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+The Project Gutenberg EBook of Othello, by William Shakespeare
+#32 in our series by William Shakespeare
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+**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts**
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+*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****
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+
+Title: Othello
+
+Author: William Shakespeare
+
+Release Date: December, 2004 [EBook #7185]
+[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
+[This file was first posted on March 24, 2003]
+
+Edition: 10
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-Latin-1
+
+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK OTHELLO ***
+
+
+
+
+Produced by Delphine Lettau
+
+
+
+
+Othello, der Mohr von Venedig.
+
+William Shakespeare
+
+Ein Trauerspiel.
+
+Übersetzt von Christoph Martin Wieland
+
+Personen.
+
+Der Herzog von Venedig.
+Brabantio, ein Edler Venetianer.
+Gratiano, dessen Bruder,
+Lodovico, derselben Neffe.
+Othello, der Mohr, Venetianischer General in Cypern.
+Cassio, sein General-Lieutenant.
+Jago, Fähndrich des Othello.
+Rodrigo, ein einfältiger Junker, in Desdemona verliebt.
+Montano, des Mohren Vorfahrer im Commando zu Cypern.
+Hans Wurst, des Mohren Diener.
+Ein Herold.
+Desdemona, des Brabantio Tochter.
+Emilia, Jago's Weib.
+Bianca, eine Courtisane, Cassio's Liebste.
+Officiers, verschiedene Cavaliers, Abgeordnete, Musicanten,
+Matrosen, und Bediente.
+
+Der Schau-Plaz ist im ersten Aufzug in Venedig; und durch das ganze
+übrige Stük in Cypern.
+
+
+
+
+Erster Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+ (Eine Strasse in Venedig.)
+ (Rodrigo und Jago treten auf.)
+
+
+Rodrigo.
+Stille, sage mir nichts mehr davon, ich nehm' es sehr übel, daß du,
+Jago, der du mit meinem Beutel schalten und walten durftest, als ob
+er dein eigen gewesen wäre, Nachricht von diesem--
+
+Jago.
+Ihr wollt mich ja nicht anhören: Wenn ich jemals von so was nur
+geträumt habe, so seht mich als ein Scheusal an.
+
+Rodrigo.
+Du sagtest mir, du trügest einen unversöhnlichen Haß gegen ihn.
+
+Jago.
+Speyt mir ins Gesicht, wenn's nicht so ist. Drey grosse Männer in
+dieser Stadt zogen, in eigner Person, die Müzen bis auf den Boden
+vor ihm ab, daß er mich zu seinem Lieutenant machen möchte: Und, so
+wahr ich ein ehrlicher Mann bin, ich kenne mich, ich weiß, daß ich
+keinen schlechtern Plaz werth bin.
+
+Aber er, dessen hochmüthiger Eigensinn andre Absichten hatte,
+entwischte ihnen mit einem Galimathias von Umständen, und
+rauhtönenden Kriegs-Kunst-Wörtern; und das Ende vom Liede war, daß
+er meine Gönner mit einer langen Nase abziehen ließ. Es ist mir
+leid, sagt er, aber ihr kommt zu spät; ich habe mir meinen
+Lieutenant schon ausersehen. Und wer ist denn der? Ein gewisser
+Michel Cassio, ein Bursche, der noch keinen Feldzug gethan hat, der
+von Anordnung eines Treffens gerade so viel versteht als eine Woll-
+Spinnerin--nichts als was er aus Büchern gelernt, blosse Theorie,
+wovon unsre ehrsamen, friedliebenden Senatoren eben so gelehrt
+sprechen können als er; blosses Gewäsche, ohne Erfahrung--Das ist
+alles, was er vom Krieg versteht--Der hatte den Vorzug; und ich,
+von dem seine Augen in Rhodis, in Cypern, und in so vielen andern
+Orten, auf Christlichem und Heidnischem Boden, die Proben gesehen
+haben; ich muß mich mit Complimenten und Versprechungen abspeisen
+lassen--ich bin euer Schuldner, mein Herr, habt Geduld wir wollen
+schon Gelegenheit finden, mit einander abzurechnen, und dergleichen-
+-Kurz, er muß nun sein Lieutenant seyn, und ich, Dank sey den
+Göttern! seiner Mohrischen Excellenz demüthiger Fahnen-Junker.
+
+Rodrigo.
+Beym Himmel, ich wollte lieber sein Profos seyn.
+
+Jago.
+Dafür ist nun kein Kraut gewachsen Es geht im Dienste nicht anders;
+Befördrung geht heutigs Tags nach Gunst und Empfehlungs-Schreiben,
+und nicht nach der Zeit, die man im Dienste gewesen ist, wie vor
+Zeiten, da der zweyte allemal den erstern erbte. Nun, mein Herr,
+mach' ich euch selbst zum Richter, ob ich mit einigem Schein der
+Wahrheit beschuldiget werden kan, daß ich den Mohren liebe.
+
+Rodrigo.
+Ich möchte nicht gerne haben, daß du ihn begleitest.
+
+Jago.
+O mein Herr, das laßt euch keine Sorge machen; ich begleite ihn, um
+mir selbst auf seine Unkosten Dienste zu thun. Wir können nicht
+alle Befehlhaber seyn, und nicht alle Befehlhaber können getreue
+Diener haben. Ihr werdet in der Welt manchen Dienst-ergebenen,
+knie-biegenden Schurken sehen, der unter einer vieljährigen treu-
+eyfrigen Dienstbarkeit endlich so grau wird wie seines Herrn Esel,
+ohne etwas anders davon zu haben, als daß er gefüttert, und wenn er
+alt ist gar abgedankt wird. Peitscht mir solche gutherzige
+Schurken--Dagegen giebt es andre, die zwar ihr Gesicht meisterlich
+in pflichtschuldige Falten zu legen wissen, aber ihr Herz hingegen
+vor aller fremden Zuneigung rein bewahren; die ihren Herren nichts
+als den äusserlichen Schein der Ergebenheit und eines erdichteten
+Eifers zeigen, aber eben dadurch ihre Sachen am besten machen, und
+wenn sie ihre Pfeiffen geschnitten haben, davon gehen, und ihre
+eigne Herren sind. Das sind noch Leute die einigen Verstand haben,
+und ich habe die Ehre einer von ihnen zu seyn. Es ist so gewiß
+als ihr Rodrigo seyd; wär' ich der Mohr, so möcht ich nicht Jago
+seyn: izt dien ich, das wissen die Götter! bloß um mir selbst zu
+dienen, und nicht aus Ergebenheit und Liebe--ich stelle mich zwar
+so, aber das hat seine Absichten--denn wahrhaftig, wenn mein
+Gesicht, und meine äusserlichen Handlungen die wahre innerliche
+Gestalt meines Herzens zeigten, so würde mein Herz in kurzem den
+Krähen zum Futter dienen--Mein guter Freund, ich bin nicht, was ich
+scheine.
+
+Rodrigo.
+Was für ein Glük macht der dik-maulichte Kerl, wenn er sie so davon
+tragen kann!
+
+Jago.
+Ruft ihren Vater auf, wekt ihn auf, macht Lerm, versalzt ihm
+wenigstens seinen Spaß; ruft es in den Strassen aus, jagt ihre
+Verwandten in den Harnisch, und wenn ihr ihn aus dem Paradiese,
+worein er sich eingenistert hat, nicht vertreiben könnt, so plagt
+ihn doch mit Fliegen,
+
+{ed. * Eine Anspielung auf die Beobachtung, daß die
+schönsten und fruchtbarsten Gegenden des Erdbodens am meisten mit
+Ungeziefer gestraft sind.}
+
+so daß seine Freude, wenn sie gleich nicht
+völlig aufhört Freude zu seyn, doch wenigstens durch die
+Verdrießlichkeiten womit sie unterbrochen wird, etwas von ihrer
+Farbe verliere.
+
+Rodrigo.
+Hier ist ihres Vaters Haus ich will ihm überlaut ruffen.
+
+Jago.
+Thut es, und mit einem so gräßlichen Ton, und Zetter-Geschrey, als
+wie wenn bey Nacht durch Nachlässigkeit Feuer in einer volkreichen
+Stadt ausgekommen ist.
+
+Rodrigo.
+He! holla! Brabantio! Signor Brabantio! he!
+
+Jago.
+Wacht auf! he! holla! Brabantio! he! Diebe! Diebe!
+Seht zu euerm Haus, zu eurer Tochter, und zu euern Geld-Säken:
+Diebe! Diebe!
+
+
+
+Zweyte Scene.
+ (Brabantio zeigt sich oben an einem Fenster.)
+
+
+Brabantio.
+Was ist die Ursache dieser fürchterlichen Aufforderung? Was
+giebt's hier?
+
+Rodrigo.
+Signor, ist eure ganze Familie zu Hause?
+
+Jago.
+Sind alle eure Thüren verriegelt?
+
+Brabantio.
+Was sollen diese Fragen?
+
+Jago.
+Sakerlot! Herr, man bestiehlt euch; zieht doch wenigstens einen
+Rok an, und seht zu euern Sachen; man greift euch nach der Seele,
+euer bestes Kleinod ist verlohren; eben izt in diesem Augenblik,
+Herr, bespringt ein alter schwarzer Schaaf-Bok euer weisses Schaaf.
+Auf, auf, wekt die schnarchenden Bürger mit der Sturm-Gloke, oder
+der Teufel wird euch zum Großvater machen; auf, sag ich.
+
+Brabantio.
+Wie? Habt ihr euern Verstand verlohren?
+
+Rodrigo.
+Mein hochzuverehrender Herr und Gönner, kennt ihr meine Stimme
+nicht?
+
+Brabantio.
+Wahrlich nicht; wer seyd ihr dann?
+
+Rodrigo.
+Mein Nam' ist Rodrigo.
+
+Brabantio.
+Desto schlimmer! Hab ich dir nicht verboten, um meine Thüren
+herum zu schwärmen? Hab ich dir nicht aufrichtig und ehrlich
+herausgesagt, meine Tochter sey nicht für dich gemacht? Und izt,
+nachdem du dich voll gefressen und gesoffen hast, kommst du in
+tollem Muthe boshafter Weise den Narren mit mir zu treiben, und
+mich in der Ruhe zu stören?
+
+Rodrigo.
+Herr, Herr, Herr--
+
+Brabantio.
+Aber du darfst dich unfehlbar darauf verlassen, daß mein Unwille
+und mein Ansehen es in ihrer Gewalt haben, dich theuer davor
+bezahlen zu machen.
+
+Rodrigo.
+Geduld, mein guter Herr.
+
+Brabantio.
+Was sagst du mir von Dieben? Wir sind hier in Venedig; mein Haus
+ist keine Scheure.
+
+Rodrigo.
+Sehr ehrwürdiger Brabantio, ich komm in der Einfalt meines Herzens,
+und in guter Meynung zu euch.
+
+Jago.
+Sakerlot! Herr, ihr seyd, glaub ich, einer von denen die Gott den
+Dienst aufkünden würden, wenn's der Teufel so haben wollte. Weil
+wir kommen, und euch einen Dienst thun wollen, so meynt ihr wir
+seyen Spizbuben; ihr wollt also haben, daß eure Tochter von einem
+Barber-Hengst belegt werden soll; ihr wollt haben, daß eure Enkel
+euch anwiehern; ihr wollt Postklepper zu Vettern und kleine
+Andalusische Stutten zu Basen haben.
+
+Brabantio.
+Was für ein heilloser Lotterbube bist du?
+
+Jago.
+Ich bin einer, Herr, der ausdrüklich hieherkommt euch zu sagen, daß
+eure Tochter und der Mohr im Begriff sind das Thier mit zween Rüken
+zu machen.
+
+Brabantio.
+Du bist ein Nichtswürdiger--
+
+Jago.
+Ihr seyd ein Senator.
+
+Brabantio.
+Du sollst mir das bezahlen. Ich kenne dich, Rodrigo.
+
+Rodrigo.
+Mein Herr, ich bin für alles gut. Aber ich bitte euch, hört mich
+nur an. Wenn es mit euerm guten Willen und hochweisen Beyfall
+geschehen ist, (wie ich fast vermuthen sollte) daß eure schöne
+Tochter, in dieser nehmlichen Nacht, in keiner bessern Begleitung
+als eines gemietheten Schurken, eines Gondoliers, den viehischen
+Umarmungen eines geilen Mohren zugeführt worden; wenn das, sag ich,
+mit eurer Begnehmigung geschehen ist, so haben wir euch allerdings
+gröblich beleidiget. Wißt ihr aber nichts hievon, so sind wir
+diejenigen, die sich über Unrecht zu beschweren haben; oder ich
+verstehe nicht was die gute Lebensart mit sich bringt. Glaubet
+nicht, daß ich von allem Gefühl der Anständigkeit so sehr verlassen
+sey, daß ich aus blossem Muthwillen hieher kommen und Eure
+Excellenz zum Besten haben sollte. Ich sag es noch ein mal, wenn
+ihr eurer Tochter nicht die Erlaubniß dazu gegeben habt, so hat sie
+sich sehr vergangen, indem sie ihre Pflicht, ihre Schönheit, ihren
+Verstand, und ihr Vermögen einem herumirrenden Ritter, einem
+Abentheurer, aufopfert, der hier und allenthalben ein Fremdling ist--
+Verzieht nicht länger; sezt euch selbst ins Klare: Wenn sie in
+ihrem Zimmer oder in euerm Hause zu finden ist, so laßt mich die
+ganze Strenge der Justiz dafür erfahren, daß ich euch so mißhandelt
+habe.
+
+Brabantio.
+Schlagt Feuer, he! bringt mir ein Licht--Ruft meine Leute
+zusammen--Dieser Zufall sieht meinem Traum nicht ungleich, und ich
+sterbe vor Furcht, daß es so seyn möchte. He! Licht, sag ich,
+Licht!
+
+Jago.
+Lebt wohl, ich kan mich nicht länger aufhalten--Es würde sich gar
+nicht wol für meinen Plaz schiken, und mir in keinerley Absicht
+gesund seyn, als ein Zeuge gegen den Mohren vorgeführt zu werden.
+Die Gründe, die ihn zum Heerführer in dem Cyprischen Kriege, worinn
+sie würklich begriffen sind, bestimmen, sind so dringend, daß sie,
+für ihre Seelen, keinen andern von seinem Gewicht finden können,
+dem sie dieses Geschäft mit Sicherheit anvertrauen dürften. Bey
+solchen Umständen muß ich, ob ich ihn gleich so herzlich hasse als
+die Pein der Hölle, doch äusserlich, meines eignen Vortheils wegen,
+dergleichen thun, als ob ich ihm gänzlich ergeben sey. Damit ihr
+ihn aber unfehlbar findet, so führet den Brabantio und seine Leute
+zum Schüzen, und dort werd' ich bey ihm seyn. Hiemit, gehabt euch
+wol.
+
+(Jago geht ab.)
+
+
+
+Dritte Scene.
+ (Brabantio und einige Bediente mit Fakeln.)
+
+
+Brabantio.
+Mein Unglük ist nur allzugewiß. Sie ist weg; und Schmach und
+Bitterkeit ist nun der Antheil meines übrigen Lebens. Nun,
+Rodrigo, wo sahst du sie? O, das unglükselige Mädchen! Mit dem
+Mohren, sagst du? Wer wollte mehr ein Vater seyn wollen?--Woher
+wußtest du, daß sie's war? O! das ist unbegreiflich, wie sehr
+ich mich an ihr betrogen habe!--Was sagte sie zu euch?--Noch mehr
+Fakeln her--Ruft meine ganze Verwandtschaft zusammen--meynt ihr,
+sie seyen schon verheurathet?
+
+Rodrigo.
+Ich denke freylich, sie sind's.
+
+Brabantio.
+O Himmel! wie ist's möglich, daß sie so aus der Art schlagen
+konnte!--Väter, forthin trauet euern Kindern nicht weiter als ihr
+sie sehet. Giebt es nicht Zauber-Mittel, wodurch die Unschuld
+eines jungen unwissenden Mädchens verführt werden kan? Habt ihr
+nichts von dergleichen Dingen gelesen, Rodrigo?
+
+Rodrigo.
+Ja mein Herr, das hab' ich, in der That.
+
+Brabantio (zu einem Bedienten.)
+Ruft meinen Bruder; oh, wie wollt' ich izt, ihr hättet sie gehabt,
+auf eine oder die andre Art--Wißt ihr, wo wir sie und den Mohren
+antreffen können?
+
+Rodrigo.
+Ich denke, ich werde sie entdeken können, wenn es euch gefällt,
+unter einer guten Bedekung mit mir zu gehen.
+
+Brabantio.
+Ich bitte euch, geht voran. Ich will von Hause zu Hause ruffen;
+ich kann befehlen, wenn's nöthig ist; schafft Waffen her, holla!
+und holt einige Officiers, auf die man sich verlassen kan--Geht,
+mein guter Rodrigo, ich will dankbar für eure Bemühung seyn.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Vierte Scene.
+ (Verwandelt sich in eine andre Strasse vorm Schüzen.)
+ (Othello, Jago, und Gefolge mit Fakeln.)
+
+
+Jago.
+Ob ich gleich, seitdem ich das Kriegs-Handwerk treibe, manchen im
+Feld erschlagen habe, so mach' ich mir doch das grösseste Gewissen
+draus, einen vorsezlichen Mord zu begehen! Weniger Bedenklichkeit
+würde manchmal mein Vortheil seyn--Ich dachte neun- oder zehn mal,
+ich müßte ihm nothwendig eins unter die Ribben geben.
+
+Othello.
+Es ist besser, daß du's nicht gethan hast.
+
+Jago.
+Nein, aber er plapperte, er gayferte so lotterbübisches Zeug, und
+in so empfindlichen Ausdrüken gegen eure Ehre, daß all mein Bißchen
+Sanftmuth kaum zureichend war, mich bey Geduld zu erhalten. Aber
+ich bitte euch, mein Herr, seyd ihr auch recht gültig verheurathet?
+Denn davon dürft ihr versichert seyn, daß der (Magnifico) sehr
+beliebt ist, und daß seine Stimme in der Republik zum wenigsten so
+viel zu bedeuten hat, als des Herzogs selbst: Er wird auf die
+Zerreissung euers Bandes dringen, und wenn sich seine Macht auch so
+weit nicht erstrekt, euch doch so viel Uebels thun, als das Gesez
+in seiner äussersten Strenge ihm Befugniß geben kan.
+
+Othello.
+Er mag sein Aergstes thun; die Dienste, die ich der Regierung
+gethan habe, werden seine Klagen weit überschreyen. Es ist noch
+unbekannt, (ich werd es aber beweisen, wenn die Rettung meiner Ehre
+mich zu einem Schritt zwingt, den ich sonst als eine meiner
+unwürdige Pralerey ansehe,) daß mein Blut aus einer königlichen
+Quelle geflossen ist; und meine Verdienste allein sind, ohne
+Vergrösserung, zulänglich auf ein so stolzes Glük Anspruch zu
+machen, als dieses ist, dessen ich mich bemächtiget habe. Denn
+wisse, Jago, wär' es nicht, daß ich die reizende Desdemona liebe,
+der Werth des ganzen Oceans sollte mich nicht bewegen, meine
+Freyheit in die Fesseln des ehlichen Standes schliessen zu lassen.
+Aber siehe, was für Lichter kommen dort?
+
+
+
+Fünfte Scene.
+ (Cassio, mit Fakeln, zu den Vorigen.)
+
+
+Jago.
+Es werden der aufgebrachte Vater und seine Freunde seyn--das beste
+wär', ihr giengt hinein.
+
+Othello.
+Ich? gewiß nicht, ich muß gefunden werden. Meine Verdienste,
+mein Titel, und mein unerschrokner Muth sollen mich in meinem
+wahren Lichte zeigen. Sind sie's?
+
+Jago.
+Beym Janus, ich denke, nein.
+
+Othello.
+Es sind Leute vom Herzog und mein Lieutenant: guten Abend, meine
+Freunde; was bringt ihr Neues?
+
+Cassio.
+Der Herzog entbeut euch seinen Gruß, Feldherr; und ersucht euch mit
+der eilfertigsten Behendigkeit, gleich diesen Augenblik, um eure
+Gegenwart.
+
+Othello.
+Was meynt ihr, warum es zu thun sey?
+
+Cassio.
+Etwas von Cypern, soviel ich errathen kan. Es muß eine dringende
+Anliegenheit seyn. Die Galeren haben in dieser nemlichen Nacht
+zwölf Expressen hinter einander hergeschikt, ein grosser Theil der
+Senatoren ist auf, und im Pallast des Herzogs versammelt. Man
+ließ euch sehr dringend ruffen, und da man euch nicht in euerm
+Quartier fand, schikte der Senat drey verschiedene Partheyen aus,
+euch überall aufzusuchen.
+
+Othello.
+Es ist gut, daß ihr mich gefunden habt: Ich habe nur ein Wort in
+diesem Hause zu reden, und dann will ich mit euch gehen.
+
+(Othello geht ab.)
+
+Cassio.
+Fähndrich, was thut er hier?
+
+Jago.
+Meiner Treue, er hat heute Nacht eine reiche Land-Caraque
+
+{ed. * Eigner Name der ehmaligen grossen Portugiesischen
+Kauf-Fardey-Schiffe.}
+
+aufgebracht; wenn sie für gute Prise erklärt wird, so ist sein Glük
+gemacht.
+
+Cassio.
+Ich weiß nicht, was ihr sagen wollt.
+
+Jago.
+Er hat sich verheurathet.
+
+Cassio.
+Mit wem?
+
+Jago.
+Bey G***, mit--he! Herr General, wollt ihr gehen? (Othello zu
+den Vorigen.)
+
+Othello.
+Hier bin ich--
+
+Cassio.
+Da kommt eine andre Parthey, die euch sucht.
+
+
+
+Sechste Scene.
+ (Brabantio, und Rodrigo, mit Officieren, Bedienten und Fakeln.)
+
+
+Jago.
+Es ist Brabantio; General, nehmt euch in Acht; er hat nichts Gutes im Sinn.
+
+Othello.
+Holla! Steht, ihr dort!
+
+Rodrigo.
+Signor, es ist der Mohr.
+
+Brabantio.
+Zu Boden mit ihm, dem Räuber!
+
+(Sie ziehen auf beyden Seiten.)
+
+Jago.
+Wie, ihr, Rodrigo?--Kommt, mein Herr, ich bin auf eurer Seite--(Zu
+Othello.)
+
+Othello.
+Stekt eure Degen ein, der Thau möchte sie rostig machen. Werther
+Signor, euer Alter wird euch mehr Gewalt geben, als eure Waffen.
+
+Brabantio.
+O du schändlicher Räuber! Wo hast du meine Tochter hin verborgen?
+Verdammlicher Bube! Du hast sie bezaubert; denn ich will alles was
+Vernunft hat den Ausspruch thun lassen, ob ein Mädchen, so jung, so
+schön, so zärtlich als sie war, von ihrem Stand und Glük, und so
+abgeneigt vom Heurathen, daß sie den Augen der auserlesensten und
+reichsten von unsrer edelsten Jugend sich entzog--ob ein solches
+Mädchen, ohne die fesselnde Gewalt zaubrischer Künste fähig gewesen
+wäre, dem allgemeinen Spott Troz zu bieten, und aus dem väterlichen
+Haus zu entlauffen, um in die russichten Arme eines solchen Dings
+wie du, das geschikter ist Schreken zu erweken, als Liebe, sich
+hinein zu stürzen? Die ganze Welt sey Richter, ob es nicht
+handgreiflich ist, daß du vermittelst schnöder Zauber-Mittel oder
+Liebes-Tränke die das Hirn verrüken, ihre schuldlose Jugend
+mißbraucht und verleitet hast--Ich will es untersucht haben: Es ist
+wahrscheinlich, man kan sich nichts anders vorstellen. Ich
+arrestiere dich also hier, als einen Verführer und der hiezu
+verbotne Künste treibt--Bemächtigt euch seiner; und wenn er sich
+wehrt, so entwaffnet ihn auf seine Gefahr.
+
+Othello.
+Haltet ein, zu beyden Seiten; wenn es hier meine Scene zum Fechten
+wäre, so würd' ich's ohne einen Einsager gewußt haben. Wohin wollt
+ihr, daß ich mit euch gehen soll, mich auf diese Anklage zu
+verantworten?
+
+Brabantio.
+Ins Gefängniß, bis zur gehörigen Zeit, wo du vor der Gerichts-Bank
+erscheinen sollst.
+
+Othello.
+Aber wenn ich euch gehorche, wie soll indeß der Herzog zufrieden
+gestellt werden, dessen Abgeordnete hier zu meiner Seite und im
+Begriff sind, mich in einer dringenden Angelegenheit des Staats zu
+ihm zu führen?
+
+Officier.
+Diß verhält sich würklich so, sehr edler Herr; der Herzog ist im
+Staats-Rath; und ich bin sicher, daß ihr gleichfalls dahin beruffen
+worden seyd.
+
+Brabantio.
+Wie? der Herzog im Staats-Rath? In dieser späten Nacht? Führt
+ihn dahin; meine Sache ist keine Kleinigkeit. Der Herzog selbst
+und jeder von meinen Brüdern im Staat kan nicht anders als diese
+Beleidigung so empfinden, als ob sie ihnen selbst angethan worden
+wäre. Wenn solche Frefel-Thaten ungestraft verübt werden dürften,
+so würden bald Sclaven und Banditen unsre Befehlshaber seyn.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Siebende Scene.
+ (Verwandelt sich in das Rath-Haus.)
+ (Der Herzog und die Senatoren, an einer Tafel mit Lichtern sizend,
+ und einige Officianten etc.)
+
+
+Herzog.
+Es ist zu wenig Uebereinstimmung in diesen Zeitungen, als daß sie
+Glauben verdienen könnten.
+
+1. Senator.
+In der That, sie gehen weit von einander ab; meine Briefe sagen
+hundert und sieben Galeren.
+
+Herzog.
+Und meine hundert und vierzig.
+
+2. Senator.
+Und die meinen zwoohundert; allein ob sie gleich in der Zahl nicht
+zusammentreffen, (welches in Fällen, wo der Bericht nach blosser
+Muthmassung gemacht werden muß, nicht zu verwundern ist,) so
+stimmen doch alle darinn überein, daß eine türkische Flotte in der
+See ist, und daß es auf Cypern abgesehen sey.
+
+Herzog.
+Es ist möglich, und wenn ich mich auch irren sollte, so werd' ich
+doch alle Maaßnehmungen einer klugen Furcht, die allezeit die
+Mutter der Sicherheit ist, bey diesen Umständen gut heissen.
+
+Matrosen (hinter der Scene.)
+
+
+
+Holla! ho! he! aufgemacht! (Die Matrosen kommen herein.)
+
+Officiers.
+Eine Bottschaft von den Galeeren.
+
+Herzog.
+Nun!--was ist euer Anbringen?
+
+1. Matrose.
+Ich habe Befehl der Regierung anzuzeigen, daß die Türkischen Kriegs-
+Zurüstungen der Insel Rhodis gelten.
+
+(Die Matrosen gehen ab.)
+
+Herzog.
+Was sagt ihr zu diesem Wechsel?
+
+1. Senator.
+Es kan nicht seyn, es ist ganz und gar nicht glaublich. Es ist ein
+blosser Kunstgriff, unsre Augen von der Seite abzuhalten, wo die
+Gefahr würklich ist. Wenn wir bedenken, wie wichtig Cypern den
+Türken ist--wie viel gelegner es ihnen ist als Rhodis--und daß sie
+die Eroberung desselben weit eher hoffen können, da es weniger
+befestigt, und in allen Absichten in schwächerm Vertheidigungs-
+Stand ist--Wenn wir dieses in gehörige Betrachtung ziehen, so
+werden wir uns schwerlich einbilden können, daß der Türk so
+unbesonnen seyn werde, eine reiche und leicht zu gewinnende Beute
+fahren zu lassen, um sich an eine gefährliche und wenig
+vortheilhafte Unternehmung zu wagen, von der er sich mit keiner
+Wahrscheinlichkeit einen guten Erfolg versprechen kan.
+
+Herzog.
+In der That, allen Umständen nach ist es nicht auf Rhodis abgezielt.
+
+Officiers.
+Hier kommt wieder eine Zeitung. (Ein Expresser tritt auf.)
+
+Expresser.
+Erlauchte und Gnädige Herren, die Ottomannen, die in geradem Lauf
+gegen die Insel Rhodis gesegelt hatten, haben sich dort mit einem
+kleinern Geschwader vereinbart--
+
+1. Senator.
+Das dacht' ich ja; wie stark haltet ihr sie?
+
+Expresser.
+Dreyßig Segel; und nun steuern sie ihren Lauf, ohne ihre wahre
+Absichten länger zu verheelen, nach Cypern. Signor Montano, euer
+getreuer und tapfrer Befehlshaber auf dieser Insel, erstattet Euch,
+unter Versicherung seiner pflichtvollen Ergebenheit, diesen Bericht,
+und bittet ihm vollen Glauben beyzumessen.
+
+Herzog.
+Wir sind also nun gewiß, daß es um Cypern zu thun ist; ist Marcus
+Luccicos nicht in der Stadt?
+
+1. Senator.
+Er ist würklich in Florenz.
+
+Herzog.
+Schreibet unverzüglich in unserm Namen an ihn, daß er sich mit der
+äussersten Eilfertigkeit hieher begebe.
+
+1. Senator.
+Hier kommt Brabantio und der tapfre Mohr.
+
+
+
+Achte Scene.
+ (Brabantio, Othello, Cassio, Jago, Rodrigo und Officiers, zu den
+ Vorigen.)
+
+
+Herzog.
+Tapfrer Othello, wir sind im Begriff Eurer gegen unsern allgemeinen
+Feind Ottoman vonnöthen zu haben.
+
+(Zu Brabantio.)
+Ich sah euch nicht gleich; willkommen, werther Signor; wir
+mangelten euern Rath und eure Hülfe diese Nacht.
+
+Brabantio.
+Und ich die eurige; vergebet mir, Durchlauchtigster; weder mein
+Plaz, noch was mir von einem vorschwebenden Staats-Geschäfte gesagt
+wurde, hat mich aus meinem Bette aufgewekt; das gemeine Wesen ficht
+mich izt wenig an; mein Privat-Schmerz ist von einer so wüthenden
+und ungestümen Art, daß er alle andre Sorgen verschlingt, und mich
+nichts anders fühlen läßt.
+
+Herzog.
+Wie? Was kan die Ursach seyn?
+
+Brabantio.
+Meine Tochter! O! meine Tochter!--
+
+Senator.
+Gestorben?
+
+Brabantio.
+Für mich wenigstens; sie ist verführt, von mir weggestohlen,
+mißbraucht worden, durch Zauber-Mittel und Liebes-Tränke, den Kram
+von Markt-Schreyern, zu Grunde gerichtet worden--Denn auf eine so
+widernatürliche Art konnte die Natur (da sie weder dumm, noch blind,
+noch schwach von Sinnen ist,) nicht ausschweiffen--Zauberey allein
+konnte sie dahin bringen--
+
+Herzog.
+Wer der auch seyn mag, der durch so schändliche Mittel eure Tochter,
+sich selbst, und euch entführt hat, dessen Urtheil sollt ihr
+selbst in dem blutigen Gesez-Buch lesen, und selbst der Ausleger
+des strengen Buchstabens seyn; ja, und wenn unser eigner Sohn der
+Thäter wäre.
+
+Brabantio.
+Ich danke Eu. Durchlaucht unterthänig. Hier ist der Mann, dieser
+Mohr, den nun eben, wie es scheint, euer Befehl, in Geschäften des
+Staats hieher gebracht hat.
+
+Alle.
+Das thut uns herzlich leid.
+
+Herzog (zu Othello.)
+
+Und was könnt ihr, eurer Seits, hierauf antworten?
+
+Brabantio.
+Nichts, als daß es so ist.
+
+Othello.
+Erlauchte und Großmächtigste Herren, meine sehr edle, geliebte und
+gnädige Gebieter; daß ich dieses alten Mannes Tochter entführt habe,
+ist wahr; und wahr ist's, daß ich mit ihr vermählt bin--So weit
+erstrekt sich die äusserste Linie meines Verbrechens, und weiter
+nicht--Ich bin kein Redner, und wenig geübt in der friedsamen Kunst,
+die Zuhörer durch Worte zu gewinnen--Seitdem diese meine Arme
+siebenjähriges Mark hatten, bis izt, die leztverfloßnen neun oder
+zehen Monate ausgenommen, sind die Arbeiten des Kriegs meine
+einzige Beschäftigung gewesen--in diesen Kreis ist alle meine
+Wissenschaft eingeschlossen, und das ist alles, wovon ich reden kan.
+Ich werde also, indem ich für mich selbst rede, meiner Sache
+wenig Vortheil verschaffen. Und doch will ich, mit eurer Erlaubniß,
+eine aufrichtige ungeschminkte Erzählung von dem ganzen Hergang
+meiner Liebes-Geschichte machen; damit ihr sehet, durch was für
+Tränke, Zauber-Formeln, Beschwörungen und übernatürliche Künste,
+(weil ich doch solche Mittel gebraucht zu haben beschuldiget werde,)
+ich seine Tochter gewonnen habe.
+
+Brabantio.
+Ein unschuldiges junges Mädchen, die immer das zärtlichste,
+schüchternste Kind von der Welt war; eine so sanfte und ruhige
+Seele, das jede ihrer Bewegungen über sich selbst zu erröthen
+schien--und sie sollte, troz Natur, Jugend, Geburt, Ehre, allem in
+der Welt, in einen Mann verliebt werden, den sie zu furchtsam war
+nur anzusehen--Was für eine Art zu schliessen muß der haben, der
+sich vorstellen kan, daß die Natur so weit von ihren eignen Gesezen
+abweichen sollte--Es ist unmöglich; aus der Hölle mußten die
+verdammten Künste hergeholt werden, die das zuwegebringen konnten.
+Ich behaupte also noch einmal, daß er sie durch Tränke, die das
+Blut in gewaltsame Unordnung sezen, oder durch irgend ein andres
+übernatürliches Mittel mißbraucht und zu Falle gebracht habe.
+
+Herzog.
+Behaupten ist nicht Beweisen--es gehören stärkere Beweisthümer
+hiezu als die blossen nakten Vermuthungen, die ihr, in ein dünnes
+Gewand einer schaalen Wahrscheinlichkeit gekleidet, gegen ihn
+aufzustellen vermeynt.
+
+1. Senator.
+Redet dann, Othello; brauchtet ihr krumme und gewaltsame
+Kunstmittel, die Neigungen dieser jungen Tochter zu erzwingen; oder
+erhieltet ihr sie durch Bitten, und auf diejenige Weise, wie eine
+Seele die andre anzuziehen pflegt?
+
+Othello.
+Ich bitte euch, laßt die junge Dame aus dem Schüzen herholen, und
+sich selbst in Gegenwart ihres Vaters erklären; findet ihr, daß
+ihre Erzählung seine Anklage rechtfertiget, so entsezet mich nicht
+nur aller Ehren und Würden, die ich von euch empfangen habe,
+sondern laßt mein Leben selbst der strengen Gerechtigkeit verfallen
+seyn.
+
+Herzog.
+Holet Desdemona hieher.
+
+(Zween oder drey gehen ab.)
+
+Othello (zu Jago.)
+
+Fähndrich, weiset ihnen den Weg, ihr kennt den Ort am besten--
+
+(Jago geht ab.)
+
+--Und indessen bis sie kommt, will ich, so aufrichtig als ich dem
+Himmel selbst die Vergehungen meines Blutes bekenne, dieser
+ehrwürdigen Versammlung anzeigen, wie ich das Herz der schönen
+Desdemona gewonnen habe.
+
+Herzog.
+Redet, Othello.
+
+Othello.
+Ihr Vater liebte mich, lud mich oft ein, fragte mich immer nach der
+Geschichte meines Lebens, von Jahr zu Jahr, und ließ mich alle
+Schlachten, Belagerungen und Abentheuer, durch die ich passiert bin,
+erzählen. Das that ich nun, und durchlief mein ganzes Leben, von
+meinen kindischen Tagen an bis auf den nemlichen Augenblik, worinn
+er mich erzählen hieß: Und da sprach ich ihm also von den
+verschiedenen seltsamen Glüks-Wechseln, die ich erfahren, von
+hunderterley tragischen und herzbrechenden Unfällen, die mir zu
+Wasser und Land aufgestossen, und wie oft ich kaum noch auf der
+Breite eines Haars dem eindringenden Tod entgangen; und wie ich in
+die Hände grausamer Feinde gefallen, und zum Sclaven verkauft
+worden; und wie ich wieder in Freyheit gekommen, und dann die ganze
+Geschichte meiner irrenden Ritterschaft--als von ungeheuern Grotten,
+und unterirdischen Gewölben, einöden Inseln, Steinbrüchen, Felsen
+und Gebürgen, die mit dem Kopf am Himmel anstossen, und von
+Cannibalen die einander aufessen und von Anthropophagen, und von
+Leuten, die die Köpfe unter den Schultern tragen,--und was der
+Dinge mehr war, womit ich ihn zu unterhalten pflegte. Allem diesem
+hörte dann Desdemona mit grosser Aufmerksamkeit zu; und obgleich
+die Hausgeschäfte sie von Zeit zu Zeit wegrieffen, so machte sie
+sich doch so schnell als sie konnte, davon los, kam wieder zurük
+und verschlang meine Erzählung mit gierigem Ohr: Ich bemerkte
+dieses, und da sich einst eine günstige Stunde anbot, wußte ich
+bald Anlas zu machen, daß sie mich recht von Herzen bat, ihr die
+ganze Geschichte meiner Reisen, wovon sie nur einzelne, zerrißne
+Stüke gehört hatte, vollständig und im Zusammenhang zu erzählen:
+Ich willigte ein, und lokte manche Thräne aus ihren schönen Augen,
+wenn ich auf die verschiednen Trübsalen und Unfälle kam, die meine
+Jugend ausgestanden. Wie ich mit meiner Geschichte fertig war,
+belohnte sie meine Mühe mit einer Welt voll Seufzer
+
+{ed. * Es hieß "Küsse" in einigen Ausgaben; und das war freylich in
+mehr als einer Betrachtung sehr ungereimt. Pope hat die ächte
+Lesart wieder hergestellt. Das junge Fräulein, meynt er, wäre gar
+zu freygebig gewesen, wenn sie für die blosse Erzählung einer
+Historie eine Welt voll Küsse gegeben hätte--und er hat allerdings
+recht.}
+
+--sie schwur bey ihrer Treu, es sey ausserordentlich, über die
+Maassen ausserordentlich--es sey rührend, zum Verwundern rührend--
+Sie wünschte, sie hätte nichts davon gehört--und doch wünschte sie,
+der Himmel hätte einen solchen Mann für sie gemacht--und endlich
+dankte sie mir, und sagte, wenn ich einen Freund hätte, der in sie
+verliebt wäre, so möcht' ich ihn nur meine Geschichte erzählen
+lehren, und er würde sie damit gewinnen. Auf diesen Wink fieng'
+ich dann an zu reden,--und so verlohren wir beyde unsre Herzen--Sie
+liebte mich aus Mitleiden mit den Gefahren die ich ausgestanden,
+und ich liebte sie um dieses Mitleidens willen: Das ist die ganze
+Zauberey die ich gebraucht habe. Aber hier kommt sie selbst, laßt
+sie Zeugniß geben.
+
+
+
+Neunte Scene.
+
+
+Herzog.
+Ich denke, in vollem Ernst, eine solche Erzählung würde meine eigne
+Tochter noch oben drein behexen--Guter Brabantio, seht diese Sache,
+da sie nun nicht mehr zu ändern ist, von der besten Seite an. Die
+Leute brauchen im Nothfall immer lieber ihre zerbrochne Waffen, als
+die blosse Hand.
+
+Brabantio.
+Ich bitte euch, laßt sie reden. Bekennt sie, daß sie seinen Liebes-
+Bewerbungen auf halben Weg entgegen gegangen sey, so falle
+Verderben auf mein Haupt, wenn ich ihn einen Augenblik länger tadle.
+Kommt näher, angenehmes Frauenzimmer; empfindet ihr, wem in
+dieser ganzen edeln Versammlung ihr am meisten Gehorsam schuldig
+seyd?
+
+Desdemona.
+Mein edler Vater, ich empfinde daß meine Pflicht hier getheilt ist:
+Euch bin ich für mein Leben und für meine Erziehung verbunden, und
+beydes lehrt mich die Ehrfurcht die ich euch schuldig bin. Ihr
+seyd Herr über meinen Gehorsam, in so fern ich eure Tochter bin.
+Aber hier ist mein Gemahl; und soviel Ergebenheit, als meine Mutter
+gegen euch zeigte, da sie ihren Vater verließ um euch anzuhängen,
+so viel bin ich hoffentlich befugt zu bekennen, daß ich dem Mohren,
+meinem Gemahl, schuldig sey.
+
+Brabantio.
+Gott gesegne dir's; ich habe nichts mehr zu sagen. Gefällt's eurer
+Durchlaucht, so wollen wir nun von den Staats-Angelegenheiten reden.
