: O nein, Du!
-
-+Ida+: Du kannst mir glauben, Deine Mutter freut sich sehr, sehr auf
-Dich. Auch Gustchen _(sie zieht ihm die Winterhandschuhe ab)_. Wo hast
-Du denn +die+ her?
-
-+Wilhelm+: Du kennst also nun meine -- Mutter?
-
-+Ida+: Alle, Schatz! -- seit heute dutzen wir uns sogar.
-
-+Wilhelm+: Wie bist Du mit -- ihnen zufrieden?
-
-+Ida+: Seelensgute Menschen, das weißt Du ja selbst.
-
-+Wilhelm+ _(von jetzt ab befangener mit jedem Augenblick, gedehnt und
-wie im Selbstgespräch redend)_: Merk--würdig _(seine Augen haften
-an dem Christbaum, in den Anblick desselben versinkend, ist er
-unwillkürlich stehen geblieben)_.
-
-+Ida+ _(ihm den Paletot aufknöpfend)_: Aber Schatz! das ist doch nicht
-der erste Christbaum, den Du ...
-
-+Wilhelm+: Hier ja -- und Du kannst, +kannst+ mir nicht nachfühlen --
-+wie+ sonderbar ....
-
-+Ida+ _(ihm -- was er mechanisch geschehen läßt -- den Paletot
-abziehend)_: Bitte, bitte Willy! _(den Paletot über’m Arm, Hut und
-Reisetasche in der Hand, vor ihm stehend)._ Willy! -- sieh mich an ...
-_(anfeuernd)_ stark .... _(einen Augenblick lang steht sie straff
-aufgerichtet, dann legt sie die Sachen schnell beiseite und kehrt zu
-Wilhelm zurück)._ Du -- hast mir ver--sprochen ....
-
-+Wilhelm+: Hast Du mal .... Ida! .... hast Du mal .... ein Gruftgewölbe
-mit Kränzen und ....
-
-+Ida+ _(erschrocken)_: Aber Wilhelm! _(ihn stürmisch umarmend, außer
-sich)_ das ist bös! das ist wirklich bös! das ist wirklich sehr, sehr
-bös.
-
-+Wilhelm+ _(sie sanft zurückdrängend, mit unterdrückter Bewegung)_:
-Ach, dabei ist ja garnichts _(kühl, abwesend)_. Sei gut, sei gut!
-............
-
-+Ida+: Ach, wie Du doch bist!
-
-+Wilhelm+ _(den Baum durchmusternd)_: Sonst -- Alles -- beim Alten
-....... Ida! -- das mußt Du mir wirklich wirklich -- anrechnen!
-
-+Ida+: Mir wird auf einmal so bange, Willy. Ob es am Ende nicht besser
-gewesen wäre ..... Mutter hat ja gewiß nicht gewußt, daß es Dir so,
-+so+ schwer werden würde und ich ... ich dachte ja nur ... weil es
-Mutter sagte ... ich wollte es ja garnicht. Aber nun ... nun bist Du
-einmal so weit, nun sei auch .... hörst Du? .... thu mir die Liebe!
-.... ach _(sie umarmt ihn)_.
-
-+Wilhelm+ _(von Idas Armen ein wenig weiter hereingezogen, mit Zeichen
-tiefer, innerer Erschütterung)_: .. Jeder Schritt vorwärts .... was hab
-ich hier nicht Alles durchlebt!
-
-+Ida+: Nur nicht aufwühlen! nicht das Alte aufwühlen!
-
-+Wilhelm+: Sieh mal! -- jetzt wird mir doch klar -- Deine Mutter hätte
-mir das +nicht+ rathen sollen. -- Sie ist immer so zuversichtlich,
-so ..., ich hab’s ja gewußt, ich sagte es ihr -- aber diese naive,
-felsenfeste Zuversicht .... hätt ich mich doch nur nicht verblenden
-lassen!
-
-+Ida+: Ach wie Du doch Alles schwer nimmst, Wilhelm! glaub mir, Du
-wirst morgen anders sprechen -- wenn Du sie erst Alle wiedergesehen
-hast! .... Du bist dann doch wenigstens vor Dir selbst gerechtfertigt.
-Du hast bewiesen, daß es Dir ernstlich darum zu thun war, mit Deiner
-Familie in Frieden zu leben.
-
-+Wilhelm+: Wenn man so Alles wiedersieht, -- die alten Plätze alle --
-Alles tritt so heraus --, so hervor, weißt Du! -- die Vergangenheit
-kommt einem so nah, -- so aufdringlich nah; man kann sich ... förmlich
-wehrlos ist man.
-
-+Ida+ _(ihn weinend umhalsend)_: Wenn ich Dich so sehe, Wilhelm ....
-ach glaub nur ja nicht .... glaub doch nur um Himmelswillen nicht etwa,
-ich hätte Dich dazu gedrängt, wenn ich .... wenn ich auch nur geahnt
-hätte .... glaub doch +das+ nur nicht! Du thust mir ja so furchtbar
-leid.
-
-+Wilhelm+: Ida! -- zu Dir gesagt -- ich kann Dich versichern, daß ich
-hier fort muß. -- Offenbar! -- ich bin diesem Ansturm nicht gewachsen
--- offenbar! -- es ruinirt mich möglicherweise -- auf immer. -- Du
-bist ja ein Kind! -- ein süßes, reines Kind, Ida -- was weißt Du. --
-Gott sei ewig Dank, daß Du nicht einmal ahnen kannst, was mich ... was
-der Mensch neben Dir .... zu Dir gesagt -- Haß! Galle! -- schon als ich
-hereintrat ...
-
-+Ida+: Wollen wir gehen? wollen wir augenblicklich von hier fortgehen?
-
-+Wilhelm+: Ja, -- denn -- in dieser Umgebung -- selbst Du! -- ich
-unterscheide Dich kaum mehr von den Andern. -- Ich verliere Dich! -- es
-ist ein Verbrechen von mir, schon allein, daß +Du hier+ bist.
-
-+Ida+: Wenn Du doch nur deutlich sein könntest, Wilhelm! es muß doch --
-hier etwas Furchtbares passirt sein, was ....
-
-+Wilhelm+: Hier? ein Verbrechen! um so furchtbarer, weil es nicht als
-Verbrechen gilt. Man hat mir hier mein Leben gegeben und hier hat
-man mir dasselbe Leben -- zu Dir gesagt -- fast möchte ich sagen:
-systematisch verdorben -- bis es mich anwiderte -- bis ich daran trug,
-schleppte, darunter keuchte wie ein Lastthier -- mich damit verkroch,
-vergrub, versteckte, was weiß ich -- aber man leidet namenlos -- Haß,
-Wuth, Reue, Verzweiflung -- kein Stillstand! -- Tag und Nacht dieselben
-ätzenden, fressenden Schmerzen _(deutet auf die Stirn)_ da! ....
-_(deutet auf’s Herz)_ und -- auch -- da!
-
-+Ida+: Was soll ich nur thun, Wilhelm? ich getraue mir garnicht mehr --
-Dir etwas zu rathen -- ich bin so ....
-
-+Wilhelm+: Ihr hättet zufrieden sein sollen -- daß ich glücklich so
-weit war, +wie+ ich war. -- Es war ja Alles glücklich so weit abgeblaßt
--- jetzt erst erkenne ich, +wie+ weit _(überwältigt von Erregung bricht
-er auf einen Stuhl zusammen)_.
-
-+Ida+ _(mit unterdrücktem Aufschrei)_: Wilhelm!
-
-+Frau Buchner+ _(in fliegender Hast durch den Treppenbogen. Auf Wilhelm
-zustürzend)_: Wilhelm, hören Sie mich, Wilhelm! -- jetzt denken Sie an
-das, was wir gesprochen haben. Jetzt -- wenn ich Ihnen so viel gelte
-.... Ich beschwöre Sie .... Jetzt zeigen Sie .... Ja ich fordre ....
-Ich verlange von Ihnen als Mutter meines Kindes ..... Wilhelm! ....
-Es liegt nun an Ihnen, -- an Ihnen allein .... Wilhelm, Sie haben
-furchtbar gefehlt! -- Sie haben eine furchtbare Schuld -- Sie werden
-wieder froh werden. -- Ich hab es gethan .... ich habe mit Ihrem Vater
-geredet, er ....
-
-+Wilhelm+ _(steif in die Höhe schnellend, mit starrem Ausdruck und
-lallender Stimme)_: V--Vater? -- -- wie? -- m... mit m...einem
-V...ater? _(er wankt, taumelt wie ein Blödsinniger und sucht seine
-Sachen zu ergreifen.)_
-
-+Ida+ _(tief erschrocken)_: Wil... W...
-
-+Wilhelm+ _(giebt durch Zeichen zu verstehen, man soll ihn nicht
-unterbrechen)_:
-
-+Ida+: Ach -- Mutter -- Wilhelm -- ... Du .... Du hättest ihm -- das
-nicht -- gleich sagen sollen.
-
-+Frau Buchner+: Wilhelm! sind Sie ein Mann?! Sie können uns doch nicht
-belogen haben. Wenn Sie noch einen Funken Liebe für uns, -- für Ida ...
-Ich fordre Sie auf ... Ich, eine Frau ...
-
-+Ida+ _(wirft sich Wilhelm, der schon seine Sachen ergriffen hat,
-entgegen und hält ihn -- indem sie ihn umschlingt -- fest)_: Du darfst
-nicht fort, oder ich .... Mutter! wenn er geht -- ich gehe mit ihm!
-
-+Wilhelm+: Warum -- habt Ihr mir das verschwiegen?
-
-+Ida+: Nichts ... Du mußt doch nicht gar so schlecht von uns .... Wir
-haben Dir nichts verschwiegen.
-
-+Frau Buchner+: Wir alle, Ihre Mutter, Ihre Schwester, wir waren alle
-ahnungslos, -- eben so ahnungslos, wie Sie. Vor wenigen Minuten ist er
-angekommen -- ohne sich vorher anzumelden; und, sehen Sie, da dachte
-ich gleich ....
-
-+Wilhelm+: Wer -- hat Ihnen +das+ -- mitgetheilt?
-
-+Frau Buchner+ _(unter Thränen seine Hand ergreifend)_: Sie haben
-furchtbar, furchtbar gefehlt.
-
-+Wilhelm+: Sie wissen also --?
-
-+Frau Buchner+: Ja, jetzt ....
-
-+Wilhelm+: Alles?
-
-+Frau Buchner+: Ja Alles; -- und, sehen Sie, daß ich Recht hatte, --
-daß Sie noch etwas mit sich herumschleppten? das +war+ das Geheimniß.
-
-+Wilhelm+: Sie wissen, daß ich ....?
-
-+Frau Buchner+ _(nickt bejahend)_.
-
-+Wilhelm+: Und Ida --? soll sie einem Menschen zum Opfer fallen, wie
-... wie ich bin, -- des ... weiß sie’s? ... weißt Du’s -- Ida -- auch?
-
-+Ida+: Nein Wilhelm -- aber -- ob ich das weiß oder nicht; -- das ist
-wirklich ganz gleichgültig.
-
-+Wilhelm+: Nein. -- Diese Hand, die Du ... die Dich oft ... diese Hand
-hat ... _(zu Frau Buchner)_ Ist es das?
-
-+Frau Buchner+ _(nickt bejahend)_.
-
-+Wilhelm+ _(zu Ida)_: Wie schändlich hab’ ich Dich betrogen! -- ich
-bring’s nicht über mich. -- Später! .......
-
-+Frau Buchner+: Wilhelm! Ich weiß, was ich verlange, aber ich ... Sie
-+müssen+ sich vor Ihrem +armen+ Vater erniedrigen -- erst dann werden
-Sie sich wieder ganz frei fühlen. Rufen Sie ihn an! beten Sie ihn an!
-ach Wilhelm! das müssen Sie thun! Seine Kniee müssen Sie umklammern --
-und wenn er Sie mit dem Fuße tritt, wehren Sie sich nicht! reden Sie
-kein Wort! geduldig wie ein Lamm! glauben Sie mir -- einer Frau, die
-Ihr Bestes will.
-
-+Wilhelm+: Sie wissen +nicht+ ... Sie wissen doch nicht, was Sie von
-mir ... O Sie müssen Gott dankbar sein, Frau Buchner, daß er Ihnen
-Ihre eigene Grausamkeit verborgen hat. Ruchlos mag das sein. Was
-ich gethan habe, mag ruchlos sein. Aber was ich durchgemacht habe,
--- da! -- innerlich durchgekämpft, durchlitten -- diese furchtbaren
-Peinigungen .... Er hat Alles auf mich geladen -- und am Ende zu allem
-noch diese +verfluchte+ Schuld ......... Aber dennoch .......! _(nach
-einem langen, tiefen Blick, in Ida’s Augen, sich aufringend, bis zu
-einem festen Entschluß)._ Vielleicht -- gelingt es mir -- +dennoch+!
-
-
-
-
-Zweiter Vorgang.
-
-
-_Der Raum ist leer. Sein Licht erhält er zum Theil von einer
-im Treppenraum angebrachten rothen Ampel, dann aber, und zwar
-hauptsächlich, durch die offenen Thüren linker Hand aus dem
-Seitengemach. Hier sitzt man, wie das Klingen der Gläser, das Klappern
-und Klirren von Tellern und Bestecks verräth, bei Tafel._
-
-_(Ida, gleich darauf Wilhelm aus dem Nebengemach)._
-
-+Ida+: Endlich! _(einschmeichelnd.)_ Du mußt doch nun an Vater denken,
-Willy! sei mir nicht böse, aber wenn Du Vater etwas -- abzubitten hast,
-dann mußt Du doch nicht warten, bis +er+ zu Dir +herunter+ ..........
-
-+Wilhelm+: Wollte Vater zu Tisch ’runterkommen!
-
-+Ida+: Versteht sich! Mama hat ihn ....
-
-+Wilhelm+ _(umschlingt und preßt Ida plötzlich, mit impulsiver
-Leidenschaftlichkeit stürmisch an sich)_.
-
-+Ida+: Ei ..... ach -- Du -- wenn Jemand .... mein Haar wird ja ......
-
-+Wilhelm+ _(läßt die Arme schlaff an ihr heruntergleiten, faltet die
-Hände, senkt den Kopf und steht, jäh ernüchtert, wie ein ertappter
-Verbrecher vor ihr)_.
-
-+Ida+ _(ihr Haar ordnend)_: Was für ein stürmisches Menschenkind Du
-doch bist.
-
-+Wilhelm+: Stürmisch nennst Du das. -- Ich nenne es -- ganz -- anders
-.........
-
-+Ida+: Aber Willy! -- warum denn nun auf einmal wieder so
-niedergeschlagen? unverbesserlich bist Du doch.
-
-+Wilhelm+ _(ihre Hand krampfhaft fassend, den Arm um ihre Schulter
-legend, zieht er sie hastigen Schrittes mit sich durch den Saal)_:
-Unverbesserlich. Ja, siehst Du! das eben ..... ich fürchte ja nichts so
-sehr, als daß ich ..... als daß alle Deine Mühen um mich vergebens sein
-könnten. Ich bin so entsetzlich wandelbar! _(auf die Stirn deutend)_ da
-hinter ist kein Stillstand! Schicksale in Secunden! mich selbst fürcht’
-ich. Vor sich selbst auf der Flucht sein: kannst Du Dir davon einen
-Begriff machen? Siehst Du, und so fliehe ich -- mein Leben lang.
-
-+Ida+: Am Ende .... ach nein das paßt nicht -- --
-
-+Wilhelm+: Sag’ doch!
-
-+Ida+: Manchmal .... ich hab’ mir nur schon manchmal gedacht ....
-wirklich, es ist mir manchmal so vorgekommen, als ob -- sei nicht böse
--- als ob garnichts da wäre, wovor Du fliehen müßtest. Ich habe selbst
-schon ....
-
-+Wilhelm+: O Du, das glaube nicht! hast Du Robert beobachtet, hast Du
-gesehen?
-
-+Ida+: Nein -- was?
-
-+Wilhelm+: Hast Du bemerkt, wie er mich begrüßte? Der, siehst Du, der
-weiß, daß ich vor mir fliehen muß, der kennt mich. Frage den nur, der
-wird Dich aufklären! Damit droht er mir nämlich. Du, Du, das weiß ich
-besser. Gieb nur Acht, wie er mich immer anblickt! Ich soll Angst
-kriegen, ich soll mich fürchten. Ha ha ha, -- nein, lieber Bruder,
-so erbärmlich sind wir denn doch nicht. Und nun siehst Du wohl ein,
-Ida, daß ich das nicht zulassen darf, -- ich meine, Du darfst Dir
-keine Illusionen machen über mich. Es giebt nur eine Möglichkeit: ich
-muß offen sein gegen Dich. Ich muß es soweit bringen ..., Ich ringe
-darnach. Wenn Du mich ganz kennst, dann .... Ich meine wenn Du mich
-dann noch erträgst .... oder wenn Du -- mich noch lieben kannst ....
-dann .... das wäre ein Zustand .... dann würde etwas in mich kommen
-.... was Muthiges, Stolzes sag’ ich Dir .... dann lebte doch Einer, und
-wenn sie mich Alle verachteten ................................. _(Ida,
-voller Hingebung, schmiegt sich an ihn.)_
-
-+Wilhelm+: Und jetzt .... jetzt werde ich Dir auch .... bevor ich zu
-Vater hinaufgehe .... Du weißt was ich meine?!
-
-+Ida+ _(nickt)_.
-
-+Wilhelm+: Jetzt sollst Du .... Ich muß es über mich gewinnen Dir zu
-sagen, was mich -- mit meinem -- Vater .... Ja, Ida, -- ich will’s
-thun ........, ....... _(Arm in Arm schreitend)_ Stelle Dir vor! ich
-war hier zu Besuch .... nein -- so kann ich nicht anfangen. -- Ich muß
-weiter zurückgehen. -- Du weißt ja, als ich mich damals schon eine
-lange Zeit selbst durchgeschlagen ........ das hab’ ich Dir wohl noch
-garnicht erzählt?
-
-+Ida+: Nein, .... aber ruhig .... nur ja nicht unnöthig .... rege Dich
-nur nicht auf, Willy!
-
-+Wilhelm+: Siehst Du das ist wieder so ein Fall: ich bin feig! ich
-habe es bis jetzt nicht gewagt, Dir von meiner Vergangenheit zu
-erzählen .... auf jedenfall ist es auch ein Wagniß. -- Man wagt
-etwas, -- auch vor sich selbst .... einerlei! wenn ich das nicht mal
-über mich brächte, wie sollt’ ich’s dann fertig bringen -- zu Vater
-hinaufzugehen?!
-
-+Ida+: Ach, Du! quäle Dich nicht! -- jetzt stürmt so vielerlei auf Dich
-ein.
-
-+Wilhelm+: Du hast wohl Furcht? -- wie? Du fürchtest wohl Dinge zu
-hören ....?
-
-+Ida+: Pfui, pfui, so mußt Du nicht sprechen!
-
-+Wilhelm+: Nun also -- dann stelle Dir vor: hier oben wohnte Vater. Bis
-er Mutter nahm hatte er einsam gelebt, und so wurde es bald wieder; er
-führte sein einsames Sonderlingsleben weiter ........ Mit einem Mal
-verfiel er dann auf uns -- Robert und mich, um Auguste hat er sich
-garnicht gekümmert. -- Volle zehn Stunden täglich hockten wir über
-Büchern .... Wenn ich das Kerkerloch sehe -- heutigen Tags noch ......
-es stieß an sein Arbeitszimmer. Du hast’s ja gesehen!
-
-+Ida+: Der große Saal oben --?
-
-+Wilhelm+: Ja, der -- Wenn wir in diesen Raum eintraten, da mochte
-die Sonne noch so hell zum Fenster ’reinscheinen, -- für uns war es
-dann Nacht .... Na siehst Du -- da .... da liefen wir eben zur Mutter
-.... Wir liefen ihm einfach fort -- und da spielten sich Scenen ab --:
-Mutter zog mich am linken, Vater am anderen Arm .... Es kam soweit:
-Friebe mußte uns hinauftragen. Wir wehrten uns, wir bissen ihm in die
-Hände; natürlich half das nichts, unser Dasein wurde nur unerträglicher
-............. Aber widerspenstig blieben wir, und nun weiß ich, fing
-Vater an uns zu hassen. Wir trieben es so lange, bis er uns eines Tages
-die Treppe hinunterjagte. Er konnte uns nicht mehr ertragen -- unser
-Anblick war ihm ekelhaft.
-
-+Ida+: Aber Dein Vater -- das giebst Du doch zu? -- eine gute Absicht
-hat er doch gehabt mit Euch. Ihr solltet eben viel lernen, wie ....
-
-+Wilhelm+: Bis zu einem gewissen Grade mag er ja auch damals eine gute
-Absicht -- vielleicht gehabt haben. Aber wir waren ja zu der Zeit erst
-Jungens von neun oder zehn Jahren und von da ab, hört die gute Absicht
-auf. -- Im Gegentheil: damals hat er die Absicht gehabt, uns total
-verkommen zu lassen. -- Ja, ja! Mutter zum Possen .... Fünf Jahre lang
-waren wir im verwegensten Sinne uns selbst überlassen .... Banditen und
-Tagediebe waren wir .......... Ich hatte noch etwas, ich verfiel auf
-die Musik. Robert hatte nichts -- Aber wir verfielen auch noch auf
-ganz andre Dinge -- deren Folgen wir wohl kaum jemals verwinden werden
-.........................
-
-Schließlich schlug Vater wohl das Gewissen. Es gab fürchterliche Scenen
-mit Mutter. Am Ende wurden wir doch aufgepackt und in einer Anstalt
-untergebracht. Und als ich mich an das Sklavenleben dort nicht mehr
-gewöhnen konnte und davonlief, ließ er mich einfangen und nach Hamburg
-schaffen; Der Taugenichts sollte nach Amerika ... Der Taugenichts lief
-natürlich wieder davon. Ich ließ Eltern Eltern sein und hungerte und
-darbte mich auf meine eigene Faust durch die Welt. Robert hat ungefähr
-die gleiche Carrière hinter sich.
-
-Aber Taugenichtse sind wir deshalb in Vaters Augen doch geblieben ....
--- später war ich einmal so naiv eine Unterstützung von ihm zu fordern
--- nicht zu bitten! Ich wollte das Conservatorium besuchen. Da schrieb
-er mir auf einer offenen Postkarte zurück: Werde Schuster. -- Auf diese
-Weise, Ida! sind wir so eine Art ~self made man~ -- aber wir sind nicht
-besonders stolz darauf.
-
-+Ida+: -- Wahrhaftig Willy .... ich kann wahrhaftig nicht anders ....
-ich fühle Dir +wirklich Alles+ nach; aber -- ich kann augenblicklich
-nicht ernst .... Sieh mich nicht so fremd an, bitte, bitte!
-
-+Wilhelm+: O Du, -- das ist bitter -- und nicht zum Lachen.
-
-+Ida+ _(ausbrechend)_: ’S ein +Jubel+gefühl, Wilhelm! ich muß Dir
-sagen .... es mag selbstsüchtig sein, -- aber ich freue mich so
-furchtbar -- daß Du, das so brauchen kannst .... Ich will Dich ja so
-lieb haben, Wilhelm! .... Ich sehe so mit einem Mal Zweck und Ziel.
-Ach, ich bin ganz confus! Ich bedaure Dich ja so sehr. Aber je mehr ich
-Dich bedaure, je mehr freue ich mich. Verstehst Du, was ich meine? Ich
-meine ...... ich bilde mir ein, -- ich könnte Dir vielleicht Alles,
-was Du entbehrt hast .... alle Liebe, die Du entbehrt hast, mein ich,
-könnte ich Dir vielleicht reichlich ....
-
-+Wilhelm+: Wenn ich’s nur -- verdiene, -- Du! -- denn nun kommt --
-etwas, -- was mich allein -- betrifft ............ Vor Jahren ....
-nein -- es ist .... Ich kam nämlich später hie und da besuchsweise zur
-Mutter. -- Mach’ Dir’ mal klar, Ida! -- wenn ich so das ganze Elend
-wiedersah .... mach Dir ’mal klar wie mir da -- zu Muthe werden mußte.
-
-+Ida+: Deine Mutter -- litt wohl -- sehr?
-
-+Wilhelm+: In manchen Dingen, denk’ ich ja heut’ anders über Mutter.
-Immerhin, die Hauptschuld trägt Vater doch. Damals kam mir’s vor, als
-ob er Mutter widerrechtlich hier gefangen hielte. Ich wollte gerade,
-sie sollte sich von ihm trennen.
-
-+Ida+: Aber -- das konnte Deine Mutter -- garnicht, das, --
-
-+Wilhelm+: Sie folgte mir ja auch nicht. Sie hatte nicht den Muth. --
-Nun -- mit welchen Augen ich Vater ansah .... nun, das kannst Du Dir
-vielleicht denken.
-
-+Ida+: Sieh’ mal Wilhelm! -- Du warst vielleicht doch nicht ganz
-gerecht gegen Deinen Vater .... Ein Mann ....
-
-+Wilhelm+ _(ohne Ida’s Einwurf zu beachten)_: Einmal -- beging ich --
-die Thorheit -- einen Freund von mir .... Unsinn Freund .... flüchtiger
-Bekannter, -- ein Musiker .... Ich brachte ihn also mit hierher. Das
-war eine Auffrischung für Mutter. Sie spielte nämlich -- eine Woche
-lang --, täglich mit ihm vierhändig ........ Da also .... haarsträubend
-.... so wahr wie ich vor Dir stehe --; kein Schatten einer Möglichkeit!
--- und am Ende der Woche -- schrieen es ihr -- Dienstboten -- in’s
-Gesicht.
-
-+Ida+: Verzeih’! .... Ich .... Um was --?
-
-+Wilhelm+: Mutter! .... Mutter sollte .... Meine Mutter sollte ....
-Sie sollte -- denke Dir! sie wagten es ihr offen vorzuwerfen, daß sie
--- ein schlechtes -- Verhältniß -- mit .... das heißt! ich stellte die
-Person zur Rede .... frech .... der Kutscher hätte es ihr gesagt ....
-ich zum Kutscher und der .... der .... der will es .... der sagt mir
-geradezu, ich habe es vom Herrn .... vom Herrn selber -- .... Natürlich
-.... wo werde ich ihm denn so was glauben?! -- oder -- wenigstens --
-sträubte ich mich -- bis -- ich -- ein Gespräch -- belauschte, -- was
-Vater -- im Stall .... im Pferdestall mit dem Burschen -- hatte, --
-und -- Du kannst mir -- glauben: -- die Hände -- starben -- mir -- ab,
--- wie ich -- ihn da -- über meine -- Mutter -- reden hörte.
-
-+Ida+: Sei doch nur .... Laß Dich doch nur .... reg’ Dich doch blos
-nicht so +furchtbar+ auf. Du bist ja ganz ....
-
-+Wilhelm+: Ich weiß nicht mehr .... Ich weiß nur .... Es steckt etwas
-in uns Menschen .... der Wille ist ein Strohhalm .... man muß so etwas
-durchmachen .... Es war wie ein Einsturz ... Ein Zustand wie ....
-und in diesem Zustand befand ich mich plötzlich in Vaters Zimmer.
--- Ich sah ihn. -- Er hatte irgend etwas vor -- ich kann mich nicht
-mehr besinnen was. -- Und da -- hab’ ich ihn -- buchstäblich -- mit
--- diesen -- bei -- den Händen -- ab--ge--straft. _(Er hat Mühe sich
-aufrecht zu erhalten)._
-
-+Ida+ _(Ihre Augen stehen voll Thränen, die sie trocknet. Bleich und
-erschüttert starrt sie einige Augenblicke auf Wilhelm hin, dann küßt
-sie still weinend seine Stirn)_.
-
-+Wilhelm+: Du -- Barmherzige.
-
-_(Man hört die Stimme des Doktors von der Treppe her.)_
-
-+Wilhelm+: Und nun, -- wenn je! _(Er rafft sich auf, Ida küßt ihn
-nochmals. Er hat krampfhaft ihre Hand gefaßt. Wie die Stimme des
-Doktors schweigt, hört man fröhliches Gelächter aus dem Nebenzimmer.)_
-
-+Wilhelm+ _(mit Bezug auf das Lachen, wie auch auf das Kommen des
-Doktors, den man die Treppe herunter steigen hört.)_: Ihr habt eine
-wunderbare Macht! _(Ein Händedruck beiderseitiger Ermuthigung, dann
-trennt sich Ida von Wilhelm. Bevor sie abgeht, kehrt sie noch mal um,
-faßt Wilhelms Hand und sagt:)_ Sei tapfer! _(ab.)_
-
-~Dr.~ +Scholz+: _(noch auf der Treppe.)_ Ä! großer Unsinn! .... rechts
-Friebe! -- ä! Ellbogen .... nicht halten, nicht halten! Donnerwetter!!!
-
-+Wilhelm+ _(je weiter der Doktor herunterkommt, um so aufgeregter
-erscheint Wilhelm. Seine Farbe wechselt oft, er fährt sich durch die
-Haare, athmet tief, macht die Bewegungen des Klavierspielens mit der
-Rechten ⁊c. Hierauf ist deutlich wahrzunehmen, wie Strömungen für und
-wieder in ihm kämpfen, -- wie er in seinem Entschluß wankend wird. Er
-scheint fliehen zu wollen, da bannt ihn das Hervortreten des Doktors.
-Er hat eine Stuhllehne gefaßt, um sich zu stützen und steht zitternd
-und bleich da. Der Doctor ist ebenfalls, zu seiner vollen imponirenden
-Größe aufgerichtet stehen geblieben und mißt seinen Sohn mit einem
-Blick, der nacheinander Schreck, Haß und Verachtung ausdrückt. Es
-herrscht Stille; Friebe, der den Doctor stützend und ihm vorleuchtend
-ebenfalls eingetreten in, benützt dieselbe, um sich davonzuschleichen,
-ab in die Küche. Wilhelm scheint einen Seelenkampf physisch
-durchzuringen. Er will reden, die Kehle scheint ihm zu versagen, es
-kommt nur zu lautlosen Bewegungen der Lippen. Er nimmt die Hand von
-der Stuhllehne und schreitet auf den Alten zu. Er geht unsicher, er
-taumelt, er kommt in’s Wanken, steht, will auf’s Neue reden, vermag es
-aber nicht, schleppt sich weiter und bricht die Hände gefaltet, zu des
-Alten Füßen nieder. In des Doctors Gesicht hat der Ausdruck gewechselt:
-Haß, Staunen, erwachendes Mitgefühl, Bestürzung.)_
-
-~Dr.~ +Scholz+: Junge .... mein lieber Junge! mein .... _(er sucht ihn
-bei den Händen zu erheben.)_ Steh, doch nur -- auf! .... _(er faßt
-Wilhelm’s Kopf, der schlaff hängt, zwischen beide Hände und kehrt ihn
-sich zu.)_ Sieh’ mich .... Junge .... sieh’ mich doch ’mal -- an. Ach,
-was ist denn -- mit ....?
-
-+Wilhelm+ _(bewegt die Lippen)_.
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(mit bebender Stimme)_: Was ... was ... sagst Du zu
-mir? ich ...
-
-+Wilhelm+: V ... Vater -- ich ....
-
-~Dr.~ +Scholz+: Wie -- meinst Du --?
-
-+Wilhelm+: Ich -- habe Dich .. habe Dich .... h ... h ...
-
-~Dr.~ +Scholz+: Unsinn, Unsinn! jetzt nicht von solchen .....
-
-+Wilhelm+: Ich bin -- an Dir -- zum Verbrecher ....
-
-~Dr.~ +Scholz+: Unsinn, Unsinn! ich weiß garnicht, was Du willst? alte
-Sachen sind alte Sachen. Thu mir die einzige Liebe, Junge! ...
-
-+Wilhelm+: Nun -- nimm’s von mir! nimm -- die Last von mir!
-
-~Dr.~ +Scholz+: Vergeben und vergessen, Junge! vergeben und vergessen
-.....
-
-+Wilhelm+: Dank .... _(er athmet tief auf, das Bewußtsein verläßt ihn.)_
-
-~Dr.~ +Scholz+: Junge! was machst Du mir denn für Sachen! was .....
-
-_(Er hebt und schleppt den Ohnmächtigen allein bis in einen in der Nähe
-stehenden Lehnstuhl. Bevor er ihn niedergesetzt hat, kommen +Ida+,
-+Robert+, +Auguste+, +Frau Scholz+ und +Frau Buchner+ hastig aus dem
-Nebengemach, +Friebe+ aus der Küche.)_
-
-~Dr.~ +Scholz+: Wein! schnell etwas Wein!
-
-+Ida+ _(geht und ist sogleich mit Wein zurück)_.
-
-+Frau Scholz+: O Gottogottogott! Wasser! .. gleich mit Wasser
-besprengen!
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(flößt ihm Wein ein)_.
-
-+Auguste+: Was war denn?
-
-+Ida+ _(bleich und in Thränen, legt ihre Wange an die Wilhelms)_: Wie
-eiskalt er sich anfühlt.
-
-+Frau Scholz+: Ueber was hat sich denn der Junge blos so aufgeregt, das
-möcht’ ich blos wissen: ... das ist mir doch rein ....
-
-+Robert+ _(ihre Hand fassend und zugleich ihre Rede abschneidend,
-verweisend)_: Mutter!!!
-
-+Frau Buchner+: Besprengen, besprengen, Herr Doctor!
-
-~Dr.~ +Scholz+: Pst, pssst, habt Ihr .. haben Sie vielleicht ~eau de
-Cologne~?
-
-+Frau Buchner+: Ja _(sie giebt ihm ein Flacon)_, bitte.
-
-~Dr.~ +Scholz+: Danke _(er bestreicht dem Ohnmächtigen die Stirn)_.
-
-+Ida+ _(zum Doctor)_: Es ist -- doch hoffentlich ... nicht
-wahr? nur ... _(sie bricht in Schluchzen aus)_ ach er sieht so
-schrecklich rührend aus, wie ..... wirklich wie -- todt sieht er aus.
-
-+Robert+ _(tröstet Ida)_.
-
-+Frau Scholz+: Wie der Junge blos schwitzt! _(sie wischt ihm die
-Stirn.)_
-
-+Wilhelm+ _(gähnt)_.
-
-~Dr.~ +Scholz+: Pst. _(er und Alle blicken mit Spannung auf Wilhelm.)_
-
-+Wilhelm+ _(räuspert sich, dehnt sich, öffnet und schließt die Augen,
-wie ein Schlaftrunkener, legt den Kopf wie zum Schlaf zurück.)_
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(hörbar)_: Gott sei dank!
-
-_(Er richtet sich auf, wischt sich die Stirn mit dem Taschentuch
-und mustert gerührt und halb verlegen seine Umgebung. Ida ist ihrer
-Mutter unter Lachen und Weinen um den Hals gefallen. Robert steht
-kaum Herr seiner Bewegung mit gefalteten Händen da und läßt seine
-Blicke abwechselnd über alle Anwesenden hingleiten. Auguste geht, das
-Taschentuch zusammengeballt vor dem Munde, hastig auf und ab, und
-hält jedes Mal im Vorübergehen einen Augenblick vor Wilhelm inne, um
-ihn forschend zu betrachten. Friebe geht auf den Zehenspitzen ab. Des
-Doctors Blick trifft den seiner Frau. Schüchtern und gerührt wagt sie
-sich näher, faßt leise seine Hand und klopft ihn auf den Rücken.)_
-
-+Frau Scholz+: Alterchen --!
-
-+Auguste+ _(ahmt die Mutter nach, umarmt und küßt dann den Vater, was
-dieser geschehen läßt, ohne seine Hand aus der seiner Frau zu nehmen.)_
-
-+Auguste+ _(an seinem Halse)_: Mein Herzensväterchen!
-
-+Robert+ _(plötzlich entschlossen tritt er auf seinen Vater zu und
-schüttelt ihm die Hand)_.
-
-+Frau Scholz+ _(giebt des Doctors Hand frei und führt ihm Ida zu)_.
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(blickt erst Ida dann Wilhelm an und richtet einen
-fragenden Blick auf Frau Buchner)_.
-
-+Frau Buchner+ _(nickt bejahend)_.
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(macht eine Gebärde, die etwa ausdrückt: ich will
-nichts verreden, ich kann mich vielleicht täuschen. Hierauf streckt er
-dem Mädchen seine Hand entgegen)_.
-
-+Ida+ _(kommt, nimmt seine Hand, beugt sich darauf nieder und küßt
-sie)_.
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(zieht seine Hand gleichsam erschreckt zurück)_.
-
-+Wilhelm+ _(seufzt tief auf. Alle erschrecken)_.
-
-+Auguste+ _(in der Thür zum Nebengemach winkt Frau Scholz, dann ab)_.
-
-+Frau Scholz+ _(macht dem Doctor Zeichen, die besagen: man solle sich
-in’s Nebengemach begeben, des Patienten wegen)_.
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(nickt bestätigend und entfernt sich Hand in Hand mit
-Frau Scholz behutsam)_.
-
-+Frau Buchner+ _(der Ida bedeutet hat, sie wolle bei Wilhelm bleiben,
-ebenfalls ab in’s Nebenzimmer)_.
-
-+Robert+ _(leise)_: Fräulein Ida, würden Sie ... möchten Sie mir wohl
-die Wache diesmal überlassen?
-
-+Ida+ _(freudig überrascht)_: Herzlich gern! _(Händedruck ab in’s
-Nebengemach.)_
-
-+Robert+ _(rückt einen Stuhl neben den Wilhelm’s und läßt sich, den
-Schlafenden beobachtend, darauf nieder. Nach einem Weilchen zieht er
-seine Tabakspfeife aus der Tasche, um sie in Brand zu setzen, erinnert
-sich aber zur rechten Zeit der Gegenwart des Patienten und steckt sie
-sogleich wieder ein)_.
-
-+Wilhelm+ _(seufzt, streckt die Glieder)_.
-
-+Robert+ _(leise und behutsam)_: Wilhelm.
-
-+Wilhelm+ _(räuspert sich, schlägt die Augen fremd und verwundert auf
-und sagt nach einer Weile -- als hätte ihn die Anrede Roberts erst
-jetzt getroffen)_: -- Ja!
-
-+Robert+: Wie ist Dir denn jetzt?
-
-+Wilhelm+ _(nachdem er Robert eine Weile nachdenklich angeblickt hat,
-mit schwacher Stimme)_: Robert? -- nicht?
