diff options
| author | nfenwick <nfenwick@pglaf.org> | 2025-01-25 12:27:58 -0800 |
|---|---|---|
| committer | nfenwick <nfenwick@pglaf.org> | 2025-01-25 12:27:58 -0800 |
| commit | 384f3aa716a0fb7249216b429372121168acab1f (patch) | |
| tree | 22aef2f0a635dfc08d03028412fda53f727dfd65 | |
| parent | fce84c4dc7b4f768d6bc19dc9507ad86c392e5d7 (diff) | |
| -rw-r--r-- | .gitattributes | 4 | ||||
| -rw-r--r-- | LICENSE.txt | 11 | ||||
| -rw-r--r-- | README.md | 2 | ||||
| -rw-r--r-- | old/69960-0.txt | 2287 | ||||
| -rw-r--r-- | old/69960-0.zip | bin | 43138 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/69960-h.zip | bin | 368212 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/69960-h/69960-h.htm | 3794 | ||||
| -rw-r--r-- | old/69960-h/images/cover.jpg | bin | 262751 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/69960-h/images/deco01.jpg | bin | 15509 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/69960-h/images/deco141left.jpg | bin | 8996 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/69960-h/images/deco141right.jpg | bin | 8977 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/69960-h/images/signet.jpg | bin | 37412 -> 0 bytes |
12 files changed, 17 insertions, 6081 deletions
diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..d7b82bc --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,4 @@ +*.txt text eol=lf +*.htm text eol=lf +*.html text eol=lf +*.md text eol=lf diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize +this eBook outside of the United States should confirm copyright +status under the laws that apply to them. diff --git a/README.md b/README.md new file mode 100644 index 0000000..2053b86 --- /dev/null +++ b/README.md @@ -0,0 +1,2 @@ +Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for +eBook #69960 (https://www.gutenberg.org/ebooks/69960) diff --git a/old/69960-0.txt b/old/69960-0.txt deleted file mode 100644 index d0302d1..0000000 --- a/old/69960-0.txt +++ /dev/null @@ -1,2287 +0,0 @@ -The Project Gutenberg eBook of Abendfalter, by Georg Busse-Palma - -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and -most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms -of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you -will have to check the laws of the country where you are located before -using this eBook. - -Title: Abendfalter - Geschichten der Sehnsucht - -Author: Georg Busse-Palma - -Release Date: February 5, 2023 [eBook #69960] - -Language: German - -Produced by: The Online Distributed Proofreading Team at - https://www.pgdp.net - -*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ABENDFALTER *** - - - - - - Anmerkungen zur Transkription - - - Im Original gesperrter oder unterstrichener Text ist _so - ausgezeichnet_. Im Original fetter Text ist =so dargestellt=. - - Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des - Buches. - - - - - Abendfalter - - [Illustration] - - Geschichten der Sehnsucht - - von - - Georg Busse-Palma - - [Illustration] - - Leipzig 1902 - Hermann Seemann Nachfolger - - - - -Alle Rechte vom Verleger vorbehalten. - - -Roßberg’sche Buchdruckerei, Leipzig. - - - - - Sr. Durchlaucht - dem - Prinzen Emil von Schönaich-Carolath - - in herzlicher und dankbarer - Verehrung gewidmet. - - - - -Von demselben Verfasser ist ferner im Verlag von _Hermann Seemann -Nachfolger_ in _Leipzig_ erschienen: - - =Mord.= _Geschichten, die mein Dolch erzählt._ - - Br. M. 2.50, geb. M. 3.50. - - - - -Inhalt - - - Seite - - Abendfalter 1 - - Ein Kind der See 27 - - Der alte Steffen 45 - - Amtsrichter Johnsons Höhepunkte 61 - - In der Anstalt 85 - - Im Pfarrhaus 107 - - - - -Abendfalter. - -[Illustration] - - -An jedem Samstag Nachmittag hatte Brigitte Winterfeld nichts Besseres -zu thun, als mit den Kindern des Pfarrers auf der grossen Wiese -herumzutollen. Es waren dies zwei Mädchen von elf und dreizehn Jahren, -bei denen es lange währte, ehe sie ermüdet, aber jauchzend vor -Vergnügen, sich in die Butterblumen warfen, die ebenso goldgelb waren -wie der Sommersonnenschein über ihnen. Brigitte liess aber, ihrer -eigenen Trägheit zum Trotz, nicht eher nach, und wenn sie es erreicht -hatte, dann war auch die ruhende Gruppe, die braunen Kinder zu Seiten -ihrer grossen, schönen Spielgefährtin, ein Bild, das allen Augen gefiel. - -Der pensionierte Oberförster Winterfeld besass, einen Büchsenschuss -vom Dorfe entfernt, ein Landhaus, weilte aber jeden Sonnabend bis -Mitternacht in der Stadt, wo ihn gute Freunde und ein guter Trunk nicht -eher losliessen. So war es schon seit Jahren Sitte, dass seine Tochter -die einsamen Stunden beim Pfarrer und dessen Kindern verbrachte. Sie -war auch selber noch harmlos genug, um an dem lustigen Spiel der -Kleinen ihre eigene lichte Freude zu haben. - -Nur einer störte sie mitunter in ihrer Fröhlichkeit. - -Wenn der Gutsverwalter, ein stiernackiger Schwarzkopf von ungefähr -dreissig Jahren, auf dem schmalen Richtweg bis an ihren Wiesenplatz -herangeritten kam und ihnen zusah, vermochte sie weder ruhig im Grase -liegen zu bleiben, noch mit den Kindern um die Wette zu laufen. Seine -Augen ruhten mit einem so seltsamen Ausdruck auf ihr, dass sie immer -das Gefühl hatte, als ob an ihrer Kleidung etwas nicht in Ordnung wäre. -Sie folgten jeder ihrer Bewegungen, die durch das dünne, schmiegsame -Hängekleid allzusehr hervortraten, und liessen nicht eher ab, als bis -ihr Zorn und Scham die Schläfen dunkelrot gefärbt hatten. Dann ritt er -pfeifend zurück, und frei und fröhlich konnte sie wieder aufatmen. - -Es gab noch einen anderen, bei dessen Nahen sich ihre jungenhafte -Ungezwungenheit verlor. Das war Otto Ehlers, der Sohn des Lehrers, der -ihr Freund war von Kindesbeinen an. Wenn sie diesen sah, blieb sie auch -nicht ruhig liegen, aber nur, weil sie ihm gefallen wollte und weil sie -nicht wusste, dass sie am schönsten war, wenn ihre vollen Glieder sich -so weich und wohlig in der Sonne dehnten. – - -Brigitte Winterfeld war kein Kind mehr. Sie stand erst im siebzehnten -Lebensjahre, aber ihre Formen waren weit über ihr Alter hinaus gereift. -Wenn sie aufrecht dastand, konnte man sie für eine junge Frau halten. -Nur an den schweren Zöpfen, die ihr blauschwarz bis über die Hüften -fielen, und auch an den immer etwas sehnsüchtigen, fragenden Augen -erkannte man auch äusserlich ihre unberührte Jugend. – - -Es war im Spätsommer, und der Abend hing schon am Horizont, als Otto -Ehlers zum letzten Mal vor seiner Abreise auf ihren Spielplatz kam. - -Die Kinder sprangen ihm entgegen und hingen sich an seine Arme. - -»Warum kommst du so spät heut, Onkel Otto?« – - -»Es ging nicht eher, ihr Racker. Ich musste doch allen Adieu sagen,« -sagte er halb lachend und halb wehmütig. - -Dann begrüsste er Brigitte. - -»Sie wissen ja schon, Briggi, dass ich morgen abreise?« - -»Ja,« nickte sie. »Es thut mir sehr leid.« - -»Ich freue mich, dass ich das Amt habe. Aber es ist doch schwer, alles -hier zurückzulassen. Oft werde ich nicht herüber kommen können, und -manches werde ich arg vermissen. Sie auch, Briggi!« - -Eine Weile standen sie sich stumm gegenüber. - -Da trat die Frau Pastor auf den Pfarrhof und rief, die gehöhlten Hände -als Sprachrohr benutzend, zum Essen. – - -Otto Ehlers biss sich auf die Lippen. - -»Bleiben Sie nach Tisch noch lange hier?« fragte er dann. - -»Nein, Otto. Ich gehe gleich fort.« - -»Dann komm ich noch einmal zu Ihnen heran. Von Ihrem Vater habe ich -mich ja schon verabschiedet, von Ihnen könnte ich das jetzt auch -endgültig thun, aber ich möchte doch noch einmal das ganze Haus sehen. -Es hängen doch viel Erinnerungen daran. Schon aus der Pennälerzeit her -und dann erst später, als Sie immer grösser und schöner wurden ...« - -Brigitte Winterfeld wurde rot. - -»Für mich auch,« sagte sie hastig. - -Dann schämte sie sich. Es fiel ihr ein, dass bei ihr, die das Haus -bewohnte, die Erinnerungen doch nur natürlich wären. Aber er hatte sie -wohl verstanden. – - -Die Kinder an den Händen fassend, ging sie dem Pfarrhaus zu. Otto -Ehlers sah ihr nach. Mit der Rechten strich er sich mechanisch den -kurzen, blonden Vollbart, und in seinen Augen wechselte in jäher Folge -ein glückliches Leuchten mit tiefer Traurigkeit. – – – – - - * * * * * - -Es war schon Abend, als sie nach Hause kam, und tiefe Dämmerung füllte -das ganze Zimmer. Halbverdeckt von Wolken, die immer dunkler wurden, je -weiter sie sich von ihm entfernten, stand der Mond am Himmel und sah -durch das Fenster. - -Brigitte Winterfeld rollte sich einen Sessel an die Scheiben und setzte -sich. - -Die Sträucher in dem kleinen Vorgarten schwankten dunkel und traumhaft -auf und nieder. Es mochte wohl ein Wind aufgestanden sein. Farben -waren nicht mehr zu erkennen. Nur einige Rosen, die im Mondlicht -standen, nickten mit gelben Köpfen zu ihr herüber. - -Und weiter, über den Pfad hinaus, den er kommen musste, reckte sich -schwarz und drohend der Fichtenwald. Zwischen den Stämmen aber, von dem -dunklen, verschwommenen Grunde, hoben sich hier und da schmale, lichte -Wege ab wie mit Goldkies bestreute Gnomenstrassen. - -Eine jagende Eule schrie einmal von dort herüber, dann verschlang die -Ferne auch diese Rufe, und die Stille wurde noch fühlbarer. - -Im Halbschlaf schloss Brigitte die Augen, und die Gedanken, die sie -schon seit Tagen schmerzten, kamen alle auf einmal wieder. - -»Morgen früh geht er fort. Wenn er wiederkommt, werde ich ihm nichts -mehr sein. In der grossen Stadt sind so viele Mädchen, die hübscher und -klüger sind als ich.« – - -Das klang in immer neuen Variationen immer wieder und wieder in ihrem -Herzen. - -Dann schrak sie auf. Es war ihr, als ob die Thür gegangen wäre. Und da -hörte sie auch schon seine Stimme. - -»Schlafen Sie denn wirklich, Briggi?« – - -Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen. In derselben Sekunde war sie -aber schon gänzlich munter. - -»Ich war ein bischen müde von dem vielen Herumlaufen. Aber kommen Sie -doch herein, Otto!« – - -Jetzt bemerkte sie erst, dass noch kein Licht brannte. Sie zündete die -schwere Majolikalampe an und stellte sie auf den kleinen Tisch, an dem -sie vorhin im Dunkeln gesessen hatte. - -»Es thut mir leid, dass ich Sie um ein Schlummerstündchen gebracht -habe, Briggi! Es ist aber wohl doch gut, denn sonst wäre die Nacht um -ihre Rechte gekommen.« – - -Sie lächelte fröhlich. - -»Was Sie wohl meinen! Ich bin kein Murmeltier, aber ich kann doch -sechzehn Stunden hintereinander schlafen. Übrigens war das kein Schlaf. -Ich hab an manches Liebe und an manches Böse gedacht. Auch an Sie und -Ihre Abreise.« – - -»Und zu welcher Kategorie haben Sie mich gezählt?« - -»Ihre Abreise zum Bösen, Otto. Aber soll ich Ihnen, statt dass Sie so -neugierig fragen, nicht lieber etwas von Papas Krätzer bringen? Sie -wissen, viel wert ist er nicht.« – - -»Ich danke, Briggi, ich mag nicht trinken.« – - -Dann aber schien er es sich zu überlegen. - -»Wein möchte ich nicht,« sagte er zögernd, »aber wenn ich eine Tasse -Thee bekommen könnte ...« - -Brigitte wunderte sich. Sie hatte noch nie gehört, dass Otto Ehlers im -Sommer Thee trank. Sie ging aber in die Küche, um welchen zu bereiten. - -Als sie mit einem kleinen Kännchen zurückkehrte, hatte er den Kopf in -die Hand gestützt und sah sie lächelnd an. - -»Wissen Sie auch, warum ich um Thee bat?« – - -Sie schüttelte den Kopf. - -»Es fiel mir grad’ ein, wie meine Eltern immer beisammen sitzen. Bei -der Lampe ist es so gemütlich, wenn es draussen ganz dunkel ist und die -Theetasse auf dem Tisch steht. Man kommt dann gar nicht darauf, dass es -anders sein könnte. Die beiden haben sich immer noch lieb trotz ihrer -fünfzig Jahre, und da dacht’ ich, wie das erst sein muss, wenn ich -_Ihnen_ so gegenüber sitz’ ...« - -Brigitte war rot geworden. Sie wusste nicht, was sie erwidern sollte. -Ein seltsames Gefühl, halb Jubel und halb Angst, stieg in ihr auf. - -Da pochte es stossweise, dumpf und leise, mehrmals an das Fenster. Es -waren drei Abendfalter mit grossen, dicken Köpfen, die, durch das Licht -verlockt, hineinwollten. Ihre weichen Körper drängten sich dicht an das -glatte Glas und die runden, rotglühenden Augen hingen gebannt an der -leuchtenden Glocke. - -Sie kamen Brigitte wie eine Erlösung. Hastig griff sie nach einer -Serviette und schlug damit gegen das Fenster, um sie zu vertreiben. - -»Die hässlichen Tiere,« sagte sie. - -Aber da legte Otto Ehlers ihr seine Hand auf den Arm. - -»Warum jagen Sie die Falter fort? Es sind keine hässlichen Tiere. Es -sind Nachtschwärmer, Kinder des Dunkels, die auch einmal zum Lichte -wollen.« – - -Gehorsam liess sie das Tuch sinken. - -»Vielleicht sind es Ihre Anbeter gar, Briggi! Ich glaube wirklich,« -fuhr er dann fort, mit weicher, bewegter Stimme, »ich glaube wirklich, -dass jeder Falter eine Sehnsucht ist. Wer Sie einmal gesehen hat, muss -doch wieder zu Ihnen zurück. Näher können sie nicht, da wollen sie -wenigstens durch die Scheiben spähn. Und ich weiss, wenn ich von hier -fort bin, wird meine Sehnsucht auch unter den Faltern sein.« – - -Brigitte schlug ihre feuchten Augen voll zu ihm auf. - -»Dann werde ich nie wieder einen forttreiben, Otto! Nie wieder!« – - -Über den Tisch hin fasste er ihre Hände. - -»Auch dann nicht, Briggi, wenn es lange dauert, eh’ aus der armen -Hilfskraft ein königlich preussischer Gymnasiallehrer mit einem eigenen -Theetisch wird? Auch dann nicht?« – - -Ihre Verlegenheit war jetzt ganz vorüber. - -»Auch dann nicht, Otto,« sagte sie ruhig. »Ich bin noch jung.« - -Da zog er sie an sich und küsste sie. - -Als er eine Stunde später das Haus verliess, rief sie ihm noch über -den Garten hinaus nach: »Ich werde nie wieder einen vertreiben! Nie -wieder!« – - -Und Otto Ehlers, der die schwarzen Kiefern entlang im Dunkeln dem -Lehrerhaus zuging, hörte darin ein Gelöbnis der Treue, das besser und -schöner war als jeder Schwur. - -Dann stieg auch sie die Treppe zu ihrer Schlafkammer in die Höhe. -Während sie sich auskleidete, flogen wieder einige Nachtschwärmer -an das erleuchtete Fenster. Da zog sie zum ersten Male die weissen -Vorhänge zu. - -»Seine Sehnsucht sieht durch die Scheiben«, dachte sie. – – – – - - * * * * * - -Nachdem Otto Ehlers fort war, wurde der Verwalter ein häufiger Gast -in der Villa Waldfried. Erst kam er immer nur in Begleitung des alten -Lehrers zu den Abendstunden, und der Oberförster, der ein eifriger -Skatspieler war, freute sich über den dritten Mann. Dann kam er auch -allein, und auch des Tages, und Brigitte Winterfeld ging ihm nicht -mehr aus dem Wege. Sie gewöhnte sich allmählich an ihn und auch an -seine Augen, trotzdem die nicht zarter wurden. Seitdem sie mit ihrem -Jugendfreund so gut wie verlobt war, fühlte sie sich zu sicher, wenn -ihr auch das Blut von Monat zu Monat heisser und schwerer durch die -Adern rollte. - -So sahen sie sich beinahe jeden Tag. Und mehr und mehr musste sich -das Mädchen gestehen, dass ihm doch nicht jede Schönheit fehlte. Es -war kein einziger feinerer Zug in seinem Gesicht, aber es war massig, -braun und kräftig, wie aus alter Eiche geschnitten, und der kleine -Schnurrbart über den dicken, vollen Lippen stand ihm gut. Seine Zähne -waren blank und breit wie die eines Raubtiers, und alle Dorfmädchen -sahen ihm begehrlich nach, wenn er, die Hände lässig auf den prallen -Schenkeln, über die Felder ritt. - -So war Sommer, Herbst und Winter vergangen. Und der neue Sommer brachte -ein freudiges Ereignis in das Pfarrhaus. Zum dritten Mal war der Storch -dort eingekehrt, und da es ein Bube war, liess der Pfarrer, der ein -lebensfreudiger Herr war, etwas draufgehen am Tauftage. - -Auch der alte Oberförster und Brigitte waren unter den Gästen. Erst -hatte sie in der Küche mitgeholfen, dann musste sie auch zu Tisch und -bekam ihren Platz neben dem Gutsverwalter. - -Es wurden schwere Getränke aufgetragen, und immer von neuem wurde -Brigittes Glas durch ihren Tischherrn gefüllt. - -»Es wäre doch schade, wenn das schönste Mädchen im Kreis bei solcher -Fülle verdursten sollte,« sagte er leise. »Und dass Sie die Schönste -sind, wissen Sie wohl selber!« – - -Dabei sah er sie mit seinen brennenden Blicken an, dass es ihr heiss -und kalt über den Rücken lief. - -Sie war den Wein nicht gewohnt. Ihr schon von Natur aus heisses und -leidenschaftliches Blut erregte sich mehr und mehr, und plötzlich -gingen ihre Gedanken auf Wegen, die sie früher nie beschritten hatten. -Ihr ganzes Gesicht glühte. Sie lehnte sich hintüber und liess die -Wimpern halb herniedergleiten. Sie fühlte seine Augen, die wie heisse -Hände über ihren Körper strichen. Aber sie rührte sich nicht. – - -Dann kam es ihr doch zum Bewusstsein, dass sie schon zuviel getrunken -hatte. Sie wollte ihren Vater nicht stören. So stand sie unter einem -Vorwande auf und ging allein nach Hause. - -Sie zündete die Lampe an und liess sich an ihrem gewohnten Fensterplatz -nieder. In denselben Sessel, in dem sie auch gesessen hatte, als Otto -Ehlers Abschied nahm. Sie öffnete die enge Taille und atmete tief auf. -Dann überfiel sie eine weiche, schlaffe, gedankenlose Müdigkeit. Die -Stille that ihr wohl, und bald schlief sie ein. - -Mit einem Male fuhr sie jäh in die Höhe. - -Kräftige Männerarme hatten sich um ihren Leib geschlungen, und zwei -glühende, fiebernde Lippen pressten sich in tollem Kuss immer wieder -und wieder auf ihre Augen und auf ihren Mund. - -Es war der Verwalter des Gutes, der ihr heimlich nachgegangen war. - -Vergebens suchte sie sich von ihm zu befreien. Beide Hände stemmte sie -gegen seine Brust. Aber es gelang ihr nicht. - -Und immer wieder kam dieser heisse Schauer, diese tollen, brennenden -Küsse, die sein heisses Blut dem ihren entgegendrängten, und denen sie -nicht lange widerstehen konnte. - -Alle Kraft wich von ihr. Schlaff, halb bewusstlos, lag sie in seinen -Armen. Nur die Pulse schlugen ihr immer heisser und immer schneller. - -Als er sie endlich losliess, hatte sie nur ein Verlangen: nach Luft, -nach Kühlung. - -Sie riss das Fenster auf, dass die Scheiben klirrten. – - -Die Abendluft strömte herein. Und mit der kühlen, klaren Luft kam ein -grosser, dunkler Falter in das Zimmer geflogen. Ein Kind der Nacht, das -lichtverführt sich schon lange an die Gläser gedrängt hatte. - -Lautlos, mit schwerer Flugbewegung, kreiste er um Brigitte Winterfelds -heisse, glühende Stirne. - -Dann wandte er sich dem Lichte zu. - -Brigitte Winterfeld wurde totenbleich. Mit weitaufgerissenen, -entsetzten Augen starrte sie ihm nach. - -Nach einer Minute stiess sie einen dumpfen Wehlaut aus. Ihr Kopf schlug -schwer auf die eichene Tischplatte, auf der mit verkohlten Flügeln, den -weichen Leib verbrannt, zuckend vor Schmerz, der Falter lag. – - - - - -Ein Kind der See. - -[Illustration] - - -Er war ein Antwerpener. - -Sein Vater, dessen Glieder die Gicht gekrümmt hatte, verzehrte sich -vor Sehnsucht nach dem offenen Meer, das er Jahrzehnte lang befahren -hatte. Als kleiner Hafenbeamter wohnte er dicht am Wasser, und -über die Wiege seines Kindes flogen die herben, salzigen Seewinde. -In die Schlummerliedchen, die ihm die Mutter sang, schrillten die -Dampfpfeifen, und wenn er des Nachts sein heisses Köpfchen aus den -Kissen hob und durch das Fenster sah, glotzten ihn aus der Ferne böse, -rotglühende Augen an. Er fürchtete sich aber nicht lange vor ihnen, -denn ehe er noch sprechen konnte, wusste er schon, dass sie kein Spuk, -sondern nur die Laternen mächtiger, dunkler Schiffskolosse waren, die -sich schwerfällig durch den Kanal dem geräumigen Hafen zu bewegten. - -Kaum, dass er die Kinderschuhe ausgetreten hatte, ging auch er zur See. -Als Leichtmatrose fuhr er auf einem Kauffahrteischiff. - -Da kam es, dass sein Grossvater mütterlicherseits, der tief im -Binnenlande wohnte, um eine Mitternacht den Tod an die Thüre seines -Gehöftes pochen hörte. Auch die Klinke hatte geknirscht, aber der -hagere Schnitter war noch einmal vorübergegangen. Nur gemahnt hatte -er den Alten. Am Tage darauf ging dieser zu dem Geistlichen des Ortes -und liess sich einen Brief schreiben an seine Tochter, die Mutter von -Henrik Jansen junior. Einen Brief des Inhalts, dass sein Enkel zu ihm -kommen solle, damit, wenn der Schnitter wiederkäme, einer da wäre, der -die gemähte Garbe in die Scheuer bringe und ihm ein Erbe, dem Gehöft -aber ein neuer Herr sei. - -Jansen jun. stiess anfänglich nur ein unartikuliertes Grunzen aus, als -seine Mutter ihm davon Mitteilung machte. Da er gerade nicht geheuert -war, reckte er seine mächtigen jungen Glieder auf der Ofenbank und -faulenzte. Er dachte aber immer daran, dass er bald wieder fahren -würde, und es wollte ihm durchaus nicht in den blonden Schädel, dass -er überhaupt von der See weggehen und als Binnenländer leben könnte. -Zwischen Leuten, die noch nie einen schwimmenden Balken unter den -Füssen gehabt! Lächerlich war dies einfach. Und am Schluss dieser -Gedankenkette spie er verächtlich ein Stück Kautabak in weitem Bogen -durch das geöffnete Fenster. - -Seine Mutter, die früh verhärmt und früh gealtert aussah, liess aber -nicht nach. Für sie, die tief im Lande Geborene, waren Meer und -Schiffahrt immer nur unersättliche Mörder gewesen. Zwei Brüder ihres -Mannes hatten sie auf dem Gewissen. Der eine war ertrunken, der andere -hatte sich das gelbe Fieber geholt und war in der Fremde verscharrt -worden. Sie fürchtete für ihren Sohn und wurde nicht müde, auf ihn -einzureden. - -Es dauerte aber lange, bis sie seine schwerfälligen Gedanken auf den -Punkt gebracht hatte, von dem aus gesehen das Binnenland lieblich war. -Als er jedoch einmal sich selber sagte, dass es prächtig sein müsse, -auf eigenem Grund und Boden zu stehen, wo er keinem Kapitän und keinem -Steuermann zu parieren brauchte – da hatte sie gewonnenes Spiel. - -Jansen jun. erhob sich von der Ofenbank, trank einen Genever und -siedelte dann zu seinem Grossvater über. - -Das Dorf, in welchem dieser wohnte, war fett und nahrhaft und seine -eigene Wirtschaft desgleichen. Als der Alte seinen Enkel bei sich -hatte, neigte er das Haupt, so tief wie eine Ähre im Juli. Bald -knirschte die Klinke zum zweiten Male, und diesmal ging der Fremde -nicht vorüber; im Gegenteil gab er dem Landwirt gewordenen Matrosen -Gelegenheit, ein würdiges Leichenbegängnis zu veranstalten und sich als -Herrn eines gesegneten Ackers, eines stattlichen Gebäudes und mehrerer -Joch Ochsen zu fühlen. - -Ein alter, erfahrener Knecht war da, so dass es an der kundigen Hand -nicht fehlte und Jansen jun. Zeit hatte, die Schönheit des Binnenlandes -kennen zu lernen. - -Anfänglich erregte alles seine Bewunderung und Freude. Die wogenden, -goldgelben Ähren, die ihm fast bis an die Schulter reichten, die -fruchtstrotzenden Obstbäume und nicht zum mindesten der sagenumwobene -Klapperstorch, der sich hier auf der sumpfigen Wiese behaglich Frösche -fing, – es waren ihm entweder ganz fremde Erscheinungen, oder doch nur -wie flüchtige Traumbilder, irgendwo in der Vergangenheit gesehene. So -verging ihm der Sommer schnell und fröhlich. Solange ihm alles neu und -fremd war, gefiel ihm das Dorf, den Herbst hindurch und auch den Winter -über. Wenn es ganz grimmig kalt war und er in dem mollig erwärmten -Zimmer sass, schmunzelte er sogar mitunter bei dem Gedanken, dass er -das Jahr vorher um diese Zeit an der englischen Küste getrieben hatte, -wo es so kalt war, dass die Haut der arbeitenden Hände in Fetzen an -den gefrorenen Tauen kleben blieb. Ach, da war es hier am Kamin doch -behaglicher! Und er stopfte sich eine neue Pfeife, trank einen neuen -Genever und war zufrieden. - -Als es aber Frühling wurde, ging er umher wie ein Verlorener. Es -drückte ihn etwas. Wie ein Stein lag es auf seiner Brust. Manchmal war -es ihm, als ob er an dem fetten, kräftigen Erdgeruch ersticken müsste. -Die ganze Luft war durchtränkt von ihm und selbst der Wind war fett und -erdig. - -Er klagte dem Geistlichen sein Leid. - -Der behäbige Herr hob nachdenklich seine linke Hängebacke ein wenig in -die Höhe und gab ihm dann einen Rat. - -– »Wissen Sie, Jansen,« sagte er ihm, »Sie müssen heiraten! Sie haben -hier weder Freunde noch Verwandte, und das drückt. Die Einsamkeit -schadet Ihnen. Denn sonst,« er schnüffelte dabei behaglich umher, »muss -ich sagen, dass die Luft hier sehr angenehm ist. Durchaus angenehm!« – - -Jansen beugte sich der geistlichen Autorität. - -Unter den breiten Hauben des Dorfes war eine, deren Trägerin ihm -besonders gefallen hatte. Zu der ging er, und sie sagte nicht nein. Im -Herbst sollte es Hochzeit geben. - -Den dumpfen Druck wurde er dadurch aber nicht los. Die wilde, prächtige -Romantik des Seelebens wurde in seinem einfältigen Herzen übermächtig, -seitdem das Rauschen der Wellen und der Schrei der Möwen nicht mehr an -sein Ohr schlugen. - -In der Nacht, wenn ein toller, übermütiger Wind die alten Fichten in -dem nahen Gehölz bog, dass sie ächzten und stöhnten, richtete er sich -oft im Bette auf, und es schien ihm, als müssten es Maste sein. Als -ob er wieder wie einst an der See lebte, schlürfte er mit durstigen -Atemzügen dann die Luft ein. Aber vergebens suchte er den herben, -prickelnden Geschmack. Die fette Erde spürte er nur, und seine Lungen -schlossen sich wieder, soweit es nur möglich war. - -Auch am Tage brütete er oft stundenlang vor sich hin. Seine beste -Freundin dabei war die Geneverflasche. Unaufhörlich schenkte er sich -daraus ein. Beim zehnten oder zwölften Glas biss es ihm dann in der -Nase, als ob ein Seewind hineingeblasen hätte, und seine Träume wurden -immer lebhafter, bis er mit schwerer Faust auf den Tisch schlug und -in die Kammer ging, seinen Rausch und seine Sehnsucht miteinander zu -verschlafen. - -Sein Hochzeitstag war trübe und stürmisch. Ein kräftiger Wind sprang -ihm in den Nacken, als er in die Kirche ging, und als er mit seiner -jungen Frau Hand in Hand wieder hinaustrat, verfing sich derselbe -Wind so heftig in ihren weiten, bauschigen Röcken, dass sie für einen -Augenblick von ihm lassen musste und es kalt und gell zwischen sie -hindurch pfiff. Des jungen Ehemanns Nüstern öffneten sich weit und -gierig. Nein, der roch nicht nach fetter Erde! Der kam von der See. Von -der endlosen, rauschenden See! – - -In der darauf folgenden Nacht schlug der Regen unaufhörlich gegen die -Scheiben, und der Sturm hörte nicht auf zu blasen. Er blies durch die -in der Mitte gehöhlten Dachziegel, die Hunderte von Pfeifen bildeten, -und wüst und phantastisch klang es bis in das Schlafzimmer hinab. - -In später Stunde, als sein Weib schon eingeschlafen war, richtete sich -Henrik Jansen plötzlich jäh empor. - -Was war das? - -Die Hand hinter der Ohrmuschel, lauschte er hinaus. Seine Brust hob -sich keuchend, der Schweiss trat auf seine Stirn. - -Hatte ihn ein Spuk geäfft? - -Aber nein, da war es ja wieder! - -Durch das Pfeifen des Windes, durch das Rauschen des Regens schlug -deutlich vernehmbar ein dumpfes, dröhnendes Tuten, wie aus weiter -Ferne, an sein Ohr. - -Das ist ein Nebelhorn! - -Das ist die Stimme eines Schiffes, die warnend die Finsternis zerreisst! - -Wo kommt es her? - -Zitternd vor Erregung steigt er aus dem Bett und tritt an das Fenster. -Er öffnet es, doch jetzt hört er wieder nur Wind und Regen. Bald aber -erhebt es von neuem die Stimme. Dumpf tutend, wie aus weiter Ferne, -aber doch schon näher. - -Seine Schläfe glühen, fiebernd späht er hinaus. Jetzt müssen die Augen -ja auftauchen, die roten, glühenden Augen! - -Es fällt ihm ein, wie er, seiner Erinnerung nach zum erstenmal, ein -Nebelhorn gehört. Er war noch ganz klein und erschrak. Seine Mutter -aber erklärte es ihm. - -– »Das ist einer vom Bremer Lloyd,« sagte sie, »der jetzt einfährt.« -Und ein anderes Mal fing sie an zu lachen. »Der brüllt wie ein -sterbender Bulle. Das ist der ›Flandern‹ von der Red Star Line.