+Ich wollte lieber ein Kind angenommen als gezeugt haben. Komm
+hieher, Mohr; hier geb ich dir von ganzem Herzen, was ich, wenn
+du's nicht schon hättest, von ganzem Herzen vor dir verwahren
+wollte. Um euertwillen, Kleinod, bin ich in der Seele froh daß ich
+keine andre Kinder habe--Denn der Streich, den du mir gespielt hast,
+würde mich tyrannisch genug machen, ihnen Klöze anzuhängen. Ich
+bin fertig, Gnädigster Herr.
+
+Herzog.
+Laßt mich nun in meinem eignen Character, in der Person eines
+allgemeinen Vaters reden, und ein Urtheil fällen, das diesen
+Liebenden zu einer Stuffe diene, sie wieder in eure Gunst zu heben.
+
+{ed. * Von hier an spricht der Herzog im Original in Reimen, und wird
+von Brabantio in gleicher Münze bezahlt.}
+
+Sobald nicht mehr zu helfen ist, so hat man das Aergste gesehen,
+und Klagen sind nicht nur fruchtlos, sondern der nächste Weg ein
+geschehenes Unglük mit einem neuen zu häuffen. Wenn die Klugheit
+die Streiche des Glüks nicht allemal verhindern kan, so kan doch
+Geduld einen Scherz aus seinen Beleidigungen machen. Der Beraubte,
+der dazu lächelt, stiehlt dem Räuber etwas, und der beraubt sich
+selbst, der sich in vergeblichem Kummer verzehrt.
+
+Brabantio.
+Wenn das ist, so laßt die Türken uns immer Cypern wegnehmen; wir
+verliehren's nicht, so lange wir dazu lachen können--Ich erkenne,
+Gnädigster Herr, die Weisheit euers Raths--Aber Worte sind doch nur
+Worte, und ein verwundetes Herz ist noch nie durch die Ohren
+geheilt worden--Ich bitte euch, zu den Staats-Geschäften.
+
+Herzog.
+Die Türken machen furchtbare Zurüstungen, Cypern anzugreiffen:
+Othello, dir ist am besten bekannt, in was für einem Vertheidigungs-
+Stand der Plaz ist. Wir haben zwar einen Befehlshaber von
+bekannter Tüchtigkeit daselbst: Allein die allgemeine Meynung, die
+unumschränkte Königin der Welt, verspricht sich von euch eine noch
+grössere Sicherheit; laßt's euch also gefallen, über die Glasur
+euers neuen Glüks hinweg zu schlüpfen, und die Freuden der Liebe
+mit den Beschwerden dieser hartnäkigen und Gefahr-vollen
+Unternehmung zu vertauschen.
+
+Othello.
+Die tyrannische Gewohnheit, erlauchte Senatoren, hat das steinharte
+und stählerne Lager des Kriegs mir längst zum weichsten Pflaum-
+Bette gemacht. Die rauhe Arbeit des Kriegs ist für mich ein
+Lustspiel, dem meine Seele mit angebohrner, flatternder Freudigkeit
+entgegen eilt. Ich unterziehe mich also dem gegenwärtigen Krieg
+mit den Ottomannen; und alles, warum ich die Durchlauchtigste
+Republik mit gebognen Knien bitte, ist, meine Gemahlin in ihren
+unmittelbaren Schuz zu nehmen, und darauf bedacht zu seyn, daß sie
+an einem anständigen Ort, und mit allem dem Glanz und Ansehen, so
+sich für ihre Geburt schikt, unterhalten werde.
+
+Herzog.
+Also, in ihres Vaters Hause.
+
+Brabantio.
+Das will ich nicht.
+
+Othello.
+Ich noch weniger.
+
+Desdemona.
+Auch ich wollte nicht dort wohnen, und meinen Vater zu ungeduldigen
+Gedanken reizen, wenn ich immer in seinen Augen wäre. Gnädigster
+Herr, leihet meiner Bitte ein geneigtes Ohr, und unterstüzet sie
+mit eurer Stimme.
+
+Herzog.
+Was verlangt ihr, Desdemona?
+
+Desdemona.
+Daß ich den Mohren liebte, um mit ihm zu leben, mag die
+Entschlossenheit, womit ich so vielen Vorurtheilen Gewalt angethan
+habe, durch die ganze Welt austrompeten. Mein Herz und meine
+Person sind von meinem Gemahl unzertrennlich. Ich sah Othello's
+Gesicht in der Schönheit seines Gemüthes, und seinen Verdiensten
+und heldenmässigen Eigenschaften hab ich meine Seele und mein
+ganzes Glük gewiedmet. So daß, theureste Herren, wenn ich
+zurükgelassen werde, und er in den Krieg geht, ich des Rechts,
+seine Gefahren mit ihm zu theilen, des Rechts, um deswillen ich ihn
+liebe, verlustig, und in seiner schmerzlichen Abwesenheit zu einem
+verdrießlichen Interim verurtheilt wäre. Laßt mich also mit ihm
+gehen.
+
+Othello.
+Eure Genehmigung, Gnädige Herren! Ich bitte euch, laßt sie ihren
+Willen haben. Ich bitt' es nicht aus Rüksicht auf den Vortheil
+meines eignen Vergnügens, nicht aus Gefälligkeit gegen die Hize
+junger Begierden, die der erste Genuß mehr gereizt als befriedigt
+hat;--sondern dem Edelmuth ihres Herzens seinen freyen Lauff zu
+lassen. Der Himmel verhüte, daß ihr mich fähig haltet, eure
+ernsthaften und grossen Angelegenheiten zu vernachläßigen, wenn sie
+bey mir ist--Nein! Wenn jemals die kindischen Puppen-Spiele des
+befiederten Cupido die Werkzeuge meines Verstands und meiner
+Thätigkeit in üppige Trägheit senken, und meine Ergözungen meinen
+Arbeiten schädlich sind; dann laßt Haus-Weiber eine Brey-Pfanne aus
+meinem Helm machen, und die unwürdigsten, schmählichsten
+Wiederwärtigkeiten sich zum Untergang meines Ruhms verschwören.
+
+Herzog.
+Ihr Gehen oder Bleiben soll eurer eignen Willkühr überlassen seyn--
+Die Geschäfte fordern die hastigste Eilfertigkeit. Ihr müßt diese
+Nacht noch fort.
+
+Desdemona.
+Diese Nacht, gnädigster Herr?
+
+Herzog.
+Diese Nacht.
+
+Othello.
+Von Herzen gerne.
+
+Herzog.
+Morgen um neun Uhr wollen wir hier wieder zusammen kommen. Othello,
+laßt einen Officier zurük, durch den wir euch euer Patent, und
+eure Instruction nachschiken können.
+
+Othello.
+Wenn es Eu. Durchlaucht nicht entgegen ist, so ist hier mein
+Fähndrich, ein Mann von Ehre und Redlichkeit, dem ich die
+Begleitung meines Weibs anvertrauen will, und durch den mir
+zugleich alles andre nachgeschikt werden kan, was Eu. Durchlaucht
+für nöthig hält.
+
+Herzog.
+Ich bin's zufrieden. Gute Nacht allerseits--(Zu Brabantio.)
+
+Und, edler Signor, wenn Tugend die glänzendste Schönheit ist, so
+ist euer Tochtermann mehr weiß als schwarz.
+
+Senator.
+Adieu, tapfrer Mohr, begegne Desdemonen wol.
+
+Brabantio.
+Sieh fleissig zu ihr, Mohr, wenn du Augen hast; sie hat ihren Vater
+betrogen, und wird dir's vielleicht nicht besser machen.
+
+(Der Herzog und die Senatoren gehen ab.)
+
+Othello.
+Ich stehe mit meinem Leben für ihre Treue--Ehrlicher Jago, dir muß
+ich meine Desdemona hinterlassen; ich bitte dich, gieb ihr deine
+Frau zur Gesellschaft, und bringe sie mit der besten Gelegenheit
+nach. Komm, Desdemona, ich habe nur eine Stunde, die ich der Liebe
+und unsern Angelegenheiten schenken kan. Wir müssen der Zeit
+gehorchen.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Zehnte Scene.
+ (Rodrigo und Jago bleiben.)
+
+
+Rodrigo.
+Jago--
+
+Jago.
+Was willst du mir sagen, tapfres Herz?
+
+Rodrigo.
+Was denkst du, daß ich thun will?
+
+Jago.
+Was? Zu Bette gehen und schlaffen.
+
+Rodrigo.
+Ich will auf der Stelle gehn, und mich ins Wasser stürzen.
+
+Jago.
+Wenn du das thust, so werd' ich dich in meinem Leben nicht mehr
+lieb haben. Wie, du bist ein recht alberner Edelmann!
+
+Rodrigo.
+Es ist etwas albernes, leben, wenn Leben eine Qual ist; und dann,
+so sterben wir ja nach den Regeln, wenn der Tod unser Arzt ist.
+
+Jago.
+O wie niederträchtig das gedacht ist! Es ist schon viermal sieben
+Jahre, daß ich mich auf der Welt umsehe, und seitdem ich einen
+Unterscheid zwischen einer Wohlthat und einer Beleidigung machen
+kan, hab' ich noch keinen Menschen gesehen, der den Verstand hätte
+sich selbst zu lieben. Eh ich sagen wollte, ich wolle mich einer
+Guineischen Henne zulieb ersäuffen, eh wollt' ich meine Menschheit
+mit einem Wald-Teufel vertauschen.
+
+Rodrigo.
+Wie soll ich mir aber anders helfen? Ich bekenn', es macht mir
+schlechte Ehre, daß ich so vernarrt in sie bin; aber meine Tugend
+ist nicht stark genug, dem Uebel abzuhelfen.
+
+Jago.
+Tugend? Pfifferling. Auf uns kommt es an, ob wir so oder so seyn
+wollen. Unsre Leiber sind unsre Gärten, und unser Wille ist der
+Gärtner darinn. Ob wir Nesseln oder Lattich drein säen wollen, ob
+wir ihn mit Ysop oder Thymian, mit einer einzigen Art von Gewächsen,
+oder mit vielerley Gattungen besezen, aus Faulheit verwildern und
+unfruchtbar werden lassen, oder durch fleissige Wartung in guten
+Stand sezen wollen: Das hängt alles lediglich von unsrer Willkühr
+ab. Hätten wir nicht in der Waage unsers Lebens eine Schaale voll
+Vernunft, um die Sinnlichkeit in der andern im Gleichgewicht zu
+halten, zu was für tollen Ausschweiffungen würde uns die Hize des
+Bluts und der thierische Trieb dahinreissen? Aber wir haben die
+Vernunft dazu, daß sie unsre rasenden Bewegungen, unsre
+fleischliche Triebe und zügellose Lüste bändigen soll--Was nennt
+ihr Liebe? Meynt ihr, daß es eine so feyrliche Sache sey, als ihr
+euch einbildet? Ein blosser Trieb des Blutes ist's, dem der Wille
+den Zügel verhängt--Komm, sey ein Mann! dich selbst ersäuffen?
+Ersäuffe mir Kazen und junge blinde Hunde! Ich habe dir meine
+Freundschaft zugesagt, und ich mache mich groß, mit Seilen, die
+unser beyder Leben ausdauern sollen, zu deinen Diensten gebunden zu
+seyn. Izt ist die Gelegenheit, da ich dir nüzlich seyn kan. Einen
+wolgespikten Beutel, und fort in diesen Krieg! Verbräme dein
+glattes Gesichtchen mit einem falschen Bart; Geld in deinen Beutel,
+sag ich. Es ist unmöglich, daß Desdemona den Mohren in die Länge
+lieben könnte,--nur Geld in deinen Beutel--noch der Mohr sie.
+Alle Sachen, die mit solcher Heftigkeit anfangen, pflegen auch
+schnell wieder aufzuhören--Spik du nur deinen Beutel--Diese Mohren
+sind veränderlich in ihren Neigungen;--füll deinen Beutel mit Geld--
+Der Lekerbissen, der ihm izt so süß daucht wie Syrop, wird ihm
+bald genug bittrer als Coloquinten schmeken; und wenn sie, an ihrem
+Theil, sich einmal an ihm ersättiget hat, so werden ihr die Augen
+über ihre ungereimte Wahl auf einmal aufgehen. Sie (muß) sich
+ändern, sie muß! Also füll du nur deinen Beutel. Wenn du ja zum
+T** fahren willst, so thu es wenigstens auf einem angenehmern Weg
+als Ersäuffen. Mach alles zu Gelde was du kanst. Wenn Tugend und
+ein armes zerbrechliches Gelübde zwischen diesem Landstreicher aus
+der Barbarey und einer super-feinen verschmizten Venetianerin,
+nicht stärker sind als mein Wiz und die ganze Zunft der Hölle, so
+sollst du sie in deine Arme kriegen. Also Geld in deinen Sekel,
+sag ich! Laß du dich lieber dafür hängen, daß du deine Lust gebüßt
+hast, als dich zu ersäuffen, und nichts dafür genossen zu haben.
+
+Rodrigo.
+Stehst du mir gut für meine Hoffnungen, wenn ich's wage?
+
+Jago.
+Verlaß dich auf mich--Geh, mach Geld zusammen--Ich habe dirs oft
+gesagt, und sage dirs wieder und wieder, ich hasse den Mohren.
+Meine Ursach stekt mir tief im Herzen; dein Haß hat keinen
+schlechtern Grund. Laß uns gemeine Sache machen, um unsre Rache an
+ihm zu nehmen. Wenn du ihn zum Hahnrey machen kanst, so machst du
+dir selbst ein Vergnügen, und mir einen Spaß. Die Zukunft geht mit
+allerley Begebenheiten schwanger, von denen sie zu gehöriger Zeit
+entbunden werden wird. Geh du izt, und sorge für Geld; morgen mehr
+von dieser Materie. Adieu.
+
+Rodrigo.
+Wo sehen wir einander morgen?
+
+Jago.
+In meinem Quartier.
+
+Rodrigo.
+Ich will bey Zeiten kommen.
+
+Jago.
+Gut, geht nur, lebt wohl. Hört ihr, Rodrigo?
+
+Rodrigo.
+Was soll ich hören?
+
+Jago.
+Nichts mehr vom Ersäuffen, hört ihr's?
+
+Rodrigo.
+Es ist mir anders gekommen: Ich will gehen und alle meine Güter zu
+Geld machen.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Eilfte Scene.
+ (Jago bleibt zurük.)
+
+
+Jago (allein.)
+Geht nur, lebt wohl, nur einen wohlgespikten Beutel,--Bin ich nicht
+ein gescheidter Kerl? So mach' ich aus meinem Narren meinen
+Schazmeister--Denn das hiesse wol meine erworbne Geschiklichkeit
+übel anwenden, wenn ich die Zeit mit einem solchen kleinen
+Schneppen verderben wollte, ohne daß ich Spaß und Vortheil davon
+hätte. Ich hasse den Mohren, und das Publicum thut mir die Ehre an,
+und glaubt, er habe zwischen meinen Bett-Laken meine Stelle
+vertreten. Ich weiß nicht, ob es so ist--aber mir ist eine blosse
+Vermuthung von dieser Art genug, um so zu handeln, als ob ich's mit
+Augen gesehen hätte. Er mag mich wol leiden--Desto beßre
+Gelegenheit hab ich, ihm beyzukommen; Cassio ist ein Mann, der zu
+meinem Vorhaben taugt: Laßt einmal sehen--seine Stelle zu kriegen
+und meinen Haß zu ersättigen--Wie, wie kommt das? Laßt sehen--
+Nach einiger Zeit dem Othello mit einer guten Art in's Ohr raunen,
+daß er zu vertraulich mit seiner Frau ist--Seine Figur und sein
+ganzes Betragen, werden den Verdacht rechtfertigen; er ist der Mann
+dazu, die Weiber ungetreu zu machen. Der Mohr ist von der offnen
+treuherzigen Art Leuten, welche die Leute für ehrlich hält, wenn
+sie so aussehen; er wird sich so gutwillig an der Nase herumführen
+lassen wie ein Esel--Ich hab es--Mein Entwurf ist gezeugt--und Rach
+und Hölle sollen die scheußliche Mißgeburt ans Taglicht bringen!
+
+(ab.)
+
+
+
+
+Zweyter Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+ (Die Hauptstadt von Cypern.)
+ (Montano, Statthalter von Cypern, und zween Officiers.)
+
+
+Montano.
+Was könnt ihr vom Vorgebürg in der See unterscheiden?
+
+1. Officier.
+Gar nichts, als aufgethürmte Wellen; ich kan zwischen dem Himmel
+und der See nicht ein einziges Segel entdeken.
+
+Montano.
+Mich däucht, der Wind ist zu Land sehr heftig gewesen--Ein
+ungestümerer Sturm hat noch nie unsre Zinnen erschüttert--wenn er
+auf der See eben so geraset hat, was für Ribben von Eichen sind,
+wenn Berge auf sie herabschmelzen, stark genug, sich in ihren Fugen
+zu erhalten? Was für Zeitungen werden wir hievon hören?
+
+2. Officier.
+Die Zerstreuung der Türkischen Flotte--Steht nur am schäumenden
+Ufer, die zornigen Wogen scheinen euch bis in die Wolken hinauf zu
+sprizen--Man dächte, die vom Sturm geschleuderte Welle sprühe dem
+brennenden Bären Wasser entgegen, und lösche die Nachtlichter des
+Himmels aus--Ich habe in meinem Leben keinen so rasenden Sturm
+gesehen.
+
+Montano.
+Wenn die Türkische Flotte sich nicht bey Zeit in irgend eine Bucht
+hat retten können, so ist sie verlohren--es ist unmöglich, dieses
+Wetter auszuhalten.
+
+
+
+Zweyte Scene.
+ (Ein dritter Officier zu den Vorigen.)
+
+
+3. Officier.
+Etwas Neues, meine Herren, der Krieg ist zu Ende; dieses
+verzweifelte Ungewitter hat die Türken so zugerichtet, daß ihre
+Entwürfe Halt machen müssen. Ein ansehnliches Venetianisches
+Schiff hat dem Schiffbruch und der Noth des grössesten Theils ihrer
+Flotte zugesehen.
+
+Montano.
+Wie? Ist das wahr?
+
+3. Officier.
+Das Schiff ist würklich hier eingelauffen; ein Veronesisches,
+welches den Michael Cassio, den Lieutenant dieses tapfern Mohren
+Othello, an Bord hatte; der Mohr selbst ist in der Ueberfahrt
+begriffen, und wird in kurzem als oberster Kriegs-Befehlshaber hier
+in Cypern eintreffen.
+
+Montano.
+Ich bin erfreut darüber; er hat alle Eigenschaften zu einem so
+wichtigen Posten.
+
+3. Officier.
+Allein eben dieser Cassio, so tröstlich das lautet, was er uns vom
+Verlust der Türken berichtet, sieht doch düster aus, und wünscht
+daß der Mohr glüklich davon gekommen seyn möge; denn sie waren im
+heftigsten Sturm abgereist.
+
+Montano.
+Der Himmel geb' es! Ich bin sein Freund, und er ist beydes ein
+guter Soldat und ein vollkommner Feldherr. Wir wollen der See-
+Seite zugehen, sowol um das schon eingelauffene Schiff zu
+besichtigen, als dem wakern Othello, soweit bis Luft und Wasser
+sich in unserm Auge vermischt, entgegen zu sehen.
+
+Officier.
+Kommt, wir wollen das thun--Eine jede Minute däucht uns lange, bis
+wir seiner glüklichen Ankunft versichert sind.
+
+
+
+Dritte Scene.
+ (Cassio zu den Vorigen.)
+
+
+Cassio.
+Dank sollen die Tapfern dieser kriegerischen Insel davor haben, daß
+sie so gute Freunde des Mohren sind--Der Himmel beschüze ihn gegen
+der Wuth der Elemente; ich hab' ihn in einer gefährlichen See
+verlohren.
+
+Montano.
+Ist sein Schiff gut?
+
+Cassio.
+Sein Schiff ist gut gezimmert, und sein Pilot ein Mann von
+Erfahrung und bewährter Geschiklichkeit: Ich bin also nicht ohne
+Hoffnung.
+
+Hinter der Scene
+Ein Segel! ein Segel! ein Segel!
+
+Cassio.
+Was bedeutet dieses Geschrey?
+
+1. Officier.
+Die Stadt ist leer; Schaarenweis steht das Volk am Ufer, und sie
+ruffen: Ein Segel!
+
+Cassio.
+Ich hoffe es ist des Ober-Befehlhabers.
+
+Officier.
+Sie geben ihm ihre Freude durch Zujauchzungen zu erkennen; es sind
+Freunde, wenigstens.
+
+Cassio.
+Ich bitte euch, mein Herr, geht und bringt uns Gewißheit, wer
+angekommen ist.
+
+Officier.
+Ich will.
+
+(ab.)
+
+Montano.
+Aber mein lieber Lieutenant, ist euer General vermählt?
+
+Cassio.
+Ja, und höchstglüklich; er hat eine junge Gemahlin davongetragen,
+die alles übertrift, was das ausschweiffende Gerücht zu ihrem Lob
+sagen kan: eine Gemahlin, deren Schönheit den Pinsel des feinsten
+Mahlers beschämt, und die in einem irdischen Kleide ein wahrer
+Auszug aller Vollkommenheiten der Schöpfung ist--
+
+
+
+Vierte Scene.
+ (Der Officier kommt zurük.)
+
+
+Cassio.
+Wie steht's? Wer ist eingelauffen?
+
+Officier.
+Ein gewisser Jago, der Fähndrich des Generals.
+
+Cassio.
+Das kostbare Kleinod, womit er beladen war, hat seine Fahrt so
+glücklich gemacht; die Ungewitter selbst, schwellende Seen und
+heulende Winde, die Wasserbedekten Felsen und die aufgehäuften
+Sandbänke, (Verräther, die im Verborgnen lauren, den schuldlosen
+Kiel anzuhalten) vergessen, gleich als ob sie ein Gefühl der
+Schönheit hätten, ihre natürliche Grausamkeit, um die göttliche
+Desdemona unbeleidigt durchzulassen.
+
+Montano.
+Wer ist diese?
+
+Cassio.
+Sie, von der ich sprach, die Beherrscherin unsers grossen
+Befehlshabers, die er der Führung des kühnen Jago anvertraut hat,
+und deren beschleunigte Ankunft unsern Gedanken um eine Woche
+wenigstens zuvorkömmt. Beschüze nun, o Himmel, beschüze noch
+Othello! und schwelle seine Seegel mit deinem eignen allmächtigen
+Athem auf, damit er mit seinem schönen Schiff diese Bay beselige,
+und wenn seine Liebe in Desdemonens Armen die Entzükung des
+Wiedersehens ausgeathmet hat, unsre erlöschende Geister in neues
+Feuer seze, und ganz Cypern mit Muth und Vertrauen erfülle.--
+
+
+
+Fünfte Scene.
+ (Desdemona, Jago, Rodrigo und Aemilia zu den Vorigen.)
+
+
+Cassio.
+--O sehet! der Schaz des Schiffes ist ans Land gekommen: Ihr
+Männer von Cypern, laßt eure Knie sie bewillkommen! Heil dir,
+Gebieterin, und jeder Segen des Himmels gehe vor dir her, folge dir,
+und schwebe zu deiner Seiten rings um dich her.
+
+Desdemona.
+Ich danke euch, tapfrer Cassio--Was für Nachrichten könnt ihr mir
+von meinem Herrn geben?
+
+Cassio.
+Er ist noch nicht angeländet, doch weiß ich nichts anders, als daß
+er wohl ist und in kurzem hier seyn wird.
+
+Desdemona.
+O--ich besorge nur--Wie verlohret ihr ihn?
+
+Cassio.
+Der heftige Streit zwischen Luft und Meer trennte unsre
+Gesellschaft--Aber horcht, ein Segel!
+
+Hinter der Scene:
+Ein Segel! ein Segel!
+
+Officier.
+Dieser Gruß wird gegen die Citadelle gemacht; es ist gleichfalls
+ein Freund.
+
+Cassio.
+Seht was es ist: Mein lieber Fähndrich, willkommen! (Zu Aemilia,
+mit einem Kuß.)
+Willkommen, Madam. Nehmt mir nicht übel, mein guter Jago, daß ich
+meiner Freude den Lauf lasse; es ist eine Gewohnheit von meiner
+Erziehung her, daß ich so frey im Ausdruk einer schuldigen
+Höflichkeit bin.
+
+Jago.
+Ich wollte, mein Herr, sie wäre gegen euch so freygebig mit ihren
+Lippen, als sie es oft gegen mich mit ihrer Zunge ist, ihr würdet
+ihrer genug kriegen!
+
+Desdemona.
+Wie, sie spricht ja gar nichts.
+
+Jago.
+Wahrhaftig, nur zuviel; ich find' es immer, wenn ich gerne schlafen
+möchte; vor Euer Gnaden, da glaub' ich selber, daß sie ihre Zunge
+ein wenig in ihr Herz stekt, und nur in Gedanken keift.
+
+Aemilia.
+Ihr habt wenig Ursache so zu reden.
+
+Jago.
+Kommt, kommt, ich kenne euch Weiber so gut als einer; ihr seyd
+Gemählde ausser Hause; Gloken in eurem Zimmer; wilde Kazen in eurer
+Küche; Heilige, wenn ihr beleidigt; Teufel, wenn ihr beleidigt
+werdet; Comödiantinnen in eurer Wirthschaft, und nirgends Haus-
+Weiber, als in--euerm Bette.
+
+Desdemona.
+O fy, schämt euch, ihr garstiger Verläumder!
+
+Jago.
+Nein, es ist wie ich sage, oder ich will ein Türk seyn; ihr steht
+auf, um zu spielen, und legt euch zu Bette, um zu arbeiten.
+
+Aemilia.
+Ihr sollt mir gewiß keine Lobrede schreiben!
+
+Jago.
+Ich rathe euch nicht, daß ihr mich dazu bestellet.
+
+Desdemona.
+Was würdest du von mir schreiben, wenn du mich loben müßtest?
+
+Jago.
+O Gnädige Frau, sezt mich nicht in Versuchung; ich bin nichts, oder
+ich bin ein Criticus.
+
+Desdemona.
+Kommt, eine kleine Probe--Dort ist jemand in die Bay eingelauffen.
+--
+
+Jago.
+Ja, Gnädige Frau.
+
+Desdemona.
+Ich bin nicht aufgeräumt; ich belüge das was ich bin, indem ich was
+anders scheine;--Komm, was wolltest du zu meinem Ruhm sagen?
+
+Jago.
+Ich bin würklich daran; aber, in der That, meine Erfindung geht so
+ungern von meinem Hirnkasten ab, wie Vogel-Leim von einem Frieß-Rok--
+doch meine Muse arbeitet, und nun ist sie entbunden--Ein jeder
+Mund bekennt und spricht, sie ist so weis' als schön,
+Doch eines zehrt das andre auf, das muß man auch gestehn.
+
+Desdemona.
+Vortreflich; aber wie, wenn sie schön und albern wäre?
+
+Jago.
+Albern? Gut, die blödste Schöne hatte stets so viel Verstand
+Daß sie, wo nicht einen Mann, mindstens einen Erben fand.
+
+Desdemona.
+Das sind alte abgedroschne Einfälle, um Narren im Bierhause lachen
+zu machen. Was für ein armseliges Lob hast du dann für eine, die
+häßlich und albern ist?
+
+Jago.
+Keine ist so dumm und häßlich, die an List bey schlimmer Sache
+Den Verschmiztesten und Schönsten nicht den Vorzug streitig mache.
+
+Desdemona.
+O grobe Ungeschiklichkeit! Du lobest die Schlechteste am besten.
+Aber was könntest du dann zum Lob eines Frauenzimmers sagen, das in
+der That Lob verdiente? Einer solchen, deren Verdienste so
+unstreitig wären, daß sie es auf den Ausspruch der Bosheit selbst
+ankommen lassen dürfte?
+
+Jago.
+Die, bey niemals welker Schönheit frey von Stolz und Eigensinn,
+Meisterin von ihrer Zunge, und doch keine Schreyerin,
+Immer Geld im Beutel hat, und sich nie dadurch entehrte,
+Die gelassen meiden kan, was ihr Herz sich gern gewährte;
+Die, wenn sie der Mann beleidigt, doch der Rache gern entsagt,
+Welche sanften Weiber-Herzen, wie man glaubt, so sehr behagt:
+Die so treu der Weisheit ist, daß sie nie in ihrem Leben,
+Um den Schwanz des besten Salms, eines Schel-Fischs Kopf gegeben;
+Die zwar denkt, doch was sie denkt, niemand als sich selbst
+vertraut,
+Noch, wenn ihr Verehrer folgen, aus Zerstreuung um sich schaut;
+Diese, wenn sie jemals war, konnte wol vortrefflich taugen--
+
+Desdemona.
+Und wozu dann?
+
+Jago.
+Ein Schmahl-Bier-Protocoll zu führen, und Narren auszusaugen.
+
+Desdemona.
+O, was für ein krüppelhafter, armseliger Schluß! Lerne ja nichts
+von ihm, Aemilia, ob er gleich dein Mann ist. Was sagt ihr, Cassio,
+würd' er nicht einen feinen Rath abgeben?
+
+Cassio.
+Es ist besser gemeynt als gesagt, Madam; Euer Gnaden werden den
+Soldaten grösser in ihm finden, als den Gelehrten.
+
+Jago (bey Seite.)
+Er nimmt sie bey der Hand; gut, wol gegeben--flüstert einander ins
+Ohr--Ich brauche kein stärkeres Gewebe als diß, um eine so grosse
+Fliege wie Cassio zu verstriken. Ey ja doch, lächle sie an, thu's--
+in deiner eignen Höflichkeit sollst du gefangen werden--Ihr habt
+recht, es ist so, in der That--Wenn solche arme kleine Freyheiten
+euch um eure Lieutenants-Stelle bringen sollten, so wär' es besser,
+ihr hättet eure drey Finger nicht so oft geküßt--O vortrefflich!
+wol geküßt! vortreffliche Galanterie!--es ist so, in der That--
+Noch einmal--eure Finger an eure Lippen? Ich wollt' es wären
+Clystier-Sprizen, so lieb seyd ihr mir.
+
+(Trompeten.)
+
+Ha, der Mohr kommt; ich kenne seine Trompete.
+
+Cassio.
+Es ist würklich so.
+
+Desdemona.
+Wir wollen ihm entgegen gehen--
+
+Cassio.
+Seht, hier ist er schon.
+
+
+
+Sechste Scene.
+ (Othello und Gefolge zu den Vorigen.)
+
+
+Othello.
+O meine schöne Heldin!
+
+Desdemona.
+Mein theurer Othello!
+
+Othello.
+Meine Verwundrung euch vor mir hier zu sehen, ist so groß als mein
+Vergnügen. O Wonne meines Herzens! Wenn auf jeden Sturm eine so
+süsse Stille folgte, so möchten die Winde blasen, bis sie den Tod
+aufgewekt hätten: So möchte die arbeitende Barke an Hügeln von
+Wasser bis an den Olymp hinauf klettern, dann wieder so tief sich
+tauchen, als die Hölle vom Himmel ist! Wenn ich izt sterben müßte,
+so wär's in dem Augenblik, da meine Glükseligkeit ihren höchsten
+Punkt erreicht hat; ich besorge sehr, diese Wonne meiner Seele ist
+zu groß, als daß noch eine solche in der unbekannten Zukunft für
+mich ligen kan.
+
+Desdemona.
+Das verhüte der Himmel, daß unsre Liebe und unser Vergnügen nicht
+in gleichem Maasse zunehmen sollte, wie unsre Tage wachsen!
+
+Othello.
+Amen, zu diesem holden Wunsch! Ich kan nicht genug von dieser
+Freude sagen, mein Herz ist so voll--
+
+(er küßt sie--)
+
+und diß, und diß, möge die grösseste Dissonanz seyn, die jemals
+unsre Herzen machen werden!
+
+Jago (bei Seite.)
+
+O, izt seyd ihr noch wolgestimmt; aber ich will den Wirbel legen,
+der diese Musik macht, so wahr ich ehrlich bin!
+
+Othello.
+Kommt, wir wollen in's Schloß. Nun, meine Freunde, der Krieg ist
+geendigt, eh er angefangen hat; die Türken sind ertrunken. Wie
+leben unsre alten Bekannten auf dieser Insel?--Mein liebstes Herz,
+ihr werdet in Cypern sehr geliebt werden; ich habe viele
+Freundschaft hier empfangen--O meine Liebe, ich merke daß ich mich
+vergesse; das Uebermaaß meiner Freude macht mich schwärmen.--Ich
+bitte dich, guter Jago, geh an die Rhede und laß meine Kisten
+auspaken; und den Schiffs-Patron bring' in die Citadelle zu mir; er
+ist ein geschikter Mann, dessen Verdiensten eine vorzügliche
+Achtung gebührt. Kommt, Desdemona, noch einmal willkommen in
+Cypern!
+
+(Othello und Desdemona gehen ab.)
+
+
+
+Siebende Scene.
+ (Jago und Rodrigo bleiben.)
+
+
+Jago (zu einigen Bedienten.)
+Geht ihr dem Hafen zu, ich werde in einem Augenblik folgen--(zu
+Rodrigo.)
+Komm näher, wenn du ein tapfrer Mann bist; (und man sagt doch, daß
+die Liebe auch den feigesten Seelen eine gewisse Stärke und
+Erhabenheit gebe, die ihnen sonst nicht natürlich ist)--Horch mir
+zu; der Lieutenant commandirt diese Nacht auf der Hauptwache.
+Zuerst muß ich dir sagen, daß diese Desdemona geradezu in ihn
+verliebt ist.
+
+Rodrigo.
+In ihn? Wie, das ist nicht möglich.
+
+Jago.
+Leg deine Finger auf den Mund und laß dir sagen, was du zu wissen
+brauchst. Bedenk einmal mit was für einer Heftigkeit sie anfangs
+den Mohren liebte, bloß weil er aufschnitt, und ihr romanhafte
+Lügen vorsagte. Meynst du, sein Pralen werde machen, daß sie ihn
+immer liebe? Sey nicht so einfältig, und bilde dir solche Dinge
+ein. Ihr Auge muß doch auch eine Nahrung haben. Und was ein
+Vergnügen kan sie davon haben, wenn sie den Teufel ansieht? Wenn
+die Entzükungen des Liebes-Spiels das Blut ermattet haben, so
+braucht es Reizungen, Schönheiten, Sympathie im Alter, zärtliche
+Empfindungen, was weiß ich's, kurz lauter Eigenschaften, die der
+Mohr nicht hat, um es wieder anzuflammen. Nun aber kan's nicht
+fehlen, der Abgang dieser Erfordernisse und Uebereinstimmungen wird
+ihre jugendliche Zärtlichkeit gar bald empören; sie wird finden,
+daß sie sich betrogen hat; sie wird des Mohren erst satt, dann
+überdrüssig werden, dann einen Ekel vor ihm bekommen, und ihn
+endlich gar verabscheuen, die Natur selbst wird sie das lehren und
+sie zu einer andern Wahl nöthigen. Nun, Herr, dieses vorausgesezt,
+(wie es dann eine ausgemachte Sonnenklare Sache ist,) wer darf sich
+dieses Glük mit beßrer Hoffnung versprechen als Cassio? Der
+geschmeidigste Schurke von der Welt; der nicht mehr Gewissen oder
+Tugend hat, als der Wohlstand und die Klugheit erfordern, um unterm
+Schuz der äusserlichen Form eines bescheidnen und wohlgesitteten
+Betragens seine geheimen Ausschweiffungen und Leichtfertigkeiten
+desto sichrer auszuüben; ein glatter, abgeteilter Schurke, ein
+Gelegenheits-Hascher, ein Gleißner, der sich das Ansehen von
+Tugenden geben kan, die er nie gehabt hat; ein verteufelter Schurke!
+Und dann kommt noch in Betrachtung, daß der Schurke hübsch, jung,
+und mit allen den Erfordernissen begabt ist, worauf Thorheit und
+unreiffe Jugend am meisten sehen. Ein schwernöthischer
+ausgemachter Schurke! Und das Weibsbild kennt ihn schon besser,
+als du dir einbildest.
+
+Rodrigo.
+Das kan ich unmöglich von ihr glauben; sie ist von einer so
+tugendhaften Gemüthsart--
+
+Jago.
+Tugendhafter Pfifferling! Der Wein den sie trinkt ist aus Trauben
+gemacht. Wenn sie tugendhaft gewesen wäre, so würde sie sich nicht
+in den Mohren verliebt haben: Tugendhafter Quark! Hast du dann
+nicht gesehen wie sie mit seiner Hand auf- und abschaukelte? Hast
+du nicht darauf Acht gegeben?
+
+Rodrigo.
+Ja, das that ich; aber das war nur Höflichkeit.
+
+Jago.
+Leichtfertigkeit war's, bey meiner Seele! Eine geheime Andeutung,
+ein stillschweigender Prologus zu einem Lustspiel, wo man keine
+Zuschauer verlangt. Sie kamen einander ja mit ihren Lippen so nah,
+daß ihr Athem sich vermischen und zusammenfliessen mußte. Das ist
+ein vertrakter Gedanke, Rodrigo! Wenn solche Vertraulichkeiten den
+Weg bahnen, so darf man sich darauf verlassen, daß die Haupt-Action
+bald nachkommen wird--Fy, Henker!--Aber, laßt euch nur von mir
+rathen, Herr. Ich hab' euch von Venedig mitgebracht. Zieht mit
+auf die Wache diese Nacht, ich will euch dazu commandieren. Cassio
+kennt euch nicht; und ich will nicht weit von euch seyn. Seht daß
+ihr dann eine Gelegenheit findet, ihn aufzubringen; redet zu laut,
+oder haltet euch über seine Art zu commandieren auf, oder thut
+sonst was das ihn ärgern kan, wie es Zeit und Umstände an die Hand
+geben werden.
+
+Rodrigo.
+Gut.
+
+Jago.
+Er ist jäh, und in einem Augenblik aufgebracht; es kan leicht
+begegnen, daß er euch einen Schlag giebt. Reizt ihn dazu; dann das
+würde mir einen vortrefflichen Anlaß geben, die Cyprier in eine
+solche Empörung gegen ihn zu sezen, daß nichts als seine Entfernung
+sie besänftigen soll. Dadurch kommt ihr desto bälder zu euerm Zwek;
+denn wenn Cassio einmal aus dem Weg ist, so will ich für das
+übrige schon Mittel finden, und ihr sollt glüklich werden.
+
+Rodrigo.
+Ich verstehe mich zu allem, wenn ihr's dahin bringen könnt.
+
+Jago.
+Dafür steh ich dir. Laß dich vor der Citadelle wieder antreffen;
+ich muß nur einen kleinen Gang machen, um sein Gepäke ans Land zu
+holen. Lebt wohl indessen.
+
+Rodrigo.
+Adieu.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Achte Scene.
+
+
+Jago (allein.)
+Daß Cassio sie liebt, das glaub ich, und daß sie ihn wieder liebt,
+das läßt sich wenigstens glauben. Was den Mohren betrift, so muß
+ich gestehen, ob ich ihn gleich nicht leiden kan, daß er von einer
+gesezten, liebreichen und edeln Gemüths-Art ist; und ich zweifle
+gar nicht daran, daß er gegen Desdemona ein recht zärtlicher Ehmann
+seyn wird. Nun lieb ich sie auch, nicht eben aus Antrieb einer
+sonderlichen Lust zu ihr, (ob ich gleich vielleicht für eben so
+grosse Sünden in des Teufels Schuldbuch stehe,) sondern mehr um an
+dem üppigen Mohren Rache zu üben, den ich im Verdacht habe, daß er
+meinem Weibe zu nah' gekommen seyn möchte; ein Gedanke, der mir wie
+mineralisches Gift an meinem Inwendigen nagt, und mir keine Ruhe
+lassen wird, bis ich quitt mit ihm bin, Weib um Weib: Oder wenn mir
+auch das fehlschlüge, so muß mir der Mohr wenigstens in eine so
+starke Eifersucht gesezt werden, daß die Vernunft selbst ihm nichts
+dagegen helfen soll. Und wenn dieser arme Venetianische Brak, den
+ich bloß um seines guten Jagens willen liebe, unserm Michael Cassio
+nur recht zu Leibe geht, so wollen wir ihn bald bey der Hüfte
+kriegen, und ihn dem Mohren auf eine Art empfehlen, die ihre
+Würkung thun soll; und der Mohr soll mir noch danken, und mich noch
+dafür lieben und belohnen, daß ich ihn fein sauber zu einem Esel
+mache, und ihn aus dem stolzen Frieden seiner Seele bis zur
+Tollheit herausbetrüge. Das alles ligt hier--aber noch verworren;
+Spizbüberey läßt ihr ganzes Gesicht nicht eher sehen, bis sie
+vollbracht ist.
+
+(Geht ab.)
+
+
+
+Neunte Scene.
+ (Die Strasse.)
+ (Ein Herold tritt auf.)
+
+
+Herold.