-
-+Robert+: Ja -- ich bin’s ... Robert .. wie geht’s Dir denn?
-
-+Wilhelm+: Gut _(räuspert sich)_ ganz gut -- jetzt. _(er lächelt
-gezwungen, macht einen schwachen Versuch, sich zu erheben, der fehl
-schlägt.)_
-
-+Robert+: O, Du! das ist doch wohl noch ein Bischen gar zu zeitig,
-nicht?
-
-+Wilhelm+ _(nickt bejahend, seufzt, schließt erschöpft die Augen)_
-..................
-
-+Wilhelm+ _(schlägt die Augen groß und ruhig auf und spricht leise aber
-klar)_: Was ist denn eigentlich passirt? -- hier? --
-
-+Robert+: Ich glaube, Wilhelm! es wird das Beste sein, wir lassen das
-vorläufig auf sich beruhen ..... Die Versicherung geb’ ich Dir: etwas
-... ich jedenfalls hätte es niemals für möglich gehalten.
-
-+Wilhelm+ _(vergeistigt)_: -- Ich -- auch nicht.
-
-+Robert+: -- Wie soll man denn auch ... ä! Kohl! das war ja auch
-absolut nicht vorauszusehen! -- aber es ist eben doch vorgefallen.
-
-+Wilhelm+: Ja -- nun fällt mir -- nach und nach ... es -- war --
-lieblich! _(seine Augen füllen sich mit Thränen.)_
-
-+Robert+ _(mit leisem Beben in der Stimme)_: Ein sentimentales
-Weibsbild ist man doch ......................... So viel steht wieder
-’mal bombenfest: man hat wieder ’mal so in’s Blaue ’nein verdammt.
-Gekannt haben wir den Alten doch nicht, -- das können wir doch wohl
-nich’ gerade behaupten.
-
-+Wilhelm+: Vater? -- nein! wir sind ja Alle -- so blind, so blind!
-
-+Robert+: Das -- weiß Gott! -- sind wir ....................
-
-+Wilhelm+: Wie mir das vorkommt! -- wunderfremd. Er liebt uns ja! der
-alte Mann ist ja so himmlisch gut!
-
-+Robert+: Das +kann+ er sein, und das wußte ich bis jetzt nicht.
-
-+Wilhelm+: Mir dämmert manches! ......................
-
-+Robert+: Mit dem Verstande -- und so -- sieh ’mal -- hat ich das ja
-längst erfaßt. -- Alles ist +geworden+. Verantwortlich hab’ ich Vater
-nicht gemacht. -- Heißt das, schon seit Jahren nicht mehr. -- Nicht für
-mich, überhaupt für Keinen von uns. Aber heut hab’ ich’s +gefühlt+;
-und das ist, kannst Du glauben, noch ganz was andres ................
-Ehrlich, mich hat’s geradezu aus dem Gleichgewicht gebracht. -- Als
-ich ihn so sah -- so um Dich bemüht ... förmlich, wie ein Schlag war
-mir da! -- und nun muß ich mir immer sagen: -- warum ist denn das nun
-nicht ..... na warum denn nicht? es ist doch jetzt in uns lebendig
-geworden, es war doch also in uns -- warum ist es nicht schon früher
-hervorgebrochen? In Vater, in Dir -- und in mir wahrhaftigen Gott auch?
-es war doch in uns! Und nun hat er das so in sich hinein gewürgt --
-Vater mein ich -- na und wir ja auch -- so viele Jahre lang .....
-
-+Wilhelm+: Das ist mir nun aufgegangen: ein Mensch kehrt nicht
-nur jedem seiner Mitmenschen eine andere Seite zu, sondern er ist
-thatsächlich jedem gegenüber von Grund aus anders ........
-
-+Robert+: Warum muß denn das so sein zwischen uns! warum müssen denn
-wir uns nur immer und ewig abstoßen?
-
-+Wilhelm+: Das will ich Dir sagen: Herzensgüte fehlt uns! nimm z. B.
-Ida! Was Du Dir erklügelt hast, das lebt in ihr. Sie sitzt nie zu
-Gericht, Alles greift sie so weich, so mitleidig an -- die zartesten
-Dinge -- das schont so, verstehst Du! das ... und das glaub’ ich ist es
-.............................
-
-+Robert+ _(manlig werdend, sich erhebend)_: Wie ist Dir jetzt so? --
-
-+Wilhelm+: Recht frei ist mir doch jetzt ....
-
-+Robert+: Ä -- was nutzt das Alles! .... Ja -- was ich wollte -- sagen?
-vielleicht wird’s doch gut mit Euch!
-
-+Wilhelm+: Was denn?
-
-+Robert+: Na, wie denn? Du und ... na, und Ida natürlich.
-
-+Wilhelm+: Vielleicht! ... Die Beiden haben eine Macht -- auch Frau
-Buchner -- aber doch Ida hauptsächlich. Ich habe gedacht, das könnte
-mich retten .......... Zuerst wehrte ich mich ja ...............
-
-+Robert+ _(gedankenvoll)_: Das haben sie! -- sie haben eine Macht und
-deshalb ..... anfänglich -- offen gesagt, hab’ ich’s Dir verübelt.
-
-+Wilhelm+: Das fühlte ich wohl.
-
-+Robert+: Na, nimm ’mal an: ich hörte von einer Verlobung, und nun sah
-ich Ida; treppauf, treppab sang sie und so fröhlich -- ohne eine Idee
-von ....
-
-+Wilhelm+ _(erhebt sich)_: Ich verstand Dich ja auch, ich gab Dir ja
-sogar recht, was willst Du!
-
-+Robert+: Nu ja doch! -- ich bin ja auch ... es ist ja auf diese Weise
-ganz was anders. -- Ich muß ja zugeben ... wie gesagt ... überhaupt ..
-ganz frisch schon?
-
-+Wilhelm+: Vollkommen.
-
-+Robert+: Dann kommst Du wohl also bald?
-
-+Wilhelm+: Ich will nur noch .... geh doch einstweilen Du!
-
-+Robert+: Schön! _(geht, kommt zurück)_ hör ’mal Du! ich kann nicht
-anders, ich muß Dir sagen, Deine ganze Handlungsweise -- Vater
-gegenüber -- und auch -- überhaupt, ist hochachtenswerth. Ich hab’ Dich
-auch so -- überfallen förmlich -- mit meiner verfluchten Bornirtheit.
-Man .... hol’s der Teufel! Ich habe seit langer Zeit wieder zum ersten
-Male so ’ne Art unabweisbares Bedürfniß, verstehst Du! mich selbst
-anzuspucken. Das genügt Dir doch, wie? -- na, Du wirst mir doch nun
-auch die Liebe thun und -- wenn ich Dich .... ja wohl, gekränkt habe
-ich Dich ununterbrochen, seit Du hier bist. Also -- es thut mir leid!
-hörst Du!
-
-+Wilhelm+: Bruder! _(sie schütteln sich mit Rührung die Hände.)_
-
-+Robert+ _(zieht ruhig die Hand aus der Wilhelms, bringt seine
-Tabackspfeife hervor, entzündet sie, pafft, und sagt dabei vor sich
-hin)_: Acrobaten -- seele! -- pf! pf! na ~item~. _(Hierauf wendet
-er sich zum Gehen. Bevor er die Thüre des Seitengemaches ausklinkt,
-spricht er über die Schultern zu Wilhelm:)_ Ich -- will sie Dir
-herausschicken!
-
-+Wilhelm+: Ach -- Du laß doch! .... na -- wenn Du ....
-
-+Robert+ _(nickt bejahend, verschwindet in der Thür. Ab.)_
-
-+Wilhelm+ _(athmet befreit auf. Volle Freude über das Geschehene
-bemächtigt sich seiner.)_
-
-+Ida+ _(kommt aus dem Nebenzimmer, fliegt in seine Arme)_: Willy!!!
-
-+Wilhelm+: -- Jetzt -- jetzt .... Du .... Ihr .... Ihr beiden goldnen
-Seelen habt mich losgekämpft. Jetzt -- ein ganz neues Leben! .... Du
-glaubst nicht, wie mich das hebt! ordentlich groß stehe ich vor mir
-da! -- O Du! das merke ich jetzt erst -- das hat doch furchtbar auf
-mir gelastet .... Und nun fühl’ ich auch Kraft! Kraft fühle ich, Du!
--- verlaß Dich d’rauf, ich erreiche es nun doch noch! ich werd’s ihm
-zeigen, was der Taugenichts kann! ich werde Vater den Beweis liefern.
-Ich werde ihm beweisen, daß etwas in mir lebt: eine Kraft, eine Kunst,
-vor der sie sich beugen sollen .... die starrsten Köpfe werden sich
-beugen, ich fühl’s! -- das hat mich nur niedergeknebelt, glaubst Du!
-es kribbelt mir in den Fingerspitzen, glaubst Du! .... Ich möchte
-schaffen, schaffen! ....
-
-+Ida+: Siehst Du, so ist’s recht! nun endlich hast Du Dich
-wiedergefunden. -- Liebster, ich möchte jauchzen. -- Jauchzen
-möcht ich. -- jubeln .... Siehst Du, wie ich recht hatte; nichts
-ist erstorben in Dir! es schlief nur! Es wacht Alles wieder
-auf, sagt’ ich Dir immer. Es ist aufgewacht, siehst Du nun!
-..................................
-
-_(Sie umarmen, küssen sich und schreiten dann in einander verschlungen
-in stummer Glückseligkeit durch den Saal.)_
-
-+Wilhelm+ _(bleibt stehn, schaut mit glücklichem Staunen in die
-Augen seiner Braut, dann läßt er den Blick weiter schweifen, rings
-herum durch den Raum und sagt)_: In diesen eiskalten Mauern .... wie
-Frühlingszauber ist das!
-
-_(Einige Küsse; eng verschlungen stumm im Glück schreiten sie weiter.)_
-
-+Ida+ _(singt piano mit schelmischer Beziehung auf etwas in der
-Vergangenheit; etwas, wie: nun, siehst Du wie recht ich hatte.)_
-
-Wenn im Hag der Lindenbaum Wieder blühet, Huscht der alte
-Frühlingstraum ...
-
-+Frau Scholz+ _(tritt ein, gewahrt die Beiden, will sich schnell wieder
-entfernen)_.
-
-+Ida+ _(hat es bemerkt, bricht ihr Lied ab, fliegt auf Frau Scholz
-zu)_. Nicht fortlaufen, Schwiegermuttelchen!
-
-+Frau Scholz+: I warum nich’ gar! Ihr könnt mich ja garnicht brauchen.
-
-+Wilhelm+: _(umarmt und küßt seine Mutter und hilft sie mit
-hereinziehen)_.
-
-+Frau Scholz+ _(launig)_: Du bist wohl nich’ recht gescheidt. Ihr seid
-wohl ... Ihr reißt mir ja ...
-
-+Wilhelm+: Ach was, Mutter! das ist ja jetzt Alles einerlei -- Mutter!
-Du siehst einen anderen Menschen vor Dir _(zwischen Mutter und Braut,
-beider Hände haltend.)_ Komm, altes Mamachen; -- seht Euch in die
-Augen! -- so -- gebt Euch die Hände!
-
-+Frau Scholz+: Närr’scher Kerl!
-
-+Wilhelm+: Küßt Euch!
-
-+Frau Scholz+ _(nachdem sie sich mit der Schürze über den Mund
-gefahren)_: Na, dummer Kerl! -- das .... da ist doch weiter nichts
-dabei .... da brauchst Du uns doch nicht .... gelt Ida! _(sie küssen
-sich lachend)._
-
-+Wilhelm+: Und nun Friede!
-
-+Frau Scholz+: Nich berufen, Junge!
-
-+Friebe+: _(eine dampfende Punschterine tragend, aus der Küche in das
-Nebengemach)_.
-
-+Wilhelm+: Oho!!! -- na dann also ... Friebe! ist er gut?
-
-+Friebe+ _(im Vorübergehen)_: I, von det Zeich kenn’n Se mer dreiste
-wat vorsetzen, da bring ick ooch noch keen’n Schluck nich ieber de
-Lippen.
-
-+Wilhelm+: Nich’ möglich, Friebe!
-
-+Friebe+: Friher, ja -- jetzt, bin ick -- längst abjeschmissen. Jetz’
-trink ick -- nur -- mehrschtentheels -- b. -- bitt’ren Schnaps _(ab)_.
-
-+Ida+ _(hat Wilhelm die Cravatte in Ordnung gebracht und den Rock
-zurecht gerückt)_: So nu ....
-
-+Wilhelm+: Schon gut, Du! -- ist Vater heiter?
-
-+Frau Scholz+: Er erzählt so. -- Manchmal versteht man’s garnicht.
-
-+Wilhelm+: Das Herz pocht mir doch wieder!
-
-+Frau Scholz+: Wenn nur Robert nich’ so viel tränke.
-
-+Wilhelm+: Ach Mutter heut .... heut ist das ja Alles einerlei! heut
-....
-
-+Ida+: Nun komm schnell, eh Dir erst wieder ...
-
-+Wilhelm+ _(zu Frau Scholz)_: Gehst Du mit?
-
-+Frau Scholz+: Geht nur, geht!
-
-_(Ida und Wilhelm ab in’s Nebenzimmer.)_
-
-+Frau Scholz+ _(... steht, sinnt nach, streicht sich mit der Hand die
-Stirne und begiebt sich zu Folge eines plötzlichen Einfalls an die Thür
-des Nebengemachs, wo sie lauscht.)_
-
-+Friebe+ _(tritt durch eben dieselbe Thür ein. Man merkt nun deutlich:
-er ist angeheitert)_: Frau Doktor!
-
-+Frau Scholz+: Was wollen Sie?
-
-+Friebe+ _(pfiffig geheimnißvoll)_: Ma hat sei Wunder, Frau Sch--olzen.
-
-+Frau Scholz+ _(zurückschreckend)_: Sie haben -- zu viel getrunken! Sie
-...
-
-+Friebe+: Ick -- lauer’ schon -- uf alle Arten, det ick .... det ick
-und ick wollte Sie wat mittheilen.
-
-+Frau Scholz+: Na ja, ja, ja! sagen Sie nur schnell, was Sie zu sagen
-haben.
-
-+Friebe+: Na, ick meen man blos ....
-
-+Frau Scholz+: So reden Sie doch nur, Friebe!
-
-+Friebe+: Ick meen man blos! -- det is doch nich taktmäßig. In diese
-F ..... Funktion -- da sind ooch all noch ville Sachen -- wo ick ooch
-verschweigen muß .... ick meen man blos -- Ihr +Mann+ -- der kann’t
-unmeejlich mehr lange machen ....
-
-+Frau Scholz+: O Jesis, Jesis, Friebe! hat er denn .... o Jesis! hat er
-denn geklagt? is’ er denn krank?
-
-+Friebe+: Na, uff so wat -- versteh ick mir doch?!
-
-+Frau Scholz+: Ueber was klagt er denn?
-
-+Friebe+: Ick sollt’ ja -- aber -- nich’ -- sagen.
-
-+Frau Scholz+: Is’ es denn ernst? _(Friebe nickt bestätigend.)_ Er kann
-doch aber nich’ vom Tode gesprochen haben?
-
-+Friebe+: Er hat sich -- sogar -- noch mehr -- sone Sachen bedient,
-aber ...
-
-+Frau Scholz+: Na nu drücken Sie sich doch endlich deutlich aus. Trinkt
-der Mensch ....!
-
-+Friebe+ _(aufgebracht)_: Ja ick .... na Järtner -- un’ Schuhwichser
-.... un’ was da allens vorfallen duht .... nee! -- ick brauch mir det
-nich’ .... in jede Funktion .... das .... in diese Funktion kommt --
-allens vor -- aber nee! .... da haben se -- det Janze ........ klar
-.... punkt! .... _(er macht kehrt, ab in die Küche)_.
-
-+Frau Scholz+: Der Mensch ist verrückt geworden.
-
-+Ida+ _(im Hin durch die Thüre des Nebenzimmers, diese hinter sich
-zudrückend. Sie ein klein wenig wieder öffnend, ruft sie ins Gemach
-zurück)_: Warten, Herrschaften! ruhig und folgsam warten!
-
-+Wilhelm+ _(sich hineindrängend)_: Ich will Dir ja nur helfen.
-
-+Ida+: Aber sonst Niemand!
-
-_(Ida und Wilhelm entzünden die Christbaumlichte.)_
-
-+Frau Scholz+: Du! -- hör ’mal! -- Wilhelm!
-
-+Wilhelm+ _(beschäftigt)_: Gleich, Mutterchen! -- wir sind gleich
-fertig.
-
-_(Der Christbaum, die Girandolen und der Kronleuchter stehen im Licht.
-Ida nimmt eine große Decke, welche über die Geschenke auf der Tafel
-gebreitet war, von diesen herunter.)_
-
-+Wilhelm+ _(tritt zur Mutter)_.
-
-+Ida+ _(ruft durch die Thüre des Seitengemachs)_: Jetzt.
-
-+Frau Scholz+ _(ist im Begriff Wilhelm etwas mitzutheilen, als sie
-durch den Eintritt des ~Dr.~ Scholz gestört wird. Es folgen nun:
-Auguste, Robert und Frau Buchner.)_
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(vom Trinken geröthetes Gesicht. Mit affektirtem
-Staunen.)_ Ah! ah!
-
-+Frau Buchner+: Feenhaft!
-
-+Auguste+ _(befangen lächelnd.)_
-
-+Robert+ _(umgeht, die Pfeife im Munde, erst befangen, dann mehr und
-mehr ironisch lächelnd, den Raum)_.
-
-+Ida+ _(hat Wilhelm, der darob äußerst betreten ist, zu dem Platze
-geführt, wo seine Geschenke liegen)_: Lach’ mich nicht aus, Willy!
-_(sie hält ihm die Börse hin.)_
-
-+Wilhelm+: Nein aber, Ida! -- ich hab’ Dich doch gebeten ....
-
-+Ida+: Ich hatte sie ’mal für Vater gehäkelt. Das letzte Jahr vor
-seinem Tode hat er sie viel getragen. Da dacht’ ich ....
-
-+Wilhelm+ _(unter den Blicken der Beobachter mit steigender
-Verlegenheit)_: Ja wohl ... so so ... vielen Dank, Ida!
-
-+Robert+: Die Dinger müßten nur praktischer sein.
-
-+Frau Scholz+ _(durch Frau Buchner ebenfalls an den Tisch geführt)_:
-Aber was machst Du denn nur für Geschichten? ich kann Euch ja garnichts
-.... ich hab’ ja garnichts für Euch _(vor einem gehäkelten Tuche)_ nein
-... nein ... ne Du -- thu mer die Liebe! das hast Du für mich gehäkelt?
-ne sag’ mer nur -- fer mich alte Frau? na da dank’ ich Dir auch
-vielmals schön _(sie küssen sich.)_
-
-+Frau Buchner+: Ach ich -- freu’ mich nur, wenn Dir’s gefällt.
-
-+Frau Scholz+: Prachtvoll! -- wundervoll -- wunderschön! wie viele Zeit
-und Mühe! ne! ....
-
-+Ida+: Auch für Sie hätt’ ich was Herr Robert! Sie dürfen mich aber
-nicht auslachen!
-
-+Robert+ _(über und über roth werdend)_: Ä -- zu was denn!
-
-+Ida+: Ich hab mir’ gedacht -- Ihre +Tabakspfeife+ -- die wird
-Ihnen nächstens die Nasenspitze verbrennen -- und da hab ich mich
-Ihrer erbarmt und noch gestern schnell .... _(sie zieht eine neue
-Tabakspfeife, die sie auf dem Rücken gehalten, hervor und überreicht
-sie ihm)_ da ist das Prachtstück!
-
-_(Allgemeine Heiterkeit.)_
-
-+Robert+ _(ohne ihr die Pfeife abzunehmen)_: Sie scherzen, Fräulein!
-
-+Ida+: Na ja! aber mit dem Schenken ist’s mir bitter Ernst.
-
-+Robert+: Ach nein doch, nein doch, das glaub’ ich nicht!
-
-+Frau Scholz+ _(entrüstet leise zu Wilhelm)_: Robert ist
-+unausstehlich+!
-
-+Ida+: Aber nein, wirklich!
-
-+Robert+: Sehen Sie -- dies Ding da .... ich habe mich so d’ran gewöhnt
-.... i, und Sie scherzen ja auch wirklich nur!
-
-+Ida+ _(die Augen voll Thränen. Ihren Schmerz bemeisternd und mit
-zitternder Stimme)_: Nun -- ja -- wenn Sie -- meinen _(sie legt das
-Geschenk auf den Tisch zurück)_.
-
-+Frau Buchner+ _(hat während des letzten Gesprächs mehreremals leise
-Ida gerufen: nun eilt sie auf sie zu)_: Idchen -- hast Du denn
-vergessen?
-
-+Ida+: Was denn Mama?
-
-+Frau Buchner+: Du weißt doch! _(Zu den Uebrigen)_ nun sollen sie noch
-etwas zu hören bekommen.
-
-_(Ida, froh auf diese Weise ihre Bewegung verbergen zu können, folgt
-ihrer Mutter, die sie an der Hand gefaßt hat, in’s Nebenzimmer.)_
-
-+Frau Scholz+ _(zu Robert)_: Warum hast Du ihr die Freude verdorben?
-
-+Wilhelm+ _(geht, die Enden seines Schnurrbartes nervös kauend, unruhig
-umher und wirft ab und zu drohende Blicke auf Robert.)_
-
-+Robert+: Was denn? wie denn? ich weiß garnicht, was Du willst?
-
-+Auguste+: Na, freundlich war das allerdings nicht gerade.
-
-+Robert+: Laßt mich doch zufrieden! und überhaupt: was soll ich denn
-damit.
-
-_(Gesang und Klavierspiel, aus dem Nebenzimmer dringend, unterbricht
-die Sprechenden. Alle blicken einander erschrocken an.)_
-
-+Idas+ Stimme:
-
- Ihr Kinderlein kommet,
- O kommet doch all!
- Zur Krippe herkommet
- In Bethlehems Stall,
- Und seht, was in dieser
- Hochheiligen Nacht
- Der Vater im Himmel
- Für Freude uns macht!
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(ist über das Verhalten Roberts immer finsterer
-geworden. Bei Beginn des Gesanges blickt er scheu -- wie Jemand, der
-einen Angriff fürchtet -- umher und sucht einen gewissen Abstand
-zwischen sich und jedem der Anwesenden möglichst unauffällig
-festzuhalten)_.
-
-+Frau Scholz+ _(bei Beginn des Gesanges)_: Ach wie schön! _(einen
-Augenblick lauscht sie hingegeben, dann bricht sie in Schluchzen aus.)_
-
-+Robert+ _(bewegt sich langsam, macht wie der Gesang anhebt ein
-Gesicht, wie: na nu hört’s auf, schreitet weiter, lächelt ironisch und
-schüttelt mehrmals den Kopf. Im Vorübergehen sagt er halblaut etwas zu
-Auguste)_.
-
-+Auguste+ _(halb und halb gerührt, platzt nun heraus)_.
-
-+Wilhelm+ _(hat bisher, ein Spiel widersprechender Empfindungen, an die
-Tafel gelehnt -- auf der Platte nervös Clavier spielend -- gestanden;
-nun steigt ihm die Röthe der Entrüstung in’s Gesicht.)_
-
-+Robert+ _(scheint gegen Ende des Gesanges unter den Tönen physisch zu
-leiden. Die Unmöglichkeit, sich den Eindruck derselben zu entziehen,
-scheint ihn zu foltern und mehr und mehr zu erbittern. Unmittelbar nach
-Schluß des Verses entfährt ihm -- gleichsam als Trümmerstück eines
-inneren Monologes -- unwillkürlich das Wort)_: Kinderkomödie, _(in
-einem beißenden und wegwerfenden Tone)_.
-
-_(Alle, auch der Doktor, haben das Wort gehört und starren Robert
-entsetzt an.)_
-
-+Frau Scholz+:} } Robert!!! +Auguste+: }
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(unterdrückt eine Aufwallung von Jähzorn)_.
-
-+Wilhelm+ _(macht in bleicher Wuth einige Schritte auf Robert zu.)_
-
-+Frau Scholz+ _(stürzt sich ihm entgegen, umarmt ihn)_: Wilhelm! -- thu
-mir die einzige Liebe!
-
-+Wilhelm+: Gut --! Mutter!
-
-_(Er geht, sich überwindend, erregt umher. In diesem Augenblick
-hebt der zweite Vers an. Kaum berühren die ersten Töne sein Ohr, so
-erzeugt sich in ihm ein Entschluß, in Folge dessen er auf die Thür des
-Seitengemaches zuschreitet.)_
-
- Da liegt es, ach Kinder!
- Auf Heu und auf Stroh;
- Maria und Josef
- Betrachten es froh,
- Die redlichen Hirten
- Knieen betend davor,
- Hoch oben schwebt jubelnd
- Der Englein Chor.
-
-+Frau Scholz+ _(stellt sich ihm in den Weg)_: Wilhelm! -- was machst Du
-denn!
-
-+Wilhelm+ _(ausbrechend)_: Sie sollen aufhören zu singen.
-
-+Auguste+: Du bist wohl nicht bei Trost.
-
-+Wilhelm+: Laßt mich zufrieden! ich sage sie sollen aufhören.
-
-+Frau Scholz+: Aber sei doch .... Du bist ja wirklich .... na gutt,
-dann siehst Du mich diesen Abend nicht mehr.
-
-+Robert+: Bleib doch Mutter! laß ihn doch machen! es ist ja seine
-Privatsache!
-
-+Wilhelm+: Robert! treib’s nicht zu weit! nimm meinen Rath an! Du
-hast mir vorhin eine Rührscene vorgemacht, das macht Dich nur noch
-wiederwärtiger.
-
-+Robert+: Sehr richtig: -- Rührscene. -- Bin selbst der Meinung .....
-
-+Wilhelm+ _(geht abermals auf das Seitengemach zu.)_
-
-+Frau Scholz+ _(ihn abermals aufhaltend.)_ O, Gottogottogott Junge,
-warum willst Du sie denn? .... _(der zweite Vers ist beendet)._
-
-+Wilhelm+: Weil Ihr es Alle miteinander nicht werth seit.
-
-+Robert+ _(dicht an Wilhelm herantretend, mit einem frechen,
-vielsagenden Blick in seine Augen)_: Du, vielleicht?
-
-+Frau Scholz+: O, Jesis ne, Ihr treibt’s doch wieder so weit _(der
-dritte Vers hebt an)_.
-
- Manch Hirtenkind trägt wohl
- Mit heiterem Sinn
- Milch, Butter und Honig
- Nach Bethlehem hin,
- Ein Körbchen voll Früchte
- Das purpurroth glänzt,
- Ein schneeweißes Lämmchen,
- Mit Blumen bekränzt.
-
-+Wilhelm+: Sie sollen aufhören!
-
-+Frau Scholz+ _(ihn wiederum festhaltend)_: Junge!!!
-
-+Wilhelm+: Einfach -- unter aller Würde. Es ist Blasphemie! es ist ein
-Verbrechen an diesen Menschen, wenn wir sie ...... ich .... ja auf Ehre
-ich werde schamroth für Euch alle!
-
-+Auguste+ _(pikirt)_: Na -- so ganz besonders schlecht und verächtlich
-sind wir am Ende doch wohl auch nicht.
-
-+Wilhelm+: Auguste -- mich ekelt’s!
-
-+Auguste+: Mag’s doch! -- ja, ja; nu’ auf einmal ist man hinten
-runtergerutscht. Nu’ giebt’s auszusetzen an der Schwester an allen
-Ecken und Enden. Da is’ das nich’ recht, da is’ jen’s nich’ recht. Aber
-das Fräulein Ida .....
-
-+Wilhelm+ _(außer sich, sie unterbrechend)_: Sprich nicht den Namen
-aus!!!
-
-+Auguste+: Na, so ’was! ich werd’ wohl von Ida ....
-
-+Wilhelm+: Laß den Namen aus dem Spiel, sag’ ich Dir.
-
-+Auguste+: Du bist wohl verrückt geworden, ich werd’ doch ..... die is’
-doch wahrhaftig auch kein Engel vom Himmel.
-
-+Wilhelm+ _(schreiend)_: Schweig’ still, sag’ ich!
-
-+Auguste+ _(wendet ihm den Rücken)_: Ach, was denn, Du bist einfach
-verliebt.
-
-+Wilhelm+ _(Auguste unsanft an der Schulter packend)_: Frauenzimmer,
-ich! .....
-
-+Robert+ _(packt Wilhelms Arm, spricht kalt und jedes Wort betonend)_:
-Wilhelm! -- hast -- Du -- etwa -- wieder Absichten? ...........
-
-+Wilhelm+: Teufel!
-
-+Auguste+: Das sagst Du? -- pfui, Du!? der die Hand gegen seinen eignen
-Vater erhoben hat.
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(mit zornbebender Stimme in absolut befehlendem Tone)_:
-Auguste! -- Du wirst Dich entfernen! -- augenblicklich!!
-
-+Auguste+: Na -- ich möchte wissen ....
-
-~Dr.~ +Scholz+: Du wirst Dich augenblicklich entfernen!
-
-+Frau Scholz+: O Du lieber Gott, warum nimmst Du mich denn nicht zu
-Dir! _(weinerlich)_ Auguste! Du hörst! -- folge dem Vater!
-
-+Robert+: I, -- Mutter! das würd’ ich ihr denn doch sehr verdenken.
-Sie ist doch kein kleines Kind mehr. Die Zeiten haben sich doch
-wahrhaft’gen Gott sehr verändert.
-
-~Dr.~ +Scholz+: Aber, ich habe mich nicht verändert. Ich bin der Herr
-im Hause. Ich werde Euch das beweisen.
-
-+Robert+: .... lachhaft!
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(schreiend)_: Räu -- ber -- und -- Mör -- der --!!!
--- -- -- ich -- -- -- -- -- enterbe Euch!!! ich werfe Euch auf die
-Straße!
-
-+Robert+: Das ist ja direkt komisch.
-
-~Dr.~ +Scholz+: _(bemeistert einen furchtbaren Zornausbruch und spricht
-mit unheimlicher Ruhe und Festigkeit)_: Du, oder ich, einer von uns
-verläßt das Haus -- augenblicklich.
-
-+Robert+: Ich natürlich -- mit Herzensfreude.
-
-+Frau Scholz+ _(halb befehlend, halb bittend)_: Robert, Du bleibst!
-
-~Dr.~ +Scholz+: Er geht.
-
-+Frau Scholz+: Fritz! hör’ mir zu! er ist der einzige ..... in den
-langen, einsamen Jahren hat er uns nicht vergessen, er .....
-
-~Dr.~ +Scholz+: Er, oder ich --!
-
-+Frau Scholz+: Gieb nach, Fritz, thu’ mir die Liebe!
-
-~Dr.~ +Scholz+: Laß mich zufrieden! er, oder ich!
-
-+Frau Scholz+: Ach, -- Ihr braucht ja meinswegen einander nicht
-begegnen, es geht ja ganz gut einzurichten ... aber ...
-
-~Dr.~ +Scholz+: Gut, ich weiche. -- Dir und Deiner Meute weiche ich! --
-Du und Deine Meute, Ihr habt von jeher den Sieg behalten!
-
-+Wilhelm+: Bleib’, Vaterchen! oder wenn Du gehst, laß mich diesmal mit
-Dir gehen.
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(unwillkürlich zurückfahrend, zwischen Zorn und
-Entsetzen)_: Laß mich zufrieden, -- Taugenichts! _(gedankenlos nach
-seinen Sachen suchend)_: Banditen und Tagediebe! -- Taugenichtse!
-
-+Wilhelm+ _(aufwallend)_: Vater! -- so nennst Du uns ... und bist es
-doch gewesen, der uns .... Ach Väterchen nein, nein, das will ich ja
-garnicht sagen! laß mich mit Dir gehn, ich will bei Dir bleiben, laß
-mich Alles wieder gut machen, was ich _(er hat seine Hand auf des
-Vaters Arm gelegt.)_
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(vor Schreck und Entsetzen wie gelähmt, retiriert)_:
-Laß los! ich sage Dir -- die Ränke der Verfolger werden zufällig .....
-werden zuverlässig -- zu Schanden werden. Sind das diese Leute, --
-diese Mächtigen, -- und diese mächtigen Menschen sind das Männer? einen
-Mann der, wie ich, einige Schuld hat, aber im Uebrigen dennoch ganz und
-gar -- und -- durch und durch -- und kurz und gut.
-
-+Wilhelm+: Vater! Vater! Väterchen! komm zu Dir, komm doch zu Dir!
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(sich im Rythmus der Worte bewegend, halblaut)_: Und
-kurz und gut und ... ganz und gar ....
-
-+Wilhelm+: _(ihn umarmend, mit der instinctiven Absicht, seinen
-Actionsdrang zu hemmen)_: Faß Dich! nimm Dich zusammen!
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(sich wehrend, wie ein kleines Kind flehend)_: Ach,
-schlag mich nicht! ach straf mich nicht!
-
-+Wilhelm+: Aber um Gottes Himmels .....
-
-~Dr.~ +Scholz+: Nicht schlagen! nicht -- wieder -- schlagen! _(er macht
-krampfhafte Anstrengungen sich aus Wilhelms Umarmung zu befreien)._
-
-+Wilhelm+: Abfaulen soll mir die Hand -- Väterchen glaub doch nicht,
-.... Väterchen denk doch nicht ......!
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(hat sich befreit, flieht hülferufend von Wilhelm
-gefolgt)_.
-
-+Wilhelm+: Schlag mich Du! schlag Du mich!
-
-~Dr.~ +Scholz+: Bitte, bitte, bitte, -- .... Hülfe.
-
-+Ida+ _(aus der Thür des Seitengemaches, todtenbleich)_.
-
-+Wilhelm+ _(ereilt den Vater, umarmt ihn auf’s neue)_:. Schlag Du mich
-....
-
-~Dr.~ +Scholz+ _(unter Wilhelms Umarmung auf einen Stuhl
-zusammenbrechend)_: Ich ... a ... ah! a -- ah! ... ich -- glaube -- es
--- geht -- zu Ende -- mit -- mir.
-
-+Wilhelm+: Vater!!!
-
-_(Frau Scholz und Auguste sind einander entsetzt in die Arme gesunken.
-Robert todtenbleich, hat sich nicht von der Stelle bewegt; sein Gesicht
-hat den Ausdruck unerschütterlicher Festigkeit.)_
-
-
-
-
-Dritter Vorgang.
-
-
-_Im Saale herrscht Halbdunkel. Die Lichter sind verlöscht bis auf
-einige auf dem Kronleuchter und ein einziges auf dem Christbaum. Vorn
-in der Nähe des Ofens am Tisch, den Rücken dem Nebenzimmer zugewendet,
-sitzt Wilhelm, die Ellbogen aufgestützt, sichtlich versunken in dumpfe,
-trostlose Grübelei. Robert und Frau Scholz betreten gleichzeitig die
-Halle, aus dem Nebenzimmer kommend._
-
-+Frau Scholz+ _(Mit Zeichen der Erschöpfung, in gedämpftem Tone
-redend)_: Ne, Junge! -- mach ok nich Geschichten! Jetzt -- ma weeß nich
-hin, nich her. -- Wenn’s nu was Schweres is, was d’nn dann?
-
-+Robert+: Du bist ja doch nicht allein, Mutter!
-
-+Frau Scholz+: Aber sag mer nur! das kann doch nich Dein richt’ger
-Ernst sein! Das ist ja überspannt! Wo willst Du denn jetzt mitten in
-der Nacht blos hin?
-
-+Robert+: Wenn’s weiter nichts is! alle Augenblicke gehen Züge -- und
-fort muß ich! -- Diesmal kann ich’s wirklich nicht mehr aushalten --
-überhaupt -- ’s ist für uns Alle das Beste!
-
-+Frau Scholz+ _(weinerlich)_: ’S war immer so hibsch in den letzten
-Jahren. Ich sag schon -- nu missen die wieder kommen! Seit die Buchners
-hier sind, is’s wieder mal reen verdreht, Alles.
-
-+Robert+: Sei froh, daß Du die hast, Mutter!
-
-+Frau Scholz+: I, daß hätt’ ich ganz gutt selber machen können.
-
-+Robert+: Ich denke, er leidet niemand von uns um sich --; Vater --?!
-
-+Frau Scholz+ _(weinend)_: Accurat, als wenn ich ihm was Böses gethan
-hätte -- und dabei bin -- ich -- doch gewiß -- immer -- diejenige
-gewesen .... ich hab gewiß immer mei’ Bestes gethan -- sei mal gerecht,
-Robert! -- Ich hab ihm sein schönes Essen gekocht -- er hat seine
-warmen Strümpfe gehabt ....
-
-+Robert+: Ach laß doch das, Mutter! -- was hilft das end--lose
-Lamentiren?!
-
-+Frau Scholz+: Ja, das sagst Du! -- Du hast gut reden! -- aber wenn
-man sich abgerackert hat sei’ Leben lang -- man hat sich e’ Kopf
-zerbrochen, wie man’s und wie man’s blos recht macht -- und nu’ kommen
-fremde Menschen, und die werden vorgezogen!
-
-+Robert+: Ida ist immer noch bei ihm?
-
-+Frau Scholz+: Eine wildfremde Person -- ach ich möchte schon lieber
-garnicht mehr leben -- und dieser Lump! -- dieser Friebe! -- dieser
-Lump! -- wie der sich blos aufspielt! -- Gustel hat’s ihm aber
-gesteckt! -- Auguste hat ihm die Wahrheit aber ordentlich gesagt! --
-Dieser Kerl erdreistet sich -- er hat sie geradezu aus dem Zimmer
-hinausgedrängelt. Das Mädel war außer sich. -- Und das is nu seine
-Tochter .... ne ... wißt er Kinder: was ich in meinen Leben schon
-ausgestanden habe! -- ich mecht’s Keenem wünschen.
-
-+Robert+ _(unwillkürlich, mit einem kleinen Seufzer)_: Vater auch!
-
-+Frau Scholz+: Was --?
-
-+Robert+: Nichts. -- Vater auch sagte ich nur.
-
-+Frau Scholz+: Wie denn?
-
-+Robert+: Na -- Vater hat doch auch manches ausgestanden.
-
-+Frau Scholz+: Na meinswegen gewiß nich. Mich hat er nich sehr gemerkt.