« – - -Oh, er hatte sie bald alle gekannt. Einige davon hatten eine Stimme wie -keifende Marktweiber und andere, wie besonders das kleine Harwichboot, -hatten eine Grogkehle und waren ewig heiser. - -Dieses Horn aber kannte er nicht. Wind und Regen störten den reinen -Klang, ebenso die Ferne, aus der es zu kommen schien. - -Doch mit einem Male tönte es ganz in seiner Nähe. Und als er die -fieberhaften, sehnsüchtigen Augen dorthin wandte, sah er einen alten, -gebückten Mann, der ein mächtiges Kuhhorn an den Lippen hielt. Es war -der Gemeindewächter. - -Wind, Regen und Sehnsucht haben dich getäuscht, Henrik Jansen! - -Henrik Jansen versuchte zu lächeln, sein Gesicht verzerrte sich aber -nur. Langsam schloss er das Fenster, doch zu Bette ging er nicht. - -Er setzte sich stumm an den eichenen Tisch und schlug die Hände vor das -Gesicht. Dort blieb er bis zum Morgen, und sein ganzer, riesiger Körper -bebte vor weinender Sehnsucht ... - - - - -Der alte Steffen. - -[Illustration] - - -Im Osten der Universitätsstadt erhebt sich das Armenhaus. Es ist aus -massiven, grauen Steinen gebaut und hat zwei Stockwerke. In dem oberen -befinden sich aber nur die Krankensäle, so dass die noch rüstigen -Insassen von der schönen, kleinen Stadt fast nichts zu sehen bekommen. -Denn aus ihren niedrig gelegenen Fenstern können sie die Mauern, die -das Haus umschliessen, nicht überblicken, und Urlaub bekommen sie sehr -selten. - -Im Winter ist das zu ertragen. Wenn der Regen gegen die Scheiben -schlägt oder die Flocken immer dichter und dichter herniederwirbeln, -frieren die alten Leute und sehnen sich nicht nach draussen. Nur -der alte Steffen vielleicht. Aber auch der denkt dann nicht an die -deutschen Thäler und Gebirgsketten, die dann doch rauh und ungastlich -sind. Er träumt von der heissen, brennenden Tropensonne, trotzdem -gerade sie ihn so krank und elend gemacht hat. - -Er ist schwach auf den Beinen und hat keine Kraft in den Händen. - -Mehrere Jahre hindurch ist er Plantagenaufseher in Java gewesen und mit -blossen Füssen über die Felder gegangen, bis sein Rückenmark verdorrt -und er überflüssig geworden war. Da kam er nach Deutschland zurück, -und fünf Jahre schon lebte er im Armenhause. - -Aber in dem Druck der grauen, freudlosen Gegenwart kann er die Zeiten -nicht vergessen, wo er als Lanzknecht die halbe Welt durchfahren. -Er hat unter der Tricolore und unterm Halbmond gefochten, ist bei -Sewastopol im Feuer gewesen und hat in Tonkin geblutet. Dann ist er zu -den Holländern desertiert, und dort im Civildienst hat ihn das Unglück -getroffen. - -In der Schar seiner Hausgenossen ist er immer noch eine imposante -Erscheinung. Unter Zwergen und Krüppeln und zahnlosen, ewig kauenden -Bettlergestalten tritt seine stämmige Figur wirkungsvoll hervor. Der -massige Kopf mit der kräftigen Nase, mit dem kurzen, grauen Vollbart -und den hellen Augen muss gut aussehen, wenn eine Fahne über ihm -flattert. - -Gewöhnlich scheint er recht gleichmütig und ruhig. Manchmal aber fangen -seine Augen an zu glühen und zu blitzen. Das ist, wenn die Sonne -scheint. Jedem Sonnenstrahl sieht er dann nach. - -Jetzt ist die Zeit seiner Marter und qualvollsten Wonne. Es ist -Frühling geworden. - -Stundenlang sitzt er täglich auf der verwitterten Holzbank im Hofe. -Wenn er die Wimpern hebt, sieht man eine verzehrende Sehnsucht -hervorlodern. Denn die Schwalben haben unter dem Giebel gebaut, und -ihre Schwingen streifen um sein Gesicht, die Bäume grünen und sind -voll junger Knospen, zwischen den Steinen im Hof schiessen schmale -Gräser hervor, und die Vergangenheit wird in ihm lebendig. - -Seit zwei Tagen hat er nicht mehr gesprochen und wird noch weitere Tage -nicht sprechen. Seine Kameraden aber wissen, dass jetzt die Abende -kommen, wo er erzählen wird, heiser vor Erregung, aber ein Poet in -seiner sehnsuchtsreichen Qual. - -Wenn sie alle zu Bette sind und nur die Nachtlampe rötlich glühend -durch den dunklen Schlafsaal schaukelt, richtet er sich auf in -den Kissen. Und er spricht von seiner Jugend und ihrer Sonne und -Selbstherrlichkeit. Wie er in schimmerndem Segler über blaue -Meere gefahren, und von den grünen Küsten Kleinasiens Marmorhäuser -herüberwinkten und der glänzende Ölbaum. Wie er in Albanien biwakierte -und mit Baschi Bozuks um ein Marschallsross gewürfelt, das feinere -Glieder hatte als eine Königstochter und dessen Nüstern rosig waren -wie der duftigste Nelkenkelch. Wie er in Algerien Feldwache gestanden -in Palmenhainen und Dattelwäldern und einen Kabylen erschlagen um -einen Trunk Wasser. Wie er in schaukelnder Dschunke den heiligen Strom -durchglitten, vorüber an rauschenden, undurchdringlichen Dschungeln, -unter Bäumen, die, im Lande wurzelnd, sich weit über das Wasser reckten -und in deren dichtem Astwerk schlanke, bunte Königstiger lauerten, -lautlos mit geschmeidigem Schweife die Flanken peitschend. Er spricht -von Tropensternen und zierlichen havanesischen Frauen, von wirbelnden -Trommeln und toten Freunden; nur von seiner Sehnsucht spricht er nicht. - -Wenn er dann aufhört, beisst er in den Bettpfosten und zerreisst sein -Leinen. Der Verwalter straft ihn dafür, aber seine Zuhörer schenken ihm -Cigarren und Kautabak, weil sie ihn bewundern. - -All die Jahre schon ist es ihm sauer genug gewesen, hier sein Leben zu -verbringen. Doch hat er sich darein gefunden, wenn es ihm auch in jedem -Frühling fast passierte, dass ihn Landleute meilenweit von der Stadt -hilflos am Wege trafen und zurückbrachten. Beim Ausgehen hatte er nie -daran gedacht, zu entrinnen, aber was soll denn ein alter Landstreicher -nur machen? Ist der Frühling nicht stärker als sein Wille? Der Frühling -hatte ihn verlockt, weit hinaus, immer weiter, bis die kranken Füsse -ihn nicht mehr trugen. - -Jetzt hat er nur noch _eine_ Furcht und _eine_ Sorge. Leben _muss_ er -im Armenhaus, aber sterben will er nicht in den dumpfen, drückenden -Mauern. Es graut ihm davor, und er zittert, wenn er nur daran denkt. Er -will sterben, wie das Wild stirbt, einsam im Wald, wenn die Dämmerung -durch die Zweige tropft und die Sonne im Verglühen ist. Auch der Tod -ist ein scheuer Gott und milder in der Einsamkeit. Seine Hände sind -dort weicher und seine Lippen liebreicher. Eine Hirschkuh darf dabei -sein und eine singende Drossel, aber nimmermehr ein Mensch. - -So hat er sich denn einen Plan gemacht. Jetzt, wo es wieder Frühling -ist, will er einen Ort suchen gehen, zu dem er sich flüchten kann, wenn -er sein Ende nahen fühlt. Einen Ort des Alleinseins und eine Stätte des -Friedens. - -Die Sonntagsglocken läuten, und Steffen zieht seine besten Kleider an -und bittet um Urlaub. Er erhält ihn auch und geht, so schnell ihn seine -schwachen Füsse nur tragen wollen, durch die Stadt. Er achtet nicht der -schmucken Giebelhäuser und der spielenden Kinder an den Wegen. Seine -Augen glänzen, und seine Nasenflügel zittern vor Erregung. In tiefen -Zügen trinkt er die weiche, köstliche Frühlingsluft. - -Bald ist er ganz im Freien. Wohin er nur sieht, alles ist voll saftigen -Grüns. Die sanft aufsteigenden Berge scheinen wie dunkler Sammet, und -der Fluss, der sie weich und silbern umschmiegt, wie der Pelzbesatz am -Saum eines Herzoginkleides. Kein Ast so klein, dass er nicht voller -Knospen wäre, und überall schon heben sich junge Blütchen aus den -Wiesen und der jungen Roggensaat. Er hört ein Rotkehlchen im Weissdorn -singen und sieht einen Citronenfalter durch die Sonne tanzen, und sein -Herz schwillt vor Jubel. Denn es ist das Herz eines Landstreichers und -hat keine andere Liebe als Natur und Freiheit, die es nicht zu trennen -vermag. Es ist das Herz eines Landstreichers und voll Ehrfurcht vor dem -göttlichen Mysterium der ewigen Schönheit und Erneuerung. - -Nun späht er umher. Oben auf dem Bergeskamme sind die dichtesten Wälder -und dunkelsten Gründe. Dort will er sein Grab wählen. - -Eine Stunde wohl wandert er durch den Forst. Endlich hat er etwas -Passendes gefunden: eine tiefe Mulde, eng umstanden von verwitterten -Kiefern. Die Gräser darin sind niedergedrückt, aber sein geübter Blick -erkennt unschwer, dass es nur Rehe waren, die hier genächtigt haben. - -Er kann darin liegen und sich strecken nach Herzenslust. Er sieht dem -Himmel ins Gesicht und weiss, dass man ihn hier nicht finden wird. Das -freut ihn, und fröhlich kehrt er zur Stadt zurück. - -Jetzt sieht er die spielenden Blondköpfe und streichelt sie. Jetzt -sieht er auch die Häuser mit den altertümlichen Giebeln, mit den -blanken Fenstern und den Rebenvorhängen. Jetzt freut er sich auch der -Stadt, weil er gewiss ist, dass sie ihn nicht halten wird in seiner -letzten Stunde. - -Im Armenhause wieder angelangt, holt er sich ein weiches Brettlein und -versucht ein Kreuz zu schnitzen. Seine Hände sind schwach und vermögen -das Messer nicht gut zu führen. Er wird wohl viele Tage lang sitzen -müssen, ehe es glatt und glänzend ist. Aber er hat ja Zeit und ist -geduldig. Sein Antlitz wird immer welker, aber sein stilles Lächeln -auch immer lichter. Sein Herz wird weit, wenn er daran denkt, wie seine -Finger das Kreuz umschliessen werden, wenn er seinen letzten Gang geht. - -Er sieht die Stunde schon kommen in einem weissen, schimmernden Glanz. -In leuchtenden Wolken wird der Vollmond stehn und unzählige Sterne. Die -Luft wird duftig sein und wie halbverblühte Veilchen in den Farben. Um -die Stätte des Friedens aber wird ein Falter fliegen, ein grosser, mit -sammetdunklen Flügeln. Der wird sich auf seine Wimpern setzen und ihm -die Augen schliessen, tausendmal weicher als jede Menschenhand – – – – - - - - -Amtsrichter Johnsons Höhepunkte. - -[Illustration] - - -Jeder Mensch hat in seinem Leben einige Höhepunkte, die ihm bis sein -seliges oder unseliges Ende unvergesslich bleiben. - -Auch Ernst Alexander Johnson hatte die seinigen. - -Den ersten hatte er damals erreicht, als er, der eben Amtsrichter -in dem kleinen polnischen Städtchen geworden war, seine alte -Studentenliebe heimführte. - -Am ersten Abend, als sie beisammen sassen, schmiegten sie sich fest -aneinander und blickten wortlos in ihre neue Heimat. - -Ernst Alexander, in dem ein gefesselter Dichter lag, seufzte tief -auf. Auf den Goldgrund des gegenwärtigen Glückes malten seine Träume -Blüten und Kränze einer späteren Zukunft, und das Grün der Hoffnung war -überall. - -Die Augen wurden ihm feucht. Er griff nach der Hand seiner Frau und -küsste sie, so dass sie seine Thränen spürte. - -Auch ihre Blicke waren verschwommen. Vielleicht hatte sie seine Träume -mitgeträumt. Sie fuhr ihm mit den Fingern in das braune, wellige Haar. - -»Wie kann man nur so weich sein,« sagte sie. »Wie kann man nur so weich -sein, du Lieber?« ... - - * * * * * - -Sie lebten sehr glücklich zusammen. Nur einschränken mussten sie sich, -denn das Gehalt war nicht gross. Das thaten sie aber gern. Ernst -Alexander trank einen Schoppen weniger als früher, und gab nie mehr -als fünf Pfennig Trinkgeld. Allmählich gewöhnte er es sich überhaupt -ab, in ein Restaurant zu gehen. Wozu auch? Seine junge Frau machte es -ihm daheim so behaglich wie möglich, und dass ihn der Kronenwirt, Herr -Ignatz Malczewski, nur noch obenhin grüsste, liess sich verschmerzen. -Als sie dann gar noch anfing, sich mit Schneiderei zu beschäftigen und -ganz winzig kleine Häubchen und Jäckchen verfertigte, da brachte er es -natürlich nicht mehr über das Herz, sie auch nur einen einzigen Abend -allein zu lassen. - -Es sollte aber früh genug anders werden. Nicht, dass ein Streit ihre -Harmonie getrübt hätte! Aber eines Tages trat einer in ihr Häuschen, -den sie beide noch in weiter Ferne geglaubt hatten. Der präsentierte -die Rechnung für das stille, reiche Glück, das sie ein volles Jahr -hindurch am Tisch des Lebens genossen hatten, und die Rechnung war -hoch. Frau Marianne brachte ein totes Kind zur Welt, und drei Tage -später folgte sie dem kleinen Wurm nach in die Grube. - -Ernst Alexander blieb allein. - -Fortan lebte er ganz einsam. Eine weiche Natur von Geburt an, schien -der Verlust seines Weibes ihn ganz gebrochen zu haben. - -»Es geht nicht so weiter mit Johnson,« sagte der »Aufsichtführende« -jeden Tag. »Er vergrämt und vereinsamt immer mehr. Wir müssen etwas -thun, um ihn aus dieser Lethargie zu reissen.« - -»Ja, es ist schade um ihn,« meinten auch die anderen Herren. »Aber was -können wir thun?« - -»Was wir thun können? Er muss wieder unter Menschen. Wir wollen ihn -bitten, einmal des Abends mit uns zu kommen, zum Bier.« - -Sie besuchten ihn auch. Aber er wehrte sich. - -»Nein, nein,« sagte er eigensinnig. »Ich will zu Hause bleiben.« - -Dann, als sie nicht aufhörten, in ihn zu dringen, wurde er weicher. - -»Was soll ich wohl unter euch? Ich kann nicht mehr so fröhlich sein -wie ihr und wäre ein trauriger Gast.« - -Es fehlte ihm aber doch die Energie, um auf die Dauer zu widerstehen. -Er liess sich überreden. - -Im Gasthof zur Krone, wo sich die Honoratioren allabendlich -versammelten, wurde immer tüchtig gekneipt. Diesmal aber, wo -Ernst Alexander Johnson nach so langer Abwesenheit wieder in den -verräucherten Räumen erschien, ging es besonders ausgiebig zu. - -Von allen Seiten stiess man mit ihm an. Widerwillig, mit -melancholischem Lächeln, kam er nach, in der Vornahme, bei der ersten -schicklichen Gelegenheit die Gesellschaft zu verlassen. - -So oft er sich aber sagte, dass es jetzt an der Zeit wäre, vermochte -er doch nie, seinem Unbehagen ein Ende zu machen. Ratlos den fetten -Oberkörper hin und her wiegend und ohne Freude, blieb er Stunde um -Stunde an der Tafel. Des Trinkens ungewohnt, wurde er früh berauscht. - -Es war kein angenehmer Rausch. - -Seine Kollegen mussten ihn nach Hause führen. - -Mit schwerem Kopf und Bitterkeit in Herz und Kehle wachte er am -nächsten Morgen auf. Ein schwerer Druck auf seiner Stirn liess den -ganzen Tag nicht nach. Er vermochte nicht zu widerstehen, als Assessor -Lindenborn, mit dem er gemeinschaftlich das Gericht verliess und der -nicht weniger verkatert war, einige Auffrischungsschnäpse vorschlug. -Sie setzten sich wieder in das kühle, halbdunkle Kneipzimmer und -standen nicht eher auf, als bis es gegen Mitternacht ging. - -Einmal aus der gewohnten Bahn geschleudert, fand er nun gar keinen -Halt mehr. Der Kronenwirt grüsste ihn jetzt sehr höflich, aber seine -Kollegen schüttelten aufs neue die Köpfe. - -»Es geht nicht so weiter mit Johnson,« meinten sie alle. »Wir müssen -ihn zur Vernunft bringen. Er vertrinkt alles, und es ist schon jetzt -nichts Seltenes, dass er am hellen Tage berauscht ist.« - -Eines Abends, als sie in vorgerückter Stunde in ihrer Stammkneipe -zusammensassen, machten sie ihm Vorhaltungen. - -Er war schon betrunken, und unter ihren wohlmeinenden Worten packte ihn -das graue Elend. - -»Ich weiss, dass ich ein Lump bin,« sagte er schluchzend. »Ein Lump, -jawohl, ein Lump. Aber warum habt ihr mich nicht sitzen lassen in -meinem Jammer? Warum habt ihr mich gezwungen, mit euch zu trinken?« - -»Aber, lieber Kollege! Es ist doch ein Unterschied zwischen Trinken und -Trinken. Wir haben es doch gewiss nur gut gemeint.« - -Amtsrichter Johnson lächelte bitter. - -»Gut gemeint, jawohl. Alle haben es gut gemeint. Alle, nur der Herrgott -nicht. Nur der Herrgott alleine nicht!« – – – – - - * * * * * - -Acht Tage später hatte er eine Sitzung des Schöffengerichts zu leiten. - -Alle waren schon versammelt. Nur der Amtsrichter fehlte. - -Da sandte man den Gerichtsdiener nach ihm aus. - -Der alte Klemming traf ihn, wie er gerade, hin und her schwankend, sich -vergebens Mühe gab, die Thür seines Hauses aufzuschliessen. Es war -ersichtlich, dass er eben erst, gegen elf Uhr vormittags, die Schenke -verlassen hatte. - -»Nun, Klemming, was ist denn?« lallte er. - -»Herr Amtsrichter möchten auf das Gericht kommen. Die Herren Schöffen -warten schon alle.« - -»Die Herren Schöffen? Wer denn, Klemming?« - -»Herr Kaufmann Tietz, Herr Tischlermeister Maczkowski, Herr Rentier -Priemchen« ... - -»Was Priemchen ist auch da? Hat der Kerl denn schon ausgeschlafen? Na, -ich komm schon!« - -Ohne sich umgekleidet zu haben, Wäsche und Kleidung beschmutzt und -zerknittert, ging er dem kopfschüttelnden Diener voran. - -Unterwegs pfiff er ein Kneiplied vor sich hin. Es schien ihm gar -nicht klar zu sein, wohin er gehen musste. Der alte Klemming wies ihn -zurecht, sonst wäre er am Gericht vorüber geschritten. - -Man warf ihm die Amtsrobe über. Dann trat er in den Saal. - -Mit würdevollen Gesichtern sassen die Schöffen auf ihren Stühlen. Der -Angeklagte, ein blasser, junger Bursche, erhob sich, als der Talar -sichtbar wurde. Aller Augen wandten sich auf den Richter. - -Mit schweren, unsicheren Schritten näherte er sich seinem Tisch. - -Da bemerkte er den Rentier Priemchen, mit dem er oft zusammen getrunken -hatte. Ein breites Lachen zog sich über sein gedunsenes Gesicht, das -vor Betrunkenheit glühte. - -»Na, alter Schwede,« rief er ihm mit heiserer Stimme zu, »auch hier?« - -Erschrocken fuhren alle auf. - -»Setzen Sie sich doch, um Gottes willen,« flüsterte Priemchen. - -»Gleich, Priemchen, gleich! Erst den Cantus.« - -Und der königliche Amtsrichter Ernst Alexander Johnson stellte sich in -seiner vollen Amtstracht an den Rand des Podiums und erklärte feierlich: - -»Zur Eröffnung einer urfidelen Schöffensitzung beginnen wir mit dem -schönen Liede: - - Wer kommt dort von der Höh’? - Wer kommt dort von der Höh’? - Wer kommt dort von der ledernen Höh’, - Ça, ça ledernen Höh’, - Wer kommt dort von der Höh’?« ... - -Während er den ersten Vers mit dröhnender Stimme absang, verbreitete -sich eine Todesstille um ihn. - -Niemand vermochte zu lächeln. Bleich und fassungslos blieb jeder -auf seinem Stuhl, und jeden durchzuckte die Ahnung, dass hier ein -Menschenschicksal seinem Ende zuneigte. - -Er begann noch den zweiten Vers. Mit den weiten Ärmeln seiner Robe -stiess er beim Taktschlagen an das schwarze Kreuz, das den kleinen, -silbernen Leib Christi trug. Es stürzte vom Tisch und schlug mit -dumpfem Hall auf die Dielen. - -Da unterbrach er sich. - -Mit blöden, blutunterlaufenen Augen blickte er hinunter und dann auf -die Beisitzer. - -»So, so, ach – so –« stammelte er dann. - -Ein Zucken ging durch seinen Körper. Schwer liess er sich in den Sessel -fallen. - -Aber die Besinnung war ihm zu spät gekommen. Die Sitzung wurde -vertagt, und wenige Tage darauf war Ernst Alexander Johnson aus dem -Richterstande entfernt. – – - -Wochen, Monate und Jahre vergingen. Der Amtsrichter a. D. war ein -stadtbekannter Trunkenbold geworden. - -Als ihm niemand mehr Kredit gab, fing er an, seine ganze Habe zu -verkaufen. Ein Stück nach dem andern wanderte zum Trödler. - -Eines Abends sass er in seiner leeren, unfreundlichen Wohnung, aus der -selbst die Wandbilder schon lange zu Geld gemacht worden waren, und -zerbrach sich den Kopf, was er noch verkaufen könnte. Aber nichts fiel -ihm ein. Ein Tisch und einige Stühle bildeten ausser einem kleinen -Wäscheschrank sein gesamtes Mobiliar. Verkäufliches war aber nur noch -in der letzten Schublade des Schrankes, und vor der hatte er eine -heilige Scheu. - -Endlich entschloss er sich doch, das Fach zu öffnen, und zitternd -und scheu, wie ein Dieb, sah er hinein. Da lag alles noch so wie -vor Jahren: die Häubchen und die Jäckchen, die Windeln und das -spitzenbesetzte Taufkleidchen. Es war in zwei grössere Abteilungen -gesondert, die mit blauseidenen Bändern umwickelt waren. Daneben lagen -noch einige Untersachen seiner Frau. - -Das Herz schlug ihm bis zum Halse hinauf, als er diese letzten -äusserlichen Erinnerungen an so viel Glück und Hoffnung vor sich sah. - -Er kämpfte innerlich. Dann aber griff er doch, während die Schamröte -ihm bis in die Stirn stieg, die Pakete heraus. - -In der Nähe seiner Wohnung befand sich eine kleine Branntweinschenke, -in der wandernde Burschen, verkommene Handwerker und der Amtsrichter a. -D. verkehrten. Der Wirt war ein gefälliger Mann und nahm ebenso gern -Kleidungsstücke und andere Sachen in Zahlung, als bares Geld. Zu dem -begab er sich. - -Er bestellte einen Schnaps und ein Käsebrot. Der Besitzer des Lokals, -ein dicker, aufgedunsener Riese, der auf einem Auge blind war, musterte -ihn misstrauisch. Er brachte das Verlangte erst, als er das Bündel sah, -das Ernst Alexander neben sich gelegt hatte. - -An den Nachbartischen, die klebrig waren und wie das ganze Lokal nach -vergossenen Getränken rochen, sassen mehrere junge Leute. Als es ans -Zahlen kam, musste er das Paket öffnen. Wie die Jäckchen und Windeln -zum Vorschein kamen, erscholl ein rohes Gelächter. - -»Von wo haben Sie das denn?« fragte der Wirt verdutzt. - -»Von meinem Kinde.« - -»Haben Sie denn ein Kind?« - -Ernst Alexander biss die Zähne zusammen. - -»Es ist tot,« sagte er finster. »Sonst säss’ ich nicht hier.« - -Der Wirt schien sich zu erinnern. - -»Ach so, Ihre Frau starb ja auch damals.« - -»Ja, sie starb auch.« - -»Und das wollen Sie jetzt verkaufen?« - -Der Amtsrichter a. D. hörte die Verachtung in diesen Worten und wagte -nichts zu erwidern. Mit gesenktem Kopf verliess er das Zimmer und trat -hinaus. Zwölf Silbergroschen hatte er in der Hand. - -Nach einer unruhigen Nacht wachte er am nächsten Morgen früh auf. Noch -unangekleidet sass er mit wirrem Hirn auf dem Bettrand, und allmählich -trat ihm wieder ein Bild vor die Seele, das ihn im Schlafe gequält und -gepeinigt hatte. - -Es war im Traume seine tote Frau zu ihm gekommen. Sie trug ein weisses, -faltiges Gewand, und an ihrer Rechten führte sie ihr Kind. Das Kind war -nackend und weinte bitterlich. - -»Du hast ihm seine Hemdchen verkauft. Nun friert es,« sagte die Mutter. - -Ernst Alexander bekam das nicht mehr aus dem Gedächtnis. Den ganzen Tag -trug er daran, und der Nebel, der jahrelang vor seinen Augen gelegen -hatte, verschwand mehr und mehr. Er sah alles, wie es wirklich war, -nackt und nüchtern. Er sah, dass der letzte Teil seines Lebens nichts -als Schmutz und Schande gewesen war, und Verzweiflung überfiel ihn. Er -sprach mit sich und mit den Toten, die ein Traum ihm heraufbeschworen -hatte, und alles in ihm ward voll von Bitterkeit und Selbstverachtung. - -»Es ist keine Liebe mehr für mich, nicht im Himmel und nicht auf der -Erde,« sagte er laut. - -Seine Worte dröhnten in dem leeren Gemach. - -Er schrak zusammen. - -Dann schlug er mit der Faust auf den Tisch und spie aus. – – - - * * * * * - -Die Abendsonne funkelte und sprühte auf dem Schieferdach des alten -Klosterturmes. Sie brach sich auch in den Scheiben des stillen, kleinen -Hauses und drang bis in das Zimmer. - -Dort blieb sie lange und leuchtend. - -Inmitten der gemalten Decke, an der kleine Amoretten mit roten Rosen -spielten, steckte ein eiserner Haken, der früher eine Hängelampe -gehalten hatte. - -Die Lampe war schon lange fort und brannte schon lange nicht mehr. - -Jetzt hing ein hänfener Strick daran, und an dem Strick hing ein -fetter, gedunsener Leichnam. - -Das war der zweite Höhepunkt im Leben Ernst Alexander Johnsons. Sein -zweiter und letzter im Leben und im Sterben: zwei Fuss über den -Dielen. – - - - - -In der Anstalt. - -Ein Bild aus dem Leben. - -[Illustration] - - -Nicht weit von einer westdeutschen Industriestadt liegt eine grössere -Zahl schmucklos, aber gefällig gebauter Häuser. Durch grössere -Entfernungen voneinander getrennt, verstreuen sie sich über ein -weites, hügeliges Gelände, das hier und da mit Wald bestanden ist. -Grösstenteils werden sie von Kranken bewohnt, denen die kräftige Luft -und der tiefe Frieden wohlthut. - -In einem der Häuser jedoch werden keine körperlich Leidenden -aufgenommen. Dies ist das Haus, das am weitesten der Stadt zugeschoben -und durch ein eisernes Gitterwerk von der Landstrasse getrennt ist. Es -ist die Domäne derer, die Schiffbruch im Leben gelitten haben, das Asyl -der Gestrandeten. - -Es beherbergt nur Leute aus besseren Lebensschichten. In der Überzahl -sind die Offiziere a. D. Etliche Geistliche sind auch darunter, -mitunter auch ein Schriftsteller oder ein Redakteur. - -Mannigfaltig ist ihre Schuld und ihr Schicksal; mannigfaltig sind die -Wege, die sie hierhergeführt; allen gemeinsam aber ist der dumpfe -Gram, der ihre Tage verbittert und der sie allmählich stumpf macht -gegen das Aussenleben, der allmählich auch ihre Sehnsucht, wieder -hinauszufliegen, erdrückt, und erst mit dieser Sehnsucht matter und -matter wird. - -Die meisten der Herren sind schon längere Zeit da. Man unterscheidet -sie leicht von den übrigen Bewohnern der Anstalt. Sie tragen einen Zug -schmerzlicher Resignation im Gesicht, und ihre Augen blicken auf ein -vergangenes Leben. - -Hier und da gemahnen noch Gang und Gebärde an die frühere -gesellschaftliche Stellung. Sonst kommt sie selten zum Vorschein. -Besonders nicht in der Kleidung. Wenn beim Essen ein Tropfen Suppe oder -Bratensaft auf den Rock fällt – nun, so schadet das nichts. Gereinigt -wird er deswegen doch nicht. Für wen auch? Untereinander hat man sich -gegenseitig nichts vorzuwerfen und ausser der alten Dame, welche die -Wirtschaft führt, und ihren beiden Dienstmädchen ist kein weibliches -Wesen für sie vorhanden. In die Stadt zu gehen ist ihnen auch nicht -erlaubt, weil es zum Teil der Alkohol war, der sie hierhergebracht. - -Da ist der Hauptmann und Oberamtmann a. D. von Wegeler, der ein -tüchtiger, pflichttreuer Beamter war, bis ihm sein junges Weib im -ersten Kindbett starb. Von da ab hatte er keinen Sinn mehr für seine -Akten gehabt und vom frühen Morgen an bei der Flasche gesessen. Man -schonte ihn so lange als möglich; eines Tages aber war er schwer -betrunken an das offene Grab eines alten Soldaten getreten, um ihm -nach dem Geistlichen als Vorsitzender des Kriegervereins ebenfalls -einige Worte nachzurufen. Hin und her taumelnd hatte er einige -unzusammenhängende Sätze hervorgestossen, bis er endlich gänzlich -das Gleichgewicht verloren hatte und auf den blumengeschmückten Sarg -gefallen war. Es hatte einen dumpfen Schall gegeben, der oben einen -entrüsteten Widerhall fand und laut genug war, um bis zum Minister zu -dringen. Er hat nachdem nicht mehr amtiert und trug sein Weh in die -stillen Räume der Anstalt. Vom Trunk liess er bald; auch die Wunden, -die ihm der Tod seiner Frau geschlagen, vernarbten in der alles -heilenden Zeit. Dafür überkam ihn aber die Energielosigkeit eines -Lebens, dem jeder Sporn fehlt, die Resignation eines Lebens, das sich -selber verloren giebt. - -Sein Zimmergenosse, ein kleiner, pommerscher Pastor, der wie eine -Karikatur aus dem vorigen Jahrhundert aussieht und eine verbitterte, -boshafte Zunge hat, bedurfte keines so jähen Anstosses, um ein -Trinker zu werden. Fünfundzwanzig Jahre in einem elenden Dorfe, -ganz einsam, ohne Verkehr, ohne Bücher und geistige Anregung hatten -ihn ganz allmählich dazu gemacht. Die Bauern hatten oft Gelegenheit -gehabt, einen Betrunkenen auf der Kanzel zu sehen, bis sich das hohe -Konsistorium hineinmischte, und er abgesetzt wurde. - -Dann wohnt ein junger, bildhübscher Mann dort, der kurz nach seiner -Beförderung zum Oberleutnant in später Nacht einst angerauscht und -durch einen Wortwechsel erregt aus dem Kreise seiner Kameraden -geschieden und auf dem Heimwege mit der brennenden Cigarre einem -Pulverschuppen zu nahe gekommen war. Der Posten hatte ihn auf die -bestehenden Vorschriften aufmerksam gemacht, vielleicht in einem -ungebührlichen Ton. Genug, der arme, betrunkene Leutnant hatte ihn mit -der flachen Klinge über das Gesicht geschlagen. Verwundet hatte er ihn -nicht, aber die Militärgesetze lassen nicht mit sich spassen. Er bekam -den schlichten Abschied, und da er zu keinem anderen Berufe vorgebildet -war, landete auch er hier. - -Ach, es sind seltsame Schicksale, die sich hier zusammenfinden! ... - -In dumpfem Gram, in stumpfer Resignation schleppen sie ihre Tage -dahin. Die Erinnerung, in der sie überhaupt nur leben, das Fehlen des -weiblichen Elementes, das schon manchen zu neuem Aufstieg trieb, das -Fehlen jeglicher Berührung mit den brausenden Stürmen und Strömen der -Freiheit, das lässt sie ganz verkümmern. - -Einmal schlug aber doch eine Welle der Aussenwelt auch in ihren Frieden. - -Eines Tages blieb Herr von Wegeler, der als erster der Herren -gegen Mittag das Speisezimmer betrat, überrascht in dem Thürrahmen -stehen. Auf seinem dicken, aber bleichen Gesicht spiegelte sich ein -fassungsloses Erstaunen, das sich mehr oder minder auch in den Zügen -der nachfolgenden ausdrückte. - -Neben der Wirtschafterin, einer Pastorenwitwe, stand eine junge, hohe -Mädchengestalt. Das Haar lag ihr in schweren, goldenen Flechten auf dem -Haupte, und ihre Augen waren schön und klug. Sie hatte das Aussehen -einer vornehmen Dame, wenn sie auch nur eine Erzieherin war, die ihre -Tante besuchte. - -Nach der Gesamtvorstellung, die von seiten des Hausvaters, eines -weissbärtigen Greises, erfolgte, schien sich die allgemeine Erregung -etwas zu legen. Man ass seine Suppe wie gewöhnlich, nur dass hier und -da verstohlene Blicke zu dem Fremdling hinüberstreiften. Bald kam aber -die zweite Sensation. Das Fräulein, das einige Zeit verwundert auf -die schweigenden Gesichter gesehen hatte, begann ein Gespräch. Seit -Menschengedenken plauderte man nicht am Anstaltstisch. Es war immer, -als ob der allgemeine Gram jedes Wort in den Kehlen zurückgehalten -hatte. Sie aber stellte harmlos dem ihr gegenüber sitzenden Hausvater -allerhand Fragen, sprach dann über das Wetter, Krankheiten und den -englischen Nationalcharakter und zog allmählich auch Herrn von Wegeler -in die Unterhaltung. - -Dabei bemerkte er plötzlich, dass sie mit einem Blick grenzenlosen -Erstaunens seinen Rock betrachtete, und zum erstenmal seit langer -Zeit dachte er daran, dass der ja ganz entsetzlich schmutzig sein -musste. Eine brennende Röte flog über sein Gesicht. Dann aber trat -der ehemalige Offizier in ihm hervor. Mit Gewalt seine Verlegenheit -niederzwingend, setzte er sich durch lebhaftes Geplauder über das -Peinliche dieses Augenblicks hinweg, und schon nach wenigen Minuten -waren in ihm wie in den übrigen am Tische Sitzenden wenigstens die -Formen der besseren Vergangenheit wieder lebendig geworden. - -Kaum dass sie die Tafel verlassen hatten, wurde von allen Seiten nach -dem Hausdiener gerufen, und eine halbe Stunde später trabte dieser, -keuchend unter der Last von vierzehn Oberröcken der Reinigungsanstalt -zu. Herr von Wegeler zog sich seinen Sonntagsstaat an, und selbst -der Ministersohn, der so lange Jura studiert hatte, bis ihm die Haare -ausgegangen waren, suchte sich eine frische, lachsfarbene Krawatte -hervor, obwohl er dabei murmelte, dass es doch eigentlich nur eine -Erzieherin sei. - -Beim Nachmittagskaffee boten sie einen anderen Anblick. Selbst der -kleine Pastor, der immer in den Kleiderschrank stieg, um dort einen -heimlichen Kognak zu sich zu nehmen, hatte sich rasiert und seine Hände -gründlicher als sonst gewaschen. Die, der zu Ehren das alles geschehen -war, liess sich zunächst aber nicht blicken. Als sie endlich doch -erschien, war sie im Ausgehkostüm und trug den Sonnenschirm in der -behandschuhten Hand. - -»Meine Herren,« rief sie fröhlich, »wer von Ihnen will so freundlich -sein, mich auf die Ziegelburg zu begleiten? Tante hat natürlich keine -Zeit dafür!