+Es ist Othello's, unsers edeln und tapfern Ober-Befehlhabers, Wille
+und Belieben, daß auf die zuverlässig eingelauffene Nachricht von
+dem gänzlichen Untergang der Türkischen Flotte, jedermann seine
+Freude öffentlich, durch Tänze, Freuden-Feuer, und alle die Spiele
+und Lustbarkeiten, wozu einen jeden seine Neigung treiben mag, an
+den Tag geben möge--Zumal, da noch über diese glükliche Zeitung,
+sein Vermählungs-Fest ein Gegenstand der allgemeinen Freude ist.
+Alle seine Vorraths-Kammern sind aufgeschlossen, und es ist jedem
+erlaubt von dieser fünften Stunde an, bis die Gloke eilfe
+geschlagen haben wird, zu schmausen und sich zu erlustigen, wie es
+ihm beliebt. Dieses sollte, nach seinem Befehl, durch öffentlichen
+Ausruf bekannt gemacht werden. Heil der Insel Cypern, und unserm
+edeln General!
+
+(Othello, Desdemona, Cassio, und Gefolge treten auf.)
+
+Othello.
+Mein lieber Cassio, seht diese Nacht zur Wache; wir wollen nicht
+vergessen, in unsern Lustbarkeiten nie über das Ziel der
+Anständigkeit und Mässigung hinauszuschweiffen.
+
+Cassio.
+Jago hat schon Befehl auf die Nacht; ich will aber nichts
+destoweniger selbst ein Aug' auf alles haben.
+
+Othello.
+Jago ist ein ehrlicher Mensch--Gute Nacht, Cassio. Morgen, so früh
+als euch gelegen ist, laßt mich eine Unterredung mit euch haben--
+
+(Zu Desdemona.)
+
+Komm, meine theure Liebe--Wenn der Kauf geschehen ist, so folgt die
+Nuzniessung;--Gute Nacht.
+
+(Othello und Desdemona gehen ab.)
+
+(Jago zu Cassio.)
+
+Cassio.
+Willkommen Jago, wir müssen zur Wache.
+
+Jago.
+Izt noch nicht, Lieutenant, es ist noch nicht zehn Uhr. Unser
+General hat uns seiner Desdemona zu lieb so früh entlassen, und wir
+können ihn nicht deßwegen tadeln--es ist seine erste Nacht, und sie
+ist ein Lekerbissen für einen Jupiter.
+
+Cassio.
+Sie ist eine vortreffliche Dame.
+
+Jago.
+Und sie liebt das Spiel, ich stehe für sie.
+
+Cassio.
+In der That, sie ist ein reizendes Geschöpf.
+
+Jago.
+Was sie für ein paar Augen hat! Es ist, als ob sie einen
+auffordern--
+
+Cassio.
+Sehr anziehende Augen, und doch, wie mich däucht, vollkommen
+sittsam.
+
+Jago.
+Und wenn sie redt, ist nicht der blosse Ton ihrer Stimme ein Signal
+zur Liebe?
+
+Cassio.
+Sie ist, in der That, die Vollkommenheit selbst.
+
+Jago.
+Gut, viel Glüks zu ihrer Hochzeit-Nacht! Kommt, Lieutenant, ich
+habe eine Flasche Wein, und es sind ein paar brave junge Cyprier
+draussen, die gerne eins auf Othello's Gesundheit mit uns trinken
+möchten.
+
+Cassio.
+Diese Nacht kan's nicht seyn, Jago; ich habe ein armes unglükliches
+Gehirn zum Trinken. Ich möchte wol wünschen, daß man eine andre
+Manier, einander seinen guten Willen zu bezeugen, erfinden möchte
+als Gesundheittrinken.
+
+Jago.
+Oh, es sind gute Freunde; nur ein Gläschen; ich will für euch
+trinken.
+
+Cassio.
+Ich habe diesen Abend nicht mehr als einen Bechervoll getrunken,
+der noch dazu mit Wasser gemischt war, und ihr seht, was für
+Veränderungen er schon hier gemacht. Es ist ein Unglük für mich,
+daß ich so wenig ertragen kan, aber ich darf es nicht wagen, mehr
+zu thun.
+
+Jago.
+Wie, Mann? Die heutige Nacht ist dazu bestimmt, daß man sich
+lustig mache, und die jungen Herren würden sich durch unsre
+Weigerung beleidigt finden.
+
+Cassio.
+Wo sind sie?
+
+Jago.
+Hier, vor der Thür; ich bitte euch, ruft sie herein.
+
+(Cassio geht ab.)
+
+Jago (allein.)
+Wenn ich ihm, über das was er schon getrunken hat, nur noch einen
+Becher voll beybringen kan, so wird er so händelsüchtig seyn, und
+sich so unnüz machen wie meiner jungen Fräulein Hund--Nun hat mein
+ehrlicher Rodrigo, dem die Liebe nun vollends die unrechte Seite
+herausgekehrt hat, diese Nacht auch manchen Stuzer auf Desdemonens
+Gesundheit ausgeleert, und izt wird er mit auf die Wache ziehen.
+Drey junge Cyprier, frische rüstige Bursche, die Herz und Ehre
+haben, hab ich gleichfalls mit vollen Bechern zugedekt, und sie
+sind auch von der Wache. Unter dieser Schaar von Betrunknen kan es
+mir also nicht schwer fallen, unsern Cassio zu einem Exceß zu
+bringen, wodurch er diese Insulaner vor die Köpfe stößt--Aber da
+kommen sie ja schon. Wenn der Erfolg meinem Entwurf antwortet, so
+segelt mein Boot mit Wind und Fluth davon.
+
+
+
+Zehnte Scene.
+ (Cassio, Montano, und drey junge Cyprier.)
+
+
+Cassio.
+Beym Himmel, sie haben mir schon einen Tips angehängt.
+
+Montano.
+Einen sehr kleinen, in der That: ihr habt nicht über eine Maaß
+getrunken, so wahr ich ein Soldat bin.
+
+Jago.
+Wein her, Wein her! (er fängt an zu singen)
+ he! Wein her, ihr Jungens!
+
+Cassio.
+Beym Himmel, das war ein hübsches Lied.
+
+Jago.
+Das lernt ich in England, wo sie, in der That, mächtige Zecher sind.
+Euer Dähne, euer Deutscher, euer schmerbauchichter Holländer--he!
+zu trinken! sind nichts gegen meinen Engländer.
+
+Cassio.
+So ist euer Engländer ein so grosser Trinker?
+
+Jago.
+Ob er's ist? Ich sag euch, er trinkt euch eure Dänen zu Boden,
+ohne daß ihr's ihm anseht. Er braucht nicht zu schwizen, um über
+euern Deutschen Meister zu werden; und euern Holländer bringt er
+zum Speyen, eh die nächste Flasche gefüllt werden kan.
+
+Cassio.
+Auf die Gesundheit unsers Generals!
+
+Montano.
+Da bin ich auch dabey, Lieutenant, ich will euch Bescheid thun.
+
+Jago.
+O das liebe England!
+(König Stephan war ein braver Pair etc.)
+
+(Er singt.)
+Mehr Wein her, he!
+
+Cassio.
+Ha, das Lied ist noch schöner als das vorige.
+
+Jago.
+Wollt ihr's noch einmal hören?
+
+Cassio.
+Nein, wahrhaftig, und hielte den für einen Mann der seines Plazes
+nicht würdig wäre, der solche Dinge thun wollte--Gut--Der Himmel
+ist über uns alle; und es ist nun schon einmal so, daß die einen
+selig werden, und die andern nicht selig werden.
+
+Jago.
+Das ist wahr, Herr Lieutenant.
+
+Cassio.
+Was mich betrift, (ohne unserm General, oder sonst einem Mann von
+Stande zu nah zu treten,) so hoff' ich, selig zu werden.
+
+Jago.
+Und ich auch, Lieutenant.
+
+Cassio.
+Schon gut, aber, mit eurer Erlaubniß, nicht vor mir. Der
+Lieutenant muß vor dem Fähndrich selig werden. Sagt mir nichts
+mehr hievon!--Wir wollen von unsern Geschäften reden--Vergieb uns
+unsre Schulden!--Meine Herren, wir wollen zu unsern Geschäften
+sehen. Bildet euch nicht ein, ihr Herren, daß ich betrunken sey:
+Das ist mein Fähndrich; das ist meine rechte Hand, und das ist
+meine linke. Ich bin noch nicht betrunken, ich kan noch ziemlich
+aufrecht stehen, und ich rede noch gut genug.
+
+Alle.
+Vortreflich gut.
+
+Cassio.
+Nun, recht gut also; so müßt ihr also nicht denken, daß ich
+betrunken sey.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Eilfte Scene.
+
+
+Montano.
+Auf die Platte-Forme, meine Herren; kommt, wir wollen die Wache
+besezen.
+
+Jago.
+Ihr seht diesen Burschen, der voraus gegangen ist; er ist ein guter
+Soldat, werth zunächst an Cäsarn zu stehen, und unter ihm Befehle
+zu geben. Aber ihr seht auch sein Laster;--es ist schade für ihn--
+er hat Stunden, wo dieses einzige Gebrechen alle seine Tugenden
+unbrauchbar macht--ich fürchte nur, das Vertrauen, das Othello in
+den Mann sezt, mag in irgend einem solchen unglüklichen Augenblik
+das Verderben dieser Insel seyn.
+
+Montano.
+Ist er denn oft so?
+
+Jago.
+Es ist jedesmal der Prologus zu seinem Schlaf. Er würde euch
+zweymal vier und zwanzig Stunden an einem Weg wachen, wenn Bacchus
+seine Wiege nicht rüttelte.
+
+Montano.
+Es wäre gut, wenn dem General eine Vorstellung hierüber gemacht
+würde; vielleicht weiß er's nicht; oder sein gutes Gemüth ist von
+den Verdiensten, die an Cassio in die Augen leuchten, so
+eingenommen, daß er ihm seine Untugenden übersieht; ist's nicht so?
+
+(Rodrigo zu den Vorigen.)
+
+Jago.
+Was macht ihr hier, Rodrigo? Ich bitte euch, seht wo der
+Lieutenant ist, geht.
+
+(Rodrigo geht ab.)
+
+Montano.
+Und es ist in der That recht zu bedauren, daß der Mohr einen so
+wichtigen Plaz, die Vertretung seiner eignen Person, einem Mann
+anvertrauen soll, der mit einem so eingewurzelten Gebrechen
+behaftet ist; es wäre die That eines ehrlichen Mannes, wenn man dem
+Mohren das sagen würde.
+
+Jago.
+Der möcht' ich nicht seyn, und wenn ich diese ganze Insel damit zu
+gewinnen wüßte; ich liebe den Cassio, und wollte alles in der Welt
+thun, ihn von diesem Uebel zu heilen. Horcht, was für ein Lerm ist
+das?
+
+(Man schreyt hinter der Scene: Helft, helft!)
+(Cassio verfolgt den Rodrigo auf den Schau-Plaz.)
+
+Cassio.
+Du Raker! du Lumpenhund!
+
+Montano.
+Was habt ihr, Lieutenant?
+
+Cassio.
+Ein Schurke soll mich meine Schuldigkeit lehren! Ich will den
+Schurken in eine Kürbis-Flasche hineinprügeln.
+
+Rodrigo.
+Mich prügeln--
+
+Cassio.
+Rüppelst du dich noch, Lumpenkerl?
+
+Montano (der ihn zurükhält.)
+Haltet ein, guter Lieutenant; ich bitte euch, mein Herr, haltet ein.
+
+Cassio.
+Laßt mich gehen, Herr, oder ihr kriegt eins auf die Ohren.
+
+Montano.
+Kommt, kommt, ihr seyd ein betrunkener Mann.
+
+Cassio.
+Betrunken?--
+
+(Er zieht den Degen gegen Montano, welcher sich zur Wehr sezt.)
+
+Jago (zu Rodrigo leise.)
+Weg, sag ich, hinaus, und schlagt Lermen.
+
+(Rodrigo geht.)
+
+Nein, guter Lieutenant--Ums Himmels willen, meine Herren--Helft!
+he!--Lieutenant--meine Herren--Montano--helft, ihr Herren! das ist
+mir eine feine Wache, in der That!--Nu ja, wer hat den Einfall gar
+die Sturmgloke zu läuten?--Zum Teufel, halt! die ganze Stadt wird
+in Bewegung kommen. Fy, fy, Lieutenant! halt, sag ich! Ihr
+verliehrt eure Ehre auf eine unwiederbringliche Art.
+
+
+
+Zwölfte Scene.
+ (Othello, mit seinem Gefolge zu den Vorigen.)
+
+
+Othello.
+Was giebt es hier?
+
+Montano.
+Ich blute stark, ich bin verwundet, doch nicht tödtlich.
+
+Othello.
+Halt, so lieb euch euer Leben ist.
+
+Jago.
+Halt, he, Lieutenant--Herr--Montano--meine Herren--Habt ihr denn
+allen Verstand verlohren? Wißt ihr nicht mehr, wer, und vor wem
+ihr seyd? Der General redt mit euch--Halt, sag ich--schämt euch
+doch wenigstens, und haltet ein--
+
+Othello.
+Wie, was soll das seyn, he! Wer ist der Urheber von diesem Unfug?
+Sind wir zu Türken geworden? Und thun uns selbst was der Himmel
+den Ottomannen verboten hat? Aus Schaam wenigstens vor diesen
+Ungläubigen, macht diesem barbarischen Gefecht ein Ende; der erste
+von euch, der sich noch rührt, ist auf der Stelle des Todes! Heißt
+diese Gloke schweigen, sie schrekt diese Insel aus ihrer Ruhe auf.
+Was war denn der Anlas zu diesem Handel? Ehrlicher Jago, dein
+blasses Gesicht sagt mir, daß du bekümmert bist--Sprich, wer machte
+den Anfang? Sage die Wahrheit, so lieb ich dir bin!
+
+Jago.
+Ich weiß es nicht; wir waren alle gute Freunde, nur eben, nur noch
+vor einem Augenblik auf der Hauptwache beisammen, so freundlich wie
+Braut und Bräutigam, wenn sie zu Bette gehen wollen--und dann, in
+einem Augenblik (nicht anders als ob irgend ein aufgehender Planet
+den Leuten die Vernunft genommen hätte) sind sie mit ihren Degen
+heraus, und gehen einander auf Leib und Leben. Ich kan nicht sagen,
+was der Anlas zu diesem unsinnigen Zwist war; aber ich wollte, ich
+hätte in irgend einer rühmlichen Action diese Beine verlohren, die
+mich zu einem Theil davon geführt haben.
+
+Othello.
+Wie kommt es, Cassio, daß ihr euch so vergessen habt?
+
+Cassio.
+Ich bitte euch, entschuldigt mich, ich kan nicht reden.
+
+Othello.
+Würdiger Montano, ihr seyd sonst ein gesitteter Mann: die Welt legt
+euch den Charakter eines gesezten und sittsamen Jünglings bey, und
+die Weisesten sprechen euern Namen mit Hochachtung aus. Was für
+ein Anlas konnte euch dahin bringen, euern Ruhm so leichtsinnig zu
+verschleudern, und die gute Meynung der Welt um den Namen eines
+Nacht-Schwärmers hinzugeben? Antwortet mir auf das!
+
+Montano.
+Würdiger Othello, ich bin gefährlich verwundet: Euer Officier, Jago,
+kan mir eine Mühe ersparen, die mir izt einige Ungelegenheit
+verursachen würde; er weiß alles, was ich euch sagen könnte; und
+ich wißte auch nicht was ich diese Nacht über Unrechtes gesagt oder
+gethan hätte, es wäre denn, daß Selbstvertheidigung, wenn wir
+gewaltsam angefallen werden, eine Sünde seyn sollte.
+
+Othello.
+Nun, beym Himmel, mein Blut fangt an über meine Vernunft Meister zu
+werden--Reizt mich nicht, sag ich euch, oder wenn ich nur diesen
+Arm hebe, so soll der Beste von euch unter meinem Zorn zu Boden
+sinken. Laßt mich wissen, wie dieser schändliche Tumult sich anhub;
+wer der Anfänger war; und derjenige, welcher schuldig befunden
+wird, hat einen Freund an mir verlohren, und wenn er mein Zwillings-
+Bruder wäre--Wie? in einer mit Krieg bedräuten Stadt, deren
+Einwohner noch mit Schreken angefüllt sind, sich von der Furcht
+eines feindlichen Ueberfalls noch nicht erholt haben, um Privat-
+Händeln willen einen Lerm anfangen? Und das bey Nacht, und auf der
+Hauptwache, die der Schirm der allgemeinen Sicherheit seyn soll?
+Es ist etwas ungeheures! Rede, Jago, wer war der Anfänger?
+
+Montano.
+Wenn du aus Partheylichkeit, Freundschaft oder vermeynter Pflicht
+mehr oder weniger sagst als wahr ist, so bist du kein Soldat.
+
+Jago.
+Rühret mich an keinem so empfindlichen Theil an: Ich wollte mir
+lieber diese Zunge aus dem Mund reissen lassen, als daß ich meinem
+Freund Cassio zum Schaden reden wollte: jedoch hoff' ich es könne
+ihm keinen Schaden thun, wenn ich die Wahrheit sage. So verhält
+sich die Sache, General: Montano und ich waren in einem Gespräch
+begriffen, als ein Bursche hereinzulauffen kam, der aus vollem Hals
+um Hülfe schrie, und Cassio mit blossem Degen hinter ihm her,
+vermuthlich um ihn abzustraffen. Hierüber gieng dieser Herr auf
+den Cassio zu, und bat ihn sich zufrieden zu geben, ich selbst aber
+lief dem schreienden Kerl nach, aus Furcht, sein Geschrey möchte
+(wie es auch würklich begegnet ist,) die Stadt in Unruh sezen;
+allein, da er schneller auf den Beinen war, so verlohr' ich ihn
+gleich aus dem Gesicht, kehrte also wieder zurük, um so mehr als
+ich das Klingeln und Fallen von blossen Degen und den Cassio
+gewaltig fluchen hörte, welches ich vor dieser Nacht niemals hätte
+von ihm sagen können. Wie ich nun zurük kam, so fand ich sie im
+hizigsten Gefecht begriffen, kurz, in den nemlichen Umständen,
+worinn ihr selbst sie auseinander gebracht habt. Mehr kan ich von
+diesem Handel nicht sagen. Aber Menschen sind Menschen; die besten
+vergessen sich zuweilen; und wenn ihm auch Cassio ein wenig zuviel
+gethan hat, wie denn Leute in der Wuth oft ihre liebsten Freunde
+schlagen, so glaub ich doch gewiß, daß Cassio von dem Burschen, der
+entlaufen ist, irgend eine grobe Beleidigung, die nicht zu dulden
+war, empfangen haben muß.
+
+Othello.
+Ich sehe, Jago, daß dein gutes Gemüth und deine Liebe zu Cassio
+seine Schuld zu verkleinern sucht. Cassio, ich liebe dich, aber du
+bist mein Officier nicht mehr--(Desdemona, mit Gefolge, zu den
+Vorigen.) Seht, ist nicht meine liebste Desdemona aufgestanden--ich
+will dich zu einem Exempel machen.
+
+Desdemona.
+Was ist hier zu thun?
+
+Othello.
+Es ist alles in seiner Ordnung. Komm zu Bette, meine Liebe--Mein
+Herr, ich will selbst der Arzt für eure Wunden seyn--Führt ihn nach
+Hause. Jago, laß dir die Beruhigung der Stadt angelegen seyn--Komm,
+ Desdemona; es ist einer von den Zufällen des Soldaten-Lebens, oft
+vom süssesten Schlummer durch kriegrisches Getümmel aufgewekt zu
+werden.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Dreyzehnte Scene.
+ (Jago und Cassio bleiben.)
+
+
+Jago.
+Wie, seyd ihr verwundet, Lieutenant?
+
+Cassio.
+So, daß mir alle Wundärzte der Welt nicht helfen können.
+
+Jago.
+Das verhüte der Himmel!
+
+Cassio.
+O Guter Name! Guter Name! Ich habe meinen guten Namen verlohren;
+ich habe mein unsterbliches Theil verlohren, was mir übrig
+geblieben, ist ein blosses Thier. Meinen guten Namen, Jago, meinen
+guten Namen!--
+
+Jago.
+So wahr ich ein Bidermann bin, ich dachte, ihr hättet irgend eine
+tieffe Wunde in den Leib bekommen; das hätte mehr zu bedeuten als
+ein guter Name--Diese Schimäre, die so oft ohne Verdienste gewonnen,
+und ohne Verschuldung verlohren wird. Ihr habt nichts verlohren,
+als in so fern ihr euch einbildet, daß ihr was verlohren habt. Wie,
+Mann--man kan Mittel finden, den General wieder zu gewinnen. Ihr
+seyd nur noch mündlich cassiert, eine Straffe, worinn mehr Politik
+als böser Willen ist; gerade so, als wenn einer seinen unschuldigen
+Hund schlüge, um einen übermüthigen Löwen zu erschreken. Gebt ihm
+gute Worte, so ist er wieder euer.
+
+Cassio.
+Ich wollte lieber selbst um meine Verwerfung bitten, als einen so
+rechtschaffnen General mit einem so schlechten, so versoffenen, so
+unbedachtsamen Officier betrügen. Besoffen? und plappern wie ein
+Papagay? und Händel anfangen? großpralen? fluchen? und dummes
+Zeug mit seinem eignen Schatten reden? O du unbändiger Geist des
+Weins, wenn du noch keinen Namen hast, woran man dich kennen kan,
+so laß dich Teufel heissen.
+
+Jago.
+Wer war der Kerl, den ihr mit dem Degen verfolgtet? was hatte er
+euch gethan?
+
+Cassio.
+Das weiß ich nicht.
+
+Jago.
+Ists möglich?
+
+Cassio.
+Ich erinnere mich eines verworrenen Klumpens von Sachen, aber
+nichts deutlich: Eines Handels, aber nicht warum. O daß ein Mann
+einen Feind zu seinem Mund einlassen soll, damit er ihm seine
+Vernunft wegstehlen könne! daß wir fähig sind, mit lauter Freude,
+Lust, Scherz und Wohlleben uns in Bestien zu verwandeln!
+
+Jago.
+Nun, gebt euch zufrieden, ihr seyd wieder ganz wohl: Wie habt ihr
+euch sobald wieder erholt?
+
+Cassio.
+Der Teufel der Trunkenheit hat dem Teufel des Zorns Plaz gemacht;
+eine Unvollkommenheit zeigt mir eine andre--o wie herzlich veracht'
+ich mich selber!
+
+Jago.
+Kommt, ihr seyd ein allzustrenger Moralist. In Betrachtung der
+Zeit, des Orts und der gegenwärtigen Umstände dieses Lands möcht'
+ich selbst von Herzen wünschen, es wäre nicht begegnet; aber da es
+nun einmal so ist wie es ist, so ergebt euch darein, und denkt
+darauf, wie ihr's wieder gut machen wollt.
+
+Cassio.
+Gesezt, ich geh, und bitt' ihn wieder um meine Stelle, so wird er
+mir sagen, ich sey ein Trunkenbold--Hätte ich so viele Mäuler als
+die Hydra, eine solche Antwort würde sie mir alle stopfen. Izt ein
+vernünftiger Mensch seyn, bald darauf ein Narr, und dann plözlich
+gar ein Vieh--Ein jedes Glas das man zuviel trinkt ist verflucht,
+und das Ingrediens davon ist ein Teufel.
+
+Jago.
+Kommt, kommt, guter Wein ist ein guter (Spiritus familiaris,) wenn
+man mit ihm umzugehen weiß: Keine Declamationen mehr dagegen!--Mein
+lieber Lieutenant, ich hoffe doch, ihr glaubt, daß ich euer Freund
+bin.
+
+Cassio.
+Ihr habt mir Proben davon gegeben, mein Herr--Ich, betrunken!--
+
+Jago.
+Das ist etwas, das euch und einem jeden andern ehrlichen Mann in
+der Welt einmal begegnen kan--Ich will euch sagen, was ihr thun
+solltet. Unsers Generals Frau ist izt der General. Ich kan mich
+dieses Ausdruks bedienen, weil er sich ganz und gar der Beschauung,
+Betrachtung und Beherzigung ihrer Vollkommenheiten und Schönheiten
+gewiedmet und überlassen zu haben scheint. Macht ihr ein
+freymüthiges Geständniß euers Fehlers, und laßt nicht ab, bis sie
+euch verspricht euch wieder zu euerm Plaz zu helfen. Sie ist von
+einer so großmüthigen, so gütigen, so menschenfreundlichen Gemüths-
+Art, daß sie es für einen Mangel an Güte hielte, nicht noch mehr zu
+thun als man von ihr begehrt. Bittet sie, dieses zerbrochne Band
+zwischen euch und ihrem Manne wieder zusammen zu löthen--und ich
+will alles was ich habe gegen eine Steknadel sezen, eure
+Freundschaft wird stärker werden als sie je gewesen ist.
+
+Cassio.
+Euer Rath ist gut.
+
+Jago.
+Er ist wenigstens gut gemeynt, und kommt aus einem aufrichtigen und
+freundschaftlichen Herzen.
+
+Cassio.
+Davon bin ich überzeuget; ich will es nicht länger als bis morgen
+früh anstehen lassen, die tugendhafte Desdemona um ihr Vorwort zu
+bitten; ich bin gänzlich verlohren, wenn ich auf eine so
+schimpfliche Art von hier gejagt werde.
+
+Jago.
+Ihr habt recht; gute Nacht, Lieutenant; ich muß zur Wache sehen.
+
+Cassio.
+Gute Nacht, redlicher Jago--
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Vierzehnte Scene.
+
+
+Jago (allein.)
+Und wo ist nun der, welcher sagen kan, ich spiele die Rolle eines
+Spizbuben? Da der Rath, den ich ihm gebe, gut, ehrlich, von dem
+wahrscheinlichsten Erfolg, ja in der That der gerade Weg ist, den
+Mohren wieder zu gewinnen. Denn es ist etwas sehr leichtes die
+gutherzige Desdemona zu bewegen, daß sie irgend eine erlaubte Bitte
+begünstige; sie ist von einer so überfliessend-wohlthätigen Natur
+wie die alles umfassenden Elemente. Und dann ist für sie wiederum
+nichts leichters als den Mohren zu gewinnen, wär' es auch seinem
+Taufbund zu entsagen, so gänzlich ist seine Seele in ihrer Liebe
+verstrikt; sie kan mit ihm anfangen was sie will, machen, wieder
+vernichten, wie es ihrem Eigensinn nur belieben mag, den Gott mit
+seiner Schwäche zu spielen. Bin ich denn also ein Spizbube, dem
+Cassio einen Weg zu rathen, der ihn so gerade zu seinem Besten
+führt? Beym Abgott der Hölle! wenn Teufel ihre schwärzeste Sünden
+ausüben wollen, so täuschen sie uns zuvor in himmlischen Gestalten--
+So mach' ichs würklich auch. Denn indeß daß dieser ehrliche Thor
+sich Desdemonen zu Füssen wirft, um sein Glük wieder herzustellen,
+und sie alle ihre Macht über den Mohren zu Cassio's Vortheil
+anwendet; ich will ihm den giftigen Argwohn in die Ohren blasen,
+daß sie ihn nur zu Büssung ihrer Lust so gerne bey sich zu behalten
+wünsche; und je eyfriger sie sich bemühen wird, ihm Gutes zu thun,
+je mehr wird sie ihren Credit in den Augen des Mohren verliehren.
+So will ich ihre Tugend in Pech verwandeln, und aus ihrer Güte
+selbst ein Nez machen, worinn sie alle gefangen werden sollen. Wo
+kommt ihr her, Rodrigo?
+
+
+
+Fünfzehnte Scene.
+ (Rodrigo zu Jago.)
+
+
+Rodrigo.
+Ich lauffe hier mit der Jagd, nicht wie ein Hund der jagt, sondern
+nur, wie einer der schreyen hilft. Mein Geld ist beynah
+aufgebraucht; heute Nachts bin ich ganz unvergleichlich abgeprügelt
+worden; und ich denke, das Ende vom Liede wird seyn, daß ich so
+viel Erfahrung für meine Mühe habe; und so werd' ich mit einem
+leeren Beutel und einem Bißchen mehr Wiz wieder nach Venedig zurük
+kehren--
+
+Jago.
+Was für elende Leute sind doch die, so keine Geduld haben können!
+Wenn heilt jemals eine Wunde anderst als nach und nach--Du weißst
+doch, daß wir nicht zaubern können, sondern daß alles was wir thun,
+natürlich zugehen muß; und die Natur will ihre Zeit haben. Wo
+fehlt es dann, laßt sehen? Cassio hat dich geprügelt, und du hast
+für ein paar arme Schläge diesen Cassio cassiert--Was reiff werden
+soll, muß erst blühen. Gedulde dich noch ein wenig: Es ist
+würklich schon Tag. Vergnügen und Arbeit machen, daß uns die
+Stunden kurz scheinen. Entfern' dich; geh, wohin du angewiesen
+bist; geh, sag ich--du sollst bald mehr von mir hören--Nun, so geh
+doch--
+
+(Rodrigo geht.)
+
+Nun sind zwey Dinge zu thun; mein Weib muß für den Cassio zur
+Desdemonen gehen, und das will ich bald veranstaltet haben; ich muß
+indeß den Mohren auf die Seite nehmen, und ihn nicht eher wieder
+erscheinen lassen, als gerade wenn er den Cassio bey seiner Frauen
+überraschen kan--ja, so muß es gehen--und das Eisen soll
+geschmiedet werden, weil es noch warm ist.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+
+Dritter Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+ (Vor Othello's Pallast.)
+ (Cassio, mit Musicanten, tritt auf.)
+
+
+Cassio.
+Meine Herren, hier spielt eins, (ich will eure Mühe vergelten,)
+etwas das nicht zu lange währt, und dann wünscht dem General einen
+guten Morgen.
+
+(Die Musik fängt an; Hans Wurst kommt aus dem Hause heraus.)
+
+Hans Wurst.
+Wie, ihr Herren, sind eure Instrumente in Neapel gewesen, daß sie
+so durch die Nase reden?--Hier ist Geld für euch; eure Musik
+gefällt dem General so wol, daß er wünscht, ihr möchtet ihm den
+Gefallen thun, und nicht gar zu laut damit seyn.
+
+Musicant.
+Gut, Herr, wir wollen's leiser machen.
+
+Hans Wurst.
+Wenn ihr eine Musik habt, die man nicht hört, so macht immer fort:
+Aber was man heißt, Musik zu hören, davon ist der General kein
+sonderlicher Liebhaber.
+
+Musicant.
+Eine Musik, die man nicht hört?--Wir können eine solche, Herr.
+
+Hans Wurst.
+So stekt eure Pfeiffen wieder in euern Sak, und zieht ab. Geht,
+zerfließt in Luft, fort.
+
+(Die Musicanten gehen ab.)
+
+Cassio.
+Hörst du, guter Freund?
+
+Hans Wurst.
+Mit beyden Ohren.
+
+Cassio.
+Hier ist ein kleines Goldstük für dich; wenn die Kammer-Frau der
+Generalin auf ist, so sag' ihr, es sey ein gewisser Cassio da, der
+sich die Erlaubniß ausbitte, ein paar Worte mit ihr zu reden.
+Willt du?
+
+Hans Wurst.
+Sie ist auf, Herr; wenn sie mir in den Wurf kommt, so will ich
+nicht ermangeln, es ihr zu notificieren.
+
+(Er geht.)
+
+Cassio.
+Thu das, guter Freund--Da kommt Jago eben recht.
+
+Jago. (zu ihm.)
+Ihr seyd also nicht zu Bette gegangen?
+
+Cassio.
+Nein, gewiß nicht; der Tag brach ja schon an, eh wir schieden. Ich
+bin so frey gewesen, und habe eure Frau hieher bitten lassen; ich
+will sie ersuchen, sie möchte mir Zutritt bey Desdemona verschaffen.
+
+Jago.
+Ich will sie augenbliklich hieher schiken, und indeß ein Mittel
+ausfindig machen, um den Mohren auf die Seite zu bringen, damit ihr
+ungehindert mit Desdemonen sprechen könnt.
+
+(Er geht ab.)
+
+Cassio.
+Ich dank euch gehorsamst davor--In meinem Leben hab' ich keinen
+gutherzigern und ehrlichern Florentiner gesehen! (Aemilia zu
+Cassio.)
+
+Aemilia.
+Guten Morgen, Herr Lieutenant. Es ist mir leid, daß ihr Verdruß
+gehabt habt; aber ich hoffe, es wird alles wieder gut werden. Der
+General und seine Gemahlin reden mit einander davon, und sie nimmt
+eure Parthey sehr lebhaft. Der Mohr hält ihr entgegen, derjenige,
+den ihr verwundet hättet, sey ein Mann von grossem Namen in Cypern,
+und von einer ansehnlichen Familie; er könne aus politischen
+Ursachen nicht anders, als euch von sich entfernen. Jedoch
+versichert er zu gleicher Zeit, er liebe euch, und habe keine andre
+Fürbitter nöthig, um euch wieder bey ihm in Gunst zu sezen, als
+seine eigne Zuneigung.
+
+Cassio.
+Ich bitte euch dem ungeachtet, wenn ihr anders glaubt daß es
+schiklich sey, und wenn es sich thun läßt, mir Gelegenheit zu
+verschaffen, daß ich ein paar Worte mit Desdemonen allein sprechen
+könnte.
+
+Aemilia.
+Ich bitte euch, kommt herein; ich will euch an einen Ort führen, wo
+ihr Gelegenheit haben sollt, ihr alles zu sagen was ihr auf dem
+Herzen habt.
+
+Cassio.
+Ich bin euch sehr dafür verbunden.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Zweyte Scene.
+ (Othello, Jago, und etliche Cyprische Edelleute.)
+
+
+Othello.
+Diese Briefe, Jago, gieb dem Schiffs-Patron, und bitte ihn, dem
+Senat meine Schuldigkeit zu bezeugen. Ich will indessen einen Gang
+in die Vestungs-Werker thun, mache, daß du dort wieder zu mir
+kommst.
+
+Jago.
+Ich werde nicht ermangeln, gnädiger Herr.
+
+Othello.
+Wollen wir gehen, meine Herren, und die Vestung besehen?
+
+Edelleute.
+Wir werden die Ehre haben, Eu. Gnaden zu begleiten.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Dritte Scene.
+ (Verwandelt sich in das Zimmer im Pallast.)
+ (Desdemona, Cassio, und Aemilia.)
+
+
+Desdemona.
+Sey versichert, mein guter Cassio, ich will alle meine Vermögenheit
+zu deinem Besten anwenden.
+
+Aemilia.
+Thut es, liebste Madam; ich weiß, es bekümmert meinen Mann, als ob
+es seine eigne Sache wäre.
+
+Desdemona.
+Ich glaub' es, er ist ein guter Mensch; zweifelt nicht, Cassio, ich
+will meinen Herrn und euch wieder zu so guten Freunden machen, als
+ihr gewesen seyd.
+
+Cassio.
+Meine großmüthigste Gebieterin, was auch aus Cassio werden mag, so
+wird er nie was anders als euer getreuer Diener seyn.
+
+Desdemona.
+Ich weiß es; ich danke euch; ihr liebet meinen Gemahl; ihr kennt
+ihn schon lange; und seyd vollkommen versichert, er wird in dieser
+Entfernung von euch nicht weiter gehen, als er durch politische
+Ursachen sich genöthigt sehen wird.
+
+Cassio.
+Sehr wohl, Gnädige Frau; aber diese politische Freundschaft kan so
+lange währen, und indeß mit einer so leichten und wäßrichten
+Nahrung unterhalten werden, daß, indem ich abwesend bin, und ein
+andrer meine Stelle inne hat, mein General meiner Ergebenheit und
+meiner Dienste endlich gänzlich vergessen wird.
+
+Desdemona.
+Macht euch keine solche Gedanken; hier in Aemiliens Gegenwart
+verbürg' ich mich selbst für deine Stelle. Versichre dich, wenn
+ich meine Freundschaft verspreche, so darf man sich darauf
+verlassen, daß ich ihre Pflichten bis auf den äussersten Punkt
+erfüllen werde. Mein Gemahl soll keine Ruhe haben, bis er sich
+ergeben wird; er soll Tag und Nacht nichts anders hören, ich will
+ihn bis in sein Bette damit verfolgen, und er soll nichts sagen
+noch thun können, wovon ich nicht den Anlas nehme, ihn an Cassio's
+Gesuch zu erinnern; sey also ruhig, Cassio; deine Sachwalterin soll
+eher das Leben lassen, ehe sie deine Sache aufgeben soll.
+
+
+
+Vierte Scene.
+ (Othello und Jago treten von der Seite, in einiger Entfernung auf.)
+
+
+Aemilia.
+Gnädige Frau, dort kommt euer Gemahl.
+
+Cassio.
+So will ich meinen Abschied nehmen, Gnädige Frau.
+
+Desdemona.
+Warum dann? Bleibt da, und hört mich reden.
+
+Cassio.
+Izt nicht, Gnädige Frau; ich bin so übel aufgeräumt, daß ich meiner
+Sache keinen guten Schwung geben würde.
+
+(Cassio geht ab.)
+
+Desdemona.
+Gut, nach euerm Belieben.
+
+Jago (leise.)
+Ha! Das gefällt mir nicht zum Besten--
+
+Othello (zu Jago.)
+Was sagst du?
+
+Jago.
+Nichts, Gnädiger Herr; oder wenn--ich weiß selbst nicht was.
+
+Othello.
+Gieng nicht diesen Augenblick Cassio von meiner Frauen weg?
+
+Jago.
+Cassio, Gnädiger Herr?--Nein, versichert, ich kan mir nicht
+vorstellen, daß er sich, sobald er euch kommen sieht, so eilfertig
+davon schleichen würde, als ob er kein gutes Gewissen hätte.
+
+Othello.
+Ich glaube nicht anders als er war's.
+
+Desdemona.
+Wie steht's, mein Gemahl? Ich sprach eben izt mit einem
+Supplicanten, einem Mann, den eure Ungnade sehr unglüklich macht.
+
+Othello.
+Und wer ist dieser Mann?
+
+Desdemona.
+Wer sollt es seyn als euer Lieutenant, Cassio? Liebster Gemahl,
+wenn ich nur das mindeste Vermögen über euer Herz habe, so söhnt
+euch auf der Stelle wieder mit ihm aus. Wenn er nicht ein Mann ist,
+ der euch aufrichtig liebt, und der aus blosser Uebereilung und
+nicht mit Vorsaz gefehlt hat, so versteh ich nichts davon was ein
+ehrliches Gesicht ist.
+
+Othello.
+War er's, der nur eben weggieng?
+
+Desdemona.
+Und so niedergeschlagen, daß er meinem mitleidigen Herzen einen
+Theil seines Kummers zurükgelassen hat. Ich bitte euch, mein Schaz,
+laßt ihn zurükruffen.
+
+Othello.
+Noch nicht, liebste Desdemona, ein andermal.
+
+Desdemona.
+Aber doch bald?
+
+Othello.
+Bald genug, mein Herz, für dich.
+
+Desdemona.
+Heute, Abends, zum Nacht-Essen?
+
+Othello.
+Das nicht.
+
+Desdemona.
+Also doch morgen auf den Mittag?
+
+Othello.
+Ich esse morgen mit einigen Officiers in der Citadelle zu Mittag.
+
+Desdemona.
+Nun, also doch Morgen Nachts, oder Dienstag Morgens oder Nachts,
+oder Mittwoch Morgens, ich bitte dich, bestimme die Zeit; aber laß
+es nicht länger als drey Tage seyn; bey meiner Treue, er ist
+bußfertig; und doch ist sein Verbrechen, nach der gemeinen Art
+davon zu urtheilen und bey Seite gesezt, daß in Kriegszeiten von
+einem Officier das beste Exempel gefordert wird, eine kleine
+Uebereilung, die kaum einen Privat-Verweis verdient--Wenn soll er
+kommen? Sag mir's, Othello! Mich nimmt in der Seele Wunder, was
+ihr mich bitten könntet, das ich euch abschlagen würde, oder wobey
+ich so verdrieslich dastühnde! Wie? Michael Cassio!--Der eurer
+Liebe zu mir so gute Dienste leistete; der so oft, wenn ich nicht
+sehr vortheilhaft von euch sprach, eure Parthey nahm--und ich soll
+soviel Mühe haben, ihn wieder bey euch in Gunst zu sezen? Glaubt
+mir auf mein Wort, ich wollte wohl mehr--
+
+Othello.
+Ich bitte dich, laß es genug seyn; er kan kommen, wenn er will; ich
+will dir nichts abschlagen.
+
+Desdemona.
+Wie, das ist keine Gefälligkeit, die ich für mich bitte; es ist als
+ob ich euch bitte eure Kleider zu tragen oder von einer gesunden
+Speise zu essen, oder euch warm zu halten; kurz, als ob ich bey
+euch darum anhielte, daß ihr euch selbst etwas zu gut thun möchtet.
+Nein, wenn ich eine Bitte habe, wodurch ich eure Liebe in der That
+auf die Probe zu stellen gedenke, so soll es etwas schweres und
+grosses seyn, etwas das Herz erfordert, um bewilliget zu werden.
+
+Othello.
+Ich werde dir nichts abschlagen, und alles was ich mir dagegen von
+dir ausbitte, ist, daß du mich izt ein wenig allein lassen wollest.