-Ich bin gewiß anspruchslos.
-
-+Robert+ _(skeptisch)_: -- ’tja! -- ’tja! -- ’tja!
-
-+Frau Scholz+: Wart’ nur, wenn ich wer’ im Grabe liegen -- da werdt’er
-dann schon einsehen ..
-
-+Robert+: Ach, Mutter, laß doch nur; -- das hab ich ja schon hundertmal
-gehört.
-
-+Frau Scholz+: Mag’s doch! Ihr werd’t’s schon noch emal einsehen -- und
-paß uff -- in gar nich langer Zeit.
-
-+Robert+: Ach Mutter, ich bestreite ja doch garnicht, daß Du mancherlei
-gelitten hast -- unter Vater -- Ihr habt eben Beide gelitten. Ich
-begreife garnicht, weshalb Du mir das ....
-
-+Frau Scholz+: Dummes Gerede! -- was hat ihm denn gefehlt, möcht ich
-wissen?
-
-+Robert+ _(unüberlegt)_: Wenn Du’s durchaus wissen willst: Verständniß!
-
-+Frau Scholz+: Ich kann mich nicht klüger machen, wie ich bin.
-
-+Robert+: Das hat ja auch kein Mensch verlangt. -- Ueberhaupt .... es
-ist ja überhaupt Unsinn noch viel davon zu reden.
-
-+Frau Scholz+: Na nu hört’s ganz uff -- _(weinend)_ nu bin ich am Ende
-noch gar Schuld, daß er krank darnieder liegt, nu ....
-
-+Robert+: Das sag ich ja gar nicht.
-
-+Frau Scholz+: Das hast Du +wohl+ gesagt.
-
-+Robert+: Ach Mutter ....! Ich gehe lieber -- ich .... Mutter, ich kann
-wirklich nicht mehr.
-
-+Frau Scholz+: Nein! -- ich möchte wissen -- was ich mir vorzuwerfen
-hätte -- ich habe ein gutes Gewissen.
-
-+Robert+: Das magst Du behalten das magst Du auch meinethalben in
-Gottes Namen behalten! -- _(abwehrend)_ bitte -- nicht mehr!
-
-+Frau Scholz+: Die Geschichte mit dem Gelde meinst Du wohl?
-
-+Robert+: Ich meine gar keine Geschichte.
-
-+Frau Scholz+: Meine Eltern haben’s sauer verdient -- welche Frau wird
-sich das gefallen lassen? -- Dein Vater schmiß es geradezu zum Fenster
-naus.
-
-+Robert+: Aber Dein Onkel betrog Dich drum.
-
-+Frau Scholz+: Das konnte man nich wissen.
-
-+Robert+: Und Vater war gut zum Wiederverdienen?!
-
-+Frau Scholz+: Er hätte sich eben so gut verspeculiren können.
-
-+Robert+: _(lacht bitter.)_
-
-+Frau Scholz+: Ich bin eben ’ne einfache Seele -- der Vater war eben
-zu vornehm für mich. -- Seine Mutter hatte och so was Vornehmes. Aber
-mei’ Vater war früher bluttarm -- in mir steckt eben das Armuthsblutt!
-Ich kann mich nich anders machen. Na meinswejen -- die paar Jahre
-wird’s wohl noch gehen. Der liebe Gott wird mich schon bei Zeiten
-erlösen.
-
-+Robert+: Von Gott erlöst sein möchte man lieber!
-
-+Frau Scholz+: Pfui! das is e’ Hallunke, der das sagt. Ach --: von Gott
-erlöst sein -- da nähm’ ich mir ne Nadel und stäch mer se -- hier --
-in’s Herze -- in die Rippen. Wie scheußlich is das: von Gott erlöst
-sein! Wo wäre ich blos geblieben, wenn ich meinen Gott nich gehabt
-hätte. -- Willst Du d’nn wirklich fortgehn, Robert?
-
-+Robert+ _(schon auf der Treppe)_: Ach schweig schon, Mutter! Ruhe
-brauch ich -- Ruhe. _(ab)_
-
-+Frau Scholz+: Je ja! -- je ja, -- Ihr macht ein’n’s Leben nicht
-leicht! _(zu Wilhelm, der wie am Anfang noch immer antheillos am Tische
-brütet.)_ Nu denk’ Dir blos an --: Robert will fort!
-
-+Wilhelm+: Meinethalben!
-
-+Frau Scholz+: Sag mer nur --: wast sitzt Du denn immer so? das nutzt
-ja nischt, Du! -- sei doch nur vernünftig!
-
-+Wilhelm+ _(seufzt tief auf)_: Ach, ja!
-
-+Frau Scholz+: Das Seufzen nutzt gar nichts! sieh mich an! -- ich bin
-alt -- wenn ich mich hinsetzen wollte, wie Du .... Was geschehn ist,
-ist geschehn. -- Das ist nu mal nicht zu ändern. Hörst Du! lies was!
--- steh auf, nimm Dir ’n Buch und zerstreu Dich!
-
-+Wilhelm+ _(seufzt)_: Ach, Mutter! -- laß mich doch nur machen! -- ich
-störe ja doch Niemand! .... Ist Friebe vom Arzt zurück?
-
-+Frau Scholz+: Nein, eben nicht. Ich sag ja schon, wenn man mal ’n Arzt
-nöthig hat, da is gewiß keiner zu finden.
-
-+Wilhelm+: Es ist bedenklich, nicht? -- Ob es überhaupt noch mal werden
-wird?
-
-+Frau Scholz+: Gott, ja! wer kann das wissen!
-
-+Wilhelm+ _(starrt seine Mutter an, läßt plötzlich wild aufschluchzend
-die Stirn auf die Hände sinken)_.
-
-+Frau Scholz+: Ja, ja, mein Junge --: wer hätte das gedacht?! ich will
-ja nicht sagen .... ich will ja Niemand die Schuld zuschieben -- aber
-zanken hättet Ihr Euch doch heute nich grade wieder brauchen -- na --
-ma muß eben’s Beste hoffen. -- Er phantasirt ja nu wenigstens nich
-mehr. -- Wenn Ida doch nur ja nichts versähe! -- unser eins hat doch
-hundertmal mehr Erfahrung. -- Warum kann er denn zu Ida freundlich
-sein!? -- Ich beiße doch och nich! .... Ida is ja sonst ’n sehr ’n
-liebes Mädel is sie ja wirklich. -- Und Du nu erst! _(ihm auf dem
-Scheitel klopfend)_ Du kannst den lieben Gott schon danken -- da
-kannst Du lange warten, bis Du wieder eine, wie Ida, findst! .......
-_(vorsichtig, vertraulich)_ .... Sag’ doch mal -- sind die Buchners --
-gut situirt?
-
-+Wilhelm+ _(aufbrausend)_: Ach, laß mich zufrieden! -- wie soll ich das
-wissen! -- was geht das mich an!
-
-+Frau Scholz+: Was is denn da weiter?! -- ma’ wird doch ’mal fragen
-können -- Brummbär Du!
-
-+Wilhelm+: Ach, Mutter -- verschon’ mich! -- wenn Du eine Spur von
-Mitleid mit mir hast --: verschon’ mich! .... bekümmere Dich nicht um
-mich -- verschon’ mich!
-
-+Frau Scholz+: Na ja doch, ja! -- ich bin Euch eben überall im Wege. --
-So ’ne alte Frau, die is höchstens noch gutt zum anranzen.
-
-_(Auguste und Frau Buchner hastig aus dem Nebenzimmer.)_
-
-+Auguste+: Mutter!
-
-+Frau Scholz+: O Gott! was denn?
-
-+Auguste+: Friebe ist eben gekommen.
-
-+Frau Buchner+: Friebe hat keinen Arzt mitgebracht.
-
-+Auguste+: Der Vater hat ihn gefragt, und da hat er gesagt ....
-
-+Frau Buchner+: Er will keinen Arzt!!
-
-+Auguste+: Er schimpft so furchtbar -- er will ihn zur Thüre nauswerfen.
-
-+Frau Buchner+: Friebe will nicht noch ’mal gehen.
-
-+Auguste+: Sprich Du doch nur noch ’mal mit Friebe!
-
-+Frau Buchner+: Ja, sprich Du mit ihm! es ist doch dringend nöthig, daß
-........
-
-+Auguste+: Ein Arzt muß kommen -- sonst lauf’ ich selbst, ich fürchte
-mich nicht, und wenn ich bis Friedrichshagen laufen muß.
-
-+Frau Scholz+: I warum nich gar! -- jetzt mitten in der Nacht -- wart’
-nur, wart’ -- laß mich nur machen! _(Frau Scholz, Frau Buchner und
-Auguste hastig zurück ins Nebenzimmer.)_
-
-+Frau Buchner+ _(kaum verschwunden, erscheint wieder. Schon bevor sie
-abging, hat sie ihren Blick verstohlen und kummervoll mehrmals auf
-Wilhelm gerichtet, der immer noch stumm und düster auf seinem Platze
-verharrt. Ein Blick überzeugt Frau Buchner, daß, außer Wilhelm und ihr
-selbst, Niemand zugegen ist. Hastig zuerst, dann mehr zögernd, nähert
-sie sich Wilhelm.)_
-
-+Wilhelm+ _(hat ihre Annäherung bemerkt, hebt den Kopf)_: Was w...
-wollen Sie? ich -- habe Ihnen -- ja doch -- Alles vorher gesagt.
-
-+Frau Buchner+: Aber ich wollte es Ihnen nicht glauben. -- Ich konnte
-mir das nicht vorstellen.
-
-+Wilhelm+: Und jetzt glauben -- Sie es?!
-
-+Frau Buchner+: Ich -- weiß -- nicht ....
-
-+Wilhelm+: Weshalb belügen Sie mich? -- sagen Sie doch -- getrost, --
-ja. -- Daß es so kommen mußte, war ja .... es war ja so lächerlich
-selbstverständlich. -- Wie habe ich mich nur so können verblenden
-lassen!
-
-+Frau Buchner+ _(mit Fiebereifer)_: Wilhelm! ich halte Sie heute, wie
-damals, für einen guten und edlen Menschen. Ich versichere Sie: nicht
-einen Augenblick lang habe ich an Ihnen gezweifelt. Auch jetzt, wo mir
-auf einmal so angst und bange wird ....
-
-+Wilhelm+ _(erhebt sich, holt tief Luft ein, wie Jemand der
-Beklemmungen fühlt)_: Es ist mir nur .... ich wußte es ja längst und
-doch ......
-
-+Frau Buchner+: Ich komme zu Ihnen, Wilhelm! -- ich sage Ihnen offen
-.... es ist auf einmal so über mich gekommen. -- Ich sorge mich auf
-einmal so entsetzlich um Ida.
-
-+Wilhelm+: Ich muß gestehen ...... nur gerade jetzt -- --
-
-+Frau Buchner+: Ich weiß ja, Sie lieben das Kind. Es kann sie ja
-auch Niemand inniger lieben! -- Ich weiß, Sie werden mit allen
-Kräften streben, meine Tochter glücklich zu machen. An Ihrem Willen
-wird es nicht fehlen, aber nun .... nun habe ich so mancherlei
-.... nun habe ich so viel gesehen hier und -- erfahren. Da ist mir
-vieles ..... vieles von dem, was Sie mir früher gesagt haben, erst
-verständlich geworden. Ich verstand Sie nicht. Ich hielt Sie für
-einen Schwarzseher. Ich nahm Vieles gar nicht einmal Ernst. Mit einem
-festen, frohen Glauben kam ich hierher. Ich schäme mich förmlich.
-Was habe ich mir zugetraut! Solche Naturen wollte ich lenken, ich
-schwache, einfältige Person! -- Nun wankt Alles. Ich fühle auf einmal
-meine furchtbare Verantwortung: für mein Kind, für meine Ida bin ich
-doch verantwortlich. Jede Mutter ist doch verantwortlich für ihr
-Kind. Reden Sie mir zu, Wilhelm! sagen Sie mir, daß Alles noch gut
-werden wird! Sagen Sie mir: wir werden glücklich! --: Sie und Ida.
-Beweisen Sie mir, daß ich unnütz Furcht und Sorge habe, +Wilhelm+!
-...................
-
-+Wilhelm+: Warum -- haben Sie’s -- soweit -- kommen lassen? -- Ich habe
-Sie gewarnt -- und gewarnt. Was habe ich Ihnen gesagt? ich habe gesagt:
-wir Alle .... wir Geschwister .... daß wir unheilbar kranken ..... vor
-allem ich .... daß wir an uns schleppen. -- Binden Sie Ihre Tochter
-nicht an einen Krüppel, -- habe ich Ihnen gesagt. -- Warum haben Sie
-mir nicht glauben wollen?
-
-+Frau Buchner+: Ich weiß nicht. Ich weiß das selbst nicht.
-
-+Wilhelm+: Nun haben Sie mich eingeschläfert, mein Gewissen
-beschwichtigt, -- und jetzt -- halb toll bin ich geworden vor Glück.
--- Ich habe Augenblicke durchlebt -- durchkostet --! und auch andere
-wieder ...... Die furchtbarsten Kämpfe meines Lebens -- und nun --
-verlangen Sie .... nun man muß zusehen, -- vielleicht, ja vielleicht
-....
-
-+Frau Buchner+: Wilhelm! ich verehre Sie! -- ich weiß, daß Sie am Ende
-doch jedes Opfer bringen. Aber Ida .... wenn es für sie zu spät ist
-.... wenn sie daran zu Grunde geht!
-
-+Wilhelm+: Warum haben Sie mir denn nicht glauben wollen? -- Sie wissen
-nicht -- was mich das jetzt kostet. Stufe um Stufe mühsam gebaut habe
-ich mir -- ach, so mühsam! so mühsam! ... Dies Haus hier lag hinter
-mir. -- Gerettet war ich fast. -- Nun hat es mich wieder hereingerissen
-... Warum mußten Sie es nur so weit kommen lassen? warum ......
-
-+Frau Buchner+ _(unter Thränen)_: Ich weiß nicht! ich weiß das selbst
-nicht! ich habe das Kind erzogen. Es ist mir Alles in Allem gewesen; an
-seinem Glück zu arbeiten ist auf der Welt mein’ einziger Beruf gewesen.
--- Nun kamen -- Sie in unser Haus. -- Ich gewann Sie lieb. -- Ich
-dachte auch an Ihr Glück, ich ..... Das hätte ich vielleicht nicht thun
-sollen .... Ich dachte vielleicht eben so sehr an Ihr Glück -- und --
-wer weiß? -- am Ende -- zu -- allermeist -- an -- +Ihr+ Glück _(einen
-Augenblick lang starren Beide einander bestürzt in die Augen)_.
-
-+Wilhelm+: Frau Buchner!!!
-
-+Frau Buchner+ _(das Gesicht mit den Händen bedeckend, wie Jemand, der
-sich schämt, weinend ab durch den Treppenausgang)_.
-
-+Wilhelm+ _(thut mechanisch ein paar Schritte hinter ihr drein, steht
-still, sucht seiner inneren Bewegung Herr zu werden, muß sich aber
-plötzlich, von Weinen geschüttelt, an der Wand stützen.)_
-
-+Ida+ _(ihr Gesicht ist bleich, ihre Mienen drücken Ernst und Besorgniß
-aus. Sie tritt leisen Schrittes zu Wilhelm, umfaßt ihn und drückt ihre
-Wange an die seine)_: Ach, Willy! sieh’ ’mal: es kommen trübe und -- es
-kommen -- nicht, Willy? -- es kommen auch wieder helle Tage. Wer wird
-sich gleich so ..... so ganz und gar muthlos machen lassen.
-
-+Wilhelm+ _(leidenschaftlich stammelnd)_: Ida! -- Einzige!! --
-Liebste!! -- Süße -- wie soll ich denn nur ..... wie sollt ich denn nur
-jetzt leben ohne Dich? -- Deine Stimme, Deine Worte, Dein ganzes süßes,
-wunderbares Wesen, Deine Hände ...... Deine milden, treuen Hände.
-
-+Ida+: Denkst Du ich? -- Denkst Du ich möchte leben, ohne Dich? -- Nein
-Du! -- wir wollen uns umschlingen und nicht los lassen -- fest -- fest
--- und so lange es so ist ......
-
-+Wilhelm+: Ja, ja! -- aber -- wenn’s nun ’mal anders würde?
-
-+Ida+: Ach, sprich nicht so!
-
-+Wilhelm+: Ich meine ja nur .... man kann doch nie wissen ... Eins kann
-sterben ....
-
-+Ida+: Ach, wir sind jung.
-
-+Wilhelm+: Wenn auch. -- Einmal kommt’s doch auch -- alt werd’ ich so
-wie so nicht.
-
-+Ida+ _(heiß)_: Dann umarm’ ich Dich -- dann drück’ ich mich an Dich --
-dann geh’ -- ich -- mit Dir.
-
-+Wilhelm+: Ida! -- das sagt man so. -- Das thust Du doch nicht.
-
-+Ida+: Das thue ich!
-
-+Wilhelm+: Du denkst Dir das jetzt so -- Du weißt nicht wie schnell man
-vergißt.
-
-+Ida+: Ich könnte nicht athmen ohne Dich!
-
-+Wilhelm+: Das bildet man sich ein ....
-
-+Ida+: Nein, nein, nein, Wilhelm! .....................
-
-+Wilhelm+: So zu lieben -- wäre aber -- sogar eine Thorheit. Man wird
-doch nicht alles auf +eine+ Karte setzen.
-
-+Ida+: Ich -- versteh’ Dich -- nicht ganz.
-
-+Wilhelm+: Nur so .... ich .... sieh’ ’mal _(in ärgerlichem Tone)_.
-Ach, Du! -- das Thema ist unerquicklich! ...... wie geht es Vater?
-
-+Ida+: Er schläft jetzt -- aber was hast Du denn nur?
-
-+Wilhelm+ _(umhergehend)_: Das kommt so -- man weiß nicht wie.
-_(Plötzlich knirschend)_ -- Es giebt Momente, sag’ ich Dir ....! wenn
-einen die Wuth der Verzweiflung übermannt ..... in solchen Augenblicken
-kann ich mir denken .... in solchen Augenblicken kommt’s dazu, daß
-Menschen sich fünf Stock hoch -- den Kopf zuerst -- auf das Pflaster
-stürzen; -- förmlich wollüstig wird einem diese Vorstellung.
-
-+Ida+: Gott behüte! -- Solchen Vorstellungen mußt Du nicht nachhängen,
-Willy!
-
-+Wilhelm+: Warum denn nicht, möchte ich wissen? warum sollen Kerls,
-wie ich, zwischen Himmel und Erde herumschmarotzen? --: Nichtsnutzige
-Geschöpfe! -- Sich selbst ausmerzen -- das wäre doch noch was, -- dann
-hätte man doch +einmal+ etwas Nützliches gethan.
-
-+Ida+: Es ist ja im Grunde nicht zu verwundern: -- Du bist überreizt
-und abgespannt ...
-
-+Wilhelm+ _(in schroffen abweisenden Tone)_: Laß mich zufrieden Du, das
-verstehst Du nicht! _(über sich selbst erschrocken, verändert.)_ Ach,
-Du! -- Du mußt mir’s nicht übel nehmen. -- Geh’ doch lieber jetzt! Ich
-möchte Dich nicht verletzen. Und wie mir nun ’mal zu Muthe ist -- kann
-ich nicht -- einstehen für mich.
-
-+Ida+ _(küßt Wilhelm stumm auf den Mund, dann ab in das Seitengemach)_.
-
-+Wilhelm+: _(blickt ihr nach, geht, steht still, zeigt ein Gesicht voll
-Schrecken und Staunen und faßt sich an die Stirn, wie Jemand, der sich
-auf bösem Wege ertappt hat. Während dies geschieht, ist Robert durch
-den Treppenbogen eingetreten)_.
-
-+Robert+ _(den Hut in der rechten Hand, über’m Arm den Ueberzieher und
-eine Reisedecke, in der Linken einen Plaidriemen, begiebt sich bis an
-den Tisch, wo er die Sachen ablegt)_.
-
-+Wilhelm+ _(bemerkt ihn und sagt, nachdem er ihn eine Weile
-beobachtet)_: Wohin -- willst Du?
-
-+Robert+: Fort.
-
-+Wilhelm+: Jetzt?
-
-+Robert+: Warum nicht? -- _(den Plaidriemen ausbreitend)_. Ich habe
-genug -- über und über sogar! -- Mutter wird künftig ..... wird künftig
-die Weihnachtstage -- ohne mich auskommen müssen -- _(nach dem Ofen
-umblickend)_. Es ist kalt hier.
-
-+Wilhelm+: Draußen friert’s.
-
-+Robert+ _(die Reisedecke rollend)_: So! -- um zehn thaute es doch.
-
-+Wilhelm+: Es ist umgeschlagen.
-
-+Robert+: Wie wird man nur den Berg ’runter kommen bei der Glätte?
-
-+Wilhelm+: Der Mond scheint ja!
-
-+Robert+: Wenn auch.
-
-..................
-
-+Wilhelm+: Er phantasirt nicht mehr.
-
-+Robert+: So, so!
-
-..................
-
-+Wilhelm+: Er will keinen Arzt.
-
-+Robert+: So, so!
-
-..................
-
-+Wilhelm+: Es ist so plötzlich gekommen, man --
-
-+Robert+: Hm -- ja, ja!
-
-+Wilhelm+: Es muß doch in ihm gesteckt haben.
-
-+Robert+: Natürlich -- sonst wäre er doch wohl nicht nach Hause
-gekommen .........
-
-..................
-
-+Wilhelm+: Mir graut -- was daraus werden soll?!
-
-+Robert+: Was soll man machen?!
-
-..................
-
-+Wilhelm+: Meiner Seele -- ich weiß nicht, was ich anfange, -- wenn
-er einmal stirbt ..... Mit meinem Bewußtsein! mit dem, was ich jetzt
-erkannt habe! ..... ich wüßte wirklich nicht ..... und nun noch die
-Reue, die Gewissensbisse ..... ä! -- was da! -- was liegt schließlich
-daran?!
-
-+Robert+: I, Du! -- da hätte man viel zu thun ..... der Alte ist ein
-Bischen anders -- na ja -- unsere Vorstellung stimmte nicht ganz.
-Gott, ja! aber das ändert doch nichts an der Sache.
-
-+Wilhelm+: Ich sage Dir -- es ist mir heiliger Ernst -- mit Wollust
-würde ich heut verzichten, auf das ganze elende Bischen Leben, wenn es
-ihm zu Gute käme.
-
-+Robert+ _(den Ueberrock anziehend)_: Das hat wenig Sinn Du -- meiner
-Ansicht nach -- Sieh mal, ich gehe jetzt in ein kleines, geheiztes
-Comptoirchen, setze mich mit dem Rücken an den Ofen -- kreuze die Beine
-unter dem Tisch -- zünde mir diese ..... selbe Pfeife hier an und
-schreibe -- in aller Gemüthsruhe hoffentlich, solche ..... na, Du weißt
-schon solche Scherze, ..... solche Reclamescherze: Afrikareisender
-..... nahe am Verschmachten, na ..... und da laß ich denn gewöhnlich
-eine Caravane kommen, die unsern Artikel führt. -- Mein Chef ist
-sehr zufrieden -- es geht durch den Inseratentheil aller möglichen
-Zeitungen; und was die Hauptsache ist --: Wenn ich da so sitze, siehst
-Du, und die Gasflamme den ganzen Tag so über mir fauchen höre -- von
-Zeit zu Zeit so’n Blick in den Hof -- so’n Fabrikhof ist nämlich was
-Wunderbares! -- was Romantisches, sag ich Dir! ..... mit einem Wort, da
-summt mich keine Hummel an.
-
-+Wilhelm+: Dann lieber gleich todt sein.
-
-+Robert+: Geschmacksache! -- Für mich ist es ein idealer Winkel
-geradezu; -- soll man sich denn immerfort aus dem Gleichgewicht bringen
-lassen, soll man sich denn kopfverwirrt machen lassen, -- ich werde
-so wie so zwei bis drei Tage gebrauchen um mich -- auf mein Bischen
-Lebensweisheit zu besinnen.
-
-+Wilhelm+: Sag was Du willst: das nenn ich feig.
-
-+Robert+: Na item, nenn es so. Früher oder später kommst Du doch
-auf meinen Standpunkt. Vater ist auch zuletzt auf diesen Standpunkt
-gekommen. Vater und Du, Ihr ähnelt einander zum verwechseln. Ihr seid
-dieselben Idealisten. Anno 48 hat Vater auf den Barrikaden angefangen,
-und als einsamer Hypochonder macht er den Schluß. -- Man muß sich an
-die Welt und an sich selbst +bei Zeiten+ gewöhnen, Du! -- eh man sich
-die Hörner abgelaufen hat.
-
-+Wilhelm+: Oder aber an sich arbeiten, um anders zu werden.
-
-+Robert+: Das sollte mir einfallen, ich bin, wie ich bin. Ich habe ein
-Recht so zu sein, wie ich bin.
-
-+Wilhelm+: Dann fordere Dein Recht auch offen!
-
-+Robert+: Ich werde mich hüten, denn ich will zu meinem Rechte
-+kommen+. Die Moralphilister sind nun mal in der Mehrheit. -- Uebrigens
-ich muß nun doch gehen -- also .... und wenn ich Dir rathen soll, Du:
-nimm Dich vor den sogenannten guten Vorsätzen in Acht!
-
-+Wilhelm+ _(kalt)_: Wie meinst Du denn das?
-
-+Robert+: Ganz einfach: man muß nicht +Dinge+ leisten wollen, die man
-seiner ganzen Naturanlage nach nun mal nicht leisten kann.
-
-+Wilhelm+: Zum Beispiel?
-
-+Robert+: I! -- zu mir kommen zum Beispiel manchmal solche Kerls, die
-mir den Kopf wer weiß wie heiß machen, von Idealen schwatzen. Man
-müsse für die menschheitlichen Ideale kämpfen, was weiß ich! -- ich
-und für Andere kämpfen! fabelhafte Zumuthung! -- und für was und zu
-was denn? -- Na aber wie ich Dich kenne, Dich beunruhigt so was, Du
-würdest herumlaufen, wie einer der gestohlen hat: was bin ich für ein
-Jammerkerl! würdest Du Dir in einem fort sagen. Hab ich nicht Recht? na
-und dann käme schließlich der gute Vorsatz, und der drückt einen dann,
-das kenne ich. Ich bin auch früher mit hunderterlei solcher Vorsätze
-herumgelaufen. -- Jahrelang -- und das ist kein Vergnügen sag ich Dir!
-
-+Wilhelm+: Ich weiß nicht recht, auf was Du hinaus willst?
-
-+Robert+: Etwas Bestimmtes habe ich auch durchaus nicht im Auge: --
-die Unruhe -- an der Du jetzt laborirst -- hat ja auch noch andre
-Ursachen ...... Ich jedenfalls ..... wenn ich früher merkte .... in
-früheren Zeiten habe ich ja auch ähnliches durchgemacht -- aber sobald
-ich merkte, daß die Geschichte über meine Kräfte ging, habe ich ihr
-gewöhnlich kurz entschlossen den Rücken gewandt.
-
-+Wilhelm+: Soll das ein Wink sein?
-
-+Robert+: Wink? -- ich wüßte nicht ..... also nochmals -- laß Dir’s gut
-gehen und .....
-
-+Wilhelm+: Sag mir doch mal Du -- rein objektiv -- es hat ein gewisses
-Interesse für mich .... es ist nur weil ....
-
-+Robert+: Bitte, -- was wünschest Du zu hören?
-
-+Wilhelm+: Du hast selbst vorhin etwas gesagt.
-
-+Robert+: Wann, vorhin?
-
-+Wilhelm+: Als wir über Vater sprachen.
-
-+Robert+: Ach richtig, ja -- was soll ich denn da gesagt haben?
-
-+Wilhelm+: Du sagtest, es würde vielleicht doch gut werden mit Ida und
-mir.
-
-+Robert+: Ja so, -- Euer Verhältniß, -- das hätte ich gesagt. --?
-
-+Wilhelm+: Das hast Du gesagt.
-
-+Robert+: Nu ja, ich habe da +manches+ gesagt.
-
-+Wilhelm+: Das heißt so viel, als -- Du bist von manchem, was Du da
-gesagt hast, zurückgekommen.
-
-+Robert+: Ganz recht, das bin ich.
-
-+Wilhelm+: Auch was die .... diese selbe Sache anbelangt ....?
-
-+Robert+: Euer Verhältniß?
-
-+Wilhelm+: Ja.
-
-+Robert+: Ist Dir das denn wichtig?
-
-+Wilhelm+: Ja, vielleicht.
-
-+Robert+: Ja.
-
-+Wilhelm+: Du bist also nicht mehr der Ansicht -- daß wir .....
-
-+Robert+: Nein.
-
-+Wilhelm+: Schön -- ich danke Dir -- Du bist offen -- ich danke Dir.
--- Aber nehmen wir mal an -- setzen wir den Fall, ich kehre der ganzen
-Sache den Rücken -- sehen wir zunächst mal ganz davon ab, was das für
-mich bedeuten würde angenommen -- also, ich ginge auf der Stelle mit
-Dir -- was sollte dann -- aus Ida -- werden?
-
-+Robert+: Hm -- Ida? -- Ida? _(zuckt die Achseln)_ hm ja, ja -- das
-läßt sich nicht so schnell .... das heißt -- besorgen würde mich das
-wirklich nicht so sehr.
-
-+Wilhelm+: Du!!! das ist Deine alte Perfidie! das kenne ich.
-
-+Robert+: Perfid? wieso denn? nein da täuschest Du Dich! um perfid zu
-sein ist mein Interesse doch nicht ausreichend -- mein Interesse an der
-Sache mein ich. Ich glaube wirklich nicht .....
-
-+Wilhelm+: Das weiß ich besser, Du. Du wirst mich doch nicht dieses
-Mädchen kennen lehren wollen?! es ist nun mal so -- verlaß Dich darauf!
-sie hat nun mal ein Gefühl für mich, ich kann’s nicht ändern -- ich
-bilde mir nichts ein darauf. -- Was wird also aus ihr werden, wenn ich
-davon laufe?
-
-+Robert+: Hm -- machst Du Dir also wirklich ernstlich darüber Gedanken?
-
-+Wilhelm+: Allerdings -- ja -- allerdings.
-
-+Robert+: Antworte mir doch gefälligst erst mal darauf: wenn Ihr Euch
-heirathet, was wird dann aus Ida?
-
-+Wilhelm+: Das kann kein Mensch wissen.
-
-+Robert+: O doch, Du! das weiß man --: Mutter.
-
-+Wilhelm+: Als ob Ida mit Mutter zu vergleichen wäre.
-
-+Robert+: Aber Du mit Vater.
-
-+Wilhelm+: Jeder Mensch ist ein +neuer+ Mensch.
-
-+Robert+: Das möchtest Du gern glauben. Laß gut sein! da verlangst
-Du zu viel von Dir. Die fleischgewordene Widerlegung bist Du ja doch
-selbst.
-
-+Wilhelm+: Das möchte ich wissen.
-
-+Robert+: I, das weißt Du sehr genau.
-
-+Wilhelm+: Schließlich kann man sich darüber hinaus entwickeln.
-
-+Robert+: Wenn man danach erzogen ist nämlich.
-
-+Wilhelm+: Ach, es hat keinen Sinn weiter zureden.
-
-+Robert+: Durchaus meine Ansicht.
-
-+Wilhelm+: Das kann ja doch zu nichts führen _(ausbrechend, außer
-sich.)_ Ihr wollt mich zu Grunde richten! -- Ich bin das Opfer eines
-Complots! -- Ihr habt Euch gegen mich verschworen, Ihr wollt mich
-abthun! -- Ihr wollt mich endgültig abthun!
-
-+Robert+: Das war Vaters zweites Wort.
-
-+Wilhelm+: Das ist lächerlich, -- Deine Bemerkungen sind einfach
-lächerlich! -- Habe ich etwa nicht Grund, das zu sagen -- wollt Ihr
-mich etwa nicht von Ida trennen? Es ist ..... aufrichtig gesagt -- mir
-fehlen die Worte ..... Es liegt eine so fabelhafte Anmaßung .... eine
-Brutalität liegt darin -- über alle Begriffe geradezu! Mit Ida soll ich
-Mitleid haben! -- wer hat denn mit mir Mitleid, sag mal? nenn mir einen
-Menschen! -- wer denn?
-
-+Robert+: Selbstverständlich! -- wenn Du so sprichst,
-selbstverständlich!
-
-+Wilhelm+: Man verlangt Opfer von mir. -- Auf einmal soll ich die
-unsinnigsten Opfer bringen! Ich soll ....
-
-+Robert+: Du kannst Dir jedes Wort getrost sparen. -- Unter solchen
-Verhältnissen selbstverständlich. -- Es ist Dein gutes Recht, das
-Mädchen fest zu halten.
-
-+Wilhelm+: Unter solchen Verhältnissen? -- unter was für Verhältnisse?
-sag mir doch bitte!
-
-+Robert+: Du sprachst von Ida -- vorhin -- meines Wissens ...
-
-+Wilhelm+: Nun ja -- also was --?
-
-+Robert+: Jetzt sprichst Du von Dir -- es kam so heraus -- na --
-mit einem Wort, wenn es Dir gleichgültig ist, was aus dem Mädchen
-wird -- wenn Du die nöthige Dosis .... nun sagen wir meinetwegen
-Rücksichtslosigkeit auf Lager hast .... wenn Du sie so nimmst .... so
-wie einen neuen Rock oder Hut oder so was ......
-
-+Wilhelm+: Robert! -- so durch und durch herzlos, wie Du bist, -- Du
-hast doch diesmal Recht -- ich gehe mit Dir .... hier aus dem Hause --
-heißt das -- gehe ich mit Dir .... ein Stück -- nicht weit -- und nun
-.... nun .... bin ich fertig -- mit Euch Allen. -- Ja, ja, jetzt bin
-ich -- rede nicht erst! -- jetzt bin ich wirklich fertig -- ganz und
-gar .......
-
-+Robert+ _(sieht ihn erstaunt an und zuckt dann mit den Achseln.)_
-
-+Wilhelm+ _(mit steigender Heftigkeit)_: Du, Du! -- gieb Dir keine Mühe
--- es gelingt Dir nicht -- mich kannst Du nicht täuschen mit Deiner
-harmlosen Ruhe. -- Recht hast Du allerdings, aber was Dich auf den
-rechten Gedanken gebracht hat, das sag ich Dir in’s Gesicht, das ist
-jämmerlicher Neid ..... das ist einfach tief klägliche Mißgunst! -- Du
-weißt sehr gut, daß ich ehrlich kämpfen würde, doch ihrer schließlich
-einigermaßen würdig zu werden. -- Du weißt sehr gut, wie dieses Mädchen
-mit ihrer Reinheit mich reinigt. Aber Du willst es nicht! Du willst
-mich nicht gereinigt wissen. -- Warum willst Du es nicht? -- nun weil
-.... weil Du selbst so bleiben mußt, wie Du bist ...... weil sie mich
-liebt und nicht Dich! -- Und deshalb hast Du mir diesen ganzen Abend
-mit Deinem Polizeiblick aufgelauert ..... hast mir immer und immer
-wieder zu erkennen gegeben, daß Du etwas von mir weißt -- ja wohl!
-Du hast ganz Recht! ich bin ein durch und durch lasterhafter Mensch.
-Nichts ist mehr rein an mir. Besudelt, wie ich bin gehöre ich nicht
-neben diese Unschuld, und ich bin auch entschlossen, kein Verbrechen zu
-begehen. Aber Du Robert! Du wirst dadurch nicht reiner; ein Glück für
-Dich, daß Du Dich nicht mehr schämen kannst!
-
-+Robert+ _(hat während des letzten Drittels von Wilhelms Rede seine
-Sachen genommen und ist dem Ausgang zugeschritten. Die Klinke in der
-Hand bleibt er stehen, als ob er reden wollte, besinnt sich eines
-anderen, zuckt resignirt mit den Achseln und entfernt sich sehr ruhig.
-Ab.)_
-
-+Wilhelm+ _(dem Davongegangenen nachrufend)_: Robert! -- Robert! --
-
-+Ida+ _(aus dem Nebenzimmer eintretend)_: Wen rufst Du denn?
-
-+Wilhelm+: Ach -- Du bist hier.
-
-+Ida+: Der Arzt ist drin, Wilhelm -- er sagt -- es sei doch ernst, es
-....
-
-+Stimme der Frau Scholz+ _(jammernd)_: Mein lieber guter Mann, ach!
-.... ach, mein lieber, guter Mann!
-
-+Wilhelm+: Was habe ich gethan! was habe ich nun wieder gethan!
-
-+Ida+: Es drückt mir das Herz ab. -- Ich möchte Dich gern -- nicht
-fragen, ich .... aber es muß etwas .... Du hast etwas Willy!
-
-+Wilhelm+: Gar Nichts habe ich -- in die Einsamkeit möchte ich wieder
--- dort ist unser Platz, Ida.
-
-+Ida+: Weshalb --? ich verstehe garnicht.
-
-+Wilhelm+ _(barsch und heftig)_: Ja, ja, ja! das ist ja die alte
-Leier --: ich versteh Dich nicht, ich versteh Dich nicht! -- Mutter
-und Vater haben auch ihr Leben lang verschiedene Sprachen gesprochen;
-Du verstehst mich nicht! Du kennst mich nicht! -- Du hast platte
-Backfischillusionen, und da habe ich nichts weiter zu thun, als mich
-zu verstecken vor Dir und zu verstecken -- bis ich ganz und gar zum
-elendesten Betrüger und Schurken werde.
-
-+Ida+ _(hat Wilhelm bestürzt angeblickt, nun weint sie)_.
-
-+Wilhelm+: Da siehst Du nun: dies ist mein wahres Gesicht. Und ich
-brauche nur einen Augenblick lang zu vergessen, was ich Dir gegenüber
-für eine Rolle spiele, da kommt es auch schon hervor. Du kannst mein
-wahres Gesicht nicht ertragen. Du weinst und Du würdest Jahre hindurch
-weinen, wenn ich nicht Mitleid mit Dir hätte. -- Nein, Ida, es darf
-zwischen uns nichts werden ..... ich bin zu dem festen Entschluß
-gekommen.
-
-+Ida+ _(An seinen Hals fliegend)_: Das ist nicht wahr! -- das ist nun
-und nimmermehr wahr!