« - -Eine Sekunde blieb alles still. Jeder dachte daran, dass es ihnen -streng untersagt war, das Anstaltsgebiet zu verlassen. Dann aber -schoben sich dreizehn Stühle zurück, und bis auf den Pastor erklärten -sie alle, dass es ihnen ein besonderes Vergnügen sein würde. - -Ein Lächeln in den schönen Augen, sah sie von einem zum andern. - -»Die Herren sind zu liebenswürdig,« meinte sie dann. »So viel Kavaliere -auf einmal würde aber doch beängstigend sein. Herr von Wegeler und Sie, -Herr Leutnant, wenn ich bitten darf. Auf Wiedersehen, meine Herren!« - -Und nach einem graziösen Kopfnicken ging sie den beiden Auserwählten -voran. - -Nachdem sie den hohen Burgberg bestiegen und die entzückende Aussicht -genossen hatten, die bei einem mässig guten Glase bis zur Porta -Westphalica reicht, schlug sie vor, noch einmal in die Stadt zu fahren, -wo sie einen kleinen Einkauf zu besorgen hatte. Herr von Wegeler und -der melancholische Leutnant folgten ihr auch dahin. Zum zweitenmal -übertraten sie damit die jahrelang eingehaltenen Anstaltsvorschriften. -Aber was sollten sie thun? Der blosse Gedanke, ihr gestehen zu müssen, -dass sie wie Schulkinder nur eine sehr begrenzte Bewegungsfreiheit -genossen, trieb ihnen schon die Scham in das Gesicht, und beiden schoss -es wie ein Blitz durch das Gehirn, dass es doch eigentlich schmachvoll -wäre, in solcher Abhängigkeit zu stehen – sie, zwei kräftige, gesunde -Menschen! - -Als sie heimkehrend die auf das Anstaltsgebiet führende Thür öffneten, -sahen beide noch einmal zurück und in ihre Augen trat ein seltsamer -Ausdruck. Dort lag die Stadt. Ihre Lichter funkelten zu ihnen herüber, -und wie ein dumpfes Brausen schlug der Lärm der geschäftigen Freiheit -an ihr Ohr. Das Haus vor ihnen aber lag tot und still. - -Herr von Wegeler konnte in der darauffolgenden Nacht nicht schlafen. -Die Idee, wieder hinauszutreten, liess ihm keine Ruhe. Und am nächsten -Tage nahm er einen grossen Bogen Papier zur Hand, auf dem er eine -Eingabe an das Ministerium zu entwerfen begann. Er kam damit jedoch -nicht zu Ende. Immer wieder hatte er zu streichen und zu verbessern, -und so verschob er die Absendung denn von einem Tage zum andern und -besserte tagtäglich daran herum. - -Es war allmählich ein ganz anderes Leben in die Anstalt gekommen. Die -Herren hielten wieder auf ihre Kleidung, bei Tische wurde geplaudert, -die Tagesereignisse besprochen, hier und da auch ein Scherz gemacht. -Selbst untereinander grüssten sie sich verbindlicher, und wenn einer -das Rasieren vergessen hatte, trafen ihn missbilligende Blicke. Der -melancholische Leutnant bürstete sogar seinen Schnurrbart hoch und -legte regelmässig eine Bartbinde an, wodurch er gleich viel weniger -melancholisch aussah. - -An allen Ecken und Enden merkte man es, dass ein frischer Wind durch -die modrige Luft der Resignation gefahren war. - -Die Gouvernante hatte aber nur einen kurzen Urlaub. Schon am nächsten -Sonntag musste sie fort, über den Kanal zurück in die erwerbende Fron -der Kindererziehung. - -Als sie sich von den Herren verabschiedete, wurde es von keinem -besonders schmerzlich empfunden. Verliebt war ja niemand in sie, und -niemand hatte daran gezweifelt, dass sie über kurz oder lang wieder -verschwinden würde. - -Bei der nächsten Mittagstafel hatten aber dennoch alle ein -eigentümliches Gefühl. Die alte Pastorenwitwe sass grämlich auf ihrem -Stuhl, der Hausvater hatte den weissen Kopf beinahe ganz in die -Schultern hineingezogen, und die Herren sahen trübe in ihre Suppe, die -auch weniger Fettaugen zu haben schien wie früher. Einmal versuchte -der Ministersohn mit der roten Krawatte, ein Gespräch einzuleiten. Er -erhielt aber nur einsilbige Antworten. - -Am nächsten Tage war der Stumpfsinn wieder in alle seine Rechte -eingesetzt. Die Röcke wurden wieder fleckig, Herr von Wegeler überliess -seine Eingabe den Mäusen, der Leutnant bürstete sich den Bart nicht -mehr, der kleine Pastor fing wieder an, das Rasieren und Händewaschen -für Zeitverschwendung zu halten, und wenn des Abends die Lichter der -Stadt herüberfunkelten, sah sie niemand mehr an. - -Für wen auch? - -Es war eine Welle der Aussenwelt auch in ihren »Frieden« gedrungen, -aber sie ebbte viel zu früh zurück. Ihre Seelen sinken wieder in den -alten Schlaf. Wie das graue Haus in der Dämmerung liegen sie da, -tot, still, träge, während doch ganz in ihrer Nähe das Leben sich in -gigantischer Arbeit regt und mit roten, funkelnden, bösen Augen zu -ihnen herübersieht. - - - - -Im Pfarrhaus. - -Eine stille Geschichte. - -[Illustration] - - -»Auch dieses hat seine Geschichte. Auch dieses.« - -Der alte Pastor sagte es mit einem halb wehmütigen, halb frohseligen -Lächeln, und über seine hellen, kinderguten Augen legte es sich wie der -feine, blaue Schleier einer lieben Erinnerung. - -Dann, sich die erloschene Cigarette wieder über der Lampe anzündend, -fuhr er fort: »Es haben mich schon viele gefragt, warum ich statt der -Pfeife, die ja mit meinem Stande unzertrennlich verbunden scheint, an -Sonntagen immer nur Cigaretten rauche, trotzdem es mir nicht gesund -ist, und noch dazu aus so unbeholfenen Rohrspitzen. Ich will es Ihnen -erzählen, wenn Sie vielleicht auch über die Thorheit eines altmodischen -Mannes lächeln werden. Haben doch so viele irgend eine Gewohnheit, die -anderen thöricht erscheint, die sie aber hegen und pflegen, weil sie -ihnen hilft, ein liebes Gedenken wachzuhalten ... Schrauben Sie, bitte, -die Lampe etwas niedriger, lieber Freund!« - -Der Kaplan, der dem alten Herrn gegenüber sass, gehorchte. Ein -halbes, gedämpftes Licht lag nun über den hier und da wurmstichigen, -zwei oder drei Generationen alten Möbeln und den vergilbten Büchern -und Schriften, die in grosser Anzahl, aber in bemerkbarer Unordnung -darauf lagen. Die grossen Holzscheite in dem eisernen Ofen knisterten -mitunter, und die Flamme und das erhitzte Petroleum surrten vernehmlich. - -»Es sind jetzt gegen dreissig Jahre her, dass mich mein seliger -Vorgänger in dieser Pfarre als Kaplan zu sich berief. Ich war damals -wohl so alt wie Sie, fünfundzwanzig. Von vielen Seiten wurde ich -noch gedrängt, erst, wie die meisten meiner Kommilitonen, nach -Deutschland zu gehen, nach Leipzig oder nach Rostock, wo wir Ungarn -grössere Stipendien geniessen, um dort meine theologischen Studien zu -vervollständigen. Aber mir war das Studentenleben sauer geworden. Arm -wie ich war, hatte ich mir durch Stundengeben fast jeden Bissen Brot -selber verdienen müssen. Ich nahm also an, und so kam ich in diese -Gemeinde. Das damalige Pfarrhaus war noch nicht so vornehm wie dieses. -Es stand auf demselben Platze, aber das Dach war mit Stroh gedeckt, die -Wände waren viel niedriger und die Öfen rauchten. Mitunter froren wir -im Winter, aber es hat mir doch leid gethan, als es abgerissen wurde. -In dem alten bin ich jung und glücklich gewesen, in das neue bin ich -schon mit grauen Haaren eingezogen, vereinsamt bis auf meine Tochter. -Meine selige Frau hat es nicht mehr erlebt ... Mit dem geistlichen -Herrn kam ich in ein so freundschaftliches Verhältnis, dass ich mich -ihm gegenüber bald mehr als Sohn des Hauses, denn als sein Kaplan -fühlte. Weniger gut gelang mir dies bei seiner Tochter. Er war Witwer -und sie, die ebenso alt wie unsere Böske sein mochte, also neunzehn -Jahr, führte ihm die Wirtschaft. Schüchtern und ohne Erfahrung im -Verkehr mit Damen, ging ich ihr beinahe aus dem Wege, so dass wir uns -eigentlich nur bei den gemeinsamen Mahlzeiten sahen. - -Wenn ich nach beendetem Nachtmahl mit meinem seligen Vorgänger, wie -es gewöhnlich war, noch ein Stündchen am Tische sitzen blieb, um über -Weltläufte oder Gemeindeangelegenheiten zu plaudern, sass sie immer -ganz still am anderen Ende der Tafel, mit einer Häkelei beschäftigt -oder in alten Jahrgängen einer illustrierten Zeitschrift blätternd. -Mitunter glaubte ich dann zu bemerken, dass sie hier und da das -feine Köpfchen hob und mich verstohlen von der Seite ansah. Es hätte -aber auch eine Täuschung sein können, und so gab ich denn einige Zeit -hindurch acht, bis es mir gelang, ihre Augen mehrmals auf frischer That -zu ertappen. Wenngleich ich mir nichts dabei dachte, beunruhigte mich -das doch, und ich musste mir Mühe geben, mit meinen Gedanken bei dem -Thema des Gesprächs zu bleiben, das der geistliche Herr mit mir führte. - -Ich mochte schon gegen sechs Monate ihr Hausgenosse gewesen sein, -als unser Schullehrer nach einer benachbarten Stadt gewählt wurde. -Mitten im Sommer ging er uns davon, und nun begann für uns die schwere -Aufgabe, einen neuen zu suchen. Beinahe jeden Sonntag kam einer, -einmal sogar zwei zugleich, die aber alle den Beifall der Gemeinde -nicht fanden. Da sagte eines Abends der alte Herr lachend zu mir: -›Wissen Sie, am liebsten hätte ich einen jungen und unverheirateten. -Das gäbe dann vielleicht noch einen Mann für die Böske!‹ - -Sie sass wie gewöhnlich über einer Häkelei und wurde ganz rot, als sie -das hörte. Dann blickte sie zu uns herüber. ›Sag das nicht, Papa! Ich -mag keinen Schullehrer!‹ - -Sie hatte nervös, beinahe heftig gesprochen, wie ich es noch nie von -ihr gehört hatte. Ich sah ganz deutlich, als sie dann den Kopf wieder -über ihre Arbeit bog, dass ihr rechtes Ohr ordentlich glühte, was bei -ihr – Gott habe sie selig! – ihr lebelang ein Zeichen der Erregung -blieb. - -Ihr Vater war aber gut aufgelegt. - -›Warum denn nicht, Kind?‹ fragte er heiter. Und da sie ihm keine -Antwort gab, wandte er sich direkt an mich. - -›Nun, was sagen Sie denn dazu?‹ - -Ich wusste eigentlich gar nichts darauf zu sagen. Es schien mir -unschicklich, in Gegenwart eines jungen Mädchens von ihrem künftigen -Manne zu reden, und so wurde ich beinahe so rot wie sie. Nach einigen -Minuten des Stillschweigens fühlte ich aber doch die Verpflichtung, -etwas zu erwidern, und so antwortete ich denn so vorsichtig wie -möglich: ›Wenn er ein ehrenhafter Mann ist, wäre es das Schlimmste -noch lange nicht. Man kann auch in einem Schulhause glücklich werden, -Fräulein Böske!‹ - -Da blickte sie wieder auf, aber diesmal gerade mir in das Angesicht. -Ihre Wangen wurden ganz bleich. Die grossen, braunen Augen hefteten -sich wohl eine Minute lang auf mich. Dann rollten langsam zwei Thränen -daraus, und sie beugte sich wieder über die Häkelei. Sie sagte keine -Silbe, aber nach diesem Blicke war es mir plötzlich, als ob ich eine -Todsünde begangen hätte. - -Bald darauf stand sie auf und ging in die Küche. Ich hörte sie dort -mit dem Geschirr herumhantieren. Heute weiss ich, dass sie damals mehr -geweint als gewirtschaftet hat. Damals fühlte ich das nur, und sobald -es thunlich war, verabschiedete ich mich und nahm in meine Stube ganz -seltsame und unerklärliche Empfindungen mit. - -Ich hatte sie bis dahin immer ›Fräulein Böske‹ angeredet, was, wie Sie -wissen, eine Koseform von Erszibet ist, weil ich es nie anders gehört -hatte. Das ganze Dorf nannte sie so. Am nächsten Tage aber redete ich -sie mit ihrem Vatersnamen an. Ich kann es heute eben so wenig sagen wie -damals, warum ich es that, aber ich weiss noch, dass es mich schmerzte, -dass sie so gar kein Zeichen des Erstaunens darüber sehen liess. Sie -war gleichmässig freundlich wie immer; es schien mir aber oft, auch -wenn sie mitten in der Mittagssonne stand, dass ein Schatten auf ihrem -Gesichte läge. Seit diesem Abende ging es mir überhaupt ganz seltsam -mit ihr. - -Ich ertappte mich dabei, dass ich in der vorgefassten Absicht, auf ihre -heimlichen Blicke acht zu geben, in das Speisezimmer trat, und dass es -mich ordentlich schmerzte, wenn sie hartnäckig alles andere eher ansah -als mich. Wir hatten die Rollen ganz getauscht. Jetzt spähte ich so -oft wie nur möglich zu ihr herüber und dabei passierte es mir, dass -ich mit einem Male bemerkte, wie wunderschönes Haar sie doch hatte. Es -war hellbraun, und wenn gerade ein volles Lampenlicht darauf schien, -blitzten ihre Stirnlöckchen ganz goldig. An einem der folgenden Tage -fing ich gar an, mich über ihren graziösen Gang zu freuen. Sie war -etwas schwächlich, aber sehr zierlich gebaut, und beim Gehen stiess -sie mitunter mit den Knieen an die Röcke, was mir immer sehr lieblich -vorkam. - -So ging es Tag für Tag. Jeden Tag entdeckte ich etwas Neues an ihr, und -am Ende konnte ich auch meine Gedanken gar nicht mehr losreissen von so -viel Schönheit. - -Ich erinnere mich gut, wie ich einst an meinem Schreibtisch in die Höhe -fuhr. Die Lampe war weit heruntergebrannt. Ich musste wohl stundenlang -geträumt haben und ich weiss, dass ich in diesen Träumereien ihre -leichtgeöffneten, roten Lippen ganz dicht vor mir gesehen und sie -wieder und wieder geküsst hatte. Ich war darüber erschrocken und legte -mich eilig zu Bett, bis zum Morgen beinahe in einer alten Postilla, -gedruckt bei Hans Lufft, anno domini 1567, lesend, ehe mir der Schlaf -kam. - -Diese Postilla besitze ich noch heute. Ich habe mir noch oft daraus -andere Gedanken angelesen und halte sie in hohen Ehren. Sie ist reich -mit Holzschnitten verziert und trägt als Titelbild den gekreuzigten -Heiland, zu dessen beiden Seiten Doktor Martinus Luther und der -sächsische Kurfürst knien. Aber mir ist sie mehr wegen dieser -Erinnerungen wert als wegen ihres Altertums. - -Unter diesen Umständen konnte ich es mir nicht länger verhehlen, -dass ich eine innige Liebe zu ihr hegte, und nach den gemachten -Beobachtungen schien es mir auch, als ob dieselbe keineswegs einseitig -wäre. Obwohl mich dieses letztere nun mit einem ganz merkwürdigen, -schamhaften Stolz erfüllte, trug es doch nur dazu bei, meine -Schüchternheit zu erhöhen, und wenn sie mir bei Tisch, wie es späterhin -hier und da doch wieder der Fall war, einen freundlich schelmischen -Blick zuwarf, wurde ich rot wie ein Schulbube und vermochte vor -Verlegenheit keinen Bissen mehr hinunterzubringen. So lebten wir, -gegenseitig unsere Liebe ahnend, monatelang nebeneinander her, -ohne dass ich je den Mut gefunden hätte, ihr auch nur ein einziges -vertrauteres Wörtchen zu sagen. Es wurde zum zweiten Male Herbst, als -in einem weiter entfernteren Dorfe der Geistliche starb und ich mich, -da ich ja nicht ewig Kaplan bleiben konnte, um die vakante Stellung -bewarb. - -Meine Probepredigt war gerade auf einen Sonntag angesetzt worden, an -dem der alte Herr eine Eheschliessung in Neograt, das auch zu seinem -Sprengel gehörte, vorzunehmen hatte. Sein Ziel lag mitten auf meinem -Wege, und so benutzten wir beide denselben Wagen. - -Als wir abfahren wollten, trat die Böske zu uns heran. Erst küsste sie -ihren Vater, dann reichte sie mir die Hand und wünschte mir Glück. Aber -ihre Augen waren traurig dabei und ihre Stimme kaum hörbar. - -Ich wurde gewählt. - -Als ich gegen Abend nach Hause kam, war der alte Herr noch nicht -da. Nur seine Tochter kam mir entgegen. Ich war voller Freude und -teilte ihr fröhlich meine Neuigkeit mit. Ein stummer Händedruck war -ihre Entgegnung. Da es schon dämmerte, konnte ich den Ausdruck ihres -Gesichtes nicht erkennen. Als ich dann aber in das Speisezimmer trat, -bemerkte ich, dass sie ganz blass war und verweinte Augen hatte. Und -plötzlich fiel es mir schwer auf das Herz, dass meine Wahl ja auch eine -Trennung von ihr bedeutete. Das Dorf war weit entfernt. Selten nur -hätte ich auf einige Stunden zum Besuch herüberkommen können. War es -darum, dass sie so traurig aussah? - -Ich konnte nicht daran zweifeln. That mir doch selber bei aller -anfänglichen Freude das Herz weh. Und es wurde immer ärger. Die Kehle -war mir wie zugeschnürt, und ich fühlte, dass ich keinen Bissen würde -hinunterbringen können. Ich entschuldigte mich damit, dass ich schon -gegessen hätte, obwohl es nicht der Wahrheit entsprach. Trübselig sass -ich am Tisch und brannte mir eine Cigarette an, während wenigstens sie -so that, als ob sie einige Brocken zu sich nähme. - -Mit jeder Rauchwolke, die ich in die Luft blies, verfinsterte sich -auch mein Gedankenkreis. Ich würde also von ihr gehen, ohne ihr meine -Liebe gestanden zu haben! Wir würden meilenweit voneinander wohnen -und alt und grau werden, ohne uns zu finden! Denn ich kannte meine -Schüchternheit gar gut und wusste, dass ich, einmal fort von hier, es -nie zu einem förmlichen Antrage bringen würde. Der Gedanke, jetzt, wo -wir so schön allein waren, einfach auf sie zuzugehen und ihr Köpfchen -in beide Hände zu nehmen und es zu küssen, kam mir auch. Aber mir -fehlte jeglicher Mut dazu, und wir hätten uns wohl wirklich für ewig -verloren, wenn der gute Gott uns nicht durch ein ganz unscheinbares -Ereignis geholfen hätte. - -Als ich nämlich eben dabei war, mir eine zweite Cigarette zu -drehen, stiess ich meine kleine Holzspitze aus Unachtsamkeit mit -dem Ellenbogen vom Tisch. Ich stand auf, um sie zu suchen und war -dabei so unglücklich, gerade mit dem Fuss darauf zu treten, so dass -sie in zwei Teile zerbarst. Damals war ich ein leidenschaftlicher -Cigarettenraucher, konnte es aber ebensowenig wie heute vertragen, -dass mir der Tabak direkt in den Mund kam, und war somit über dies -Malheur sehr betrübt. Eine andere besass ich nicht, und aus dem -benachbarten Dorfe konnte ich mir zu dieser Stunde keine mehr holen -lassen. - -Trotzdem ich den Kopf voll anderer Gedanken hatte, muss sich der -Missmut darüber wohl auf meinem Gesichte ausgeprägt haben, denn meine -liebe Böske stand freundlich und gefällig wie immer gleich auf, um -in den Kästen nach einem passenden Ersatz zu suchen. Da es jedoch -vergeblich war, fragte sie mich schüchtern, ob ich nicht bis morgen mit -einem gehöhlten Rohr vorlieb nehmen möchte. Sie hätte selbst als Kind -daraus geraucht, von bösen Buben verführt, und wüsste, dass es sehr -schön ginge. - -Nach dieser Hinzufügung musste ich natürlich erklären, dass ich diese -Art von Spitzen allen anderen vorzöge, wenn ich sie auch noch nicht -praktisch erprobt hätte. Ich glaubte, dass zufällig etwas Geeignetes -im Hause wäre, und war voller Erstaunen, als ich hörte, wie sie das -Hausthor öffnete und die zum Garten führende Steintreppe hinabstieg. - -Dann aber fuhr es mir siedend heiss durch den Kopf, dass sie bis zum -Teiche gehen wollte, um mir eine Spitze zu schneiden. Es war ein sehr -dunkler Abend und der Weg zum Rohr schmal und holprig. Auf keinen Fall -durfte ich sie dort allein gehen lassen. - -Ich holte mir also geschwind mein kleines Laternchen, setzte mir eine -Mütze auf und eilte ihr nach. Sie musste aber gleichfalls sehr schnell -gegangen sein, denn als ich noch auf dem Wege war, hörte ich sie schon -das Röhricht prüfend auseinander biegen und sah ihre helle Schürze zu -mir herüber schimmern. - -Als ich sie erreicht hatte, redete ich sie ein wenig erregt und mit -sanftem Vorwurfe auf dieses Wagnis hin an, das für mich doch allzuviel -der Freundschaft wäre und bei dem sie leicht hätte zu Schaden kommen -können. - -»O, ich kenne die Wege,« erwiderte sie mir. »Überdies werde ich ja -nicht mehr lange Gelegenheit haben, Ihnen nützen zu können. Lassen Sie -es sich für dieses Mal also nur ruhig gefallen!« - -Diese Worte schnitten mir tief in das Herz. Als ich dann in dem -Bestreben, ihr zu leuchten, mit meiner Hand ihre Schulter berührte, -fühlte ich, dass sie am ganzen Körper bebte, und mich dünkte es, -als ob es von verhaltenen Thränen käme. Da wurde es mir ganz wirr -im Kopf. Alles, was ich so lange an Liebe und Leidenschaft still -mit mir herumgetragen hatte, rebellierte mit einem Mal gegen meine -Schüchternheit, und nachdem ich ein kurzes, aber inbrünstiges -Stossgebet zum lieben Herrgott geschickt, dass er ja in den nächsten -Minuten nicht den Mond aufgehen lassen soll, liess ich mein Laternchen -fallen, umschlang sie mit beiden Armen und küsste sie ohne Aufhören -wohl unzähligemal hintereinander. - -Anfänglich liess sie sich das ohne Widerstreben gefallen, und ich -glaubte sogar den Gegendruck ihrer Lippen zu verspüren. Plötzlich aber -stiess sie einen kleinen Schrei aus, und ihre schwachen Händchen gegen -meine Schulter stemmend, versuchte sie mich fortzuschieben. - -Später hat sie mir gestanden, dass ich sie so leidenschaftlich umfasst, -dass ihr in der Rückengegend ein Korsettstäbchen zerbrochen wäre, was -sie arg geschmerzt hätte. Damals aber, als ich dies noch nicht wusste, -weckte ihre Gegenwehr meine ganze Schüchternheit wieder auf. - -Ich war über die begangene Keckheit auf den Tod erschrocken und wäre -am liebsten in den Erdboden versunken. Da sich dieser aber trotz seiner -Weichheit dazu nicht hergeben wollte, bückte ich mich wenigstens, um -mein Laternchen aufzuheben und dann spurlos zu verschwinden. - -So am Boden kauernd und mit den Händen umhertastend, bat ich in -kläglichem Tone um Entschuldigung und behauptete, dass ich nun -wohl wüsste, dass ich vorhin ganz von Sinnen gewesen wäre. Am Ende -titulierte ich sie gar ›gnädiges Fräulein‹, was ich sonst noch nie -gethan hatte, wohl in der instinktiven Absicht, ihr durch diese Anrede -nun einen verdoppelten Respekt zu bezeugen. - -Da hörte ich sie mit einem Mal lachen, so hell und doch so leise, als -ob ein Vöglein im Röhricht gezwitschert hätte. - -›Spricht man so mit einem Mädchen, das man vor einer Minute noch -geküsst hat, Herr Kaplan?‹ - -Und ehe ich mich noch ganz aufrichten konnte, fühlte ich ihre Arme um -meinen Nacken, und zweimal küsste sie mich auf den Mund. Beim ersten -Kuss empfand ich nicht viel mehr als Schrecken und Staunen, wie Moses, -als ihm der Herr im Dornbusch erschien. Beim zweiten aber wusste ich -schon, dass mir damit eine Gnade zu teil würde, die nur einmal vorkommt -im Leben, und ich liess das Laternchen schlafen. Wir fanden die Wege -auch im Dunkeln. - -Als wir endlich in das Zimmer zurückgingen, schleifte ich einen langen -Stock Rohr hinter mir her, und mit solcher Begeisterung, wie wir damals -Spitzen schnitten, hat es seitdem wohl kein dritter mehr gethan. - -Die Gute! Sie wurde bald meine Frau. Als ihr Vater starb, kehrte ich -als Pfarrer in diese Gemeinde zurück, und über zwanzig Jahre haben wir -Lust und Leid miteinander geteilt ... Nun wissen Sie, warum ich noch -heute des Sonntags Cigaretten aus Rohrspitzen rauche. Es ist zu ihrem -Gedächtnis, zum Gedächtnis an unseren ersten Liebestag. Dreissig Jahre -habe ich es gehalten, und gedenke es auch weiter so zu halten, bis mich -der Allmächtige – hier lüftete er demütig sein Käppchen – zu sich ruft -und mich wieder mit ihr vereint.« - -Während seiner letzten Worte hatte sich die Thüre geöffnet und ein -junges, vielleicht neunzehnjähriges Mädchen war auf der Schwelle -erschienen. - -Über das Gesicht des Kaplans, der bisher nachsinnend vor sich -hingesehen hatte, glitt ein schelmisches Lächeln. - -»Die jungen Vögel bauen sich Nester, wenn ihre Zeit kommt, auch ohne -dass sie von ihren Altvorderen gehört hätten, wie man das macht. Von -heute ab werde ich auch aus Rohrspitzen rauchen, Herr Pastor, und gebe -es Gott, dass es bei mir zu demselben Glücke führt, wie bei Ihnen!« - -Und mit einem kräftigen Rucke brach er einer Regiecigarette das -Mundstück ab, und aus der Brusttasche eine sorgfältig in Papier -eingeschlagene Rohrspitze hervorholend, zündete er sie sich darin an. - -»Wie meinen Sie das?« fragte der alte Herr zerstreut. - -Er war in Erinnerungen verloren. Auch wenn es heller gewesen wäre, -hätte er es kaum bemerkt, dass seine Tochter, die ihn zum Nachtmahl -rufen wollte, beim Anblick dieser Rohrspitze ganz purpurrot geworden -war und dann aus dem Schatten herüber dem jungen, blondbärtigen Kaplan -vorsichtig mit dem Zeigefinger drohte ... - - - - -Soeben ist im Verlag von =Hermann Seemann Nachfolger= zu =Leipzig= -erschienen der =neueste Roman= von - - -YVETTE GUILBERT: - -Die Halb-Alten - -Les Demi-Vieilles - -Einzig autorisierte Ausgabe übersetzt von Ludwig Wechsler. - -2. Auflage. - -_Preis brosch. M. 3.--, geb. M. 4.--._ - -Im Vorwort dazu sagt Yvette Guilbert: - - »_Ce livre a été écrit pour être lu des yeux qui pleurèrent - beaucoup et aussi pour être le défenseur, l’ami avoué et dévoué - de toutes celles qui furent des sensibles, des impressionables, - des douloureuses, des tendres, des femmes!_« - -Mit einer mühsam verhaltenen Leidenschaft, die aber überall den echt -Pariser Charme verrät, erzählt Yvette von den armen Frauen, erzählt mit -einer sich windenden Schmerzlichkeit, die dann und wann wie aus der -Glut einer Feuerflamme geradezu elementar hervorbricht. Die Tragik der -Frauen, die in der Liebe alt werden, das ist der Untergrundton, den sie -in ihren »Demi-Vieilles« anschlägt. Es wird sozusagen das fürchterliche -Schicksal einer Ninon de Lenclos aufgerollt, die mit achtzig Jahren -noch so jung und schön gewesen sein soll, dass sich Jünglinge in sie -verliebten, und im weiteren Sinne wird die unerbittliche Grausamkeit -gezeigt, die überhaupt in dem Altwerden der Frau liegt. Alle Frauen und -Männer, denen ein im besten Sinne modernes, menschlich bedeutungsvolles -Buch etwas zu sagen hat, werden Yvette Guilberts »Demi-Vieilles« lesen -müssen, und es mit wirklich grossem Interesse und mit Lust lesen. - - -_Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes._ - - - - -Im Verlage von =Hermann Seemann Nachfolger, Leipzig=, ist soeben -erschienen: - - -Die Vaclavbude - -Ein Prager Studentenroman von =Karl Hans Strobl=. - -Preis brosch. M. 3,–, geb. M. 4,– - -»Nach der süßlichen Romantik »Alt-Heidelbergs« wirkt ein so gesundes -Buch wie das vorliegende doppelt wohlthuend. Strobl schildert in -seinem Studentenroman die letzten Tage der sturmbewegten Zeit unter -dem Ministerpräsidenten Badeni. Plötzlich fühlt man sich in jene Zeit -zurückversetzt und lebt den Prager Rummel bis zur Verhängung des -Ausnahmezustandes mit ... Die Schrecken dieser wenigen Wochen sind von -dem Autor mit einer solchen Anschaulichkeit geschildert, daß es einem -an mancher Stelle den Atem verschlägt.