+
+Desdemona.
+Sollt' ich euch's abschlagen? Nein; lebt wohl, mein Gemahl.
+
+Othello.
+Lebe wohl, meine Desdemona, ich will gleich folgen.
+
+Desdemona.
+Aemilia, komm; seyd wie es euch eure Laune eingiebt, ihr mögt seyn
+wie ihr wollt, so bin ich gehorsam.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Fünfte Scene.
+ (Othello und Jago bleiben.)
+
+
+Othello.
+Anmuthsvolle Spizbübin!--Verderben erhasche meine Seele, wenn ich
+dich nicht liebe--und wenn ich dich nicht mehr liebe, so ist die
+Welt wieder zum Chaos worden.
+
+Jago.
+Mein Gebietender Herr--
+
+Othello.
+Was willt du sagen, Jago?
+
+Jago.
+Wie ihr euch um eure Gemahlin bewarbet, wußte Michael Cassio etwas
+von eurer Liebe?
+
+Othello.
+Allerdings, vom Anfang bis zum Ende: Warum fragst du?
+
+Jago.
+Bloß zu meiner eignen Befriedigung; es hat gar nichts böses zu
+bedeuten.
+
+Othello.
+Warum zu deiner eignen Befriedigung?
+
+Jago.
+Ich glaubte nicht, daß er etwas davon gewußt habe.
+
+Othello.
+Oh, ja, das hat er, und er war oft die Mittels-Person zwischen uns
+beyden.
+
+Jago.
+In der That!
+
+Othello.
+In der That? Ja, in der That! Siehst du was hierinn? Ist er
+nicht ein rechtschaffner Mann?
+
+Jago.
+Rechtschaffen, Gnädiger Herr?
+
+Othello.
+Rechtschaffen? Ja, rechtschaffen!
+
+Jago.
+Gnädiger Herr, so viel ich weiß.
+
+Othello.
+Was denkst du?
+
+Jago.
+Denken, Gnädiger Herr!
+
+Othello.
+Denken, Gnädiger Herr!--Wie, beym Himmel! Was meynst du damit, daß
+du mir immer nachhallest, gleich als ob irgend ein Ungeheuer, zu
+gräßlich um gezeigt zu werden, in deinen Gedanken verborgen läge?
+Du meynst etwas damit; vor einer kleinen Weile hört' ich dich sagen,
+(das gefalle dir nicht)--wie Cassio von meinem Weibe weggieng.
+Was gefiel dir nicht?--Und wie ich dir sagte, er sey während dem
+ganzen Lauf meiner Bewerbung um Desdemona mein Vertrauter gewesen,
+riefst du, (in der That?) und zogst deine Augbraunen auf eine Art
+zusammen, als ob du in selbem Augenblik irgend einem scheußlichen
+Gedanken in deinem Gehirn den Ausgang versperren wolltest: Wenn du
+mein Freund bist, so sage mir was du denkst.
+
+Jago.
+Gnädiger Herr, ihr wißt, daß ich euer Freund bin.
+
+Othello.
+Ich denke, du bist's: Und weil ich weiß, daß du ein gutherziger,
+ehrlicher Mann bist, und deine Worte wiegst, eh du ihnen Athem
+giebst, so schreken mich diese Pausen an dir; denn wenn es an einem
+falschen unredlichen Spizbuben ein Kunstgriff oder auch oft bloß
+ein angewöhntes Wesen ist, das nichts zu bedeuten hat; so ist es
+hingegen an einem rechtschaffnen Mann ein Zeichen, daß er sich Mühe
+giebt etwas in seinem Herzen zurück zu halten, dessen Entdekung
+schlimme Folgen habe könnte.
+
+Jago.
+Was Michael Cassio betrift, so darf ich schwören, daß ich ihn für
+einen ehrlichen Mann halte.
+
+Othello.
+Dafür halt' ich ihn auch.
+
+Jago.
+Die Leute sollten seyn, was sie scheinen; oder die es nicht sind,
+von denen wäre zu wünschen, daß sie auch so aussähen, wie Schelmen.
+
+Othello.
+Es ist wahr, die Leute sollten seyn, was sie scheinen.
+
+Jago.
+Nun, ich denke also, Cassio ist ein ehrlicher Mann.
+
+Othello.
+Nein, du willt mehr damit sagen; ich bitte dich, rede mit mir, wie
+mit deiner eignen Seele, und gieb deinem ärgsten Gedanken auch den
+ärgsten Ausdruk.
+
+Jago.
+Mein liebster General, verschonet mich. Ob ich euch gleich einen
+vollkommnen Gehorsam schuldig bin, so bin ich doch dazu nicht
+verbunden, worinn alle Sclaven frey sind--euch meine Gedanken zu
+sagen--Wie? gesezt, sie seyen einmal falsch, schändlich; wo ist
+der Pallast, in den sich nicht zuweilen garstige Dinge eindrängen?
+Wer hat ein so reines Herz, das nicht manchmal unziemliche
+Vorstellungen sich unter seine guten Gedanken einmischen sollten?
+
+Othello.
+Du bist ein Verräther an deinem Freund, Jago, wenn du glaubst, er
+werde betrogen, und ihm doch nicht entdekest was du denkst.
+
+Jago.
+Ich denke, daß ich mich vielleicht in meiner Muthmassung betrüge;
+(wie ich dann bekennen muß, daß es ein unglüklicher Fehler meines
+Temperaments ist, zum Mißtrauen geneigt zu seyn, und mir eine Sache
+manchmal schlimmer einzubilden als sie ist,) ich bitte euch also,
+Gnädiger Herr, euch selbst aus den ungefehren und unsichern
+Bemerkungen eines Menschen, den sein Argwohn so leicht betrügen kan,
+keine Ursachen zur Unruhe zu ziehen: Es wäre nicht gut für euch,
+und nicht ehrlich und vernünftig an mir, wenn ich euch meine
+Gedanken wollte wissen lassen.
+
+Othello.
+Was meynst du damit?
+
+Jago.
+Der gute Name, mein liebster gnädiger Herr, ist bey Manns- und
+Weibsleuten ein Kleinod das ihnen so theuer seyn soll als ihre
+Seele. Wer mir mein Geld stiehlt, stiehlt Quark; es ist etwas und
+ist nichts; es war mein, nun ists sein, und ist schon ein Sclave
+von Tausenden gewesen; aber wer mir meinen guten Namen nimmt,
+beraubt mich eines Schazes, der ihn nicht reicher und mich in der
+That arm macht.
+
+Othello.
+Ich will wissen, was du denkst--
+
+Jago.
+Ihr könntet das nicht, wenn ihr gleich mein Herz in eurer Hand
+hättet; und sollt es nicht, so lang es in meiner Verwahrung ist.
+
+Othello.
+Ha!
+
+Jago.
+Oh, Gnädiger Herr, nehmt euch vor der Eifersucht in Acht; sie ist
+ein grün-äugiges Ungeheuer, das sich toller Weise von demjenigen
+nährt was es am meisten verabscheut. Mancher betrogne Ehemann ist
+seines Schiksals gewiß, ohne desto unglüklicher zu seyn, weil ihm
+seine Ungetreue gleichgültig ist--Aber, o was für unselige Minuten
+zählt derjenige über, der vor Liebe schmachtet und doch zweifelt;
+der argwöhnet, und nur desto heftiger liebt!
+
+Othello.
+Ein elender Zustand, beym Himmel!
+
+Jago.
+Arm und zufrieden, ist reich und reich genug; aber ein
+unermeßlicher Reichthum ist so arm als der Winter für denjenigen,
+der immer besorgt, es werde ihm ausgehen. Gütiger Himmel! bewahre
+alle menschlichen Herzen vor Eifersucht!
+
+Othello.
+Wie? Was meynst du damit? Denkst du, ich wollte jemals mein Leben
+in Eifersucht zubringen? Die Monds-Veränderungen unverwandt mit
+argwöhnischen Augen begleiten? Nein, einmal zweifeln heißt bey mir
+entschlossen seyn. Tausche mich gegen eine Ziege aus, wenn ich
+jemals fähig bin meine Seele so mißgeschaffnen Gespenstern einer
+kranken Phantasie Preiß zu geben, als du dir einbildest. Das kan
+mich nicht eifersüchtig machen, wenn jemand sagt, mein Weib ist
+schön, ißt mit gutem Appetit, liebt Gesellschaft, ist munter,
+gesprächig, singt, spielt und tanzt gut; an einer tugendhaften
+Person werden diese Dinge selbst zu Tugenden. Eben so wenig werd'
+ich jemals von meinen eignen Unvollkommenheiten Anlas zum kleinsten
+Zweifel oder Verdacht einer Untreue von ihrer Seite nehmen; denn
+sie hatte Augen und wählte mich. Nein, Jago; ich will sehen eh ich
+zweifle; wenn ich zweifle, so will ich Beweise; und sobald ich
+diese habe, weg auf einmal mit Liebe und Eifersucht!
+
+Jago.
+Das hör' ich sehr gerne; dann nun darf ich mir also kein Bedenken
+mehr machen, euch die Freundschaft und Ergebenheit sehen zu lassen,
+die ich zu euch trage. Nehmt also was ich sagen werde so auf, wie
+es gemeynt ist. Ich rede noch nicht von Beweisen; gebt auf eure
+Gemahlin Acht, habt ein aufmerksames Auge auf sie und Cassio, das
+ist alles was ich sagen kan: Nicht eifersüchtig, aber auch nicht
+sicher; ich möchte nicht gerne, daß ein so edles Gemüthe wie das
+eurige, aus einem Uebermaaß von angebohrner Gutherzigkeit betrogen
+würde; seht euch also vor. Ich kenne die Venetianische Landes-Art;
+in Venedig bekümmern sie sich wenig, ob der Himmel ein Zeuge ihrer
+Streiche ist, wenn nur ihre Männer nichts davon gewahr werden; ihre
+gröste Gewissenhaftigkeit geht insgemein nicht weiter, als daß sie
+niemand zusehen lassen, wenn sie sündigen.
+
+Othello.
+Sagst du das?
+
+Jago.
+Sie betrog ihren Vater, wie sie sich euch ergab; und zu eben der
+Zeit, da sie euch am heftigsten liebte, stellte sie sich, als ob
+sie sich vor euch fürchte.
+
+Othello.
+Das machte sie würklich so.
+
+Jago.
+Macht also den Schluß; konnte sie, so jung, so unschuldig als sie
+war, sich so gut verstellen, daß ihr eigner Vater von allem was in
+ihrem Herzen vorgieng, nichts gewahr werden konnte--Er dachte, es
+müsse nothwendig Zauberey dabey gebraucht worden seyn--Doch ich bin
+sehr zu tadeln: Ich bitte euch recht demüthig um Vergebung, daß ich
+mich von meiner Liebe zu euch so weit verleiten lasse.
+
+Othello.
+Ich bin euch auf immer dafür verbunden.
+
+Jago.
+Ich sehe doch, es hat eure Lebensgeister ein wenig in Unordnung
+gebracht.
+
+Othello.
+Im mindsten nicht, im mindsten nicht!
+
+Jago.
+Glaubt mir, ich besorge, es ist so etwas; ich hoffe wenigstens, ihr
+werdet überzeugt seyn, daß, was ich sagte aus Freundschaft zu euch
+geflossen ist. Aber, ich seh' es, ihr seyd beunruhigt--Ich bitte
+euch recht inständig, meinen Reden keine schlimmere Auslegung zu
+geben, als meine Meynung ist.
+
+Othello.
+Das will ich auch nicht.
+
+Jago.
+Thätet ihr's, Gnädiger Herr, so könntet ihr Folgen daraus ziehen,
+an die ich in der That nie gedacht habe. Cassio ist mein Freund
+und ein Mann der Verdienste hat--Gnädiger Herr, ich sehe, ihr seyd
+unruhig--
+
+Othello.
+Nein, nicht sonderlich unruhig--ich denke nichts anders, als
+Desdemona ist tugendhaft.
+
+Jago.
+Lange lebe sie so! Und lange möget ihr leben, so zu denken!
+
+Othello.
+Und doch, wenn die Natur einmal aus ihrem Geleis getreten ist--
+
+Jago.
+Das ist eben der Punct--Daß sie (wenn ich so frey seyn darf, es
+herauszusagen) so viele Partheyen, die ihr natürlicher Weise hätten
+angemeßner scheinen sollen, abgewiesen hat, um sich einem Liebhaber
+zu ergeben, dessen Landesart, Farbe und Alter dem ihrigen so
+entgegen gesezt war. In der That, das scheint etwas
+ausschweiffendes in ihrem Gemüth, eine gewisse Ueppigkeit und
+Unordnung ihrer Einbildung und ihrer Neigungen anzuzeigen. Doch
+ich bitte euch um Vergebung, ich rede eigentlich nicht von ihr ins
+besondere; ob ich gleich nicht ohne alle Sorge bin, so könnte, bey
+kühlerm Blut, darauf fallen, eure Gestalt mit derjenigen von ihren
+Landsleuten zu vergleichen, und sich vielleicht ihre Wahl gereuen
+zu lassen.
+
+Othello.
+Leb wohl, leb wohl; wenn du etwas weiters merkest, so laß mich's
+wissen: Trag es deiner Frau auf, sie genau zu beobachten. Verlaß
+mich, Jago.
+
+Jago.
+Ich beurlaube mich, gnädiger Herr.
+
+(Er geht.)
+
+Othello.
+O warum heurathete ich! Dieser ehrliche Mann sieht und weiß ohne
+Zweifel mehr, weit mehr, als er sagt.
+
+Jago (wieder zurükkommend.)
+Gnädiger Herr, ich wollt' ich dürfte Eu. Gnaden bitten, dieser
+Sache nicht weiter nachzuhängen; überlaßt es der Zeit; ob es gleich
+ganz gut wäre, daß Cassio wieder seine Stelle hätte, (denn in der
+That, bekleidete er sie mit grosser Geschiklichkeit,) so würdet ihr
+doch, wenn es euch gefiele ihn noch eine Zeitlang in der
+Ungewißheit zu lassen, dabey Anlaß finden, ihn und sein Betragen
+besser kennen zu lernen. Gebt auch acht, ob eure Gemahlin seine
+Wiedereinsezung mit Merkmalen von Ungestüm und Heftigkeit betreiben
+wird; daraus würde sich vieles abnehmen lassen. Mittlerweile
+glaubet lieber, ich treibe meine Besorgnisse zu weit, und begegnet
+ihr so, daß sie keine Veränderung spüren könne; ich bitte Eu.
+Gnaden sehr darum.
+
+Othello.
+Verlaß dich hierüber auf meine Klugheit.
+
+Jago.
+Ich empfehle mich nochmals.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Sechste Scene.
+ (Othello allein.)
+
+
+Othello.
+Dieser Bursche ist der ehrlichste Mensch von der Welt, und kennt
+die Menschen und den Lauf der Welt meisterlich: Find' ich sie
+unkeusch, so soll alle meine Liebe sie nicht vor meinem Grimm
+retten--Vielleicht weil ich schwarz bin, und keine von den
+einschmeichelnden Eigenschaften im Umgang habe, die das ganze
+Verdienst dieser Jungfern-Knechte ausmachen; oder weil ich schon im
+herabsteigenden Alter bin--Doch, das will nicht viel sagen--Sie ist
+hin, ich bin betrogen, und mein Trost muß seyn, einen Ekel vor ihr
+zu fassen. O der Fluch des Ehestandes! Daß wir diese reizenden
+Geschöpfe unser nennen können, und nicht ihre Neigungen! Ich
+wollte lieber eine Kröte seyn, und von den Ausdünstungen einer
+Mistgrube leben, als in dem was ich liebe, einen Winkel für eines
+andern Gebrauch zu wissen. Und doch ist das die gewöhnliche Plage
+der Grossen, die hierinn unglüklicher als die Geringen sind; es ist
+ein unvermeidliches Schiksal wie der Tod--Hier kommt sie ja!
+(Desdemona und Aemilia treten auf.) Wenn sie ungetreu ist, so
+spottet der Himmel seiner selbst. Ich kan es nicht glauben!
+
+Desdemona.
+Wie geht's, mein liebster Othello? Euer Mittag-Essen, und die
+edeln Insulaner, die ihr dazu eingeladen habt, warten auf eure
+Gegenwart.
+
+Othello.
+Ich bin zu tadeln.
+
+Desdemona.
+Warum redet ihr so schwach? Fehlt euch was?
+
+Othello.
+Ich hab' einen Schmerz hier an meiner Stirne.
+
+Desdemona.
+Das kommt nur, weil ihr zu viel gewacht habt, es wird bald wieder
+vergehen. Erlaubt mir nur, daß ich euch die Stirne hart verbinde,
+so wird es in einer Stunde wieder besser seyn.
+
+(Sie zieht ihr Schnupftuch heraus, um es ihm umzubinden.)
+
+Othello.
+Euer Schnupftuch ist zu klein: laßt es gut seyn: Kommt, ich will
+mit euch gehen.
+
+(Das Schnupftuch entfällt ihr, indem sie es einsteken will.)
+
+Desdemona.
+Es ist mir recht leid, daß ihr nicht wohl seyd.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Siebende Scene.
+ (Aemilia bleibt zurük.)
+
+
+Aemilia (indem sie das Schnupftuch aufließt.)
+Ich bin froh, daß ich dieses Schnupftuch gefunden habe; das war das
+erste Geschenk, das sie von dem Mohren empfieng. Mein wunderlicher
+Mann hat mir schon hundertmal gute Worte gegeben, daß ich es
+stehlen sollte. Allein sie liebt es so sehr, (denn er beschwor sie,
+es immer zu seinem Andenken zu behalten,) daß sie es immer mit
+sich herum trägt, um es zu küssen und damit zu schwazen. Ich will
+den Riß von der Stikerey abzeichnen, und es dann dem Jago geben;
+was er damit machen will, weiß der Himmel, nicht ich: Ich habe
+nichts dabey, als seine Grille zu befriedigen. (Jago tritt auf.)
+
+Jago.
+Wie steht's? Was macht ihr hier allein?
+
+Aemilia.
+Schmählt mich nicht; ich hab etwas für euch.
+
+Jago.
+Ihr habt etwas für mich? Es ist etwas gemeines--
+
+Aemilia.
+Wie?
+
+Jago.
+Ein närrisches Weib zu haben.
+
+Aemilia.
+O, ist das alles? Was gebt ihr mir für dieses Schnupftuch?
+
+Jago.
+Was für ein Schnupftuch?
+
+Aemilia.
+Was für ein Schnupftuch?--Wie, das so der Mohr Desdemonen gab; das
+nemliche, wo ihr mich so lange schon stehlen hiesset.
+
+Jago.
+Hast du ihr's gestohlen?
+
+Aemilia.
+Nein; aber sie ließ es aus Versehen entfallen, und da ich zu allem
+Glük dabey war, so hub ich's auf; sieh, da ist es.
+
+Jago.
+Du bist ein braves Mensch; gieb mir's.
+
+Aemilia.
+Was wollt ihr damit machen, daß ihr so ernstlich haben wolltet, daß
+ich's stehlen sollte?
+
+Jago.
+Wie, was geht das dich an?
+
+Aemilia.
+Wenn es nicht zu irgend einem Vorhaben von Wichtigkeit ist, so gebt
+mir's wieder. Die arme Frau! Sie wird närrisch werden, wenn sie
+es missen wird.
+
+Jago.
+Thut nicht, als ob ihr was davon wißt. Ich hab es nöthig. Geh,
+laß mich allein--
+
+(Aemilia geht ab.)
+
+Izt will ich dieses Schnupftuch in Cassio's Quartier verliehren,
+und es ihn finden lassen. Die ärmsten Kleinigkeiten sind für
+eifersüchtige Leute so starke Bekräftigungen, als Beweise aus der
+Bibel. Dieses Ding kan zu was gut sein. Das Gift das ich dem
+Mohren beygebracht habe, fangt schon an bey ihm zu würken:
+Argwöhnische Einbildungen haben in der That die Natur des Gifts,
+welches man anfangs am Geschmak kaum erkennen kan: aber sobald es
+ins Blut übergeht, wie eine Schwefel-Mine brennt--Das sagt ich!
+
+
+
+Achte Scene.
+
+
+Jago.
+Seht, da kommt er! Weder Mohn-Saamen, noch Mandragora, noch alle
+einschläfernde Säfte in der Welt zusammen genommen werden dir
+jemals diesen süssen Schlaf wiedergeben, den du gestern noch
+hattest--
+
+Othello (vor sich.)
+Ha! Sie soll mir untreu seyn!
+
+Jago.
+Wie, wie stehts, General? Nichts solches mehr!
+
+Othello.
+Hinweg! fort! Du spannst mich auf die Folter: Ich schwör' es, es
+ist besser mit seinen Augen sehen, daß man betrogen wird, als nur
+besorgen müssen, daß man's sey.
+
+Jago.
+Wie, Gnädiger Herr?
+
+Othello.
+Was wußt' ich von ihren verstohlnen Ausschweiffungen? Ich sah sie
+nicht, ich dachte nicht daran, sie thaten mir kein Leid; ich
+schlief die Nacht darauf wohl; war ruhig und froh; ich fand
+Cassio's Küsse nicht auf ihren Lippen. Laßt den der bestohlen ward
+und das Gestohlne nicht vermißt, laßt ihn nichts davon wissen, und
+es ist soviel als ob er gar nicht bestohlen worden wäre.
+
+Jago.
+Ich bedaure, daß ich solche Dinge hören muß.
+
+Othello.
+Und hätte das ganze Lager bis auf die Troßbuben herab, ihren holden
+Leib gekostet, und ich wüßte nur nichts davon, so wär' ich glüklich.
+Aber, o! nun auf ewig fahr wohl, Ruhe des Gemüths! Fahr wohl,
+Zufriedenheit! Fahret wohl, ihr mit Federbüschen geschmükten
+Schaaren; und du, stolzer Krieg, der die schwellende Seele mit
+edler Ruhmbegierde füllt: O fahret wohl! Fahret wohl wiehernde
+Stuten, schmetternde Trompete, Muth-erwekende Trummel, und du
+muntre Queer-Pfeiffe, königliches Panner, und der ganze Prunk und
+Pomp des glorreichen Kriegs! Und, o! ihr tödtlichen Werkzeuge,
+deren eherner Rachen Jupiters furchtbaren Donner nachahmt, fahret
+wohl! Othello's Arbeit ist gethan!
+
+Jago.
+Ist's möglich, Gnädiger Herr?--
+
+Othello.
+Nichtswürdiger, sey gewiß, daß du mir beweisen kanst, daß meine
+Liebe eine Hure ist; sey dessen gewiß, gieb mir eine sichtbare
+Probe--
+
+(Er faßt ihn wüthend an.)
+
+Oder, beym Werth der unsterblichen Seele des Menschen! es wäre dir
+besser, wenn du ein Hund gebohren worden wärest, als meinem
+aufgeschrekten Grimm zu begegnen.
+
+Jago.
+Ist es dazu gekommen?
+
+Othello.
+Laß mich's sehen; oder beweis es wenigstens so, daß kein Schatten
+eines Zweifels übrig bleibe: Oder weh deinem Leben!
+
+Jago.
+Mein edler Gebieter--
+
+Othello.
+Wenn du sie unschuldig angeklagt, und mich auf diese Folterbank
+geschraubt hast, so bete nicht mehr, erstik dein Gewissen, häuffe
+Greuel auf Greuel, begeh Sünden, daß der Himmel weinen und die Erde
+sich entsezen muß; du kanst nichts ärgers thun, um das Maaß deiner
+Verdammniß voll zu machen als du schon gethan hast.
+
+Jago.
+O! Barmherzigkeit! Der Himmel steh mir bey! Seyd ihr ein Mann?
+Habt ihr eine Seele? oder ein menschliches Gefühl? Gott sey bey
+euch; nehmt mir mein Amt, und wenn ihr wollt, mein Leben dazu--O
+ich unglüklicher Thor, daß ich erleben soll daß meine Ehrlichkeit
+zum Verbrechen gemacht wird! O Welt! Welt! Das ist dein Lauff;
+ehrlich und aufrichtig, ist sein eigner Feind seyn. Ich dank' euch
+für diesen Unterricht; von nun will ich der Freundschaft gute Nacht
+geben, und niemand mehr lieben als mich selbst.
+
+Othello.
+Nein, warte--Du solltest ehrlich seyn--
+
+Jago.
+Ich sollte klug seyn; Ehrlichkeit ist ein Narr, der jedermann gutes
+thut, und nur sich selbst schadet.
+
+Othello.
+Bey allem was in der Welt ist, ich denke mein Weib ist unschuldig,
+und denke sie ists nicht; ich denke du bist rechtschaffen, und
+denke du bist's nicht; ich will Beweis haben. Ihr Name, der so
+frisch war wie Dianens Antliz, ist nun so schwarz als mein eignes.
+Nein, wenn noch Strike, noch Dolche, noch Gift, Feuer oder Wasser
+in der Welt sind, so will ich diese Pein nicht länger ausstehen--
+Ich wollt' ich wäre meines Schiksals gewiß!
+
+Jago.
+Ich sehe, Gnädiger Herr, ihr werdet von eurer Leidenschaft
+aufgerieben. Es reut mich, daß ich Anlas dazu gegeben habe. Ihr
+wollt eures Schiksals gewiß seyn?
+
+Othello.
+Ja, das will ich.
+
+Jago.
+Und könnt; aber wie? wie gewiß seyn, Gnädiger Herr? wolltet ihr
+ein Augenzeuge seyn--mit weitoffnen Augen zusehen? Sehen wie sie--
+
+Othello.
+Tod und Verdammniß! oh!
+
+Jago.
+Ich denk' es würde schwer halten, sie so vertraulich zu machen: Bey
+solchen Spielen liebt man keine fremde Augen zu Zuschauern. Was
+dann? Wie dann? Was soll ich sagen? Was nennt ihr Gewißheit? Es
+ist unmöglich, daß ihr's mit Augen sehen könnt; und wenn sie so
+unverschämt wären wie Geissen, so hizig wie die Wald-Teufels, und
+so unbesonnen wie ein Dummkopf, den man mit Wein angefüllt hat.
+Und doch sag ich, wenn Wahrscheinlichkeiten, wenn Umstände die
+geradeswegs bis vor die Thüre der Wahrheit führen, euch Gewißheit
+geben können, so könnt' ihr sie haben.
+
+Othello.
+Gieb mir einen überführenden Beweis, daß sie ungetreu ist.
+
+Jago.
+Ihr legt mir eine unangenehme Pflicht auf; aber da ich mich nun
+einmal, aus unüberlegter Aufrichtigkeit und Freundschaft, so weit
+in diese Sache eingelassen habe, so will ich weiter gehen. Ich lag
+lezthin mit Cassio in einem Bette; ein rasender Zahn machte daß ich
+nicht schlafen konnte--Es giebt eine Art von Leuten, deren Seele so
+schlapp ist, daß ihnen ihre geheimsten Gedanken im Schlaf entgehen.
+Von dieser Art ist Cassio. Er redte im Schlaf. Liebste Desdemona,
+hört' ich ihn sagen, laß uns vorsichtig seyn. Laß uns unser
+Liebes-Verständniß dem schärfsten Aug' unerforschlich machen! Und
+dann, gnädiger Herr, tappte er um sich, und drükte mir die Hand,
+rief--O bezauberndes Geschöpf! und küßte mich dann nicht anders,
+als ob er Küsse, die auf meinen Lippen wüchsen, mit den Wurzeln
+ausziehen wollte, legte dann sein Bein über meinen Schenkel, und
+seufte und küßte mich, und rief, verfluchtes Schiksal, das dich dem
+Mohren gab!
+
+Othello.
+O Scheusal! Scheusal!
+
+Jago.
+Nein, das war nur ein Traum.
+
+Othello.
+Aber ein Traum, der ganz deutlich anzeigt, was geschehen ist.
+
+Jago.
+Das ist ein verdammter Zweifel, ob es gleich nur ein Traum ist. Es
+kan doch immer dazu dienen, andre, an sich selbst zu schwache
+Anzeigen zu verstärken.
+
+Othello.
+Ich will sie von Glied zu Glied in Stüke reissen.
+
+Jago.
+Nicht so heftig! Fasset euch; noch (sehen) wir nichts, sie kan
+noch unschuldig seyn--Sagt mir nur das, habt ihr niemals ein
+Schnupftuch, mit Erdbeeren überstikt, in eurer Gemahlin Hand
+gesehen?
+
+Othello.
+Ich gab ihr so eines, es war mein erstes Geschenk.
+
+Jago.
+Davon weiß ich nichts; aber mit einem solchen Schnupftuch (und ich
+bin gewiß, es war eurer Gemahlin ihres,) sah ich Cassio heute
+seinen Bart wischen.
+
+Othello.
+Wenn's das nemliche wäre--
+
+Jago.
+Es mag dieses oder ein anders seyn, so war es doch von ihr, und, zu
+den andern Proben genommen, spricht es nicht zu ihrem Vortheil.
+
+Othello.
+O daß die Elende tausend Leben hätte! Eines ist zu wenig für meine
+Rache. Nun seh ich endlich--Schau, Jago, so blase ich alle meine
+Liebe dem Himmel zu: Sie ist weg;--erhebe dich, schwarze Rache, aus
+deiner unseligen Gruft! und du, Liebe, tritt dem tyrannischen Haß
+deinen Thron und deine Krone ab! Wie mein Herz mir schwillt, als
+ob es mit lauter Natter-Zungen angefüllt wäre!
+
+Jago.
+Gebt euch noch zufrieden.
+
+Othello.
+O Blut, Blut, Blut!--
+
+Jago.
+Geduld, sag ich; ihr könnt vielleicht anders Sinnes werden.
+
+Othello.
+Niemals, Jago--niemals sollen meine blutige Gedanken, in ungestümer
+Fluth sich daherwälzend, zu sanfter Liebe zurük fliessen, bis eine
+weite hinlängliche Rache sie verschlungen haben wird--Das schwör'
+ich,
+
+(er kniet,)
+
+höre Himmel das schrekliche, unwiederrufliche Gelübd!--Bey deiner
+unzerstörbaren Veste schwör' ich Rache!
+
+Jago (kniend.)
+Stehet noch nicht auf--Seyd Zeugen, ihr ewigbrennenden Lampen dort
+oben, und ihr Elemente, die uns rings umfassen; seyd Zeugen, daß
+Jago hier alles was sein Verstand, seine Hand und sein Herz vermag,
+zum Dienste des beleidigten Othello wiedmet! Er befehle! Und ich
+will gehorchen, ohne Zaudern gehorchen, so blutig auch der Befehl
+seyn mag!
+
+Othello.
+Ich bewillkomme deine Freundschaft nicht mit eiteln Danksagungen,
+sondern mit gutwilliger Annahm; und im gleichen Augenblik will ich
+dir sagen, wozu ich sie nöthig habe. In den nächsten dreyen Tagen,
+laß mich von dir hören, daß Cassio nicht mehr ist.
+
+Jago.
+Mein Freund ist todt; ihr wollt es, es ist gethan. Aber sie--sie
+laßt leben!
+
+Othello.
+Verderben über sie, die unzüchtige Gleißnerin! oh! Verderben,
+Verderben über sie! Komm, geh mit mir auf die Seite, ich muß auf
+irgend ein schnelles Mittel denken, den schönen Teufel aus der Welt
+zu schaffen. Nunmehr bist du mein Lieutenant--
+
+Jago.
+Ich bin auf ewig der eurige.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Neunte Scene.
+ (Ein andrer Theil des Pallasts.)
+ (Desdemona, Aemilia, und Hans Wurst.)
+
+
+Desdemona.
+Guter Freund, wißt ihr, wo der Lieutenant Cassio ligt?
+
+Hans Wurst.
+Das unterstühnd' ich mich wol nicht zu sagen, daß er irgendwo lüge.
+
+Desdemona.
+Warum?
+
+Hans Wurst.
+Er ist ein Soldat; und wenn unser einer sagte, ein Soldat lüge, das
+wäre Hals-Arbeit.
+
+Desdemona.
+Keine Possen! Wo ist sein Quartier?
+
+Hans Wurst.
+Da würd' ich selbst lügen, wenn ich euch das sagen wollte.
+
+Desdemona.
+Auf diese Art werd' ich von dir keine Antwort kriegen.
+
+Hans Wurst.
+Ich weiß sein Quartier nicht; und wenn ich folglich ein Quartier
+erdenken wollte, und sagen, er lige da, oder er lige da im Quartier,
+so würd ich's in meinen Hals hinein lügen.
+
+Desdemona.
+Du kanst ihn doch erfragen?
+
+Hans Wurst.
+Ich will die ganze Welt catechisieren; ich will so lange nach ihm
+fragen, bis mir jemand antwortet, wo er ist.
+
+Desdemona.
+Such ihn auf, und heiß ihn hieher kommen; sag ihm, ich habe meinen
+Herrn auf gute Gedanken für ihn gebracht, und ich hoffe, es werde
+alles gut gehen.
+
+Hans Wurst.
+Das ist endlich eine Verrichtung, die innert den Grenzen von eines
+ehrlichen Kerls Wiz ligt; und also will ich sehen, ob ich damit zu
+Stande kommen kan.
+
+(Er geht.)
+
+Desdemona.
+Wo mag ich doch das Schnupftuch verlohren haben?
+
+Aemilia.
+Ich weiß es nicht, gnädige Frau.
+
+Desdemona.
+Ich versichre dich, ich wollte lieber einen Beutel voll Crusado's
+verlohren haben. Wenn mein edler Mohr nicht zu vernünftig und zu
+großmüthig gesinnt wäre, um eifersüchtig zu seyn, so brauchte es
+nicht mehr, um ihn auf schlimme Gedanken zu bringen.
+
+Aemilia.
+Ist er nicht eifersüchtig?
+
+Desdemona.
+Wer, er? Ich denke, die Sonne, unter der er gebohren ward, zog
+alle groben Dünste von dieser Art aus ihm.
+
+Aemilia.
+Seht, da kommt er.
+
+Desdemona.
+Ich will izt nicht von ihm ablassen, bis er den Cassio zu sich
+ruffen läßt--Wie stehts mit euch, mein lieber Gemahl?
+
+
+
+Zehnte Scene.
+ (Othello zu den Vorigen.)
+
+
+Othello.
+Wohl, meine liebe Gemahlin--Himmel! wie werd ich an mich halten
+können!--wie gehts euch, Desdemona? Gebt mir eure Hand; diese Hand
+ist feucht, Madam. Heiß, heiß, und feucht--eine solche Hand
+erfordert Eingezogenheit; fasten und beten, viel Casteyung, und
+geistliche Uebungen; denn es ist ein feuriger, schwizender Teufel
+hier, der oft rebellisch wird; es ist eine gute Hand, eine
+freygebige Hand.
+
+Desdemona.
+Ihr könnt in der That wohl so sagen; denn es war die Hand die mein
+Herz weggab.
+
+Othello.
+Eine freygebige Hand. In vorigen Zeiten gaben die Hände Herzen;
+aber unsre neue Heraldik ist Hände ohne Herz.
+
+{ed. * Eine satyrische Anspielung auf die vielen Baronets, welche König
+Jacob der Erste machte, und die unter andern Vorrechten eine rothe
+Hand in einem silbernen Feld in den Wappen-Schild ihrer Vorfahren
+bekamen.}
+
+Desdemona.
+Ich verstehe mich nichts hierauf; kommt, wir wollen nun von euerm
+Versprechen reden.
+
+Othello.
+Was für ein Versprechen, mein Däubchen?
+
+Desdemona.
+Ich habe zu Cassio geschikt, daß er kommen und mit euch reden solle.
+
+Othello.
+Ich bin mit einem beschwerlichen Schnuppen geplagt; leih mir dein
+Schnupftuch!
+
+Desdemona.
+Hier, mein Gemahl.
+
+Othello.
+Das, so ihr von mir bekommen habt.
+
+Desdemona.
+Ich hab es nicht bey mir.
+
+Othello.
+Nicht?
+
+Desdemona.
+In der That, nicht.
+
+Othello.
+Das ist ein Fehler. Das nemliche Schnupftuch hatte meine Mutter
+von einer Zigäunerin, die sich auf die Zauberey verstuhnd, und den
+Leuten so gar sagen konnte, was sie dachten. Sie sagte ihr, so
+lange sie es behalten würde, würd' es sie liebenswürdig und ihr das
+Herz meines Vaters gänzlich eigen machen; wenn sie es aber verlöhre,
+oder verschenkte, würde sie auf einmal allen Reiz in seinen Augen
+verliehren, und ihm verhaßt und unerträglich werden. Meine Mutter
+gab mir's da sie starb und bat mich, wenn ich jemals heurathete, es
+meinem Weibe zu geben. Ich that es, und ich sag euch, habt Acht
+darauf.--Bewahrt es, wie euern Augapfel: Es verliehren oder
+weggeben, wär' ein Unglük, dem kein anders zu vergleichen wäre.
+
+Desdemona.
+Ists möglich?
+
+Othello.
+Es ist würklich so; es ist etwas zauberisches in dem Gewebe davon.
+Eine Fee, welche den Lauf der Sonne zweyhundert mal anfangen und
+enden gesehen hatte, machte die Stikerey daran: Die Würmer waren
+geweyht, welche die Seide dazu spannen, und es wurde mit Mumien von
+einbalsamierten Jungfern-Herzen gefärbt.
+
+Desdemona.
+In der That! Ist das wahr?
+
+Othello.
+Sehr wahr; ihr könnt also nur Sorge dazu tragen.
+
+Desdemona.
+Wenn es so ist, so wollt' ich zu Gott, ich hätt' es nie gesehen!
+
+Othello.
+Ha! Warum?
+
+Desdemona.
+Warum sprecht ihr so hastig und auffahrend?
+
+Othello.
+Ist's verlohren? Ist's hin? Sagt, ist es fort?
+
+Desdemona.
+Gott sey bey uns!--
+
+Othello.
+Was sagt ihr?
+
+Desdemona.
+Es ist nicht verlohren; aber gesezt, es wäre verlohren?
+
+Othello.
+Ha!
+
+Desdemona.
+Ich sag, es ist nicht verlohren.
+
+Othello.
+Holt es, ich will es sehen.
+
+Desdemona.
+Gut, das kan ich, mein Herr; aber ich will izt nicht: Das ist ein
+kleiner Streich, wodurch ihr mich von meiner Bitte abbringen wollt.
+Ich bitte euch, laßt euer Haus dem Cassio wieder offen seyn.
+
+Othello.
+Holt mir das Schnupftuch--ich will nicht hoffen--
+
+Desdemona.
+Kommt, ihr werdet niemals einen bravern Mann an seinen Plaz
+bekommen.
+
+Othello.
+Das Schnupftuch--
+
+Desdemona.
+Ein Mann, der bisher sein ganzes Glük auf eure Freundschaft gebaut
+hat; der Gefahren mit euch getheilt hat--
+
+Othello.
+Das Schnupftuch.
+
+Desdemona.
+Wahrhaftig, ihr seyd zu tadeln--
+
+Othello.
+Hinweg!--
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Eilfte Scene.
+
+
+Aemilia.
+Wie? Ich glaube der Mann ist eifersüchtig?
+
+Desdemona.
+So hab' ich ihn noch nie gesehen. O ganz gewiß ist etwas
+ausserordentliches in diesem Schnupftuch. Ich bin höchst
+unglüklich es verlohren zu haben.
+
+Aemilia.
+Man lernt weder in einem noch in zweyen Jahren was ein Mann ist;
+sie sind alle lauter Magen, und wir Arme sind ihr Futter; sie
+schlingen uns gierig hinein; und wenn sie sich überfüllt haben, so
+rülpsen sie uns wieder aus.
+
+{ed. * Dieses Gleichniß ist freylich unanständig genug; allein darum
+bekümmert unser Autor sich nicht; genug für ihn, daß es wahr ist.}
+
+Seht, da kommt Cassio und mein Mann.
+
+(Jago und Cassio treten auf.)
+
+Jago.
+Es ist kein andres Mittel übrig; das muß sie thun--Wie glüklich!
+hier ist sie schon; geht und bittet sie so sehr ihr könnt.
+
+Desdemona.
+Wie steht's, guter Cassio? wie gehn eure Sachen?
+
+Cassio.
+Gnädige Frau, ich habe noch immer meine vorige Bitte. Auf eurer
+Großmuth beruht alle meine Hofnung zu meiner Wiederherstellung in
+die Freundschaft euers Gemahls, den ich mit so gänzlicher
+Ergebenheit des Herzens ehre und liebe. Ich möchte nicht noch
+länger aufgezogen werden. Ist mein Vergehen so groß, daß weder
+meine Reue noch meine ehmaligen Dienste, noch diejenigen die ich
+künftig zu leisten wünsche, mich loskauffen und wieder in seine
+Gunst einsezen können, so ist wenigstens das eine Wohlthat, wenn
+ich weiß daß es so ist; damit ich in diesem Fall, in eine
+erzwungene Zufriedenheit eingehüllt, einen andern Weg suchen kan,
+um vom Allmosen des Glüks zu leben.
+
+Desdemona.