-
-+Wilhelm+: Denk’ an das, was Du hier gesehen hast! sollen wir es von
-neuem gründen? -- sollen wir dieses selbe Haus von neuem gründen?
-
-+Ida+: Es wird anders werden! es wird besser werden, Wilhelm.
-
-+Wilhelm+: Wie kannst Du das sagen?
-
-+Ida+: Das +fühle+ ich.
-
-+Wilhelm+: Aber Du stürzst Dich blindlings in’s Verderben, Ida! ich
-reiße Dich in’s Verderben!
-
-+Ida+: Ich habe keine Furcht, -- davor habe ich keine Furcht, Wilhelm!
-hab’ nur wieder Vertrauen! gieb’ mir nur wieder Deine Hand! Dann werd’
-ich Dir etwas sein können -- stoß mich nur nicht von Dir ........
-
-+Wilhelm+: Gieb’ mich frei! -- zum ersten Mal liebst Du! -- Du liebst
-eine Illusion. Ich habe mich weggeworfen, wieder und wieder. Ich habe
-Dein Geschlecht in Andern geschändet. -- Ich bin ein Verworfener. --
-
-+Ida+ _(jauchzend und weinend ihn umhalsend)_: Du bist +mein+! Du bist
-+mein+!
-
-+Wilhelm+: Ich bin Deiner nicht werth!
-
-+Ida+: O sage das nicht! vor Dir bin ich klein, ach, wie klein! wie
-eine kleine, kleine Motte bin ich nur. Wilhelm, ich bin nichts ohne
-Dich! ich bin Alles durch Dich -- zieh’ Deine Hand -- nicht -- von mir
--- armseligen -- Geschöpfe!
-
-+Wilhelm+: Ida!!! -- ich Dir? Ida ich? ... _(umarmen und küssen sich
-unter Lachen und Weinen.)_ Ich soll meine Hand nicht von Dir ziehen? --
-Ja -- was -- sagst Du denn da -- was sagst Du -- denn nur -- da -- Du
--- böse .....
-
-+Ida+: Nun -- versprichst Du -- mir -- nun ...
-
-+Wilhelm+: Ich schwöre Dir -- jetzt .... _(ein markdurchdringender
-Aufschrei aus dem Nebenzimmer schneidet die Rede ab. Betroffen und
-entsetzt starren Ida und Wilhelm einander in die Augen)_.
-
-+Stimme der Frau Scholz+: Mein Mann -- stirbt ja! -- mein -- guter,
-lieber Mann -- stirbt ja doch -- mein Mann .... _(lautes Weinen)_.
-
-+Wilhelm+: Gott! -- mein Gott -- was? -- Vater!!! Vater!!! _(will sich
-in’s Nebenzimmer stürzen; halbwegs kommt Ida ihm zuvor.)_
-
-+Ida+: Wilhelm! -- komm’ zu Dir selbst! -- und -- geh’ nicht -- ohne
-mich!
-
-_(+Friebe+ kommt von Schluchzen geschüttelt aus dem Nebenzimmer und
-verschwindet in der Küche.)_
-
-+Auguste+ _(folgt Friebe auf dem Fuße. Vor Wilhelm stehen bleibend,
-stößt sie mühsam hervor)_: Wer -- trägt nun -- die Schuld? -- wer? wer
---? -- _(Sie bricht am Tisch zusammen, ein dumpfes und hohles Stöhnen
-entringt sich ihrer Brust. Das laute Weinen der Frau Scholz ist noch
-immer hörbar.)_
-
-+Wilhelm+ _(will ausbrechen)_: Auguste!
-
-+Ida+ _(an Wilhelm’s Brust beschwichtigend, mit bebenden Lauten)_:
-Wilhelm, -- ich glaube -- Dein Vater -- ist nicht mehr.
-
-_(Wilhelm will auf’s Neue ausbrechen, wird abermals durch Ida
-beschwichtigt, kämpft seinen Schmerz nieder, sucht und findet Ida’s
-Hand, die er krampfhaft in seiner drückt, und geht Hand in Hand mit dem
-Mädchen aufrecht und gefaßt auf das Nebengemach zu.)_
-
-[Illustration]
-
-
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-
-*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS FRIEDENSFEST ***
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- Das Friedensfest, by Gerhart Hauptmann—A Project Gutenberg eBook
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-<body>
-<div lang='en' xml:lang='en'>
-<p style='text-align:center; font-size:1.2em; font-weight:bold'>The Project Gutenberg eBook of <span lang='de' xml:lang='de'>Das Friedensfest</span>, by Gerhart Hauptmann</p>
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
-most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
-of the Project Gutenberg License included with this eBook or online
-at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you
-are not located in the United States, you will have to check the laws of the
-country where you are located before using this eBook.
-</div>
-</div>
-
-<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:1em; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Title: <span lang='de' xml:lang='de'>Das Friedensfest</span></p>
-<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Author: Gerhart Hauptmann</p>
-<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Release Date: December 11, 2022 [eBook #69523]</p>
-<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Language: German</p>
- <p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em; text-align:left'>Produced by: Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive)</p>
-<div style='margin-top:2em; margin-bottom:4em'>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>DAS FRIEDENSFEST</span> ***</div>
-
-<div class="transnote mbot3">
-
-<p class="s3 center"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p>
-
-<p class="p0">Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von
-1894 so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische
-Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute
-nicht mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original
-unverändert; fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert.</p>
-
-<p class="p0">Der Ausdruck ‚et cetera‘ wird im ursprünglichen Text mit
-Hilfe der Tironischen Note ‚Et‘ dargestellt. Da diese Note in vielen
-Zeichensätzen nicht enthalten ist, wird in der vorliegenden Fassung die
-im Deutschen gebräuchliche Abkürzung ‚etc.‘ verwendet.</p>
-
-<p class="p0">Die gedruckte Ausgabe ist in Frakturschrift gesetzt.
-Passagen in <span class="antiqua">Antiquaschrift</span> werden hier
-kursiv dargestellt. <span class="nohtml">Abhängig von der im
-jeweiligen Lesegerät installierten Schriftart können die im Original
-<em class="gesperrt">gesperrt</em> gedruckten Passagen gesperrt, in
-serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos als auch gesperrt
-erscheinen.</span></p>
-
-</div>
-
-<p class="s2 center padtop3 break-before">Das Friedensfest.</p>
-
-<p class="s2 center">❦</p>
-
-<div class="schmal break-before">
-
-<hr class="full x-ebookmaker-drop">
-
-<p class="center">Von <b>Gerhart Hauptmann</b> erschienen im gleichen Verlage:</p>
-
-<p class="s3 center"><b>Vor Sonnenaufgang.</b></p>
-
-<p class="center">Soziales Drama.<br>
-<span class="s5">6. Auflage.</span></p>
-
-<p class="s3 center mtop1"><b>Einsame Menschen.</b></p>
-
-<p class="center">Drama.<br>
-<span class="s5">3. Auflage.</span></p>
-
-<p class="s3 center mtop1"><b>Die Weber.</b></p>
-
-<p class="center">Schauspiel aus den vierziger Jahren.<br>
-<span class="s5">6. Auflage.</span></p>
-
-<p class="s3 center mtop1"><b>College Crampton.</b></p>
-
-<p class="center">Comödie.<br>
-<span class="s5">2. Auflage.</span></p>
-
-<p class="s3 center mtop1"><b>Der Biberpelz.</b><br>
-
-<p class="center"><em class="gesperrt">Eine Diebscomödie.</em><br>
-<span class="s5">2. Auflage.</span><br>
-Jeder Band eleg. geh. Mark 2.—<br>
-<span class="mleft1"> „</span><span class="mleft1">&#8195;„</span>&#8195;eleg.
-geb. &#8194; „<span class="mleft1"> 3.—</span></p>
-
-<p class="s3 center mtop1"><b>Der Apostel.</b> — <b>Bahnwärter Thiel.</b></p>
-
-<p class="center">Novellistische Studien.<br>
-<span class="s5">Geheftet Mark 1,50, gebunden Mark 2,50.</span></p>
-
-<p class="s2 center mtop1"><b>Hannele.</b></p>
-
-<p class="s4 center"><em class="gesperrt">Eine Traumdichtung.</em><br>
-<span class="s5">Reich illustrirt.</span><br>
-<span class="s5">Geheftet Mark 5.—, in Prachtband gebunden Mark 7.50.</span></p>
-
-<hr class="full x-ebookmaker-drop">
-
-</div>
-
-<div class="titelei">
-
-<p class="s1 center break-before mtop3">GERHART HAUPTMANN.</p>
-
-<div class="figcenter illowe10" id="title_deko1">
- <img class="w100" src="images/title_deko1.png" alt="Dekoration">
-</div>
-
-<h1><span class="s6">Das</span><br>
-<b>Friedensfest.</b></h1>
-
-<p class="s4 center"><b>Eine Familienkatastrophe.</b></p>
-
-<p class="s4 center">Bühnendichtung.</p>
-
-<div class="rechts">
-
-<p class="s5">Sie finden in keinem Trauerspiele Handlung, als wo der Liebhaber zu
-Füßen fällt etc. .&#160;.&#160;.</p>
-
-<p class="s5">Es hat ihnen nie beifallen wollen, daß auch jeder innere Kampf von
-Leidenschaften, jede Folge von verschiedenen Gedanken, wo eine die andere aufhebt,
-eine Handlung sei; vielleicht weil sie viel zu mechanisch denken und fühlen, als daß
-sie sich irgend einer Thätigkeit dabei bewußt wären. — Ernsthaft sie zu widerlegen,
-wurde eine unnütze Mühe sein.</p>
-
-<p class="right"><span class="mright3_5"><em class="gesperrt">Lessing.</em></span><br>
-Abhandlungen über die Fabel.</p>
-
-</div>
-
-<div class="figcenter illowe3" id="title_deko2">
- <img class="w100" src="images/title_deko2.png" alt="Dekoration">
-</div>
-
-<p class="center"><b>Berlin 1894.</b></p>
-
-<p class="center"><em class="gesperrt">S. Fischer, Verlag.</em></p>
-
-<p class="s3 center padtop3 break-before">Den Bühnen gegenüber Manuscript.</p>
-
-<div class="mleft3">
-
-<p class="s4 mleft7 padtop3 break-before"><b>Dem Dichter</b></p>
-
-<p class="s2 mleft2"><b>Theodor Fontane</b></p>
-
-<p class="mleft14">ehrfurchtsvoll</p>
-
-<p class="mleft18">zugeeignet.</p>
-
-</div>
-
-<div class="chapter">
-
-<h2 class="nobreak" id="Handelnde_Menschen">Handelnde Menschen.</h2>
-
-</div>
-
-<table class="d_p">
- <colgroup>
- <col class="spalte_1">
- <col class="spalte_2">
- <col class="spalte_3">
- <col class="spalte_4">
- <col class="spalte_5">
- </colgroup>
- <tr>
- <td class="vat" colspan="3">
- <div class="left"><b><span class="antiqua">Dr.&#160;med.</span>&#160;Fritz&#160;Scholz,</b>
- 68 Jahre alt.</div>
- </td>
- <td class="vam" rowspan="5">
- <div class="center"><img class="h6_5" src="images/klammer_r.png"
- alt="geschweifte Klammer, rechts"></div>
- </td>
- <td class="s5 vam" rowspan="5">
- <div class="left">Soweit möglich, muß in den Masken eine Familienähnlichkeit
- zum Ausdruck kommen.</div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat" colspan="3">
- <div class="left"><b>Minna&#160;Scholz,</b> dessen Ehefrau, 46 Jahre alt.</div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat nowrap">
- <div class="left"><b>Auguste,</b> 29 Jahre alt</div>
- </td>
- <td class="vam" rowspan="3">
- <div class="center"><img class="h3_5" src="images/klammer_r.png"
- alt="geschweifte Klammer, rechts"></div>
- </td>
- <td class="vam" rowspan="3">
- <div class="center">deren Kinder.</div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat nowrap">
- <div class="left"><b>Robert,</b> 28 Jahre alt</div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat nowrap">
- <div class="left"><b>Wilhelm,</b> 26 Jahre alt</div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat" colspan="5">
- <div class="left"><b>Frau Marie Buchner,</b> 42 Jahre alt.</div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat" colspan="5">
- <div class="left"><b>Ida,</b> ihre Tochter, 20 Jahre alt.</div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat" colspan="5">
- <div class="left"><b>Friebe,</b> Hausknecht, 50 Jahre alt.</div>
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<hr class="r10">
-
-<p>Die Vorgänge dieser Dichtung spielen sich ab an einem Weihnachtsabend
-der 80er Jahre in einem einsamen Landhaus auf dem Schützenhügel bei
-Erkner. (Mark Brandenburg).</p>
-
-<div class="figcenter illowe10" id="dp_deko">
- <img class="w100" src="images/dp_deko.png" alt="Dekoration">
-</div>
-
-</div>
-
-<div class="chapter">
-
-<h2 class="nobreak" id="Der_Schauplatz">Der Schauplatz</h2>
-
-</div>
-
-<p class="p0"><span class="smaller">aller drei Vorgänge ist eine hohe, geräumige Halle, weiß getüncht,
-mit alterthümlichen Bildern, wie auch mit Geweihen und Thierköpfen
-aller Art behangen. Ein Kronleuchter aus Hirschgeweihen in der Mitte
-der Balkendecke angebracht, ist mit frischen Lichtern besteckt.
-Mitten in der Hinterwand ein nach innen vorspringendes Gehäuse mit
-Glasthür durch die man das schwere, geschnitzte Eichenportal des Hauses
-erblicken kann. Oben auf dem Gehäuse befindet sich ausgestopft ein
-balzender Auerhahn. Seitlich über dem Gehäuse rechts und links je ein
-Fenster, befroren und zum Theil mit Schnee verweht.</span></p>
-
-<p><span class="smaller">Die Wand rechts weist einen offenen, thorartigen Bogen auf, der nach
-der Treppe in die oberen Stockwerke führt. Von zwei niedrigen Thüren
-derselben Wand führt die eine nach dem Keller, die andere zur Küche.
-Die gegenüberliegende Wand hat ebenfalls zwei Thüren, welche beide
-in ein und dasselbe Zimmer führen. Zwischen diesen Thüren eine alte
-Standuhr, auf deren Dach ein ausgestopfter Kauz hockt. Die Möblirung
-des Raumes besteht aus alten, schweren Eichenholztischen und Stühlen.
-Parallel mit der Seitenwand, rechts vom Zuschauer eine weiß gedeckte
-Tafel. Rechts im Vordergrund ein eisernes Oefchen mit längs der Wand
-hingehender Rohrleitung. Alle Thüren sind bunt, die Thürfüllungen mit
-primitiven Malereien, Papageien etc. darstellend versehen.</span></p>
-
-<div class="chapter">
-
-<h2 class="nobreak" id="Erster_Vorgang">Erster Vorgang.</h2>
-
-</div>
-
-<p class="mbot2"><span class="smaller">Die Halle ist mit grünen Reisern ausgeschmückt. Auf den Steinfliesen
-liegt ein Christbaum ohne Fuß. <em class="gesperrt">Friebe</em> zimmert auf der obersten
-Kellerstufe einen Fuß zurecht. Einander gegenüberstehend zu beiden
-Seiten der Tafel beschäftigen sich Frau <em class="gesperrt">Buchner</em> und Frau
-<em class="gesperrt">Scholz</em> damit, bunte Wachslichte in den dazu gehörigen Tüllen
-zu befestigen. Frau Buchner ist eine<span class="pagenum" id="Seite_2">[S. 2]</span> gesundaussehende, gut genährte,
-freundlich blickende Person, einfach, solid und sehr adrett gekleidet.
-Schlichte Haartracht. Ihre Bewegungen sind bestimmt, aber vollständig
-ungezwungen. Ihr ganzes Wesen drückt eine ungewöhnliche Herzlichkeit
-aus, die durchaus echt, auch wenn die Art, mit der sie sich kund
-giebt, zuweilen den Eindruck der Ziererei macht. Ihre Sprache ist
-geflissentlich rein, in Momenten des Affects deklamatorisch. Ein Hauch
-der Zufriedenheit und des Wohlbehagens scheint von ihr auszugehen.
-— Anders Frau Scholz: Sie ist eine über ihre Jahre hinaus gealterte
-Person mit den beginnenden Gebrechen des Greisenalters. Ihre
-Körperformen zeigen eine ungesunde Fettansammlung. Ihre Hautfarbe
-ist weißlichgrau. Ihre Toilette ist weniger als schlicht. Ihr Haar
-ist grau und nicht zusammengerafft; sie trägt eine Brille. Frau
-Scholz ist schußrig in ihren Bewegungen, ruhelos, hat eine zumeist
-weinerliche oder winsliche Sprechweise und erregt den Eindruck
-andauernder Aufgeregtheit. Während Frau Buchner nur für andere zu
-existiren scheint, hat Frau Scholz vollauf mit sich selbst zu thun.
-— Auf der Tafel zwei fünfarmige, mit Lichtern besteckte Girandolen.
-Weder der Kronleuchter noch die Girandolen sind angesteckt. Brennende
-Petroleumlampe.</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em> <span class="smaller">(führt mit dem Beil einen Schlag)</span>: Da jeht mer
-ooch keen Schlag nich fehl.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: — ffff!!! Ich kann’s doch aber nich hören,
-Friebe! wie oft hab’ ich Ihn’n schon .&#160;.&#160;. wie leicht kann Ih’n das Beil
-abfahren. Auf Steinen hackt man nich Holz!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em>: Da jarantir ick for. Wofor wär ick d’nn sonst zehn Jahre
-Rejimenter jewesen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Regimenter?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Er war Vorarbeiter in den königlichen Forsten.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_3">[S. 3]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em>: Keen — <span class="smaller">(er schlägt zu)</span> — Schlag da — ä! <span class="smaller">(er
-schlägt)</span> komm ich for uff.</p>
-
-<p><span class="smaller">(Er steigt herauf, betrachtet, was er gemacht hat, bei der Lampe
-und befestigt dann den Christbaum, so daß er aufrecht steht. Friebe
-ist klein, bereits ein wenig gebeugt, obeinig und hat eine Glatze.
-Sein kleines, bewegliches Affengesichtchen ist unrasirt. Kopfhaare und
-Bartstoppeln spielen in’s Gelblichgraue. Er ist ein Allerweltsbastler.
-Der Rock, welchen er trägt, ein Ding, das von Putzpulver, Oel,
-Stiefelwichse, Staub etc. starrt, ist für einen doppelt so großen
-Mann berechnet, deshalb die Aermel aufgekrempt, die Rockflügel
-weit übereinander gelegt. Er trägt eine braune, verhältnißmäßig
-saubre Hausknechtsschürze, unter welcher er von Zeit zu Zeit eine
-Schnupftabacksdose hervorzieht, um mit Empfindung zu schnupfen. Der
-Baum ist befestigt, Friebe hat ihn auf die Tafel gehoben, steht
-davor und betrachtet ihn).</span> Een janzet — schönet — richtijet
-— Tannenbäumken! <span class="smaller">(mit wegwerfender Ueberlegenheit zu den Frauen
-hinüber)</span> ’t is woll jar keens, wat?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Als ehemaliger Forstmann müssen Sie ja das wohl
-unterscheiden können.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em>: Na jewiß doch, det wär ja noch verrückter! was de nu de
-Fichte is .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(unterbricht ihn ungeduldig)</span>: Wir dürfen uns
-beileibe nich aufhalten Friebe. Meine Tochter hat extra gesagt: Daß Du
-mir Frieben schickst.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em>: Na .&#160;.&#160;.&#160;. i! .&#160;.&#160;.&#160;. meinswejen doch <span class="smaller">(mit einer
-wegwerfenden Handbewegung ab durch die Küchenthür.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: An dem habt Ihr wohl was?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: I warum nich gar! ’n ganz verdrehter Zwickel.
-Wenn nich mei Mann .&#160;.&#160;.&#160;. na sehen Se, so war mei Mann; diese alte
-Schnupftabacknase, die war nu für ihn, die mußt’ er den<span class="pagenum" id="Seite_4">[S. 4]</span> ganzen Tag um
-sich haben, sonst war ihm nich wohl. Ein zu merkwürdiger Mann!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(in Hast und Bestürzung von draußen herein. Innen
-angelangt schlägt sie die Glasthür heftig in’s Schloß und stemmt sich
-dagegen, wie um Jemand den Eintritt zu verwehren.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(auf’s heftigste erschrocken schnell nach
-einander)</span>: O Gottogottogott!!!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: — Ja — was .&#160;.&#160;.?</p>
-
-<p><span class="smaller">(Auguste ist lang aufgeschossen und <em class="gesperrt">auffallend</em> mager, ihre
-Toilette ist hochmodern und geschmacklos. Pelzjacke, Pelzbarrett,
-Muff. Gesicht und Füße sind lang; das Gesicht scharf mit schmalen
-Lippen, die fest aufeinander passen und Zügen der Verbitterung. Sie
-trägt eine Lorgnette. Mit der Aufgeregtheit der Mutter verbindet sie
-ein pathologisch offensives Wesen. Diese Gestalt muß gleichsam eine
-Atmosphäre von Unzufriedenheit, Mißbehagen und Trostlosigkeit um sich
-verbreiten.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Draußen .&#160;.&#160;.&#160;. meiner Seele .&#160;.&#160;.&#160;. es ist Jemand hinter mir
-hergekommen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(die Uhr ziehend)</span>: Wilhelm vielleicht schon
-— nein, <em class="gesperrt">doch</em> nicht. Der Zug kann noch nicht da sein, <span class="smaller">(zu
-Auguste)</span> warten Sie doch mal! <span class="smaller">(sie greift nach der Thürklinke,
-um sie zu öffnen).</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Nich doch, nich doch!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Sie sind nervööös, liebes Kind, <span class="smaller">(sie geht durch
-die Glasthür und öffnet das Außenportal. Ein wenig zaghaft)</span> Ist
-Jemand hier? — <span class="smaller">(resolut)</span> Ist Jemand hier? <span class="smaller">(Pause, keine
-Antwort.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(erbost)</span>: Großartig wirklich — Ich dächte ma
-hätte gerade genug Aufregung. Man kann ja den Tod davon haben. Was Du
-och immer hast.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Haben! haben! <span class="smaller">(batzig)</span> was ich nur immer haben
-soll?!</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_5">[S. 5]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Du bist ja recht liebenswürdig zu deiner Mutter!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Ach, meinswegen! — soll man sich etwa nicht fürchten,
-wenn man .&#160;.&#160;.&#160;. im Stockfinstern — mutterseelenallein .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(die Hände von rückwärts um ihre Taille legend,
-begütigend)</span>: Hitzkopf, Hitzkopf! — wer wird denn immer gleich soo
-sein?! — Kommen Sie <span class="smaller">(ist ihr beim Ablegen behülflich)</span> so —
-sehen Sie!?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Ach Frau Buchner, ’s is’ auch wahr!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Hört mal, Herrschaften! vier lange Tage sind wir
-nun schon bei Euch. Ich dächte .&#160;.&#160;.&#160;. wollt Ihr mich nicht Du nennen? —
-ja?! — schön! also .&#160;.&#160;.&#160;. <span class="smaller">(umarmt und küßt Auguste, desgleichen Frau
-Scholz).</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(bevor sie die Umarmung entgegennimmt)</span>: Wart
-nur wart, ich habe Wachshände.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(zu Auguste, welche an das Oefchen getreten ist,
-um sich zu wärmen)</span>: Gelt, jetzt ist Dir schon gemüthlicher? — war
-die Bescheerung hübsch?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Na, ich geh jedenfalls nicht mehr hin. Schlechte Luft,
-eine Hitze zum Umkommen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Hat der Herr Pastor schön gesprochen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: So viel steht fest: wenn ich arm wäre, ich hätte auf
-die Rede des Großmann hin .&#160;.&#160;.&#160;. wahrhaftig den ganzen Bettel hätte ich
-ihnen vor die Füße geschmissen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Es ist aber doch ein großer Segen für die armen
-Leute.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_6">[S. 6]</span></p>
-
-<p><span class="smaller">(Man hört hinter der Scene durch eine helle, schöne Frauenstimme
-gesungen:)</span></p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0"><a id="FNAnker_1" href="#Fussnote_1" class="fnanchor">[1]</a> „Wenn im Haag der Lindenbaum</div>
- <div class="verse indent0">Wieder blüht,</div>
- <div class="verse indent0">Huscht der alte Frühlingstraum</div>
- <div class="verse indent0">Durch mein treu Gemüth.“</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<div class="footnotes">
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_1" href="#FNAnker_1" class="label">[1]</a> Herzenstestament. Komponirt von <em class="gesperrt">Max Marschalk</em>.</p>
-
-</div>
-
-</div>
-
-<p><span class="smaller">(Ida tritt ein von der Treppe her. Sie ist zwanzig Jahre alt und
-trägt ein schlichtes, schwarzes Wollkleid. Sie hat eine schöne, volle
-Gestalt, sehr kleinen Kopf und trägt das lange, gelbe Haar bei ihrem
-ersten Auftreten offen. In ihrem Wesen liegt etwas Stillvergnügtes,
-eine verschleierte Heiterkeit und Glückszuversicht; demgemäß ist der
-Ausdruck ihres klugen Gesichts meist heiter, geht aber auch mitunter
-plötzlich in einen milden Ernst über oder zeigt spontan tiefes
-Versonnensein.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(ein Handtuch um die Schultern gelegt, einige Cartons auf
-dem Arm)</span>: Es kam doch Jemand?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Auguste hat uns ’n schönen Schreck eingejagt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(rückwärts nach der Treppe deutend)</span>: Da oben ist’s
-auch recht ungemüthlich; <span class="smaller">(lachend)</span> ich hab gemacht, daß ich
-runter kam.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Aber Kindel! über Dir wohnt ja jetzt noch Robert.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(stellt die Cartons auf den Tisch; öffnet sie und
-entnimmt ihnen einige Gegenstände)</span>: Wenn auch! der ganze Stock ist
-doch immer <em class="gesperrt">leer</em>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Dein Haar müßte doch nun bald trocken sein, höre?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(den Kopf anmuthig wendend und zurückwerfend)</span>: Fühl
-mal!</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_7">[S. 7]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(thut es)</span>: O bewahre! — du hätt’st zeitiger
-baden sollen, Kind.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Was die alte Mähne doch für Mühe macht, eine ganze halbe
-Stunde hab ich am Ofen gehockt. <span class="smaller">(sie hat einem der Cartons eine
-gelbseidne Börse entnommen, die sie Augusten hinhält.)</span> Die Farbe
-ist nett, wie? ’S is ja nur so ein kleines Späßchen. Hat er schon
-manchmal Börsen gehabt?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(über ihr Peluchejaquet hinweg, an dem sie
-herumreinigt, achselzuckend)</span>: Weiß nicht <span class="smaller">(sie bringt ihre
-kurzsichtigen Augen prüfend in nächste Nähe der Börse)</span>. Bischen
-sehr locker im Muster <span class="smaller">(sogleich wieder in ihre vorige Arbeit
-vertieft)</span>. Der Peluche ist hin.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(ein Kistchen Cigarren aufbauend)</span>: Ich freu mich
-recht! — daß Ihr nur nie einen Baum geputzt habt —?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Wenn man’s recht bedenkt: eigentlich ist das doch auch
-nichts für Erwachsene.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Nie! da hätt ich ihm nur kommen sollen, mei Mann
-hätt mich schöne gestenzt. Bei meinen seligen Eltern .&#160;.&#160;.&#160;. ja wenn
-ich denke .&#160;.&#160;.&#160;. was war das für ein scheeenes Familienleben! Kein
-Weihnachten ohne Baum <span class="smaller">(gleichsam Gang und Maniren des Vaters
-copirend)</span>, wenn der Vater so am Abend aus dem Bureau kam und die
-<em class="gesperrt">schööö</em>nen Lehmannschen Pfefferkuchen mitbrachte! <span class="smaller">(sie bringt
-Daumen und Zeigefinger, als ob sie ein Stückchen dieses superben
-Kuchens damit hielte, in die Nähe des Mundes)</span>, ach ja, das sind
-vergangene Zeiten! <em class="gesperrt">Mei</em> Mann, — der aß nich mal Mittags mit uns
-zusammen. Er wohnte oben, wir<span class="pagenum" id="Seite_8">[S. 8]</span> unten; der reine Einsiedler. Wollte man
-was von ihm, dann mußte man sich weeß Gott hinter Frieben stecken.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(am Ofen, wo sie anlegt)</span>: Ach, red doch nicht
-immer so!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Heiz Du lieber nich so unsinnig.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Ja, soll’s denn nicht warm werden?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Die ganze Hitze fliegt ja heut zum Schornstein
-’naus.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(unschlüssig, erbost)</span>: Ja, soll denn nu nicht
-angelegt werden?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Laß mich zufrieden!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(wirft die Kohlenschaufel geräuschvoll in den
-Kasten)</span>: Na, dann nicht! <span class="smaller">(wüthend links ab).</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Ach, Gustchen, bleibt da! <span class="smaller">(zu Fr. Scholz)</span> paß auf,
-ich werd’ sie schon wieder fidel machen <span class="smaller">(ihr nach, ab.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(resignirt)</span>: So sind meine Kinder alle! —
-nein, so ein Mädel wirklich! — und kein Halten. Bald möcht’ se das,
-bald jen’s. — Da fällt’s ihr uffemal ein .&#160;.&#160;.&#160;. da muß se lernen. Dann
-steckt se oben und red wochenlang ke Wort — dann kommt se sich wieder
-mal ganz überflüssig vor. — Ach Du mein Gott ja, Du bist zu beneiden!
-So’n liebes Dingelchen wie <em class="gesperrt">Deine</em> Tochter is .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Aber <em class="gesperrt">Gustchen</em> doch <em class="gesperrt">auch</em>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: So allerliebst, wie sie Clavier spielt, und diese
-reizende Stimme! wie gern <em class="gesperrt">ich</em> so ein paar <em class="gesperrt">Töne</em> höre! .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Warum spielst Du denn garnicht?</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_9">[S. 9]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: I! da käm ich scheen an, da wäre mein bischen Ruhe
-vollends hin. Auguste ist ja <em class="gesperrt">so</em> nervös .&#160;.&#160;.&#160;.! gerade wie ihr
-Vater, den konnte man auch jagen mit dem Clavierspiel.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Deinen <em class="gesperrt">Wilhelm</em> solltest Du jetzt spielen
-hören; <em class="gesperrt">der</em> hat sich vervollkommnet! — was wäre denn Ida ohne
-<em class="gesperrt">ihn</em>? von <em class="gesperrt">ihm hat</em> sie ja doch alles gelernt, was sie kann.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Ach ja, Du sagtest’s ja schon. Talentvoll ist er;
-davon is nicht die Rede. Es war ’ne Lust, ihn zu unterrichten.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ach und er denkt mit solcher Rührung an die Zeit
-zurück, wo sein Muttelchen ihm die Anfangsgründe beibrachte.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: So?! mein Gott ja, schöne Zeiten waren das ja auch.
-— .&#160;.&#160;. Damals dacht ich: — .&#160;.&#160;. Alles kommt anders .&#160;.&#160;.&#160;. — es regt mich
-doch sehr auf.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Es regt Dich .&#160;.&#160;.&#160;. was?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Nu, daß er kommt; wie sieht er denn jetzt
-eigentlich so aus?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Gut — dick — gesund — Du wirst Dich freuen über
-Deinen Sohn.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Ich muß mich wirklich wundern, daß der Junge
-kommt. Mei Herz hat mir manchmal richtig weh gethan; und was ich blos
-für Papier verschrieben hab’. Nich mal geantwortet hat er seiner
-alten Mutter. Wie hast Du ihn nur dazu gebracht? das kann ich nich
-<em class="gesperrt">begreifen</em>, das <em class="gesperrt">kann</em> ich nich begreifen.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_10">[S. 10]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ich? o nein, Ida hat das über ihn vermocht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Robert kümmert sich ja auch nicht viel um uns, aber
-er kommt doch wenigstens alle Jahr einmal um die Weihnachtszeit ein
-paar Tage. Das lobt man sich doch! aber Wilhelm .&#160;.&#160;.&#160;. sechs volle Jahre
-ist er nich hiergewesen: er und mein Mann sechs volle Jahre! Kommt sie
-denn mit ihm aus?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ida? sehr gut, in jeder Hinsicht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Das ist aber doch zu wunderlich Du kannst Dir
-nämlich nich denken, <em class="gesperrt">wie</em> verschlossen der Junge immer war, ganz
-wie der Vater. Keinen Spielkameraden, keinen Schulfreund, kein Nichts
-hatte er.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ja, ja, so war er anfänglich auch uns gegenüber.
-— Er wollte durchaus nicht anders als zu den Clavierstunden unser Haus
-betreten.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Na und dann is er doch gekommen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Das heißt .&#160;.&#160;.&#160;. ja. Er sagte; wir sollten ihn nur
-vorläufig in Ruhe lassen, und wenn er so weit wäre, dann würde er schon
-selbst kommen. Wir waren so vernünftig, ihm seinen Willen zu lassen,
-und richtig, nachdem wir ein halbes Jahr gewartet — eigentlich schon
-<em class="gesperrt">nicht mehr</em> gewartet — kam er. Von da ab Tag für Tag. Da ist es
-denn nach und nach so ganz anders geworden.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_11">[S. 11]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Ihr müßt hexen können. Die Verlobung <em class="gesperrt">allein</em>
-schon ist ja ein ganz unbegreifliches Wunder für sich.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Mit Künstlern muß man umzugehen wissen. Ich hab’s
-gelernt, — mein seliger Mann war auch einer.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Und — die — Geschichte mit — Vater? — hat er
-Euch auch in — diese Geschichte eingeweiht?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: N—ein liebe Freundin. — Siehst Du, das ist der
-allereinzigste Punkt, das ist .&#160;.&#160;.&#160;. In diesem Punkt hat er sich noch
-nicht überwinden können. Es läge ja nichts daran, aber Du kannst mir
-glauben, er leidet an der Erinnerung furchtbar. Bis auf den heutigen
-Tag leidet er. Nicht am wenigsten freilich dadurch, daß er die Sache
-geheim hält. Jedenfalls muß er darüber hinweg kommen, auch über diese
-Sache.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: I’ Gott bewahre — nee, nee, nee, Alles was recht
-is. Ehre Vater und Mutter: die Hand, die sich gegen den eigenen
-Vater erhebt .&#160;.&#160;.&#160;. aus dem Grabe wachsen solche Hände. Wir haben uns
-gezankt, ja doch! wir haben beide Fehler mei Mann und ich; aber das
-sind <em class="gesperrt">unsre</em> Sachen. Kein Mensch hat sich da ’neinzumischen, am
-wenigsten der eigne Sohn. — Und wer hat die Sache ausbaden müssen?
-natürlich ich. So ’ne alte Frau die hat ’n breiten Puckel. Mei Mann
-ging aus dem Hause, noch am selbigen Tage, und eine halbe Stunde
-später auch Wilhelm. Da half kein<span class="pagenum" id="Seite_12">[S. 12]</span> reden. Erst dachte ich, sie würden
-wiederkommen, aber wer nicht kam, das waren sie. Und Wilhelm allein,
-kein andrer Mensch is Schuld d’ran, kein andrer Mensch.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Wilhelm mag eine schwere Schuld haben, davon bin
-ich überzeugt, aber sieh mal, wenn man Jahre lang gebüßt hat und
-— — —</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Ne, ne! i Gott! wo denkst Du hin?! darüber kann
-man nich so leicht hinweggehen. Das wäre noch schöner! es ist ja sehr
-schön von Dir, daß Du Dich des Jungen so angenommen hast, — es ist ja
-auch sehr hübsch, daß er kommt, ja warum denn nicht? Aber im Grunde,
-was nützt das alles? so leicht sind die Klüfte nicht auszufüllen.
-— Ja, ja, es sind Klüfte, — richtige — tiefe Klüfte zwischen uns
-Familiengliedern.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ich glaube doch, daß wir Menschen mit dem festen,
-ehrlichen Willen .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Der Wille, der Wille! geh mer nur damit! das kenn
-ich besser. Da mag man wollen und wollen und hundertmal wollen, und
-Alles bleibt doch beim Alten. Ne, ne! das ist ’n ganz andrer Schlag
-Deine Tochter: die is so, und Wilhelm is so, und beide bleiben, wie sie
-sind. Viel zu gutte Sorte für Einen von uns, viel, viel zu gutt. —
-Gott ja der Wille der Wille! — ja ja Alles gutter Wille — Dein Wille
-ist sehr gutt, aber ob Du damit was erreichen wirst —? ich glaube
-nicht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Aber ich hoffe es um so fester.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_13">[S. 13]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Kann ja alles sein. Ich will ja nichts verderben.
-Im Grunde freue ich mich ja auch von ganzem Herzen auf den Jungen, nur
-regt es mich sehr, sehr auf und paß auf: Du stellst es Dir viel zu
-leicht vor.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(links hereinkommend zu Fr. Scholz, zuthunlich)</span>:
-Schwiegermütterchen, sie vergoldet Nüsse.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Es wird Zeit Idchen! Du mußt Dich hübsch machen.