« - - »Deutsche Zeitung,« Wien. - -»Strobls Erzählung, deren schlichte Helden ein paar Prager -Burschenschafter sind, schildert mit großer dichterischer Kraft -und Anschaulichkeit, die stellenweise an das Packendste, was Zola -geschrieben hat, erinnert, Stimmungen und Vorgänge in den blutigen -Prager Dezembertagen nach dem Sturz des Ministeriums Badeni ...« - - »Vossische Zeitung,« Berlin. - -»In der Beschränkung ein Meisterwerk, verdient Strobls Roman, aus -Mähren die Reise durch ganz Deutschland und Deutschösterreich zu -machen ... Im Nationalitätenkampfe steht der Brünner Dichter mit -ganzer Seele auf der Seite der Deutschen, seiner Landsleute, von deren -Berufung zur Weltherrschaft und kultureller Mission er fest überzeugt -ist ... Karl Hans Strobl hat den österreichischen Roman der Gegenwart, -in dem das psychologisch-soziale Moment pocht und hämmert, erschaffen. -Möchte er dafür auch die gebührende Anerkennung weitester Kreise -finden!« - - »Tagesbote aus Mähren und Schlesien.« - - - - -Im Verlag von =Hermann Seemann Nachfolger= in =Leipzig= sind erschienen -die neuesten Romane von =Victor Blüthgen= und =C. Eysell-Kilburger= -(Frau Victor Blüthgen). - - -Die Spiritisten - -Roman von - -Victor Blüthgen. - -Preis brosch. M. 3.--, geb. M. 4.--. - -»Wer dem Spiritismus nicht gänzlich ablehnend gegenübersteht, wer den -geheimen Wunsch hat, das verschleierte Gebiet der 4. Dimension kennen -zu lernen, wer vielleicht schon gar im stillen einen Ausflug dorthin -versucht hat, dem sei mit warmem Herzen dies Buch empfohlen ... Die -›Spiritisten‹ sind amüsant von der ersten zur letzten Seite, und man -wird das Buch nur ungern vor Schluss aus der Hand legen.« - - Altonaer Nachrichten. - - -Dilettanten des Lasters - -Roman von - -C. Eysell-Kilburger (Frau Victor Blüthgen). - -Preis brosch. M. 3.--, geb. M. 4.--. - -»... ein Werk, das man nicht als Unterhaltungslektüre bemessen darf. -Man kann den Roman als Beitrag zur Frauenfrage betrachten ... Der -ganze Roman bietet in der Handlung ein aufgegriffenes Stück Leben von -ergreifendem Ausklang, das um so wertvoller erscheint, je mehr man sich -hinein vertieft, und das einen bleibenden Eindruck hinterlässt.« - - Stettiner Zeitung. - -»... Man meint nach der Lektüre dieses Romans die Mädchen persönlich -zu kennen, diese Mädchen mit der frohbewussten äusseren Unabhängigkeit -vom Manne und der heissen inneren Sehnsucht nach ihm. Diese Mädchen, -die in brennender Neugier gern des Lebens süssestes Geheimnis ergründen -möchten und doch wieder vor der Entschleierung des Bildes zu Sais -schaudernd zurückschrecken und sich begnügen, nur mit zagen Fingern -daran vorüberzustreifen – Dilettanten des Lasters.« - - Wiesbadener Tageblatt. - - -_Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes._ - - -Wenn die Menschen reif zur Liebe werden - -Von - -Edward Carpenter - -Einzig autorisierte deutsche Ausgabe. Aus dem Englischen übersetzt und -eingeleitet von =Karl Federn=. - -Preis brosch. M. 3.--, geb. M. 4.-- - -Während unsere moderne Erziehung meist mit einer scheuen -Verschwiegenheit über die Fragen sexueller Natur und ihre heimlichen -Abgründe hinwegzuleiten sucht, erörtert der Verfasser, frei von aller -Aengstlichkeit und Prüderie, dieses für das Lebensglück jedes Einzelnen -und für unsere gesamte Kultur so hochwichtige Problem. Mit dem ruhigen -und vorurteilsfreien Blick des Naturforschers vereinigt er den idealen -Schwung des Propheten und socialen Reformators. Die unhaltbaren und -unreifen Zustände der Gegenwart unterzieht er einer tief eindringenden -Kritik und gewinnt aus ihnen die Fundamente einer neuen, höheren -Weltanschauung, welche die Sinne nicht durch Askese und unsinnliches -Idealisieren verkrüppeln läßt, sondern der Persönlichkeit ein freies -Ausleben aller ihrer Kräfte und Fähigkeiten ermöglicht. »Nicht nur fort -sollst du dich pflanzen, sondern hinauf.« Dieses Wort Nietzsches könnte -man der Schrift als Motto voransetzen. Es ist eins von jenen Büchern, -durch das der warme Hauch des Lebens weht, ein Grund- und Eckstein von -jenem großen Bau der Zukunft, an welchem wir mitzuarbeiten alle berufen -sind. - - -Verlag von =Hermann Seemann Nachfolger Leipzig, Goeschenstr. 1=. - - - - - Weitere Anmerkungen zur Transkription - - - Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. - Die Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht. Lange - Reihen von Gedankenstrichen wurden einheitlich gekürzt. Ein - Inhaltsverzeichnis wurde zur besseren Orientierung ergänzt. - -*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ABENDFALTER *** - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the -United States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ -concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, -and may not be used if you charge for an eBook, except by following -the terms of the trademark license, including paying royalties for use -of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for -copies of this eBook, complying with the trademark license is very -easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation -of derivative works, reports, performances and research. Project -Gutenberg eBooks may be modified and printed and given away--you may -do practically ANYTHING in the United States with eBooks not protected -by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the trademark -license, especially commercial redistribution. - -START: FULL LICENSE - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg™ mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase “Project -Gutenberg”), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg™ License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project -Gutenberg™ electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg™ -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg™ electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg™ electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the -person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph -1.E.8. - -1.B. “Project Gutenberg” is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg™ electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg™ electronic works if you follow the terms of this -agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg™ -electronic works. See paragraph 1.E below. - -1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation (“the -Foundation” or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection -of Project Gutenberg™ electronic works. Nearly all the individual -works in the collection are in the public domain in the United -States. If an individual work is unprotected by copyright law in the -United States and you are located in the United States, we do not -claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, -displaying or creating derivative works based on the work as long as -all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope -that you will support the Project Gutenberg™ mission of promoting -free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg™ -works in compliance with the terms of this agreement for keeping the -Project Gutenberg™ name associated with the work. You can easily -comply with the terms of this agreement by keeping this work in the -same format with its attached full Project Gutenberg™ License when -you share it without charge with others. - -1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern -what you can do with this work. Copyright laws in most countries are -in a constant state of change. If you are outside the United States, -check the laws of your country in addition to the terms of this -agreement before downloading, copying, displaying, performing, -distributing or creating derivative works based on this work or any -other Project Gutenberg™ work. The Foundation makes no -representations concerning the copyright status of any work in any -country other than the United States. - -1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: - -1.E.1. The following sentence, with active links to, or other -immediate access to, the full Project Gutenberg™ License must appear -prominently whenever any copy of a Project Gutenberg™ work (any work -on which the phrase “Project Gutenberg” appears, or with which the -phrase “Project Gutenberg” is associated) is accessed, displayed, -performed, viewed, copied or distributed: - - This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and - most other parts of the world at no cost and with almost no - restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it - under the terms of the Project Gutenberg License included with this - eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the - United States, you will have to check the laws of the country where - you are located before using this eBook. - -1.E.2. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is -derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not -contain a notice indicating that it is posted with permission of the -copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in -the United States without paying any fees or charges. If you are -redistributing or providing access to a work with the phrase “Project -Gutenberg” associated with or appearing on the work, you must comply -either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or -obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg™ -trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.3. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is posted -with the permission of the copyright holder, your use and distribution -must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any -additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms -will be linked to the Project Gutenberg™ License for all works -posted with the permission of the copyright holder found at the -beginning of this work. - -1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg™ -License terms from this work, or any files containing a part of this -work or any other work associated with Project Gutenberg™. - -1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this -electronic work, or any part of this electronic work, without -prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with -active links or immediate access to the full terms of the Project -Gutenberg™ License. - -1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, -compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including -any word processing or hypertext form. However, if you provide access -to or distribute copies of a Project Gutenberg™ work in a format -other than “Plain Vanilla ASCII” or other format used in the official -version posted on the official Project Gutenberg™ website -(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense -to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means -of obtaining a copy upon request, of the work in its original “Plain -Vanilla ASCII” or other form. Any alternate format must include the -full Project Gutenberg™ License as specified in paragraph 1.E.1. - -1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, -performing, copying or distributing any Project Gutenberg™ works -unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing -access to or distributing Project Gutenberg™ electronic works -provided that: - -• You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from - the use of Project Gutenberg™ works calculated using the method - you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed - to the owner of the Project Gutenberg™ trademark, but he has - agreed to donate royalties under this paragraph to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid - within 60 days following each date on which you prepare (or are - legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty - payments should be clearly marked as such and sent to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in - Section 4, “Information about donations to the Project Gutenberg - Literary Archive Foundation.” - -• You provide a full refund of any money paid by a user who notifies - you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he - does not agree to the terms of the full Project Gutenberg™ - License. You must require such a user to return or destroy all - copies of the works possessed in a physical medium and discontinue - all use of and all access to other copies of Project Gutenberg™ - works. - -• You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of - any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the - electronic work is discovered and reported to you within 90 days of - receipt of the work. - -• You comply with all other terms of this agreement for free - distribution of Project Gutenberg™ works. - -1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project -Gutenberg™ electronic work or group of works on different terms than -are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing -from the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the manager of -the Project Gutenberg™ trademark. Contact the Foundation as set -forth in Section 3 below. - -1.F. - -1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -works not protected by U.S. copyright law in creating the Project -Gutenberg™ collection. Despite these efforts, Project Gutenberg™ -electronic works, and the medium on which they may be stored, may -contain “Defects,” such as, but not limited to, incomplete, inaccurate -or corrupt data, transcription errors, a copyright or other -intellectual property infringement, a defective or damaged disk or -other medium, a computer virus, or computer codes that damage or -cannot be read by your equipment. - -1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the “Right -of Replacement or Refund” described in paragraph 1.F.3, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project -Gutenberg™ trademark, and any other party distributing a Project -Gutenberg™ electronic work under this agreement, disclaim all -liability to you for damages, costs and expenses, including legal -fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT -LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE -PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE -TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE -LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR -INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH -DAMAGE. - -1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a -defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can -receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a -written explanation to the person you received the work from. If you -received the work on a physical medium, you must return the medium -with your written explanation. The person or entity that provided you -with the defective work may elect to provide a replacement copy in -lieu of a refund. If you received the work electronically, the person -or entity providing it to you may choose to give you a second -opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If -the second copy is also defective, you may demand a refund in writing -without further opportunities to fix the problem. - -1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth -in paragraph 1.F.3, this work is provided to you “AS-IS”, WITH NO -OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT -LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. - -1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied -warranties or the exclusion or limitation of certain types of -damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement -violates the law of the state applicable to this agreement, the -agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or -limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or -unenforceability of any provision of this agreement shall not void the -remaining provisions. - -1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg™ electronic works in -accordance with this agreement, and any volunteers associated with the -production, promotion and distribution of Project Gutenberg™ -electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, -including legal fees, that arise directly or indirectly from any of -the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this -or any Project Gutenberg™ work, (b) alteration, modification, or -additions or deletions to any Project Gutenberg™ work, and (c) any -Defect you cause. - -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™ - -Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™'s -goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg™ and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at -www.gutenberg.org - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's business office is located at 809 North 1500 West, -Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up -to date contact information can be found at the Foundation's website -and official page at www.gutenberg.org/contact - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without -widespread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine-readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular -state visit www.gutenberg.org/donate - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate - -Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works - -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. - -Most people start at our website which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org - -This website includes information about Project Gutenberg™, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/old/69960-0.zip b/old/69960-0.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index c7eb111..0000000 --- a/old/69960-0.zip +++ /dev/null diff --git a/old/69960-h.zip b/old/69960-h.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index eca392a..0000000 --- a/old/69960-h.zip +++ /dev/null diff --git a/old/69960-h/69960-h.htm b/old/69960-h/69960-h.htm deleted file mode 100644 index af40ffd..0000000 --- a/old/69960-h/69960-h.htm +++ /dev/null @@ -1,3794 +0,0 @@ -<!DOCTYPE html> -<html lang="de"> -<head> - <meta charset="UTF-8"> - <title> - Abendfalter | Project Gutenberg - </title> - <link rel="icon" href="images/cover.jpg" type="image/x-cover"> - <style> - -body { - margin-left: 10%; - margin-right: 10%; -} - - h1,h2 { - text-align: center; /* all headings centered */ - clear: both; -} - -p { - margin-top: .51em; - text-align: justify; - margin-bottom: .49em; - text-indent: 1em; -} - -.h2 { - text-align: center; - text-indent: 0; - font-size: x-large; - font-weight: bold; -} - -.noind { - text-indent: 0; -} - -.hang p { - margin-left: 2em; - text-indent: -1em; -} - -.bright { - display: inline-block; - width: 50%; - margin-left: 50%; -} - -.p2 {margin-top: 2em;} - -hr { - width: 33%; - margin-top: 2em; - margin-bottom: 2em; - margin-left: 33.5%; - margin-right: 33.5%; - clear: both; -} - -hr.tb {width: 45%; margin-left: 27.5%; margin-right: 27.5%;} -hr.chap {width: 65%; margin-left: 17.5%; margin-right: 17.5%;} -@media print { hr.chap {display: none; visibility: hidden;} } - -div.chapter {page-break-before: always;} -h2.nobreak {page-break-before: avoid;} - -table { - margin-left: auto; - margin-right: auto; -} - -.tdr {text-align: right;} - -.pagenum { /* uncomment the next line for invisible page numbers */ - /* visibility: hidden; */ - position: absolute; - left: 92%; - font-size: small; - text-align: right; - font-style: normal; - font-weight: normal; - font-variant: normal; - text-indent: 0; -} /* page numbers */ - -.blockquot { - margin-left: 5%; - margin-right: 10%; -} - -.center { - text-align: center; - text-indent: 0; -} - -.right {text-align: right;} - -.mright { - text-align: right; - margin-right: 1em; -} - -.smaller {font-size: smaller;} -.larger {font-size: larger;} - -.u {text-decoration: underline;} - -.gesperrt { - font-style: italic; -} - -/* Images */ - -img { - max-width: 100%; - height: auto; -} -img.w100 {width: 100%;} - -.figcenter { - margin: auto; - text-align: center; - page-break-inside: avoid; - max-width: 100%; -} - -/* Poetry */ -/* uncomment the next line for centered poetry */ -/* .poetry-container {display: flex; justify-content: center;} */ -.poetry-container {text-align: center;} -.poetry {text-align: left; margin-left: 5%; margin-right: 5%;} -.poetry .stanza {margin: 1em auto;} -.poetry .verse {text-indent: -3em; padding-left: 3em;} - -/* Poetry indents */ -.poetry .indent0 {text-indent: -3em;} - -/* Transcriber's notes */ -.transnote {background-color: #E6E6FA; - color: black; - font-size: 90%; - padding:0.5em; - margin-bottom:5em; -} - -.transnote p { - text-indent: 0; -} - -p.drop { - text-indent: 0; -} - -p.drop:first-letter { - float: left; - margin: 0.15em 0.1em 0em 0em; - font-size: 250%; - line-height:0.85em; -} - -.x-ebookmaker p.drop:first-letter { - float: none; - margin: 0; - font-size: 100%; -} - -/* Illustration classes */ -figure.illowp6 {width: 6%; margin: auto 47%;} -figure.illowp30 {width: 30%;; margin: auto 35%;} - -img.deco141 { - display: inline-block; - width: 4em; - vertical-align: sub; -} - </style> -</head> -<body> -<div lang='en' xml:lang='en'> -<p style='text-align:center; font-size:1.2em; font-weight:bold'>The Project Gutenberg eBook of <span lang='de' xml:lang='de'>Abendfalter</span>, by Georg Busse-Palma</p> -<div style='display:block; margin:1em 0'> -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and -most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms -of the Project Gutenberg License included with this eBook or online -at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you -are not located in the United States, you will have to check the laws of the -country where you are located before using this eBook. -</div> -</div> - -<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Title: <span lang='de' xml:lang='de'>Abendfalter</span></p> -<p style='display:block; margin-left:2em; text-indent:0; margin-top:0; margin-bottom:1em;'><span lang='de' xml:lang='de'>Geschichten der Sehnsucht</span></p> -<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Author: Georg Busse-Palma</p> -<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Release Date: February 5, 2023 [eBook #69960]</p> -<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Language: German</p> - <p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em; text-align:left'>Produced by: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net</p> -<div style='margin-top:2em; margin-bottom:4em'>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>ABENDFALTER</span> ***</div> - -<div class="transnote"> -<p class="h2">Anmerkungen zur Transkription</p> - -<p>Die Anmerkungen zur Transkription befinden sich -am <a href="#tnextra">Ende des Buches</a>.</p> -</div> - -<div class="chapter"> -<h1>Abendfalter</h1> - -<figure class="figcenter illowp6" id="deco01"> - <img class="w100" src="images/deco01.jpg" alt="Dekoration"> -</figure> -<p class="h2">Geschichten der Sehnsucht</p> -<p class="center smaller">von</p> -<p class="center"><b>Georg Busse-Palma</b></p> -<figure class="figcenter illowp30" id="signet"> - <img class="w100" src="images/signet.jpg" alt="Signet"> -</figure> -<p class="center p2">Leipzig 1902<br> -Hermann Seemann Nachfolger -</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop"> -</div> - -<div class="chapter"> -<p class="noind">Alle Rechte vom Verleger vorbehalten.</p> -<p class="right p2">Roßberg’sche Buchdruckerei, Leipzig.</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop"> -</div> - -<div class="chapter"> -<p class="center"> -Sr. Durchlaucht<br> -dem</p> -<p class="center larger">Prinzen Emil von Schönaich-Carolath</p> -<div class="bright"> -<p class="center"> -in herzlicher und dankbarer<br> -Verehrung gewidmet.</p> -</div> - -<hr class="chap x-ebookmaker-drop"> -</div> - -<div class="chapter"> -<p>Von demselben Verfasser ist ferner im Verlag -von <i>Hermann Seemann Nachfolger</i> in <i>Leipzig</i> erschienen:</p> -</div> - -<div class="hang"> -<p><b>Mord.</b> <i>Geschichten, die mein Dolch erzählt.</i></p> -</div> - -<p class="right"> -Br. M. 2.50, geb. M. 3.50. -</p> - -<hr class="chap x-ebookmaker-drop"> - -<div class="chapter"> -<h2 class="nobreak" id="Inhalt">Inhalt</h2> -</div> - -<table> -<tr> -<td></td><td class="tdr">Seite</td> -</tr> -<tr> -<td>Abendfalter</td> - <td class="tdr"><a href="#Abendfalter">1</a></td> -</tr> -<tr> -<td>Ein Kind der See</td> - <td class="tdr"><a href="#Ein_Kind_der_See">27</a></td> -</tr> -<tr> -<td>Der alte Steffen</td> - <td class="tdr"><a href="#Der_alte_Steffen">45</a></td> -</tr> -<tr> -<td>Amtsrichter Johnsons Höhepunkte</td> - <td class="tdr"><a href="#Amtsrichter_Johnsons">61</a></td> -</tr> -<tr> -<td>In der Anstalt</td> - <td class="tdr"><a href="#In_der_Anstalt">85</a></td> -</tr> -<tr> -<td>Im Pfarrhaus</td> - <td class="tdr"><a href="#Im_Pfarrhaus">107</a></td> -</tr> -</table> - -<hr class="chap x-ebookmaker-drop"> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_1">[1]</span></p> -<h2 class="nobreak" id="Abendfalter">Abendfalter.</h2> -</div> - -<figure class="figcenter illowp6" id="deco01_2"> - <img class="w100" src="images/deco01.jpg" alt="Dekoration"> -</figure> -<p><span class="pagenum" id="Seite_3">[3]</span></p> - -<p class="drop">An jedem Samstag Nachmittag -hatte Brigitte Winterfeld nichts -Besseres zu thun, als mit den Kindern -des Pfarrers auf der grossen Wiese -herumzutollen. Es waren dies zwei -Mädchen von elf und dreizehn Jahren, -bei denen es lange währte, ehe -sie ermüdet, aber jauchzend vor Vergnügen, -sich in die Butterblumen -warfen, die ebenso goldgelb waren -wie der Sommersonnenschein über -ihnen. Brigitte liess aber, ihrer eigenen -Trägheit zum Trotz, nicht eher nach, -und wenn sie es erreicht hatte, dann -war auch die ruhende Gruppe, die<span class="pagenum" id="Seite_4">[4]</span> -braunen Kinder zu Seiten ihrer grossen, -schönen Spielgefährtin, ein Bild, das -allen Augen gefiel.</p> - -<p>Der pensionierte Oberförster Winterfeld -besass, einen Büchsenschuss -vom Dorfe entfernt, ein Landhaus, -weilte aber jeden Sonnabend bis -Mitternacht in der Stadt, wo ihn -gute Freunde und ein guter Trunk -nicht eher losliessen. So war es -schon seit Jahren Sitte, dass seine -Tochter die einsamen Stunden beim -Pfarrer und dessen Kindern verbrachte. -Sie war auch selber noch harmlos -genug, um an dem lustigen Spiel -der Kleinen ihre eigene lichte Freude -zu haben.</p> - -<p>Nur einer störte sie mitunter in -ihrer Fröhlichkeit.</p> - -<p>Wenn der Gutsverwalter, ein<span class="pagenum" id="Seite_5">[5]</span> -stiernackiger Schwarzkopf von ungefähr -dreissig Jahren, auf dem schmalen -Richtweg bis an ihren Wiesenplatz -herangeritten kam und ihnen zusah, -vermochte sie weder ruhig im Grase -liegen zu bleiben, noch mit den -Kindern um die Wette zu laufen. -Seine Augen ruhten mit einem so -seltsamen Ausdruck auf ihr, dass -sie immer das Gefühl hatte, als ob -an ihrer Kleidung etwas nicht in -Ordnung wäre. Sie folgten jeder -ihrer Bewegungen, die durch das -dünne, schmiegsame Hängekleid allzusehr -hervortraten, und liessen nicht -eher ab, als bis ihr Zorn und Scham -die Schläfen dunkelrot gefärbt hatten. -Dann ritt er pfeifend zurück, und -frei und fröhlich konnte sie wieder -aufatmen.