+Ach, mein lieber guter Cassio, meine Fürsprache ist dermalen sehr
+unvermögend; mein Gemahl ist nicht mein Gemahl; ich würde ihn nicht
+mehr kennen, wenn er sich an Gestalt so sehr wie am Humor,
+verändert hätte. So stehe jeder gute Engel mir bey, wie ich nach
+meinem äussersten Vermögen für euch gesprochen habe. Aber alles
+was ich durch meine Freymüthigkeit erhielt, war, daß ich mir seinen
+Unwillen zuzog. Ihr müßt euch noch ein wenig gedulden; was ich
+thun kan, das will ich: Und ich will mehr als ich Herz hätte für
+mich selbst zu thun. Laßt euch das genug seyn.
+
+Jago.
+Ist der General zornig?
+
+Aemilia.
+Er gieng nur erst von hier fort, und, versichert, er ist in einer
+seltsamen Gemüths-Unruhe.
+
+Jago.
+Kan er zornig seyn? Ich war dabey, wie die Canone seine Linien in
+die Luft zerstiebte, und so schnell und gewaltsam wie der Teufel,
+seinen Bruder unmittelbar an seiner Seite wegrafte; und kan er
+zornig seyn? So muß etwas wichtiges daran Ursache seyn; ich will
+gehn und ihn aufsuchen; in der That, das bedeutet was, wenn er
+zornig ist.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Zwölfte Scene.
+ (Desdemona, Aemilia und Cassio bleiben.)
+
+
+Desdemona.
+Ich bitte dich, thu das--Ganz gewiß muß etwas das den Staat betrift,
+ entweder von Venedig, oder irgend ein unausgebrütetes Complot hier
+in Cypern, wovon er die Entdekung gemacht hat, seinen sonst immer
+heitern Geist verfinstert haben; und in solchen Fällen ist es die
+Art der Menschen, daß sie ihren Unmuth an geringern Dingen
+auslassen, wenn gleich grosse ihr Gegenstand sind. Es ist nicht
+anders. Es darf uns nur ein Finger weh thun, so verbreitet sich
+auch über unsre übrigen gesunden Gliedmassen ein Gefühl von Schmerz.
+Nein, wir müssen denken, daß unsre Männer keine Götter sind; wir
+können nicht von ihnen fordern, daß sie immer so zärtlich mit uns
+umgehen, als sie vor der Hochzeit thun. Schilt mich nur recht sehr
+aus, Aemilia; ich unartiges Ding, ich war schon im Begriff seiner
+Unfreundlichkeit in meinem Herzen den Proceß zu machen; aber nun
+find' ich, daß meine Eigenliebe den Zeugen bestochen hat, und daß
+er ungerechter Weise angeklagt worden ist.
+
+Aemilia.
+Gebe der Himmel, daß es Staats-Sachen seyen, wie ihr glaubt, und
+keine eifersüchtige Grillen, die euch angehen.
+
+Desdemona.
+Das wäre gar zu unglüklich! Ich gab ihm niemals Ursache dazu.
+
+Aemilia.
+Eifersüchtige Gemüther lassen sich damit nicht beruhigen; sie sind
+nicht allezeit eifersüchtig, weil sie eine Ursache dazu haben,
+sondern oft nur, weil sie eifersüchtig sind. Die Eifersucht ist
+ein Ungeheuer, daß keinen andern Vater und keine andre Mutter hat
+als sich selbst.
+
+Desdemona.
+Der Himmel bewahre Othello's Herz vor diesem Ungeheuer!
+
+Aemilia.
+Dazu sag ich Amen, Gnädige Frau.
+
+Desdemona.
+Ich will sehen, wo er ist. Cassio, entfernt euch nicht zu weit;
+wenn ich ihn in einer bessern Laune finde, so will ich euer Anligen
+wieder in Bewegung bringen, und das äusserste versuchen, um
+glüklich damit zu seyn.
+
+Cassio.
+Ich danke Eu. Gnaden demüthig.
+
+(Sie gehen auf verschiedenen Seiten ab.)
+
+
+
+Dreyzehnte Scene.
+ (Eine Strasse vor dem Pallast.)
+ (Cassio, tritt wieder auf, und begegnet der Bianca.)
+
+
+Bianca.
+Guten Tag, Freund Cassio.
+
+Cassio.
+Was führt euch hieher? Wie steht's mit euch, meine schönste
+Bianca? In der That, mein Herzchen, ich war im Begriff bey euch
+anzusprechen.
+
+Bianca.
+Und ich war im Begriff euch einen Besuch in euerm Quartier
+abzustatten, Cassio. Wie? eine ganze Woche wegbleiben? Sieben
+Tag' und Nächte? Hundert und acht und sechszig Stunden? Und eines
+Liebhabers Abwesenheits-Stunden, die hundert und sechszig mal
+langweiliger sind als der Stunden-Zeiger. O! eine verdrießliche
+Rechnung!
+
+Cassio.
+Vergieb mir, Bianca; ich war diese Zeit über von bleyernen Gedanken
+zu Boden gedrükt; aber ich werde in einer glüklichern Zeit diese
+lange Rechnung von Abwesenheit zu tilgen wissen. Liebste Bianca,
+zeichne mir diesen Riß ab--
+
+(Er giebt ihr Desdemonens Schnupftuch.)
+
+Bianca.
+O Cassio, woher habt ihr das? Das hat mir die Mine von einem
+Liebes-Pfand irgend einer neuern Freundin: Nun merk' ich die
+Ursache deiner Abwesenheit die mir so schmerzlich war: Ist es dazu
+gekommen? Wohl, wohl!
+
+Cassio.
+Geh, Mädchen, und wirf deine häßlichen Muthmassungen dem Teufel in
+die Zähne, von dem du sie hast. Du bildest dir also ein, das sey
+ein Andenken von einer Liebste? Nein, Bianca, in ganzem Ernst.
+
+Bianca.
+Wie, von wem ist es dann?
+
+Cassio.
+Das weiß ich selbst nicht; ich fand es in meinem Zimmer; die Arbeit
+daran gefällt mir ungemein, und eh man es wieder begehrt, (welches
+vermuthlich geschehen wird) möcht' ich einen Abriß davon haben.
+Nimm es, mein Herz, und zeichn' es ab, und laß mich izt allein.
+
+Bianca.
+Euch allein lassen? Warum?
+
+Cassio.
+Ich warte hier auf den General, und denke, es würde mir eben keine
+grosse Dienste bey ihm thun, wenn er mich beweibt sehen würde.
+
+Bianca.
+Wie ist das zu verstehen?
+
+Cassio.
+Nicht als liebt' ich euch nicht.
+
+Bianca.
+Sondern nur daß ihr mich nicht liebet. Ich bitte euch, macht mir
+das ein wenig deutlicher und sagt mir, ob ich euch diese Nacht
+nicht sehen soll?
+
+Cassio.
+Wenigstens will ich euch sehen, sobald ich kan.
+
+Bianca.
+Nun wohl dann, ich muß es also drauf ankommen lassen.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+
+Vierter Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+ (Eine Strasse vor dem Pallast.)
+ (Othello und Jago treten auf.)
+
+
+Jago.
+Denkt ihr das?
+
+Othello.
+Ob ich's denke, Jago?
+
+Jago.
+Wie, einander heimlich küssen?
+
+Othello.
+Unauthorisierte Küsse?
+
+Jago.
+Oder auch nakend bey ihrem Freund im Bette zu ligen, eine, zwo und
+mehr Stunden, ohne was böses dabey zu meynen? Das sollte nicht
+möglich seyn?
+
+{ed. * Eine Anspielung auf die berüchtigte Keuschheits-Probe des
+heiligen Robert von Arbrissel, der mitten zwischen zwoen schönen
+jungen Nonnen eine Probe machte, die mit einer Häßlichen gefährlich
+wäre.}
+
+Othello.
+Nakend im Bette, Jago, und nichts böses dabey meynen? Das heißt,
+den Teufel zum Narren machen wollen: Leute, die mit tugendhaften
+Absichten so etwas thun, die versucht der Teufel nicht; sie
+versuchen den Himmel.
+
+Jago.
+Und doch, wenn sie nichts thun, so ist es nur eine läßliche Sünde:
+Aber wenn ich meinem Weib ein Schnupftuch gebe--
+
+Othello.
+Was dann?
+
+Jago.
+Was dann? So gehört's ihr zu, Gnädiger Herr; und da es ihr
+zugehört, so kan sie's, denk' ich, wieder einem andern geben.
+
+Othello.
+Ihre Ehre gehört auch ihr zu; darf sie solche darum weggeben?
+
+Jago.
+Ihre Ehre ist ein unsichtbares Ding und es bleibt immer
+problematisch ob man sie hat oder nicht hat; aber das Schnupftuch--
+
+Othello.
+Beym Himmel! du erinnerst mich an etwas das ich so gern vergessen
+hätte; du sagtest--oh, es kommt über mein Gedächtniß wie ein Unglük-
+weissagender Rabe über ein verpestetes Haus--er habe mein
+Schnupftuch.
+
+Jago.
+Ja, und was ist's dann mehr?
+
+Othello.
+Es ist nur zuviel.
+
+Jago.
+Was wär' es denn, wenn ich sagte, ich habe mit meinen eignen Augen
+gesehen, daß er euch beleidigt habe, oder ich hab' es von ihm
+selbst gehört, (wie es denn solche Schurken giebt, die, wenn sie
+irgend ein Frauenzimmer, entweder durch ungestüme Verfolgungen oder
+durch die freywillige Ergebung der Dame unter sich gebracht haben,
+es unmöglich von sich selbst erhalten können nicht zu plaudern.)
+
+Othello.
+Hat er dann etwas gesagt?
+
+Jago.
+Das hat er, Gnädiger Herr; aber dessen seyd versichert, nichts was
+er nicht wieder läugnen und verschwören würde.
+
+Othello.
+Was sagt' er denn?
+
+Jago.
+Was? Er habe bey ihr--ich weiß nicht was gethan--
+
+Othello.
+Was denn, was denn?
+
+Jago.
+Gelegen.
+
+Othello.
+Bey ihr?
+
+Jago.
+Bey ihr, oder auf ihr--was ihr wollt--
+
+Othello.
+Bey ihr! Auf ihr! Bey ihr gelegen! Das ist alles was man sagen
+kan: Das Schnupftuch--Sein eigen Geständniß--Das Schnupftuch! das
+Schnupftuch!--Ich erschüttre vom blossen Gedanken--Ohne eine grosse
+Ursache würde die Natur sich selbst in keinen solchen Schatten
+einhüllen. Es sind keine Worte, die mich so schütteln--Nasen,
+Ohren und Lippen--ist's möglich! Sein Geständniß! Ihr Schnupftuch!
+--O Teufel!
+
+(Er wird ohnmächtig.)
+
+Jago.
+Würke du nur wohl, meine Mixtur, würke! So muß man leichtgläubige
+Narren fangen--manche rechtschaffne und keusche Frauen kommen, mit
+aller ihrer Unschuld, gerad auf solche Art um ihren guten Namen.
+Wie, he! Gnädiger Herr! Hört ihr nicht? Othello! he!
+
+
+
+Zweyte Scene.
+ (Cassio tritt auf.)
+
+
+Jago.
+Wo kommt ihr her, Cassio?
+
+Cassio.
+Was giebt's hier?
+
+Jago.
+Der General ist von dem fallenden Weh überfallen worden; das ist
+nun der zweyte Anstoß; er hatte gestern den ersten.
+
+Cassio.
+Reibt ihn um die Schläfe.
+
+Jago.
+Nein, rührt ihn nicht an; man muß der Ohnmacht ihren ruhigen Gang
+lassen; oder, er fängt an zu schäumen, und bricht endlich völlig in
+die wildeste Tobsucht aus: Seht, er rührt sich; entfernt euch ein
+wenig, er wird gleich wieder zu sich selbst kommen; wenn er weg ist,
+ so möcht' ich über eine Sache von grosser Wichtigkeit mit euch
+sprechen können.
+
+(Cassio geht ab.)
+
+--Wie steht's mit euch, Gnädiger Herr? Habt ihr den Kopf nicht
+angeschlagen?
+
+Othello.
+Spottest du meiner noch?
+
+Jago.
+Ich spotte, beym Himmel! nicht; aber ich wünschte, daß ihr euer
+Unglük wie ein Mann trüget.
+
+Othello.
+Ein gehörnter Mann ist ein Ungeheuer; ein Unthier.
+
+Jago.
+Wenn das ist, so giebt es in volkreichen Städten eine Menge
+Ungeheuer, und dazu noch recht zahme und manierliche Ungeheuer.
+
+Othello.
+Er gestand's also selbst?
+
+Jago.
+Liebster General, seyd ein Mann! denkt, es sind wenige bärtige
+Gesellen, die, wenn sie anders bejocht sind, nicht mit euch ziehen.
+Millionen Männer leben diesen Augenblik, die alle Nacht in einem
+Bette ligen, das sie mit andern theilen; und die doch schwüren, daß
+es ihnen eigen sey. Euer Fall ist doch noch besser. O, das ist
+des Teufels gröster Spaß, eine unzüchtige Meze in ein sichres Ehe-
+Bette zu legen, und sie für ein Tugendbild zu geben. Nein, besser
+ist's ich wisse's; wenn ich weiß, was ich bin, so weiß ich auch,
+was sie seyn soll.
+
+Othello.
+O, du sprichst wie ein Orakel; das ist gewiß.
+
+Jago.
+Geht nur eine kleine Weile bey Seite, verbergt euch, und habt ein
+wenig Geduld. Während daß ihr hier von euerm Schmerz so unmännlich
+überwältigt laget, kam Cassio hieher. Ich erdachte gleich etwas,
+um eurer Ohnmacht eine scheinbare Ursache zu geben, und schaffte
+ihn wieder weg, bat ihn aber bald wieder zu kommen, weil ich mit
+ihm zu reden hätte. Er versprach mir's. Verbergt euch also nur
+irgendwo, wo ihr ihn sehen könnt; und beobachtet das schelmische,
+triumphierende Lächeln, die hönische Züge, die sichtbare
+Leichtfertigkeit, die sein Geheimniß in seinem ganzen Gesicht
+verrathen. Denn er soll mir seine Erzählung wieder von vorn
+anfangen; wo, wie, wie oft, seit wie lange, und wenn er mit eurer
+Frau handgemein worden ist, und es noch ferner werden will; ich
+sage, gebt nur auf seine Mine Acht--O zum Henker, Geduld, oder ich
+muß endlich glauben, ihr seyd über und über lauter Galle, und habt
+nicht das mindeste von einem Mann.
+
+Othello.
+Hörst du, Jago! Ich will dir zeigen, daß ich so lange geduldig
+scheinen kan, als es nöthig ist; aber eine blutige Rache soll mich
+davor schadlos halten.
+
+Jago.
+Es läßt sich hören; aber nur alles zu rechter Zeit. Wollt ihr bey
+Seite gehen?
+
+(Othello verbirgt sich.)
+(--Jago, ohne daß ihn Othello hören kan, fährt fort:)
+
+Nun will ich den Cassio nach seiner Bianca fragen, einem Weibsbild,
+das seine Reizungen verkauft, um sich Brod und Kleider davor
+anzuschaffen. Die Närrin ist sterblich in Cassio verliebt, und zur
+Straffe davor, daß sie schon so viele betrogen hat, wird sie izt
+von ihm betrogen; denn er kan sich, wenn er nur von ihr reden hört,
+des überlauten Lachens nicht verwehren.--Da kommt er.
+
+
+
+Dritte Scene.
+ (Cassio (zu Jago.)
+
+
+Jago.
+Je mehr er lachen wird, je mehr wird Othello rasen; sein Lächeln,
+seine Gebehrden, seine leichtsinnigen Manieren, seine kleinsten
+Bewegungen, werden durch die Auslegung, die der eifersüchtige Mohr
+davon macht, zu Verräthern an ihm werden Nun, wie geht's euch,
+Lieutenant?
+
+Cassio.
+Desto schlimmer, weil ihr mir einen Charakter beylegt, dessen
+Beraubung mir das Leben zur Quaal macht.
+
+Jago.
+Macht euch nur recht lebhaft an Desdemona, so kan's euch nicht
+fehlen. (leiser.)
+Gelt, wenn Bianca die Gewalt dazu hätte, wie schnell würdet ihr
+wieder hergestellt seyn.
+
+Cassio (lachend.)
+Wie kommt ihr auf diese arme Närrin?
+
+Othello (vor sich.)
+Seht, wie er schon lacht.
+
+Jago.
+In meinem Leben hab' ich kein Weibsbild so verliebt in einen Mann
+gesehen.
+
+Cassio.
+Der arme Tropf, ich denke, in der That, sie ist in mich verliebt.
+
+Othello (vor sich.)
+Izt läugnet er's so ganz kaltsinnig, und lacht hinten nach.
+
+Jago.
+Hört ihr, Cassio?
+
+Othello (vor sich)
+Izt sezt er ihm zu, es ihm zu gestehen: Gut, gut, nur weiter!
+
+Jago.
+Sie giebt aus, ihr wollt sie heurathen. Ist das eure Absicht?
+
+Cassio.
+Ha, ha, ha!
+
+Othello.
+Triumphierest du, Schurke? Triumphierest du?
+
+Cassio.
+Ich, sie heurathen?--Eine barmherzige Schwester? Ich bitte dich,
+erweise meiner Vernunft so viel Christliche Liebe, und glaube etwas
+bessers von ihr. Ha, ha, ha!
+
+Othello (vor sich.)
+So, so: Wer gewinnt, hat gut lachen.
+
+Jago.
+In der That, die Rede geht, ihr werdet sie heurathen.
+
+Cassio.
+Ich bitte dich, redst du im Ernst?
+
+Jago.
+Ich will ein Schelm seyn, wenn es anderst ist.
+
+Othello (vor sich.)
+Hast du mein Maß genommen? Nun, wohl dann!
+
+Cassio.
+Wenn das ist, so kommt es von dem Affen selbst. Sie hat sich's in
+den Kopf gesezt, daß ich sie heurathen werde, und das bloß, weil
+sie es wünscht, und nicht, weil ich ihr's versprochen hätte.
+
+Othello.
+Izt fängt er die Historie an--
+
+Cassio.
+Sie war erst kürzlich hier; sie spükt mir nach, wo ich hingehe.
+Ich war neulich am Ufer, und sprach mit etlichen Venetianerinnen,
+da kommt die Närrin, und fällt mir so zärtlich um den Hals--
+
+Othello (bey Seite.)
+Und ruft, o du allerliebstes Cassio, oder so was; seine Gebehrden
+sagen das.
+
+Cassio.
+Hängt sich so an, und herzt und küßt mich, und weint auf mich, und
+schüttelt und drükt mich, so abscheulich zärtlich--Ha, ha, ha!--
+
+Othello.
+Izt erzählt er, wie sie ihn in mein Schlafzimmer gezogen habe: O,
+ich sehe deine aufgestülpte Nase vor mir, aber ich seh' den Hund
+nicht, dem ich sie vorwerfen will.
+
+Cassio.
+Gut, ich kan mich nicht länger hier aufhalten.
+
+Jago.
+Wie es euch beliebt--Aber da kommt sie ja selbst.
+
+
+
+Vierte Scene.
+ (Bianca zu den Vorigen.)
+
+
+Cassio.
+Was das für eine Meer-Kaze ist! Zum Henker, und sie riecht noch
+dazu nach Biesam:--Was soll denn das bedeuten, daß ihr mir so
+nachlauft?
+
+Bianca.
+Das mag der Teufel und seine Großmutter thun! Sagt mir einmal, was
+wolltet ihr mit dem Schnupftuch, das ihr mir vorhin gegeben habt?
+Ich war wol eine grosse Närrin, daß ich's annahm: Ich sollte die
+Arbeit absehen? Ein feines Stük Arbeit, daß ihr in euerm
+Schlafzimmer gefunden habt, und wißt nicht, wer es da verlohren
+haben mag. Ich will nicht ehrlich seyn, wenn es nicht ein Geschenk
+von irgend einer ehrsamen Matrone ist; und ich soll die Arbeit dran
+absehen? Da, gebt es euerm Steken-Pferde: Woher ihr's auch haben
+mögt, ich will nichts daran absehen, ich.
+
+Cassio.
+Nun, nun, meine schöne Bianca, sachte, sachte!
+
+Othello (bey Seite.)
+Beym Himmel, das wird wohl mein Schnupftuch seyn.
+
+Bianca.
+Wenn ihr heute zu mir zum Nachtessen kommen wollt, so könnt ihr; wo
+nicht, so kommt nicht eher als bis man Anstalten auf euch gemacht
+hat.
+
+(Sie geht ab.)
+
+Jago.
+Lauft ihr nach, lauft ihr nach.
+
+Cassio.
+Das muß ich, sonst fangt sie auf der Strasse einen Lermen an.
+
+Jago.
+Wollt ihr bey ihr zu Nacht essen?
+
+Cassio.
+Ja, ich hab es im Sinn.
+
+Jago.
+Gut, vielleicht seh ich euch dort; denn ich möchte sehr gern mit
+euch reden.
+
+Cassio.
+Ich bitt euch, kommt; wollt ihr--
+
+Jago.
+Verlaßt euch darauf--
+
+(Cassio geht ab.)
+
+
+
+Fünfte Scene.
+ (Othello und Jago.)
+
+
+Othello.
+Was für eine Todesart soll ich ihm anthun, Jago?
+
+Jago.
+Habt ihr gesehen, wie lustig er sich mit seinem Verbrechen machte?
+
+Othello.
+Oh, Jago!
+
+Jago.
+Und saht ihr das Schnupftuch?
+
+Othello.
+War's das meinige?
+
+Jago.
+Das eurige, auf meine Ehre! und habt ihr gesehen, wie viel er sich
+aus dem einfältigen Geschöpf, eurer Frau, macht?--Sie gab es ihm
+und er verschenkt es an seine Hure!
+
+Othello.
+Ich wollt, ich könnte neun Jahre lang an ihm morden--eine so artige
+Frau! Eine so schöne Frau! Eine so anmuthsvolle Frau!
+
+Jago.
+Nein, das müßt ihr nun vergessen!
+
+Othello.
+O, laß sie verfaulen, verdorren und zur Hölle fahren, eh es wieder
+Tag wird! leben soll sie nicht! Nein, mein Herz ist zu Stein
+worden: ich schlage drauf, und die Hand schmerzt mich davon--O, die
+ganze Welt hat keine reizendere Creatur! Sie hätte an eines
+Kaysers Seite ligen können, er würd' ihr Sclave gewesen seyn!
+
+Jago.
+Nicht doch; das sind Gedanken, die gar nicht zur Sache taugen.
+
+Othello.
+An den Galgen mit ihr, ich sage nur was sie ist--eine so feine
+Arbeiterin mit der Nadel--eine vortrefliche Musicantin--Oh, sie
+würde die Wildheit aus einem Bären heraus singen so belebt, so
+wizig! So voller Geist!
+
+Jago.
+Desto schlimmer ist sie um das alles.
+
+Othello.
+O, tausend, tausendmal: Und dann von so einnehmender Gestalt!--
+
+Jago.
+Nur gar zu einnehmend.
+
+Othello.
+Ja, das ist wahr. Aber doch ist es erbärmlich, Jago--oh, Jago, es
+ist erbärmlich!--
+
+Jago.
+Wenn ihr so zärtlich gegen ihre Bosheiten seyd, so gebt ihr ein
+Patent, daß sie euch beleidigen darf wie sie will; wenn ihr
+gleichgültig dabey seyd, so hat sich niemand darum zu bekümmern.
+
+Othello.
+Ich will sie in kleine Stükchen haken: Mich zum Hahnrey zu machen!
+
+Jago.
+Es ist garstig an ihr!
+
+Othello.
+Mit meinem Lieutenant!
+
+Jago.
+Das ist noch garstiger!
+
+Othello.
+Verschaffe mir eine Dose Gift bis auf die Nacht, Jago; ich will
+keinen Wortwechsel mit ihr haben--ich darf meine Standhaftigkeit
+nicht an ihre Reizungen wagen--Diese Nacht, Jago--
+
+Jago.
+Aber nicht durch Gift; erdrosselt sie in ihrem Bette, in dem Bette,
+das sie entweiht hat.
+
+Othello.
+Gut, gut; dieses Mittel gefällt mir, weil es gerecht ist--
+
+Jago.
+Und was den Cassio betrift, den überlaßt mir; bis Mitternacht sollt
+ihr mehr hören.
+
+(Eine Trompete hinter der Scene.)
+
+Othello.
+Vortrefflich! Wie? Was bedeutet diese Trompete?
+
+Jago.
+Vermuthlich etwas von Venedig--Es ist Lodovico, vom Herzog
+abgeschikt: Au, seht, eure Gemahlin ist schon bey ihm.
+
+
+
+Sechste Scene.
+ (Lodovico, Desdemona, und Gefolge treten auf.)
+
+
+Lodovico.
+Seyd mir gegrüßt, würdiger General.
+
+Othello.
+Ich erwiedre den Wunsch von ganzem Herzen, mein Herr.
+
+Lodovico.
+Der Herzog und die Senatoren von Venedig grüssen euch.
+
+(Er überreicht ihm ein Schreiben.)
+
+Othello.
+Ich küsse die Urkunde ihrer Befehle.
+
+Desdemona.
+Und was giebt es neues, mein lieber Vetter Lodovico?
+
+Jago.
+Ich bin sehr erfreut euch zu sehen, mein Herr; willkommen in Cypern.
+
+Lodovico.
+Ich danke euch; was macht der Lieutenant Cassio?
+
+Jago.
+Er lebt, mein Herr.
+
+Desdemona.
+Vetter, es ist zwischen meinem Gemahl und ihm zu einem
+unfreundlichen Bruch gekommen; aber ihr werdet alles wieder gut
+machen.
+
+Othello (vor sich.)
+Seyd ihr dessen so gewiß?
+
+Desdemona.
+Mein Gemahl?
+
+Othello (ließt.)
+"Ermangelt nicht, dieses zu befolgen, so lieb euch--"
+
+Lodovico (zu Desdemona.)
+Er rief euch nicht; er ist in seinem Schreiben vertieft. Ist ein
+Mißverständnis zwischen dem General und Cassio?
+
+Desdemona.
+Ein sehr unglükliches; ich wollte gern alles thun, sie wieder zu
+vereinigen, so lieb ist mir Cassio.
+
+Othello.
+Feuer und Schwefel! (vor sich.)
+
+Desdemona.
+Mein Gemahl!
+
+Othello.
+Seyd ihr bey Verstand?
+
+Desdemona (zu Lodovico.)
+Wie, ist er zornig?
+
+Lodovico.
+Vielleicht hat ihn das Schreiben in einige Bewegung gebracht. Denn,
+wie ich vermuthe, so beruffen sie ihn nach Hause, und befehlen ihm,
+sein Gouvernement dem Cassio zu überlassen.
+
+Desdemona.
+Glaubt mir, es erfreut mich.
+
+Othello.
+In der That! (vor sich.)
+
+Desdemona.
+Mein Gemahl!
+
+Othello.
+Ich bin erfreut, dich toll zu sehen. (vor sich.)
+
+Desdemona.
+Wie, mein liebster Othello?
+
+Othello (nach ihr schlagend.)
+Teufel!--
+
+Desdemona.
+Das hab' ich nicht verdient.
+
+Lodovico.
+Mein Herr, in Venedig würde das niemand glauben, wenn ich gleich
+schwüre, daß ichs gesehen habe. Es ist sehr viel; bittet ihr's ab;
+sie weint.
+
+Othello.
+O Teufel! Teufel! Könnte die Erde von Weiberthränen geschwängert
+werden, jeder Tropfe, den sie weint, würde ein Crocodil werden: Aus
+meinem Gesicht--
+
+Desdemona (indem sie gehen will.)
+Ich will gehen, wenn euch mein Anblik so zuwieder ist.
+
+Lodovico.
+Wahrhaftig, eine gehorsame Frau--ich bitte Euer Gnaden, ruffet sie
+zurük.
+
+Othello.
+Madam--
+
+Desdemona.
+Mein Gemahl--
+
+Othello.
+Was wollt ihr mit ihr, mein Herr?
+
+Lodovico.
+Wer, ich, mein Herr?
+
+Othello.
+Ja; ihr wolltet ja, ich sollte machen, daß sie sich wieder umdrehe.
+Herr, sie kan sich drehen, und drehen, und doch weiter kommen; sie
+ist eine Meisterin darinn. Und sie kan auch weinen, Herr, weinen;
+und sie ist gehorsam; wie ihr sagtet, gehorsam; sehr gehorsam--
+weint ihr nur fort--Was das anbetrift, mein Herr--O die
+Leidenschaften spielt sie vortreflich!--Ich bin zurükberuffen--
+
+(zu Desdemona.)
+Pakt ihr euch fort, ich will gleich wieder nach euch schiken--Mein
+Herr, ich gehorche dem Oberherrlichen Befehl, und will nach Venedig
+zurük kehren--Weg, pake dich!--
+
+(Desdemona geht ab.)
+
+--Cassio soll meinen Plaz haben. Und ihr, mein Herr, werdet mir
+die Ehre erweisen, heute mit mir zu Nacht zu essen. Ihr seyd
+willkommen in Cypern--
+
+(vor sich.)
+Geissen, und Affen!
+
+{ed. * [Sind diese Venetianer,] denkt er hinzu.}
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Siebende Scene.
+ (Lodovico und Jago bleiben zurük.)
+
+
+Lodovico.
+Ist diß der edle Mohr, den unser ganzer Senat sein Alles und Alles
+nennt? Ist diß das Gemüth, dessen standhafte Tugend keine
+Leidenschaft, kein Glük, kein Zufall erschüttern kan?
+
+Jago.
+Er hat sich sehr verändert.
+
+Lodovico.
+Ist er recht bey Sinnen? Leidet er etwann am Gehirn?
+
+Jago.
+Er ist was er ist; ich mag nicht sagen, was ich denke. Ich wollte
+zu Gott, er wäre, was er seyn könnte, wenn er nicht ist, was er
+sollte.
+
+Lodovico.
+Wie, seine Gemahlin schlagen!
+
+Jago.
+In der That, es war nicht fein; und doch wünscht' ich, ich wißte,
+daß dieser Streich das ärgste wäre.
+
+Lodovico.
+Ist er gemeiniglich so? oder würkte das Schreiben so stark auf
+sein Blut, daß er zum ersten mal sich selbst so ungleich war?
+
+Jago.
+Es ist eine schlimme Sache, leider! Es wäre nicht anständig, wenn
+ich sagen wollte, was ich gesehen und gehört habe. Ihr werdet ihn
+durch euch selbst kennen lernen, und sein eignes Betragen wird ihn
+so charakterisieren, daß ich meine Worte sparen kan. Geht ihm nur
+nach, und seht, wie er fortfahren wird.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Achte Scene.
+ (Verwandelt sich in einen Saal im Pallast.)
+ (Othello und Aemilia treten auf.)
+
+
+Othello.
+Ihr habt also nichts gesehen?
+
+Aemilia.
+Noch jemals was solches gehört, oder nur gemuthmasset.
+
+Othello.
+Ihr habt doch den Cassio und sie beysammen gesehen?
+
+Aemilia.
+Aber da sah ich nichts böses, und ich hörte eine jede Sylbe, die
+sie mit einander redeten.
+
+Othello.
+Wie, flüsterten sie niemals zusammen?
+
+Aemilia.
+Niemals, Gnädiger Herr.
+
+Othello.
+Und schikten sie euch niemals fort?
+
+Aemilia.
+Niemals.
+
+Othello.
+Etwann ihren Fächer, ihre Handschuhe, ihre Maske, oder so was zu
+holen?
+
+Aemilia.
+Niemals, Gnädiger Herr.
+
+Othello.
+Das ist seltsam!
+
+Aemilia.
+Ich dürfte meine Seele an einem Pfahl wetten, Gnädiger Herr, daß
+sie ehrlich ist: Wenn ihr anders denkt, so verbannet diesen
+Gedanken, er betrügt euer Herz. Der Himmel vergelt' es dem Elenden,
+der es euch in den Kopf gesezt haben mag, mit dem Fluch der
+Schlange! Wahrhaftig, wenn sie nicht tugendhaft, keusch und getreu
+ist, so giebt's keinen glüklichen Mann auf Erden; so ist die
+reinste ihrer Weiber so häßlich als Lästerung.
+
+Othello.
+Geh, ruffe sie hieher.
+
+(Aemilia geht ab.)
+
+Sie sagt genug; allein sie ist eine einfältige Kupplerin, die nicht
+mehr sagen kan--Das ist eine verschmizte Hure, die ihre garstigen
+Geheimnisse behutsam zu verriegeln weiß--und doch kniet sie euch in
+ihrem Zimmer hin, und betet: Das hab' ich selbst gesehen.
+
+
+
+Neunte Scene.
+ (Desdemona und Aemilia treten auf.)
+
+
+Desdemona.
+Was ist euer Wille, mein Gemahl?
+
+Othello.
+Kommt näher, Hühnchen, wenn ich bitten darf.
+
+Desdemona.
+Was beliebt euch?
+
+Othello.
+Laßt mich eure Augen sehen; seht mir in's Gesicht.
+
+Desdemona.
+Was für eine entsezliche Einbildung kommt euch an?
+
+Othello (Zu Aemilia.)
+Ein Stük von euerm Amt, Madam; laßt die handelnden Personen allein,
+und schließt die Thüre zu; hustet, oder ruft wenn jemand kommt.
+Euer Geheimniß, euer Geheimniß--nein, macht euch fort.
+
+(Aemilia geht ab.)
+
+Desdemona.
+Auf meinen Knien, was wollen diese Reden sagen? Ich sehe wol, daß
+etwas Entsezliches in euern Worten ist, aber ich verstehe sie
+dennoch nicht.
+
+Othello.
+Wie? Was bist du?
+
+Desdemona.
+Euer Weib, mein Herr; euer getreues, redliches Weib.
+
+Othello.
+Komm, schwör mir das; sprich dir dein Urtheil selbst; sonst möchten,
+ da du einem himmlischen Wesen so ähnlich bist, die Teufel sich
+scheuen Hand an dich zu legen. Zieh dir also eine zweyfache
+Verdammniß zu; schwöre, du seyest ehrlich.
+
+Desdemona.
+Der Himmel weiß es.
+
+Othello.
+Der Himmel weiß, daß du falsch wie die Hölle bist.
+
+Desdemona.
+An wem, mein Gemahl? Mit wem? Wie bin ich falsch?
+
+Othello (Er weint.)
+Ach, Desdemona! Weg, weg, weg!--
+
+Desdemona.
+O des unglükseligen Tags! Warum weint ihr? Bin ich die Beweg-
+Ursach dieser Thränen, mein liebster Mann?--Wenn ihr vielleicht
+meinen Vater in Verdacht habt, daß er an eurer Zurükberuffung
+Schuld habe, so laßt es doch mich nicht entgelten; wenn ihr ihn
+verlohren habt, so hab' ich ihn ja auch verlohren.
+
+Othello.
+Hätt' es dem Himmel gefallen, mich durch Trübsale zu prüfen, hätt'
+er alle Arten von Schmerzen und Demüthigungen auf mein naktes Haupt
+regnen, mich bis an die Lippen in Armuth versinken, mich ohne
+Hoffnung der Befreyung in Sclaverey gerathen lassen; so würd' ich
+noch in irgend einem Winkel meiner Seele einen Tropfen Geduld
+gefunden haben. Aber, ach! mich zu einem festen Ziel für den
+unbeweglichen Finger der spottenden Verachtung zu machen--und doch
+auch das, auch das wollt' ich noch ertragen können. Aber da,
+
+{ed. * Man hat hier, einem herrschenden, obgleich an sich vielleicht
+ungerechten Vorurtheil zu gefallen, von dem buchstäblichen Sinn des
+Originals ein wenig abweichen müssen.}
+
+wo die Ruhe, der Trost, die Wonne meines Lebens lag, aus deinem Herzen
+vertrieben zu seyn, oder es als eine Cisterne, worinn unflätige
+Kröten zügeln, zu besizen: Hebe dich weg, Geduld, du junger,
+rosenwangichter Cherubin,--Da seh' ich grimmig wie die Hölle aus.
+
+Desdemona.
+Ich hoffe, mein edelmüthiger Mann kennt mich genugsam, mich für
+unschuldig zu halten.
+
+Othello.
+O, ja, wie Sommerfliegen in Schlachthäusern, die von einem
+anwehenden Lüftchen lebendig werden. O du giftiges Unkraut, warum
+bist du so lieblich anzusehen? Du riechst so gut, daß einem der
+Kopf davon weh thut. Ich wollte, du wärest nie gebohren worden!
+
+Desdemona.
+Himmel! was für eine Sünde kan ich unwissender Weise begangen
+haben?
+
+Othello.
+Wie, du fragst noch? Du fragst was du begangen habest? Begangen?--
+O du Nichtswürdige, ich würde meine Wangen zu Feuer-Essen machen,
+wo die Zucht zu Asche verbrennen müßte, wenn ich deine Thaten
+nennen wollte. Wie? was du begangen hast? Der Himmel stopft sich
+die Nase davor zu, und der Mond die Augen; der buhlerische Wind
+sogar, der alles küßt was ihm vorkommt, hat sich in die holen Minen
+der Erde verkrochen, und will es nicht anhören. Was du begangen
+hast?--Unverschämte Meze!
+
+Desdemona.
+Beym Himmel! ihr thut mir Unrecht.
+
+Othello.
+Du bist keine Meze?
+
+Desdemona.
+Nein, so wahr ich eine Christin bin. Wenn ein Weib, die sich für
+ihren Mann allein, und von jeder fremden, unkeuschen, unerlaubten
+Berührung rein bewahrt hat, keine Meze ist, so bin ich keine.
+
+Othello.
+Wie, auch keine Hure?
+
+Desdemona.
+Nein, so wahr ich selig zu werden wünsche!
+
+Othello.
+Ists möglich?
+
+Desdemona.
+O Himmel, sey uns gnädig!
+
+Othello.
+So bitt' ich also um Vergebung. Ich sah euch für diese abgefeimte
+Hure von Venedig an, die den Othello heurathete--
+
+
+
+Zehnte Scene.
+ (Aemilia zu den Vorigen.)
+
+
+Othello.
+Ihr, Frau Gelegenheits-Macherin,--Ihr, ihr, ja ihr! Wir haben
+unsre Sachen gemacht. Hier ist Geld für eure Mühe; ich bitte euch,
+dreht den Schlüssel, und behaltet unser Geheimniß für euch.
+
+(Er geht ab.)
+
+Aemilia.
+Um's Himmels willen, was macht der Herr sich vor Gedanken!--Wie
+befindet sich Eu. Gnaden? Wie steht's um meine liebste Gnädige
+Frau?
+
+Desdemona (allein.)
+Es ist billig, daß mir so mitgespielt wird, sehr billig; wie hab
+ich mich denn aufgeführt, daß er nur den Schatten eines Grundes zum
+allerkleinsten Mißtrauen gefunden haben soll?--
+
+
+
+Eilfte Scene.
+ (Jago und Aemilia zu Desdemona.)
+
+
+Jago.
+Was ist zu Eu. Gnaden Befehl? Wie steht's?
+
+Desdemona.
+Das kan ich nicht sagen; diejenigen, die eure Kinder ziehen, thun
+es mit Freundlichkeit, und legen ihnen nicht zuviel auf; er hätte
+mich ja mit Sanftmuth ausschelten können: Denn, die Wahrheit zu
+sagen, ich bin wie ein Kind wenn ich ausgescholten werde.
+
+Jago.
+Wovon ist die Rede, Gnädige Frau?
+
+Aemilia.
+Ach, Jago, der Gnädige Herr hat sie so behurt, ihr so schmählich
+begegnet, so garstige Namen über sie ausgegossen, daß ein ehrliches
+Herz es nicht ertragen kan.
+
+Desdemona.
+Verdien' ich einen solchen Namen, Jago?
+
+Jago.
+Was für einen Namen, Gnädige Frau?
+
+Desdemona.
+Den, so sie sagte, daß mir mein Mann gegeben habe.
+
+Aemilia.
+Er nannte sie eine Hure; ein betrunkner Bettler würde sich schämen,
+seinem Menschen einen solchen Namen zu geben.
+
+Jago.
+Warum that er das?
+
+Desdemona.
+Das weiß ich nicht; was ich weiß, ist, daß ich nichts solches bin.
+
+Jago.
+Weinet nicht, weinet nicht; das ist ein leidiger Handel!
+
+Aemilia.
+Hat sie so viele grosse Partheyen ausgeschlagen--Hat sie ihren
+Vater, ihr Vaterland, ihre Freunde aufgeopfert--um eine Hure
+geheissen zu werden? Sollte das einen nicht weinen machen?
+
+Desdemona.
+Das ist nun mein Schiksal.
+
+Jago.
+Ihr müßt es nicht von ihm leiden. Wie überfiel ihn denn dieser
+Anstoß?
+
+Desdemona.
+Das weiß der Himmel.
+
+Aemilia.