-Er kann jetzt jeden Augenblick hier sein.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(erschrocken)</span>: Soo? schon?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Ach macht ok keene Geschichten! für den Jungen is
-sie viel zu schön.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ich hab Dir das Blaue zurechtgelegt <span class="smaller">(Ida’n
-nachrufend)</span> und steck die Broche an, hörst Du! <span class="smaller">(Ida ab)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(fortfahrend zu Fr. Scholz)</span>: Auf Schmuck
-giebt sie garnichts.</p>
-
-<p><span class="smaller">(Das Außenportal des Hauses geht.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Wart .&#160;.&#160;.&#160;. wer? .&#160;.&#160;.&#160;. <span class="smaller">(zu Fr. Buchner)</span> thu mer
-den Gefallen Du .&#160;.&#160;.&#160;. ich kann ihn jetzt noch nicht sehen, ich .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(an der Treppenthür hinaufrufend)</span>: Ida! Dein
-Wilhelm kommt.</p>
-
-<p><span class="smaller">(<span class="antiqua">Dr.</span> Scholz tritt ein durch die Glasthür.)</span></p>
-
-<p><span class="smaller"><span class="antiqua">Dr.</span> Scholz ist ungewöhnlich groß, breitschultrig, stark
-aufgeschwemmt. Gesicht fett, Teint grau und unrein, die Augen
-zeitweilig wie erstorben, zuweilen lackartig glänzend, vagirender,
-Blick. Er hat einen grauen und struppigen Backenbart. Seine Bewegungen
-sind schwerfällig und zitterig. Er spricht unterbrochen<span class="pagenum" id="Seite_14">[S. 14]</span> von keuchenden
-Athemzügen, als ob er Mehl im Munde hätte und stolpert über Silben.</span></p>
-
-<p><span class="smaller">Er ist ohne Sorgfalt gekleidet: ehemals braune, verschossene
-Sammetweste Rock und Beinkleider von indifferenter Färbung. Mütze
-mit großem Schild, steingrau, absonderlich in der Form. Rohseidnes
-Halstuch. Wäsche zerknittert. Zum Schnäuzen verwendet der Doctor ein
-großes, türkisches Taschentuch. Er führt bei seinem Eintritt ein
-spanisches Rohr mit Hirschhornkrücke in der Rechten, hat einen großen
-Militär-Reisehavelock umgehängt und trägt einen Pelzfußsack über den
-linken Arm.</span></p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: <span class="antiqua">Servus! servus!</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(den Doctor wie eine überirdische Erscheinung
-anstarrend)</span>: Fritz! — —</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Ja wie Du sehen kannst.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(mit einem Schrei ihren Mann umhalsend)</span>:
-Fritz!!! — — —</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(öffnet die Thür links, fährt zugleich zurück)</span>:
-Der Vater!</p>
-
-<p><span class="smaller">(Fr. Buchner mit starrem Ausdruck rückwärts schreitend, ab durch
-linke Seitenthür.)</span></p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Ich bin’s, wie Du siehst. Vor allem, Du: ist
-Friebe da?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em> <span class="smaller">(guckt durch die Küchenthür, erschrickt, kommt
-vollends hervor)</span>: Herr Doctor!! <span class="smaller">(er stürzt auf ihn zu, faßt und
-küßt seine beide Hände)</span> nu bitt’ ick eenen Menschen! Jott soll
-mir’n Thaler schenken!</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Pssst! — sehen Sie mal nach — schließen
-Sie die Hausthür fest <span class="smaller">(Friebe nickt und vollführt den Befehl mit
-freudigem Eifer.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(vor Staunen außer sich)</span>: Aber sag mer nur
-Fritz! sag mer nur .&#160;.&#160;.&#160;. die Gedanken<span class="pagenum" id="Seite_15">[S. 15]</span> fliegen mer davon, <span class="smaller">(ihn
-weinend umhalsend)</span> ach Fritz! was hast Du mir für Kummer gemacht in
-der langen Zeit!</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(seine Frau sanft zurückdrängend)</span>: Ach,
-Du .&#160;.&#160;.&#160;. mein Leben ist auch .&#160;.&#160;.&#160;. wir wollen uns doch lieber nicht von
-Anfang an mit Vorwürfen .&#160;.&#160;.&#160;. Du bist doch immer die alte wehleidige
-Seele, <span class="smaller">(mit gelinder Bitterkeit)</span> übrigens würde ich Dich sicher
-nicht belästigt haben, wenn nicht .&#160;.&#160;.&#160;. <span class="smaller">(Friebe nimmt ihm Mantel,
-Fußsack etc. ab.)</span> Es giebt Lebenslagen, liebe Minna .&#160;.&#160;.&#160;. wenn man
-wie ich einflußreiche Gegner hat.</p>
-
-<p><span class="smaller">(Friebe ab durch den Treppenausgang, mit den Sachen des Doctor.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(gutmüthig schmollend)</span>: Es hat Dich doch
-Niemand geheißen Fritz! Du hatt’st doch hier ’n sichres, warmes
-Zuhause. So schön hätt’st Du leben können!</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Sei nicht böse, aber: daß verstehst Du nicht!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Na ja; ich bin ja nur ’ne einfache Person, das mag
-ja möglich sein, aber Du warst ja wirklich auf Niemand angewiesen, es
-war doch garnicht nöthig, daß Du .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Pssst, es war sehr nöthig <span class="smaller">(halbwegs
-geheimnißvoll)</span> auf Schuld folgt Sühne, auf Sünde folgt Strafe.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Na ja — freilich Fritz — es hat wirklich auch
-viel an Dir mitgelegen <span class="smaller">(sie wirft von jetzt ab bis zum Schluß
-des Gesprächs fortwährend ängstliche Blicke nach der Hausthür, als
-befürchte sie jeden Augenblick<span class="pagenum" id="Seite_16">[S. 16]</span> die Ankunft Wilhelms)</span>, wir hätten
-doch so ruhig — so zufrieden .&#160;.&#160;.&#160;. wenn Du nur gewollt hätt’st.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: <em class="gesperrt">Alles</em> hat an mir gelegen, ganz und gar
-<em class="gesperrt">Alles</em>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Da bist Du nu auch wieder ungerecht.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: I! ich will ja auch nicht bestreiten: viel
-Gemeinheit hat sich verbunden gegen mich; das ist ja bekannt: — zum
-Beispiel denke Dir: in den Hotels — die Kellner — keine Nacht konnte
-ich durchschlafen, hin und her, hin und her auf den Corridoren und
-gerade immer vor <em class="gesperrt">meiner</em> Thür.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Aber sie werden Dich doch am Ende nicht
-<em class="gesperrt">absichtlich</em> gestört haben.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Nicht? — Du, hör mal, das verstehst Du nicht!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Na es kann ja sein; die Kellner sind ja mitunter
-niederträchtig.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Niederträchtig! ja wohl, niederträchtig! —
-übrigens wir können ja später darüber reden. Ich habe etwas Kopfschmerz
-<span class="smaller">(faßt nach dem Hinterkopf)</span> da! Auch so eine Infamie! ich weiß
-ganz gut, wem ich das zu verdanken habe .&#160;.&#160;.&#160;. ich will mich nur noch
-vergewissern, ob ich sie durch einen gesunden Schlaf vertreibe. Ich bin
-<em class="gesperrt">sehr</em> müde.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Aber oben ist nicht geheizt! Fritz.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Denk Dir mal an, in einer Tour von Wien.
-Nicht geheizt? macht nichts: Friebe besorgt das schon. — Sag mal,
-wie steht’s mit<span class="pagenum" id="Seite_17">[S. 17]</span> Friebe? — was ich fragen wollte? ist er noch so
-zuverlässig?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Friebe is, wie er immer war.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Das dacht ich mir doch! — auf Wiedersehen!
-<span class="smaller">(nachdem er seiner Frau die Hand gedrückt, wendet er sich mit tief
-nachdenklichem Ausdruck und schreitet auf den Treppenausgang zu. Den
-Tannenbaum bemerkend, bleibt er stehen und starrt ihn verloren an.)</span>
-Was heißt denn das?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: <span class="smaller">(zwischen Furcht, Beschämung und Rührung)</span>:
-Wir feiern Weihnachten!</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Feiern? — — <span class="smaller">(nach einer langen Pause, in
-Erinnerung verloren)</span> das — ist — lange — her! <span class="smaller">(sich wendend
-mit echter Empfindung redend)</span> Du bist <em class="gesperrt">auch</em> weiß geworden.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Ja Fritz, — wir beide .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(nickt, wendet sich weg. Ab durch den
-Treppenausgang)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(hastig von links)</span>: Also Dein Mann ist
-wieder da?!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Daß is wie so .&#160;.&#160;.&#160;. wie wenn .&#160;.&#160;.&#160;. ich weeß nich!
-Jesus, was soll ich nur davon denken?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Daß es eine Schickung ist, liebe Freundin! für die
-wir alle dankbar sein müssen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Ach, der sieht aus! — <em class="gesperrt">der</em> hat gelebt! So
-ein Leben, wie der geführt haben mag: von einem Land in’s andre, von
-einer Stadt .&#160;.&#160;.&#160;. ach! der hat eingelegt!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(will die Treppe hinauf)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(erschreckt)</span>: Wo denn hin?</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_18">[S. 18]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ida von dem freudigen Ereigniß verständigen!
-<span class="smaller">(ab durch den Treppenausgang)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: O Gott ja! ne ne, wo denkst Du hin! Das dürf’n
-mer ’n nich merken lassen! Da kenn ich meinen Mann zu gutt! wenn der
-rauskriegt, daß noch Jemand außer ihm oben wohnt .&#160;.&#160;.&#160;. da käm ich schön
-an!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(schon auf der Treppe)</span>: Ich werd’ schon ganz
-leise .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Nur ganz leise! das wär’ so was!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ganz leise geh ich.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: O Gottogott! nur schon <em class="gesperrt">ja</em> ganz leise!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(außer Fassung)</span>: Na natürlich! was soll man
-nu machen? und nu der Wilhelm noch. Todtenangst hab ich ausgestanden.
-Wenn er nu mit Vater zusammengetroffen wäre? Jeden Augenblick konnte er
-eintreten. Was werde ich alte Frau noch Alles erleben müssen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Ein zu merkwürdiges Gefühl, Mama, zu merkwürdig! Man
-hatte sich so daran gewöhnt. — Wie wenn ein Todter nach Jahren wieder
-aufsteht. Ich hab Angst, Mama.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Am Ende ist er mit seinem Gelde alle geworden?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Na das wäre doch .&#160;.&#160;.&#160;.! meinswegen! das wäre noch das
-letzte.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Na auf welche Weise wir dann blos auskommen sollten
-.&#160;.&#160;. da könnten wir nur gleich betteln geh’n.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_19">[S. 19]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(in Toilette von oben, freudig. Augusten die Hand
-drückend, innig.)</span> Gustchen! also wirklich?! ach das freut mich.
-<span class="smaller">(Frau Scholz und Auguste peinlich berührt).</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(aus einer der Thüren links. Er ist mittelgroß,
-schmächtig, im Gesicht hager und blaß. Seine Augen liegen tief und
-leuchten zuweilen krankhaft. Schnurr- und Kinnbart. Er raucht aus einer
-Pfeife mit ganz kurzem Rohr türkischen Taback.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(leichthin)</span>: Es wird ungemüthlich bei Dir Mutter!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Nanu fängt der <em class="gesperrt">auch</em> noch an!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Meinswegen <span class="smaller">(verstohlen, scheele Blicke auf Idas
-Toilette)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(zu Ida die ihn angeblickt hat)</span>: Ja, so bin ich
-nun mal, Fräulein Ida!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(schüttelt ungläubig den Kopf)</span>:. Nein — nein.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Wieso nicht? — Ich halte es nicht für der Mühe werth,
-’n paar gleichgültige Gefühle zu heucheln. — Wirklich nicht!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Nein — nein.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(ausbrechend)</span>: Du bist empörend, Robert!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Nicht mit Absicht. Empöre sich Niemand!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Meinswegen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Na item.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Item, item — Quatsch!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(mit geheucheltem Erstaunen)</span>: Verzeih’, — ich
-glaubte .&#160;.&#160;.&#160;. aber Du hältst ja nichts mehr auf äußere Reize.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(schlichtend)</span>: Ach Herr Robert .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_20">[S. 20]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ja — soll ich mich denn nicht meiner Haut .&#160;.&#160;.&#160;.?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(von Thränen halb erstickt)</span>: Ganz Du! — ganz
-Du! Dein ganzes .&#160;.&#160;.&#160;. mein Alter .&#160;.&#160;.&#160;. geradezu perfid! — Frau Buchner!
-das soll nicht gemein sein? — mir .&#160;.&#160;.&#160;. ich — die ich hier gesessen
-hab .&#160;.&#160;.&#160;. bei der Mutter hier — die schönste .&#160;.&#160;.&#160;. schönste Zeit meines
-.&#160;.&#160;.&#160;. Lebens verbracht, während Ihr .&#160;.&#160;.&#160;. ich .&#160;.&#160;.&#160;. geradezu wie eine
-Dienstmagd .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Das klingt sehr echt, — in der That! — geh doch zur
-Bühne! — <span class="smaller">(mit verändertem Ton, brutal)</span> mach keine schlechten
-Scherze! hör mal: Du und der Märtyrernimbus, das wirkt einfach putzig.
-Du bist eben wo anders noch weniger auf Deine Rechnung gekommen, als zu
-Hause, das ist die Wahrheit!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Mutter! Du bist Zeuge: hab ich nicht drei Anträge
-abgewiesen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Hui! Wenn Mutter nur mit dem nöthigen Gelde rausgerückt
-hätte, dann hätten Dich die Herren gewiß mit in Kauf genommen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Geld? <span class="smaller">(auf Robert zutretend, ihm die Hand
-hinhaltend)</span> da nimm ein Küchenmesser! — schneid mir’s raus!
-schneid mir das Geld aus der Hand!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: <em class="gesperrt">Sie mich?</em> willst Du die Absagebriefe sehen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(unterbechend)</span>: Kinder! <span class="smaller">(sie macht eine
-Bewegung, als ob sie ihre Brust für den Todesstoß entblößen wollte)</span>
-da hier! — macht mich doch lieber<span class="pagenum" id="Seite_21">[S. 21]</span> gleich todt! habt ihr denn nich
-<em class="gesperrt">so</em> viel Rücksicht für mich? nich <em class="gesperrt">so</em> viel? — wie .&#160;.&#160;.&#160;.?
-großer Gott nich fünf Minuten .&#160;.&#160;.&#160;. ich weiß nich, was das blos für
-Kinder .&#160;.&#160;.&#160;., nich fünf Minuten halten sie Frieden.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Na ja freilich! ich sag ja schon: — es wird eben wieder
-ungemüthlich.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em> <span class="smaller">(geschäftig aus dem oberen Stockwerk. Er flüstert
-Fr. Scholz etwas zu, worauf hin diese ihm einen Schlüssel einhändigt.
-Friebe ab in den Keller)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(hat stillstehend den ganzen Vorgang beobachtet. Im
-selben Augenblick, als Friebe in der Kellerthür verschwindet)</span>: Aha!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(hat ihrerseits Robert im Auge behalten. Nun bricht
-sie aus, entrüstet)</span>: Pietätlos bist Du — durch und durch.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Na item.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Aber Du spielst Komödie; Du lügst ganz erbärmlich, und
-das ist das Widerwärtige daran!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: In Hinsicht auf Vater meinst Du?!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Allerdings in Hinsicht auf Vater.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> — <span class="smaller">(achselzuckend)</span>: — Wenn Du meinst .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Ja — das .&#160;.&#160;.&#160;. das .&#160;.&#160;.&#160;. ja — denn — wenn es anders
-wäre, dann .&#160;.&#160;.&#160;. ja .&#160;.&#160;.&#160;. dann wärst Du ein Wicht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(dazwischen redend)</span>: Wird denn das irgend
-bald aufhören oder was .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(gleichmüthig)</span>: Dann <em class="gesperrt">bin</em> ich ein Wicht.
-Nun, und?</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_22">[S. 22]</span></p>
-
-<p><span class="smaller">(Ida seit geraumer Zeit unruhig in Erwartung ab durch die
-Glasthür.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Pfui, schamlos!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Schamlos, ganz recht, das bin ich.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Herr Robert! ich glaube Ihnen nicht .&#160;.&#160;.&#160;. Sie sind
-besser, als Sie uns glauben machen wollen, — besser, als Sie selbst
-glauben sogar.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(mit gelindem, sich steigerndem Sarkasmus, kalt)</span>:
-Verehrte Frau Buchner! — es ist ja vielleicht äußerst liebenswürdig
-.&#160;.&#160;.&#160;. aber wie gesagt: — ich weiß nicht recht, wie ich zu der Ehre
-.&#160;.&#160;.&#160;. ja ich muß sogar Ihre Liebenswürdigkeit geradezu ablehnen. Meine
-Selbstachtung ist vorläufig wenigstens noch keineswegs so gering, daß
-ich Jemand nöthig hätte mich .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(in gelinder Verwirrung)</span>: Das ist ja auch
-garnicht meine Absicht. — Nur .&#160;.&#160;.&#160;. Ihr Vater — .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Mein Vater ist für mich ein <span class="antiqua">Doctor medicinae</span>
-Fritz Scholz.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Ja, ja, red’ nur!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Und wenn ich diesem Menschen nicht ganz so gleichgültig
-gegenüberstehe, als irgend einem X- oder Y-Narren, so liegt das
-<em class="gesperrt">da</em>ran, daß ich .&#160;.&#160;.&#160;. na <span class="antiqua">item</span> .&#160;.&#160;.&#160;. <span class="smaller">(er raucht)</span>
-weil ich .&#160;.&#160;.&#160;. na eben: ich bin eben gewissermaßen ein Produkt seiner
-Narrheit.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(gleichsam betäubt)</span>: Verzeihen Sie! — hier
-kann ich nun doch nicht mehr mit —<span class="pagenum" id="Seite_23">[S. 23]</span> So etwas wagen Sie auszusprechen!?
-mich überläuft es förmlich.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(zu Fr. Buchner)</span>: Laß gut sein, laß gut sein!
-Du wirst bei uns noch Dinge erleben .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Was das nun auch wieder heißen soll, Mutter! — wir
-sind, wie wir sind. Andre Leute, die wer weiß <em class="gesperrt">wie</em> thun, sind um
-nichts besser.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Es giebt in der That noch immer naive Seelen, die sich
-nicht wohl fühlen, wenn sie nicht an ihren Mitmenschen herumbessern und
-herumflicken können. Veralteter Zauber! — Zopf!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(Robert bei beiden Händen fassend,
-herzlich)</span>: Herr Robert! ich fühle mich im Dienste einer
-<em class="gesperrt">bestimmten</em> Sache. Das feit mich. Aus Herzensgrund: Sie haben
-mich nicht beleidigt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(ein wenig aus der Fassung)</span>: Sie sind eine
-<em class="gesperrt">merkwürdige</em> Frau.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em> <span class="smaller">(kommt aus dem Keller. Er trägt in der linken Hand
-drei Flaschen Rothwein — und zwar so, daß die Finger geklemmt sind —
-unter der linken Achselhöhle eine Flasche Cognac. Mit der rechten Hand
-hält er die Kellerschlüssel. Zu Fr. Scholz tretend, geschäftig)</span>:
-Nun man fix die Cigarren!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Gott ja, Friebe! ich weiß ja garnicht .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Im Schreibtisch, Mutter.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Ach so .&#160;.&#160;.&#160;. <span class="smaller">(sie nimmt das Schlüsselbund und
-sucht fahrig nach dem rechten Schlüssel)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Du kennst doch den Schreibtischschlüssel.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_24">[S. 24]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Mit gradem Bart.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Richtig! — wart! .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Gieb mal .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Wart nur, wart! — hier! ach nein doch! — ich bin
-ganz verwirrt. <span class="smaller">(Robert das Bund hinreichend.)</span> Da.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(den richtigen Schlüssel abziehend und Friebe
-hinreichend)</span>: Da — Lassen Sie Sich meines Vaters Cigarren gut
-schmecken.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em>: Na ooch noch! det krijt den ollen Zacken den janzen Tach
-nich aus de Kinnladen <span class="smaller">(es wird stark an der Klingel gerissen)</span>
-komm schon! <span class="smaller">(Friebe ab nach oben.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Da wird der Wein bald alle werden .&#160;.&#160;.&#160;. Großer Gott,
-wohin soll das führen? der viele Wein! immer die theuren, schweren
-Cigarren! ich sag ja, er wird sich noch zu Grunde richten.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Das muß Jedem unbenommen bleiben.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Was meinen Sie?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Sich auf seine eigne Art zu vergnügen. Ich wenigstens
-würde mir dieses Recht auf keine Weise verkümmern lassen. Selbst nicht
-durch Gesetze. Sonderbar übrigens! —</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Wie? .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Sonderbar! —</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Weshalb betrachten Sie mich so eingehend? ist es
-an mir, — das Sonderbare?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Wie man’s nimmt. Sie sind mehrere Tage bei uns und
-denken noch immer nicht an’s Abreisen.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_25">[S. 25]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: So’n Gerede!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Das hört nich auf! <span class="smaller">(schüttelt verzweifelt den
-Kopf).</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(mit brutaler Heftigkeit)</span>: Na Mutter, ist es
-etwa nicht wahr? — Hat es bei uns irgend ein Fremder je länger als
-einen halben Tag ausgehalten? — haben sie sich nicht alle von uns
-zurückgezogen, Nitzssches, Lehmann’s .&#160;.&#160;.&#160;.?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Als ob wir auf fremde Leute angewiesen wären. —
-Meinswegen! wir sind uns selber genug .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ja, vollauf wirklich: <span class="smaller">(brutal im Ton)</span> ich saaage
-Ihnen, Frau Buchner! in Gegenwart wildfremder Menschen kamen sie
-sich derart in die Haare, daß die Fetzen flogen. Die Mutter riß das
-Tischtuch herunter, der Vater zerkeilte die Wasserflasche. — Heiter!
-nicht? — heitre Scenen, heitre Kindheitseindrücke!?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Du solltest Dich verkriechen vor Scham, gemeiner
-Mensch! <span class="smaller">(schnell ab.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Siehst Du nu? daran bin ich nu seit Jahrzehnten,
-seit Jahrzehnten gewöhnt! <span class="smaller">(ab in Bewegung.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(unbeirrt fortfahrend)</span>: Kein Wunder allerdings.
-Ein Mann von vierzig heirathet ein Mädchen von sechzehn und schleppt
-sie in diesen weltvergessenen Winkel. Ein Mann, der als Arzt in
-türkischen Diensten gestanden und Japan bereist hat. Ein gebildeter,
-unternehmender Geist. Ein Mann, der noch eben die weittragendsten
-Projekte schmiedete, thut sich<span class="pagenum" id="Seite_26">[S. 26]</span> mit einer Frau zusammen, die noch vor
-wenigen Jahren fest überzeugt war, man könne Amerika als Stern am
-Himmel sehen. Ja wirklich! ich schneide nicht auf. Na und darnach ist
-es denn auch geworden: ein stehender, fauler, gährender Sumpf, dem wir
-zu entstammen das zweifelhafte Vergnügen haben. Haarsträubend! Liebe —
-keine Spur. Gegenseitiges Verständniß — Achtung — nicht Rühran — und
-dies das Beet, auf dem wir Kinder gewachsen sind.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Herr Robert! ich möchte Sie recht sehr bitten .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Schön! — am Reden liegt mir garnichts. Die Geschichte
-ist außerdem .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Nein, nein. Ich möchte Sie nur um etwas bitten; es
-eilt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Bitten? — mich?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Könnten Sie’s nicht <em class="gesperrt">mir</em> zu Liebe thun .&#160;.&#160;.&#160;.
-könnten Sie nicht .&#160;.&#160;.&#160;. Wäre es denn garnicht möglich .&#160;.&#160;.&#160;. Könnten Sie
-nicht für diesen Abend einmal Ihre Maske ablegen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Sehr gut! — Maske ablegen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ja, denn es ist wirklich nicht Ihr wahres Gesicht,
-was Sie herauskehren.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Was Sie sagen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Versprechen Sie mir, Herr Robert .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Aber ich weiß ja garnicht .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Wilhelm .&#160;.&#160;.&#160;. Ihr Bruder Wilhelm kann jeden
-Augenblick kommen und .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(unterbrechend)</span>: Frau Buchner! wenn —<span class="pagenum" id="Seite_27">[S. 27]</span> Sie —
-mir — doch — glauben wollten! Ihre Bemühungen — ich versichere Sie
-— sind ganz umsonst. Dies alles führt zu nichts — zu garnichts.
-Wir sind alle von Grund aus verpfuscht. Verpfuscht in der Anlage,
-vollends verpfuscht in der Erziehung. Da ist nichts mehr zu machen. Es
-sieht Alles recht gut aus: Weihnachtsbaum — Lichter — Geschenke —
-Familienfest, aber es ist doch nur obenhin; eine gequälte, plumpe Lüge
-— weiter nichts! — Und nun gar noch der Vater. Wenn ich nicht wüßte,
-wie unzugänglich er ist — auf Ehre! ich würde glauben, Sie hätten ihn
-hierher gebracht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Bei Gott, nein! das gerade hat meine Hoffnung
-belebt. Das kann kein Zufall sein, das ist Fügung. Und deshalb aus
-Grund meiner Seele: seien Sie freundlich und gut zu Ihrem Bruder! Wenn
-Sie wüßten, wie gut er von Ihnen spricht, mit welcher Liebe und Achtung
-.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(unterbrechend)</span>: Ja, und der Zweck?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Wie.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Weshalb soll ich zu ihm freundlich und gut sein?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Das fragen Sie?!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ja.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Nun — doch wohl zunächst, um ihm die Rückkehr
-in’s Elternhaus nicht von vornherein zu verleiden.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: O, wir tangiren einander nicht, wie Sie zu glauben
-scheinen, und — übrigens, wenn Sie<span class="pagenum" id="Seite_28">[S. 28]</span> meinen, daß sich seiner beim
-Eintritt in diese Räume etwa eine subtile Rührung bemächtigen wird .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ihr Bruder ist ein so guter, im Grunde so edler
-Mensch! — Er hat einen Riesenkampf gekämpft, bevor er sich zu diesem
-Schritt entschloß. Ich kann Ihnen die Versicherung geben, er kommt mit
-dem heißen Wunsche einer Aussöhnung.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ich begreife garnicht, was das heißen soll! Aussöhnen?!
-mit was will er sich denn aussöhnen? Ich verstehe so was garnicht. Wir
-verstehen uns doch sonst untereinander so ziemlich, wir Geschwister.
-Das ist mir ganz neu. Ich habe ihm nichts vorzuwerfen. Andererseits
-sind Thatsachen nicht zu vertuschen. — Ich frage Sie: Glauben Sie, daß
-ich besondere Hochachtung vor meinem Vater empfinde —? Nicht wahr?
-nein —? Oder lieb’ ich ihn vielleicht? — Empfinde ich vielleicht
-kindliche Dankbarkeit? — Nun sehen Sie, zu alledem habe ich auch nicht
-den mindesten Grund. Wir sind uns gegenseitig zeitlebens im besten
-Falle Luft gewesen. — Zu Zeiten, als wir uns gegenseitig für unser
-Unglück verantwortlich machten, haben wir uns sogar geradezu gehaßt.
-— Nun, zwischen Vater und Wilhelm ist dieser selbe Haß ausgeartet.
-Das ist mir durchaus begreiflich. Wenn ich nicht wie Wilhelm verfahren
-bin, so ist das vielleicht Zufall. Also, ich habe nichts gegen ihn, —
-notabene, wenn ich ihn nicht sehe. Seh’ ich ihn aber, dann geht alle
-meine Ueberlegung zum Teufel, dann bin ich etwas .&#160;.&#160;.&#160;. etwas .&#160;.&#160;.&#160;. na,
-wie soll ich sagen? dann .&#160;.&#160;.&#160;.<span class="pagenum" id="Seite_29">[S. 29]</span> dann seh’ ich eben nur den Menschen,
-der <em class="gesperrt">meinem</em> Vater — nicht seinem, sondern meinem Vater — in’s
-Gesicht geschlagen hat.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: O du großer Gott!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Und da steh’ ich für garnichts ein, durchaus für
-garnichts.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: O du großer Gott! das also ist es. — Geschlagen,
-sagten Sie? — in’s G—esicht? — seinen <em class="gesperrt">eignen</em> Vater?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Na item. —</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(halb von Sinnen)</span>: O du großer Gott! o du
-großer Gott! aber — dann .&#160;.&#160;.&#160;. dann kann ich ja .&#160;.&#160;.&#160;. dann muß ich ja
-auf der Stelle mit Ihrem guten, alten Vater reden, dann .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(tief erschrocken)</span>: Mit wem?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(halb weinend)</span>: Mit Ihrem guten, alten,
-armen, gemißhandelten Vater.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(sucht sie festzuhalten)</span>: Um Himmelswillen, mit
-wem wollen Sie .&#160;.&#160;.&#160;.?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Lassen Sie mich! ich muß, muß. <span class="smaller">(ab durch den
-Treppenausgang.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(ihr nachrufend)</span>: Frau Buchner! <span class="smaller">(sich
-wendend)</span> Hysterie, verdammte!</p>
-
-<p><span class="smaller">(Er zuckt mit den Achseln und durchmißt den Raum; mehrmals noch
-nimmt er plötzlich einen Anlauf, wie um ihr nachzueilen, ändert aber
-jedesmal seinen Entschluß, giebt ihn schließlich ganz auf und beruhigt
-sich gewaltsam bis zu einem Stadium scheinbaren Gleichmuths. In diesem
-Stadium beschäftigt ihn anfänglich seine Tabakspfeife: er klopft sie
-aus, füllt sie mit neuem Tabak, den er einem Beutel entnimmt, setzt
-sie in Brand und scheint mehrere Augenblicke dem Genuß des Rauchens
-ganz allein<span class="pagenum" id="Seite_30">[S. 30]</span> hingegeben. Sein Interesse fängt in der Folge an, sich dem
-Christbaum und den Geschenken auf der Tafel zuzuwenden, breitbeinig
-davorstehend und Alles überblickend lacht er, die Pfeife im Munde,
-wiederholt bitter auf. Plötzlich stutzt er dann und beugt sich,
-nachdem er die Pfeife in die Hand genommen, tief über die Tafel. Sich
-aufrichtend, scheint er jetzt erst die Entdeckung zu machen, daß er
-allein ist. Scheu wie ein Dieb umherblickend, beugt er sich abermals,
-ergreift mit Hast die gelbseidne Geldbörse, führt sie den Augen
-näher und mit einer jähen leidenschaftlichen Bewegung an die Lippen.
-Dieser Moment zeigt das Aufblitzen einer unheimlichen, krankhaften
-Leidenschaftlichkeit. Ein Geräusch stört ihn. Augenblicklich liegt die
-Börse an ihrem alten Platz. Auf den Zehen gehend, sucht Robert sich
-davon zu schleichen. Im Begriff durch die erste Seitenthür links zu
-verschwinden, bemerkt er, wie durch die Nebenthür seine Mutter, Frau
-Scholz, eintritt, und steht seinerseits still.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(geht schwerfällig aber eilig quer durch den Saal
-bis zum Treppenausgang; hier horcht sie)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(sich zurückwendend)</span>: Sag’ mal, Mutter! — was
-<em class="gesperrt">will</em> denn eigentlich diese Frau?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(erschreckt)</span>: O Gottogottogott!! — Du
-erschrickst ein’n aber auch .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Was .&#160;.&#160;.&#160;. w .&#160;.&#160;.&#160;. was beab .&#160;.&#160;.&#160;. was die Buchner hier
-eigentlich beabsichtigt, möchte ich gerne wissen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Wenn ich lieber wüßte, — was der Vater .&#160;.&#160;.&#160;. Was
-will er denn eigentlich? ja — sag’ mir! — was — will er?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Na, die Unterkunft wirst Du ihm doch wohl nicht
-verweigern wollen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(halb weinerlich trotzend)</span>: Ich seh nicht
-ein, — so lange hat er mich nicht nöthig gehabt.<span class="pagenum" id="Seite_31">[S. 31]</span> Man war doch
-wenigstens sei’ eigner Herr. Nu wird’s wieder schön losgehen, das
-Gekujenire. Nu wird man woll uff seine alten Tage noch wie e kleenes
-Kind pariren müssen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Du mußt immer übertreiben! Es geht partout nicht anders:
-übertrieben muß werden.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Paß Du nur uff, wenn er morgen das leere Glashaus
-sehen wird. Ich kann doch für den Prast nicht extra eenen Gärtner
-halten!? — und die Ameisenkästen sind ooch weg. Meinswegen brauchen
-keene Blumen wachsen, man krigt doch blos Kopfschmerzen davon! Und
-erscht das Ungeziefer! — ich weiß nich, was er daran blos hat. Und
-deshalb muß man sich runterlumpen lassen. Das Halloh blos! ich ängst’
-mich schon zu Tode — — — — — — — — — — Ach ’s is nich mehr
-hibsch uff der Welt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(hat, während Frau Scholz noch redet, sich
-achselzuckend zum Gehen gewendet; nun steht er still und spricht
-zurück)</span>: Ist’s irgend früher mal hübscher gewesen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Nun <em class="gesperrt">das</em> — dächt ich!!!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: So? na dann muß das wohl <em class="gesperrt">vor</em> meiner Zeit gewesen
-sein. <span class="smaller">(ab durch die erste Thür links.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(schon wieder lauschend an dem
-Treppenausgang)</span>: Wenn ich zurückdenke .&#160;.&#160;.&#160;. oben wird ja gesprochen
-.&#160;.&#160;.&#160;. <span class="smaller">(sie schließt auf, sieht sich allein, horcht abermals unruhig
-und verschwindet schließlich — die Hand am Ohr — mit einem Gesicht
-voll Gram, Kummer und Neugier durch den Treppenausgang)</span>.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_32">[S. 32]</span></p>
-
-<p><span class="smaller">(<em class="gesperrt">Ida</em> und <em class="gesperrt">Wilhelm</em> durch die Glasthür. <em class="gesperrt">Wilhelm</em>:
-mittelgroß, kräftig, wohlaussehend. Blonder kurzgeschorener Kopf,
-Kleidung gutsitzend, nicht geckenhaft. Paletot, Hut, Reisetasche.
-Seine Linke ist um die Schultern Ida’s gelegt, die ihn ihrerseits mit
-dem rechten Arm umfaßt hält und den leise Widerstrebenden vorwärts
-drängt.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Siehst Du, nu bist Du drin! die Hauptsache ist nu schon
-überstanden.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(schwer aufseufzend)</span>: O nein, Du!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Du kannst mir glauben, Deine Mutter freut sich sehr, sehr
-auf Dich. Auch Gustchen <span class="smaller">(sie zieht ihm die Winterhandschuhe ab)</span>.
-Wo hast Du denn <em class="gesperrt">die</em> her?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Du kennst also nun meine — Mutter?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Alle, Schatz! — seit heute dutzen wir uns sogar.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Wie bist Du mit — ihnen zufrieden?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Seelensgute Menschen, das weißt Du ja selbst.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(von jetzt ab befangener mit jedem Augenblick,
-gedehnt und wie im Selbstgespräch redend)</span>: Merk—würdig <span class="smaller">(seine
-Augen haften an dem Christbaum, in den Anblick desselben versinkend,
-ist er unwillkürlich stehen geblieben)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(ihm den Paletot aufknöpfend)</span>: Aber Schatz! das ist
-doch nicht der erste Christbaum, den Du .&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Hier ja — und Du kannst, <em class="gesperrt">kannst</em> mir nicht
-nachfühlen — <em class="gesperrt">wie</em> sonderbar .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(ihm — was er mechanisch geschehen läßt — den Paletot
-abziehend)</span>: Bitte, bitte Willy! <span class="smaller">(den Paletot über’m Arm, Hut
-und Reisetasche in der Hand, vor ihm stehend).</span> Willy! — sieh mich
-an .&#160;.&#160;. <span class="smaller">(anfeuernd)</span> stark .&#160;.&#160;.&#160;.<span class="pagenum" id="Seite_33">[S. 33]</span> <span class="smaller">(einen Augenblick lang steht
-sie straff aufgerichtet, dann legt sie die Sachen schnell beiseite und
-kehrt zu Wilhelm zurück).</span> Du — hast mir ver—sprochen .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Hast Du mal .&#160;.&#160;.&#160;. Ida! .&#160;.&#160;.&#160;. hast Du mal .&#160;.&#160;.&#160;. ein
-Gruftgewölbe mit Kränzen und .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(erschrocken)</span>: Aber Wilhelm! <span class="smaller">(ihn stürmisch
-umarmend, außer sich)</span> das ist bös! das ist wirklich bös! das ist
-wirklich sehr, sehr bös.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(sie sanft zurückdrängend, mit unterdrückter
-Bewegung)</span>: Ach, dabei ist ja garnichts <span class="smaller">(kühl, abwesend)</span>. Sei
-gut, sei gut! .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Ach, wie Du doch bist!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(den Baum durchmusternd)</span>: Sonst — Alles — beim
-Alten .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Ida! — das mußt Du mir wirklich wirklich — anrechnen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Mir wird auf einmal so bange, Willy. Ob es am Ende nicht
-besser gewesen wäre .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Mutter hat ja gewiß nicht gewußt, daß es Dir
-so, <em class="gesperrt">so</em> schwer werden würde und ich .&#160;.&#160;. ich dachte ja nur .&#160;.&#160;.
-weil es Mutter sagte .&#160;.&#160;. ich wollte es ja garnicht. Aber nun .&#160;.&#160;. nun
-bist Du einmal so weit, nun sei auch .&#160;.&#160;.&#160;. hörst Du? .&#160;.&#160;.&#160;. thu mir die
-Liebe! .&#160;.&#160;.&#160;. ach <span class="smaller">(sie umarmt ihn)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(von Idas Armen ein wenig weiter hereingezogen, mit
-Zeichen tiefer, innerer Erschütterung)</span>: .&#160;. Jeder Schritt vorwärts
-.&#160;.&#160;.&#160;. was hab ich hier nicht Alles durchlebt!</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_34">[S. 34]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Nur nicht aufwühlen! nicht das Alte aufwühlen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Sieh mal! — jetzt wird mir doch klar — Deine
-Mutter hätte mir das <em class="gesperrt">nicht</em> rathen sollen. — Sie ist immer so
-zuversichtlich, so .&#160;.&#160;., ich hab’s ja gewußt, ich sagte es ihr — aber
-diese naive, felsenfeste Zuversicht .&#160;.&#160;.&#160;. hätt ich mich doch nur nicht
-verblenden lassen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Ach wie Du doch Alles schwer nimmst, Wilhelm! glaub mir,
-Du wirst morgen anders sprechen — wenn Du sie erst Alle wiedergesehen
-hast! .&#160;.&#160;.&#160;. Du bist dann doch wenigstens vor Dir selbst gerechtfertigt.
-Du hast bewiesen, daß es Dir ernstlich darum zu thun war, mit Deiner
-Familie in Frieden zu leben.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Wenn man so Alles wiedersieht, — die alten Plätze alle
-— Alles tritt so heraus —, so hervor, weißt Du! — die Vergangenheit
-kommt einem so nah, — so aufdringlich nah; man kann sich .&#160;.&#160;. förmlich
-wehrlos ist man.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(ihn weinend umhalsend)</span>: Wenn ich Dich so
-sehe, Wilhelm .&#160;.&#160;.&#160;. ach glaub nur ja nicht .&#160;.&#160;.&#160;. glaub doch nur um
-Himmelswillen nicht etwa, ich hätte Dich dazu gedrängt, wenn ich .&#160;.&#160;.&#160;.