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_6">[6]</span></p> - -<p>Es gab noch einen anderen, bei -dessen Nahen sich ihre jungenhafte -Ungezwungenheit verlor. Das war -Otto Ehlers, der Sohn des Lehrers, -der ihr Freund war von Kindesbeinen -an. Wenn sie diesen sah, blieb sie -auch nicht ruhig liegen, aber nur, -weil sie ihm gefallen wollte und weil -sie nicht wusste, dass sie am schönsten -war, wenn ihre vollen Glieder sich -so weich und wohlig in der Sonne -dehnten. –</p> - -<p>Brigitte Winterfeld war kein Kind -mehr. Sie stand erst im siebzehnten -Lebensjahre, aber ihre Formen waren -weit über ihr Alter hinaus gereift. -Wenn sie aufrecht dastand, konnte -man sie für eine junge Frau halten. -Nur an den schweren Zöpfen, die -ihr blauschwarz bis über die Hüften<span class="pagenum" id="Seite_7">[7]</span> -fielen, und auch an den immer etwas -sehnsüchtigen, fragenden Augen erkannte -man auch äusserlich ihre -unberührte Jugend. –</p> - -<p>Es war im Spätsommer, und der -Abend hing schon am Horizont, als -Otto Ehlers zum letzten Mal vor -seiner Abreise auf ihren Spielplatz -kam.</p> - -<p>Die Kinder sprangen ihm entgegen -und hingen sich an seine Arme.</p> - -<p>»Warum kommst du so spät -heut, Onkel Otto?« –</p> - -<p>»Es ging nicht eher, ihr Racker. -Ich musste doch allen Adieu sagen,« -sagte er halb lachend und halb wehmütig.</p> - -<p>Dann begrüsste er Brigitte.</p> - -<p>»Sie wissen ja schon, Briggi, dass -ich morgen abreise?«</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_8">[8]</span></p> - -<p>»Ja,« nickte sie. »Es thut mir -sehr leid.«</p> - -<p>»Ich freue mich, dass ich das -Amt habe. Aber es ist doch schwer, -alles hier zurückzulassen. Oft werde -ich nicht herüber kommen können, -und manches werde ich arg vermissen. -Sie auch, Briggi!«</p> - -<p>Eine Weile standen sie sich stumm -gegenüber.</p> - -<p>Da trat die Frau Pastor auf den -Pfarrhof und rief, die gehöhlten -Hände als Sprachrohr benutzend, -zum Essen. –</p> - -<p>Otto Ehlers biss sich auf die -Lippen.</p> - -<p>»Bleiben Sie nach Tisch noch -lange hier?« fragte er dann.</p> - -<p>»Nein, Otto. Ich gehe gleich -fort.«</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_9">[9]</span></p> - -<p>»Dann komm ich noch einmal -zu Ihnen heran. Von Ihrem Vater -habe ich mich ja schon verabschiedet, -von Ihnen könnte ich das jetzt auch -endgültig thun, aber ich möchte doch -noch einmal das ganze Haus sehen. -Es hängen doch viel Erinnerungen -daran. Schon aus der Pennälerzeit her -und dann erst später, als Sie immer -grösser und schöner wurden …«</p> - -<p>Brigitte Winterfeld wurde rot.</p> - -<p>»Für mich auch,« sagte sie hastig.</p> - -<p>Dann schämte sie sich. Es fiel -ihr ein, dass bei ihr, die das Haus -bewohnte, die Erinnerungen doch -nur natürlich wären. Aber er hatte -sie wohl verstanden. –</p> - -<p>Die Kinder an den Händen fassend, -ging sie dem Pfarrhaus zu. Otto -Ehlers sah ihr nach. Mit der Rechten<span class="pagenum" id="Seite_10">[10]</span> -strich er sich mechanisch den kurzen, -blonden Vollbart, und in seinen Augen -wechselte in jäher Folge ein glückliches -Leuchten mit tiefer Traurigkeit. – – – –</p> - -<hr class="tb"> - -<p>Es war schon Abend, als sie -nach Hause kam, und tiefe Dämmerung -füllte das ganze Zimmer. Halbverdeckt -von Wolken, die immer -dunkler wurden, je weiter sie sich -von ihm entfernten, stand der Mond -am Himmel und sah durch das Fenster.</p> - -<p>Brigitte Winterfeld rollte sich einen -Sessel an die Scheiben und setzte -sich.</p> - -<p>Die Sträucher in dem kleinen Vorgarten -schwankten dunkel und traumhaft -auf und nieder. Es mochte -wohl ein Wind aufgestanden sein.<span class="pagenum" id="Seite_11">[11]</span> -Farben waren nicht mehr zu erkennen. -Nur einige Rosen, die im Mondlicht -standen, nickten mit gelben Köpfen -zu ihr herüber.</p> - -<p>Und weiter, über den Pfad hinaus, -den er kommen musste, reckte sich -schwarz und drohend der Fichtenwald. -Zwischen den Stämmen aber, -von dem dunklen, verschwommenen -Grunde, hoben sich hier und da -schmale, lichte Wege ab wie mit -Goldkies bestreute Gnomenstrassen.</p> - -<p>Eine jagende Eule schrie einmal -von dort herüber, dann verschlang -die Ferne auch diese Rufe, und die -Stille wurde noch fühlbarer.</p> - -<p>Im Halbschlaf schloss Brigitte die -Augen, und die Gedanken, die sie -schon seit Tagen schmerzten, kamen -alle auf einmal wieder.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_12">[12]</span></p> - -<p>»Morgen früh geht er fort. Wenn -er wiederkommt, werde ich ihm -nichts mehr sein. In der grossen -Stadt sind so viele Mädchen, die -hübscher und klüger sind als ich.« –</p> - -<p>Das klang in immer neuen Variationen -immer wieder und wieder -in ihrem Herzen.</p> - -<p>Dann schrak sie auf. Es war -ihr, als ob die Thür gegangen wäre. -Und da hörte sie auch schon seine -Stimme.</p> - -<p>»Schlafen Sie denn wirklich, -Briggi?« –</p> - -<p>Sie fuhr sich mit der Hand über -die Augen. In derselben Sekunde -war sie aber schon gänzlich munter.</p> - -<p>»Ich war ein bischen müde von -dem vielen Herumlaufen. Aber -kommen Sie doch herein, Otto!« –</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_13">[13]</span></p> - -<p>Jetzt bemerkte sie erst, dass noch -kein Licht brannte. Sie zündete die -schwere Majolikalampe an und stellte -sie auf den kleinen Tisch, an dem -sie vorhin im Dunkeln gesessen hatte.</p> - -<p>»Es thut mir leid, dass ich Sie -um ein Schlummerstündchen gebracht -habe, Briggi! Es ist aber wohl doch -gut, denn sonst wäre die Nacht um -ihre Rechte gekommen.« –</p> - -<p>Sie lächelte fröhlich.</p> - -<p>»Was Sie wohl meinen! Ich bin -kein Murmeltier, aber ich kann -doch sechzehn Stunden hintereinander -schlafen. Übrigens war das kein -Schlaf. Ich hab an manches Liebe -und an manches Böse gedacht. Auch -an Sie und Ihre Abreise.« –</p> - -<p>»Und zu welcher Kategorie haben -Sie mich gezählt?«</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_14">[14]</span></p> - -<p>»Ihre Abreise zum Bösen, Otto. -Aber soll ich Ihnen, statt dass Sie -so neugierig fragen, nicht lieber etwas -von Papas Krätzer bringen? Sie -wissen, viel wert ist er nicht.« –</p> - -<p>»Ich danke, Briggi, ich mag nicht -trinken.« –</p> - -<p>Dann aber schien er es sich zu -überlegen.</p> - -<p>»Wein möchte ich nicht,« sagte -er zögernd, »aber wenn ich eine Tasse -Thee bekommen könnte …«</p> - -<p>Brigitte wunderte sich. Sie hatte -noch nie gehört, dass Otto Ehlers -im Sommer Thee trank. Sie ging -aber in die Küche, um welchen zu -bereiten.</p> - -<p>Als sie mit einem kleinen Kännchen -zurückkehrte, hatte er den Kopf in die -Hand gestützt und sah sie lächelnd an.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_15">[15]</span></p> - -<p>»Wissen Sie auch, warum ich um -Thee bat?« –</p> - -<p>Sie schüttelte den Kopf.</p> - -<p>»Es fiel mir grad’ ein, wie meine -Eltern immer beisammen sitzen. Bei -der Lampe ist es so gemütlich, wenn -es draussen ganz dunkel ist und die -Theetasse auf dem Tisch steht. Man -kommt dann gar nicht darauf, dass -es anders sein könnte. Die beiden -haben sich immer noch lieb trotz -ihrer fünfzig Jahre, und da dacht’ ich, -wie das erst sein muss, wenn ich -<em class="gesperrt">Ihnen</em> so gegenüber sitz’ …«</p> - -<p>Brigitte war rot geworden. Sie -wusste nicht, was sie erwidern sollte. -Ein seltsames Gefühl, halb Jubel und -halb Angst, stieg in ihr auf.</p> - -<p>Da pochte es stossweise, dumpf -und leise, mehrmals an das Fenster.<span class="pagenum" id="Seite_16">[16]</span> -Es waren drei Abendfalter mit grossen, -dicken Köpfen, die, durch das Licht -verlockt, hineinwollten. Ihre weichen -Körper drängten sich dicht an das -glatte Glas und die runden, rotglühenden -Augen hingen gebannt an -der leuchtenden Glocke.</p> - -<p>Sie kamen Brigitte wie eine Erlösung. -Hastig griff sie nach einer -Serviette und schlug damit gegen -das Fenster, um sie zu vertreiben.</p> - -<p>»Die hässlichen Tiere,« sagte sie.</p> - -<p>Aber da legte Otto Ehlers ihr -seine Hand auf den Arm.</p> - -<p>»Warum jagen Sie die Falter fort? -Es sind keine hässlichen Tiere. Es -sind Nachtschwärmer, Kinder des -Dunkels, die auch einmal zum Lichte -wollen.« –</p> - -<p>Gehorsam liess sie das Tuch sinken.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_17">[17]</span></p> - -<p>»Vielleicht sind es Ihre Anbeter -gar, Briggi! Ich glaube wirklich,« -fuhr er dann fort, mit weicher, bewegter -Stimme, »ich glaube wirklich, -dass jeder Falter eine Sehnsucht -ist. Wer Sie einmal gesehen hat, -muss doch wieder zu Ihnen zurück. -Näher können sie nicht, da wollen -sie wenigstens durch die Scheiben -spähn. Und ich weiss, wenn ich -von hier fort bin, wird meine Sehnsucht -auch unter den Faltern -sein.« –</p> - -<p>Brigitte schlug ihre feuchten Augen -voll zu ihm auf.</p> - -<p>»Dann werde ich nie wieder einen -forttreiben, Otto! Nie wieder!« –</p> - -<p>Über den Tisch hin fasste er ihre -Hände.</p> - -<p>»Auch dann nicht, Briggi, wenn<span class="pagenum" id="Seite_18">[18]</span> -es lange dauert, eh’ aus der armen -Hilfskraft ein königlich preussischer -Gymnasiallehrer mit einem eigenen -Theetisch wird? Auch dann nicht?« –</p> - -<p>Ihre Verlegenheit war jetzt ganz -vorüber.</p> - -<p>»Auch dann nicht, Otto,« sagte -sie ruhig. »Ich bin noch jung.«</p> - -<p>Da zog er sie an sich und küsste sie.</p> - -<p>Als er eine Stunde später das -Haus verliess, rief sie ihm noch -über den Garten hinaus nach: »Ich -werde nie wieder einen vertreiben! -Nie wieder!« –</p> - -<p>Und Otto Ehlers, der die schwarzen -Kiefern entlang im Dunkeln dem -Lehrerhaus zuging, hörte darin ein -Gelöbnis der Treue, das besser und -schöner war als jeder Schwur.</p> - -<p>Dann stieg auch sie die Treppe<span class="pagenum" id="Seite_19">[19]</span> -zu ihrer Schlafkammer in die Höhe. -Während sie sich auskleidete, flogen -wieder einige Nachtschwärmer an das -erleuchtete Fenster. Da zog sie zum -ersten Male die weissen Vorhänge zu.</p> - -<p>»Seine Sehnsucht sieht durch die -Scheiben«, dachte sie. – – – –</p> - -<hr class="tb"> - -<p>Nachdem Otto Ehlers fort war, -wurde der Verwalter ein häufiger -Gast in der Villa Waldfried. Erst -kam er immer nur in Begleitung des -alten Lehrers zu den Abendstunden, -und der Oberförster, der ein eifriger -Skatspieler war, freute sich über den -dritten Mann. Dann kam er auch -allein, und auch des Tages, und -Brigitte Winterfeld ging ihm nicht -mehr aus dem Wege. Sie gewöhnte -sich allmählich an ihn und auch an<span class="pagenum" id="Seite_20">[20]</span> -seine Augen, trotzdem die nicht -zarter wurden. Seitdem sie mit ihrem -Jugendfreund so gut wie verlobt war, -fühlte sie sich zu sicher, wenn ihr -auch das Blut von Monat zu Monat -heisser und schwerer durch die Adern -rollte.</p> - -<p>So sahen sie sich beinahe jeden -Tag. Und mehr und mehr musste -sich das Mädchen gestehen, dass ihm -doch nicht jede Schönheit fehlte. -Es war kein einziger feinerer Zug -in seinem Gesicht, aber es war massig, -braun und kräftig, wie aus alter Eiche -geschnitten, und der kleine Schnurrbart -über den dicken, vollen Lippen -stand ihm gut. Seine Zähne waren -blank und breit wie die eines Raubtiers, -und alle Dorfmädchen sahen -ihm begehrlich nach, wenn er, die<span class="pagenum" id="Seite_21">[21]</span> -Hände lässig auf den prallen Schenkeln, -über die Felder ritt.</p> - -<p>So war Sommer, Herbst und -Winter vergangen. Und der neue -Sommer brachte ein freudiges Ereignis -in das Pfarrhaus. Zum dritten -Mal war der Storch dort eingekehrt, -und da es ein Bube war, liess der -Pfarrer, der ein lebensfreudiger Herr -war, etwas draufgehen am Tauftage.</p> - -<p>Auch der alte Oberförster und -Brigitte waren unter den Gästen. -Erst hatte sie in der Küche mitgeholfen, -dann musste sie auch zu -Tisch und bekam ihren Platz neben -dem Gutsverwalter.</p> - -<p>Es wurden schwere Getränke aufgetragen, -und immer von neuem -wurde Brigittes Glas durch ihren -Tischherrn gefüllt.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_22">[22]</span></p> - -<p>»Es wäre doch schade, wenn das -schönste Mädchen im Kreis bei -solcher Fülle verdursten sollte,« -sagte er leise. »Und dass Sie die -Schönste sind, wissen Sie wohl -selber!« –</p> - -<p>Dabei sah er sie mit seinen -brennenden Blicken an, dass es -ihr heiss und kalt über den -Rücken lief.</p> - -<p>Sie war den Wein nicht gewohnt. -Ihr schon von Natur aus heisses -und leidenschaftliches Blut erregte -sich mehr und mehr, und plötzlich -gingen ihre Gedanken auf Wegen, -die sie früher nie beschritten hatten. -Ihr ganzes Gesicht glühte. Sie lehnte -sich hintüber und liess die Wimpern -halb herniedergleiten. Sie fühlte -seine Augen, die wie heisse Hände<span class="pagenum" id="Seite_23">[23]</span> -über ihren Körper strichen. Aber -sie rührte sich nicht. –</p> - -<p>Dann kam es ihr doch zum Bewusstsein, -dass sie schon zuviel -getrunken hatte. Sie wollte ihren -Vater nicht stören. So stand sie -unter einem Vorwande auf und -ging allein nach Hause.</p> - -<p>Sie zündete die Lampe an und -liess sich an ihrem gewohnten Fensterplatz -nieder. In denselben Sessel, -in dem sie auch gesessen hatte, als -Otto Ehlers Abschied nahm. Sie -öffnete die enge Taille und atmete -tief auf. Dann überfiel sie eine -weiche, schlaffe, gedankenlose Müdigkeit. -Die Stille that ihr wohl, und -bald schlief sie ein.</p> - -<p>Mit einem Male fuhr sie jäh in -die Höhe.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_24">[24]</span></p> - -<p>Kräftige Männerarme hatten sich -um ihren Leib geschlungen, und -zwei glühende, fiebernde Lippen -pressten sich in tollem Kuss immer -wieder und wieder auf ihre Augen -und auf ihren Mund.</p> - -<p>Es war der Verwalter des Gutes, -der ihr heimlich nachgegangen war.</p> - -<p>Vergebens suchte sie sich von -ihm zu befreien. Beide Hände -stemmte sie gegen seine Brust. Aber -es gelang ihr nicht.</p> - -<p>Und immer wieder kam dieser -heisse Schauer, diese tollen, brennenden -Küsse, die sein heisses Blut -dem ihren entgegendrängten, und -denen sie nicht lange widerstehen -konnte.</p> - -<p>Alle Kraft wich von ihr. Schlaff, -halb bewusstlos, lag sie in seinen<span class="pagenum" id="Seite_25">[25]</span> -Armen. Nur die Pulse schlugen ihr -immer heisser und immer schneller.</p> - -<p>Als er sie endlich losliess, hatte -sie nur ein Verlangen: nach Luft, -nach Kühlung.</p> - -<p>Sie riss das Fenster auf, dass -die Scheiben klirrten. –</p> - -<p>Die Abendluft strömte herein. -Und mit der kühlen, klaren Luft -kam ein grosser, dunkler Falter in -das Zimmer geflogen. Ein Kind der -Nacht, das lichtverführt sich schon -lange an die Gläser gedrängt hatte.</p> - -<p>Lautlos, mit schwerer Flugbewegung, -kreiste er um Brigitte -Winterfelds heisse, glühende Stirne.</p> - -<p>Dann wandte er sich dem Lichte zu.</p> - -<p>Brigitte Winterfeld wurde totenbleich. -Mit weitaufgerissenen, entsetzten -Augen starrte sie ihm nach.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_26">[26]</span></p> - -<p>Nach einer Minute stiess sie einen -dumpfen Wehlaut aus. Ihr Kopf -schlug schwer auf die eichene Tischplatte, -auf der mit verkohlten Flügeln, -den weichen Leib verbrannt, zuckend -vor Schmerz, der Falter lag. –</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop"> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_27">[27]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Ein_Kind_der_See">Ein Kind der See.</h2> -</div> - -<figure class="figcenter illowp6" id="deco01_3"> - <img class="w100" src="images/deco01.jpg" alt="Dekoration"> -</figure> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_29">[29]</span></p> - -<p class="drop">Er war ein Antwerpener.</p> - -<p>Sein Vater, dessen Glieder die -Gicht gekrümmt hatte, verzehrte sich -vor Sehnsucht nach dem offenen -Meer, das er Jahrzehnte lang befahren -hatte. Als kleiner Hafenbeamter -wohnte er dicht am Wasser, und -über die Wiege seines Kindes flogen -die herben, salzigen Seewinde. In -die Schlummerliedchen, die ihm die -Mutter sang, schrillten die Dampfpfeifen, -und wenn er des Nachts -sein heisses Köpfchen aus den Kissen -hob und durch das Fenster sah, -glotzten ihn aus der Ferne böse,<span class="pagenum" id="Seite_30">[30]</span> -rotglühende Augen an. Er fürchtete -sich aber nicht lange vor ihnen, -denn ehe er noch sprechen konnte, -wusste er schon, dass sie kein Spuk, -sondern nur die Laternen mächtiger, -dunkler Schiffskolosse waren, die -sich schwerfällig durch den Kanal -dem geräumigen Hafen zu bewegten.</p> - -<p>Kaum, dass er die Kinderschuhe -ausgetreten hatte, ging auch er zur -See. Als Leichtmatrose fuhr er auf -einem Kauffahrteischiff.</p> - -<p>Da kam es, dass sein Grossvater -mütterlicherseits, der tief im Binnenlande -wohnte, um eine Mitternacht -den Tod an die Thüre seines Gehöftes -pochen hörte. Auch die -Klinke hatte geknirscht, aber der -hagere Schnitter war noch einmal -vorübergegangen. Nur gemahnt<span class="pagenum" id="Seite_31">[31]</span> -hatte er den Alten. Am Tage darauf -ging dieser zu dem Geistlichen des -Ortes und liess sich einen Brief -schreiben an seine Tochter, die -Mutter von Henrik Jansen junior. -Einen Brief des Inhalts, dass sein -Enkel zu ihm kommen solle, damit, -wenn der Schnitter wiederkäme, -einer da wäre, der die gemähte -Garbe in die Scheuer bringe und -ihm ein Erbe, dem Gehöft aber ein -neuer Herr sei.</p> - -<p>Jansen jun. stiess anfänglich nur -ein unartikuliertes Grunzen aus, als -seine Mutter ihm davon Mitteilung -machte. Da er gerade nicht geheuert -war, reckte er seine mächtigen jungen -Glieder auf der Ofenbank und -faulenzte. Er dachte aber immer -daran, dass er bald wieder fahren<span class="pagenum" id="Seite_32">[32]</span> -würde, und es wollte ihm durchaus -nicht in den blonden Schädel, dass -er überhaupt von der See weggehen -und als Binnenländer leben könnte. -Zwischen Leuten, die noch nie einen -schwimmenden Balken unter den -Füssen gehabt! Lächerlich war dies -einfach. Und am Schluss dieser Gedankenkette -spie er verächtlich ein -Stück Kautabak in weitem Bogen -durch das geöffnete Fenster.</p> - -<p>Seine Mutter, die früh verhärmt -und früh gealtert aussah, liess aber -nicht nach. Für sie, die tief im -Lande Geborene, waren Meer und -Schiffahrt immer nur unersättliche -Mörder gewesen. Zwei Brüder ihres -Mannes hatten sie auf dem Gewissen. -Der eine war ertrunken, der andere -hatte sich das gelbe Fieber geholt<span class="pagenum" id="Seite_33">[33]</span> -und war in der Fremde verscharrt -worden. Sie fürchtete für ihren -Sohn und wurde nicht müde, auf -ihn einzureden.</p> - -<p>Es dauerte aber lange, bis sie -seine schwerfälligen Gedanken auf -den Punkt gebracht hatte, von dem -aus gesehen das Binnenland lieblich -war. Als er jedoch einmal sich -selber sagte, dass es prächtig sein -müsse, auf eigenem Grund und Boden -zu stehen, wo er keinem Kapitän -und keinem Steuermann zu parieren -brauchte – da hatte sie gewonnenes -Spiel.</p> - -<p>Jansen jun. erhob sich von der -Ofenbank, trank einen Genever und -siedelte dann zu seinem Grossvater -über.</p> - -<p>Das Dorf, in welchem dieser<span class="pagenum" id="Seite_34">[34]</span> -wohnte, war fett und nahrhaft und -seine eigene Wirtschaft desgleichen. -Als der Alte seinen Enkel bei sich -hatte, neigte er das Haupt, so tief -wie eine Ähre im Juli. Bald knirschte -die Klinke zum zweiten Male, und -diesmal ging der Fremde nicht -vorüber; im Gegenteil gab er dem -Landwirt gewordenen Matrosen Gelegenheit, -ein würdiges Leichenbegängnis -zu veranstalten und sich als -Herrn eines gesegneten Ackers, eines -stattlichen Gebäudes und mehrerer -Joch Ochsen zu fühlen.</p> - -<p>Ein alter, erfahrener Knecht war -da, so dass es an der kundigen Hand -nicht fehlte und Jansen jun. Zeit -hatte, die Schönheit des Binnenlandes -kennen zu lernen.</p> - -<p>Anfänglich erregte alles seine<span class="pagenum" id="Seite_35">[35]</span> -Bewunderung und Freude. Die wogenden, -goldgelben Ähren, die ihm -fast bis an die Schulter reichten, -die fruchtstrotzenden Obstbäume und -nicht zum mindesten der sagenumwobene -Klapperstorch, der sich hier -auf der sumpfigen Wiese behaglich -Frösche fing, – es waren ihm entweder -ganz fremde Erscheinungen, -oder doch nur wie flüchtige Traumbilder, -irgendwo in der Vergangenheit -gesehene. So verging ihm der -Sommer schnell und fröhlich. Solange -ihm alles neu und fremd war, -gefiel ihm das Dorf, den Herbst -hindurch und auch den Winter über. -Wenn es ganz grimmig kalt war -und er in dem mollig erwärmten -Zimmer sass, schmunzelte er sogar -mitunter bei dem Gedanken, dass<span class="pagenum" id="Seite_36">[36]</span> -er das Jahr vorher um diese Zeit -an der englischen Küste getrieben -hatte, wo es so kalt war, dass die -Haut der arbeitenden Hände in Fetzen -an den gefrorenen Tauen kleben -blieb. Ach, da war es hier am -Kamin doch behaglicher! Und er -stopfte sich eine neue Pfeife, trank -einen neuen Genever und war zufrieden.</p> - -<p>Als es aber Frühling wurde, ging -er umher wie ein Verlorener. Es -drückte ihn etwas. Wie ein Stein -lag es auf seiner Brust. Manchmal -war es ihm, als ob er an dem fetten, -kräftigen Erdgeruch ersticken müsste. -Die ganze Luft war durchtränkt von -ihm und selbst der Wind war fett -und erdig.</p> - -<p>Er klagte dem Geistlichen sein Leid.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_37">[37]</span></p> - -<p>Der behäbige Herr hob nachdenklich -seine linke Hängebacke ein wenig -in die Höhe und gab ihm dann -einen Rat.</p> - -<p>– »Wissen Sie, Jansen,« sagte -er ihm, »Sie müssen heiraten! Sie -haben hier weder Freunde noch -Verwandte, und das drückt. Die -Einsamkeit schadet Ihnen. Denn -sonst,« er schnüffelte dabei behaglich -umher, »muss ich sagen, dass -die Luft hier sehr angenehm ist. -Durchaus angenehm!« –</p> - -<p>Jansen beugte sich der geistlichen -Autorität.</p> - -<p>Unter den breiten Hauben des -Dorfes war eine, deren Trägerin ihm -besonders gefallen hatte. Zu der -ging er, und sie sagte nicht nein. -Im Herbst sollte es Hochzeit geben.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_38">[38]</span></p> - -<p>Den dumpfen Druck wurde er -dadurch aber nicht los. Die wilde, -prächtige Romantik des Seelebens -wurde in seinem einfältigen Herzen -übermächtig, seitdem das Rauschen -der Wellen und der Schrei der -Möwen nicht mehr an sein Ohr -schlugen.</p> - -<p>In der Nacht, wenn ein toller, -übermütiger Wind die alten Fichten -in dem nahen Gehölz bog, dass sie -ächzten und stöhnten, richtete er -sich oft im Bette auf, und es schien -ihm, als müssten es Maste sein. -Als ob er wieder wie einst an der -See lebte, schlürfte er mit durstigen -Atemzügen dann die Luft ein. Aber -vergebens suchte er den herben, -prickelnden Geschmack. Die fette -Erde spürte er nur, und seine<span class="pagenum" id="Seite_39">[39]</span> -Lungen schlossen sich wieder, soweit -es nur möglich war.</p> - -<p>Auch am Tage brütete er oft -stundenlang vor sich hin. Seine -beste Freundin dabei war die Geneverflasche. -Unaufhörlich schenkte er -sich daraus ein. Beim zehnten oder -zwölften Glas biss es ihm dann in -der Nase, als ob ein Seewind hineingeblasen -hätte, und seine Träume -wurden immer lebhafter, bis er mit -schwerer Faust auf den Tisch schlug -und in die Kammer ging, seinen -Rausch und seine Sehnsucht miteinander -zu verschlafen.</p> - -<p>Sein Hochzeitstag war trübe und -stürmisch. Ein kräftiger Wind sprang -ihm in den Nacken, als er in die -Kirche ging, und als er mit seiner -jungen Frau Hand in Hand wieder<span class="pagenum" id="Seite_40">[40]</span> -hinaustrat, verfing sich derselbe Wind -so heftig in ihren weiten, bauschigen -Röcken, dass sie für einen Augenblick -von ihm lassen musste und -es kalt und gell zwischen sie hindurch -pfiff. Des jungen Ehemanns -Nüstern öffneten sich weit und gierig. -Nein, der roch nicht nach fetter -Erde! Der kam von der See. Von -der endlosen, rauschenden See! –</p> - -<p>In der darauf folgenden Nacht -schlug der Regen unaufhörlich gegen -die Scheiben, und der Sturm hörte -nicht auf zu blasen. Er blies durch -die in der Mitte gehöhlten Dachziegel, -die Hunderte von Pfeifen -bildeten, und wüst und phantastisch -klang es bis in das Schlafzimmer -hinab.</p> - -<p>In später Stunde, als sein Weib<span class="pagenum" id="Seite_41">[41]</span> -schon eingeschlafen war, richtete sich -Henrik Jansen plötzlich jäh empor.</p> - -<p>Was war das?</p> - -<p>Die Hand hinter der Ohrmuschel, -lauschte er hinaus. Seine Brust hob -sich keuchend, der Schweiss trat -auf seine Stirn.</p> - -<p>Hatte ihn ein Spuk geäfft?</p> - -<p>Aber nein, da war es ja wieder!</p> - -<p>Durch das Pfeifen des Windes, -durch das Rauschen des Regens -schlug deutlich vernehmbar ein -dumpfes, dröhnendes Tuten, wie -aus weiter Ferne, an sein Ohr.</p> - -<p>Das ist ein Nebelhorn!</p> - -<p>Das ist die Stimme eines Schiffes, -die warnend die Finsternis zerreisst!</p> - -<p>Wo kommt es her?</p> - -<p>Zitternd vor Erregung steigt er -aus dem Bett und tritt an das Fenster.<span class="pagenum" id="Seite_42">[42]</span> -Er öffnet es, doch jetzt hört er -wieder nur Wind und Regen. Bald -aber erhebt es von neuem die Stimme. -Dumpf tutend, wie aus weiter Ferne, -aber doch schon näher.</p> - -<p>Seine Schläfe glühen, fiebernd -späht er hinaus. Jetzt müssen die -Augen ja auftauchen, die roten, -glühenden Augen!</p> - -<p>Es fällt ihm ein, wie er, seiner -Erinnerung nach zum erstenmal, ein -Nebelhorn gehört. Er war noch -ganz klein und erschrak. Seine -Mutter aber erklärte es ihm.</p> - -<p>– »Das ist einer vom Bremer -Lloyd,« sagte sie, »der jetzt einfährt.« -Und ein anderes Mal fing -sie an zu lachen. »Der brüllt -wie ein sterbender Bulle. Das ist der -›Flandern‹ von der Red Star Line.« –</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_43">[43]</span></p> - -<p>Oh, er hatte sie bald alle gekannt. -Einige davon hatten eine -Stimme wie keifende Marktweiber -und andere, wie besonders das kleine -Harwichboot, hatten eine Grogkehle -und waren ewig heiser.</p> - -<p>Dieses Horn aber kannte er nicht. -Wind und Regen störten den reinen -Klang, ebenso die Ferne, aus der es -zu kommen schien.</p> - -<p>Doch mit einem Male tönte es -ganz in seiner Nähe. Und als er -die fieberhaften, sehnsüchtigen Augen -dorthin wandte, sah er einen alten, -gebückten Mann, der ein mächtiges -Kuhhorn an den Lippen hielt. Es -war der Gemeindewächter.</p> - -<p>Wind, Regen und Sehnsucht -haben dich getäuscht, Henrik Jansen!</p> - -<p>Henrik Jansen versuchte zu lächeln,<span class="pagenum" id="Seite_44">[44]</span> -sein Gesicht verzerrte sich aber nur. -Langsam schloss er das Fenster, doch -zu Bette ging er nicht.</p> - -<p>Er setzte sich stumm an den -eichenen Tisch und schlug die Hände -vor das Gesicht. Dort blieb er bis -zum Morgen, und sein ganzer, riesiger -Körper bebte vor weinender Sehnsucht …</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop"> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_45">[45]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Der_alte_Steffen">Der alte Steffen.</h2> -</div> - -<figure class="figcenter illowp6" id="deco01_4"> - <img class="w100" src="images/deco01.jpg" alt="Dekoration"> -</figure> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_47">[47]</span></p> - -<p class="drop">Im Osten der Universitätsstadt erhebt -sich das Armenhaus. Es ist -aus massiven, grauen Steinen gebaut -und hat zwei Stockwerke. In dem -oberen befinden sich aber nur die -Krankensäle, so dass die noch rüstigen -Insassen von der schönen, kleinen -Stadt fast nichts zu sehen bekommen. -Denn aus ihren niedrig gelegenen -Fenstern können sie die Mauern, -die das Haus umschliessen, nicht -überblicken, und Urlaub bekommen -sie sehr selten.