+Ich will mich hängen lassen, wenn nicht irgend ein höllischer Bube,
+irgend ein geschäftiger, raubsüchtiger Schurke, irgend ein glatter,
+lekender, Schlangen-züngigter Sclave, um sich ein Verdienst bey ihm
+zu machen, sie bey ihm verlästert hat; ich will mich hängen lassen,
+wenn es anders ist.
+
+Jago.
+Fy, es lebt kein solcher Mann, es ist unmöglich.
+
+Desdemona.
+Wenn ein solcher Mann ist, so vergeb ihm der Himmel!
+
+Aemilia.
+Ein Strik vergeb ihm! Und der Teufel nag' ihm seine verdammten
+Knochen ab! Warum soll er sie eine Hure heissen? Wer soll denn
+ihr Buhler seyn? Wo? wann? wie? Wo ist auch nur eine
+Wahrscheinlichkeit davon? Der Mohr ist durch irgend einen
+galgenbübischen Schurken, irgend einen elenden nichtswürdigen
+Erzlotterbuben belogen worden. O Himmel, daß du doch solche
+Gesellen an's Taglicht ziehen, und in jede ehrliche Hand eine
+Geisel steken möchtest, um den Raker nakend durch die ganze Welt zu
+peitschen, von einem Ende der Welt bis zum andern!
+
+Jago.
+Schreyt nur nicht so laut.
+
+Aemilia.
+O fy, die garstigen Kerls! Gerad ein solcher Schuft wars, der euch
+einst den Kopf auf die unrechte Seite stellte, und euch weis machte,
+ daß ich mit dem Mohren in heimlichem Verständniß sey.
+
+Jago.
+Du bist nicht klug; geh, geh.
+
+Desdemona.
+Ach, Jago, sage mir, was soll ich thun um meinen Gemahl wieder zu
+gewinnen? Mein guter Freund, geh, rede du mit ihm; bey diesem
+Licht des Himmels, ich weiß nicht, wie ich sein Herz verlohren habe.
+Hier knie ich;
+
+(sie kniet.)
+
+Wenn jemals mein Wille in Worten, Gedanken oder in würklicher That
+sich gegen seine Pflicht aufgelehnt hat; oder wenn jemals meine
+Augen, meine Ohren oder irgend einer meiner Sinne sich an einem
+andern Gegenstand ergözt haben; oder wenn ich ihn nicht immer liebe,
+geliebt habe, und sollt' er mich auch als eine Bettlerin von sich
+verstossen, aufs zärtlichste lieben werde, so komme kein Trost in
+meine Seele! Unzärtlichkeit kan viel thun, sie kan mich ums Leben
+bringen, aber meine Liebe kan sie nicht vermindern. Ich kan nicht
+sagen, Hure; es graut mir, da ich izt das Wort ausgesprochen habe;
+aber das zu thun, was er bezeichnet, könnte mich die Welt mit ihrer
+ganzen Masse von Eitelkeit nicht bewegen.
+
+Jago.
+Ich bitte euch, gebt euch zufrieden; es ist nur eine Laune von ihm;
+die Staats-Angelegenheiten gehen ihm im Kopf herum, er ist
+mißvergnügt darüber, und da muß nun sein Unmuth über euch
+ausbrechen.
+
+Desdemona.
+Wenn es nur dieses wäre--
+
+Jago.
+Es ist nichts anders, ich stehe dafür. (Trompeten.)
+Horcht, diese Trompeten ruffen zum Nacht-Essen. Der Abgeordnete
+von Venedig bleibt bey der Tafel; geht hinein und weint nicht; es
+wird alles wieder gut werden.
+
+(Desdemona und Aemilia gehen ab.)
+
+
+
+Zwölfte Scene.
+ (Rodrigo (zu Jago.)
+
+
+Jago.
+Ha, wo kommt ihr her, Rodrigo?
+
+Rodrigo.
+Ich finde nicht, daß du ehrlich mit mir zu Werke gehst.
+
+Jago.
+Wie findt ihr das?
+
+Rodrigo.
+Jeden Tag machst du mir irgend einen Dunst vor die Augen, Jago; und
+ich fange endlich an zu sehen, daß du, anstatt mich nur um einen
+Schritt meinen Hoffnungen näher gebracht zu haben, mich weiter
+zurükgesezt hast, als ich jemals war. Ich will es nicht länger
+dulden; und bin auch gar nicht der Meynung so ruhig einzusteken,
+was ich närrischer Weise bereits gelitten habe.
+
+Jago.
+Wollt ihr mich anhören, Rodrigo?
+
+Rodrigo.
+Meiner Treue, ich habe nur zuviel angehört; eure Worte und eure
+Thaten haben gar keine Gemeinschaft mit einander.
+
+Jago.
+Ihr beschuldiget mich mit gröstem Unrecht.
+
+Rodrigo.
+Ich sage die lautre Wahrheit: Ihr habt mich um mein ganzes Vermögen
+gebracht. Die Juwelen, die ihr von mir bekommen habt, um sie
+Desdemonen zu überliefern, hätten eine Vestalin verführen sollen.
+Ihr sagtet mir, sie habe sie empfangen, und brachtet mir die
+tröstlichsten Versicherungen von ihrer guten Würkung; aber ich
+finde keine.
+
+Jago.
+Gut, nur weiter; sehr gut.
+
+Rodrigo.
+Sehr gut, nur weiter; ich kan nicht weiter, Herr, und es ist nicht
+sehr gut; nein, ich denke, es ist boshaft, und ich fange an zu
+merken, daß man mich nur am Narren-Seil herumführt.
+
+Jago.
+Sehr gut.
+
+Rodrigo.
+Ich sag euch, es ist nicht sehr gut. Ich will mich Desdemonen
+selbst entdeken; wenn sie mir meine Juwelen wieder geben will, so
+will ich klug seyn und ihr mit meiner Bewerbung nicht mehr
+beschwerlich fallen: Wo nicht, so versichr' ich euch, ich will
+meine Schadloshaltung an euch suchen.
+
+Jago.
+Ihr habt nun geredt--
+
+Rodrigo.
+Ja, und nichts, als was ich, meiner Seel! zu thun im Sinn habe.
+
+Jago.
+Wie, nun seh ich doch daß du Feuer im Leibe hast; und von diesem
+Augenblik an hab' ich eine grössere Meynung von dir als jemals.
+Gieb mir deine Hand, Rodrigo; du hast alle Ursache gehabt, mir
+Vorwürfe zu machen, aber ich schwöre dir, daß ich in der ganzen
+Sache redlich an dir gewesen bin.
+
+Rodrigo.
+Es hat sich nicht gezeigt.
+
+Jago.
+Ich muß es gestehen, in der That, euer Argwohn ist nicht ohne
+Wahrscheinlichkeit. Aber, Rodrigo, wenn du das hast, was ich dir
+izt mit besserm Grund als jemals zutraue, (ich meyne,
+Standhaftigkeit, Herz und Tapferkeit,) so zeig es diese Nacht.
+Wenn du in der nächstfolgenden Nacht nicht bey Desdemonen ligen
+wirst, so halte mich für einen Verräther, und schaffe mich aus der
+Welt wie du willst.
+
+Rodrigo.
+Gut, was ist es? Ist es etwas, das sich vernünftiger Weise
+unternehmen läßt?
+
+Jago.
+Wisset, mein Herr, daß eine Special-Commißion von Venedig
+eingetroffen ist, um den Cassio an Othello's Stelle einzusezen.
+
+Rodrigo.
+Ist das wahr? Nun, so kehren Othello und Desdemona wieder nach
+Venedig zurück.
+
+Jago.
+O nein; er geht nach Mauritanien, und nimmt seine schöne Desdemona
+mit sich; das geschieht unfehlbar, es müßte denn etwas begegnen,
+wodurch sein hiesiger Aufenthalt verlängert würde: Und das könnte
+durch nichts gewisser erhalten werden, als wenn Cassio auf die
+Seite geschaft würde.
+
+Rodrigo.
+Was nennt ihr, den Cassio auf die Seite schaffen?
+
+Jago.
+Das versteht sich von selbst; ihn unfähig machen, in Othello's
+Stelle einzutreten, mit einem Wort, ihm den Hals zu brechen.
+
+Rodrigo.
+Und ihr wollt, daß ich das thun soll?
+
+Jago.
+Ja, wenn ihr das Herz habt euch selbst Gutes zu thun. Er ißt heute
+bey einer Courtisane zu Nacht; und ich will ihm dort Gesellschaft
+leisten. Er weiß noch nichts von seiner Beförderung; wenn ihr dann
+nur aufpassen wollt, bis er dort weggeht, (und ich will schon dafür
+sorgen, daß es zwischen zwölf und ein Uhr geschehen soll:) So könnt
+ihr ihn mit der grösten Bequemlichkeit überraschen. Ich will in
+der Nähe seyn, euern Angriff zu unterstüzen, und wir wollen ihn
+zwischen zwey Feuer kriegen. Kommt, steht nicht so bestürzt da;
+kommt mit mir; wir wollen von der Sache reden. Ich will euch
+zeigen, daß sein Tod so unumgänglich nothwendig ist, daß ihr euch
+verbunden sehen werdet, ihn zu befördern. Es ist izt bald Nacht-
+Essens-Zeit, und die Nacht nimmt überhand--Wir müssen gehen.
+
+Rodrigo.
+Ich muß mehr Licht in dieser Sache haben--
+
+Jago.
+Das sollt ihr bekommen.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Dreyzehnte Scene.
+ (Othello, Lodovico, Desdemona, Aemilia und Gefolge.)
+
+
+Lodovico.
+Ich bitte euch, mein Herr, bemüht euch nicht weiter.
+
+Othello.
+Oh, ich bitte um Vergebung; die Bewegung wird mir wohl bekommen.
+
+Lodovico.
+Madam, gute Nacht; ich danke Eu. Gnaden unterthänig.
+
+Desdemona.
+Ihr werdet allezeit willkommen seyn, mein Herr.
+
+Othello.
+Wollt ihr gehen, mein Herr?--o, Desdemona!--
+
+Desdemona.
+Mein Gemahl--
+
+Othello.
+Geht sogleich zu Bette, ich werde bald wieder zurük kommen; schikt
+eure Bedienung hier fort; thut, was ich euch sage.
+
+Desdemona.
+Ich will, mein Gemahl.
+
+(Lodovico und Othello gehen ab.)
+
+Aemilia.
+Wie geht es nun? Er sieht freundlicher aus als diesen Abend.
+
+Desdemona.
+Er sagt, er wolle gleich zurük kommen, und hat mir befohlen zu
+Bette zu gehen, und euch wegzuschiken.
+
+Aemilia.
+Mich wegzuschiken?
+
+Desdemona.
+Das war sein Befehl; also, meine gute Aemilia, gieb mir mein Nacht-
+Zeug, und gute Nacht. Wir müssen ihm keinen Verdruß machen.
+
+Aemilia.
+Ich wollte, ihr hättet ihn nie gesehen!
+
+Desdemona.
+Das wollt' ich nicht; meine Liebe ist so wol mit ihm zufrieden, daß
+sogar sein mürrisches Bezeugen, sein Schelten und Zürnen, eine Art
+von Anmuth in meinen Augen hat. Ich bitte dich, steke mir mein
+Kopfzeug ab--
+
+Aemilia.
+Ich habe die Laken, die ihr mir sagtet, auf euer Bette gelegt.
+
+Desdemona.
+Es ist all eins: Guter Himmel! Was für alberne Geschöpfe sind wir
+nicht! Wenn ich vor dir sterbe, so mache mir, ich bitte dich, aus
+einem dieser Tücher mein Todten-Hemde.
+
+Aemilia.
+Kommt, kommt; wie ihr redt!
+
+Desdemona.
+Meine Mutter hatte ein Kammer-Mädchen, die Barbara hieß; das arme
+Ding war in jemand verliebt, der sie nicht wieder lieben wollte,
+und da wurde sie zulezt närrisch; sie hatte ein Lied, das sich
+immer mit (Weide) endigte, es war ein altes Ding, aber es schikte
+sich auf ihre Umstände, und sie sang es bis in den lezten Augenblik
+ihres Lebens. Ich kan mir dieses Lied diese ganze Nacht durch
+nicht aus dem Sinn bringen; es braucht alles, daß ich mich erwehre,
+den Kopf auf eine Seite zu hängen, und es zu singen, wie die arme
+Barbara. Ich bitte dich, mach' daß du fertig wirst.
+
+Aemilia.
+Soll ich gehn und euern Schlaf-Rok holen?
+
+Desdemona.
+Nein, steke mich hier ab; dieser Lodovico ist ein recht artiger
+Mann.
+
+Aemilia.
+Ein sehr hübscher Mann.
+
+Desdemona.
+Er spricht gut.
+
+Aemilia.
+Ich kenn' eine Dame in Venedig, die um einen Druk von seiner
+Unterlippe eine Wallfahrt ins Gelobte Land gemacht hätte.
+
+Desdemona (singt.)
+Das arme Ding, sie saß und sang, an einem Baum saß sie,
+ Singt alle, grüne Weide;
+Die Hand gelegt auf ihre Brust, den Kopf auf ihrem Knie,
+ Singt Weide, Weide, Weide;
+Der Bach, der murmelt neben ihr, in ihre Seufzer ein,
+ Singt Weide, Weide, Weide;
+Und ihrer Thränen heisse Fluth erweichte Kieselstein;
+ Singt Weide, Weide, Weide;
+Weide, Weide, Weide etc. Ich bitte dich, mache hurtig, er wird
+alle Augenblike wiederkommen. Singt all', ein grünes Weiden-Zweig,
+das muß mein Kränzchen seyn.
+ * * * O! tadelt nicht sein hartes Herz, mein Herz
+verzeiht ihm gern;
+Nein, das folgt noch nicht--Horch was klopft so?
+
+Aemilia.
+Es ist nur der Wind.
+
+Desdemona (singt.)
+Ich nannte meinen Liebsten falsch; was sagt' er denn dazu?
+ Singt Weide, Weide, Weide;
+Ich thu mit andern Weibern schön, mit andern Männern du. So, geh
+du izt, gute Nacht; meine Augen brennen mich; bedeutet das Weinen?
+
+Aemilia.
+Das wollen wir nicht hoffen.
+
+Desdemona.
+Ich hab' es sagen gehört; o diese Männer, diese Männer! Sag mir
+einmal, Aemilia, glaubst du in deinem Gewissen, daß es Weiber giebt,
+die ihre Männer auf eine so grobe Art hintergehen?
+
+Aemilia.
+Es giebt solche, das ist nur keine Frage.
+
+Desdemona.
+Wolltest du um die ganze Welt so was thun?
+
+Aemilia.
+Wie, thätet ihr's nicht?
+
+Desdemona.
+Nein, bey diesem himmlischen Licht!
+
+Aemilia.
+Ich bey diesem himmlischen Licht auch nicht; es liesse sich eben so
+gut im Dunkeln thun.
+
+Desdemona.
+Wolltest du eine solche That um die ganze Welt thun?
+
+Aemilia.
+Die ganze Welt ist gleichwol ein hübsches ansehnliches Ding, es
+wär' ein feiner Preis für ein so kleines Verbrechen.
+
+Desdemona.
+Bey meiner Treu, ich denke, du thätest es nicht.
+
+Aemilia.
+Und bey meiner Treu, ich denk', ich thät' es; mit dem Vorbehalt,
+daß es das erste und lezte mal seyn sollte. Wahrhaftig, ich thäte
+so was nicht um einen Finger-Ring, noch für ein paar Ellen Kammer-
+Tuch, noch für einen neuen Unterrok, oder eine Kappe, oder so was
+armseliges; aber für die ganze Welt! Welches Weib wollte ihren
+Mann nicht zu einem Hahnrey machen, damit er Herr von der ganzen
+Welt würde? Dafür wollt' ich noch wol das Fegfeuer wagen.
+
+Desdemona.
+Ich will des Todes seyn, wenn ich so was Unrechtes um die ganze
+Welt thun wollte.
+
+Aemilia.
+Wie, das Unrecht ist nur ein Unrecht in der Welt; und da ihr die
+Welt für eure Mühe bekämet, so wär' es ein Unrecht in eurer Welt,
+und ihr könntet es bald recht machen.
+
+Desdemona.
+Ich kan nicht glauben, daß es ein solches Weib giebt.
+
+Aemilia.
+O Ja, wohl ein duzend und so viele oben drein, daß sie die Welt, um
+die sie spielten, bevölkern könnten. Allein, ich denke, der Fehler
+ligt an den Männern, wenn ihre Weiber fallen; gesezt, sie vergessen
+ihre Pflichten gegen uns, und verschwenden an andre, was uns gehört;
+oder sie brechen in eine verdrießliche Eifersucht aus, und belegen
+uns mit sclavischem Zwang; oder sie schlagen uns, oder sie bringen
+uns unser Vermögen durch; wahrhaftig, wir haben auch Galle, und so
+sanft wir sind, so rächen wir uns doch gerne, wenn wir beleidigt
+werden. Unsre Herren Männer sollen wissen, daß ihre Weiber so gut
+Empfindlichkeit haben als sie; sie sehen, und riechen, und haben
+einen Geschmak für süß und sauer, so gut wie ihre Männer. Was thun
+sie, wenn sie uns mit andern vertauschen? Ist es Spaß? Ich will
+es glauben: Geschieht es aus Leidenschaft? Ich will es glauben:
+Ist es eine menschliche Schwachheit? es mag auch seyn. Und haben
+wir nicht auch Leidenschaften? Lieben wir den Zeitvertreib nicht
+auch? Sind wir nicht so gebrechlich als sie? Sie mögen uns also
+nur wohl begegnen; oder sie sollen wissen, daß wenn wir sündigen,
+sie unsre Lehrmeister gewesen sind.
+
+Desdemona.
+Gute Nacht, gute Nacht; der Himmel gebe mir Gnade, anstatt Böses
+mit Bösem zu vertreiben, das Böse gut zu machen!
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+
+Fünfter Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+ (Eine Strasse vor dem Pallast.)
+ (Jago und Rodrigo treten auf.)
+
+
+Jago.
+Hier stellt euch hinter diese Fässer. Er wird augenbliklich kommen:
+Deinen blossen Degen in die Hand, und dann frisch dran! Nur
+munter, munter, sey unverzagt: ich will an deinem Ellenbogen seyn:
+Es macht unser Glük oder wir sind verlohren: Denk an das, und
+entschliesse dich wie ein Mann.
+
+Rodrigo.
+Seyd ihr nur nahe bey der Hand, ich könnt' ihn verfehlen.
+
+Jago.
+Ich will hier stehen, es könnte nicht näher seyn; fasst, Muth und
+zieh deinen Degen.
+
+Rodrigo (indem er sich auf die Seite stellt.)
+Ich gehe ungern an diese That, aber er hat mir Gründe vorgelegt,
+gegen die nichts einzuwenden ist; es ist endlich nichts, als ein
+einzelner Mann weniger--Heraus, mein Schwerdt; er soll sterben.
+
+Jago (vor sich.)
+Ich habe diesen armen Geken gerieben, bis er empfindlich worden ist,
+er fängt an aufzubrennen. Nun mag er den Cassio ermorden, oder
+Cassio ihn, oder einer den andern, so find' ich allemal meine
+Rechnung dabey--Gut, aber wenn Rodrigo lebt, so wird er mich
+anhalten, ihm die Menge Gold und Juwelen wieder zu erstatten, die
+ich ihm als Geschenke für Desdemona, abpracticiert habe? Das muß
+nicht seyn--Bleibt Cassio übrig, so macht mir der Anblik seines
+Glüks meinen Zustand unerträglich; und überdem, könnte mich der
+Mohr verrathen; da käm' ich in saubere Ungelegenheiten; nein,
+sterben soll er! So muß es seyn; ich hör' ihn kommen. (Cassio
+tritt auf.)
+
+Rodrigo.
+Den Gang kenn' ich; es ist Er: Schelm, du must sterben.
+
+(Er fällt den Cassio an, und bringt ihm einen Stoß bey.)
+
+Cassio.
+Dieser Stoß hätte mir in der That übel bekommen können, wenn mein
+Kleid nicht besser gefüttert wäre als du wußtest: Nun will ich
+sehen, wie das deinige die Probe hält.
+
+(Er ficht mit Rodrigo; Jago haut den Cassio von hinten in die Beine,
+ und entläuft; Rodrigo und Cassio fallen.)
+
+Rodrigo.
+O, ich bin des Todes.
+
+Cassio.
+Ich bin auf immer zum Krippel gemacht; Hülfe, he! Mörder! Mörder!
+
+
+
+Zweyte Scene.
+ (Othello erscheint am Fenster.)
+
+
+Othello (vor sich.)
+Das ist Cassio's Stimme--Jago hält sein Wort.
+
+Rodrigo.
+Oh, Bösewicht, der ich bin!
+
+Othello.
+Das ist wol nicht anders.
+
+Cassio.
+Oh, Hülfe, Hülfe! he! Licht! einen Wund-Arzt!
+
+Othello.
+Es ist Er! O braver, ehrlicher, redlicher Jago, den das erlittne
+Unrecht seines Freundes in einen so edlen Eifer sezt! Du lehrst
+mich--Püpchen, euer Liebling ist todt; und eure Stunde eilt heran--
+Ich komme, Meze--Deine Reizungen, deine Blike, dein Lächeln, sind
+aus meinem Herzen ausgewischt; und in deinem Bette, dem Schau-Plaz
+deiner zügellosen Lust, soll deine Straffe dich erhaschen!
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Dritte Scene.
+ (Lodovico und Gratiano treten in der Ferne auf.)
+
+
+Cassio.
+Wie dann, he! Ist kein Wächter, ist kein Mensch da? Mörder,
+Mörder!
+
+Gratiano.
+Es ist irgend ein Unheil begegnet; die Stimme ist gräßlich.
+
+Cassio.
+O Hülfe!
+
+Lodovico.
+Horcht!
+
+Rodrigo.
+O elender Bösewicht!
+
+Lodovico.
+Ich höre zween oder drey wehklagen. Es ist stokfinster; es könnte
+Verstellung seyn: Es ist nicht sicher, näher hinzugeben, da unsrer
+nur zween sind. (Jago, in seinem Hemd, mit gezognem Degen und
+einem Licht, tritt auf.)
+
+Lodovico.
+Horcht.
+
+Gratiano.
+Hier kam einer in blossem Hemde, mit einem Licht und gezognem Degen.
+
+Jago.
+Wer ist hier? Wer ruft Mörder?
+
+Lodovico.
+Das wissen wir nicht.
+
+Jago.
+Hört ihr nicht schreyen?
+
+Cassio.
+Hier, hier: Um's Himmels willen, helft mir.
+
+Jago.
+Was giebt's hier?
+
+Gratiano (zu Lodovico.)
+Wie mich däucht, so ist dieser hier Othello's Fähndrich.
+
+Lodovico.
+Er ist's, in der That, ein wakrer herzhafter Camerad.
+
+Jago.
+Wer seyd ihr hier, die ein so klägliches Geschrey erheben?
+
+Cassio.
+Jago?--O ich bin gestümmelt, von Banditen zum elenden Manne gemacht-
+-Kommt mir zu Hülfe!
+
+Jago.
+Gott sey bey uns! Lieutenant! Was für Bösewichter haben das
+gethan?
+
+Cassio.
+Ich denke, einer davon ligt hier, und kan sich nicht davon machen.
+
+Jago.
+Die meuchelmördrischen Schurken! (zu Lodovico und Gratiano.)
+Wer seyd ihr hier? Kommt näher, und helft.
+
+Rodrigo.
+O, helft mir hier.
+
+Cassio.
+Das ist einer von ihnen.
+
+Jago.
+Du mördrischer Sclave! du Raker!
+
+(Er giebt dem Rodrigo vollends den Rest.)
+
+Rodrigo.
+O verruchter Jago! unmenschlicher Hund!
+
+Jago.
+Leute im Dunkeln zu ermorden! Wo sind diese blutige Diebe? Wie?
+diese Stadt ist ja so still als wenn alles ausgestorben wäre! He!
+Mord! Mord!--Wer seyd wohl ihr? Seyd ihr ehrliche Leute oder--
+
+Lodovico.
+Qualificiert uns, wie ihr uns findet.
+
+Jago.
+Signor Lodovico?--
+
+Lodovico.
+Er selbst, mein Herr.
+
+Jago.
+Ich bitte tausendmal um Vergebung! Hier ligt Cassio, von
+Meuchelmördern verwundet.
+
+Gratiano.
+Cassio?
+
+Jago.
+Wie steht's um dich, Bruder?
+
+Cassio.
+Mein Bein ist entzwey gehauen.
+
+Jago.
+Das verhüte der Himmel! Licht, meine Herren, ich will ihn mit
+meinem Hemde verbinden.
+
+
+
+Vierte Scene.
+ (Bianca zu den Vorigen.)
+
+
+Bianca.
+Was ist hier für ein Lerm? He, wer ist der, so ruft?
+
+Cassio.
+Wer ist der, so ruft?
+
+Bianca.
+O mein liebster Cassio! Mein süsser Cassio! O, Cassio, Cassio!
+Cassio!
+
+Jago.
+O merkwürdige Meze! Cassio, könnt ihr nicht errathen, wer
+diejenigen seyn mögen, die euch so zugerichtet haben?
+
+Cassio.
+Nein.
+
+Gratiano.
+Es bekümmert mich sehr, euch so zu finden. Ich war im Begriff,
+euch aufzusuchen.
+
+Jago.
+Lehnt mir ein Knieband. So--O wenn wir nur einen Lehn-Sessel
+hätten, um ihn bequemer wegzutragen!
+
+Bianca.
+O Himmel, er wird ohnmächtig. O Cassio, Cassio, Cassio!
+
+Jago.
+Meine Herren allerseits; ich hab' eine Vermuthung, daß dieser
+Bündel hier Antheil an dem verübten Bubenstük haben möchte. Ein
+wenig Geduld, lieber Cassio; kommt, kommt: Leiht mir das Licht:
+Kennen wir dieses Gesicht oder nicht? O Himmel! Mein Freund, mein
+liebster Landsmann? Rodrigo? Nein: ja, würklich: ja, es ist
+Rodrigo.
+
+Gratiano.
+Wie, von Venedig?
+
+Jago.
+Eben er, mein Herr; kanntet ihr ihn?
+
+Gratiano.
+Ob ich ihn kannte? Ah!
+
+Jago.
+Signor Gratiano! Ich bitte Eu. Gnaden sehr um Vergebung: Die
+Verwirrung bey einem so blutigen Auftritt muß die Entschuldigung
+meiner Unhöflichkeit machen.
+
+Gratiano.
+Ich erfreue mich euch zu sehen.
+
+Jago.
+Wie geht's euch, Cassio? O, einen Arm-Sessel! Einen Arm-Sessel!
+
+Gratiano.
+Rodrigo?
+
+Jago.
+Er, Er, es ist Er--Wenn wir nur einen Sessel hätten, damit man ihn
+ohne Erschütterung von hier wegbringen könnte; ich will den Wund-
+Arzt des Generals holen. Ihr, Mamsel, könn't eure Mühe sparen.
+Der Mann, Cassio, der hier in seinem Blute ligt, war mein bester
+Freund. Was für ein Mißverständniß war denn zwischen euch?
+
+Cassio.
+Keines in der Welt; ich kenn' ihn nicht einmal.
+
+Jago.
+Wie? Ihr seht ganz bleich aus?--Oh, tragt ihn doch aus der freyen
+Luft!--Bleibt doch hier, meine Gnädige Herren--
+
+(Zu Bianca.)
+
+Seht ihr blaß aus, Mamsel?--Merkt ihr meine Herren, wie verstört
+ihre Augen herumfahren? Gut, gut, das bedeutet was, wir werden
+bald mehr hören. Betrachtet sie recht, ich bitte euch, seht sie an;
+seht ihr, meine Herren? O, ein böses Gewissen wird reden, wenn
+alle Sprachen abgegangen wären.
+
+
+
+Fünfte Scene.
+ (Aemilia zu den Vorigen.)
+
+
+Aemilia.
+Ums Himmels willen, was giebt's hier? Was giebt's hier, Mann?
+
+Jago.
+Cassio ist hier im Dunkeln von Rodrigo und seinen Gesellen, welche
+entsprungen sind, angefallen worden; er ist übel verwundet, und
+Rodrigo todt.
+
+Aemilia.
+O Jammer! der arme Cavalier! der arme, gute Cassio!
+
+Jago.
+Das sind die Früchte vom Huren-Leben--Ich bitte dich, Aemilia, geh,
+frage den Cassio, wo er heute zu Nacht gegessen habe--
+
+(zu Bianca.)
+
+Wie, zittert ihr vor dieser Frage?
+
+Bianca.
+Er aß in meinem Hause zu Nacht, aber ich zittre nicht deßwegen.
+
+Jago.
+O, that er das?--ich arretiere euch hier--kommt mit mir.
+
+Aemilia.
+O fy, die garstige Hure!
+
+Bianca.
+Ich bin keine Hure, ich bin eine so ehrliche Frau als ihr, die mich
+so beschimpfst!
+
+Aemilia.
+Als ich? Pfuy, das garstige Ding!
+
+Jago.
+Meine liebsten Herren, wir wollen dafür sorgen, daß Cassio
+verbunden wird. Kommt, Mamsell, wir wollen euch schon die Zunge
+lösen. Aemilia, lauft ihr in die Citadelle, und sagt dem General
+und der Gnädigen Frauen was begegnet ist: Wollt ihr voran gehen?--
+
+(vor sich.)
+
+Der Ausgang dieser Nacht wird mein Glük oder meinen Untergang
+entscheiden.
+
+(Sie gehen ab, Jago zulezt.)
+
+
+
+Sechste Scene.
+ (Ein Schlaf-Zimmer. Desdemona in einem Bette, wovon der Vorhang
+ halb weggezogen ist.)
+ (Othello tritt mit einem Degen in einer, und einem Licht in der
+ andern Hand auf.)
+
+
+Othello.
+Die Beleidigung ist zu groß, zu groß, meine Seele--Laßt sie mich
+nicht vor euch nennen, ihr keuschen Sterne! Sie ist zu groß!--Und
+doch will ich ihr Blut nicht vergiessen, noch diese ihre Haut
+zerrizen, die weisser als Schnee, und so glatt wie Alabaster ist.
+
+(Er legt seinen Degen nieder.)
+
+Und doch muß sie sterben; sie würde sonst noch mehr Unglükliche
+machen. Das Licht ausgelöscht, und dann--Das Licht auslöschen--O
+du dienstbare Flamme, wenn ich dich auslösche, und es gereut mich,
+so kan ich dir dein Licht wieder geben: Aber wenn (dein) Licht
+einmal ausgeblasen ist, du vollkommenstes Modell der sich selbst
+übertreffenden Natur, so weiß ich nicht, wo dieser prometheische
+Funke ist, der es wieder anzünden kan--
+
+(Er stellt das Licht hin.)
+
+Wenn ich deine Rose abgepflükt habe, so kan ich ihr den belebenden
+Geist nicht wiedergeben; sie muß verwelken--Ich will dich noch am
+Stoke riechen--
+
+(Er küßt sie.)
+
+--O du balsamischer Athem, fast könntest du die Gerechtigkeit
+bewegen ihr Schwerdt zu zerbrechen--Noch einen; noch einen--Sey so,
+wenn du todt bist, und ich will dich erst ermorden, und dann lieben--
+noch einen, der soll der lezte seyn--Holdseliges Geschöpf, wie
+Schade, daß du sterben sollst! Ich muß weinen, aber es sind
+grausame Thränen--Sie weinen auf die Hand, die dir den Tod bringt--
+Sie erwacht.
+
+Desdemona.
+Wer ist hier? Othello?
+
+Othello.
+Ja, Desdemona.
+
+Desdemona.
+Wollt ihr zu Bette kommen, mein Gemahl?
+
+Othello.
+Habt ihr euer Nachtgebet gebetet, Desdemona?
+
+Desdemona.
+Ja, mein Herr.
+
+Othello.
+Wenn ihr euch noch irgend eines Verbrechens erinnert, worüber ihr
+euch mit dem Himmel noch nicht ausgesöhnt habt, so säumt euch nicht,
+um seine Gnade zu flehen.
+
+Desdemona.
+O Gott! was meynt ihr mit dieser Aufforderung?
+
+Othello.
+Gut, thu es, und machs kurz; ich will bey Seite gehen. Ich möchte
+dich nicht unbereitet überraschen, nein, (der Himmel bewahre mich
+davor!) ich möchte deine Seele nicht ermorden.
+
+Desdemona.
+Redet ihr von ermorden?
+
+Othello.
+Ja, das thu ich.
+
+Desdemona.
+So erbarme sich der Himmel über mich!
+
+Othello.
+Amen, von ganzem Herzen.
+
+Desdemona.
+Wenn ihr so sagt, so werdet ihr mich doch nicht umbringen wollen.
+
+Othello.
+Hum!
+
+Desdemona.
+Und doch fürcht' ich euch; ihr seyd gefährlich, wenn eure Augen so
+rollen. Warum ich mir förchten soll, weiß ich nicht, da ich mir
+keiner Schuld bewußt bin; und doch fühl' ichs, daß mir bang ist.
+
+Othello.
+Denk an deine Sünden.
+
+Desdemona.
+Ich kenne keine, als die zu grosse Liebe, die ich zu euch trage.
+
+Othello.
+Ja, und davor must du sterben.
+
+Desdemona.
+Das ist unnatürlich, Liebe mit dem Tode zu bestrafen. O Gott!
+Warum beißt ihr so in eure Unter-Lippe? Irgend ein blutiges
+Vorhaben erschüttert euern ganzen Bau; das sind fürchterliche
+Vorbedeutungen; und doch hoff' ich, ich hoffe, sie zielen nicht auf
+mich.
+
+Othello.
+Schweig, und sey still.
+
+Desdemona.
+Ich will; was habt ihr dann?
+
+Othello.
+Das Schnupftuch, das mir so lieb war, und das ich dir gab, gabst du
+dem Cassio?
+
+Desdemona.
+Nein, bey meinem Leben und meiner Seele; schikt nach ihm, und fragt
+ihn.
+
+Othello.
+Holde Seele, nimm dich in Acht, nimm dich vor Meineyd in Acht; du
+bist auf deinem Tod-Bette.
+
+Desdemona.
+Ja, aber doch noch nicht izt zu sterben.
+
+Othello.
+Diesen Augenblik; entlade dich also durch ein aufrichtiges
+Bekenntniß deiner Sünde; denn wenn du auch jeden Artikel mit einem
+Eyde läugnen würdest, so würd' es unvermögend seyn, die tiefe
+Ueberzeugung zu erschüttern, die mir diesen Seufzer erpreßt. Du
+must sterben.
+
+Desdemona.
+O Himmel, erbarme dich meiner!
+
+Othello.
+Ich sag, Amen.
+
+Desdemona.
+Und erbarmt ihr euch auch!--Nie, in meinem Leben hab ich euch nie
+beleidigt; niemals diesen Cassio geliebt, als mit dieser
+allgemeinen Liebe, die der Himmel selbst billigt und fordert. Ich
+gab ihm niemalen kein Andenken.
+
+Othello.
+Beym Himmel, ich sah mein Schnupftuch in seiner Hand. O
+meineydiges Weibsbild! du versteinerst mein Herz! du machst, daß
+ich das was ich zu thun vorhabe, einen Mord nennen muß, da ich es
+für ein Opfer hielt. Ich sah das Schnupftuch.
+
+Desdemona.
+So hat er's also gefunden; ich gab' es ihm nie; schikt nach ihm,
+laßt ihn die Wahrheit gestehen.
+
+Othello.
+Er hat gestanden.
+
+Desdemona.
+Was, mein Gemahl?
+
+Othello.
+Daß er--mit dir zu thun gehabt--
+
+Desdemona.
+Wie, auf eine unerlaubte Art?
+
+Othello.
+Ja.
+
+Desdemona.
+Das kan er nicht sagen.
+
+Othello.
+Nein, sein Mund ist verstopft. Der ehrliche Jago hat davor gesorgt.
+
+Desdemona.
+Wie, ist er todt?
+
+Othello.
+Wär' in jedem seiner Haare ein eignes Leben gewesen, meine grosse
+Rache hätte Zorn genug für alle gehabt.
+
+Desdemona.
+O Gott, so ist er verrathen, und ich bin verlohren!
+
+Othello.
+Weg mit dir, Schandhure! Weinst du vor meinen Augen um ihn?
+
+Desdemona.
+Verbanne mich, lieber Mann, tödte mich nur nicht.
+
+Othello.
+Hinab, unzüchtiger Balg!
+
+Desdemona.
+Tödte mich morgen, laß mich nur diese Nacht noch leben.
+
+Othello.
+Nein, wenn du dich sträubst--
+
+Desdemona.
+Nur noch eine halbe Stunde.
+
+Othello.
+Schweige, du bekommst keinen Aufschub.
+
+Desdemona.
+Nur so lang ich ein Vater Unser beten kan.
+
+Othello.
+Es ist zu spät.
+
+(Er erstekt sie.)
+
+
+
+Siebende Scene.
+ (Aemilia, vor der Thüre.)
+
+
+Aemilia.
+Gnädiger Herr, Gnädiger Herr! He! Gnädiger Herr!
+
+Othello.
+Was für ein Getös ist das?--Noch nicht todt? noch nicht völlig
+todt? So grausam ich bin, bin ich doch barmherzig; ich wollte dich
+nicht gern lang leiden lassen--So, so.
+
+Aemilia (vor der Thüre.)
+Wie? he! Gnädiger Herr! Gnädiger Herr!
+
+Othello.
+Wer ist da?
+
+Aemilia.
+O mein lieber Gnädiger Herr, ich möchte nur ein Wort mit euch reden.
+
+Othello.
+Ja, es ist Emilia--In einem Augenblik--sie ist todt--Vermuthlich
+wird sie mir die Nachricht von Cassios Tode bringen--Der Lerm war
+groß--Ha, du rührst dich nicht mehr? Still wie ein Grab. Soll ich
+sie hereinlassen? Wär' es gut? Mich däucht, sie rührt sich wieder-
+-Nein--Was ist das Beste? Wenn sie herein kömmt, so wird sie mit
+meinem Weibe reden wollen; meinem Weib? Meinem Weib? Was für
+einem Weib? Ich habe kein Weib--O Unerträglich! o bange Stunde!
+Mich däucht, es sollte izt eine dichte Verfinsterung der Sonne und
+des Monds seyn, und der geschrekte Erdball sollte vor Entsezen
+beben--
+
+Aemilia.
+Ich bitte euch, nur ein paar Worte, ach; mein lieber Gnädiger Herr!
+--
+
+Othello.
+Ich hatte dich vergessen; oh, komm herein, Aemilia. Sachte,
+augenbliklich, ich muß nur erst den Vorhang ziehen.--Wer bist du?
+Was willst du?
+
+(Er riegelt die Thür auf.)
+
+(Aemilia kommt herein.)
+
+Aemilia.
+Ach, Gnädiger Herr, es ist eine greuliche Mordthat begangen worden!
+
+Othello.
+Wie? izt?
+
+Aemilia.
+Eben izt, Gnädiger Herr.
+
+Othello.
+Da hat der Mond die Schuld; er ist der Erde näher gekommen als
+seine Gewohnheit ist, und nun werden alle Leute toll.
+
+Aemilia.
+Cassio hat einen jungen Venetianer, Rodrigo genannt, umgebracht.
+
+Othello.
+Rodrigo umgebracht? und Cassio umgebracht?
+
+Aemilia.
+Nein, Cassio ist nicht todt.
+
+Othello.
+Cassio ist nicht todt? So ist die Rache nur halb befriedigt.
+
+Desdemona.
+O unbillig, unbillig ermordet!--
+
+Aemilia.
+Gott helf uns! was für ein Geschrey ist das?
+
+Othello.
+Das? Was?
+
+Aemilia.
+O Himmel, es war meiner Gnädigen Frauen Stimme. Zu Hülfe, zu Hülfe!
+He! zu Hülfe! O Gnädige Frau, redet weiter; englische Desdemona,
+o meine theureste Gebieterin, redet!
+
+Desdemona.
+Ich sterbe unschuldig.
+
+Aemilia.
+O, wer hat diese entsezliche That gethan?
+
+Desdemona.
+Niemand, ich selbst, lebe wohl; bringe meinem gütigen Gemahl meinen
+lezten Gruß; o, lebe wohl.
+
+(Sie stirbt.)
+
+Othello.
+Wie, wie sollte sie ermordet worden seyn?
+
+Aemilia.
+O Gott! wer weiß das?
+
+Othello.
+Ihr hörtet's, sie sagte selbst, ich sey's nicht gewesen.
+
+Aemilia.
+Sie sagte so, ich kan nichts anders sagen.
+
+Othello.
+Sie ist als eine Lügnerin zur Hölle gefahren; ich war's, der sie
+ermordete.
+
+Aemilia.
+Oh, desto mehr Engel ist sie nun, und du ein desto schwärzerer
+Teufel.
+
+Othello.
+Sie ergab sich der Leichtfertigkeit, sie war eine Hure.
+
+Aemilia.
+Du lästerst sie, du bist ein Teufel.
+
+Othello.
+Sie war falsch wie Wasser.
+
+Aemilia.
+Und du bist rasch wie Feuer, wenn du das sagst. Oh, sie war ein
+Engel von Unschuld.