-wenn ich auch nur geahnt hätte .&#160;.&#160;.&#160;. glaub doch <em class="gesperrt">das</em> nur nicht! Du
-thust mir ja so furchtbar leid.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ida! — zu Dir gesagt — ich kann Dich versichern,
-daß ich hier fort muß. — Offenbar! — ich bin diesem Ansturm nicht
-gewachsen — offenbar!<span class="pagenum" id="Seite_35">[S. 35]</span> — es ruinirt mich möglicherweise — auf immer.
-— Du bist ja ein Kind! — ein süßes, reines Kind, Ida — was weißt Du.
-— Gott sei ewig Dank, daß Du nicht einmal ahnen kannst, was mich .&#160;.&#160;.
-was der Mensch neben Dir .&#160;.&#160;.&#160;. zu Dir gesagt — Haß! Galle! — schon als
-ich hereintrat .&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Wollen wir gehen? wollen wir augenblicklich von hier
-fortgehen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ja, — denn — in dieser Umgebung — selbst Du! — ich
-unterscheide Dich kaum mehr von den Andern. — Ich verliere Dich! — es
-ist ein Verbrechen von mir, schon allein, daß <em class="gesperrt">Du hier</em> bist.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Wenn Du doch nur deutlich sein könntest, Wilhelm! es muß
-doch — hier etwas Furchtbares passirt sein, was .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Hier? ein Verbrechen! um so furchtbarer, weil es nicht
-als Verbrechen gilt. Man hat mir hier mein Leben gegeben und hier hat
-man mir dasselbe Leben — zu Dir gesagt — fast möchte ich sagen:
-systematisch verdorben — bis es mich anwiderte — bis ich daran trug,
-schleppte, darunter keuchte wie ein Lastthier — mich damit verkroch,
-vergrub, versteckte, was weiß ich — aber man leidet namenlos — Haß,
-Wuth, Reue, Verzweiflung — kein Stillstand! — Tag und Nacht dieselben
-ätzenden, fressenden Schmerzen <span class="smaller">(deutet auf die Stirn)</span> da! .&#160;.&#160;.&#160;.
-<span class="smaller">(deutet auf’s Herz)</span> und — auch — da!</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_36">[S. 36]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Was soll ich nur thun, Wilhelm? ich getraue mir garnicht
-mehr — Dir etwas zu rathen — ich bin so .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ihr hättet zufrieden sein sollen — daß ich glücklich
-so weit war, <em class="gesperrt">wie</em> ich war. — Es war ja Alles glücklich so weit
-abgeblaßt — jetzt erst erkenne ich, <em class="gesperrt">wie</em> weit <span class="smaller">(überwältigt
-von Erregung bricht er auf einen Stuhl zusammen)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(mit unterdrücktem Aufschrei)</span>: Wilhelm!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(in fliegender Hast durch den Treppenbogen. Auf
-Wilhelm zustürzend)</span>: Wilhelm, hören Sie mich, Wilhelm! — jetzt
-denken Sie an das, was wir gesprochen haben. Jetzt — wenn ich Ihnen
-so viel gelte .&#160;.&#160;.&#160;. Ich beschwöre Sie .&#160;.&#160;.&#160;. Jetzt zeigen Sie .&#160;.&#160;.&#160;. Ja
-ich fordre .&#160;.&#160;.&#160;. Ich verlange von Ihnen als Mutter meines Kindes .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.
-Wilhelm! .&#160;.&#160;.&#160;. Es liegt nun an Ihnen, — an Ihnen allein .&#160;.&#160;.&#160;. Wilhelm,
-Sie haben furchtbar gefehlt! — Sie haben eine furchtbare Schuld — Sie
-werden wieder froh werden. — Ich hab es gethan .&#160;.&#160;.&#160;. ich habe mit Ihrem
-Vater geredet, er .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(steif in die Höhe schnellend, mit starrem Ausdruck
-und lallender Stimme)</span>: V—Vater? — — wie? — m… mit m…einem
-V…ater? <span class="smaller">(er wankt, taumelt wie ein Blödsinniger und sucht seine
-Sachen zu ergreifen.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(tief erschrocken)</span>: Wil… W…</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(giebt durch Zeichen zu verstehen, man soll ihn nicht
-unterbrechen)</span>:</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_37">[S. 37]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Ach — Mutter — Wilhelm — .&#160;.&#160;. Du .&#160;.&#160;.&#160;. Du hättest ihm —
-das nicht — gleich sagen sollen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Wilhelm! sind Sie ein Mann?! Sie können uns doch
-nicht belogen haben. Wenn Sie noch einen Funken Liebe für uns, — für
-Ida .&#160;.&#160;. Ich fordre Sie auf .&#160;.&#160;. Ich, eine Frau .&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(wirft sich Wilhelm, der schon seine Sachen ergriffen
-hat, entgegen und hält ihn — indem sie ihn umschlingt — fest)</span>: Du
-darfst nicht fort, oder ich .&#160;.&#160;.&#160;. Mutter! wenn er geht — ich gehe mit
-ihm!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Warum — habt Ihr mir das verschwiegen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Nichts .&#160;.&#160;. Du mußt doch nicht gar so schlecht von uns .&#160;.&#160;.&#160;.
-Wir haben Dir nichts verschwiegen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Wir alle, Ihre Mutter, Ihre Schwester, wir waren
-alle ahnungslos, — eben so ahnungslos, wie Sie. Vor wenigen Minuten
-ist er angekommen — ohne sich vorher anzumelden; und, sehen Sie, da
-dachte ich gleich .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Wer — hat Ihnen <em class="gesperrt">das</em> — mitgetheilt?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(unter Thränen seine Hand ergreifend)</span>: Sie
-haben furchtbar, furchtbar gefehlt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Sie wissen also —?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ja, jetzt .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Alles?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ja Alles; — und, sehen Sie,<span class="pagenum" id="Seite_38">[S. 38]</span> daß ich Recht hatte,
-— daß Sie noch etwas mit sich herumschleppten? das <em class="gesperrt">war</em> das
-Geheimniß.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Sie wissen, daß ich .&#160;.&#160;.&#160;.?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(nickt bejahend)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Und Ida —? soll sie einem Menschen zum Opfer fallen,
-wie .&#160;.&#160;. wie ich bin, — des .&#160;.&#160;. weiß sie’s? .&#160;.&#160;. weißt Du’s — Ida —
-auch?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Nein Wilhelm — aber — ob ich das weiß oder nicht; — das
-ist wirklich ganz gleichgültig.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Nein. — Diese Hand, die Du .&#160;.&#160;. die Dich oft .&#160;.&#160;. diese
-Hand hat .&#160;.&#160;. <span class="smaller">(zu Frau Buchner)</span> Ist es das?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(nickt bejahend)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(zu Ida)</span>: Wie schändlich hab’ ich Dich betrogen!
-— ich bring’s nicht über mich. — Später! .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Wilhelm! Ich weiß, was ich verlange, aber ich .&#160;.&#160;.
-Sie <em class="gesperrt">müssen</em> sich vor Ihrem <em class="gesperrt">armen</em> Vater erniedrigen —
-erst dann werden Sie sich wieder ganz frei fühlen. Rufen Sie ihn an!
-beten Sie ihn an! ach Wilhelm! das müssen Sie thun! Seine Kniee müssen
-Sie umklammern — und wenn er Sie mit dem Fuße tritt, wehren Sie sich
-nicht! reden Sie kein Wort! geduldig wie ein Lamm! glauben Sie mir —
-einer Frau, die Ihr Bestes will.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Sie wissen <em class="gesperrt">nicht</em> .&#160;.&#160;. Sie wissen doch nicht, was
-Sie von mir .&#160;.&#160;. O Sie müssen<span class="pagenum" id="Seite_39">[S. 39]</span> Gott dankbar sein, Frau Buchner, daß er
-Ihnen Ihre eigene Grausamkeit verborgen hat. Ruchlos mag das sein. Was
-ich gethan habe, mag ruchlos sein. Aber was ich durchgemacht habe,
-— da! — innerlich durchgekämpft, durchlitten — diese furchtbaren
-Peinigungen .&#160;.&#160;.&#160;. Er hat Alles auf mich geladen — und am Ende zu allem
-noch diese <em class="gesperrt">verfluchte</em> Schuld .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Aber dennoch .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.!
-<span class="smaller">(nach einem langen, tiefen Blick, in Ida’s Augen, sich aufringend,
-bis zu einem festen Entschluß).</span> Vielleicht — gelingt es mir —
-<em class="gesperrt">dennoch</em>!</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_40">[S. 40]</span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Zweiter_Vorgang">Zweiter Vorgang.</h2>
-
-</div>
-
-<p><span class="smaller">Der Raum ist leer. Sein Licht erhält er zum Theil von einer
-im Treppenraum angebrachten rothen Ampel, dann aber, und zwar
-hauptsächlich, durch die offenen Thüren linker Hand aus dem
-Seitengemach. Hier sitzt man, wie das Klingen der Gläser, das Klappern
-und Klirren von Tellern und Bestecks verräth, bei Tafel.</span></p>
-
-<p><span class="smaller">(Ida, gleich darauf Wilhelm aus dem Nebengemach).</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Endlich! <span class="smaller">(einschmeichelnd.)</span> Du mußt doch nun an
-Vater denken, Willy! sei mir nicht böse, aber wenn Du Vater etwas —
-abzubitten hast, dann mußt Du doch nicht warten, bis <em class="gesperrt">er</em> zu Dir
-<em class="gesperrt">herunter</em> .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Wollte Vater zu Tisch ’runterkommen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Versteht sich! Mama hat ihn .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(umschlingt und preßt Ida plötzlich, mit impulsiver
-Leidenschaftlichkeit stürmisch an sich)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Ei .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. ach — Du — wenn Jemand .&#160;.&#160;.&#160;. mein Haar wird ja
-.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(läßt die Arme schlaff an ihr heruntergleiten, faltet
-die Hände, senkt den Kopf und steht, jäh ernüchtert, wie ein ertappter
-Verbrecher vor ihr)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(ihr Haar ordnend)</span>: Was für ein stürmisches
-Menschenkind Du doch bist.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_41">[S. 41]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Stürmisch nennst Du das. — Ich nenne es — ganz —
-anders .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Aber Willy! — warum denn nun auf einmal wieder so
-niedergeschlagen? unverbesserlich bist Du doch.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(ihre Hand krampfhaft fassend, den Arm um ihre
-Schulter legend, zieht er sie hastigen Schrittes mit sich durch den
-Saal)</span>: Unverbesserlich. Ja, siehst Du! das eben .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. ich fürchte
-ja nichts so sehr, als daß ich .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. als daß alle Deine Mühen um mich
-vergebens sein könnten. Ich bin so entsetzlich wandelbar! <span class="smaller">(auf
-die Stirn deutend)</span> da hinter ist kein Stillstand! Schicksale in
-Secunden! mich selbst fürcht’ ich. Vor sich selbst auf der Flucht sein:
-kannst Du Dir davon einen Begriff machen? Siehst Du, und so fliehe ich
-— mein Leben lang.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Am Ende .&#160;.&#160;.&#160;. ach nein das paßt nicht — —</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Sag’ doch!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Manchmal .&#160;.&#160;.&#160;. ich hab’ mir nur schon manchmal gedacht .&#160;.&#160;.&#160;.
-wirklich, es ist mir manchmal so vorgekommen, als ob — sei nicht böse
-— als ob garnichts da wäre, wovor Du fliehen müßtest. Ich habe selbst
-schon .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: O Du, das glaube nicht! hast Du Robert beobachtet, hast
-Du gesehen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Nein — was?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Hast Du bemerkt, wie er mich begrüßte? Der, siehst
-Du, der weiß, daß ich vor mir fliehen muß, der kennt mich. Frage den
-nur, der<span class="pagenum" id="Seite_42">[S. 42]</span> wird Dich aufklären! Damit droht er mir nämlich. Du, Du,
-das weiß ich besser. Gieb nur Acht, wie er mich immer anblickt! Ich
-soll Angst kriegen, ich soll mich fürchten. Ha ha ha, — nein, lieber
-Bruder, so erbärmlich sind wir denn doch nicht. Und nun siehst Du wohl
-ein, Ida, daß ich das nicht zulassen darf, — ich meine, Du darfst Dir
-keine Illusionen machen über mich. Es giebt nur eine Möglichkeit: ich
-muß offen sein gegen Dich. Ich muß es soweit bringen .&#160;.&#160;., Ich ringe
-darnach. Wenn Du mich ganz kennst, dann .&#160;.&#160;.&#160;. Ich meine wenn Du mich
-dann noch erträgst .&#160;.&#160;.&#160;. oder wenn Du — mich noch lieben kannst .&#160;.&#160;.&#160;.
-dann .&#160;.&#160;.&#160;. das wäre ein Zustand .&#160;.&#160;.&#160;. dann würde etwas in mich kommen
-.&#160;.&#160;.&#160;. was Muthiges, Stolzes sag’ ich Dir .&#160;.&#160;.&#160;. dann lebte doch Einer,
-und wenn sie mich Alle verachteten .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.
-<span class="smaller">(Ida, voller Hingebung, schmiegt sich an ihn.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Und jetzt .&#160;.&#160;.&#160;. jetzt werde ich Dir auch .&#160;.&#160;.&#160;. bevor ich
-zu Vater hinaufgehe .&#160;.&#160;.&#160;. Du weißt was ich meine?!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(nickt)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Jetzt sollst Du .&#160;.&#160;.&#160;. Ich muß es über mich gewinnen Dir
-zu sagen, was mich — mit meinem — Vater .&#160;.&#160;.&#160;. Ja, Ida, — ich will’s
-thun .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. <span class="smaller">(Arm in Arm schreitend)</span> Stelle Dir vor!
-ich war hier zu Besuch .&#160;.&#160;.&#160;. nein — so kann ich nicht anfangen. — Ich
-muß weiter zurückgehen. — Du weißt ja,<span class="pagenum" id="Seite_43">[S. 43]</span> als ich mich damals schon eine
-lange Zeit selbst durchgeschlagen .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. das hab’ ich Dir wohl noch
-garnicht erzählt?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Nein, .&#160;.&#160;.&#160;. aber ruhig .&#160;.&#160;.&#160;. nur ja nicht unnöthig .&#160;.&#160;.&#160;. rege
-Dich nur nicht auf, Willy!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Siehst Du das ist wieder so ein Fall: ich bin feig!
-ich habe es bis jetzt nicht gewagt, Dir von meiner Vergangenheit
-zu erzählen .&#160;.&#160;.&#160;. auf jedenfall ist es auch ein Wagniß. — Man wagt
-etwas, — auch vor sich selbst .&#160;.&#160;.&#160;. einerlei! wenn ich das nicht mal
-über mich brächte, wie sollt’ ich’s dann fertig bringen — zu Vater
-hinaufzugehen?!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Ach, Du! quäle Dich nicht! — jetzt stürmt so vielerlei auf
-Dich ein.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Du hast wohl Furcht? — wie? Du fürchtest wohl Dinge zu
-hören .&#160;.&#160;.&#160;.?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Pfui, pfui, so mußt Du nicht sprechen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Nun also — dann stelle Dir vor: hier oben wohnte
-Vater. Bis er Mutter nahm hatte er einsam gelebt, und so wurde es bald
-wieder; er führte sein einsames Sonderlingsleben weiter .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Mit
-einem Mal verfiel er dann auf uns — Robert und mich, um Auguste hat er
-sich garnicht gekümmert. — Volle zehn Stunden täglich hockten wir über
-Büchern .&#160;.&#160;.&#160;. Wenn ich das Kerkerloch sehe — heutigen Tags noch .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.
-es stieß an sein Arbeitszimmer. Du hast’s ja gesehen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Der große Saal oben —?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ja, der — Wenn wir in diesen Raum eintraten, da mochte
-die Sonne noch so hell<span class="pagenum" id="Seite_44">[S. 44]</span> zum Fenster ’reinscheinen, — für uns war es
-dann Nacht .&#160;.&#160;.&#160;. Na siehst Du — da .&#160;.&#160;.&#160;. da liefen wir eben zur Mutter
-.&#160;.&#160;.&#160;. Wir liefen ihm einfach fort — und da spielten sich Scenen ab —:
-Mutter zog mich am linken, Vater am anderen Arm .&#160;.&#160;.&#160;. Es kam soweit:
-Friebe mußte uns hinauftragen. Wir wehrten uns, wir bissen ihm in die
-Hände; natürlich half das nichts, unser Dasein wurde nur unerträglicher
-.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Aber widerspenstig blieben wir, und nun weiß ich, fing
-Vater an uns zu hassen. Wir trieben es so lange, bis er uns eines Tages
-die Treppe hinunterjagte. Er konnte uns nicht mehr ertragen — unser
-Anblick war ihm ekelhaft.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Aber Dein Vater — das giebst Du doch zu? — eine gute
-Absicht hat er doch gehabt mit Euch. Ihr solltet eben viel lernen, wie
-.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Bis zu einem gewissen Grade mag er ja auch damals eine
-gute Absicht — vielleicht gehabt haben. Aber wir waren ja zu der
-Zeit erst Jungens von neun oder zehn Jahren und von da ab, hört die
-gute Absicht auf. — Im Gegentheil: damals hat er die Absicht gehabt,
-uns total verkommen zu lassen. — Ja, ja! Mutter zum Possen .&#160;.&#160;.&#160;. Fünf
-Jahre lang waren wir im verwegensten Sinne uns selbst überlassen .&#160;.&#160;.&#160;.
-Banditen und Tagediebe waren wir .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Ich hatte noch etwas,
-ich verfiel auf die Musik. Robert hatte nichts — Aber wir verfielen
-auch noch<span class="pagenum" id="Seite_45">[S. 45]</span> auf ganz andre Dinge — deren Folgen wir wohl kaum jemals
-verwinden werden .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p>Schließlich schlug Vater wohl das Gewissen. Es gab fürchterliche Scenen
-mit Mutter. Am Ende wurden wir doch aufgepackt und in einer Anstalt
-untergebracht. Und als ich mich an das Sklavenleben dort nicht mehr
-gewöhnen konnte und davonlief, ließ er mich einfangen und nach Hamburg
-schaffen; Der Taugenichts sollte nach Amerika .&#160;.&#160;. Der Taugenichts lief
-natürlich wieder davon. Ich ließ Eltern Eltern sein und hungerte und
-darbte mich auf meine eigene Faust durch die Welt. Robert hat ungefähr
-die gleiche Carrière hinter sich.</p>
-
-<p>Aber Taugenichtse sind wir deshalb in Vaters Augen doch geblieben .&#160;.&#160;.&#160;.
-— später war ich einmal so naiv eine Unterstützung von ihm zu fordern
-— nicht zu bitten! Ich wollte das Conservatorium besuchen. Da schrieb
-er mir auf einer offenen Postkarte zurück: Werde Schuster. — Auf diese
-Weise, Ida! sind wir so eine Art <span class="antiqua">self made man</span> — aber wir sind
-nicht besonders stolz darauf.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: — Wahrhaftig Willy .&#160;.&#160;.&#160;. ich kann wahrhaftig nicht anders
-.&#160;.&#160;.&#160;. ich fühle Dir <em class="gesperrt">wirklich Alles</em> nach; aber — ich kann
-augenblicklich nicht ernst .&#160;.&#160;.&#160;. Sieh mich nicht so fremd an, bitte,
-bitte!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: O Du, — das ist bitter — und nicht zum Lachen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(ausbrechend)</span>: ’S ein <em class="gesperrt">Jubel</em>gefühl, Wilhelm!<span class="pagenum" id="Seite_46">[S. 46]</span>
-ich muß Dir sagen .&#160;.&#160;.&#160;. es mag selbstsüchtig sein, — aber ich freue
-mich so furchtbar — daß Du, das so brauchen kannst .&#160;.&#160;.&#160;. Ich will Dich
-ja so lieb haben, Wilhelm! .&#160;.&#160;.&#160;. Ich sehe so mit einem Mal Zweck und
-Ziel. Ach, ich bin ganz confus! Ich bedaure Dich ja so sehr. Aber je
-mehr ich Dich bedaure, je mehr freue ich mich. Verstehst Du, was ich
-meine? Ich meine .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. ich bilde mir ein, — ich könnte Dir vielleicht
-Alles, was Du entbehrt hast .&#160;.&#160;.&#160;. alle Liebe, die Du entbehrt hast, mein
-ich, könnte ich Dir vielleicht reichlich .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Wenn ich’s nur — verdiene, — Du! — denn nun kommt
-— etwas, — was mich allein — betrifft .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Vor Jahren .&#160;.&#160;.&#160;.
-nein — es ist .&#160;.&#160;.&#160;. Ich kam nämlich später hie und da besuchsweise zur
-Mutter. — Mach’ Dir’ mal klar, Ida! — wenn ich so das ganze Elend
-wiedersah .&#160;.&#160;.&#160;. mach Dir ’mal klar wie mir da — zu Muthe werden mußte.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Deine Mutter — litt wohl — sehr?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: In manchen Dingen, denk’ ich ja heut’ anders über
-Mutter. Immerhin, die Hauptschuld trägt Vater doch. Damals kam mir’s
-vor, als ob er Mutter widerrechtlich hier gefangen hielte. Ich wollte
-gerade, sie sollte sich von ihm trennen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Aber — das konnte Deine Mutter — garnicht, das, —</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Sie folgte mir ja auch nicht. Sie hatte nicht den Muth.
-— Nun — mit welchen<span class="pagenum" id="Seite_47">[S. 47]</span> Augen ich Vater ansah .&#160;.&#160;.&#160;. nun, das kannst Du
-Dir vielleicht denken.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Sieh’ mal Wilhelm! — Du warst vielleicht doch nicht ganz
-gerecht gegen Deinen Vater .&#160;.&#160;.&#160;. Ein Mann .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(ohne Ida’s Einwurf zu beachten)</span>: Einmal —
-beging ich — die Thorheit — einen Freund von mir .&#160;.&#160;.&#160;. Unsinn Freund
-.&#160;.&#160;.&#160;. flüchtiger Bekannter, — ein Musiker .&#160;.&#160;.&#160;. Ich brachte ihn also mit
-hierher. Das war eine Auffrischung für Mutter. Sie spielte nämlich —
-eine Woche lang —, täglich mit ihm vierhändig .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Da also .&#160;.&#160;.&#160;.
-haarsträubend .&#160;.&#160;.&#160;. so wahr wie ich vor Dir stehe —; kein Schatten
-einer Möglichkeit! — und am Ende der Woche — schrieen es ihr —
-Dienstboten — in’s Gesicht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Verzeih’! .&#160;.&#160;.&#160;. Ich .&#160;.&#160;.&#160;. Um was —?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Mutter! .&#160;.&#160;.&#160;. Mutter sollte .&#160;.&#160;.&#160;. Meine Mutter sollte
-.&#160;.&#160;.&#160;. Sie sollte — denke Dir! sie wagten es ihr offen vorzuwerfen,
-daß sie — ein schlechtes — Verhältniß — mit .&#160;.&#160;.&#160;. das heißt! ich
-stellte die Person zur Rede .&#160;.&#160;.&#160;. frech .&#160;.&#160;.&#160;. der Kutscher hätte es ihr
-gesagt .&#160;.&#160;.&#160;. ich zum Kutscher und der .&#160;.&#160;.&#160;. der .&#160;.&#160;.&#160;. der will es .&#160;.&#160;.&#160;.
-der sagt mir geradezu, ich habe es vom Herrn .&#160;.&#160;.&#160;. vom Herrn selber —
-.&#160;.&#160;.&#160;. Natürlich .&#160;.&#160;.&#160;. wo werde ich ihm denn so was glauben?! — oder
-— wenigstens — sträubte ich mich — bis — ich — ein Gespräch —
-belauschte, — was Vater — im Stall .&#160;.&#160;.&#160;. im Pferdestall mit dem
-Burschen — hatte, —<span class="pagenum" id="Seite_48">[S. 48]</span> und — Du kannst mir — glauben: — die Hände —
-starben — mir — ab, — wie ich — ihn da — über meine — Mutter —
-reden hörte.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Sei doch nur .&#160;.&#160;.&#160;. Laß Dich doch nur .&#160;.&#160;.&#160;. reg’ Dich doch
-blos nicht so <em class="gesperrt">furchtbar</em> auf. Du bist ja ganz .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ich weiß nicht mehr .&#160;.&#160;.&#160;. Ich weiß nur .&#160;.&#160;.&#160;. Es steckt
-etwas in uns Menschen .&#160;.&#160;.&#160;. der Wille ist ein Strohhalm .&#160;.&#160;.&#160;. man muß
-so etwas durchmachen .&#160;.&#160;.&#160;. Es war wie ein Einsturz .&#160;.&#160;. Ein Zustand wie
-.&#160;.&#160;.&#160;. und in diesem Zustand befand ich mich plötzlich in Vaters Zimmer.
-— Ich sah ihn. — Er hatte irgend etwas vor — ich kann mich nicht
-mehr besinnen was. — Und da — hab’ ich ihn — buchstäblich — mit —
-diesen — bei — den Händen — ab—ge—straft. <span class="smaller">(Er hat Mühe sich
-aufrecht zu erhalten).</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(Ihre Augen stehen voll Thränen, die sie trocknet. Bleich
-und erschüttert starrt sie einige Augenblicke auf Wilhelm hin, dann
-küßt sie still weinend seine Stirn)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Du — Barmherzige.</p>
-
-<p><span class="smaller">(Man hört die Stimme des Doktors von der Treppe her.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Und nun, — wenn je! <span class="smaller">(Er rafft sich auf, Ida
-küßt ihn nochmals. Er hat krampfhaft ihre Hand gefaßt. Wie die
-Stimme des Doktors schweigt, hört man fröhliches Gelächter aus dem
-Nebenzimmer.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(mit Bezug auf das Lachen, wie auch auf das Kommen
-des Doktors, den man die Treppe herunter steigen hört.)</span>: Ihr habt
-eine wunderbare Macht! <span class="smaller">(Ein Händedruck beiderseitiger Ermuthigung,
-dann trennt sich Ida von Wilhelm. Bevor sie abgeht, kehrt sie noch mal
-um, faßt Wilhelms Hand und sagt:)</span> Sei tapfer! <span class="smaller">(ab.)</span></p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_49">[S. 49]</span></p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: <span class="smaller">(noch auf der Treppe.)</span> Ä! großer
-Unsinn! .&#160;.&#160;.&#160;. rechts Friebe! — ä! Ellbogen .&#160;.&#160;.&#160;. nicht halten, nicht
-halten! Donnerwetter!!!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(je weiter der Doktor herunterkommt, um so
-aufgeregter erscheint Wilhelm. Seine Farbe wechselt oft, er fährt sich
-durch die Haare, athmet tief, macht die Bewegungen des Klavierspielens
-mit der Rechten etc. Hierauf ist deutlich wahrzunehmen, wie Strömungen
-für und wieder in ihm kämpfen, — wie er in seinem Entschluß wankend
-wird. Er scheint fliehen zu wollen, da bannt ihn das Hervortreten des
-Doktors. Er hat eine Stuhllehne gefaßt, um sich zu stützen und steht
-zitternd und bleich da. Der Doctor ist ebenfalls, zu seiner vollen
-imponirenden Größe aufgerichtet stehen geblieben und mißt seinen
-Sohn mit einem Blick, der nacheinander Schreck, Haß und Verachtung
-ausdrückt. Es herrscht Stille; Friebe, der den Doctor stützend und
-ihm vorleuchtend ebenfalls eingetreten in, benützt dieselbe, um sich
-davonzuschleichen, ab in die Küche. Wilhelm scheint einen Seelenkampf
-physisch durchzuringen. Er will reden, die Kehle scheint ihm zu
-versagen, es kommt nur zu lautlosen Bewegungen der Lippen. Er nimmt
-die Hand von der Stuhllehne und schreitet auf den Alten zu. Er geht
-unsicher, er taumelt, er kommt in’s Wanken, steht, will auf’s Neue
-reden, vermag es aber nicht, schleppt sich weiter und bricht die
-Hände gefaltet, zu des Alten Füßen nieder. In des Doctors Gesicht
-hat der Ausdruck gewechselt: Haß, Staunen, erwachendes Mitgefühl,
-Bestürzung.)</span></p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Junge .&#160;.&#160;.&#160;. mein lieber Junge! mein .&#160;.&#160;.&#160;.
-<span class="smaller">(er sucht ihn bei den Händen zu erheben.)</span> Steh, doch nur — auf!
-.&#160;.&#160;.&#160;. <span class="smaller">(er faßt Wilhelm’s Kopf, der schlaff hängt, zwischen beide
-Hände und kehrt ihn sich zu.)</span> Sieh’ mich .&#160;.&#160;.&#160;. Junge .&#160;.&#160;.&#160;. sieh’ mich
-doch ’mal — an. Ach, was ist denn — mit .&#160;.&#160;.&#160;.?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(bewegt die Lippen)</span>.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_50">[S. 50]</span></p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(mit bebender Stimme)</span>: Was .&#160;.&#160;. was .&#160;.&#160;.
-sagst Du zu mir? ich .&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: V .&#160;.&#160;. Vater — ich .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Wie — meinst Du —?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ich — habe Dich .&#160;. habe Dich .&#160;.&#160;.&#160;. h .&#160;.&#160;. h .&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Unsinn, Unsinn! jetzt nicht von solchen .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ich bin — an Dir — zum Verbrecher .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Unsinn, Unsinn! ich weiß garnicht, was Du
-willst? alte Sachen sind alte Sachen. Thu mir die einzige Liebe, Junge!
-.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Nun — nimm’s von mir! nimm — die Last von mir!</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Vergeben und vergessen, Junge! vergeben und
-vergessen .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Dank .&#160;.&#160;.&#160;. <span class="smaller">(er athmet tief auf, das Bewußtsein
-verläßt ihn.)</span></p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Junge! was machst Du mir denn für Sachen! was
-.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="smaller">(Er hebt und schleppt den Ohnmächtigen allein bis in einen in der
-Nähe stehenden Lehnstuhl. Bevor er ihn niedergesetzt hat, kommen
-<em class="gesperrt">Ida</em>, <em class="gesperrt">Robert</em>, <em class="gesperrt">Auguste</em>, <em class="gesperrt">Frau Scholz</em> und
-<em class="gesperrt">Frau Buchner</em> hastig aus dem Nebengemach, <em class="gesperrt">Friebe</em> aus der
-Küche.)</span></p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Wein! schnell etwas Wein!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(geht und ist sogleich mit Wein zurück)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: O Gottogottogott! Wasser! .&#160;. gleich mit Wasser
-besprengen!</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(flößt ihm Wein ein)</span>.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_51">[S. 51]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Was war denn?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(bleich und in Thränen, legt ihre Wange an die
-Wilhelms)</span>: Wie eiskalt er sich anfühlt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Ueber was hat sich denn der Junge blos so
-aufgeregt, das möcht’ ich blos wissen: .&#160;.&#160;. das ist mir doch rein .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(ihre Hand fassend und zugleich ihre Rede
-abschneidend, verweisend)</span>: Mutter!!!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Besprengen, besprengen, Herr Doctor!</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Pst, pssst, habt Ihr .&#160;. haben Sie vielleicht
-<span class="antiqua">eau de Cologne</span>?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ja <span class="smaller">(sie giebt ihm ein Flacon)</span>, bitte.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Danke <span class="smaller">(er bestreicht dem Ohnmächtigen die
-Stirn)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(zum Doctor)</span>: Es ist — doch hoffentlich .&#160;.&#160;. nicht
-wahr? nur .&#160;.&#160;. <span class="smaller">(sie bricht in Schluchzen aus)</span> ach er sieht so
-schrecklich rührend aus, wie .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. wirklich wie — todt sieht er aus.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(tröstet Ida)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Wie der Junge blos schwitzt! <span class="smaller">(sie wischt ihm die
-Stirn.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(gähnt)</span>.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Pst. <span class="smaller">(er und Alle blicken mit Spannung auf
-Wilhelm.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(räuspert sich, dehnt sich, öffnet und schließt
-die Augen, wie ein Schlaftrunkener, legt den Kopf wie zum Schlaf
-zurück.)</span></p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(hörbar)</span>: Gott sei dank!</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_52">[S. 52]</span></p>
-
-<p><span class="smaller">(Er richtet sich auf, wischt sich die Stirn mit dem Taschentuch
-und mustert gerührt und halb verlegen seine Umgebung. Ida ist ihrer
-Mutter unter Lachen und Weinen um den Hals gefallen. Robert steht
-kaum Herr seiner Bewegung mit gefalteten Händen da und läßt seine
-Blicke abwechselnd über alle Anwesenden hingleiten. Auguste geht, das
-Taschentuch zusammengeballt vor dem Munde, hastig auf und ab, und
-hält jedes Mal im Vorübergehen einen Augenblick vor Wilhelm inne, um
-ihn forschend zu betrachten. Friebe geht auf den Zehenspitzen ab. Des
-Doctors Blick trifft den seiner Frau. Schüchtern und gerührt wagt sie
-sich näher, faßt leise seine Hand und klopft ihn auf den Rücken.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Alterchen —!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(ahmt die Mutter nach, umarmt und küßt dann den
-Vater, was dieser geschehen läßt, ohne seine Hand aus der seiner Frau
-zu nehmen.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(an seinem Halse)</span>: Mein Herzensväterchen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(plötzlich entschlossen tritt er auf seinen Vater zu
-und schüttelt ihm die Hand)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(giebt des Doctors Hand frei und führt ihm Ida
-zu)</span>.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(blickt erst Ida dann Wilhelm an und
-richtet einen fragenden Blick auf Frau Buchner)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(nickt bejahend)</span>.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(macht eine Gebärde, die etwa ausdrückt:
-ich will nichts verreden, ich kann mich vielleicht täuschen. Hierauf
-streckt er dem Mädchen seine Hand entgegen)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(kommt, nimmt seine Hand, beugt sich darauf nieder und
-küßt sie)</span>.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(zieht seine Hand gleichsam erschreckt
-zurück)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(seufzt tief auf. Alle erschrecken)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(in der Thür zum Nebengemach winkt Frau Scholz, dann
-ab)</span>.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_53">[S. 53]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(macht dem Doctor Zeichen, die besagen: man solle
-sich in’s Nebengemach begeben, des Patienten wegen)</span>.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(nickt bestätigend und entfernt sich Hand
-in Hand mit Frau Scholz behutsam)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(der Ida bedeutet hat, sie wolle bei Wilhelm
-bleiben, ebenfalls ab in’s Nebenzimmer)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(leise)</span>: Fräulein Ida, würden Sie .&#160;.&#160;. möchten Sie
-mir wohl die Wache diesmal überlassen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(freudig überrascht)</span>: Herzlich gern! <span class="smaller">(Händedruck
-ab in’s Nebengemach.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(rückt einen Stuhl neben den Wilhelm’s und läßt sich,
-den Schlafenden beobachtend, darauf nieder. Nach einem Weilchen zieht
-er seine Tabakspfeife aus der Tasche, um sie in Brand zu setzen,
-erinnert sich aber zur rechten Zeit der Gegenwart des Patienten und
-steckt sie sogleich wieder ein)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(seufzt, streckt die Glieder)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(leise und behutsam)</span>: Wilhelm.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(räuspert sich, schlägt die Augen fremd und
-verwundert auf und sagt nach einer Weile — als hätte ihn die Anrede
-Roberts erst jetzt getroffen)</span>: — Ja!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Wie ist Dir denn jetzt?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(nachdem er Robert eine Weile nachdenklich angeblickt
-hat, mit schwacher Stimme)</span>: Robert? — nicht?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ja — ich bin’s .&#160;.&#160;. Robert .&#160;. wie geht’s Dir denn?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Gut <span class="smaller">(räuspert sich)</span> ganz gut — jetzt. <span class="smaller">(er
-lächelt gezwungen, macht einen schwachen Versuch, sich zu erheben, der
-fehl schlägt.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: O, Du! das ist doch wohl noch ein Bischen gar zu zeitig,
-nicht?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(nickt bejahend, seufzt, schließt erschöpft die
-Augen)</span> .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_54">[S. 54]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(schlägt die Augen groß und ruhig auf und spricht
-leise aber klar)</span>: Was ist denn eigentlich passirt? — hier? —</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ich glaube, Wilhelm! es wird das Beste sein, wir lassen
-das vorläufig auf sich beruhen .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Die Versicherung geb’ ich Dir:
-etwas .&#160;.&#160;. ich jedenfalls hätte es niemals für möglich gehalten.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(vergeistigt)</span>: — Ich — auch nicht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: — Wie soll man denn auch .&#160;.&#160;. ä! Kohl! das war ja auch
-absolut nicht vorauszusehen! — aber es ist eben doch vorgefallen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ja — nun fällt mir — nach und nach .&#160;.&#160;. es — war —
-lieblich! <span class="smaller">(seine Augen füllen sich mit Thränen.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(mit leisem Beben in der Stimme)</span>: Ein
-sentimentales Weibsbild ist man doch .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. So viel
-steht wieder ’mal bombenfest: man hat wieder ’mal so in’s Blaue ’nein
-verdammt. Gekannt haben wir den Alten doch nicht, — das können wir
-doch wohl nich’ gerade behaupten.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Vater? — nein! wir sind ja Alle — so blind, so blind!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Das — weiß Gott! — sind wir .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Wie mir das vorkommt! — wunderfremd. Er liebt uns ja!
-der alte Mann ist ja so himmlisch gut!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Das <em class="gesperrt">kann</em> er sein, und das wußte ich bis jetzt
-nicht.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_55">[S. 55]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Mir dämmert manches! .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Mit dem Verstande — und so — sieh ’mal — hat ich das
-ja längst erfaßt. — Alles ist <em class="gesperrt">geworden</em>. Verantwortlich hab’
-ich Vater nicht gemacht. — Heißt das, schon seit Jahren nicht mehr.