</p> - -<p>Im Winter ist das zu ertragen. -Wenn der Regen gegen die Scheiben<span class="pagenum" id="Seite_48">[48]</span> -schlägt oder die Flocken immer -dichter und dichter herniederwirbeln, -frieren die alten Leute und sehnen -sich nicht nach draussen. Nur der -alte Steffen vielleicht. Aber auch -der denkt dann nicht an die deutschen -Thäler und Gebirgsketten, die dann -doch rauh und ungastlich sind. Er -träumt von der heissen, brennenden -Tropensonne, trotzdem gerade sie ihn -so krank und elend gemacht hat.</p> - -<p>Er ist schwach auf den Beinen -und hat keine Kraft in den -Händen.</p> - -<p>Mehrere Jahre hindurch ist er -Plantagenaufseher in Java gewesen -und mit blossen Füssen über die -Felder gegangen, bis sein Rückenmark -verdorrt und er überflüssig -geworden war. Da kam er nach<span class="pagenum" id="Seite_49">[49]</span> -Deutschland zurück, und fünf Jahre -schon lebte er im Armenhause.</p> - -<p>Aber in dem Druck der grauen, -freudlosen Gegenwart kann er die -Zeiten nicht vergessen, wo er als -Lanzknecht die halbe Welt durchfahren. -Er hat unter der Tricolore -und unterm Halbmond gefochten, -ist bei Sewastopol im Feuer gewesen -und hat in Tonkin geblutet. Dann -ist er zu den Holländern desertiert, -und dort im Civildienst hat ihn das -Unglück getroffen.</p> - -<p>In der Schar seiner Hausgenossen -ist er immer noch eine imposante -Erscheinung. Unter Zwergen und -Krüppeln und zahnlosen, ewig kauenden -Bettlergestalten tritt seine stämmige -Figur wirkungsvoll hervor. -Der massige Kopf mit der kräftigen<span class="pagenum" id="Seite_50">[50]</span> -Nase, mit dem kurzen, grauen Vollbart -und den hellen Augen muss -gut aussehen, wenn eine Fahne über -ihm flattert.</p> - -<p>Gewöhnlich scheint er recht gleichmütig -und ruhig. Manchmal aber -fangen seine Augen an zu glühen -und zu blitzen. Das ist, wenn die -Sonne scheint. Jedem Sonnenstrahl -sieht er dann nach.</p> - -<p>Jetzt ist die Zeit seiner Marter -und qualvollsten Wonne. Es ist -Frühling geworden.</p> - -<p>Stundenlang sitzt er täglich auf -der verwitterten Holzbank im Hofe. -Wenn er die Wimpern hebt, sieht -man eine verzehrende Sehnsucht -hervorlodern. Denn die Schwalben -haben unter dem Giebel gebaut, und -ihre Schwingen streifen um sein Gesicht,<span class="pagenum" id="Seite_51">[51]</span> -die Bäume grünen und sind -voll junger Knospen, zwischen den -Steinen im Hof schiessen schmale -Gräser hervor, und die Vergangenheit -wird in ihm lebendig.</p> - -<p>Seit zwei Tagen hat er nicht -mehr gesprochen und wird noch -weitere Tage nicht sprechen. Seine -Kameraden aber wissen, dass jetzt -die Abende kommen, wo er erzählen -wird, heiser vor Erregung, aber ein -Poet in seiner sehnsuchtsreichen -Qual.</p> - -<p>Wenn sie alle zu Bette sind und -nur die Nachtlampe rötlich glühend -durch den dunklen Schlafsaal schaukelt, -richtet er sich auf in den Kissen. -Und er spricht von seiner Jugend -und ihrer Sonne und Selbstherrlichkeit. -Wie er in schimmerndem<span class="pagenum" id="Seite_52">[52]</span> -Segler über blaue Meere gefahren, -und von den grünen Küsten Kleinasiens -Marmorhäuser herüberwinkten -und der glänzende Ölbaum. Wie -er in Albanien biwakierte und mit -Baschi Bozuks um ein Marschallsross -gewürfelt, das feinere Glieder -hatte als eine Königstochter und -dessen Nüstern rosig waren wie der -duftigste Nelkenkelch. Wie er in -Algerien Feldwache gestanden in -Palmenhainen und Dattelwäldern und -einen Kabylen erschlagen um einen -Trunk Wasser. Wie er in schaukelnder -Dschunke den heiligen Strom -durchglitten, vorüber an rauschenden, -undurchdringlichen Dschungeln, unter -Bäumen, die, im Lande wurzelnd, -sich weit über das Wasser reckten -und in deren dichtem Astwerk schlanke,<span class="pagenum" id="Seite_53">[53]</span> -bunte Königstiger lauerten, lautlos -mit geschmeidigem Schweife die -Flanken peitschend. Er spricht von -Tropensternen und zierlichen havanesischen -Frauen, von wirbelnden -Trommeln und toten Freunden; nur -von seiner Sehnsucht spricht er nicht.</p> - -<p>Wenn er dann aufhört, beisst -er in den Bettpfosten und zerreisst -sein Leinen. Der Verwalter straft -ihn dafür, aber seine Zuhörer schenken -ihm Cigarren und Kautabak, -weil sie ihn bewundern.</p> - -<p>All die Jahre schon ist es ihm -sauer genug gewesen, hier sein Leben -zu verbringen. Doch hat er sich -darein gefunden, wenn es ihm auch -in jedem Frühling fast passierte, dass -ihn Landleute meilenweit von der -Stadt hilflos am Wege trafen und<span class="pagenum" id="Seite_54">[54]</span> -zurückbrachten. Beim Ausgehen hatte -er nie daran gedacht, zu entrinnen, -aber was soll denn ein alter Landstreicher -nur machen? Ist der Frühling -nicht stärker als sein Wille? Der -Frühling hatte ihn verlockt, weit -hinaus, immer weiter, bis die kranken -Füsse ihn nicht mehr trugen.</p> - -<p>Jetzt hat er nur noch <em class="gesperrt">eine</em> Furcht -und <em class="gesperrt">eine</em> Sorge. Leben <em class="gesperrt">muss</em> er -im Armenhaus, aber sterben will er -nicht in den dumpfen, drückenden -Mauern. Es graut ihm davor, und -er zittert, wenn er nur daran denkt. -Er will sterben, wie das Wild stirbt, -einsam im Wald, wenn die Dämmerung -durch die Zweige tropft und -die Sonne im Verglühen ist. Auch -der Tod ist ein scheuer Gott und -milder in der Einsamkeit. Seine<span class="pagenum" id="Seite_55">[55]</span> -Hände sind dort weicher und seine -Lippen liebreicher. Eine Hirschkuh -darf dabei sein und eine singende -Drossel, aber nimmermehr ein Mensch.</p> - -<p>So hat er sich denn einen Plan -gemacht. Jetzt, wo es wieder Frühling -ist, will er einen Ort suchen -gehen, zu dem er sich flüchten kann, -wenn er sein Ende nahen fühlt. -Einen Ort des Alleinseins und eine -Stätte des Friedens.</p> - -<p>Die Sonntagsglocken läuten, und -Steffen zieht seine besten Kleider -an und bittet um Urlaub. Er erhält -ihn auch und geht, so schnell -ihn seine schwachen Füsse nur tragen -wollen, durch die Stadt. Er achtet -nicht der schmucken Giebelhäuser -und der spielenden Kinder an den -Wegen. Seine Augen glänzen, und<span class="pagenum" id="Seite_56">[56]</span> -seine Nasenflügel zittern vor Erregung. -In tiefen Zügen trinkt er die weiche, -köstliche Frühlingsluft.</p> - -<p>Bald ist er ganz im Freien. Wohin -er nur sieht, alles ist voll saftigen -Grüns. Die sanft aufsteigenden Berge -scheinen wie dunkler Sammet, und -der Fluss, der sie weich und silbern -umschmiegt, wie der Pelzbesatz am -Saum eines Herzoginkleides. Kein -Ast so klein, dass er nicht voller -Knospen wäre, und überall schon -heben sich junge Blütchen aus den -Wiesen und der jungen Roggensaat. -Er hört ein Rotkehlchen im Weissdorn -singen und sieht einen Citronenfalter -durch die Sonne tanzen, und sein -Herz schwillt vor Jubel. Denn es -ist das Herz eines Landstreichers -und hat keine andere Liebe als Natur<span class="pagenum" id="Seite_57">[57]</span> -und Freiheit, die es nicht zu trennen -vermag. Es ist das Herz eines Landstreichers -und voll Ehrfurcht vor -dem göttlichen Mysterium der ewigen -Schönheit und Erneuerung.</p> - -<p>Nun späht er umher. Oben auf -dem Bergeskamme sind die dichtesten -Wälder und dunkelsten Gründe. Dort -will er sein Grab wählen.</p> - -<p>Eine Stunde wohl wandert er -durch den Forst. Endlich hat er etwas -Passendes gefunden: eine tiefe Mulde, -eng umstanden von verwitterten -Kiefern. Die Gräser darin sind -niedergedrückt, aber sein geübter -Blick erkennt unschwer, dass es nur -Rehe waren, die hier genächtigt haben.</p> - -<p>Er kann darin liegen und sich -strecken nach Herzenslust. Er sieht -dem Himmel ins Gesicht und weiss,<span class="pagenum" id="Seite_58">[58]</span> -dass man ihn hier nicht finden wird. -Das freut ihn, und fröhlich kehrt er -zur Stadt zurück.</p> - -<p>Jetzt sieht er die spielenden Blondköpfe -und streichelt sie. Jetzt sieht -er auch die Häuser mit den altertümlichen -Giebeln, mit den blanken -Fenstern und den Rebenvorhängen. -Jetzt freut er sich auch der Stadt, -weil er gewiss ist, dass sie ihn nicht -halten wird in seiner letzten Stunde.</p> - -<p>Im Armenhause wieder angelangt, -holt er sich ein weiches Brettlein -und versucht ein Kreuz zu schnitzen. -Seine Hände sind schwach und vermögen -das Messer nicht gut zu -führen. Er wird wohl viele Tage -lang sitzen müssen, ehe es glatt -und glänzend ist. Aber er hat ja -Zeit und ist geduldig. Sein Antlitz<span class="pagenum" id="Seite_59">[59]</span> -wird immer welker, aber sein stilles -Lächeln auch immer lichter. Sein -Herz wird weit, wenn er daran denkt, -wie seine Finger das Kreuz umschliessen -werden, wenn er seinen -letzten Gang geht.</p> - -<p>Er sieht die Stunde schon kommen -in einem weissen, schimmernden -Glanz. In leuchtenden Wolken wird -der Vollmond stehn und unzählige -Sterne. Die Luft wird duftig sein -und wie halbverblühte Veilchen in -den Farben. Um die Stätte des -Friedens aber wird ein Falter fliegen, -ein grosser, mit sammetdunklen -Flügeln. Der wird sich auf seine -Wimpern setzen und ihm die Augen -schliessen, tausendmal weicher als -jede Menschenhand – – – –</p> - -<hr class="chap x-ebookmaker-drop"> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_61">[61]</span></p> -<h2 class="nobreak" id="Amtsrichter_Johnsons">Amtsrichter Johnsons -Höhepunkte.</h2> -</div> - -<figure class="figcenter illowp6" id="deco01_5"> - <img class="w100" src="images/deco01.jpg" alt="Dekoration"> -</figure> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_63">[63]</span></p> - -<p class="drop">Jeder Mensch hat in seinem Leben -einige Höhepunkte, die ihm bis -sein seliges oder unseliges Ende -unvergesslich bleiben.</p> - -<p>Auch Ernst Alexander Johnson -hatte die seinigen.</p> - -<p>Den ersten hatte er damals erreicht, -als er, der eben Amtsrichter -in dem kleinen polnischen Städtchen -geworden war, seine alte Studentenliebe -heimführte.</p> - -<p>Am ersten Abend, als sie beisammen -sassen, schmiegten sie sich -fest aneinander und blickten wortlos -in ihre neue Heimat.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_64">[64]</span></p> - -<p>Ernst Alexander, in dem ein gefesselter -Dichter lag, seufzte tief auf. -Auf den Goldgrund des gegenwärtigen -Glückes malten seine Träume Blüten -und Kränze einer späteren Zukunft, -und das Grün der Hoffnung war -überall.</p> - -<p>Die Augen wurden ihm feucht. -Er griff nach der Hand seiner Frau -und küsste sie, so dass sie seine -Thränen spürte.</p> - -<p>Auch ihre Blicke waren verschwommen. -Vielleicht hatte sie -seine Träume mitgeträumt. Sie fuhr -ihm mit den Fingern in das braune, -wellige Haar.</p> - -<p>»Wie kann man nur so weich -sein,« sagte sie. »Wie kann man -nur so weich sein, du Lieber?« …</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_65">[65]</span></p> - -<hr class="tb"> - -<p>Sie lebten sehr glücklich zusammen. -Nur einschränken mussten -sie sich, denn das Gehalt war nicht -gross. Das thaten sie aber gern. -Ernst Alexander trank einen Schoppen -weniger als früher, und gab nie mehr -als fünf Pfennig Trinkgeld. Allmählich -gewöhnte er es sich überhaupt -ab, in ein Restaurant zu gehen. -Wozu auch? Seine junge Frau -machte es ihm daheim so behaglich -wie möglich, und dass ihn der -Kronenwirt, Herr Ignatz Malczewski, -nur noch obenhin grüsste, liess sich -verschmerzen. Als sie dann gar -noch anfing, sich mit Schneiderei -zu beschäftigen und ganz winzig -kleine Häubchen und Jäckchen verfertigte, -da brachte er es natürlich -nicht mehr über das Herz, sie auch<span class="pagenum" id="Seite_66">[66]</span> -nur einen einzigen Abend allein zu -lassen.</p> - -<p>Es sollte aber früh genug anders -werden. Nicht, dass ein Streit ihre -Harmonie getrübt hätte! Aber eines -Tages trat einer in ihr Häuschen, -den sie beide noch in weiter Ferne -geglaubt hatten. Der präsentierte -die Rechnung für das stille, reiche -Glück, das sie ein volles Jahr hindurch -am Tisch des Lebens genossen -hatten, und die Rechnung war hoch. -Frau Marianne brachte ein totes Kind -zur Welt, und drei Tage später folgte sie -dem kleinen Wurm nach in die Grube.</p> - -<p>Ernst Alexander blieb allein.</p> - -<p>Fortan lebte er ganz einsam. -Eine weiche Natur von Geburt an, -schien der Verlust seines Weibes -ihn ganz gebrochen zu haben.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_67">[67]</span></p> - -<p>»Es geht nicht so weiter mit -Johnson,« sagte der »Aufsichtführende« -jeden Tag. »Er vergrämt -und vereinsamt immer mehr. Wir -müssen etwas thun, um ihn aus -dieser Lethargie zu reissen.«</p> - -<p>»Ja, es ist schade um ihn,« -meinten auch die anderen Herren. -»Aber was können wir thun?«</p> - -<p>»Was wir thun können? Er -muss wieder unter Menschen. Wir -wollen ihn bitten, einmal des Abends -mit uns zu kommen, zum Bier.«</p> - -<p>Sie besuchten ihn auch. Aber -er wehrte sich.</p> - -<p>»Nein, nein,« sagte er eigensinnig. -»Ich will zu Hause bleiben.«</p> - -<p>Dann, als sie nicht aufhörten, in -ihn zu dringen, wurde er weicher.</p> - -<p>»Was soll ich wohl unter euch?<span class="pagenum" id="Seite_68">[68]</span> -Ich kann nicht mehr so fröhlich sein -wie ihr und wäre ein trauriger Gast.«</p> - -<p>Es fehlte ihm aber doch die -Energie, um auf die Dauer zu widerstehen. -Er liess sich überreden.</p> - -<p>Im Gasthof zur Krone, wo sich -die Honoratioren allabendlich versammelten, -wurde immer tüchtig gekneipt. -Diesmal aber, wo Ernst -Alexander Johnson nach so langer -Abwesenheit wieder in den verräucherten -Räumen erschien, ging -es besonders ausgiebig zu.</p> - -<p>Von allen Seiten stiess man mit -ihm an. Widerwillig, mit melancholischem -Lächeln, kam er nach, in -der Vornahme, bei der ersten schicklichen -Gelegenheit die Gesellschaft -zu verlassen.</p> - -<p>So oft er sich aber sagte, dass<span class="pagenum" id="Seite_69">[69]</span> -es jetzt an der Zeit wäre, vermochte -er doch nie, seinem Unbehagen ein -Ende zu machen. Ratlos den fetten -Oberkörper hin und her wiegend -und ohne Freude, blieb er Stunde -um Stunde an der Tafel. Des -Trinkens ungewohnt, wurde er früh -berauscht.</p> - -<p>Es war kein angenehmer Rausch.</p> - -<p>Seine Kollegen mussten ihn nach -Hause führen.</p> - -<p>Mit schwerem Kopf und Bitterkeit -in Herz und Kehle wachte er -am nächsten Morgen auf. Ein schwerer -Druck auf seiner Stirn liess den ganzen -Tag nicht nach. Er vermochte nicht -zu widerstehen, als Assessor Lindenborn, -mit dem er gemeinschaftlich -das Gericht verliess und der nicht -weniger verkatert war, einige Auffrischungsschnäpse<span class="pagenum" id="Seite_70">[70]</span> -vorschlug. Sie -setzten sich wieder in das kühle, -halbdunkle Kneipzimmer und standen -nicht eher auf, als bis es gegen Mitternacht -ging.</p> - -<p>Einmal aus der gewohnten Bahn -geschleudert, fand er nun gar keinen -Halt mehr. Der Kronenwirt grüsste -ihn jetzt sehr höflich, aber seine Kollegen -schüttelten aufs neue die Köpfe.</p> - -<p>»Es geht nicht so weiter mit -Johnson,« meinten sie alle. »Wir -müssen ihn zur Vernunft bringen. -Er vertrinkt alles, und es ist schon -jetzt nichts Seltenes, dass er am hellen -Tage berauscht ist.«</p> - -<p>Eines Abends, als sie in vorgerückter -Stunde in ihrer Stammkneipe -zusammensassen, machten sie ihm -Vorhaltungen.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_71">[71]</span></p> - -<p>Er war schon betrunken, und -unter ihren wohlmeinenden Worten -packte ihn das graue Elend.</p> - -<p>»Ich weiss, dass ich ein Lump -bin,« sagte er schluchzend. »Ein -Lump, jawohl, ein Lump. Aber -warum habt ihr mich nicht sitzen -lassen in meinem Jammer? Warum -habt ihr mich gezwungen, mit euch -zu trinken?«</p> - -<p>»Aber, lieber Kollege! Es ist -doch ein Unterschied zwischen Trinken -und Trinken. Wir haben es -doch gewiss nur gut gemeint.«</p> - -<p>Amtsrichter Johnson lächelte bitter.</p> - -<p>»Gut gemeint, jawohl. Alle haben -es gut gemeint. Alle, nur der Herrgott -nicht. Nur der Herrgott alleine -nicht!« – – – –</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_72">[72]</span></p> - -<hr class="tb"> - -<p>Acht Tage später hatte er eine -Sitzung des Schöffengerichts zu leiten.</p> - -<p>Alle waren schon versammelt. -Nur der Amtsrichter fehlte.</p> - -<p>Da sandte man den Gerichtsdiener -nach ihm aus.</p> - -<p>Der alte Klemming traf ihn, wie -er gerade, hin und her schwankend, -sich vergebens Mühe gab, die Thür -seines Hauses aufzuschliessen. Es -war ersichtlich, dass er eben erst, -gegen elf Uhr vormittags, die Schenke -verlassen hatte.</p> - -<p>»Nun, Klemming, was ist denn?« -lallte er.</p> - -<p>»Herr Amtsrichter möchten auf -das Gericht kommen. Die Herren -Schöffen warten schon alle.«</p> - -<p>»Die Herren Schöffen? Wer denn, -Klemming?«</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_73">[73]</span></p> - -<p>»Herr Kaufmann Tietz, Herr Tischlermeister -Maczkowski, Herr Rentier -Priemchen« …</p> - -<p>»Was Priemchen ist auch da? -Hat der Kerl denn schon ausgeschlafen? -Na, ich komm schon!«</p> - -<p>Ohne sich umgekleidet zu haben, -Wäsche und Kleidung beschmutzt -und zerknittert, ging er dem kopfschüttelnden -Diener voran.</p> - -<p>Unterwegs pfiff er ein Kneiplied -vor sich hin. Es schien ihm gar -nicht klar zu sein, wohin er gehen -musste. Der alte Klemming wies -ihn zurecht, sonst wäre er am Gericht -vorüber geschritten.</p> - -<p>Man warf ihm die Amtsrobe über. -Dann trat er in den Saal.</p> - -<p>Mit würdevollen Gesichtern sassen -die Schöffen auf ihren Stühlen. Der<span class="pagenum" id="Seite_74">[74]</span> -Angeklagte, ein blasser, junger -Bursche, erhob sich, als der Talar -sichtbar wurde. Aller Augen wandten -sich auf den Richter.</p> - -<p>Mit schweren, unsicheren Schritten -näherte er sich seinem Tisch.</p> - -<p>Da bemerkte er den Rentier -Priemchen, mit dem er oft zusammen -getrunken hatte. Ein breites Lachen -zog sich über sein gedunsenes Gesicht, -das vor Betrunkenheit glühte.</p> - -<p>»Na, alter Schwede,« rief er ihm -mit heiserer Stimme zu, »auch hier?«</p> - -<p>Erschrocken fuhren alle auf.</p> - -<p>»Setzen Sie sich doch, um Gottes -willen,« flüsterte Priemchen.</p> - -<p>»Gleich, Priemchen, gleich! Erst -den Cantus.«</p> - -<p>Und der königliche Amtsrichter -Ernst Alexander Johnson stellte sich<span class="pagenum" id="Seite_75">[75]</span> -in seiner vollen Amtstracht an den -Rand des Podiums und erklärte -feierlich:</p> - -<p>»Zur Eröffnung einer urfidelen -Schöffensitzung beginnen wir mit dem -schönen Liede:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">Wer kommt dort von der Höh’?</div> - <div class="verse indent0">Wer kommt dort von der Höh’?</div> - <div class="verse indent0">Wer kommt dort von der ledernen Höh’,</div> - <div class="verse indent0">Ça, ça ledernen Höh’,</div> - <div class="verse indent0">Wer kommt dort von der Höh’?« …</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Während er den ersten Vers mit -dröhnender Stimme absang, verbreitete -sich eine Todesstille um ihn.</p> - -<p>Niemand vermochte zu lächeln. -Bleich und fassungslos blieb jeder auf -seinem Stuhl, und jeden durchzuckte -die Ahnung, dass hier ein Menschenschicksal -seinem Ende zuneigte.</p> - -<p>Er begann noch den zweiten<span class="pagenum" id="Seite_76">[76]</span> -Vers. Mit den weiten Ärmeln seiner -Robe stiess er beim Taktschlagen an -das schwarze Kreuz, das den kleinen, -silbernen Leib Christi trug. Es stürzte -vom Tisch und schlug mit dumpfem -Hall auf die Dielen.</p> - -<p>Da unterbrach er sich.</p> - -<p>Mit blöden, blutunterlaufenen -Augen blickte er hinunter und dann -auf die Beisitzer.</p> - -<p>»So, so, ach – so –« stammelte -er dann.</p> - -<p>Ein Zucken ging durch seinen -Körper. Schwer liess er sich in den -Sessel fallen.</p> - -<p>Aber die Besinnung war ihm zu -spät gekommen. Die Sitzung wurde -vertagt, und wenige Tage darauf -war Ernst Alexander Johnson aus -dem Richterstande entfernt. – –</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_77">[77]</span></p> - -<p>Wochen, Monate und Jahre vergingen. -Der Amtsrichter a. D. war ein -stadtbekannter Trunkenbold geworden.</p> - -<p>Als ihm niemand mehr Kredit -gab, fing er an, seine ganze Habe -zu verkaufen. Ein Stück nach dem -andern wanderte zum Trödler.</p> - -<p>Eines Abends sass er in seiner -leeren, unfreundlichen Wohnung, aus -der selbst die Wandbilder schon lange -zu Geld gemacht worden waren, -und zerbrach sich den Kopf, was -er noch verkaufen könnte. Aber -nichts fiel ihm ein. Ein Tisch und -einige Stühle bildeten ausser einem -kleinen Wäscheschrank sein gesamtes -Mobiliar. Verkäufliches war aber -nur noch in der letzten Schublade -des Schrankes, und vor der hatte -er eine heilige Scheu.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_78">[78]</span></p> - -<p>Endlich entschloss er sich doch, -das Fach zu öffnen, und zitternd -und scheu, wie ein Dieb, sah er -hinein. Da lag alles noch so wie -vor Jahren: die Häubchen und die -Jäckchen, die Windeln und das spitzenbesetzte -Taufkleidchen. Es war in -zwei grössere Abteilungen gesondert, -die mit blauseidenen Bändern umwickelt -waren. Daneben lagen noch -einige Untersachen seiner Frau.</p> - -<p>Das Herz schlug ihm bis zum -Halse hinauf, als er diese letzten -äusserlichen Erinnerungen an so viel -Glück und Hoffnung vor sich sah.</p> - -<p>Er kämpfte innerlich. Dann aber -griff er doch, während die Schamröte -ihm bis in die Stirn stieg, die -Pakete heraus.</p> - -<p>In der Nähe seiner Wohnung<span class="pagenum" id="Seite_79">[79]</span> -befand sich eine kleine Branntweinschenke, -in der wandernde Burschen, -verkommene Handwerker und der -Amtsrichter a. D. verkehrten. Der -Wirt war ein gefälliger Mann und -nahm ebenso gern Kleidungsstücke -und andere Sachen in Zahlung, als -bares Geld. Zu dem begab er sich.</p> - -<p>Er bestellte einen Schnaps und -ein Käsebrot. Der Besitzer des Lokals, -ein dicker, aufgedunsener Riese, der -auf einem Auge blind war, musterte -ihn misstrauisch. Er brachte das -Verlangte erst, als er das Bündel -sah, das Ernst Alexander neben sich -gelegt hatte.</p> - -<p>An den Nachbartischen, die klebrig -waren und wie das ganze Lokal -nach vergossenen Getränken rochen, -sassen mehrere junge Leute. Als<span class="pagenum" id="Seite_80">[80]</span> -es ans Zahlen kam, musste er das -Paket öffnen. Wie die Jäckchen -und Windeln zum Vorschein kamen, -erscholl ein rohes Gelächter.</p> - -<p>»Von wo haben Sie das denn?« -fragte der Wirt verdutzt.</p> - -<p>»Von meinem Kinde.«</p> - -<p>»Haben Sie denn ein Kind?«</p> - -<p>Ernst Alexander biss die Zähne -zusammen.</p> - -<p>»Es ist tot,« sagte er finster. -»Sonst säss’ ich nicht hier.«</p> - -<p>Der Wirt schien sich zu erinnern.</p> - -<p>»Ach so, Ihre Frau starb ja auch -damals.«</p> - -<p>»Ja, sie starb auch.«</p> - -<p>»Und das wollen Sie jetzt verkaufen?«</p> - -<p>Der Amtsrichter a. D. hörte die -Verachtung in diesen Worten und<span class="pagenum" id="Seite_81">[81]</span> -wagte nichts zu erwidern. Mit gesenktem -Kopf verliess er das Zimmer -und trat hinaus. Zwölf Silbergroschen -hatte er in der Hand.</p> - -<p>Nach einer unruhigen Nacht -wachte er am nächsten Morgen früh -auf. Noch unangekleidet sass er -mit wirrem Hirn auf dem Bettrand, -und allmählich trat ihm wieder ein -Bild vor die Seele, das ihn im -Schlafe gequält und gepeinigt hatte.</p> - -<p>Es war im Traume seine tote -Frau zu ihm gekommen. Sie trug -ein weisses, faltiges Gewand, und -an ihrer Rechten führte sie ihr Kind. -Das Kind war nackend und weinte -bitterlich.</p> - -<p>»Du hast ihm seine Hemdchen -verkauft. Nun friert es,« sagte die -Mutter.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_82">[82]</span></p> - -<p>Ernst Alexander bekam das nicht -mehr aus dem Gedächtnis. Den -ganzen Tag trug er daran, und der -Nebel, der jahrelang vor seinen -Augen gelegen hatte, verschwand -mehr und mehr. Er sah alles, wie -es wirklich war, nackt und nüchtern. -Er sah, dass der letzte Teil seines -Lebens nichts als Schmutz und -Schande gewesen war, und Verzweiflung -überfiel ihn. Er sprach -mit sich und mit den Toten, die -ein Traum ihm heraufbeschworen -hatte, und alles in ihm ward voll -von Bitterkeit und Selbstverachtung.</p> - -<p>»Es ist keine Liebe mehr für -mich, nicht im Himmel und nicht -auf der Erde,« sagte er laut.</p> - -<p>Seine Worte dröhnten in dem -leeren Gemach.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_83">[83]</span></p> - -<p>Er schrak zusammen.</p> - -<p>Dann schlug er mit der Faust -auf den Tisch und spie aus. – –</p> - -<hr class="tb"> - -<p>Die Abendsonne funkelte und -sprühte auf dem Schieferdach des -alten Klosterturmes. Sie brach sich -auch in den Scheiben des stillen, -kleinen Hauses und drang bis in -das Zimmer.</p> - -<p>Dort blieb sie lange und leuchtend.</p> - -<p>Inmitten der gemalten Decke, an -der kleine Amoretten mit roten Rosen -spielten, steckte ein eiserner Haken, -der früher eine Hängelampe gehalten -hatte.</p> - -<p>Die Lampe war schon lange fort -und brannte schon lange nicht mehr.</p> - -<p>Jetzt hing ein hänfener Strick<span class="pagenum" id="Seite_84">[84]</span> -daran, und an dem Strick hing ein -fetter, gedunsener Leichnam.</p> - -<p>Das war der zweite Höhepunkt -im Leben Ernst Alexander Johnsons. -Sein zweiter und letzter im Leben -und im Sterben: zwei Fuss über den -Dielen. –</p> -<hr class="chap x-ebookmaker-drop"> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_85">[85]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="In_der_Anstalt">In der Anstalt.</h2> -</div> - -<p class="center larger">Ein Bild aus dem Leben.</p> - -<figure class="figcenter illowp6" id="deco01_6"> - <img class="w100" src="images/deco01.jpg" alt="Dekoration"> -</figure> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_87">[87]</span></p> - -<p class="drop">Nicht weit von einer westdeutschen -Industriestadt liegt eine grössere -Zahl schmucklos, aber gefällig gebauter -Häuser. Durch grössere Entfernungen -voneinander getrennt, verstreuen -sie sich über ein weites, hügeliges -Gelände, das hier und da mit -Wald bestanden ist. Grösstenteils werden -sie von Kranken bewohnt, denen -die kräftige Luft und der tiefe Frieden -wohlthut.</p> - -<p>In einem der Häuser jedoch -werden keine körperlich Leidenden -aufgenommen. Dies ist das -Haus, das am weitesten der Stadt<span class="pagenum" id="Seite_88">[88]</span> -zugeschoben und durch ein eisernes -Gitterwerk von der Landstrasse getrennt -ist. Es ist die Domäne derer, -die Schiffbruch im Leben gelitten -haben, das Asyl der Gestrandeten.</p> - -<p>Es beherbergt nur Leute aus -besseren Lebensschichten. In der -Überzahl sind die Offiziere a. D. -Etliche Geistliche sind auch darunter, -mitunter auch ein Schriftsteller oder -ein Redakteur.</p> - -<p>Mannigfaltig ist ihre Schuld und -ihr Schicksal; mannigfaltig sind die -Wege, die sie hierhergeführt; allen -gemeinsam aber ist der dumpfe Gram, -der ihre Tage verbittert und der sie -allmählich stumpf macht gegen das -Aussenleben, der allmählich auch -ihre Sehnsucht, wieder hinauszufliegen, -erdrückt, und erst mit<span class="pagenum" id="Seite_89">[89]</span> -dieser Sehnsucht matter und matter -wird.</p> - -<p>Die meisten der Herren sind -schon längere Zeit da. Man unterscheidet -sie leicht von den übrigen -Bewohnern der Anstalt. Sie tragen -einen Zug schmerzlicher Resignation -im Gesicht, und ihre Augen blicken -auf ein vergangenes Leben.</p> - -<p>Hier und da gemahnen noch -Gang und Gebärde an die frühere -gesellschaftliche Stellung. Sonst -kommt sie selten zum Vorschein. -Besonders nicht in der Kleidung. -Wenn beim Essen ein Tropfen Suppe -oder Bratensaft auf den Rock fällt – -nun, so schadet das nichts. Gereinigt -wird er deswegen doch nicht. -Für wen auch? Untereinander hat -man sich gegenseitig nichts vorzuwerfen<span class="pagenum" id="Seite_90">[90]</span> -und ausser der alten Dame, -welche die Wirtschaft führt, und ihren -beiden Dienstmädchen ist kein weibliches -Wesen für sie vorhanden. In -die Stadt zu gehen ist ihnen auch -nicht erlaubt, weil es zum Teil der -Alkohol war, der sie hierhergebracht.