+
+Othello.
+Sie ließ sich von Cassio deken; frag deinen Mann, wenn du's nicht
+glauben willst. Welcher Abgrund in der flammenden Hölle wäre tief
+genug für mich, wenn ich ohne die stärksten Gründe so weit gegangen
+wäre? Dein Mann weiß alles.
+
+Aemilia.
+Mein Mann?
+
+Othello.
+Dein Mann.
+
+Aemilia.
+Das sie ihrem Ehbett untreu war?
+
+Othello.
+Ja, mit Cassio. Wäre sie treu gewesen, glaube mir, wenn mir der
+Himmel noch eine solche Welt, wie diese, aus einem einzigen ganzen
+Chrysolith hätte machen wollen, ich hätte sie nicht darum gegeben.
+
+Aemilia.
+Mein Mann!
+
+Othello.
+Ja, er war's, der mir die erste Nachricht davon gab. Er ist ein
+ehrlicher Mann, und ein Feind schändlicher Thaten.
+
+Aemilia.
+Mein Mann!
+
+Othello.
+Wozu soll diese doppelte Ausruffung, Weib? Ich sage, dein Mann.
+
+Aemilia.
+O meine Gebieterin! Arglistige Bosheit hat die eifersüchtige Liebe
+betrogen, und du bist das Opfer. Mein Mann soll gesagt haben, sie
+sey ungetreu!
+
+Othello.
+Er, Weibsbild; ich sage, dein Mann; verstehst du das Wort? Mein
+Freund, dein Mann, der ehrliche, rechtschaffne Jago.
+
+Aemilia.
+Wenn er das sagt, so verderbe seine verruchte Seele in langsam
+marternden Qualen! Er lügt's in sein Herz hinein! Nur zu sehr
+liebte sie den hassenswürdigen Teufel, mit dem sie sich beladen
+hatte.
+
+Othello.
+Ha!--
+
+Aemilia.
+Thu dein ärgstes; diese greuliche That, die du gethan hast, ist den
+Himmel nicht mehr werth, wie du ihrer werth warst.
+
+Othello.
+Schweigen wäre das rathsamste für dich.
+
+Aemilia.
+Du kanst nicht halb so geneigt seyn, mir Leid anzuthun, als ich es
+wünsche: o Erzbetrüger! o dummer Kerl! dumm wie Mist! du hast
+eine That gethan--ich frage nichts nach deinem Degen, ich will
+bekannt machen wer du bist, und wenn ich zwanzig Leben zu
+verliehren hätte--Hülfe! Hülfe! He! Hülfe! Der Mohr hat meine
+Frau umgebracht. Hülfe, Hülfe!
+
+
+
+Achte Scene.
+ (Montano, Gratiano, Jago und andre treten auf.)
+
+
+Montano.
+Was giebt es hier? Wie, was bedeutet das, General?
+
+Aemilia.
+O, seyd ihr auch da, Jago? Ihr habt es weit gebracht, daß die
+Leute ihre Mordthaten auf euern Hals schieben.
+
+Gratiano.
+Was soll dieses bedeuten?
+
+Aemilia.
+Wiedersprich diesem Bösewicht, wenn du ein Mann bist; er giebt aus,
+du habest ihm gesagt, seine Frau sey untreu gewesen: Ich bin gewiß,
+du hast es nicht gesagt; du bist kein solcher Bube! Rede, mein
+Herz ist so voll, daß es zerspringen wird.
+
+Jago.
+Ich sagte ihm was ich dachte; und nicht mehr, als er selbst
+glaubwürdig und wahr befand.
+
+Aemilia.
+Aber sagtet ihr ihm jemals, sie sey untreu?
+
+Jago.
+Ja, das that ich.
+
+Aemilia.
+So sagtet ihr eine Lüge. eine hassenswürdige, verdammte Lüge; auf
+meine Seel', eine Lüge; eine verfluchte Lüge. Sie untreu mit
+Cassio? Sagtet ihr, mit Cassio?
+
+Jago.
+Mit Cassio, Frau; geht, geht, und laßt euch eure Zunge legen.
+
+Aemilia.
+Das will ich nicht; ich will, ich muß reden; es ist meine Pflicht,
+daß ich rede. Meine Frau ligt hier ermordet in ihrem Bette.
+
+Alle.
+Das wolle der Himmel nicht!
+
+Aemilia.
+Und eure Ohrenbläsereyen sind der Antrieb zu diesem Mord gewesen.
+
+Othello.
+Nein, seht nicht so erschroken aus, meine Herren; es ist wahr, es
+ist würklich so.
+
+Gratiano.
+Das ist eine verwünschte Wahrheit.
+
+Montano.
+O ungeheure That!
+
+Aemilia.
+Büberey! Schändliche versuchte Büberey! Ich seh--ich rieche sie--
+Verdammte Büberey!--Ich dachte gleich--O, ich möchte vor Schmerz
+Hand an mich selbst legen--o Büberey! Büberey!
+
+Jago.
+Wie, seyd ihr toll? Ich befehls euch, pakt euch heim.
+
+Aemilia.
+Meine liebe Herren, erlaubt mir daß ich reden darf, ich bin ihm
+sonst Gehorsam schuldig, aber nicht izt: Vielleicht, Jago, werd'
+ich nie wieder heim gehen.
+
+Othello.
+O! O! O!
+
+(Er sinkt auf das Bette.)
+
+Aemilia.
+Ja, leg dich nur hin, und heule: Du hast die liebenswürdigste
+Unschuldige umgebracht, die jemals geathmet hat.
+
+Othello (auffahrend.)
+O, sie war lasterhaft!--Ich erkenn' euch erst izt, Oheim; hier ligt
+eure Nichte, deren Athem, ich bekenn' es, diese Hände nur eben
+gestopft haben; ich weiß es, diese That sieht gräßlich aus.
+
+Gratiano.
+Arme Desdemona! Ich bin froh, daß dein Vater todt ist: Deine
+Heurath kürzte ihm das Leben ab. Lebte er noch, dieser Anblik
+würde ihn zur Verzweiflung treiben; ja, er würde seinen guten Engel
+von seiner Seite wegfluchen, und in Verzweiflung sterben.
+
+Othello.
+Es ist erbarmenswürdig; aber Jago weiß es, daß sie die schaamvolle
+That mit Cassio wol tausendmal begangen hat. Cassio hat es
+eingestanden; und zu Vergeltung seiner Liebes-Proben gab sie ihm
+das, womit ich ihr das erste Geschenk gemacht hatte; ich sah es in
+seiner Hand; es war ein Schnupftuch, ein altes Andenken, das mein
+Vater meiner Mutter gegeben hatte.
+
+Aemilia.
+O Himmel! O himmlische Mächte!
+
+Jago.
+Schweig, sag ich dir!
+
+Aemilia.
+Es muß heraus, es muß heraus--Ich, schweigen? Laßt Engel, Menschen
+und Teufel, laßt sie alle, alle, alle Schaam über mich schreyen,
+wenn ich nicht rede.
+
+Jago.
+Sey klug und geh heim.
+
+(Jago will sein Weib ermorden, und wird zurük gehalten.)
+
+Gratiano.
+Fy, euern Degen gegen ein Weibsbild!
+
+Aemilia.
+O du dummer Mohr! Dieses Schnupftuch, wovon du redst, fand ich von
+ungefehr, und gab es meinem Manne, der mich gar oft aufs
+inständigste, angelegenste, (mehr, in der That, als eine solche
+Kleinigkeit werth war,) bat, daß ich es stehlen möchte.
+
+Jago.
+Verfluchte Hure!
+
+Aemilia.
+Sie soll es dem Cassio gegeben haben? Weh mir! ich fand es, und
+gab es meinem Manne!
+
+Jago.
+Rabenaaß! du lügst.
+
+Aemilia.
+Beym Himmel! ich lüge nicht; ich lüge nicht, meine Herren; o du
+meuchelmördrischer Dummkopf! Was sollte ein solcher Narr mit einer
+so vortreflichen Frau machen?
+
+(Jago bricht los, verwundet seine Frau, und entspringt.)
+
+Othello.
+Sind keine Donnerkeile mehr im Himmel? Wozu nüzt dann der Donner?
+Unerhörter Lotterbube!
+
+Gratiano.
+Sie fällt; er hat sein Weib umgebracht--
+
+Aemilia.
+Ja, ja; oh, legt mich an meiner Frauen Seite.
+
+Gratiano.
+Seine Frau ist ermordet, und er ist entlauffen.
+
+Montano.
+Das ist ein entsezlicher Bösewicht; nehmt diesen Degen in
+Verwahrung, damit ihn der Mohr nicht erhasche; kommt, besezt die
+auswendigen Thüren, laßt ihn nicht durch; tödtet ihn eher; ich
+selbst will diesem Bösewicht nach; es ist ein verdammter Geselle!
+
+(Montano und Gratiano gehen ab.)
+
+
+
+Neunte Scene.
+
+
+Othello.
+Ich bin auch nicht mehr tapfer; ein jeder kleiner Klopffechter
+nimmt mir meinen Degen weg. Aber warum sollte die Ehre die Tugend
+überleben? Laßt immer alles dahin fahren!
+
+Aemilia.
+Was bedeutete dein Gesang, meine Gebieterin? Höre, kanst du mich
+hören? Ich will den Schwanen machen, und singend sterben; (Weide,
+Weide, Weide--)--Mohr, sie war keusch; sie liebte dich, grausamer
+Mohr; so sehe mein Geist die Seligkeit, wie ich die Wahrheit rede,
+und diese Wahrheit--sey mein leztes Wort--
+
+(Sie stirbt.)
+
+Othello.
+Ich habe noch einen andern Degen in diesem Zimmer, eine Spanische
+Klinge, mit Wasser aus dem Ebro gestählt; o, hier ist sie: Oheim,
+ich muß hinaus.
+
+Gratiano (vor der Thüre.)
+Wenn du es versuchst, wird es dir theuer zu stehen kommen; du hast
+kein Gewehr, und sollst dich unterwerfen, du magst wollen oder
+nicht.
+
+Othello.
+So schau zu mir herein und rede mit mir, oder ich will ohne Gewehr
+über dich.
+
+(Gratiano kommt herein.)
+
+Gratiano.
+Was wollt ihr?
+
+Othello.
+Seht! ich hab ein Gewehr; ein schöneres hieng niemals an eines
+Soldaten Hüfte. Ich habe den Tag gesehen, da ich mit diesem
+kleinen Arm, und diesem guten Degen mir durch mehr Hinternisse
+einen Weg machte, als zwanzig solche Wächter wie ihr seyd. Aber, o
+eitle Pralerey! Wer kan über sein Schiksal Meister werden? Es ist
+nun ein anders. Erschreket nicht, ob ihr mich gleich bewaffnet
+sehet; hier ist das Ende meiner Fahrt, hier ist mein Ziel, die
+äusserste Marke, die mein leztes Segel noch erreichen kan--tretet
+ihr erschroken zurük? Es ist eine vergebliche Furcht: Züket nur
+ein Schilfrohr gegen Othello's Brust, so wird er sich zurükziehen.
+Wo sollte Othello hin gehen? Nun--
+
+(Er sieht auf Desdemona.)
+
+--Wie siehst du nun aus? Unglükliches Geschöpf! wie bleich! Wenn
+wir vor Gericht zusammen kommen, wird diese Mine, die du hast,
+meine Seele vom Himmel herabschleudern, und Teufel werden sie
+auffangen--Kalt, kalt, mein Mädchen; kalt, wie deine Keuschheit--O
+verfluchter Sclave! Peitscht mich, ihr bösen Geister, peitscht
+mich vom Genuß dieses himmlischen Anschauens weg; zerstäubt mich in
+die Winde, röstet mich in Schwefel, wascht mich in bodenlosen
+Schlünden von flüssigem Feuer--O Desdemona! Desdemona! todt!
+todt! oh, oh!
+
+
+
+Zehnte Scene.
+ (Lodovico, Cassio, der hereingeführt wird, Montano, Jago gebunden,
+ und einige Officiers, zu den Vorigen.)
+
+
+Lodovico.
+Wo ist dieser rasche und höchst unglükliche Mann?
+
+Othello.
+Das ist der, der einst Othello war, hier bin ich.
+
+Lodovico.
+Wo habt ihr diese Viper? Bringt den Buben hervor!
+
+Othello.
+Ich seh ihm auf die Füsse; aber das ist eine Fabel. Wenn du ein
+Teufel bist, so kan ich dich nicht tödten.
+
+(Othello stößt nach Jago, und verwundet ihn.)
+
+Lodovico.
+Windet ihm seinen Degen aus den Händen.
+
+Jago.
+Ich blute, Herr, aber ich lebe noch.
+
+Othello.
+Auch ist es mir nicht leid; ich will daß du lebest; du verdienst
+nicht, so glüklich zu seyn und zu sterben.
+
+Lodovico.
+O du, Othello, einst ein so vortrefflicher Mann--nun in die
+Fallstrike eines verruchten Sclaven gefallen--was soll man zu dir
+sagen?
+
+Othello.
+Wie, was man will; daß ich ein ehrlicher Mörder sey, wenn ihr wollt:
+Denn was ich that, that ich nicht aus Haß, sondern meine Ehre zu
+rächen.
+
+Lodovico.
+Dieser Unselige hat einen Theil seines Bubenstüks eingestanden:
+Beschlosset ihr und er mit einander, den Cassio zu ermorden?
+
+Othello.
+Ja.
+
+Cassio.
+Mein theurer General, ich gab euch niemals Ursache dazu.
+
+Othello.
+Ich glaub es, und bitte euch um Vergebung: Wollt ihr, ich bitte
+euch, diesen Halb-Teufel fragen, warum er meinen Leib und meine
+Seele so verstrikt habe?
+
+Jago.
+Fragt mich nichts; was ihr wißt, das wißt ihr; von diesem Augenblik
+an soll kein Wort mehr aus meinem Munde gehen.
+
+Lodovico.
+Wie? Auch nicht zum Beten?
+
+Gratiano.
+Foltern sollen dir den Mund schon aufthun.
+
+Othello.
+Gut, du thust am besten.
+
+Lodovico.
+Mein Herr, mich däucht, ihr seht noch nicht klar in der Sache;
+diese zween Briefe, die man in des erschlagenen Rodrigo Tasche
+gefunden, werden euch aus dem Wunder helfen. Einer davon enthält
+die Ermordung des Cassio, welche Rodrigo auf sich nehmen sollte--
+
+Othello.
+O Bösewicht!
+
+Cassio.
+Mehr als heidnisch!
+
+Lodovico.
+Und hier ist der andre, die Antwort, die, dem Ansehen nach, Rodrigo
+ihm zugeschikt haben wollte, wenn Jago nicht indessen selbst
+gekommen und ihn befriediget hätte.
+
+Othello.
+O du verpesteter Bube!--Wie kam't ihr zu meines Weibs Schnupftuch,
+Cassio?
+
+Cassio.
+Ich fand es in meiner Kammer, und er gestuhnd uns eben izt, daß er
+es in einer besondern Absicht daselbst hingeworfen habe, welche er
+auch nach Herzens-Lust erreicht habe.
+
+Othello.
+O Narr! Narr! Narr! der ich war!
+
+Cassio.
+Hier ist auch noch in Rodrigo's Briefe, wie er ihm vorwirft, daß er
+ihn vermocht habe, mich auf der Wache zu beschimpfen; welches die
+Gelegenheit dazu gab, daß ich cassiert wurde: Und eben erst, da er
+nach einer langen Ohnmacht, worinn er für todt gehalten wurde,
+wieder zu sich selbst kam, sagte er, Jago selbst habe ihm den Rest
+gegeben.
+
+Lodovico (zu Othello.)
+Ihr müßt nun diesen Ort verlassen, und mit uns gehen: Eure Gewalt
+ist euch abgenommen, und Cassio regiert nun in Cypern. Was diesen
+Sclaven betrift, wenn irgend eine sinnreiche Marter ausgedacht
+werden kan, die ihn die grausamste Pein leiden mache, ohne ihn zu
+bald aufzureiben, so wartet sie auf ihn. Ihr, Othello, sollt in
+enger Verwahrung bleiben, bis die Beschaffenheit eures Vergehens
+der Regierung von Venedig bekannt gemacht seyn wird. Kommt, führet
+ihn hinweg.
+
+Othello.
+Sachte; ein paar Worte, eh ihr geht. Ich habe dem Staat einige
+Dienste geleistet, und sie wissen's: Nichts mehr davon. Ich bitte
+euch, wenn ihr in euern Briefen diese unglükliche Geschicht'
+erzählet, so redet von mir wie ich bin; verkleinert meine Fehler
+nicht, aber macht mich auch nicht schlimmer als ich war. Redet
+also von einem, der nicht weislich liebte, aber zu sehr; von einem
+der nicht leicht eiferte; aber nachdem er einmal von dieser
+Leidenschaft ergriffen war, keine Grenzen kannte; von einem, dessen
+Hand gleich dem verworfnen Juden (Herodes) eine Perle wegwarf,
+deren unschäzbaren Werth sein ganzer Stamm nicht bezahlen konnte;
+von einem dessen ungewohnte Augen, ihr gleich Arabiens Balsam-
+Staude Thränen, Jammer-lindernde Thränen quellen sahet. Dieses
+schreibet, und sezt hinzu, daß ich einst in Aleppo, wo ein
+boßhafter, schelmischer Türke einen Venetianer schlug und auf den
+Staat schimpfte, den beschnittnen Hund bey der Gurgel gefaßt, und
+ihn so gekizelt habe.
+
+(Er ersticht sich.)
+
+Lodovico.
+O blutige Nacht!
+
+Gratiano.
+Hier verliehren Worte alle ihre Kraft!
+
+Othello (zu Desdemona.)
+Ich küßte dich, eh ich dich tödtete; nun ist nichts übrig, als da
+ich mich selbst getödtet habe, mit einem Kuß zu sterben.
+
+(Er sinkt auf Desdemonens Leiche und stirbt.)
+
+Cassio.
+Das besorgte ich, aber ich glaubte nicht, daß er ein Gewehr habe;
+er hatte ein grosses Herz.
+
+Lodovico (zu Jago.)
+O Spartanischer Hund, verderblicher als Pest, Hunger, oder die
+tobende See! Schau auf die jammervolle Last dieses Bettes hin; das
+ist dein Werk; der gräßliche Anblik vergiftet das Gesicht--Laßt ihn
+verhüllen, Gratiano. Behaltet das Haus, und bemächtigt euch des
+Vermögens des Mohren, denn ihr seyd sein Erbe.
+
+(Zu Cassio.)
+
+Euch, Herr Statthalter, verbleibt die Abstraffung dieses höllischen
+Bubens, die Zeit, der Ort, die Marter, o! laßt sie so greulich als
+seine Bosheit seyn. Ich selbst eile zu Schiffe, um mit schwerem
+Herzen dem Staat diesen jammervollen Zufall vorzutragen.
+
+Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Othello, von William Shakespeare
+(Übersetzt von Christoph Martin Wieland)
+
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Othello, by Shakespeare
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK OTHELLO ***
+
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+Produced by Delphine Lettau
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+searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our
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+per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2
+million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text
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+We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
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+will reach over half a trillion eBooks given away by year's end.
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+This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
+which is only about 4% of the present number of computer users.
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+eBooks Year Month
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+ 10 1991 January
+ 100 1994 January
+ 1000 1997 August
+ 1500 1998 October
+ 2000 1999 December
+ 2500 2000 December
+ 3000 2001 November
+ 4000 2001 October/November
+ 6000 2002 December*
+ 9000 2003 November*
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+*END THE SMALL PRINT! FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS*Ver.02/11/02*END*
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@@ -0,0 +1,6700 @@
+The Project Gutenberg EBook of Othello, by Shakespeare
+#32 in our series by William Shakespeare
+
+Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the
+copyright laws for your country before downloading or redistributing
+this or any other Project Gutenberg eBook.
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+This header should be the first thing seen when viewing this Project
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+important information about your specific rights and restrictions in
+how the file may be used. You can also find out about how to make a
+donation to Project Gutenberg, and how to get involved.
+
+
+**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts**
+
+**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971**
+
+*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****
+
+
+Title: Othello
+
+Author: William Shakespeare
+
+Release Date: December, 2004 [EBook #7185]
+[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
+[This file was first posted on March 24, 2003]
+
+Edition: 10
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ASCII
+
+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK OTHELLO ***
+
+
+
+
+Produced by Delphine Lettau
+
+
+
+
+Othello, der Mohr von Venedig.
+
+William Shakespeare
+
+Ein Trauerspiel.
+
+Uebersetzt von Christoph Martin Wieland
+
+Personen.
+
+Der Herzog von Venedig.
+Brabantio, ein Edler Venetianer.
+Gratiano, dessen Bruder,
+Lodovico, derselben Neffe.
+Othello, der Mohr, Venetianischer General in Cypern.
+Cassio, sein General-Lieutenant.
+Jago, Faehndrich des Othello.
+Rodrigo, ein einfaeltiger Junker, in Desdemona verliebt.
+Montano, des Mohren Vorfahrer im Commando zu Cypern.
+Hans Wurst, des Mohren Diener.
+Ein Herold.
+Desdemona, des Brabantio Tochter.
+Emilia, Jago's Weib.
+Bianca, eine Courtisane, Cassio's Liebste.
+Officiers, verschiedene Cavaliers, Abgeordnete, Musicanten,
+Matrosen, und Bediente.
+
+Der Schau-Plaz ist im ersten Aufzug in Venedig; und durch das ganze
+uebrige Stuek in Cypern.
+
+
+
+
+Erster Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+ (Eine Strasse in Venedig.)
+ (Rodrigo und Jago treten auf.)
+
+
+Rodrigo.
+Stille, sage mir nichts mehr davon, ich nehm' es sehr uebel, dass du,
+Jago, der du mit meinem Beutel schalten und walten durftest, als ob
+er dein eigen gewesen waere, Nachricht von diesem--
+
+Jago.
+Ihr wollt mich ja nicht anhoeren: Wenn ich jemals von so was nur
+getraeumt habe, so seht mich als ein Scheusal an.
+
+Rodrigo.
+Du sagtest mir, du truegest einen unversoehnlichen Hass gegen ihn.
+
+Jago.
+Speyt mir ins Gesicht, wenn's nicht so ist. Drey grosse Maenner in
+dieser Stadt zogen, in eigner Person, die Muezen bis auf den Boden
+vor ihm ab, dass er mich zu seinem Lieutenant machen moechte: Und, so
+wahr ich ein ehrlicher Mann bin, ich kenne mich, ich weiss, dass ich
+keinen schlechtern Plaz werth bin.
+
+Aber er, dessen hochmuethiger Eigensinn andre Absichten hatte,
+entwischte ihnen mit einem Galimathias von Umstaenden, und
+rauhtoenenden Kriegs-Kunst-Woertern; und das Ende vom Liede war, dass
+er meine Goenner mit einer langen Nase abziehen liess. Es ist mir
+leid, sagt er, aber ihr kommt zu spaet; ich habe mir meinen
+Lieutenant schon ausersehen. Und wer ist denn der? Ein gewisser
+Michel Cassio, ein Bursche, der noch keinen Feldzug gethan hat, der
+von Anordnung eines Treffens gerade so viel versteht als eine Woll-
+Spinnerin--nichts als was er aus Buechern gelernt, blosse Theorie,
+wovon unsre ehrsamen, friedliebenden Senatoren eben so gelehrt
+sprechen koennen als er; blosses Gewaesche, ohne Erfahrung--Das ist
+alles, was er vom Krieg versteht--Der hatte den Vorzug; und ich,
+von dem seine Augen in Rhodis, in Cypern, und in so vielen andern
+Orten, auf Christlichem und Heidnischem Boden, die Proben gesehen
+haben; ich muss mich mit Complimenten und Versprechungen abspeisen
+lassen--ich bin euer Schuldner, mein Herr, habt Geduld wir wollen
+schon Gelegenheit finden, mit einander abzurechnen, und dergleichen-
+-Kurz, er muss nun sein Lieutenant seyn, und ich, Dank sey den
+Goettern! seiner Mohrischen Excellenz demuethiger Fahnen-Junker.
+
+Rodrigo.
+Beym Himmel, ich wollte lieber sein Profos seyn.
+
+Jago.
+Dafuer ist nun kein Kraut gewachsen Es geht im Dienste nicht anders;
+Befoerdrung geht heutigs Tags nach Gunst und Empfehlungs-Schreiben,
+und nicht nach der Zeit, die man im Dienste gewesen ist, wie vor
+Zeiten, da der zweyte allemal den erstern erbte. Nun, mein Herr,
+mach' ich euch selbst zum Richter, ob ich mit einigem Schein der
+Wahrheit beschuldiget werden kan, dass ich den Mohren liebe.
+
+Rodrigo.
+Ich moechte nicht gerne haben, dass du ihn begleitest.
+
+Jago.
+O mein Herr, das lasst euch keine Sorge machen; ich begleite ihn, um
+mir selbst auf seine Unkosten Dienste zu thun. Wir koennen nicht
+alle Befehlhaber seyn, und nicht alle Befehlhaber koennen getreue
+Diener haben. Ihr werdet in der Welt manchen Dienst-ergebenen,
+knie-biegenden Schurken sehen, der unter einer vieljaehrigen treu-
+eyfrigen Dienstbarkeit endlich so grau wird wie seines Herrn Esel,
+ohne etwas anders davon zu haben, als dass er gefuettert, und wenn er
+alt ist gar abgedankt wird. Peitscht mir solche gutherzige
+Schurken--Dagegen giebt es andre, die zwar ihr Gesicht meisterlich
+in pflichtschuldige Falten zu legen wissen, aber ihr Herz hingegen
+vor aller fremden Zuneigung rein bewahren; die ihren Herren nichts
+als den aeusserlichen Schein der Ergebenheit und eines erdichteten
+Eifers zeigen, aber eben dadurch ihre Sachen am besten machen, und
+wenn sie ihre Pfeiffen geschnitten haben, davon gehen, und ihre
+eigne Herren sind. Das sind noch Leute die einigen Verstand haben,
+und ich habe die Ehre einer von ihnen zu seyn. Es ist so gewiss
+als ihr Rodrigo seyd; waer' ich der Mohr, so moecht ich nicht Jago
+seyn: izt dien ich, das wissen die Goetter! bloss um mir selbst zu
+dienen, und nicht aus Ergebenheit und Liebe--ich stelle mich zwar
+so, aber das hat seine Absichten--denn wahrhaftig, wenn mein
+Gesicht, und meine aeusserlichen Handlungen die wahre innerliche
+Gestalt meines Herzens zeigten, so wuerde mein Herz in kurzem den
+Kraehen zum Futter dienen--Mein guter Freund, ich bin nicht, was ich
+scheine.
+
+Rodrigo.
+Was fuer ein Gluek macht der dik-maulichte Kerl, wenn er sie so davon
+tragen kann!
+
+Jago.
+Ruft ihren Vater auf, wekt ihn auf, macht Lerm, versalzt ihm
+wenigstens seinen Spass; ruft es in den Strassen aus, jagt ihre
+Verwandten in den Harnisch, und wenn ihr ihn aus dem Paradiese,
+worein er sich eingenistert hat, nicht vertreiben koennt, so plagt
+ihn doch mit Fliegen,
+
+{ed. * Eine Anspielung auf die Beobachtung, dass die
+schoensten und fruchtbarsten Gegenden des Erdbodens am meisten mit
+Ungeziefer gestraft sind.}
+
+so dass seine Freude, wenn sie gleich nicht
+voellig aufhoert Freude zu seyn, doch wenigstens durch die
+Verdriesslichkeiten womit sie unterbrochen wird, etwas von ihrer
+Farbe verliere.
+
+Rodrigo.
+Hier ist ihres Vaters Haus ich will ihm ueberlaut ruffen.
+
+Jago.
+Thut es, und mit einem so graesslichen Ton, und Zetter-Geschrey, als
+wie wenn bey Nacht durch Nachlaessigkeit Feuer in einer volkreichen
+Stadt ausgekommen ist.
+
+Rodrigo.
+He! holla! Brabantio! Signor Brabantio! he!
+
+Jago.
+Wacht auf! he! holla! Brabantio! he! Diebe! Diebe!
+Seht zu euerm Haus, zu eurer Tochter, und zu euern Geld-Saeken:
+Diebe! Diebe!
+
+
+
+Zweyte Scene.
+ (Brabantio zeigt sich oben an einem Fenster.)
+
+
+Brabantio.
+Was ist die Ursache dieser fuerchterlichen Aufforderung? Was
+giebt's hier?
+
+Rodrigo.
+Signor, ist eure ganze Familie zu Hause?
+
+Jago.
+Sind alle eure Thueren verriegelt?
+
+Brabantio.
+Was sollen diese Fragen?
+
+Jago.
+Sakerlot! Herr, man bestiehlt euch; zieht doch wenigstens einen
+Rok an, und seht zu euern Sachen; man greift euch nach der Seele,
+euer bestes Kleinod ist verlohren; eben izt in diesem Augenblik,
+Herr, bespringt ein alter schwarzer Schaaf-Bok euer weisses Schaaf.
+Auf, auf, wekt die schnarchenden Buerger mit der Sturm-Gloke, oder
+der Teufel wird euch zum Grossvater machen; auf, sag ich.
+
+Brabantio.
+Wie? Habt ihr euern Verstand verlohren?
+
+Rodrigo.
+Mein hochzuverehrender Herr und Goenner, kennt ihr meine Stimme
+nicht?
+
+Brabantio.
+Wahrlich nicht; wer seyd ihr dann?
+
+Rodrigo.
+Mein Nam' ist Rodrigo.
+
+Brabantio.
+Desto schlimmer! Hab ich dir nicht verboten, um meine Thueren
+herum zu schwaermen? Hab ich dir nicht aufrichtig und ehrlich
+herausgesagt, meine Tochter sey nicht fuer dich gemacht? Und izt,
+nachdem du dich voll gefressen und gesoffen hast, kommst du in
+tollem Muthe boshafter Weise den Narren mit mir zu treiben, und
+mich in der Ruhe zu stoeren?
+
+Rodrigo.
+Herr, Herr, Herr--
+
+Brabantio.
+Aber du darfst dich unfehlbar darauf verlassen, dass mein Unwille
+und mein Ansehen es in ihrer Gewalt haben, dich theuer davor
+bezahlen zu machen.
+
+Rodrigo.
+Geduld, mein guter Herr.
+
+Brabantio.
+Was sagst du mir von Dieben? Wir sind hier in Venedig; mein Haus
+ist keine Scheure.
+
+Rodrigo.
+Sehr ehrwuerdiger Brabantio, ich komm in der Einfalt meines Herzens,
+und in guter Meynung zu euch.
+
+Jago.
+Sakerlot! Herr, ihr seyd, glaub ich, einer von denen die Gott den
+Dienst aufkuenden wuerden, wenn's der Teufel so haben wollte. Weil
+wir kommen, und euch einen Dienst thun wollen, so meynt ihr wir
+seyen Spizbuben; ihr wollt also haben, dass eure Tochter von einem
+Barber-Hengst belegt werden soll; ihr wollt haben, dass eure Enkel
+euch anwiehern; ihr wollt Postklepper zu Vettern und kleine
+Andalusische Stutten zu Basen haben.
+
+Brabantio.
+Was fuer ein heilloser Lotterbube bist du?
+
+Jago.
+Ich bin einer, Herr, der ausdrueklich hieherkommt euch zu sagen, dass
+eure Tochter und der Mohr im Begriff sind das Thier mit zween Rueken
+zu machen.
+
+Brabantio.
+Du bist ein Nichtswuerdiger--
+
+Jago.
+Ihr seyd ein Senator.
+
+Brabantio.
+Du sollst mir das bezahlen. Ich kenne dich, Rodrigo.
+
+Rodrigo.
+Mein Herr, ich bin fuer alles gut. Aber ich bitte euch, hoert mich
+nur an. Wenn es mit euerm guten Willen und hochweisen Beyfall
+geschehen ist, (wie ich fast vermuthen sollte) dass eure schoene
+Tochter, in dieser nehmlichen Nacht, in keiner bessern Begleitung
+als eines gemietheten Schurken, eines Gondoliers, den viehischen
+Umarmungen eines geilen Mohren zugefuehrt worden; wenn das, sag ich,
+mit eurer Begnehmigung geschehen ist, so haben wir euch allerdings
+groeblich beleidiget. Wisst ihr aber nichts hievon, so sind wir
+diejenigen, die sich ueber Unrecht zu beschweren haben; oder ich
+verstehe nicht was die gute Lebensart mit sich bringt. Glaubet
+nicht, dass ich von allem Gefuehl der Anstaendigkeit so sehr verlassen
+sey, dass ich aus blossem Muthwillen hieher kommen und Eure
+Excellenz zum Besten haben sollte. Ich sag es noch ein mal, wenn
+ihr eurer Tochter nicht die Erlaubniss dazu gegeben habt, so hat sie
+sich sehr vergangen, indem sie ihre Pflicht, ihre Schoenheit, ihren
+Verstand, und ihr Vermoegen einem herumirrenden Ritter, einem
+Abentheurer, aufopfert, der hier und allenthalben ein Fremdling ist--
+Verzieht nicht laenger; sezt euch selbst ins Klare: Wenn sie in
+ihrem Zimmer oder in euerm Hause zu finden ist, so lasst mich die
+ganze Strenge der Justiz dafuer erfahren, dass ich euch so misshandelt
+habe.
+
+Brabantio.
+Schlagt Feuer, he! bringt mir ein Licht--Ruft meine Leute
+zusammen--Dieser Zufall sieht meinem Traum nicht ungleich, und ich
+sterbe vor Furcht, dass es so seyn moechte. He! Licht, sag ich,
+Licht!
+
+Jago.
+Lebt wohl, ich kan mich nicht laenger aufhalten--Es wuerde sich gar
+nicht wol fuer meinen Plaz schiken, und mir in keinerley Absicht
+gesund seyn, als ein Zeuge gegen den Mohren vorgefuehrt zu werden.
+Die Gruende, die ihn zum Heerfuehrer in dem Cyprischen Kriege, worinn
+sie wuerklich begriffen sind, bestimmen, sind so dringend, dass sie,
+fuer ihre Seelen, keinen andern von seinem Gewicht finden koennen,
+dem sie dieses Geschaeft mit Sicherheit anvertrauen duerften. Bey
+solchen Umstaenden muss ich, ob ich ihn gleich so herzlich hasse als
+die Pein der Hoelle, doch aeusserlich, meines eignen Vortheils wegen,
+dergleichen thun, als ob ich ihm gaenzlich ergeben sey. Damit ihr
+ihn aber unfehlbar findet, so fuehret den Brabantio und seine Leute
+zum Schuezen, und dort werd' ich bey ihm seyn. Hiemit, gehabt euch
+wol.
+
+(Jago geht ab.)
+
+
+
+Dritte Scene.
+ (Brabantio und einige Bediente mit Fakeln.)
+
+
+Brabantio.
+Mein Ungluek ist nur allzugewiss. Sie ist weg; und Schmach und
+Bitterkeit ist nun der Antheil meines uebrigen Lebens. Nun,
+Rodrigo, wo sahst du sie? O, das ungluekselige Maedchen! Mit dem
+Mohren, sagst du? Wer wollte mehr ein Vater seyn wollen?--Woher
+wusstest du, dass sie's war? O! das ist unbegreiflich, wie sehr
+ich mich an ihr betrogen habe!--Was sagte sie zu euch?--Noch mehr
+Fakeln her--Ruft meine ganze Verwandtschaft zusammen--meynt ihr,
+sie seyen schon verheurathet?
+
+Rodrigo.
+Ich denke freylich, sie sind's.
+
+Brabantio.
+O Himmel! wie ist's moeglich, dass sie so aus der Art schlagen
+konnte!--Vaeter, forthin trauet euern Kindern nicht weiter als ihr
+sie sehet. Giebt es nicht Zauber-Mittel, wodurch die Unschuld
+eines jungen unwissenden Maedchens verfuehrt werden kan? Habt ihr
+nichts von dergleichen Dingen gelesen, Rodrigo?
+
+Rodrigo.
+Ja mein Herr, das hab' ich, in der That.
+
+Brabantio (zu einem Bedienten.)
+Ruft meinen Bruder; oh, wie wollt' ich izt, ihr haettet sie gehabt,
+auf eine oder die andre Art--Wisst ihr, wo wir sie und den Mohren
+antreffen koennen?
+
+Rodrigo.
+Ich denke, ich werde sie entdeken koennen, wenn es euch gefaellt,
+unter einer guten Bedekung mit mir zu gehen.
+
+Brabantio.
+Ich bitte euch, geht voran. Ich will von Hause zu Hause ruffen;
+ich kann befehlen, wenn's noethig ist; schafft Waffen her, holla!
+und holt einige Officiers, auf die man sich verlassen kan--Geht,
+mein guter Rodrigo, ich will dankbar fuer eure Bemuehung seyn.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Vierte Scene.
+ (Verwandelt sich in eine andre Strasse vorm Schuezen.)
+ (Othello, Jago, und Gefolge mit Fakeln.)
+
+
+Jago.
+Ob ich gleich, seitdem ich das Kriegs-Handwerk treibe, manchen im
+Feld erschlagen habe, so mach' ich mir doch das groesseste Gewissen
+draus, einen vorsezlichen Mord zu begehen! Weniger Bedenklichkeit
+wuerde manchmal mein Vortheil seyn--Ich dachte neun- oder zehn mal,
+ich muesste ihm nothwendig eins unter die Ribben geben.
+
+Othello.
+Es ist besser, dass du's nicht gethan hast.
+
+Jago.
+Nein, aber er plapperte, er gayferte so lotterbuebisches Zeug, und
+in so empfindlichen Ausdrueken gegen eure Ehre, dass all mein Bisschen
+Sanftmuth kaum zureichend war, mich bey Geduld zu erhalten. Aber
+ich bitte euch, mein Herr, seyd ihr auch recht gueltig verheurathet?
+Denn davon duerft ihr versichert seyn, dass der (Magnifico) sehr
+beliebt ist, und dass seine Stimme in der Republik zum wenigsten so
+viel zu bedeuten hat, als des Herzogs selbst: Er wird auf die
+Zerreissung euers Bandes dringen, und wenn sich seine Macht auch so
+weit nicht erstrekt, euch doch so viel Uebels thun, als das Gesez
+in seiner aeussersten Strenge ihm Befugniss geben kan.
+
+Othello.
+Er mag sein Aergstes thun; die Dienste, die ich der Regierung
+gethan habe, werden seine Klagen weit ueberschreyen. Es ist noch
+unbekannt, (ich werd es aber beweisen, wenn die Rettung meiner Ehre
+mich zu einem Schritt zwingt, den ich sonst als eine meiner
+unwuerdige Pralerey ansehe,) dass mein Blut aus einer koeniglichen
+Quelle geflossen ist; und meine Verdienste allein sind, ohne
+Vergroesserung, zulaenglich auf ein so stolzes Gluek Anspruch zu
+machen, als dieses ist, dessen ich mich bemaechtiget habe. Denn
+wisse, Jago, waer' es nicht, dass ich die reizende Desdemona liebe,
+der Werth des ganzen Oceans sollte mich nicht bewegen, meine
+Freyheit in die Fesseln des ehlichen Standes schliessen zu lassen.
+Aber siehe, was fuer Lichter kommen dort?
+
+
+
+Fuenfte Scene.
+ (Cassio, mit Fakeln, zu den Vorigen.)
+
+
+Jago.
+Es werden der aufgebrachte Vater und seine Freunde seyn--das beste
+waer', ihr giengt hinein.
+
+Othello.
+Ich? gewiss nicht, ich muss gefunden werden. Meine Verdienste,
+mein Titel, und mein unerschrokner Muth sollen mich in meinem
+wahren Lichte zeigen. Sind sie's?
+
+Jago.
+Beym Janus, ich denke, nein.
+
+Othello.
+Es sind Leute vom Herzog und mein Lieutenant: guten Abend, meine
+Freunde; was bringt ihr Neues?
+
+Cassio.
+Der Herzog entbeut euch seinen Gruss, Feldherr; und ersucht euch mit
+der eilfertigsten Behendigkeit, gleich diesen Augenblik, um eure
+Gegenwart.
+
+Othello.
+Was meynt ihr, warum es zu thun sey?
+
+Cassio.
+Etwas von Cypern, soviel ich errathen kan. Es muss eine dringende
+Anliegenheit seyn. Die Galeren haben in dieser nemlichen Nacht
+zwoelf Expressen hinter einander hergeschikt, ein grosser Theil der
+Senatoren ist auf, und im Pallast des Herzogs versammelt. Man
+liess euch sehr dringend ruffen, und da man euch nicht in euerm
+Quartier fand, schikte der Senat drey verschiedene Partheyen aus,
+euch ueberall aufzusuchen.
+
+Othello.
+Es ist gut, dass ihr mich gefunden habt: Ich habe nur ein Wort in
+diesem Hause zu reden, und dann will ich mit euch gehen.
+
+(Othello geht ab.)
+
+Cassio.
+Faehndrich, was thut er hier?
+
+Jago.