-— Nicht für mich, überhaupt für Keinen von uns. Aber heut hab’ ich’s
-<em class="gesperrt">gefühlt</em>; und das ist, kannst Du glauben, noch ganz was andres
-.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Ehrlich, mich hat’s geradezu aus dem Gleichgewicht
-gebracht. — Als ich ihn so sah — so um Dich bemüht .&#160;.&#160;. förmlich, wie
-ein Schlag war mir da! — und nun muß ich mir immer sagen: — warum ist
-denn das nun nicht .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. na warum denn nicht? es ist doch jetzt in uns
-lebendig geworden, es war doch also in uns — warum ist es nicht schon
-früher hervorgebrochen? In Vater, in Dir — und in mir wahrhaftigen
-Gott auch? es war doch in uns! Und nun hat er das so in sich hinein
-gewürgt — Vater mein ich — na und wir ja auch — so viele Jahre lang
-.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Das ist mir nun aufgegangen: ein Mensch kehrt nicht
-nur jedem seiner Mitmenschen eine andere Seite zu, sondern er ist
-thatsächlich jedem gegenüber von Grund aus anders .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Warum muß denn das so sein zwischen uns! warum müssen
-denn wir uns nur immer und ewig abstoßen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Das will ich Dir sagen: Herzensgüte fehlt uns! nimm z.
-B. Ida! Was Du Dir erklügelt<span class="pagenum" id="Seite_56">[S. 56]</span> hast, das lebt in ihr. Sie sitzt nie zu
-Gericht, Alles greift sie so weich, so mitleidig an — die zartesten
-Dinge — das schont so, verstehst Du! das .&#160;.&#160;. und das glaub’ ich ist es
-&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(manlig werdend, sich erhebend)</span>: Wie ist Dir jetzt
-so? —</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Recht frei ist mir doch jetzt .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ä — was nutzt das Alles! .&#160;.&#160;.&#160;. Ja — was ich wollte —
-sagen? vielleicht wird’s doch gut mit Euch!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Was denn?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Na, wie denn? Du und .&#160;.&#160;. na, und Ida natürlich.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Vielleicht! .&#160;.&#160;. Die Beiden haben eine Macht — auch
-Frau Buchner — aber doch Ida hauptsächlich. Ich habe gedacht, das
-könnte mich retten .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Zuerst wehrte ich mich ja .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(gedankenvoll)</span>: Das haben sie! — sie haben eine
-Macht und deshalb .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. anfänglich — offen gesagt, hab’ ich’s Dir
-verübelt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Das fühlte ich wohl.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Na, nimm ’mal an: ich hörte von einer Verlobung, und nun
-sah ich Ida; treppauf, treppab sang sie und so fröhlich — ohne eine
-Idee von .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(erhebt sich)</span>: Ich verstand Dich ja auch, ich gab
-Dir ja sogar recht, was willst Du!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Nu ja doch! — ich bin ja auch .&#160;.&#160;.<span class="pagenum" id="Seite_57">[S. 57]</span> es ist ja auf
-diese Weise ganz was anders. — Ich muß ja zugeben .&#160;.&#160;. wie gesagt .&#160;.&#160;.
-überhaupt .&#160;. ganz frisch schon?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Vollkommen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Dann kommst Du wohl also bald?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ich will nur noch .&#160;.&#160;.&#160;. geh doch einstweilen Du!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Schön! <span class="smaller">(geht, kommt zurück)</span> hör ’mal Du! ich
-kann nicht anders, ich muß Dir sagen, Deine ganze Handlungsweise —
-Vater gegenüber — und auch — überhaupt, ist hochachtenswerth.
-Ich hab’ Dich auch so — überfallen förmlich — mit meiner verfluchten
-Bornirtheit. Man .&#160;.&#160;.&#160;. hol’s der Teufel! Ich habe seit langer Zeit
-wieder zum ersten Male so ’ne Art unabweisbares Bedürfniß, verstehst
-Du! mich selbst anzuspucken. Das genügt Dir doch, wie? — na, Du wirst
-mir doch nun auch die Liebe thun und — wenn ich Dich .&#160;.&#160;.&#160;. ja wohl,
-gekränkt habe ich Dich ununterbrochen, seit Du hier bist. Also — es
-thut mir leid! hörst Du!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Bruder! <span class="smaller">(sie schütteln sich mit Rührung die
-Hände.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(zieht ruhig die Hand aus der Wilhelms, bringt seine
-Tabackspfeife hervor, entzündet sie, pafft, und sagt dabei vor sich
-hin)</span>: Acrobaten — seele! — pf! pf! na <span class="antiqua">item</span>. <span class="smaller">(Hierauf
-wendet er sich zum Gehen. Bevor er die Thüre des Seitengemaches
-ausklinkt, spricht er über die Schultern zu Wilhelm:)</span> Ich — will
-sie Dir herausschicken!</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_58">[S. 58]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ach — Du laß doch! .&#160;.&#160;.&#160;. na — wenn Du .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(nickt bejahend, verschwindet in der Thür. Ab.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(athmet befreit auf. Volle Freude über das Geschehene
-bemächtigt sich seiner.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(kommt aus dem Nebenzimmer, fliegt in seine Arme)</span>:
-Willy!!!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: — Jetzt — jetzt .&#160;.&#160;.&#160;. Du .&#160;.&#160;.&#160;. Ihr .&#160;.&#160;.&#160;. Ihr beiden
-goldnen Seelen habt mich losgekämpft. Jetzt — ein ganz neues Leben!
-.&#160;.&#160;.&#160;. Du glaubst nicht, wie mich das hebt! ordentlich groß stehe ich vor
-mir da! — O Du! das merke ich jetzt erst — das hat doch furchtbar auf
-mir gelastet .&#160;.&#160;.&#160;. Und nun fühl’ ich auch Kraft! Kraft fühle ich, Du!
-— verlaß Dich d’rauf, ich erreiche es nun doch noch! ich werd’s ihm
-zeigen, was der Taugenichts kann! ich werde Vater den Beweis liefern.
-Ich werde ihm beweisen, daß etwas in mir lebt: eine Kraft, eine Kunst,
-vor der sie sich beugen sollen .&#160;.&#160;.&#160;. die starrsten Köpfe werden sich
-beugen, ich fühl’s! — das hat mich nur niedergeknebelt, glaubst Du!
-es kribbelt mir in den Fingerspitzen, glaubst Du! .&#160;.&#160;.&#160;. Ich möchte
-schaffen, schaffen! .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Siehst Du, so ist’s recht! nun endlich hast Du Dich
-wiedergefunden. — Liebster, ich möchte jauchzen. — Jauchzen
-möcht ich. — jubeln .&#160;.&#160;.&#160;. Siehst Du, wie ich recht hatte; nichts
-ist erstorben in Dir! es schlief nur! Es wacht Alles wieder
-auf, sagt’ ich Dir immer. Es ist aufgewacht, siehst Du nun!
-.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_59">[S. 59]</span></p>
-
-<p><span class="smaller">(Sie umarmen, küssen sich und schreiten dann in einander
-verschlungen in stummer Glückseligkeit durch den Saal.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(bleibt stehn, schaut mit glücklichem Staunen in die
-Augen seiner Braut, dann läßt er den Blick weiter schweifen, rings
-herum durch den Raum und sagt)</span>: In diesen eiskalten Mauern .&#160;.&#160;.&#160;. wie
-Frühlingszauber ist das!</p>
-
-<p><span class="smaller">(Einige Küsse; eng verschlungen stumm im Glück schreiten sie
-weiter.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(singt piano mit schelmischer Beziehung auf etwas in der
-Vergangenheit; etwas, wie: nun, siehst Du wie recht ich hatte.)</span></p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Wenn im Hag der Lindenbaum</div>
- <div class="verse indent0">Wieder blühet,</div>
- <div class="verse indent0">Huscht der alte Frühlingstraum .&#160;.&#160;.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(tritt ein, gewahrt die Beiden, will sich schnell
-wieder entfernen)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(hat es bemerkt, bricht ihr Lied ab, fliegt auf Frau
-Scholz zu)</span>. Nicht fortlaufen, Schwiegermuttelchen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: I warum nich’ gar! Ihr könnt mich ja garnicht
-brauchen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: <span class="smaller">(umarmt und küßt seine Mutter und hilft sie mit
-hereinziehen)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(launig)</span>: Du bist wohl nich’ recht gescheidt.
-Ihr seid wohl .&#160;.&#160;. Ihr reißt mir ja .&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ach was, Mutter! das ist ja jetzt Alles einerlei —
-Mutter! Du siehst einen anderen Menschen vor Dir <span class="smaller">(zwischen Mutter
-und Braut, beider Hände haltend.)</span> Komm, altes Mamachen; — seht
-Euch in die Augen! — so — gebt Euch die Hände!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Närr’scher Kerl!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Küßt Euch!</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_60">[S. 60]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(nachdem sie sich mit der Schürze über den Mund
-gefahren)</span>: Na, dummer Kerl! — das .&#160;.&#160;.&#160;. da ist doch weiter nichts
-dabei .&#160;.&#160;.&#160;. da brauchst Du uns doch nicht .&#160;.&#160;.&#160;. gelt Ida! <span class="smaller">(sie küssen
-sich lachend).</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Und nun Friede!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Nich berufen, Junge!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em>: <span class="smaller">(eine dampfende Punschterine tragend, aus der Küche
-in das Nebengemach)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Oho!!! — na dann also .&#160;.&#160;. Friebe! ist er gut?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em> <span class="smaller">(im Vorübergehen)</span>: I, von det Zeich kenn’n Se mer
-dreiste wat vorsetzen, da bring ick ooch noch keen’n Schluck nich ieber
-de Lippen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Nich’ möglich, Friebe!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em>: Friher, ja — jetzt, bin ick — längst abjeschmissen.
-Jetz’ trink ick — nur — mehrschtentheels — b. — bitt’ren Schnaps
-<span class="smaller">(ab)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(hat Wilhelm die Cravatte in Ordnung gebracht und den
-Rock zurecht gerückt)</span>: So nu .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Schon gut, Du! — ist Vater heiter?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Er erzählt so. — Manchmal versteht man’s garnicht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Das Herz pocht mir doch wieder!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Wenn nur Robert nich’ so viel tränke.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ach Mutter heut .&#160;.&#160;.&#160;. heut ist das ja Alles einerlei!
-heut .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Nun komm schnell, eh Dir erst wieder .&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(zu Frau Scholz)</span>: Gehst Du mit?</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_61">[S. 61]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Geht nur, geht!</p>
-
-<p><span class="smaller">(Ida und Wilhelm ab in’s Nebenzimmer.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(.&#160;.&#160;. steht, sinnt nach, streicht sich mit der
-Hand die Stirne und begiebt sich zu Folge eines plötzlichen Einfalls an
-die Thür des Nebengemachs, wo sie lauscht.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em> <span class="smaller">(tritt durch eben dieselbe Thür ein. Man merkt nun
-deutlich: er ist angeheitert)</span>: Frau Doktor!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Was wollen Sie?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em> <span class="smaller">(pfiffig geheimnißvoll)</span>: Ma hat sei Wunder, Frau
-Sch—olzen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(zurückschreckend)</span>: Sie haben — zu viel
-getrunken! Sie .&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em>: Ick — lauer’ schon — uf alle Arten, det ick .&#160;.&#160;.&#160;. det
-ick und ick wollte Sie wat mittheilen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Na ja, ja, ja! sagen Sie nur schnell, was Sie zu
-sagen haben.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em>: Na, ick meen man blos .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: So reden Sie doch nur, Friebe!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em>: Ick meen man blos! — det is doch nich taktmäßig. In
-diese F .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Funktion — da sind ooch all noch ville Sachen — wo ick
-ooch verschweigen muß .&#160;.&#160;.&#160;. ick meen man blos — Ihr <em class="gesperrt">Mann</em> — der
-kann’t unmeejlich mehr lange machen .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: O Jesis, Jesis, Friebe! hat er denn .&#160;.&#160;.&#160;. o Jesis!
-hat er denn geklagt? is’ er denn krank?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em>: Na, uff so wat — versteh ick mir doch?!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Ueber was klagt er denn?</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_62">[S. 62]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em>: Ick sollt’ ja — aber — nich’ — sagen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Is’ es denn ernst? <span class="smaller">(Friebe nickt
-bestätigend.)</span> Er kann doch aber nich’ vom Tode gesprochen haben?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em>: Er hat sich — sogar — noch mehr — sone Sachen
-bedient, aber .&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Na nu drücken Sie sich doch endlich deutlich aus.
-Trinkt der Mensch .&#160;.&#160;.&#160;.!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Friebe</em> <span class="smaller">(aufgebracht)</span>: Ja ick .&#160;.&#160;.&#160;. na Järtner — un’
-Schuhwichser .&#160;.&#160;.&#160;. un’ was da allens vorfallen duht .&#160;.&#160;.&#160;. nee! — ick
-brauch mir det nich’ .&#160;.&#160;.&#160;. in jede Funktion .&#160;.&#160;.&#160;. das .&#160;.&#160;.&#160;. in diese
-Funktion kommt — allens vor — aber nee! .&#160;.&#160;.&#160;. da haben se — det Janze
-.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. klar .&#160;.&#160;.&#160;. punkt! .&#160;.&#160;.&#160;. <span class="smaller">(er macht kehrt, ab in die Küche)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Der Mensch ist verrückt geworden.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(im Hin durch die Thüre des Nebenzimmers, diese hinter
-sich zudrückend. Sie ein klein wenig wieder öffnend, ruft sie ins
-Gemach zurück)</span>: Warten, Herrschaften! ruhig und folgsam warten!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(sich hineindrängend)</span>: Ich will Dir ja nur helfen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Aber sonst Niemand!</p>
-
-<p><span class="smaller">(Ida und Wilhelm entzünden die Christbaumlichte.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Du! — hör ’mal! — Wilhelm!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(beschäftigt)</span>: Gleich, Mutterchen! — wir sind
-gleich fertig.</p>
-
-<p><span class="smaller">(Der Christbaum, die Girandolen und der Kronleuchter stehen im
-Licht. Ida nimmt eine große Decke, welche über die Geschenke auf der
-Tafel gebreitet war, von diesen herunter.)</span></p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_63">[S. 63]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(tritt zur Mutter)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(ruft durch die Thüre des Seitengemachs)</span>: Jetzt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(ist im Begriff Wilhelm etwas mitzutheilen, als
-sie durch den Eintritt des <span class="antiqua">Dr.</span> Scholz gestört wird. Es folgen
-nun: Auguste, Robert und Frau Buchner.)</span></p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(vom Trinken geröthetes Gesicht. Mit
-affektirtem Staunen.)</span> Ah! ah!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Feenhaft!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(befangen lächelnd.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(umgeht, die Pfeife im Munde, erst befangen, dann mehr
-und mehr ironisch lächelnd, den Raum)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(hat Wilhelm, der darob äußerst betreten ist, zu dem
-Platze geführt, wo seine Geschenke liegen)</span>: Lach’ mich nicht aus,
-Willy! <span class="smaller">(sie hält ihm die Börse hin.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Nein aber, Ida! — ich hab’ Dich doch gebeten .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Ich hatte sie ’mal für Vater gehäkelt. Das letzte Jahr vor
-seinem Tode hat er sie viel getragen. Da dacht’ ich .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(unter den Blicken der Beobachter mit steigender
-Verlegenheit)</span>: Ja wohl .&#160;.&#160;. so so .&#160;.&#160;. vielen Dank, Ida!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Die Dinger müßten nur praktischer sein.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(durch Frau Buchner ebenfalls an den Tisch
-geführt)</span>: Aber was machst Du denn nur für Geschichten? ich kann
-Euch ja garnichts .&#160;.&#160;.&#160;. ich hab’ ja garnichts für Euch <span class="smaller">(vor einem
-gehäkelten Tuche)</span> nein .&#160;.&#160;. nein .&#160;.&#160;. ne Du — thu mer die Liebe! das
-hast Du für mich gehäkelt? ne sag’ mer nur —<span class="pagenum" id="Seite_64">[S. 64]</span> fer mich alte Frau? na
-da dank’ ich Dir auch vielmals schön <span class="smaller">(sie küssen sich.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ach ich — freu’ mich nur, wenn Dir’s gefällt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Prachtvoll! — wundervoll — wunderschön! wie viele
-Zeit und Mühe! ne! .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Auch für Sie hätt’ ich was Herr Robert! Sie dürfen mich
-aber nicht auslachen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(über und über roth werdend)</span>: Ä — zu was denn!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Ich hab mir’ gedacht — Ihre <em class="gesperrt">Tabakspfeife</em> — die
-wird Ihnen nächstens die Nasenspitze verbrennen — und da hab ich mich
-Ihrer erbarmt und noch gestern schnell .&#160;.&#160;.&#160;. <span class="smaller">(sie zieht eine neue
-Tabakspfeife, die sie auf dem Rücken gehalten, hervor und überreicht
-sie ihm)</span> da ist das Prachtstück!</p>
-
-<p><span class="smaller">(Allgemeine Heiterkeit.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(ohne ihr die Pfeife abzunehmen)</span>: Sie scherzen,
-Fräulein!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Na ja! aber mit dem Schenken ist’s mir bitter Ernst.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ach nein doch, nein doch, das glaub’ ich nicht!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(entrüstet leise zu Wilhelm)</span>: Robert ist
-<em class="gesperrt">unausstehlich</em>!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Aber nein, wirklich!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Sehen Sie — dies Ding da .&#160;.&#160;.&#160;. ich habe mich so d’ran
-gewöhnt .&#160;.&#160;.&#160;. i, und Sie scherzen ja auch wirklich nur!</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_65">[S. 65]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(die Augen voll Thränen. Ihren Schmerz bemeisternd und
-mit zitternder Stimme)</span>: Nun — ja — wenn Sie — meinen <span class="smaller">(sie
-legt das Geschenk auf den Tisch zurück)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(hat während des letzten Gesprächs mehreremals
-leise Ida gerufen: nun eilt sie auf sie zu)</span>: Idchen — hast Du denn
-vergessen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Was denn Mama?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Du weißt doch! <span class="smaller">(Zu den Uebrigen)</span> nun sollen
-sie noch etwas zu hören bekommen.</p>
-
-<p><span class="smaller">(Ida, froh auf diese Weise ihre Bewegung verbergen zu können, folgt
-ihrer Mutter, die sie an der Hand gefaßt hat, in’s Nebenzimmer.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(zu Robert)</span>: Warum hast Du ihr die Freude
-verdorben?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(geht, die Enden seines Schnurrbartes nervös kauend,
-unruhig umher und wirft ab und zu drohende Blicke auf Robert.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Was denn? wie denn? ich weiß garnicht, was Du willst?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Na, freundlich war das allerdings nicht gerade.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Laßt mich doch zufrieden! und überhaupt: was soll ich
-denn damit.</p>
-
-<p><span class="smaller">(Gesang und Klavierspiel, aus dem Nebenzimmer dringend, unterbricht
-die Sprechenden. Alle blicken einander erschrocken an.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Idas</em> Stimme:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Ihr Kinderlein kommet,</div>
- <div class="verse indent0">O kommet doch all!</div>
- <div class="verse indent0">Zur Krippe herkommet</div>
- <div class="verse indent0">In Bethlehems Stall,</div>
- <div class="verse indent0">Und seht, was in dieser</div>
- <div class="verse indent0">Hochheiligen Nacht</div>
- <div class="verse indent0">Der Vater im Himmel</div>
- <div class="verse indent0">Für Freude uns macht!</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_66">[S. 66]</span></p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(ist über das Verhalten Roberts immer
-finsterer geworden. Bei Beginn des Gesanges blickt er scheu — wie
-Jemand, der einen Angriff fürchtet — umher und sucht einen gewissen
-Abstand zwischen sich und jedem der Anwesenden möglichst unauffällig
-festzuhalten)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(bei Beginn des Gesanges)</span>: Ach wie schön!
-<span class="smaller">(einen Augenblick lauscht sie hingegeben, dann bricht sie in
-Schluchzen aus.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(bewegt sich langsam, macht wie der Gesang anhebt ein
-Gesicht, wie: na nu hört’s auf, schreitet weiter, lächelt ironisch und
-schüttelt mehrmals den Kopf. Im Vorübergehen sagt er halblaut etwas zu
-Auguste)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(halb und halb gerührt, platzt nun heraus)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(hat bisher, ein Spiel widersprechender Empfindungen,
-an die Tafel gelehnt — auf der Platte nervös Clavier spielend —
-gestanden; nun steigt ihm die Röthe der Entrüstung in’s Gesicht.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(scheint gegen Ende des Gesanges unter den Tönen
-physisch zu leiden. Die Unmöglichkeit, sich den Eindruck derselben
-zu entziehen, scheint ihn zu foltern und mehr und mehr zu erbittern.
-Unmittelbar nach Schluß des Verses entfährt ihm — gleichsam als
-Trümmerstück eines inneren Monologes — unwillkürlich das Wort)</span>:
-Kinderkomödie, <span class="smaller">(in einem beißenden und wegwerfenden Tone)</span>.</p>
-
-<p><span class="smaller">(Alle, auch der Doktor, haben das Wort gehört und starren Robert
-entsetzt an.)</span></p>
-
-<table class="robert">
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="padleft1_5 nowrap"><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>:</div>
- </td>
- <td class="vam" rowspan="2">
- <div class="center"><img class="h2_5" src="images/klammer_r.png"
- alt="geschweifte Klammer, rechts"></div>
- </td>
- <td class="vam" rowspan="2">
- <div class="left">Robert!!!</div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="padleft1_5 nowrap"><em class="gesperrt">Auguste</em>:</div>
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(unterdrückt eine Aufwallung von
-Jähzorn)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(macht in bleicher Wuth einige Schritte auf Robert
-zu.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(stürzt sich ihm entgegen, umarmt ihn)</span>:
-Wilhelm! — thu mir die einzige Liebe!</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_67">[S. 67]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Gut —! Mutter!</p>
-
-<p><span class="smaller">(Er geht, sich überwindend, erregt umher. In diesem Augenblick
-hebt der zweite Vers an. Kaum berühren die ersten Töne sein Ohr, so
-erzeugt sich in ihm ein Entschluß, in Folge dessen er auf die Thür des
-Seitengemaches zuschreitet.)</span></p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Da liegt es, ach Kinder!</div>
- <div class="verse indent0">Auf Heu und auf Stroh;</div>
- <div class="verse indent0">Maria und Josef</div>
- <div class="verse indent0">Betrachten es froh,</div>
- <div class="verse indent0">Die redlichen Hirten</div>
- <div class="verse indent0">Knieen betend davor,</div>
- <div class="verse indent0">Hoch oben schwebt jubelnd</div>
- <div class="verse indent0">Der Englein Chor.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(stellt sich ihm in den Weg)</span>: Wilhelm! — was
-machst Du denn!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(ausbrechend)</span>: Sie sollen aufhören zu singen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Du bist wohl nicht bei Trost.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Laßt mich zufrieden! ich sage sie sollen aufhören.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Aber sei doch .&#160;.&#160;.&#160;. Du bist ja wirklich .&#160;.&#160;.&#160;. na
-gutt, dann siehst Du mich diesen Abend nicht mehr.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Bleib doch Mutter! laß ihn doch machen! es ist ja seine
-Privatsache!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Robert! treib’s nicht zu weit! nimm meinen Rath an!
-Du hast mir vorhin eine Rührscene vorgemacht, das macht Dich nur noch
-wiederwärtiger.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_68">[S. 68]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Sehr richtig: — Rührscene. — Bin selbst der Meinung
-.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(geht abermals auf das Seitengemach zu.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(ihn abermals aufhaltend.)</span> O, Gottogottogott
-Junge, warum willst Du sie denn? .&#160;.&#160;.&#160;. <span class="smaller">(der zweite Vers ist
-beendet).</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Weil Ihr es Alle miteinander nicht werth seit.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(dicht an Wilhelm herantretend, mit einem frechen,
-vielsagenden Blick in seine Augen)</span>: Du, vielleicht?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: O, Jesis ne, Ihr treibt’s doch wieder so weit
-<span class="smaller">(der dritte Vers hebt an)</span>.</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent0">Manch Hirtenkind trägt wohl</div>
- <div class="verse indent0">Mit heiterem Sinn</div>
- <div class="verse indent0">Milch, Butter und Honig</div>
- <div class="verse indent0">Nach Bethlehem hin,</div>
- <div class="verse indent0">Ein Körbchen voll Früchte</div>
- <div class="verse indent0">Das purpurroth glänzt,</div>
- <div class="verse indent0">Ein schneeweißes Lämmchen,</div>
- <div class="verse indent0">Mit Blumen bekränzt.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Sie sollen aufhören!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(ihn wiederum festhaltend)</span>: Junge!!!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Einfach — unter aller Würde. Es ist Blasphemie! es ist
-ein Verbrechen an diesen Menschen, wenn wir sie .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. ich .&#160;.&#160;.&#160;. ja auf
-Ehre ich werde schamroth für Euch alle!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(pikirt)</span>: Na — so ganz besonders schlecht<span class="pagenum" id="Seite_69">[S. 69]</span> und
-verächtlich sind wir am Ende doch wohl auch nicht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Auguste — mich ekelt’s!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Mag’s doch! — ja, ja; nu’ auf einmal ist man hinten
-runtergerutscht. Nu’ giebt’s auszusetzen an der Schwester an allen
-Ecken und Enden. Da is’ das nich’ recht, da is’ jen’s nich’ recht. Aber
-das Fräulein Ida .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(außer sich, sie unterbrechend)</span>: Sprich nicht den
-Namen aus!!!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Na, so ’was! ich werd’ wohl von Ida .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Laß den Namen aus dem Spiel, sag’ ich Dir.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Du bist wohl verrückt geworden, ich werd’ doch .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.
-die is’ doch wahrhaftig auch kein Engel vom Himmel.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(schreiend)</span>: Schweig’ still, sag’ ich!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(wendet ihm den Rücken)</span>: Ach, was denn, Du bist
-einfach verliebt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(Auguste unsanft an der Schulter packend)</span>:
-Frauenzimmer, ich! .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(packt Wilhelms Arm, spricht kalt und jedes Wort
-betonend)</span>: Wilhelm! — hast — Du — etwa — wieder Absichten?
-.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Teufel!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Das sagst Du? — pfui, Du!? der die Hand gegen seinen
-eignen Vater erhoben hat.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_70">[S. 70]</span></p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(mit zornbebender Stimme in absolut
-befehlendem Tone)</span>: Auguste! — Du wirst Dich entfernen! —
-augenblicklich!!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Na — ich möchte wissen .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Du wirst Dich augenblicklich entfernen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: O Du lieber Gott, warum nimmst Du mich denn nicht
-zu Dir! <span class="smaller">(weinerlich)</span> Auguste! Du hörst! — folge dem Vater!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: I, — Mutter! das würd’ ich ihr denn doch sehr
-verdenken. Sie ist doch kein kleines Kind mehr. Die Zeiten haben sich
-doch wahrhaft’gen Gott sehr verändert.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Aber, ich habe mich nicht verändert. Ich bin
-der Herr im Hause. Ich werde Euch das beweisen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: .&#160;.&#160;.&#160;. lachhaft!</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(schreiend)</span>: Räu — ber — und — Mör
-— der —!!! — — — ich — — — — — enterbe Euch!!! ich werfe Euch
-auf die Straße!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Das ist ja direkt komisch.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: <span class="smaller">(bemeistert einen furchtbaren Zornausbruch
-und spricht mit unheimlicher Ruhe und Festigkeit)</span>: Du, oder ich,
-einer von uns verläßt das Haus — augenblicklich.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ich natürlich — mit Herzensfreude.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(halb befehlend, halb bittend)</span>: Robert, Du
-bleibst!</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Er geht.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_71">[S. 71]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Fritz! hör’ mir zu! er ist der einzige .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. in den
-langen, einsamen Jahren hat er uns nicht vergessen, er .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Er, oder ich —!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Gieb nach, Fritz, thu’ mir die Liebe!</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Laß mich zufrieden! er, oder ich!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Ach, — Ihr braucht ja meinswegen einander nicht
-begegnen, es geht ja ganz gut einzurichten .&#160;.&#160;. aber .&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Gut, ich weiche. — Dir und Deiner Meute
-weiche ich! — Du und Deine Meute, Ihr habt von jeher den Sieg behalten!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Bleib’, Vaterchen! oder wenn Du gehst, laß mich diesmal
-mit Dir gehen.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(unwillkürlich zurückfahrend, zwischen Zorn
-und Entsetzen)</span>: Laß mich zufrieden, — Taugenichts! <span class="smaller">(gedankenlos
-nach seinen Sachen suchend)</span>: Banditen und Tagediebe! —
-Taugenichtse!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(aufwallend)</span>: Vater! — so nennst Du uns .&#160;.&#160;. und
-bist es doch gewesen, der uns .&#160;.&#160;.&#160;. Ach Väterchen nein, nein, das will
-ich ja garnicht sagen! laß mich mit Dir gehn, ich will bei Dir bleiben,
-laß mich Alles wieder gut machen, was ich <span class="smaller">(er hat seine Hand auf des
-Vaters Arm gelegt.)</span></p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(vor Schreck und Entsetzen wie gelähmt,
-retiriert)</span>: Laß los! ich sage Dir — die Ränke der Verfolger werden
-zufällig .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. werden zuverlässig — zu Schanden werden. Sind das diese
-Leute, —<span class="pagenum" id="Seite_72">[S. 72]</span> diese Mächtigen, — und diese mächtigen Menschen sind das
-Männer? einen Mann der, wie ich, einige Schuld hat, aber im Uebrigen
-dennoch ganz und gar — und — durch und durch — und kurz und gut.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Vater! Vater! Väterchen! komm zu Dir, komm doch zu Dir!</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(sich im Rythmus der Worte bewegend,
-halblaut)</span>: Und kurz und gut und .&#160;.&#160;. ganz und gar .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: <span class="smaller">(ihn umarmend, mit der instinctiven Absicht, seinen
-Actionsdrang zu hemmen)</span>: Faß Dich! nimm Dich zusammen!</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(sich wehrend, wie ein kleines Kind
-flehend)</span>: Ach, schlag mich nicht! ach straf mich nicht!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Aber um Gottes Himmels .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Nicht schlagen! nicht — wieder — schlagen!
-<span class="smaller">(er macht krampfhafte Anstrengungen sich aus Wilhelms Umarmung zu
-befreien).</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Abfaulen soll mir die Hand — Väterchen glaub doch
-nicht, .&#160;.&#160;.&#160;. Väterchen denk doch nicht .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.!</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(hat sich befreit, flieht hülferufend von
-Wilhelm gefolgt)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Schlag mich Du! schlag Du mich!</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em>: Bitte, bitte, bitte, — .&#160;.&#160;.&#160;. Hülfe.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(aus der Thür des Seitengemaches, todtenbleich)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(ereilt den Vater, umarmt ihn auf’s neue)</span>:.
-Schlag Du mich .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Scholz</em> <span class="smaller">(unter Wilhelms Umarmung auf einen<span class="pagenum" id="Seite_73">[S. 73]</span> Stuhl
-zusammenbrechend)</span>: Ich .&#160;.&#160;. a .&#160;.&#160;. ah! a — ah! .&#160;.&#160;. ich — glaube —
-es — geht — zu Ende — mit — mir.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Vater!!!</p>
-
-<p><span class="smaller">(Frau Scholz und Auguste sind einander entsetzt in die Arme
-gesunken. Robert todtenbleich, hat sich nicht von der Stelle bewegt;
-sein Gesicht hat den Ausdruck unerschütterlicher Festigkeit.)</span></p>
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_74">[S. 74]</span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Dritter_Vorgang">Dritter Vorgang.</h2>
-
-</div>
-
-<p><span class="smaller">Im Saale herrscht Halbdunkel. Die Lichter sind verlöscht bis auf
-einige auf dem Kronleuchter und ein einziges auf dem Christbaum. Vorn
-in der Nähe des Ofens am Tisch, den Rücken dem Nebenzimmer zugewendet,
-sitzt Wilhelm, die Ellbogen aufgestützt, sichtlich versunken in dumpfe,
-trostlose Grübelei. Robert und Frau Scholz betreten gleichzeitig die
-Halle, aus dem Nebenzimmer kommend.</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(Mit Zeichen der Erschöpfung, in gedämpftem Tone
-redend)</span>: Ne, Junge! — mach ok nich Geschichten! Jetzt — ma weeß
-nich hin, nich her. — Wenn’s nu was Schweres is, was d’nn dann?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Du bist ja doch nicht allein, Mutter!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Aber sag mer nur! das kann doch nich Dein richt’ger
-Ernst sein! Das ist ja überspannt! Wo willst Du denn jetzt mitten in
-der Nacht blos hin?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Wenn’s weiter nichts is! alle Augenblicke gehen Züge —
-und fort muß ich! — Diesmal kann ich’s wirklich nicht mehr aushalten
-— überhaupt — ’s ist für uns Alle das Beste!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(weinerlich)</span>: ’S war immer so hibsch in den
-letzten Jahren. Ich sag schon — nu missen die wieder kommen! Seit die
-Buchners hier sind, is’s wieder mal reen verdreht, Alles.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Sei froh, daß Du die hast, Mutter!</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_75">[S. 75]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: I, daß hätt’ ich ganz gutt selber machen können.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ich denke, er leidet niemand von uns um sich —; Vater
-—?!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em> <span class="smaller">(weinend)</span>: Accurat, als wenn ich ihm was
-Böses gethan hätte — und dabei bin — ich — doch gewiß — immer —
-diejenige gewesen .&#160;.&#160;.&#160;. ich hab gewiß immer mei’ Bestes gethan — sei
-mal gerecht, Robert! — Ich hab ihm sein schönes Essen gekocht — er
-hat seine warmen Strümpfe gehabt .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ach laß doch das, Mutter! — was hilft das end—lose
-Lamentiren?!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Ja, das sagst Du! — Du hast gut reden! — aber
-wenn man sich abgerackert hat sei’ Leben lang — man hat sich e’ Kopf
-zerbrochen, wie man’s und wie man’s blos recht macht — und nu’ kommen
-fremde Menschen, und die werden vorgezogen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ida ist immer noch bei ihm?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Eine wildfremde Person — ach ich möchte schon
-lieber garnicht mehr leben — und dieser Lump! — dieser Friebe! —
-dieser Lump! — wie der sich blos aufspielt! — Gustel hat’s ihm aber
-gesteckt! — Auguste hat ihm die Wahrheit aber ordentlich gesagt! —
-Dieser Kerl erdreistet sich — er hat sie geradezu aus dem Zimmer
-hinausgedrängelt. Das Mädel war außer sich. — Und das is nu seine
-Tochter .&#160;.&#160;.&#160;. ne .&#160;.&#160;. wißt er Kinder: was ich in meinen Leben<span class="pagenum" id="Seite_76">[S. 76]</span> schon
-ausgestanden habe! — ich mecht’s Keenem wünschen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(unwillkürlich, mit einem kleinen Seufzer)</span>: Vater
-auch!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Was —?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Nichts. — Vater auch sagte ich nur.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Wie denn?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Na — Vater hat doch auch manches ausgestanden.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Na meinswegen gewiß nich. Mich hat er nich sehr
-gemerkt. Ich bin gewiß anspruchslos.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(skeptisch)</span>: — ’tja! — ’tja! — ’tja!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Wart’ nur, wenn ich wer’ im Grabe liegen — da
-werdt’er dann schon einsehen .&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ach, Mutter, laß doch nur; — das hab ich ja schon
-hundertmal gehört.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Mag’s doch! Ihr werd’t’s schon noch emal einsehen
-— und paß uff — in gar nich langer Zeit.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ach Mutter, ich bestreite ja doch garnicht, daß Du
-mancherlei gelitten hast — unter Vater — Ihr habt eben Beide
-gelitten. Ich begreife garnicht, weshalb Du mir das .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Dummes Gerede! — was hat ihm denn gefehlt, möcht
-ich wissen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(unüberlegt)</span>: Wenn Du’s durchaus wissen willst:
-Verständniß!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Ich kann mich nicht klüger machen, wie ich bin.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_77">[S. 77]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Das hat ja auch kein Mensch verlangt. — Ueberhaupt .&#160;.&#160;.&#160;.
-es ist ja überhaupt Unsinn noch viel davon zu reden.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Na nu hört’s ganz uff — <span class="smaller">(weinend)</span> nu bin
-ich am Ende noch gar Schuld, daß er krank darnieder liegt, nu .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Das sag ich ja gar nicht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Das hast Du <em class="gesperrt">wohl</em> gesagt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ach Mutter .&#160;.&#160;.&#160;.! Ich gehe lieber — ich .&#160;.&#160;.&#160;. Mutter, ich
-kann wirklich nicht mehr.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Nein! — ich möchte wissen — was ich mir
-vorzuwerfen hätte — ich habe ein gutes Gewissen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Das magst Du behalten das magst Du auch meinethalben in
-Gottes Namen behalten! — <span class="smaller">(abwehrend)</span> bitte — nicht mehr!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Die Geschichte mit dem Gelde meinst Du wohl?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ich meine gar keine Geschichte.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Meine Eltern haben’s sauer verdient — welche Frau
-wird sich das gefallen lassen? — Dein Vater schmiß es geradezu zum
-Fenster naus.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Aber Dein Onkel betrog Dich drum.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Das konnte man nich wissen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Und Vater war gut zum Wiederverdienen?!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Er hätte sich eben so gut verspeculiren können.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: <span class="smaller">(lacht bitter.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Ich bin eben ’ne einfache Seele<span class="pagenum" id="Seite_78">[S. 78]</span> — der Vater war
-eben zu vornehm für mich. — Seine Mutter hatte och so was Vornehmes.
-Aber mei’ Vater war früher bluttarm — in mir steckt eben das
-Armuthsblutt! Ich kann mich nich anders machen. Na meinswejen — die
-paar Jahre wird’s wohl noch gehen. Der liebe Gott wird mich schon bei
-Zeiten erlösen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Von Gott erlöst sein möchte man lieber!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Pfui! das is e’ Hallunke, der das sagt. Ach —: von
-Gott erlöst sein — da nähm’ ich mir ne Nadel und stäch mer se — hier
-— in’s Herze — in die Rippen. Wie scheußlich is das: von Gott erlöst
-sein! Wo wäre ich blos geblieben, wenn ich meinen Gott nich gehabt
-hätte. — Willst Du d’nn wirklich fortgehn, Robert?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(schon auf der Treppe)</span>: Ach schweig schon, Mutter!