</p> - -<p>Da ist der Hauptmann und -Oberamtmann a. D. von Wegeler, -der ein tüchtiger, pflichttreuer Beamter -war, bis ihm sein junges Weib im -ersten Kindbett starb. Von da ab -hatte er keinen Sinn mehr für seine -Akten gehabt und vom frühen Morgen -an bei der Flasche gesessen. Man -schonte ihn so lange als möglich; -eines Tages aber war er schwer betrunken -an das offene Grab eines -alten Soldaten getreten, um ihm nach<span class="pagenum" id="Seite_91">[91]</span> -dem Geistlichen als Vorsitzender des -Kriegervereins ebenfalls einige Worte -nachzurufen. Hin und her taumelnd -hatte er einige unzusammenhängende -Sätze hervorgestossen, bis er endlich -gänzlich das Gleichgewicht verloren -hatte und auf den blumengeschmückten -Sarg gefallen war. Es hatte -einen dumpfen Schall gegeben, der -oben einen entrüsteten Widerhall -fand und laut genug war, um bis -zum Minister zu dringen. Er hat -nachdem nicht mehr amtiert und -trug sein Weh in die stillen Räume -der Anstalt. Vom Trunk liess er -bald; auch die Wunden, die ihm der -Tod seiner Frau geschlagen, vernarbten -in der alles heilenden Zeit. -Dafür überkam ihn aber die Energielosigkeit -eines Lebens, dem jeder<span class="pagenum" id="Seite_92">[92]</span> -Sporn fehlt, die Resignation eines -Lebens, das sich selber verloren giebt.</p> - -<p>Sein Zimmergenosse, ein kleiner, -pommerscher Pastor, der wie eine -Karikatur aus dem vorigen Jahrhundert -aussieht und eine verbitterte, -boshafte Zunge hat, bedurfte keines -so jähen Anstosses, um ein Trinker -zu werden. Fünfundzwanzig Jahre -in einem elenden Dorfe, ganz einsam, -ohne Verkehr, ohne Bücher -und geistige Anregung hatten ihn -ganz allmählich dazu gemacht. Die -Bauern hatten oft Gelegenheit gehabt, -einen Betrunkenen auf der Kanzel -zu sehen, bis sich das hohe -Konsistorium hineinmischte, und er -abgesetzt wurde.</p> - -<p>Dann wohnt ein junger, bildhübscher -Mann dort, der kurz nach<span class="pagenum" id="Seite_93">[93]</span> -seiner Beförderung zum Oberleutnant -in später Nacht einst angerauscht -und durch einen Wortwechsel erregt -aus dem Kreise seiner Kameraden -geschieden und auf dem Heimwege -mit der brennenden Cigarre einem -Pulverschuppen zu nahe gekommen -war. Der Posten hatte ihn auf die -bestehenden Vorschriften aufmerksam -gemacht, vielleicht in einem ungebührlichen -Ton. Genug, der arme, -betrunkene Leutnant hatte ihn mit -der flachen Klinge über das Gesicht -geschlagen. Verwundet hatte er ihn -nicht, aber die Militärgesetze lassen -nicht mit sich spassen. Er bekam -den schlichten Abschied, und da er -zu keinem anderen Berufe vorgebildet -war, landete auch er hier.</p> - -<p>Ach, es sind seltsame Schicksale,<span class="pagenum" id="Seite_94">[94]</span> -die sich hier zusammenfinden! …</p> - -<p>In dumpfem Gram, in stumpfer -Resignation schleppen sie ihre Tage -dahin. Die Erinnerung, in der sie -überhaupt nur leben, das Fehlen des -weiblichen Elementes, das schon -manchen zu neuem Aufstieg trieb, -das Fehlen jeglicher Berührung mit -den brausenden Stürmen und Strömen -der Freiheit, das lässt sie ganz verkümmern.</p> - -<p>Einmal schlug aber doch eine -Welle der Aussenwelt auch in ihren -Frieden.</p> - -<p>Eines Tages blieb Herr von -Wegeler, der als erster der Herren -gegen Mittag das Speisezimmer betrat, -überrascht in dem Thürrahmen -stehen. Auf seinem dicken, aber<span class="pagenum" id="Seite_95">[95]</span> -bleichen Gesicht spiegelte sich ein -fassungsloses Erstaunen, das sich -mehr oder minder auch in den Zügen -der nachfolgenden ausdrückte.</p> - -<p>Neben der Wirtschafterin, einer -Pastorenwitwe, stand eine junge, -hohe Mädchengestalt. Das Haar lag -ihr in schweren, goldenen Flechten -auf dem Haupte, und ihre Augen -waren schön und klug. Sie hatte -das Aussehen einer vornehmen Dame, -wenn sie auch nur eine Erzieherin -war, die ihre Tante besuchte.</p> - -<p>Nach der Gesamtvorstellung, die -von seiten des Hausvaters, eines -weissbärtigen Greises, erfolgte, schien -sich die allgemeine Erregung etwas -zu legen. Man ass seine Suppe -wie gewöhnlich, nur dass hier und -da verstohlene Blicke zu dem Fremdling<span class="pagenum" id="Seite_96">[96]</span> -hinüberstreiften. Bald kam aber -die zweite Sensation. Das Fräulein, -das einige Zeit verwundert auf die -schweigenden Gesichter gesehen hatte, -begann ein Gespräch. Seit Menschengedenken -plauderte man nicht am -Anstaltstisch. Es war immer, als ob -der allgemeine Gram jedes Wort in -den Kehlen zurückgehalten hatte. -Sie aber stellte harmlos dem ihr -gegenüber sitzenden Hausvater allerhand -Fragen, sprach dann über das -Wetter, Krankheiten und den englischen -Nationalcharakter und zog -allmählich auch Herrn von Wegeler -in die Unterhaltung.</p> - -<p>Dabei bemerkte er plötzlich, dass -sie mit einem Blick grenzenlosen -Erstaunens seinen Rock betrachtete, -und zum erstenmal seit langer Zeit<span class="pagenum" id="Seite_97">[97]</span> -dachte er daran, dass der ja ganz -entsetzlich schmutzig sein musste. -Eine brennende Röte flog über sein -Gesicht. Dann aber trat der ehemalige -Offizier in ihm hervor. Mit -Gewalt seine Verlegenheit niederzwingend, -setzte er sich durch lebhaftes -Geplauder über das Peinliche -dieses Augenblicks hinweg, und schon -nach wenigen Minuten waren in ihm -wie in den übrigen am Tische Sitzenden -wenigstens die Formen der besseren -Vergangenheit wieder lebendig -geworden.</p> - -<p>Kaum dass sie die Tafel verlassen -hatten, wurde von allen Seiten nach -dem Hausdiener gerufen, und eine -halbe Stunde später trabte dieser, -keuchend unter der Last von vierzehn -Oberröcken der Reinigungsanstalt zu.<span class="pagenum" id="Seite_98">[98]</span> -Herr von Wegeler zog sich seinen Sonntagsstaat -an, und selbst der Ministersohn, -der so lange Jura studiert hatte, -bis ihm die Haare ausgegangen waren, -suchte sich eine frische, lachsfarbene -Krawatte hervor, obwohl er dabei -murmelte, dass es doch eigentlich -nur eine Erzieherin sei.</p> - -<p>Beim Nachmittagskaffee boten sie -einen anderen Anblick. Selbst der -kleine Pastor, der immer in den Kleiderschrank -stieg, um dort einen heimlichen -Kognak zu sich zu nehmen, hatte -sich rasiert und seine Hände gründlicher -als sonst gewaschen. Die, der zu -Ehren das alles geschehen war, liess -sich zunächst aber nicht blicken. Als -sie endlich doch erschien, war sie im -Ausgehkostüm und trug den Sonnenschirm -in der behandschuhten Hand.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_99">[99]</span></p> - -<p>»Meine Herren,« rief sie fröhlich, -»wer von Ihnen will so freundlich -sein, mich auf die Ziegelburg zu begleiten? -Tante hat natürlich keine Zeit -dafür!«</p> - -<p>Eine Sekunde blieb alles still. -Jeder dachte daran, dass es ihnen -streng untersagt war, das Anstaltsgebiet -zu verlassen. Dann aber -schoben sich dreizehn Stühle zurück, -und bis auf den Pastor erklärten sie -alle, dass es ihnen ein besonderes -Vergnügen sein würde.</p> - -<p>Ein Lächeln in den schönen Augen, -sah sie von einem zum andern.</p> - -<p>»Die Herren sind zu liebenswürdig,« -meinte sie dann. »So viel -Kavaliere auf einmal würde aber doch -beängstigend sein. Herr von Wegeler -und Sie, Herr Leutnant, wenn ich<span class="pagenum" id="Seite_100">[100]</span> -bitten darf. Auf Wiedersehen, meine -Herren!«</p> - -<p>Und nach einem graziösen Kopfnicken -ging sie den beiden Auserwählten -voran.</p> - -<p>Nachdem sie den hohen Burgberg -bestiegen und die entzückende -Aussicht genossen hatten, die bei -einem mässig guten Glase bis zur -Porta Westphalica reicht, schlug sie -vor, noch einmal in die Stadt zu -fahren, wo sie einen kleinen Einkauf -zu besorgen hatte. Herr von Wegeler -und der melancholische Leutnant -folgten ihr auch dahin. Zum zweitenmal -übertraten sie damit die jahrelang -eingehaltenen Anstaltsvorschriften. -Aber was sollten sie thun? Der -blosse Gedanke, ihr gestehen zu -müssen, dass sie wie Schulkinder nur<span class="pagenum" id="Seite_101">[101]</span> -eine sehr begrenzte Bewegungsfreiheit -genossen, trieb ihnen schon die Scham -in das Gesicht, und beiden schoss es -wie ein Blitz durch das Gehirn, dass -es doch eigentlich schmachvoll wäre, -in solcher Abhängigkeit zu stehen – -sie, zwei kräftige, gesunde Menschen!</p> - -<p>Als sie heimkehrend die auf das -Anstaltsgebiet führende Thür öffneten, -sahen beide noch einmal zurück und -in ihre Augen trat ein seltsamer Ausdruck. -Dort lag die Stadt. Ihre -Lichter funkelten zu ihnen herüber, -und wie ein dumpfes Brausen schlug -der Lärm der geschäftigen Freiheit -an ihr Ohr. Das Haus vor ihnen -aber lag tot und still.</p> - -<p>Herr von Wegeler konnte in der -darauffolgenden Nacht nicht schlafen. -Die Idee, wieder hinauszutreten, liess<span class="pagenum" id="Seite_102">[102]</span> -ihm keine Ruhe. Und am nächsten -Tage nahm er einen grossen Bogen -Papier zur Hand, auf dem er eine -Eingabe an das Ministerium zu entwerfen -begann. Er kam damit jedoch -nicht zu Ende. Immer wieder -hatte er zu streichen und zu verbessern, -und so verschob er die Absendung -denn von einem Tage zum -andern und besserte tagtäglich daran -herum.</p> - -<p>Es war allmählich ein ganz anderes -Leben in die Anstalt gekommen. Die -Herren hielten wieder auf ihre Kleidung, -bei Tische wurde geplaudert, -die Tagesereignisse besprochen, hier -und da auch ein Scherz gemacht. -Selbst untereinander grüssten sie sich -verbindlicher, und wenn einer das -Rasieren vergessen hatte, trafen ihn<span class="pagenum" id="Seite_103">[103]</span> -missbilligende Blicke. Der melancholische -Leutnant bürstete sogar seinen -Schnurrbart hoch und legte regelmässig -eine Bartbinde an, wodurch -er gleich viel weniger melancholisch -aussah.</p> - -<p>An allen Ecken und Enden merkte -man es, dass ein frischer Wind durch -die modrige Luft der Resignation gefahren -war.</p> - -<p>Die Gouvernante hatte aber nur -einen kurzen Urlaub. Schon am -nächsten Sonntag musste sie fort, -über den Kanal zurück in die erwerbende -Fron der Kindererziehung.</p> - -<p>Als sie sich von den Herren verabschiedete, -wurde es von keinem -besonders schmerzlich empfunden. -Verliebt war ja niemand in sie, und -niemand hatte daran gezweifelt, dass<span class="pagenum" id="Seite_104">[104]</span> -sie über kurz oder lang wieder verschwinden -würde.</p> - -<p>Bei der nächsten Mittagstafel hatten -aber dennoch alle ein eigentümliches -Gefühl. Die alte Pastorenwitwe sass -grämlich auf ihrem Stuhl, der Hausvater -hatte den weissen Kopf beinahe -ganz in die Schultern hineingezogen, -und die Herren sahen trübe in ihre -Suppe, die auch weniger Fettaugen -zu haben schien wie früher. Einmal -versuchte der Ministersohn mit -der roten Krawatte, ein Gespräch einzuleiten. -Er erhielt aber nur einsilbige -Antworten.</p> - -<p>Am nächsten Tage war der Stumpfsinn -wieder in alle seine Rechte eingesetzt. -Die Röcke wurden wieder -fleckig, Herr von Wegeler überliess -seine Eingabe den Mäusen, der Leutnant<span class="pagenum" id="Seite_105">[105]</span> -bürstete sich den Bart nicht -mehr, der kleine Pastor fing wieder -an, das Rasieren und Händewaschen -für Zeitverschwendung zu halten, und -wenn des Abends die Lichter der -Stadt herüberfunkelten, sah sie niemand -mehr an.</p> - -<p>Für wen auch?</p> - -<p>Es war eine Welle der Aussenwelt -auch in ihren »Frieden« gedrungen, -aber sie ebbte viel zu früh -zurück. Ihre Seelen sinken wieder -in den alten Schlaf. Wie das graue -Haus in der Dämmerung liegen sie -da, tot, still, träge, während doch -ganz in ihrer Nähe das Leben sich -in gigantischer Arbeit regt und mit -roten, funkelnden, bösen Augen zu -ihnen herübersieht.</p> - -<hr class="chap x-ebookmaker-drop"> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum" id="Seite_107">[107]</span></p> -<h2 class="nobreak" id="Im_Pfarrhaus">Im Pfarrhaus.</h2> -</div> - -<p class="center larger">Eine stille Geschichte.</p> - -<figure class="figcenter illowp6" id="deco01_7"> - <img class="w100" src="images/deco01.jpg" alt="Dekoration"> -</figure> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_109">[109]</span></p> - -<p class="drop">»Auch dieses hat seine Geschichte. -Auch dieses.«</p> - -<p>Der alte Pastor sagte es mit -einem halb wehmütigen, halb frohseligen -Lächeln, und über seine hellen, -kinderguten Augen legte es sich wie -der feine, blaue Schleier einer lieben -Erinnerung.</p> - -<p>Dann, sich die erloschene Cigarette -wieder über der Lampe anzündend, -fuhr er fort: »Es haben mich schon -viele gefragt, warum ich statt der -Pfeife, die ja mit meinem Stande unzertrennlich -verbunden scheint, an -Sonntagen immer nur Cigaretten -rauche, trotzdem es mir nicht gesund<span class="pagenum" id="Seite_110">[110]</span> -ist, und noch dazu aus so unbeholfenen -Rohrspitzen. Ich will es -Ihnen erzählen, wenn Sie vielleicht -auch über die Thorheit eines altmodischen -Mannes lächeln werden. -Haben doch so viele irgend eine -Gewohnheit, die anderen thöricht -erscheint, die sie aber hegen und -pflegen, weil sie ihnen hilft, ein -liebes Gedenken wachzuhalten … -Schrauben Sie, bitte, die Lampe etwas -niedriger, lieber Freund!«</p> - -<p>Der Kaplan, der dem alten Herrn -gegenüber sass, gehorchte. Ein halbes, -gedämpftes Licht lag nun über den -hier und da wurmstichigen, zwei oder -drei Generationen alten Möbeln und -den vergilbten Büchern und Schriften, -die in grosser Anzahl, aber in bemerkbarer -Unordnung darauf lagen.<span class="pagenum" id="Seite_111">[111]</span> -Die grossen Holzscheite in dem -eisernen Ofen knisterten mitunter, und -die Flamme und das erhitzte Petroleum -surrten vernehmlich.</p> - -<p>»Es sind jetzt gegen dreissig -Jahre her, dass mich mein seliger -Vorgänger in dieser Pfarre als Kaplan -zu sich berief. Ich war damals wohl -so alt wie Sie, fünfundzwanzig. Von -vielen Seiten wurde ich noch gedrängt, -erst, wie die meisten meiner -Kommilitonen, nach Deutschland zu -gehen, nach Leipzig oder nach Rostock, -wo wir Ungarn grössere Stipendien -geniessen, um dort meine theologischen -Studien zu vervollständigen. -Aber mir war das Studentenleben -sauer geworden. Arm wie ich war, -hatte ich mir durch Stundengeben -fast jeden Bissen Brot selber verdienen<span class="pagenum" id="Seite_112">[112]</span> -müssen. Ich nahm also an, -und so kam ich in diese Gemeinde. -Das damalige Pfarrhaus war noch -nicht so vornehm wie dieses. Es -stand auf demselben Platze, aber das -Dach war mit Stroh gedeckt, die -Wände waren viel niedriger und die -Öfen rauchten. Mitunter froren wir -im Winter, aber es hat mir doch leid -gethan, als es abgerissen wurde. In -dem alten bin ich jung und glücklich -gewesen, in das neue bin ich schon -mit grauen Haaren eingezogen, vereinsamt -bis auf meine Tochter. Meine -selige Frau hat es nicht mehr erlebt … -Mit dem geistlichen Herrn -kam ich in ein so freundschaftliches -Verhältnis, dass ich mich ihm gegenüber -bald mehr als Sohn des Hauses, -denn als sein Kaplan fühlte. Weniger<span class="pagenum" id="Seite_113">[113]</span> -gut gelang mir dies bei seiner Tochter. -Er war Witwer und sie, die ebenso -alt wie unsere Böske sein mochte, -also neunzehn Jahr, führte ihm die -Wirtschaft. Schüchtern und ohne Erfahrung -im Verkehr mit Damen, ging -ich ihr beinahe aus dem Wege, so -dass wir uns eigentlich nur bei den -gemeinsamen Mahlzeiten sahen.</p> - -<p>Wenn ich nach beendetem Nachtmahl -mit meinem seligen Vorgänger, -wie es gewöhnlich war, noch ein -Stündchen am Tische sitzen blieb, -um über Weltläufte oder Gemeindeangelegenheiten -zu plaudern, sass sie -immer ganz still am anderen Ende -der Tafel, mit einer Häkelei beschäftigt -oder in alten Jahrgängen einer illustrierten -Zeitschrift blätternd. Mitunter -glaubte ich dann zu bemerken, dass<span class="pagenum" id="Seite_114">[114]</span> -sie hier und da das feine Köpfchen -hob und mich verstohlen von der -Seite ansah. Es hätte aber auch eine -Täuschung sein können, und so gab -ich denn einige Zeit hindurch acht, -bis es mir gelang, ihre Augen mehrmals -auf frischer That zu ertappen. -Wenngleich ich mir nichts dabei dachte, -beunruhigte mich das doch, und ich -musste mir Mühe geben, mit meinen -Gedanken bei dem Thema des Gesprächs -zu bleiben, das der geistliche -Herr mit mir führte.</p> - -<p>Ich mochte schon gegen sechs -Monate ihr Hausgenosse gewesen sein, -als unser Schullehrer nach einer benachbarten -Stadt gewählt wurde. -Mitten im Sommer ging er uns davon, -und nun begann für uns die schwere -Aufgabe, einen neuen zu suchen.<span class="pagenum" id="Seite_115">[115]</span> -Beinahe jeden Sonntag kam einer, -einmal sogar zwei zugleich, die aber -alle den Beifall der Gemeinde nicht -fanden. Da sagte eines Abends der -alte Herr lachend zu mir: ›Wissen -Sie, am liebsten hätte ich einen jungen -und unverheirateten. Das gäbe dann -vielleicht noch einen Mann für die -Böske!‹</p> - -<p>Sie sass wie gewöhnlich über einer -Häkelei und wurde ganz rot, als sie -das hörte. Dann blickte sie zu uns -herüber. ›Sag das nicht, Papa! Ich -mag keinen Schullehrer!‹</p> - -<p>Sie hatte nervös, beinahe heftig -gesprochen, wie ich es noch nie von -ihr gehört hatte. Ich sah ganz deutlich, -als sie dann den Kopf wieder über -ihre Arbeit bog, dass ihr rechtes Ohr -ordentlich glühte, was bei ihr – Gott<span class="pagenum" id="Seite_116">[116]</span> -habe sie selig! – ihr lebelang ein -Zeichen der Erregung blieb.</p> - -<p>Ihr Vater war aber gut aufgelegt.</p> - -<p>›Warum denn nicht, Kind?‹ fragte -er heiter. Und da sie ihm keine Antwort -gab, wandte er sich direkt an -mich.</p> - -<p>›Nun, was sagen Sie denn dazu?‹</p> - -<p>Ich wusste eigentlich gar nichts -darauf zu sagen. Es schien mir unschicklich, -in Gegenwart eines jungen -Mädchens von ihrem künftigen Manne -zu reden, und so wurde ich beinahe -so rot wie sie. Nach einigen Minuten -des Stillschweigens fühlte ich aber -doch die Verpflichtung, etwas zu erwidern, -und so antwortete ich denn -so vorsichtig wie möglich: ›Wenn er -ein ehrenhafter Mann ist, wäre es das -Schlimmste noch lange nicht. Man<span class="pagenum" id="Seite_117">[117]</span> -kann auch in einem Schulhause glücklich -werden, Fräulein Böske!‹</p> - -<p>Da blickte sie wieder auf, aber -diesmal gerade mir in das Angesicht. -Ihre Wangen wurden ganz bleich. Die -grossen, braunen Augen hefteten sich -wohl eine Minute lang auf mich. Dann -rollten langsam zwei Thränen daraus, -und sie beugte sich wieder über die -Häkelei. Sie sagte keine Silbe, aber -nach diesem Blicke war es mir plötzlich, -als ob ich eine Todsünde begangen -hätte.</p> - -<p>Bald darauf stand sie auf und ging -in die Küche. Ich hörte sie dort mit -dem Geschirr herumhantieren. Heute -weiss ich, dass sie damals mehr geweint -als gewirtschaftet hat. Damals -fühlte ich das nur, und sobald es -thunlich war, verabschiedete ich mich<span class="pagenum" id="Seite_118">[118]</span> -und nahm in meine Stube ganz seltsame -und unerklärliche Empfindungen mit.</p> - -<p>Ich hatte sie bis dahin immer -›Fräulein Böske‹ angeredet, was, wie -Sie wissen, eine Koseform von Erszibet -ist, weil ich es nie anders gehört hatte. -Das ganze Dorf nannte sie so. Am -nächsten Tage aber redete ich sie mit -ihrem Vatersnamen an. Ich kann es -heute eben so wenig sagen wie damals, -warum ich es that, aber ich weiss -noch, dass es mich schmerzte, dass -sie so gar kein Zeichen des Erstaunens -darüber sehen liess. Sie war gleichmässig -freundlich wie immer; es schien -mir aber oft, auch wenn sie mitten in -der Mittagssonne stand, dass ein -Schatten auf ihrem Gesichte läge. -Seit diesem Abende ging es mir -überhaupt ganz seltsam mit ihr.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_119">[119]</span></p> - -<p>Ich ertappte mich dabei, dass ich -in der vorgefassten Absicht, auf ihre -heimlichen Blicke acht zu geben, in -das Speisezimmer trat, und dass es -mich ordentlich schmerzte, wenn sie -hartnäckig alles andere eher ansah -als mich. Wir hatten die Rollen ganz -getauscht. Jetzt spähte ich so oft -wie nur möglich zu ihr herüber und -dabei passierte es mir, dass ich mit -einem Male bemerkte, wie wunderschönes -Haar sie doch hatte. Es war -hellbraun, und wenn gerade ein volles -Lampenlicht darauf schien, blitzten -ihre Stirnlöckchen ganz goldig. An -einem der folgenden Tage fing ich -gar an, mich über ihren graziösen -Gang zu freuen. Sie war etwas -schwächlich, aber sehr zierlich gebaut, -und beim Gehen stiess sie mitunter<span class="pagenum" id="Seite_120">[120]</span> -mit den Knieen an die Röcke, was -mir immer sehr lieblich vorkam.</p> - -<p>So ging es Tag für Tag. Jeden -Tag entdeckte ich etwas Neues an -ihr, und am Ende konnte ich auch -meine Gedanken gar nicht mehr losreissen -von so viel Schönheit.</p> - -<p>Ich erinnere mich gut, wie ich -einst an meinem Schreibtisch in die -Höhe fuhr. Die Lampe war weit -heruntergebrannt. Ich musste wohl -stundenlang geträumt haben und ich -weiss, dass ich in diesen Träumereien -ihre leichtgeöffneten, roten Lippen -ganz dicht vor mir gesehen und sie -wieder und wieder geküsst hatte. Ich -war darüber erschrocken und legte -mich eilig zu Bett, bis zum Morgen -beinahe in einer alten Postilla, gedruckt -bei Hans Lufft, anno domini<span class="pagenum" id="Seite_121">[121]</span> -1567, lesend, ehe mir der Schlaf -kam.</p> - -<p>Diese Postilla besitze ich noch -heute. Ich habe mir noch oft daraus -andere Gedanken angelesen und halte -sie in hohen Ehren. Sie ist reich -mit Holzschnitten verziert und trägt -als Titelbild den gekreuzigten Heiland, -zu dessen beiden Seiten Doktor Martinus -Luther und der sächsische Kurfürst -knien. Aber mir ist sie mehr -wegen dieser Erinnerungen wert als -wegen ihres Altertums.</p> - -<p>Unter diesen Umständen konnte -ich es mir nicht länger verhehlen, -dass ich eine innige Liebe zu ihr -hegte, und nach den gemachten Beobachtungen -schien es mir auch, als -ob dieselbe keineswegs einseitig wäre. -Obwohl mich dieses letztere nun mit<span class="pagenum" id="Seite_122">[122]</span> -einem ganz merkwürdigen, schamhaften -Stolz erfüllte, trug es doch nur -dazu bei, meine Schüchternheit zu -erhöhen, und wenn sie mir bei Tisch, -wie es späterhin hier und da doch -wieder der Fall war, einen freundlich -schelmischen Blick zuwarf, wurde ich -rot wie ein Schulbube und vermochte -vor Verlegenheit keinen Bissen mehr -hinunterzubringen. So lebten wir, -gegenseitig unsere Liebe ahnend, -monatelang nebeneinander her, ohne -dass ich je den Mut gefunden hätte, -ihr auch nur ein einziges vertrauteres -Wörtchen zu sagen. Es wurde zum -zweiten Male Herbst, als in einem -weiter entfernteren Dorfe der Geistliche -starb und ich mich, da ich ja nicht -ewig Kaplan bleiben konnte, um die -vakante Stellung bewarb.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_123">[123]</span></p> - -<p>Meine Probepredigt war gerade -auf einen Sonntag angesetzt worden, -an dem der alte Herr eine Eheschliessung -in Neograt, das auch -zu seinem Sprengel gehörte, vorzunehmen -hatte. Sein Ziel lag mitten -auf meinem Wege, und so benutzten -wir beide denselben Wagen.</p> - -<p>Als wir abfahren wollten, trat die -Böske zu uns heran. Erst küsste sie -ihren Vater, dann reichte sie mir die -Hand und wünschte mir Glück. Aber -ihre Augen waren traurig dabei und -ihre Stimme kaum hörbar.</p> - -<p>Ich wurde gewählt.</p> - -<p>Als ich gegen Abend nach Hause -kam, war der alte Herr noch nicht -da. Nur seine Tochter kam mir entgegen. -Ich war voller Freude und -teilte ihr fröhlich meine Neuigkeit<span class="pagenum" id="Seite_124">[124]</span> -mit. Ein stummer Händedruck war -ihre Entgegnung. Da es schon dämmerte, -konnte ich den Ausdruck ihres -Gesichtes nicht erkennen. Als ich -dann aber in das Speisezimmer trat, -bemerkte ich, dass sie ganz blass -war und verweinte Augen hatte. Und -plötzlich fiel es mir schwer auf das -Herz, dass meine Wahl ja auch eine -Trennung von ihr bedeutete. Das -Dorf war weit entfernt. Selten nur -hätte ich auf einige Stunden zum Besuch -herüberkommen können. War -es darum, dass sie so traurig aussah?</p> - -<p>Ich konnte nicht daran zweifeln. -That mir doch selber bei aller anfänglichen -Freude das Herz weh. -Und es wurde immer ärger. Die -Kehle war mir wie zugeschnürt, und -ich fühlte, dass ich keinen Bissen<span class="pagenum" id="Seite_125">[125]</span> -würde hinunterbringen können. Ich -entschuldigte mich damit, dass ich -schon gegessen hätte, obwohl es nicht -der Wahrheit entsprach. Trübselig -sass ich am Tisch und brannte mir -eine Cigarette an, während wenigstens -sie so that, als ob sie einige -Brocken zu sich nähme.</p> - -<p>Mit jeder Rauchwolke, die ich in -die Luft blies, verfinsterte sich auch -mein Gedankenkreis. Ich würde also -von ihr gehen, ohne ihr meine Liebe -gestanden zu haben! Wir würden -meilenweit voneinander wohnen und -alt und grau werden, ohne uns zu -finden! Denn ich kannte meine -Schüchternheit gar gut und wusste, -dass ich, einmal fort von hier, es -nie zu einem förmlichen Antrage -bringen würde. Der Gedanke, jetzt,<span class="pagenum" id="Seite_126">[126]</span> -wo wir so schön allein waren, einfach -auf sie zuzugehen und ihr Köpfchen -in beide Hände zu nehmen und -es zu küssen, kam mir auch. Aber -mir fehlte jeglicher Mut dazu, und -wir hätten uns wohl wirklich für ewig -verloren, wenn der gute Gott uns -nicht durch ein ganz unscheinbares -Ereignis geholfen hätte.</p> - -<p>Als ich nämlich eben dabei war, -mir eine zweite Cigarette zu drehen, -stiess ich meine kleine Holzspitze -aus Unachtsamkeit mit dem Ellenbogen -vom Tisch. Ich stand auf, -um sie zu suchen und war dabei so -unglücklich, gerade mit dem Fuss -darauf zu treten, so dass sie in zwei -Teile zerbarst. Damals war ich ein -leidenschaftlicher Cigarettenraucher, -konnte es aber ebensowenig wie heute<span class="pagenum" id="Seite_127">[127]</span> -vertragen, dass mir der Tabak direkt -in den Mund kam, und war somit -über dies Malheur sehr betrübt. Eine -andere besass ich nicht, und aus dem -benachbarten Dorfe konnte ich mir -zu dieser Stunde keine mehr holen -lassen.</p> - -<p>Trotzdem ich den Kopf voll anderer -Gedanken hatte, muss sich der -Missmut darüber wohl auf meinem -Gesichte ausgeprägt haben, denn -meine liebe Böske stand freundlich -und gefällig wie immer gleich auf, -um in den Kästen nach einem passenden -Ersatz zu suchen. Da es jedoch -vergeblich war, fragte sie mich -schüchtern, ob ich nicht bis morgen -mit einem gehöhlten Rohr vorlieb -nehmen möchte. Sie hätte selbst als -Kind daraus geraucht, von bösen<span class="pagenum" id="Seite_128">[128]</span> -Buben verführt, und wüsste, dass es -sehr schön ginge.</p> - -<p>Nach dieser Hinzufügung musste -ich natürlich erklären, dass ich diese -Art von Spitzen allen anderen vorzöge, -wenn ich sie auch noch nicht -praktisch erprobt hätte. Ich glaubte, -dass zufällig etwas Geeignetes im -Hause wäre, und war voller Erstaunen, -als ich hörte, wie sie das -Hausthor öffnete und die zum Garten -führende Steintreppe hinabstieg.</p> - -<p>Dann aber fuhr es mir siedend -heiss durch den Kopf, dass sie bis -zum Teiche gehen wollte, um mir -eine Spitze zu schneiden. Es war -ein sehr dunkler Abend und der -Weg zum Rohr schmal und holprig. -Auf keinen Fall durfte ich sie dort -allein gehen lassen.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_129">[129]</span></p> - -<p>Ich holte mir also geschwind mein -kleines Laternchen, setzte mir eine -Mütze auf und eilte ihr nach. Sie -musste aber gleichfalls sehr schnell -gegangen sein, denn als ich noch -auf dem Wege war, hörte ich sie -schon das Röhricht prüfend auseinander -biegen und sah ihre helle -Schürze zu mir herüber schimmern.</p> - -<p>Als ich sie erreicht hatte, redete -ich sie ein wenig erregt und mit -sanftem Vorwurfe auf dieses Wagnis -hin an, das für mich doch allzuviel -der Freundschaft wäre und bei dem -sie leicht hätte zu Schaden kommen -können.</p> - -<p>»O, ich kenne die Wege,« erwiderte -sie mir. »Überdies werde -ich ja nicht mehr lange Gelegenheit -haben, Ihnen nützen zu können.<span class="pagenum" id="Seite_130">[130]</span> -Lassen Sie es sich für dieses Mal -also nur ruhig gefallen!«</p> - -<p>Diese Worte schnitten mir tief in -das Herz. Als ich dann in dem Bestreben, -ihr zu leuchten, mit meiner -Hand ihre Schulter berührte, fühlte -ich, dass sie am ganzen Körper bebte, -und mich dünkte es, als ob es von -verhaltenen Thränen käme. Da wurde -es mir ganz wirr im Kopf. Alles, -was ich so lange an Liebe und Leidenschaft -still mit mir herumgetragen -hatte, rebellierte mit einem Mal gegen -meine Schüchternheit, und nachdem -ich ein kurzes, aber inbrünstiges Stossgebet -zum lieben Herrgott geschickt, -dass er ja in den nächsten Minuten -nicht den Mond aufgehen lassen soll, -liess ich mein Laternchen fallen, umschlang -sie mit beiden Armen und<span class="pagenum" id="Seite_131">[131]</span> -küsste sie ohne Aufhören wohl unzähligemal -hintereinander.</p> - -<p>Anfänglich liess sie sich das ohne -Widerstreben gefallen, und ich glaubte -sogar den Gegendruck ihrer Lippen -zu verspüren. Plötzlich aber stiess -sie einen kleinen Schrei aus, und ihre -schwachen Händchen gegen meine -Schulter stemmend, versuchte sie mich -fortzuschieben.</p> - -<p>Später hat sie mir gestanden, dass -ich sie so leidenschaftlich umfasst, -dass ihr in der Rückengegend ein -Korsettstäbchen zerbrochen wäre, was -sie arg geschmerzt hätte. Damals -aber, als ich dies noch nicht wusste, -weckte ihre Gegenwehr meine ganze -Schüchternheit wieder auf.</p> - -<p>Ich war über die begangene Keckheit -auf den Tod erschrocken und<span class="pagenum" id="Seite_132">[132]</span> -wäre am liebsten in den Erdboden -versunken. Da sich dieser aber trotz -seiner Weichheit dazu nicht hergeben -wollte, bückte ich mich wenigstens, -um mein Laternchen aufzuheben und -dann spurlos zu verschwinden.</p> - -<p>So am Boden kauernd und mit -den Händen umhertastend, bat ich -in kläglichem Tone um Entschuldigung -und behauptete, dass ich nun -wohl wüsste, dass ich vorhin ganz -von Sinnen gewesen wäre. Am Ende -titulierte ich sie gar ›gnädiges Fräulein‹, -was ich sonst noch nie gethan -hatte, wohl in der instinktiven Absicht, -ihr durch diese Anrede nun -einen verdoppelten Respekt zu bezeugen.</p> - -<p>Da hörte ich sie mit einem Mal -lachen, so hell und doch so leise,<span class="pagenum" id="Seite_133">[133]</span> -als ob ein Vöglein im Röhricht gezwitschert -hätte.</p> - -<p>›Spricht man so mit einem Mädchen, -das man vor einer Minute noch -geküsst hat, Herr Kaplan?‹</p> - -<p>Und ehe ich mich noch ganz aufrichten -konnte, fühlte ich ihre Arme -um meinen Nacken, und zweimal -küsste sie mich auf den Mund. Beim -ersten Kuss empfand ich nicht viel -mehr als Schrecken und Staunen, wie -Moses, als ihm der Herr im Dornbusch -erschien. Beim zweiten aber -wusste ich schon, dass mir damit -eine Gnade zu teil würde, die nur -einmal vorkommt im Leben, und ich -liess das Laternchen schlafen. Wir -fanden die Wege auch im Dunkeln.</p> - -<p>Als wir endlich in das Zimmer -zurückgingen, schleifte ich einen langen<span class="pagenum" id="Seite_134">[134]</span> -Stock Rohr hinter mir her, und mit -solcher Begeisterung, wie wir damals -Spitzen schnitten, hat es seitdem wohl -kein dritter mehr gethan.</p> - -<p>Die Gute! Sie wurde bald meine -Frau. Als ihr Vater starb, kehrte -ich als Pfarrer in diese Gemeinde -zurück, und über zwanzig Jahre haben -wir Lust und Leid miteinander geteilt … -Nun wissen Sie, warum ich -noch heute des Sonntags Cigaretten -aus Rohrspitzen rauche. Es ist zu -ihrem Gedächtnis, zum Gedächtnis -an unseren ersten Liebestag. Dreissig -Jahre habe ich es gehalten, und gedenke -es auch weiter so zu halten, -bis mich der Allmächtige – hier -lüftete er demütig sein Käppchen – -zu sich ruft und mich wieder mit ihr -vereint.«</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_135">[135]</span></p> - -<p>Während seiner letzten Worte hatte -sich die Thüre geöffnet und ein junges, -vielleicht neunzehnjähriges Mädchen -war auf der Schwelle erschienen.</p> - -<p>Über das Gesicht des Kaplans, -der bisher nachsinnend vor sich hingesehen -hatte, glitt ein schelmisches -Lächeln.</p> - -<p>»Die jungen Vögel bauen sich -Nester, wenn ihre Zeit kommt, auch -ohne dass sie von ihren Altvorderen -gehört hätten, wie man das macht. -Von heute ab werde ich auch aus -Rohrspitzen rauchen, Herr Pastor, -und gebe es Gott, dass es bei mir -zu demselben Glücke führt, wie bei -Ihnen!«</p> - -<p>Und mit einem kräftigen Rucke -brach er einer Regiecigarette das -Mundstück ab, und aus der Brusttasche<span class="pagenum" id="Seite_136">[136]</span> -eine sorgfältig in Papier eingeschlagene -Rohrspitze hervorholend, -zündete er sie sich darin an.</p> - -<p>»Wie meinen Sie das?« fragte -der alte Herr zerstreut.</p> - -<p>Er war in Erinnerungen verloren. -Auch wenn es heller gewesen wäre, -hätte er es kaum bemerkt, dass seine -Tochter, die ihn zum Nachtmahl rufen -wollte, beim Anblick dieser Rohrspitze -ganz purpurrot geworden war und -dann aus dem Schatten herüber dem -jungen, blondbärtigen Kaplan vorsichtig -mit dem Zeigefinger drohte …</p> - -<hr class="chap x-ebookmaker-drop"> - -<div class="chapter"> -<p>Soeben ist im Verlag von <b>Hermann Seemann Nachfolger</b> -zu <b>Leipzig</b> erschienen der <b>neueste Roman</b> von</p> -</div> - -<p class="center larger"><b>YVETTE GUILBERT:</b></p> - -<p class="h2">Die Halb-Alten</p> - -<p class="center larger"><img class="deco141" src="images/deco141left.jpg" alt=""> -Les Demi-Vieilles -<img class="deco141" src="images/deco141right.jpg" alt=""> -</p> - -<p class="center larger p2">Einzig autorisierte Ausgabe übersetzt von -Ludwig Wechsler.</p> - -<p class="center">2. Auflage.</p> - -<p class="center"><span class="u">Preis brosch. M. 3.—, geb. M. 4.—.</span></p> - -<p>Im Vorwort dazu sagt Yvette Guilbert:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>»<i>Ce livre a été écrit pour être lu des yeux qui pleurèrent -beaucoup et aussi pour être le défenseur, l’ami avoué et dévoué -de toutes celles qui furent des sensibles, des impressionables, -des douloureuses, des tendres, des femmes!</i>«</p> -</div> - -<p>Mit einer mühsam verhaltenen Leidenschaft, die aber überall -den echt Pariser Charme verrät, erzählt Yvette von den armen -Frauen, erzählt mit einer sich windenden Schmerzlichkeit, die dann -und wann wie aus der Glut einer Feuerflamme geradezu elementar -hervorbricht. Die Tragik der Frauen, die in der Liebe alt werden, -das ist der Untergrundton, den sie in ihren »Demi-Vieilles« anschlägt. -Es wird sozusagen das fürchterliche Schicksal einer Ninon -de Lenclos aufgerollt, die mit achtzig Jahren noch so jung und -schön gewesen sein soll, dass sich Jünglinge in sie verliebten, und -im weiteren Sinne wird die unerbittliche Grausamkeit gezeigt, die -überhaupt in dem Altwerden der Frau liegt. Alle Frauen und -Männer, denen ein im besten Sinne modernes, menschlich bedeutungsvolles -Buch etwas zu sagen hat, werden Yvette Guilberts -»Demi-Vieilles« lesen müssen, und es mit wirklich grossem Interesse -und mit Lust lesen.</p> - -<p class="center p2"><span class="u">Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes.</span></p> - -<hr class="chap x-ebookmaker-drop"> - -<div class="chapter"> -<p>Im Verlage von <b>Hermann Seemann Nachfolger, Leipzig</b>, -ist soeben erschienen:</p> -</div> - -<p class="h2 p2">Die Vaclavbude</p> - -<p class="center">Ein Prager Studentenroman von <b>Karl Hans Strobl</b>.</p> - -<p class="center">Preis brosch. M. 3,–, geb. M. 4,–</p> - -<p>»Nach der süßlichen Romantik »Alt-Heidelbergs« wirkt -ein so gesundes Buch wie das vorliegende doppelt wohlthuend. -Strobl schildert in seinem Studentenroman die letzten Tage -der sturmbewegten Zeit unter dem Ministerpräsidenten Badeni. -Plötzlich fühlt man sich in jene Zeit zurückversetzt und lebt den -Prager Rummel bis zur Verhängung des Ausnahmezustandes -mit … Die Schrecken dieser wenigen Wochen sind von dem -Autor mit einer solchen Anschaulichkeit geschildert, daß es -einem an mancher Stelle den Atem verschlägt.«</p> - -<p class="mright"> -»Deutsche Zeitung,« Wien. -</p> - -<p>»Strobls Erzählung, deren schlichte Helden ein paar -Prager Burschenschafter sind, schildert mit großer dichterischer -Kraft und Anschaulichkeit, die stellenweise an das Packendste, -was Zola geschrieben hat, erinnert, Stimmungen und Vorgänge -in den blutigen Prager Dezembertagen nach dem Sturz -des Ministeriums Badeni …«</p> - -<p class="mright"> -»Vossische Zeitung,« Berlin. -</p> - -<p>»In der Beschränkung ein Meisterwerk, verdient Strobls -Roman, aus Mähren die Reise durch ganz Deutschland und -Deutschösterreich zu machen … Im Nationalitätenkampfe steht -der Brünner Dichter mit ganzer Seele auf der Seite der -Deutschen, seiner Landsleute, von deren Berufung zur Weltherrschaft -und kultureller Mission er fest überzeugt ist … Karl -Hans Strobl hat den österreichischen Roman der Gegenwart, -in dem das psychologisch-soziale Moment pocht und hämmert, -erschaffen. Möchte er dafür auch die gebührende Anerkennung -weitester Kreise finden!«</p> - -<p class="mright"> -»Tagesbote aus Mähren und Schlesien.« -</p> - -<hr class="chap x-ebookmaker-drop"> - -<div class="chapter"> -<p>Im Verlag von <b>Hermann Seemann Nachfolger</b> in -<b>Leipzig</b> sind erschienen die neuesten Romane von <b>Victor -Blüthgen</b> und <b>C. Eysell-Kilburger</b> (Frau Victor Blüthgen).</p> -</div> - -<p class="h2 p2">Die Spiritisten</p> - -<p class="center">Roman von</p> - -<p class="center larger">Victor Blüthgen.</p> - -<p class="center">Preis brosch. M. 3.—, geb. M. 4.—.</p> - -<p>»Wer dem Spiritismus nicht gänzlich ablehnend gegenübersteht, -wer den geheimen Wunsch hat, das verschleierte Gebiet der -4. Dimension kennen zu lernen, wer vielleicht schon gar im stillen -einen Ausflug dorthin versucht hat, dem sei mit warmem Herzen -dies Buch empfohlen … Die ›Spiritisten‹ sind amüsant von der -ersten zur letzten Seite, und man wird das Buch nur ungern vor -Schluss aus der Hand legen.«</p> - -<p class="right"> -Altonaer Nachrichten. -</p> - -<p class="h2 p2">Dilettanten des Lasters</p> - -<p class="center">Roman von</p> - -<p class="center larger">C. Eysell-Kilburger (Frau Victor Blüthgen).</p> - -<p class="center">Preis brosch. M. 3.—, geb. M. 4.—.</p> - -<p>»… ein Werk, das man nicht als Unterhaltungslektüre bemessen -darf. Man kann den Roman als Beitrag zur Frauenfrage -betrachten … Der ganze Roman bietet in der Handlung ein aufgegriffenes -Stück Leben von ergreifendem Ausklang, das um so -wertvoller erscheint, je mehr man sich hinein vertieft, und das -einen bleibenden Eindruck hinterlässt.«</p> - -<p class="right"> -Stettiner Zeitung. -</p> - -<p>»… Man meint nach der Lektüre dieses Romans die Mädchen -persönlich zu kennen, diese Mädchen mit der frohbewussten äusseren -Unabhängigkeit vom Manne und der heissen inneren Sehnsucht -nach ihm. Diese Mädchen, die in brennender Neugier gern des -Lebens süssestes Geheimnis ergründen möchten und doch wieder -vor der Entschleierung des Bildes zu Sais schaudernd zurückschrecken -und sich begnügen, nur mit zagen Fingern daran vorüberzustreifen -– Dilettanten des Lasters.«</p> - -<p class="right"> -Wiesbadener Tageblatt. -</p> - -<p class="center"><span class="u">Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes.</span></p> - -<p class="h2 p2">Wenn die Menschen -reif zur Liebe werden</p> - -<p class="center smaller">Von</p> - -<p class="center larger">Edward Carpenter</p> - -<p class="center">Einzig autorisierte deutsche Ausgabe. Aus dem<br> -Englischen übersetzt und eingeleitet von <b>Karl Federn</b>.</p> - -<p class="center">Preis brosch. M. 3.—, geb. M. 4.—</p> - -<p>Während unsere moderne Erziehung meist mit einer scheuen -Verschwiegenheit über die Fragen sexueller Natur und ihre heimlichen -Abgründe hinwegzuleiten sucht, erörtert der Verfasser, frei -von aller Aengstlichkeit und Prüderie, dieses für das Lebensglück -jedes Einzelnen und für unsere gesamte Kultur so hochwichtige -Problem. Mit dem ruhigen und vorurteilsfreien Blick des Naturforschers -vereinigt er den idealen Schwung des Propheten und -socialen Reformators. Die unhaltbaren und unreifen Zustände der -Gegenwart unterzieht er einer tief eindringenden Kritik und gewinnt -aus ihnen die Fundamente einer neuen, höheren Weltanschauung, -welche die Sinne nicht durch Askese und unsinnliches Idealisieren -verkrüppeln läßt, sondern der Persönlichkeit ein freies Ausleben -aller ihrer Kräfte und Fähigkeiten ermöglicht. »Nicht nur fort -sollst du dich pflanzen, sondern hinauf.« Dieses Wort Nietzsches -könnte man der Schrift als Motto voransetzen. Es ist eins von -jenen Büchern, durch das der warme Hauch des Lebens weht, ein -Grund- und Eckstein von jenem großen Bau der Zukunft, an -welchem wir mitzuarbeiten alle berufen sind.</p> - -<p class="center larger p2">Verlag von <b>Hermann Seemann Nachfolger -Leipzig, Goeschenstr. 1</b>.</p> - -<hr class="x-ebookmaker-drop chap"> - -<div class="chapter transnote" id="tnextra"> - -<p class="h2">Weitere Anmerkungen zur Transkription</p> - -<p>Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. -Die Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht. -Lange Reihen von Gedankenstrichen wurden einheitlich gekürzt. -Ein Inhaltsverzeichnis wurde zur besseren Orientierung ergänzt.</p> -</div> - -<div lang='en' xml:lang='en'> -<div style='display:block; margin-top:4em'>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>ABENDFALTER</span> ***</div> -<div style='text-align:left'> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Updated editions will replace the previous one—the old editions will -be renamed. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ -concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, -and may not be used if you charge for an eBook, except by following -the terms of the trademark license, including paying royalties for use -of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for -copies of this eBook, complying with the trademark license is very -easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation -of derivative works, reports, performances and research. Project -Gutenberg eBooks may be modified and printed and given away—you may -do practically ANYTHING in the United States with eBooks not protected -by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the trademark -license, especially commercial redistribution. -</div> - -<div style='margin-top:1em; font-size:1.1em; text-align:center'>START: FULL LICENSE</div> -<div style='text-align:center;font-size:0.9em'>THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE</div> -<div style='text-align:center;font-size:0.9em'>PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -To protect the Project Gutenberg™ mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase “Project -Gutenberg”), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg™ License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg™ electronic works -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg™ -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg™ electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg™ electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person -or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.B. “Project Gutenberg” is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg™ electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg™ electronic works if you follow the terms of this -agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg™ -electronic works. See paragraph 1.E below. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation (“the -Foundation” or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection -of Project Gutenberg™ electronic works. Nearly all the individual -works in the collection are in the public domain in the United -States. If an individual work is unprotected by copyright law in the -United States and you are located in the United States, we do not -claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, -displaying or creating derivative works based on the work as long as -all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope -that you will support the Project Gutenberg™ mission of promoting -free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg™ -works in compliance with the terms of this agreement for keeping the -Project Gutenberg™ name associated with the work. You can easily -comply with the terms of this agreement by keeping this work in the -same format with its attached full Project Gutenberg™ License when -you share it without charge with others. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern -what you can do with this work. Copyright laws in most countries are -in a constant state of change. If you are outside the United States, -check the laws of your country in addition to the terms of this -agreement before downloading, copying, displaying, performing, -distributing or creating derivative works based on this work or any -other Project Gutenberg™ work. The Foundation makes no -representations concerning the copyright status of any work in any -country other than the United States. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.1. The following sentence, with active links to, or other -immediate access to, the full Project Gutenberg™ License must appear -prominently whenever any copy of a Project Gutenberg™ work (any work -on which the phrase “Project Gutenberg” appears, or with which the -phrase “Project Gutenberg” is associated) is accessed, displayed, -performed, viewed, copied or distributed: -</div> - -<blockquote> - <div style='display:block; margin:1em 0'> - This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most - other parts of the world at no cost and with almost no restrictions - whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms - of the Project Gutenberg License included with this eBook or online - at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you - are not located in the United States, you will have to check the laws - of the country where you are located before using this eBook. - </div> -</blockquote> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.2. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is -derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not -contain a notice indicating that it is posted with permission of the -copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in -the United States without paying any fees or charges. If you are -redistributing or providing access to a work with the phrase “Project -Gutenberg” associated with or appearing on the work, you must comply -either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or -obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg™ -trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.3. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is posted -with the permission of the copyright holder, your use and distribution -must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any -additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms -will be linked to the Project Gutenberg™ License for all works -posted with the permission of the copyright holder found at the -beginning of this work. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg™ -License terms from this work, or any files containing a part of this -work or any other work associated with Project Gutenberg™. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this -electronic work, or any part of this electronic work, without -prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with -active links or immediate access to the full terms of the Project -Gutenberg™ License. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, -compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including -any word processing or hypertext form. However, if you provide access -to or distribute copies of a Project Gutenberg™ work in a format -other than “Plain Vanilla ASCII” or other format used in the official -version posted on the official Project Gutenberg™ website -(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense -to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means -of obtaining a copy upon request, of the work in its original “Plain -Vanilla ASCII” or other form. Any alternate format must include the -full Project Gutenberg™ License as specified in paragraph 1.E.1. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, -performing, copying or distributing any Project Gutenberg™ works -unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing -access to or distributing Project Gutenberg™ electronic works -provided that: -</div> - -<div style='margin-left:0.7em;'> - <div style='text-indent:-0.7em'> - • You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from - the use of Project Gutenberg™ works calculated using the method - you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed - to the owner of the Project Gutenberg™ trademark, but he has - agreed to donate royalties under this paragraph to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid - within 60 days following each date on which you prepare (or are - legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty - payments should be clearly marked as such and sent to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in - Section 4, “Information about donations to the Project Gutenberg - Literary Archive Foundation.” - </div> - - <div style='text-indent:-0.7em'> - • You provide a full refund of any money paid by a user who notifies - you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he - does not agree to the terms of the full Project Gutenberg™ - License. You must require such a user to return or destroy all - copies of the works possessed in a physical medium and discontinue - all use of and all access to other copies of Project Gutenberg™ - works. - </div> - - <div style='text-indent:-0.7em'> - • You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of - any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the - electronic work is discovered and reported to you within 90 days of - receipt of the work. - </div> - - <div style='text-indent:-0.7em'> - • You comply with all other terms of this agreement for free - distribution of Project Gutenberg™ works. - </div> -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project -Gutenberg™ electronic work or group of works on different terms than -are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing -from the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the manager of -the Project Gutenberg™ trademark. Contact the Foundation as set -forth in Section 3 below. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.F. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -works not protected by U.S. copyright law in creating the Project -Gutenberg™ collection. Despite these efforts, Project Gutenberg™ -electronic works, and the medium on which they may be stored, may -contain “Defects,” such as, but not limited to, incomplete, inaccurate -or corrupt data, transcription errors, a copyright or other -intellectual property infringement, a defective or damaged disk or -other medium, a computer virus, or computer codes that damage or -cannot be read by your equipment. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the “Right -of Replacement or Refund” described in paragraph 1.F.3, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project -Gutenberg™ trademark, and any other party distributing a Project -Gutenberg™ electronic work under this agreement, disclaim all -liability to you for damages, costs and expenses, including legal -fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT -LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE -PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE -TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE -LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR -INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH -DAMAGE. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a -defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can -receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a -written explanation to the person you received the work from. If you -received the work on a physical medium, you must return the medium -with your written explanation. The person or entity that provided you -with the defective work may elect to provide a replacement copy in -lieu of a refund. If you received the work electronically, the person -or entity providing it to you may choose to give you a second -opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If -the second copy is also defective, you may demand a refund in writing -without further opportunities to fix the problem. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth -in paragraph 1.F.3, this work is provided to you ‘AS-IS’, WITH NO -OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT -LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied -warranties or the exclusion or limitation of certain types of -damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement -violates the law of the state applicable to this agreement, the -agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or -limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or -unenforceability of any provision of this agreement shall not void the -remaining provisions. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg™ electronic works in -accordance with this agreement, and any volunteers associated with the -production, promotion and distribution of Project Gutenberg™ -electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, -including legal fees, that arise directly or indirectly from any of -the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this -or any Project Gutenberg™ work, (b) alteration, modification, or -additions or deletions to any Project Gutenberg™ work, and (c) any -Defect you cause. -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™ -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s -goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg™ and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state’s laws. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, -Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up -to date contact information can be found at the Foundation’s website -and official page at www.gutenberg.org/contact -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread -public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine-readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state -visit <a href="https://www.gutenberg.org/donate/">www.gutenberg.org/donate</a>. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Please check the Project Gutenberg web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of -volunteer support. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Most people start at our website which has the main PG search -facility: <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -This website includes information about Project Gutenberg™, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. -</div> - -</div> -</div> -</body> -</html> diff --git a/old/69960-h/images/cover.jpg b/old/69960-h/images/cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 688a495..0000000 --- a/old/69960-h/images/cover.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/69960-h/images/deco01.jpg b/old/69960-h/images/deco01.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index b7728d6..0000000 --- a/old/69960-h/images/deco01.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/69960-h/images/deco141left.jpg b/old/69960-h/images/deco141left.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 8b29b4d..0000000 --- a/old/69960-h/images/deco141left.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/69960-h/images/deco141right.jpg b/old/69960-h/images/deco141right.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 8a3a491..0000000 --- a/old/69960-h/images/deco141right.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/69960-h/images/signet.jpg b/old/69960-h/images/signet.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 54c78d4..0000000 --- a/old/69960-h/images/signet.jpg +++ /dev/null |