-Ruhe brauch ich — Ruhe. <span class="smaller">(ab)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Je ja! — je ja, — Ihr macht ein’n’s Leben nicht
-leicht! <span class="smaller">(zu Wilhelm, der wie am Anfang noch immer antheillos am
-Tische brütet.)</span> Nu denk’ Dir blos an —: Robert will fort!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Meinethalben!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Sag mer nur —: wast sitzt Du denn immer so? das
-nutzt ja nischt, Du! — sei doch nur vernünftig!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(seufzt tief auf)</span>: Ach, ja!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Das Seufzen nutzt gar nichts! sieh mich an! — ich
-bin alt — wenn ich mich hinsetzen wollte, wie Du .&#160;.&#160;.&#160;. Was geschehn
-ist, ist<span class="pagenum" id="Seite_79">[S. 79]</span> geschehn. — Das ist nu mal nicht zu ändern. Hörst Du! lies
-was! — steh auf, nimm Dir ’n Buch und zerstreu Dich!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(seufzt)</span>: Ach, Mutter! — laß mich doch nur
-machen! — ich störe ja doch Niemand! .&#160;.&#160;.&#160;. Ist Friebe vom Arzt
-zurück?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Nein, eben nicht. Ich sag ja schon, wenn man mal ’n
-Arzt nöthig hat, da is gewiß keiner zu finden.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Es ist bedenklich, nicht? — Ob es überhaupt noch mal
-werden wird?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Gott, ja! wer kann das wissen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(starrt seine Mutter an, läßt plötzlich wild
-aufschluchzend die Stirn auf die Hände sinken)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Ja, ja, mein Junge —: wer hätte das gedacht?! ich
-will ja nicht sagen .&#160;.&#160;.&#160;. ich will ja Niemand die Schuld zuschieben —
-aber zanken hättet Ihr Euch doch heute nich grade wieder brauchen —
-na — ma muß eben’s Beste hoffen. — Er phantasirt ja nu wenigstens
-nich mehr. — Wenn Ida doch nur ja nichts versähe! — unser eins hat
-doch hundertmal mehr Erfahrung. — Warum kann er denn zu Ida freundlich
-sein!? — Ich beiße doch och nich! .&#160;.&#160;.&#160;. Ida is ja sonst ’n sehr ’n
-liebes Mädel is sie ja wirklich. — Und Du nu erst! <span class="smaller">(ihm auf dem
-Scheitel klopfend)</span> Du kannst den lieben Gott schon danken — da
-kannst Du lange warten, bis Du wieder eine, wie Ida, findst! .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.
-<span class="smaller">(vorsichtig, vertraulich)</span> .&#160;.&#160;.&#160;. Sag’ doch mal — sind die
-Buchners — gut situirt?</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_80">[S. 80]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(aufbrausend)</span>: Ach, laß mich zufrieden! — wie
-soll ich das wissen! — was geht das mich an!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Was is denn da weiter?! — ma’ wird doch ’mal
-fragen können — Brummbär Du!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ach, Mutter — verschon’ mich! — wenn Du eine Spur von
-Mitleid mit mir hast —: verschon’ mich! .&#160;.&#160;.&#160;. bekümmere Dich nicht um
-mich — verschon’ mich!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: Na ja doch, ja! — ich bin Euch eben überall im
-Wege. — So ’ne alte Frau, die is höchstens noch gutt zum anranzen.</p>
-
-<p><span class="smaller">(Auguste und Frau Buchner hastig aus dem Nebenzimmer.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Mutter!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: O Gott! was denn?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Friebe ist eben gekommen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Friebe hat keinen Arzt mitgebracht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Der Vater hat ihn gefragt, und da hat er gesagt .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Er will keinen Arzt!!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Er schimpft so furchtbar — er will ihn zur Thüre
-nauswerfen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Friebe will nicht noch ’mal gehen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Sprich Du doch nur noch ’mal mit Friebe!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ja, sprich Du mit ihm! es ist doch dringend
-nöthig, daß .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_81">[S. 81]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em>: Ein Arzt muß kommen — sonst lauf’ ich selbst, ich
-fürchte mich nicht, und wenn ich bis Friedrichshagen laufen muß.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Scholz</em>: I warum nich gar! — jetzt mitten in der Nacht —
-wart’ nur, wart’ — laß mich nur machen! <span class="smaller">(Frau Scholz, Frau Buchner
-und Auguste hastig zurück ins Nebenzimmer.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(kaum verschwunden, erscheint wieder. Schon
-bevor sie abging, hat sie ihren Blick verstohlen und kummervoll
-mehrmals auf Wilhelm gerichtet, der immer noch stumm und düster auf
-seinem Platze verharrt. Ein Blick überzeugt Frau Buchner, daß, außer
-Wilhelm und ihr selbst, Niemand zugegen ist. Hastig zuerst, dann mehr
-zögernd, nähert sie sich Wilhelm.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(hat ihre Annäherung bemerkt, hebt den Kopf)</span>: Was
-w… wollen Sie? ich — habe Ihnen — ja doch — Alles vorher gesagt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Aber ich wollte es Ihnen nicht glauben. — Ich
-konnte mir das nicht vorstellen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Und jetzt glauben — Sie es?!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ich — weiß — nicht .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Weshalb belügen Sie mich? — sagen Sie doch — getrost,
-— ja. — Daß es so kommen mußte, war ja .&#160;.&#160;.&#160;. es war ja so lächerlich
-selbstverständlich. — Wie habe ich mich nur so können verblenden
-lassen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(mit Fiebereifer)</span>: Wilhelm! ich halte Sie
-heute, wie damals, für einen guten und edlen Menschen. Ich versichere
-Sie: nicht einen Augenblick lang habe ich an Ihnen gezweifelt. Auch<span class="pagenum" id="Seite_82">[S. 82]</span>
-jetzt, wo mir auf einmal so angst und bange wird .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(erhebt sich, holt tief Luft ein, wie Jemand der
-Beklemmungen fühlt)</span>: Es ist mir nur .&#160;.&#160;.&#160;. ich wußte es ja längst und
-doch .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ich komme zu Ihnen, Wilhelm! — ich sage Ihnen
-offen .&#160;.&#160;.&#160;. es ist auf einmal so über mich gekommen. — Ich sorge mich
-auf einmal so entsetzlich um Ida.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ich muß gestehen .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. nur gerade jetzt — —</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ich weiß ja, Sie lieben das Kind. Es kann sie
-ja auch Niemand inniger lieben! — Ich weiß, Sie werden mit allen
-Kräften streben, meine Tochter glücklich zu machen. An Ihrem Willen
-wird es nicht fehlen, aber nun .&#160;.&#160;.&#160;. nun habe ich so mancherlei
-.&#160;.&#160;.&#160;. nun habe ich so viel gesehen hier und — erfahren. Da ist mir
-vieles .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. vieles von dem, was Sie mir früher gesagt haben, erst
-verständlich geworden. Ich verstand Sie nicht. Ich hielt Sie für einen
-Schwarzseher. Ich nahm Vieles gar nicht einmal Ernst. Mit einem festen,
-frohen Glauben kam ich hierher. Ich schäme mich förmlich. Was habe
-ich mir zugetraut! Solche Naturen wollte ich lenken, ich schwache,
-einfältige Person! — Nun wankt Alles. Ich fühle auf einmal meine
-furchtbare Verantwortung: für mein Kind, für meine Ida bin ich doch
-verantwortlich. Jede Mutter ist doch verantwortlich für ihr Kind.
-Reden<span class="pagenum" id="Seite_83">[S. 83]</span> Sie mir zu, Wilhelm! sagen Sie mir, daß Alles noch gut werden
-wird! Sagen Sie mir: wir werden glücklich! —: Sie und Ida. Beweisen
-Sie mir, daß ich unnütz Furcht und Sorge habe, <em class="gesperrt">Wilhelm</em>!
-.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Warum — haben Sie’s — soweit — kommen lassen? — Ich
-habe Sie gewarnt — und gewarnt. Was habe ich Ihnen gesagt? ich habe
-gesagt: wir Alle .&#160;.&#160;.&#160;. wir Geschwister .&#160;.&#160;.&#160;. daß wir unheilbar kranken
-.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. vor allem ich .&#160;.&#160;.&#160;. daß wir an uns schleppen. — Binden Sie Ihre
-Tochter nicht an einen Krüppel, — habe ich Ihnen gesagt. — Warum
-haben Sie mir nicht glauben wollen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Ich weiß nicht. Ich weiß das selbst nicht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Nun haben Sie mich eingeschläfert, mein Gewissen
-beschwichtigt, — und jetzt — halb toll bin ich geworden vor Glück.
-— Ich habe Augenblicke durchlebt — durchkostet —! und auch andere
-wieder .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Die furchtbarsten Kämpfe meines Lebens — und nun —
-verlangen Sie .&#160;.&#160;.&#160;. nun man muß zusehen, — vielleicht, ja vielleicht
-.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em>: Wilhelm! ich verehre Sie! — ich weiß, daß Sie am
-Ende doch jedes Opfer bringen. Aber Ida .&#160;.&#160;.&#160;. wenn es für sie zu spät
-ist .&#160;.&#160;.&#160;. wenn sie daran zu Grunde geht!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Warum haben Sie mir denn nicht glauben wollen? — Sie
-wissen nicht — was mich<span class="pagenum" id="Seite_84">[S. 84]</span> das jetzt kostet. Stufe um Stufe mühsam
-gebaut habe ich mir — ach, so mühsam! so mühsam! .&#160;.&#160;. Dies Haus hier
-lag hinter mir. — Gerettet war ich fast. — Nun hat es mich wieder
-hereingerissen .&#160;.&#160;. Warum mußten Sie es nur so weit kommen lassen? warum
-.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(unter Thränen)</span>: Ich weiß nicht! ich weiß
-das selbst nicht! ich habe das Kind erzogen. Es ist mir Alles in Allem
-gewesen; an seinem Glück zu arbeiten ist auf der Welt mein’ einziger
-Beruf gewesen. — Nun kamen — Sie in unser Haus. — Ich gewann
-Sie lieb. — Ich dachte auch an Ihr Glück, ich .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Das hätte ich
-vielleicht nicht thun sollen .&#160;.&#160;.&#160;. Ich dachte vielleicht eben so sehr
-an Ihr Glück — und — wer weiß? — am Ende — zu — allermeist — an
-— <em class="gesperrt">Ihr</em> Glück <span class="smaller">(einen Augenblick lang starren Beide einander
-bestürzt in die Augen)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Frau Buchner!!!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Frau Buchner</em> <span class="smaller">(das Gesicht mit den Händen bedeckend, wie
-Jemand, der sich schämt, weinend ab durch den Treppenausgang)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(thut mechanisch ein paar Schritte hinter ihr drein,
-steht still, sucht seiner inneren Bewegung Herr zu werden, muß sich
-aber plötzlich, von Weinen geschüttelt, an der Wand stützen.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(ihr Gesicht ist bleich, ihre Mienen drücken Ernst und
-Besorgniß aus. Sie tritt leisen Schrittes zu Wilhelm, umfaßt ihn und
-drückt ihre Wange an die seine)</span>: Ach, Willy! sieh’ ’mal: es kommen
-trübe und — es kommen — nicht, Willy? — es kommen auch wieder helle
-Tage. Wer<span class="pagenum" id="Seite_85">[S. 85]</span> wird sich gleich so .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. so ganz und gar muthlos machen
-lassen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(leidenschaftlich stammelnd)</span>: Ida! — Einzige!!
-— Liebste!! — Süße — wie soll ich denn nur .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. wie sollt ich denn
-nur jetzt leben ohne Dich? — Deine Stimme, Deine Worte, Dein ganzes
-süßes, wunderbares Wesen, Deine Hände .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Deine milden, treuen Hände.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Denkst Du ich? — Denkst Du ich möchte leben, ohne Dich? —
-Nein Du! — wir wollen uns umschlingen und nicht los lassen — fest —
-fest — und so lange es so ist .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ja, ja! — aber — wenn’s nun ’mal anders würde?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Ach, sprich nicht so!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ich meine ja nur .&#160;.&#160;.&#160;. man kann doch nie wissen .&#160;.&#160;. Eins
-kann sterben .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Ach, wir sind jung.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Wenn auch. — Einmal kommt’s doch auch — alt werd’ ich
-so wie so nicht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(heiß)</span>: Dann umarm’ ich Dich — dann drück’ ich mich
-an Dich — dann geh’ — ich — mit Dir.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ida! — das sagt man so. — Das thust Du doch nicht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Das thue ich!</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_86">[S. 86]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Du denkst Dir das jetzt so — Du weißt nicht wie
-schnell man vergißt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Ich könnte nicht athmen ohne Dich!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Das bildet man sich ein .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Nein, nein, nein, Wilhelm! .&#160;.&#160;.</p>
-
-<p>.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: So zu lieben — wäre aber — sogar eine Thorheit. Man
-wird doch nicht alles auf <em class="gesperrt">eine</em> Karte setzen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Ich — versteh’ Dich — nicht ganz.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Nur so .&#160;.&#160;.&#160;. ich .&#160;.&#160;.&#160;. sieh’ ’mal <span class="smaller">(in ärgerlichem
-Tone)</span>. Ach, Du! — das Thema ist unerquicklich! .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. wie geht es
-Vater?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Er schläft jetzt — aber was hast Du denn nur?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(umhergehend)</span>: Das kommt so — man weiß nicht
-wie. <span class="smaller">(Plötzlich knirschend)</span> — Es giebt Momente, sag’ ich Dir
-.&#160;.&#160;.&#160;.! wenn einen die Wuth der Verzweiflung übermannt .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. in solchen
-Augenblicken kann ich mir denken .&#160;.&#160;.&#160;. in solchen Augenblicken kommt’s
-dazu, daß Menschen sich fünf Stock hoch — den Kopf zuerst — auf das
-Pflaster stürzen; — förmlich wollüstig wird einem diese Vorstellung.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Gott behüte! — Solchen Vorstellungen mußt Du nicht
-nachhängen, Willy!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Warum denn nicht, möchte ich wissen? warum sollen
-Kerls, wie ich, zwischen Himmel und Erde herumschmarotzen? —:
-Nichtsnutzige Geschöpfe! — Sich selbst ausmerzen — das<span class="pagenum" id="Seite_87">[S. 87]</span> wäre doch
-noch was, — dann hätte man doch <em class="gesperrt">einmal</em> etwas Nützliches gethan.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Es ist ja im Grunde nicht zu verwundern: — Du bist
-überreizt und abgespannt .&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(in schroffen abweisenden Tone)</span>: Laß mich
-zufrieden Du, das verstehst Du nicht! <span class="smaller">(über sich selbst erschrocken,
-verändert.)</span> Ach, Du! — Du mußt mir’s nicht übel nehmen. — Geh’
-doch lieber jetzt! Ich möchte Dich nicht verletzen. Und wie mir nun
-’mal zu Muthe ist — kann ich nicht — einstehen für mich.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(küßt Wilhelm stumm auf den Mund, dann ab in das
-Seitengemach)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: <span class="smaller">(blickt ihr nach, geht, steht still, zeigt ein
-Gesicht voll Schrecken und Staunen und faßt sich an die Stirn, wie
-Jemand, der sich auf bösem Wege ertappt hat. Während dies geschieht,
-ist Robert durch den Treppenbogen eingetreten)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(den Hut in der rechten Hand, über’m Arm den
-Ueberzieher und eine Reisedecke, in der Linken einen Plaidriemen,
-begiebt sich bis an den Tisch, wo er die Sachen ablegt)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(bemerkt ihn und sagt, nachdem er ihn eine Weile
-beobachtet)</span>: Wohin — willst Du?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Fort.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Jetzt?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Warum nicht? — <span class="smaller">(den Plaidriemen ausbreitend)</span>.
-Ich habe genug — über und über sogar! — Mutter wird künftig .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.
-wird künftig die Weihnachtstage — ohne mich auskommen müssen —
-<span class="smaller">(nach dem Ofen umblickend)</span>. Es ist kalt hier.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Draußen friert’s.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(die Reisedecke rollend)</span>: So! — um zehn thaute es
-doch.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_88">[S. 88]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Es ist umgeschlagen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Wie wird man nur den Berg ’runter kommen bei der Glätte?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Der Mond scheint ja!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Wenn auch.</p>
-
-<p>.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Er phantasirt nicht mehr.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: So, so!</p>
-
-<p>.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Er will keinen Arzt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: So, so!</p>
-
-<p>.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Es ist so plötzlich gekommen, man —</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Hm — ja, ja!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Es muß doch in ihm gesteckt haben.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Natürlich — sonst wäre er doch wohl nicht nach Hause
-gekommen .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p>.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Mir graut — was daraus werden soll?!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Was soll man machen?!</p>
-
-<p>.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Meiner Seele — ich weiß nicht, was ich anfange, —
-wenn er einmal stirbt .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Mit meinem Bewußtsein! mit dem, was ich
-jetzt erkannt habe! .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. ich wüßte wirklich nicht .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. und nun
-noch die Reue, die Gewissensbisse .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. ä! — was da! — was liegt
-schließlich daran?!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: I, Du! — da hätte man viel zu thun .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. der Alte ist
-ein Bischen anders — na ja<span class="pagenum" id="Seite_89">[S. 89]</span> — unsere Vorstellung stimmte nicht ganz.
-Gott, ja! aber das ändert doch nichts an der Sache.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ich sage Dir — es ist mir heiliger Ernst — mit
-Wollust würde ich heut verzichten, auf das ganze elende Bischen Leben,
-wenn es ihm zu Gute käme.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(den Ueberrock anziehend)</span>: Das hat wenig Sinn Du
-— meiner Ansicht nach — Sieh mal, ich gehe jetzt in ein kleines,
-geheiztes Comptoirchen, setze mich mit dem Rücken an den Ofen —
-kreuze die Beine unter dem Tisch — zünde mir diese .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. selbe Pfeife
-hier an und schreibe — in aller Gemüthsruhe hoffentlich, solche
-.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. na, Du weißt schon solche Scherze, .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. solche Reclamescherze:
-Afrikareisender .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. nahe am Verschmachten, na .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. und da laß ich
-denn gewöhnlich eine Caravane kommen, die unsern Artikel führt. —
-Mein Chef ist sehr zufrieden — es geht durch den Inseratentheil aller
-möglichen Zeitungen; und was die Hauptsache ist —: Wenn ich da so
-sitze, siehst Du, und die Gasflamme den ganzen Tag so über mir fauchen
-höre — von Zeit zu Zeit so’n Blick in den Hof — so’n Fabrikhof ist
-nämlich was Wunderbares! — was Romantisches, sag ich Dir! .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. mit
-einem Wort, da summt mich keine Hummel an.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Dann lieber gleich todt sein.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Geschmacksache! — Für mich ist es ein idealer Winkel
-geradezu; — soll man sich denn immerfort aus dem Gleichgewicht bringen
-lassen, soll man sich denn kopfverwirrt machen lassen, — ich<span class="pagenum" id="Seite_90">[S. 90]</span> werde
-so wie so zwei bis drei Tage gebrauchen um mich — auf mein Bischen
-Lebensweisheit zu besinnen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Sag was Du willst: das nenn ich feig.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Na item, nenn es so. Früher oder später kommst Du doch
-auf meinen Standpunkt. Vater ist auch zuletzt auf diesen Standpunkt
-gekommen. Vater und Du, Ihr ähnelt einander zum verwechseln. Ihr seid
-dieselben Idealisten. Anno 48 hat Vater auf den Barrikaden angefangen,
-und als einsamer Hypochonder macht er den Schluß. — Man muß sich an
-die Welt und an sich selbst <em class="gesperrt">bei Zeiten</em> gewöhnen, Du! — eh man
-sich die Hörner abgelaufen hat.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Oder aber an sich arbeiten, um anders zu werden.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Das sollte mir einfallen, ich bin, wie ich bin. Ich habe
-ein Recht so zu sein, wie ich bin.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Dann fordere Dein Recht auch offen!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ich werde mich hüten, denn ich will zu meinem Rechte
-<em class="gesperrt">kommen</em>. Die Moralphilister sind nun mal in der Mehrheit. —
-Uebrigens ich muß nun doch gehen — also .&#160;.&#160;.&#160;. und wenn ich Dir rathen
-soll, Du: nimm Dich vor den sogenannten guten Vorsätzen in Acht!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(kalt)</span>: Wie meinst Du denn das?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ganz einfach: man muß nicht <em class="gesperrt">Dinge</em> leisten wollen,
-die man seiner ganzen Naturanlage nach nun mal nicht leisten kann.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Zum Beispiel?</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_91">[S. 91]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: I! — zu mir kommen zum Beispiel manchmal solche Kerls,
-die mir den Kopf wer weiß wie heiß machen, von Idealen schwatzen. Man
-müsse für die menschheitlichen Ideale kämpfen, was weiß ich! — ich
-und für Andere kämpfen! fabelhafte Zumuthung! — und für was und zu
-was denn? — Na aber wie ich Dich kenne, Dich beunruhigt so was, Du
-würdest herumlaufen, wie einer der gestohlen hat: was bin ich für ein
-Jammerkerl! würdest Du Dir in einem fort sagen. Hab ich nicht Recht? na
-und dann käme schließlich der gute Vorsatz, und der drückt einen dann,
-das kenne ich. Ich bin auch früher mit hunderterlei solcher Vorsätze
-herumgelaufen. — Jahrelang — und das ist kein Vergnügen sag ich Dir!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ich weiß nicht recht, auf was Du hinaus willst?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Etwas Bestimmtes habe ich auch durchaus nicht im Auge:
-— die Unruhe — an der Du jetzt laborirst — hat ja auch noch andre
-Ursachen .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Ich jedenfalls .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. wenn ich früher merkte .&#160;.&#160;.&#160;. in
-früheren Zeiten habe ich ja auch ähnliches durchgemacht — aber sobald
-ich merkte, daß die Geschichte über meine Kräfte ging, habe ich ihr
-gewöhnlich kurz entschlossen den Rücken gewandt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Soll das ein Wink sein?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Wink? — ich wüßte nicht .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. also nochmals — laß
-Dir’s gut gehen und .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Sag mir doch mal Du — rein objektiv — es hat ein
-gewisses Interesse für mich .&#160;.&#160;.&#160;. es ist nur weil .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_92">[S. 92]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Bitte, — was wünschest Du zu hören?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Du hast selbst vorhin etwas gesagt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Wann, vorhin?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Als wir über Vater sprachen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ach richtig, ja — was soll ich denn da gesagt haben?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Du sagtest, es würde vielleicht doch gut werden mit Ida
-und mir.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ja so, — Euer Verhältniß, — das hätte ich gesagt. —?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Das hast Du gesagt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Nu ja, ich habe da <em class="gesperrt">manches</em> gesagt.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Das heißt so viel, als — Du bist von manchem, was Du
-da gesagt hast, zurückgekommen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ganz recht, das bin ich.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Auch was die .&#160;.&#160;.&#160;. diese selbe Sache anbelangt .&#160;.&#160;.&#160;.?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Euer Verhältniß?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ja.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ist Dir das denn wichtig?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ja, vielleicht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Ja.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Du bist also nicht mehr der Ansicht — daß wir .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Nein.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Schön — ich danke Dir — Du bist offen — ich danke
-Dir. — Aber nehmen wir mal an — setzen wir den Fall, ich kehre der
-ganzen Sache den Rücken — sehen wir zunächst mal ganz davon ab, was
-das für mich bedeuten würde angenommen<span class="pagenum" id="Seite_93">[S. 93]</span> — also, ich ginge auf der
-Stelle mit Dir — was sollte dann — aus Ida — werden?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Hm — Ida? — Ida? <span class="smaller">(zuckt die Achseln)</span> hm ja, ja
-— das läßt sich nicht so schnell .&#160;.&#160;.&#160;. das heißt — besorgen würde mich
-das wirklich nicht so sehr.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Du!!! das ist Deine alte Perfidie! das kenne ich.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Perfid? wieso denn? nein da täuschest Du Dich! um perfid
-zu sein ist mein Interesse doch nicht ausreichend — mein Interesse an
-der Sache mein ich. Ich glaube wirklich nicht .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Das weiß ich besser, Du. Du wirst mich doch nicht
-dieses Mädchen kennen lehren wollen?! es ist nun mal so — verlaß Dich
-darauf! sie hat nun mal ein Gefühl für mich, ich kann’s nicht ändern —
-ich bilde mir nichts ein darauf. — Was wird also aus ihr werden, wenn
-ich davon laufe?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Hm — machst Du Dir also wirklich ernstlich darüber
-Gedanken?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Allerdings — ja — allerdings.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Antworte mir doch gefälligst erst mal darauf: wenn Ihr
-Euch heirathet, was wird dann aus Ida?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Das kann kein Mensch wissen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: O doch, Du! das weiß man —: Mutter.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Als ob Ida mit Mutter zu vergleichen wäre.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_94">[S. 94]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Aber Du mit Vater.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Jeder Mensch ist ein <em class="gesperrt">neuer</em> Mensch.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Das möchtest Du gern glauben. Laß gut sein! da verlangst
-Du zu viel von Dir. Die fleischgewordene Widerlegung bist Du ja doch
-selbst.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Das möchte ich wissen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: I, das weißt Du sehr genau.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Schließlich kann man sich darüber hinaus entwickeln.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Wenn man danach erzogen ist nämlich.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ach, es hat keinen Sinn weiter zureden.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Durchaus meine Ansicht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Das kann ja doch zu nichts führen <span class="smaller">(ausbrechend,
-außer sich.)</span> Ihr wollt mich zu Grunde richten! — Ich bin das Opfer
-eines Complots! — Ihr habt Euch gegen mich verschworen, Ihr wollt mich
-abthun! — Ihr wollt mich endgültig abthun!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Das war Vaters zweites Wort.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Das ist lächerlich, — Deine Bemerkungen sind einfach
-lächerlich! — Habe ich etwa nicht Grund, das zu sagen — wollt Ihr
-mich etwa nicht von Ida trennen? Es ist .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. aufrichtig gesagt — mir
-fehlen die Worte .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. Es liegt eine so fabelhafte Anmaßung .&#160;.&#160;.&#160;. eine
-Brutalität liegt darin — über alle Begriffe geradezu! Mit Ida soll ich
-Mitleid haben! — wer hat denn mit mir Mitleid, sag mal? nenn mir einen
-Menschen! — wer denn?</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_95">[S. 95]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Selbstverständlich! — wenn Du so sprichst,
-selbstverständlich!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Man verlangt Opfer von mir. — Auf einmal soll ich die
-unsinnigsten Opfer bringen! Ich soll .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Du kannst Dir jedes Wort getrost sparen. — Unter
-solchen Verhältnissen selbstverständlich. — Es ist Dein gutes Recht,
-das Mädchen fest zu halten.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Unter solchen Verhältnissen? — unter was für
-Verhältnisse? sag mir doch bitte!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Du sprachst von Ida — vorhin — meines Wissens .&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Nun ja — also was —?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em>: Jetzt sprichst Du von Dir — es kam so heraus — na
-— mit einem Wort, wenn es Dir gleichgültig ist, was aus dem Mädchen
-wird — wenn Du die nöthige Dosis .&#160;.&#160;.&#160;. nun sagen wir meinetwegen
-Rücksichtslosigkeit auf Lager hast .&#160;.&#160;.&#160;. wenn Du sie so nimmst .&#160;.&#160;.&#160;. so
-wie einen neuen Rock oder Hut oder so was .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Robert! — so durch und durch herzlos, wie Du bist, —
-Du hast doch diesmal Recht — ich gehe mit Dir .&#160;.&#160;.&#160;. hier aus dem Hause
-— heißt das — gehe ich mit Dir .&#160;.&#160;.&#160;. ein Stück — nicht weit — und
-nun .&#160;.&#160;.&#160;. nun .&#160;.&#160;.&#160;. bin ich fertig — mit Euch Allen. — Ja, ja, jetzt
-bin ich — rede nicht erst! — jetzt bin ich wirklich fertig — ganz
-und gar .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(sieht ihn erstaunt an und zuckt dann mit den
-Achseln.)</span></p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_96">[S. 96]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(mit steigender Heftigkeit)</span>: Du, Du! — gieb Dir
-keine Mühe — es gelingt Dir nicht — mich kannst Du nicht täuschen mit
-Deiner harmlosen Ruhe. — Recht hast Du allerdings, aber was Dich auf
-den rechten Gedanken gebracht hat, das sag ich Dir in’s Gesicht, das
-ist jämmerlicher Neid .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. das ist einfach tief klägliche Mißgunst!
-— Du weißt sehr gut, daß ich ehrlich kämpfen würde, doch ihrer
-schließlich einigermaßen würdig zu werden. — Du weißt sehr gut, wie
-dieses Mädchen mit ihrer Reinheit mich reinigt. Aber Du willst es
-nicht! Du willst mich nicht gereinigt wissen. — Warum willst Du es
-nicht? — nun weil .&#160;.&#160;.&#160;. weil Du selbst so bleiben mußt, wie Du bist
-.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. weil sie mich liebt und nicht Dich! — Und deshalb hast Du mir
-diesen ganzen Abend mit Deinem Polizeiblick aufgelauert .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. hast
-mir immer und immer wieder zu erkennen gegeben, daß Du etwas von mir
-weißt — ja wohl! Du hast ganz Recht! ich bin ein durch und durch
-lasterhafter Mensch. Nichts ist mehr rein an mir. Besudelt, wie ich bin
-gehöre ich nicht neben diese Unschuld, und ich bin auch entschlossen,
-kein Verbrechen zu begehen. Aber Du Robert! Du wirst dadurch nicht
-reiner; ein Glück für Dich, daß Du Dich nicht mehr schämen kannst!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Robert</em> <span class="smaller">(hat während des letzten Drittels von Wilhelms Rede
-seine Sachen genommen und ist dem Ausgang zugeschritten. Die Klinke in
-der Hand bleibt er stehen, als ob er reden wollte, besinnt sich eines
-anderen, zuckt resignirt mit den Achseln und entfernt sich sehr ruhig.
-Ab.)</span></p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_97">[S. 97]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(dem Davongegangenen nachrufend)</span>: Robert! —
-Robert! —</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(aus dem Nebenzimmer eintretend)</span>: Wen rufst Du denn?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ach — Du bist hier.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Der Arzt ist drin, Wilhelm — er sagt — es sei doch ernst,
-es .&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Stimme der Frau Scholz</em> <span class="smaller">(jammernd)</span>: Mein lieber guter
-Mann, ach! .&#160;.&#160;.&#160;. ach, mein lieber, guter Mann!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Was habe ich gethan! was habe ich nun wieder gethan!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Es drückt mir das Herz ab. — Ich möchte Dich gern — nicht
-fragen, ich .&#160;.&#160;.&#160;. aber es muß etwas .&#160;.&#160;.&#160;. Du hast etwas Willy!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Gar Nichts habe ich — in die Einsamkeit möchte ich
-wieder — dort ist unser Platz, Ida.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Weshalb —? ich verstehe garnicht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(barsch und heftig)</span>: Ja, ja, ja! das ist ja
-die alte Leier —: ich versteh Dich nicht, ich versteh Dich nicht!
-— Mutter und Vater haben auch ihr Leben lang verschiedene Sprachen
-gesprochen; Du verstehst mich nicht! Du kennst mich nicht! — Du hast
-platte Backfischillusionen, und da habe ich nichts weiter zu thun, als
-mich zu verstecken vor Dir und zu verstecken — bis ich ganz und gar
-zum elendesten Betrüger und Schurken werde.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(hat Wilhelm bestürzt angeblickt, nun weint sie)</span>.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_98">[S. 98]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Da siehst Du nun: dies ist mein wahres Gesicht. Und ich
-brauche nur einen Augenblick lang zu vergessen, was ich Dir gegenüber
-für eine Rolle spiele, da kommt es auch schon hervor. Du kannst mein
-wahres Gesicht nicht ertragen. Du weinst und Du würdest Jahre hindurch
-weinen, wenn ich nicht Mitleid mit Dir hätte. — Nein, Ida, es darf
-zwischen uns nichts werden .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;. ich bin zu dem festen Entschluß
-gekommen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(An seinen Hals fliegend)</span>: Das ist nicht wahr! — das
-ist nun und nimmermehr wahr!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Denk’ an das, was Du hier gesehen hast! sollen wir es
-von neuem gründen? — sollen wir dieses selbe Haus von neuem gründen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Es wird anders werden! es wird besser werden, Wilhelm.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Wie kannst Du das sagen?</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Das <em class="gesperrt">fühle</em> ich.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Aber Du stürzst Dich blindlings in’s Verderben, Ida!
-ich reiße Dich in’s Verderben!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Ich habe keine Furcht, — davor habe ich keine Furcht,
-Wilhelm! hab’ nur wieder Vertrauen! gieb’ mir nur wieder Deine Hand!
-Dann werd’ ich Dir etwas sein können — stoß mich nur nicht von Dir
-.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Gieb’ mich frei! — zum ersten Mal liebst Du! — Du
-liebst eine Illusion. Ich habe mich weggeworfen, wieder und wieder. Ich
-habe Dein Geschlecht in Andern geschändet. — Ich bin ein Verworfener. —</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_99">[S. 99]</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(jauchzend und weinend ihn umhalsend)</span>: Du bist
-<em class="gesperrt">mein</em>! Du bist <em class="gesperrt">mein</em>!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ich bin Deiner nicht werth!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: O sage das nicht! vor Dir bin ich klein, ach, wie klein!
-wie eine kleine, kleine Motte bin ich nur. Wilhelm, ich bin nichts ohne
-Dich! ich bin Alles durch Dich — zieh’ Deine Hand — nicht — von mir
-— armseligen — Geschöpfe!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ida!!! — ich Dir? Ida ich? .&#160;.&#160;. <span class="smaller">(umarmen und küssen
-sich unter Lachen und Weinen.)</span> Ich soll meine Hand nicht von Dir
-ziehen? — Ja — was — sagst Du denn da — was sagst Du — denn nur —
-da — Du — böse .&#160;.&#160;.&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Nun — versprichst Du — mir — nun .&#160;.&#160;.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Ich schwöre Dir — jetzt .&#160;.&#160;.&#160;. <span class="smaller">(ein
-markdurchdringender Aufschrei aus dem Nebenzimmer schneidet die Rede
-ab. Betroffen und entsetzt starren Ida und Wilhelm einander in die
-Augen)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Stimme der Frau Scholz</em>: Mein Mann — stirbt ja! — mein —
-guter, lieber Mann — stirbt ja doch — mein Mann .&#160;.&#160;.&#160;. <span class="smaller">(lautes
-Weinen)</span>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em>: Gott! — mein Gott — was? — Vater!!! Vater!!!
-<span class="smaller">(will sich in’s Nebenzimmer stürzen; halbwegs kommt Ida ihm
-zuvor.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em>: Wilhelm! — komm’ zu Dir selbst! — und — geh’ nicht —
-ohne mich!</p>
-
-<p><span class="smaller">(<em class="gesperrt">Friebe</em> kommt von Schluchzen geschüttelt aus dem Nebenzimmer
-und verschwindet in der Küche.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Auguste</em> <span class="smaller">(folgt Friebe auf dem Fuße. Vor Wilhelm stehen
-bleibend, stößt sie mühsam hervor)</span>: Wer — trägt nun — die Schuld?
-— wer? wer —? — <span class="smaller">(Sie bricht am Tisch<span class="pagenum" id="Seite_100">[S. 100]</span> zusammen, ein dumpfes und
-hohles Stöhnen entringt sich ihrer Brust. Das laute Weinen der Frau
-Scholz ist noch immer hörbar.)</span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Wilhelm</em> <span class="smaller">(will ausbrechen)</span>: Auguste!</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Ida</em> <span class="smaller">(an Wilhelm’s Brust beschwichtigend, mit bebenden
-Lauten)</span>: Wilhelm, — ich glaube — Dein Vater — ist nicht mehr.</p>
-
-<p><span class="smaller">(Wilhelm will auf’s Neue ausbrechen, wird abermals durch Ida
-beschwichtigt, kämpft seinen Schmerz nieder, sucht und findet Ida’s
-Hand, die er krampfhaft in seiner drückt, und geht Hand in Hand mit dem
-Mädchen aufrecht und gefaßt auf das Nebengemach zu.)</span></p>
-
-<div class="figcenter illowe8" id="ende_deko">
- <img class="w100 padtop3" src="images/ende_deko.png" alt="">
-</div>
-
-<p class="s5 center padtop5 break-after">Druck von <em class="gesperrt">A. Klarbaum</em>, Berlin
-<span class="antiqua">S.O.</span></p>
-
-<div lang='en' xml:lang='en'>
-<div style='display:block; margin-top:4em'>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>DAS FRIEDENSFEST</span> ***</div>
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-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg&#8482;
-</div>
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-Project Gutenberg&#8482; is synonymous with the free distribution of
-electronic works in formats readable by the widest variety of
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-exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
-from people in all walks of life.
-</div>
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-Volunteers and financial support to provide volunteers with the
-assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg&#8482;&#8217;s
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-Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
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-generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
-Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.
-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
-501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
-state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
-Revenue Service. The Foundation&#8217;s EIN or federal tax identification
-number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
-U.S. federal laws and your state&#8217;s laws.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-The Foundation&#8217;s business office is located at 809 North 1500 West,
-Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
-to date contact information can be found at the Foundation&#8217;s website
-and official page at www.gutenberg.org/contact
-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Project Gutenberg&#8482; depends upon and cannot survive without widespread
-public support and donations to carry out its mission of
-increasing the number of public domain and licensed works that can be
-freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
-array of equipment including outdated equipment. Many small donations
-($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
-status with the IRS.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-The Foundation is committed to complying with the laws regulating
-charities and charitable donations in all 50 states of the United
-States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
-considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
-with these requirements. We do not solicit donations in locations
-where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
-DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state
-visit <a href="https://www.gutenberg.org/donate/">www.gutenberg.org/donate</a>.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-While we cannot and do not solicit contributions from states where we
-have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
-against accepting unsolicited donations from donors in such states who
-approach us with offers to donate.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-International donations are gratefully accepted, but we cannot make
-any statements concerning tax treatment of donations received from
-outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Please check the Project Gutenberg web pages for current donation
-methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
-ways including checks, online payments and credit card donations. To
-donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 5. General Information About Project Gutenberg&#8482; electronic works
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
-Gutenberg&#8482; concept of a library of electronic works that could be
-freely shared with anyone. For forty years, he produced and
-distributed Project Gutenberg&#8482; eBooks with only a loose network of
-volunteer support.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Project Gutenberg&#8482; eBooks are often created from several printed
-editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
-the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
-necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
-edition.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Most people start at our website which has the main PG search
-facility: <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-This website includes information about Project Gutenberg&#8482;,
-including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
-subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
-</div>
-
-</div>
-</div>
-</body>
-</html>
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