+Meiner Treue, er hat heute Nacht eine reiche Land-Caraque
+
+{ed. * Eigner Name der ehmaligen grossen Portugiesischen
+Kauf-Fardey-Schiffe.}
+
+aufgebracht; wenn sie fuer gute Prise erklaert wird, so ist sein Gluek
+gemacht.
+
+Cassio.
+Ich weiss nicht, was ihr sagen wollt.
+
+Jago.
+Er hat sich verheurathet.
+
+Cassio.
+Mit wem?
+
+Jago.
+Bey G***, mit--he! Herr General, wollt ihr gehen? (Othello zu
+den Vorigen.)
+
+Othello.
+Hier bin ich--
+
+Cassio.
+Da kommt eine andre Parthey, die euch sucht.
+
+
+
+Sechste Scene.
+ (Brabantio, und Rodrigo, mit Officieren, Bedienten und Fakeln.)
+
+
+Jago.
+Es ist Brabantio; General, nehmt euch in Acht; er hat nichts Gutes im Sinn.
+
+Othello.
+Holla! Steht, ihr dort!
+
+Rodrigo.
+Signor, es ist der Mohr.
+
+Brabantio.
+Zu Boden mit ihm, dem Raeuber!
+
+(Sie ziehen auf beyden Seiten.)
+
+Jago.
+Wie, ihr, Rodrigo?--Kommt, mein Herr, ich bin auf eurer Seite--(Zu
+Othello.)
+
+Othello.
+Stekt eure Degen ein, der Thau moechte sie rostig machen. Werther
+Signor, euer Alter wird euch mehr Gewalt geben, als eure Waffen.
+
+Brabantio.
+O du schaendlicher Raeuber! Wo hast du meine Tochter hin verborgen?
+Verdammlicher Bube! Du hast sie bezaubert; denn ich will alles was
+Vernunft hat den Ausspruch thun lassen, ob ein Maedchen, so jung, so
+schoen, so zaertlich als sie war, von ihrem Stand und Gluek, und so
+abgeneigt vom Heurathen, dass sie den Augen der auserlesensten und
+reichsten von unsrer edelsten Jugend sich entzog--ob ein solches
+Maedchen, ohne die fesselnde Gewalt zaubrischer Kuenste faehig gewesen
+waere, dem allgemeinen Spott Troz zu bieten, und aus dem vaeterlichen
+Haus zu entlauffen, um in die russichten Arme eines solchen Dings
+wie du, das geschikter ist Schreken zu erweken, als Liebe, sich
+hinein zu stuerzen? Die ganze Welt sey Richter, ob es nicht
+handgreiflich ist, dass du vermittelst schnoeder Zauber-Mittel oder
+Liebes-Traenke die das Hirn verrueken, ihre schuldlose Jugend
+missbraucht und verleitet hast--Ich will es untersucht haben: Es ist
+wahrscheinlich, man kan sich nichts anders vorstellen. Ich
+arrestiere dich also hier, als einen Verfuehrer und der hiezu
+verbotne Kuenste treibt--Bemaechtigt euch seiner; und wenn er sich
+wehrt, so entwaffnet ihn auf seine Gefahr.
+
+Othello.
+Haltet ein, zu beyden Seiten; wenn es hier meine Scene zum Fechten
+waere, so wuerd' ich's ohne einen Einsager gewusst haben. Wohin wollt
+ihr, dass ich mit euch gehen soll, mich auf diese Anklage zu
+verantworten?
+
+Brabantio.
+Ins Gefaengniss, bis zur gehoerigen Zeit, wo du vor der Gerichts-Bank
+erscheinen sollst.
+
+Othello.
+Aber wenn ich euch gehorche, wie soll indess der Herzog zufrieden
+gestellt werden, dessen Abgeordnete hier zu meiner Seite und im
+Begriff sind, mich in einer dringenden Angelegenheit des Staats zu
+ihm zu fuehren?
+
+Officier.
+Diss verhaelt sich wuerklich so, sehr edler Herr; der Herzog ist im
+Staats-Rath; und ich bin sicher, dass ihr gleichfalls dahin beruffen
+worden seyd.
+
+Brabantio.
+Wie? der Herzog im Staats-Rath? In dieser spaeten Nacht? Fuehrt
+ihn dahin; meine Sache ist keine Kleinigkeit. Der Herzog selbst
+und jeder von meinen Bruedern im Staat kan nicht anders als diese
+Beleidigung so empfinden, als ob sie ihnen selbst angethan worden
+waere. Wenn solche Frefel-Thaten ungestraft veruebt werden duerften,
+so wuerden bald Sclaven und Banditen unsre Befehlshaber seyn.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Siebende Scene.
+ (Verwandelt sich in das Rath-Haus.)
+ (Der Herzog und die Senatoren, an einer Tafel mit Lichtern sizend,
+ und einige Officianten etc.)
+
+
+Herzog.
+Es ist zu wenig Uebereinstimmung in diesen Zeitungen, als dass sie
+Glauben verdienen koennten.
+
+1. Senator.
+In der That, sie gehen weit von einander ab; meine Briefe sagen
+hundert und sieben Galeren.
+
+Herzog.
+Und meine hundert und vierzig.
+
+2. Senator.
+Und die meinen zwoohundert; allein ob sie gleich in der Zahl nicht
+zusammentreffen, (welches in Faellen, wo der Bericht nach blosser
+Muthmassung gemacht werden muss, nicht zu verwundern ist,) so
+stimmen doch alle darinn ueberein, dass eine tuerkische Flotte in der
+See ist, und dass es auf Cypern abgesehen sey.
+
+Herzog.
+Es ist moeglich, und wenn ich mich auch irren sollte, so werd' ich
+doch alle Maassnehmungen einer klugen Furcht, die allezeit die
+Mutter der Sicherheit ist, bey diesen Umstaenden gut heissen.
+
+Matrosen (hinter der Scene.)
+
+
+
+Holla! ho! he! aufgemacht! (Die Matrosen kommen herein.)
+
+Officiers.
+Eine Bottschaft von den Galeeren.
+
+Herzog.
+Nun!--was ist euer Anbringen?
+
+1. Matrose.
+Ich habe Befehl der Regierung anzuzeigen, dass die Tuerkischen Kriegs-
+Zuruestungen der Insel Rhodis gelten.
+
+(Die Matrosen gehen ab.)
+
+Herzog.
+Was sagt ihr zu diesem Wechsel?
+
+1. Senator.
+Es kan nicht seyn, es ist ganz und gar nicht glaublich. Es ist ein
+blosser Kunstgriff, unsre Augen von der Seite abzuhalten, wo die
+Gefahr wuerklich ist. Wenn wir bedenken, wie wichtig Cypern den
+Tuerken ist--wie viel gelegner es ihnen ist als Rhodis--und dass sie
+die Eroberung desselben weit eher hoffen koennen, da es weniger
+befestigt, und in allen Absichten in schwaecherm Vertheidigungs-
+Stand ist--Wenn wir dieses in gehoerige Betrachtung ziehen, so
+werden wir uns schwerlich einbilden koennen, dass der Tuerk so
+unbesonnen seyn werde, eine reiche und leicht zu gewinnende Beute
+fahren zu lassen, um sich an eine gefaehrliche und wenig
+vortheilhafte Unternehmung zu wagen, von der er sich mit keiner
+Wahrscheinlichkeit einen guten Erfolg versprechen kan.
+
+Herzog.
+In der That, allen Umstaenden nach ist es nicht auf Rhodis abgezielt.
+
+Officiers.
+Hier kommt wieder eine Zeitung. (Ein Expresser tritt auf.)
+
+Expresser.
+Erlauchte und Gnaedige Herren, die Ottomannen, die in geradem Lauf
+gegen die Insel Rhodis gesegelt hatten, haben sich dort mit einem
+kleinern Geschwader vereinbart--
+
+1. Senator.
+Das dacht' ich ja; wie stark haltet ihr sie?
+
+Expresser.
+Dreyssig Segel; und nun steuern sie ihren Lauf, ohne ihre wahre
+Absichten laenger zu verheelen, nach Cypern. Signor Montano, euer
+getreuer und tapfrer Befehlshaber auf dieser Insel, erstattet Euch,
+unter Versicherung seiner pflichtvollen Ergebenheit, diesen Bericht,
+und bittet ihm vollen Glauben beyzumessen.
+
+Herzog.
+Wir sind also nun gewiss, dass es um Cypern zu thun ist; ist Marcus
+Luccicos nicht in der Stadt?
+
+1. Senator.
+Er ist wuerklich in Florenz.
+
+Herzog.
+Schreibet unverzueglich in unserm Namen an ihn, dass er sich mit der
+aeussersten Eilfertigkeit hieher begebe.
+
+1. Senator.
+Hier kommt Brabantio und der tapfre Mohr.
+
+
+
+Achte Scene.
+ (Brabantio, Othello, Cassio, Jago, Rodrigo und Officiers, zu den
+ Vorigen.)
+
+
+Herzog.
+Tapfrer Othello, wir sind im Begriff Eurer gegen unsern allgemeinen
+Feind Ottoman vonnoethen zu haben.
+
+(Zu Brabantio.)
+Ich sah euch nicht gleich; willkommen, werther Signor; wir
+mangelten euern Rath und eure Huelfe diese Nacht.
+
+Brabantio.
+Und ich die eurige; vergebet mir, Durchlauchtigster; weder mein
+Plaz, noch was mir von einem vorschwebenden Staats-Geschaefte gesagt
+wurde, hat mich aus meinem Bette aufgewekt; das gemeine Wesen ficht
+mich izt wenig an; mein Privat-Schmerz ist von einer so wuethenden
+und ungestuemen Art, dass er alle andre Sorgen verschlingt, und mich
+nichts anders fuehlen laesst.
+
+Herzog.
+Wie? Was kan die Ursach seyn?
+
+Brabantio.
+Meine Tochter! O! meine Tochter!--
+
+Senator.
+Gestorben?
+
+Brabantio.
+Fuer mich wenigstens; sie ist verfuehrt, von mir weggestohlen,
+missbraucht worden, durch Zauber-Mittel und Liebes-Traenke, den Kram
+von Markt-Schreyern, zu Grunde gerichtet worden--Denn auf eine so
+widernatuerliche Art konnte die Natur (da sie weder dumm, noch blind,
+noch schwach von Sinnen ist,) nicht ausschweiffen--Zauberey allein
+konnte sie dahin bringen--
+
+Herzog.
+Wer der auch seyn mag, der durch so schaendliche Mittel eure Tochter,
+sich selbst, und euch entfuehrt hat, dessen Urtheil sollt ihr
+selbst in dem blutigen Gesez-Buch lesen, und selbst der Ausleger
+des strengen Buchstabens seyn; ja, und wenn unser eigner Sohn der
+Thaeter waere.
+
+Brabantio.
+Ich danke Eu. Durchlaucht unterthaenig. Hier ist der Mann, dieser
+Mohr, den nun eben, wie es scheint, euer Befehl, in Geschaeften des
+Staats hieher gebracht hat.
+
+Alle.
+Das thut uns herzlich leid.
+
+Herzog (zu Othello.)
+
+Und was koennt ihr, eurer Seits, hierauf antworten?
+
+Brabantio.
+Nichts, als dass es so ist.
+
+Othello.
+Erlauchte und Grossmaechtigste Herren, meine sehr edle, geliebte und
+gnaedige Gebieter; dass ich dieses alten Mannes Tochter entfuehrt habe,
+ist wahr; und wahr ist's, dass ich mit ihr vermaehlt bin--So weit
+erstrekt sich die aeusserste Linie meines Verbrechens, und weiter
+nicht--Ich bin kein Redner, und wenig geuebt in der friedsamen Kunst,
+die Zuhoerer durch Worte zu gewinnen--Seitdem diese meine Arme
+siebenjaehriges Mark hatten, bis izt, die leztverflossnen neun oder
+zehen Monate ausgenommen, sind die Arbeiten des Kriegs meine
+einzige Beschaeftigung gewesen--in diesen Kreis ist alle meine
+Wissenschaft eingeschlossen, und das ist alles, wovon ich reden kan.
+Ich werde also, indem ich fuer mich selbst rede, meiner Sache
+wenig Vortheil verschaffen. Und doch will ich, mit eurer Erlaubniss,
+eine aufrichtige ungeschminkte Erzaehlung von dem ganzen Hergang
+meiner Liebes-Geschichte machen; damit ihr sehet, durch was fuer
+Traenke, Zauber-Formeln, Beschwoerungen und uebernatuerliche Kuenste,
+(weil ich doch solche Mittel gebraucht zu haben beschuldiget werde,)
+ich seine Tochter gewonnen habe.
+
+Brabantio.
+Ein unschuldiges junges Maedchen, die immer das zaertlichste,
+schuechternste Kind von der Welt war; eine so sanfte und ruhige
+Seele, das jede ihrer Bewegungen ueber sich selbst zu erroethen
+schien--und sie sollte, troz Natur, Jugend, Geburt, Ehre, allem in
+der Welt, in einen Mann verliebt werden, den sie zu furchtsam war
+nur anzusehen--Was fuer eine Art zu schliessen muss der haben, der
+sich vorstellen kan, dass die Natur so weit von ihren eignen Gesezen
+abweichen sollte--Es ist unmoeglich; aus der Hoelle mussten die
+verdammten Kuenste hergeholt werden, die das zuwegebringen konnten.
+Ich behaupte also noch einmal, dass er sie durch Traenke, die das
+Blut in gewaltsame Unordnung sezen, oder durch irgend ein andres
+uebernatuerliches Mittel missbraucht und zu Falle gebracht habe.
+
+Herzog.
+Behaupten ist nicht Beweisen--es gehoeren staerkere Beweisthuemer
+hiezu als die blossen nakten Vermuthungen, die ihr, in ein duennes
+Gewand einer schaalen Wahrscheinlichkeit gekleidet, gegen ihn
+aufzustellen vermeynt.
+
+1. Senator.
+Redet dann, Othello; brauchtet ihr krumme und gewaltsame
+Kunstmittel, die Neigungen dieser jungen Tochter zu erzwingen; oder
+erhieltet ihr sie durch Bitten, und auf diejenige Weise, wie eine
+Seele die andre anzuziehen pflegt?
+
+Othello.
+Ich bitte euch, lasst die junge Dame aus dem Schuezen herholen, und
+sich selbst in Gegenwart ihres Vaters erklaeren; findet ihr, dass
+ihre Erzaehlung seine Anklage rechtfertiget, so entsezet mich nicht
+nur aller Ehren und Wuerden, die ich von euch empfangen habe,
+sondern lasst mein Leben selbst der strengen Gerechtigkeit verfallen
+seyn.
+
+Herzog.
+Holet Desdemona hieher.
+
+(Zween oder drey gehen ab.)
+
+Othello (zu Jago.)
+
+Faehndrich, weiset ihnen den Weg, ihr kennt den Ort am besten--
+
+(Jago geht ab.)
+
+--Und indessen bis sie kommt, will ich, so aufrichtig als ich dem
+Himmel selbst die Vergehungen meines Blutes bekenne, dieser
+ehrwuerdigen Versammlung anzeigen, wie ich das Herz der schoenen
+Desdemona gewonnen habe.
+
+Herzog.
+Redet, Othello.
+
+Othello.
+Ihr Vater liebte mich, lud mich oft ein, fragte mich immer nach der
+Geschichte meines Lebens, von Jahr zu Jahr, und liess mich alle
+Schlachten, Belagerungen und Abentheuer, durch die ich passiert bin,
+erzaehlen. Das that ich nun, und durchlief mein ganzes Leben, von
+meinen kindischen Tagen an bis auf den nemlichen Augenblik, worinn
+er mich erzaehlen hiess: Und da sprach ich ihm also von den
+verschiedenen seltsamen Glueks-Wechseln, die ich erfahren, von
+hunderterley tragischen und herzbrechenden Unfaellen, die mir zu
+Wasser und Land aufgestossen, und wie oft ich kaum noch auf der
+Breite eines Haars dem eindringenden Tod entgangen; und wie ich in
+die Haende grausamer Feinde gefallen, und zum Sclaven verkauft
+worden; und wie ich wieder in Freyheit gekommen, und dann die ganze
+Geschichte meiner irrenden Ritterschaft--als von ungeheuern Grotten,
+und unterirdischen Gewoelben, einoeden Inseln, Steinbruechen, Felsen
+und Gebuergen, die mit dem Kopf am Himmel anstossen, und von
+Cannibalen die einander aufessen und von Anthropophagen, und von
+Leuten, die die Koepfe unter den Schultern tragen,--und was der
+Dinge mehr war, womit ich ihn zu unterhalten pflegte. Allem diesem
+hoerte dann Desdemona mit grosser Aufmerksamkeit zu; und obgleich
+die Hausgeschaefte sie von Zeit zu Zeit wegrieffen, so machte sie
+sich doch so schnell als sie konnte, davon los, kam wieder zuruek
+und verschlang meine Erzaehlung mit gierigem Ohr: Ich bemerkte
+dieses, und da sich einst eine guenstige Stunde anbot, wusste ich
+bald Anlas zu machen, dass sie mich recht von Herzen bat, ihr die
+ganze Geschichte meiner Reisen, wovon sie nur einzelne, zerrissne
+Stueke gehoert hatte, vollstaendig und im Zusammenhang zu erzaehlen:
+Ich willigte ein, und lokte manche Thraene aus ihren schoenen Augen,
+wenn ich auf die verschiednen Truebsalen und Unfaelle kam, die meine
+Jugend ausgestanden. Wie ich mit meiner Geschichte fertig war,
+belohnte sie meine Muehe mit einer Welt voll Seufzer
+
+{ed. * Es hiess "Kuesse" in einigen Ausgaben; und das war freylich in
+mehr als einer Betrachtung sehr ungereimt. Pope hat die aechte
+Lesart wieder hergestellt. Das junge Fraeulein, meynt er, waere gar
+zu freygebig gewesen, wenn sie fuer die blosse Erzaehlung einer
+Historie eine Welt voll Kuesse gegeben haette--und er hat allerdings
+recht.}
+
+--sie schwur bey ihrer Treu, es sey ausserordentlich, ueber die
+Maassen ausserordentlich--es sey ruehrend, zum Verwundern ruehrend--
+Sie wuenschte, sie haette nichts davon gehoert--und doch wuenschte sie,
+der Himmel haette einen solchen Mann fuer sie gemacht--und endlich
+dankte sie mir, und sagte, wenn ich einen Freund haette, der in sie
+verliebt waere, so moecht' ich ihn nur meine Geschichte erzaehlen
+lehren, und er wuerde sie damit gewinnen. Auf diesen Wink fieng'
+ich dann an zu reden,--und so verlohren wir beyde unsre Herzen--Sie
+liebte mich aus Mitleiden mit den Gefahren die ich ausgestanden,
+und ich liebte sie um dieses Mitleidens willen: Das ist die ganze
+Zauberey die ich gebraucht habe. Aber hier kommt sie selbst, lasst
+sie Zeugniss geben.
+
+
+
+Neunte Scene.
+
+
+Herzog.
+Ich denke, in vollem Ernst, eine solche Erzaehlung wuerde meine eigne
+Tochter noch oben drein behexen--Guter Brabantio, seht diese Sache,
+da sie nun nicht mehr zu aendern ist, von der besten Seite an. Die
+Leute brauchen im Nothfall immer lieber ihre zerbrochne Waffen, als
+die blosse Hand.
+
+Brabantio.
+Ich bitte euch, lasst sie reden. Bekennt sie, dass sie seinen Liebes-
+Bewerbungen auf halben Weg entgegen gegangen sey, so falle
+Verderben auf mein Haupt, wenn ich ihn einen Augenblik laenger tadle.
+Kommt naeher, angenehmes Frauenzimmer; empfindet ihr, wem in
+dieser ganzen edeln Versammlung ihr am meisten Gehorsam schuldig
+seyd?
+
+Desdemona.
+Mein edler Vater, ich empfinde dass meine Pflicht hier getheilt ist:
+Euch bin ich fuer mein Leben und fuer meine Erziehung verbunden, und
+beydes lehrt mich die Ehrfurcht die ich euch schuldig bin. Ihr
+seyd Herr ueber meinen Gehorsam, in so fern ich eure Tochter bin.
+Aber hier ist mein Gemahl; und soviel Ergebenheit, als meine Mutter
+gegen euch zeigte, da sie ihren Vater verliess um euch anzuhaengen,
+so viel bin ich hoffentlich befugt zu bekennen, dass ich dem Mohren,
+meinem Gemahl, schuldig sey.
+
+Brabantio.
+Gott gesegne dir's; ich habe nichts mehr zu sagen. Gefaellt's eurer
+Durchlaucht, so wollen wir nun von den Staats-Angelegenheiten reden.
+Ich wollte lieber ein Kind angenommen als gezeugt haben. Komm
+hieher, Mohr; hier geb ich dir von ganzem Herzen, was ich, wenn
+du's nicht schon haettest, von ganzem Herzen vor dir verwahren
+wollte. Um euertwillen, Kleinod, bin ich in der Seele froh dass ich
+keine andre Kinder habe--Denn der Streich, den du mir gespielt hast,
+wuerde mich tyrannisch genug machen, ihnen Kloeze anzuhaengen. Ich
+bin fertig, Gnaedigster Herr.
+
+Herzog.
+Lasst mich nun in meinem eignen Character, in der Person eines
+allgemeinen Vaters reden, und ein Urtheil faellen, das diesen
+Liebenden zu einer Stuffe diene, sie wieder in eure Gunst zu heben.
+
+{ed. * Von hier an spricht der Herzog im Original in Reimen, und wird
+von Brabantio in gleicher Muenze bezahlt.}
+
+Sobald nicht mehr zu helfen ist, so hat man das Aergste gesehen,
+und Klagen sind nicht nur fruchtlos, sondern der naechste Weg ein
+geschehenes Ungluek mit einem neuen zu haeuffen. Wenn die Klugheit
+die Streiche des Glueks nicht allemal verhindern kan, so kan doch
+Geduld einen Scherz aus seinen Beleidigungen machen. Der Beraubte,
+der dazu laechelt, stiehlt dem Raeuber etwas, und der beraubt sich
+selbst, der sich in vergeblichem Kummer verzehrt.
+
+Brabantio.
+Wenn das ist, so lasst die Tuerken uns immer Cypern wegnehmen; wir
+verliehren's nicht, so lange wir dazu lachen koennen--Ich erkenne,
+Gnaedigster Herr, die Weisheit euers Raths--Aber Worte sind doch nur
+Worte, und ein verwundetes Herz ist noch nie durch die Ohren
+geheilt worden--Ich bitte euch, zu den Staats-Geschaeften.
+
+Herzog.
+Die Tuerken machen furchtbare Zuruestungen, Cypern anzugreiffen:
+Othello, dir ist am besten bekannt, in was fuer einem Vertheidigungs-
+Stand der Plaz ist. Wir haben zwar einen Befehlshaber von
+bekannter Tuechtigkeit daselbst: Allein die allgemeine Meynung, die
+unumschraenkte Koenigin der Welt, verspricht sich von euch eine noch
+groessere Sicherheit; lasst's euch also gefallen, ueber die Glasur
+euers neuen Glueks hinweg zu schluepfen, und die Freuden der Liebe
+mit den Beschwerden dieser hartnaekigen und Gefahr-vollen
+Unternehmung zu vertauschen.
+
+Othello.
+Die tyrannische Gewohnheit, erlauchte Senatoren, hat das steinharte
+und staehlerne Lager des Kriegs mir laengst zum weichsten Pflaum-
+Bette gemacht. Die rauhe Arbeit des Kriegs ist fuer mich ein
+Lustspiel, dem meine Seele mit angebohrner, flatternder Freudigkeit
+entgegen eilt. Ich unterziehe mich also dem gegenwaertigen Krieg
+mit den Ottomannen; und alles, warum ich die Durchlauchtigste
+Republik mit gebognen Knien bitte, ist, meine Gemahlin in ihren
+unmittelbaren Schuz zu nehmen, und darauf bedacht zu seyn, dass sie
+an einem anstaendigen Ort, und mit allem dem Glanz und Ansehen, so
+sich fuer ihre Geburt schikt, unterhalten werde.
+
+Herzog.
+Also, in ihres Vaters Hause.
+
+Brabantio.
+Das will ich nicht.
+
+Othello.
+Ich noch weniger.
+
+Desdemona.
+Auch ich wollte nicht dort wohnen, und meinen Vater zu ungeduldigen
+Gedanken reizen, wenn ich immer in seinen Augen waere. Gnaedigster
+Herr, leihet meiner Bitte ein geneigtes Ohr, und unterstuezet sie
+mit eurer Stimme.
+
+Herzog.
+Was verlangt ihr, Desdemona?
+
+Desdemona.
+Dass ich den Mohren liebte, um mit ihm zu leben, mag die
+Entschlossenheit, womit ich so vielen Vorurtheilen Gewalt angethan
+habe, durch die ganze Welt austrompeten. Mein Herz und meine
+Person sind von meinem Gemahl unzertrennlich. Ich sah Othello's
+Gesicht in der Schoenheit seines Gemuethes, und seinen Verdiensten
+und heldenmaessigen Eigenschaften hab ich meine Seele und mein
+ganzes Gluek gewiedmet. So dass, theureste Herren, wenn ich
+zuruekgelassen werde, und er in den Krieg geht, ich des Rechts,
+seine Gefahren mit ihm zu theilen, des Rechts, um deswillen ich ihn
+liebe, verlustig, und in seiner schmerzlichen Abwesenheit zu einem
+verdriesslichen Interim verurtheilt waere. Lasst mich also mit ihm
+gehen.
+
+Othello.
+Eure Genehmigung, Gnaedige Herren! Ich bitte euch, lasst sie ihren
+Willen haben. Ich bitt' es nicht aus Rueksicht auf den Vortheil
+meines eignen Vergnuegens, nicht aus Gefaelligkeit gegen die Hize
+junger Begierden, die der erste Genuss mehr gereizt als befriedigt
+hat;--sondern dem Edelmuth ihres Herzens seinen freyen Lauff zu
+lassen. Der Himmel verhuete, dass ihr mich faehig haltet, eure
+ernsthaften und grossen Angelegenheiten zu vernachlaessigen, wenn sie
+bey mir ist--Nein! Wenn jemals die kindischen Puppen-Spiele des
+befiederten Cupido die Werkzeuge meines Verstands und meiner
+Thaetigkeit in ueppige Traegheit senken, und meine Ergoezungen meinen
+Arbeiten schaedlich sind; dann lasst Haus-Weiber eine Brey-Pfanne aus
+meinem Helm machen, und die unwuerdigsten, schmaehlichsten
+Wiederwaertigkeiten sich zum Untergang meines Ruhms verschwoeren.
+
+Herzog.
+Ihr Gehen oder Bleiben soll eurer eignen Willkuehr ueberlassen seyn--
+Die Geschaefte fordern die hastigste Eilfertigkeit. Ihr muesst diese
+Nacht noch fort.
+
+Desdemona.
+Diese Nacht, gnaedigster Herr?
+
+Herzog.
+Diese Nacht.
+
+Othello.
+Von Herzen gerne.
+
+Herzog.
+Morgen um neun Uhr wollen wir hier wieder zusammen kommen. Othello,
+lasst einen Officier zuruek, durch den wir euch euer Patent, und
+eure Instruction nachschiken koennen.
+
+Othello.
+Wenn es Eu. Durchlaucht nicht entgegen ist, so ist hier mein
+Faehndrich, ein Mann von Ehre und Redlichkeit, dem ich die
+Begleitung meines Weibs anvertrauen will, und durch den mir
+zugleich alles andre nachgeschikt werden kan, was Eu. Durchlaucht
+fuer noethig haelt.
+
+Herzog.
+Ich bin's zufrieden. Gute Nacht allerseits--(Zu Brabantio.)
+
+Und, edler Signor, wenn Tugend die glaenzendste Schoenheit ist, so
+ist euer Tochtermann mehr weiss als schwarz.
+
+Senator.
+Adieu, tapfrer Mohr, begegne Desdemonen wol.
+
+Brabantio.
+Sieh fleissig zu ihr, Mohr, wenn du Augen hast; sie hat ihren Vater
+betrogen, und wird dir's vielleicht nicht besser machen.
+
+(Der Herzog und die Senatoren gehen ab.)
+
+Othello.
+Ich stehe mit meinem Leben fuer ihre Treue--Ehrlicher Jago, dir muss
+ich meine Desdemona hinterlassen; ich bitte dich, gieb ihr deine
+Frau zur Gesellschaft, und bringe sie mit der besten Gelegenheit
+nach. Komm, Desdemona, ich habe nur eine Stunde, die ich der Liebe
+und unsern Angelegenheiten schenken kan. Wir muessen der Zeit
+gehorchen.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Zehnte Scene.
+ (Rodrigo und Jago bleiben.)
+
+
+Rodrigo.
+Jago--
+
+Jago.
+Was willst du mir sagen, tapfres Herz?
+
+Rodrigo.
+Was denkst du, dass ich thun will?
+
+Jago.
+Was? Zu Bette gehen und schlaffen.
+
+Rodrigo.
+Ich will auf der Stelle gehn, und mich ins Wasser stuerzen.
+
+Jago.
+Wenn du das thust, so werd' ich dich in meinem Leben nicht mehr
+lieb haben. Wie, du bist ein recht alberner Edelmann!
+
+Rodrigo.
+Es ist etwas albernes, leben, wenn Leben eine Qual ist; und dann,
+so sterben wir ja nach den Regeln, wenn der Tod unser Arzt ist.
+
+Jago.
+O wie niedertraechtig das gedacht ist! Es ist schon viermal sieben
+Jahre, dass ich mich auf der Welt umsehe, und seitdem ich einen
+Unterscheid zwischen einer Wohlthat und einer Beleidigung machen
+kan, hab' ich noch keinen Menschen gesehen, der den Verstand haette
+sich selbst zu lieben. Eh ich sagen wollte, ich wolle mich einer
+Guineischen Henne zulieb ersaeuffen, eh wollt' ich meine Menschheit
+mit einem Wald-Teufel vertauschen.
+
+Rodrigo.
+Wie soll ich mir aber anders helfen? Ich bekenn', es macht mir
+schlechte Ehre, dass ich so vernarrt in sie bin; aber meine Tugend
+ist nicht stark genug, dem Uebel abzuhelfen.
+
+Jago.
+Tugend? Pfifferling. Auf uns kommt es an, ob wir so oder so seyn
+wollen. Unsre Leiber sind unsre Gaerten, und unser Wille ist der
+Gaertner darinn. Ob wir Nesseln oder Lattich drein saeen wollen, ob
+wir ihn mit Ysop oder Thymian, mit einer einzigen Art von Gewaechsen,
+oder mit vielerley Gattungen besezen, aus Faulheit verwildern und
+unfruchtbar werden lassen, oder durch fleissige Wartung in guten
+Stand sezen wollen: Das haengt alles lediglich von unsrer Willkuehr
+ab. Haetten wir nicht in der Waage unsers Lebens eine Schaale voll
+Vernunft, um die Sinnlichkeit in der andern im Gleichgewicht zu
+halten, zu was fuer tollen Ausschweiffungen wuerde uns die Hize des
+Bluts und der thierische Trieb dahinreissen? Aber wir haben die
+Vernunft dazu, dass sie unsre rasenden Bewegungen, unsre
+fleischliche Triebe und zuegellose Lueste baendigen soll--Was nennt
+ihr Liebe? Meynt ihr, dass es eine so feyrliche Sache sey, als ihr
+euch einbildet? Ein blosser Trieb des Blutes ist's, dem der Wille
+den Zuegel verhaengt--Komm, sey ein Mann! dich selbst ersaeuffen?
+Ersaeuffe mir Kazen und junge blinde Hunde! Ich habe dir meine
+Freundschaft zugesagt, und ich mache mich gross, mit Seilen, die
+unser beyder Leben ausdauern sollen, zu deinen Diensten gebunden zu
+seyn. Izt ist die Gelegenheit, da ich dir nuezlich seyn kan. Einen
+wolgespikten Beutel, und fort in diesen Krieg! Verbraeme dein
+glattes Gesichtchen mit einem falschen Bart; Geld in deinen Beutel,
+sag ich. Es ist unmoeglich, dass Desdemona den Mohren in die Laenge
+lieben koennte,--nur Geld in deinen Beutel--noch der Mohr sie.
+Alle Sachen, die mit solcher Heftigkeit anfangen, pflegen auch
+schnell wieder aufzuhoeren--Spik du nur deinen Beutel--Diese Mohren
+sind veraenderlich in ihren Neigungen;--fuell deinen Beutel mit Geld--
+Der Lekerbissen, der ihm izt so suess daucht wie Syrop, wird ihm
+bald genug bittrer als Coloquinten schmeken; und wenn sie, an ihrem
+Theil, sich einmal an ihm ersaettiget hat, so werden ihr die Augen
+ueber ihre ungereimte Wahl auf einmal aufgehen. Sie (muss) sich
+aendern, sie muss! Also fuell du nur deinen Beutel. Wenn du ja zum
+T** fahren willst, so thu es wenigstens auf einem angenehmern Weg
+als Ersaeuffen. Mach alles zu Gelde was du kanst. Wenn Tugend und
+ein armes zerbrechliches Geluebde zwischen diesem Landstreicher aus
+der Barbarey und einer super-feinen verschmizten Venetianerin,
+nicht staerker sind als mein Wiz und die ganze Zunft der Hoelle, so
+sollst du sie in deine Arme kriegen. Also Geld in deinen Sekel,
+sag ich! Lass du dich lieber dafuer haengen, dass du deine Lust gebuesst
+hast, als dich zu ersaeuffen, und nichts dafuer genossen zu haben.
+
+Rodrigo.
+Stehst du mir gut fuer meine Hoffnungen, wenn ich's wage?
+
+Jago.
+Verlass dich auf mich--Geh, mach Geld zusammen--Ich habe dirs oft
+gesagt, und sage dirs wieder und wieder, ich hasse den Mohren.
+Meine Ursach stekt mir tief im Herzen; dein Hass hat keinen
+schlechtern Grund. Lass uns gemeine Sache machen, um unsre Rache an
+ihm zu nehmen. Wenn du ihn zum Hahnrey machen kanst, so machst du
+dir selbst ein Vergnuegen, und mir einen Spass. Die Zukunft geht mit
+allerley Begebenheiten schwanger, von denen sie zu gehoeriger Zeit
+entbunden werden wird. Geh du izt, und sorge fuer Geld; morgen mehr
+von dieser Materie. Adieu.
+
+Rodrigo.
+Wo sehen wir einander morgen?
+
+Jago.
+In meinem Quartier.
+
+Rodrigo.
+Ich will bey Zeiten kommen.
+
+Jago.
+Gut, geht nur, lebt wohl. Hoert ihr, Rodrigo?
+
+Rodrigo.
+Was soll ich hoeren?
+
+Jago.
+Nichts mehr vom Ersaeuffen, hoert ihr's?
+
+Rodrigo.
+Es ist mir anders gekommen: Ich will gehen und alle meine Gueter zu
+Geld machen.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Eilfte Scene.
+ (Jago bleibt zuruek.)
+
+
+Jago (allein.)
+Geht nur, lebt wohl, nur einen wohlgespikten Beutel,--Bin ich nicht
+ein gescheidter Kerl? So mach' ich aus meinem Narren meinen
+Schazmeister--Denn das hiesse wol meine erworbne Geschiklichkeit
+uebel anwenden, wenn ich die Zeit mit einem solchen kleinen
+Schneppen verderben wollte, ohne dass ich Spass und Vortheil davon
+haette. Ich hasse den Mohren, und das Publicum thut mir die Ehre an,
+und glaubt, er habe zwischen meinen Bett-Laken meine Stelle
+vertreten. Ich weiss nicht, ob es so ist--aber mir ist eine blosse
+Vermuthung von dieser Art genug, um so zu handeln, als ob ich's mit
+Augen gesehen haette. Er mag mich wol leiden--Desto bessre
+Gelegenheit hab ich, ihm beyzukommen; Cassio ist ein Mann, der zu
+meinem Vorhaben taugt: Lasst einmal sehen--seine Stelle zu kriegen
+und meinen Hass zu ersaettigen--Wie, wie kommt das? Lasst sehen--
+Nach einiger Zeit dem Othello mit einer guten Art in's Ohr raunen,
+dass er zu vertraulich mit seiner Frau ist--Seine Figur und sein
+ganzes Betragen, werden den Verdacht rechtfertigen; er ist der Mann
+dazu, die Weiber ungetreu zu machen. Der Mohr ist von der offnen
+treuherzigen Art Leuten, welche die Leute fuer ehrlich haelt, wenn
+sie so aussehen; er wird sich so gutwillig an der Nase herumfuehren
+lassen wie ein Esel--Ich hab es--Mein Entwurf ist gezeugt--und Rach
+und Hoelle sollen die scheussliche Missgeburt ans Taglicht bringen!
+
+(ab.)
+
+
+
+
+Zweyter Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+ (Die Hauptstadt von Cypern.)
+ (Montano, Statthalter von Cypern, und zween Officiers.)
+
+
+Montano.
+Was koennt ihr vom Vorgebuerg in der See unterscheiden?
+
+1. Officier.
+Gar nichts, als aufgethuermte Wellen; ich kan zwischen dem Himmel
+und der See nicht ein einziges Segel entdeken.
+
+Montano.
+Mich daeucht, der Wind ist zu Land sehr heftig gewesen--Ein
+ungestuemerer Sturm hat noch nie unsre Zinnen erschuettert--wenn er
+auf der See eben so geraset hat, was fuer Ribben von Eichen sind,
+wenn Berge auf sie herabschmelzen, stark genug, sich in ihren Fugen
+zu erhalten? Was fuer Zeitungen werden wir hievon hoeren?
+
+2. Officier.
+Die Zerstreuung der Tuerkischen Flotte--Steht nur am schaeumenden
+Ufer, die zornigen Wogen scheinen euch bis in die Wolken hinauf zu
+sprizen--Man daechte, die vom Sturm geschleuderte Welle spruehe dem
+brennenden Baeren Wasser entgegen, und loesche die Nachtlichter des
+Himmels aus--Ich habe in meinem Leben keinen so rasenden Sturm
+gesehen.
+
+Montano.
+Wenn die Tuerkische Flotte sich nicht bey Zeit in irgend eine Bucht
+hat retten koennen, so ist sie verlohren--es ist unmoeglich, dieses
+Wetter auszuhalten.
+
+
+
+Zweyte Scene.
+ (Ein dritter Officier zu den Vorigen.)
+
+
+3. Officier.
+Etwas Neues, meine Herren, der Krieg ist zu Ende; dieses
+verzweifelte Ungewitter hat die Tuerken so zugerichtet, dass ihre
+Entwuerfe Halt machen muessen. Ein ansehnliches Venetianisches
+Schiff hat dem Schiffbruch und der Noth des groessesten Theils ihrer
+Flotte zugesehen.
+
+Montano.
+Wie? Ist das wahr?
+
+3. Officier.
+Das Schiff ist wuerklich hier eingelauffen; ein Veronesisches,
+welches den Michael Cassio, den Lieutenant dieses tapfern Mohren
+Othello, an Bord hatte; der Mohr selbst ist in der Ueberfahrt
+begriffen, und wird in kurzem als oberster Kriegs-Befehlshaber hier
+in Cypern eintreffen.
+
+Montano.
+Ich bin erfreut darueber; er hat alle Eigenschaften zu einem so
+wichtigen Posten.
+
+3. Officier.
+Allein eben dieser Cassio, so troestlich das lautet, was er uns vom
+Verlust der Tuerken berichtet, sieht doch duester aus, und wuenscht
+dass der Mohr glueklich davon gekommen seyn moege; denn sie waren im
+heftigsten Sturm abgereist.
+
+Montano.
+Der Himmel geb' es! Ich bin sein Freund, und er ist beydes ein
+guter Soldat und ein vollkommner Feldherr. Wir wollen der See-
+Seite zugehen, sowol um das schon eingelauffene Schiff zu
+besichtigen, als dem wakern Othello, soweit bis Luft und Wasser
+sich in unserm Auge vermischt, entgegen zu sehen.
+
+Officier.
+Kommt, wir wollen das thun--Eine jede Minute daeucht uns lange, bis
+wir seiner glueklichen Ankunft versichert sind.
+
+
+
+Dritte Scene.
+ (Cassio zu den Vorigen.)
+
+
+Cassio.
+Dank sollen die Tapfern dieser kriegerischen Insel davor haben, dass
+sie so gute Freunde des Mohren sind--Der Himmel beschueze ihn gegen
+der Wuth der Elemente; ich hab' ihn in einer gefaehrlichen See
+verlohren.
+
+Montano.
+Ist sein Schiff gut?
+
+Cassio.
+Sein Schiff ist gut gezimmert, und sein Pilot ein Mann von
+Erfahrung und bewaehrter Geschiklichkeit: Ich bin also nicht ohne
+Hoffnung.
+
+Hinter der Scene
+Ein Segel! ein Segel! ein Segel!
+
+Cassio.
+Was bedeutet dieses Geschrey?
+
+1. Officier.
+Die Stadt ist leer; Schaarenweis steht das Volk am Ufer, und sie
+ruffen: Ein Segel!
+
+Cassio.
+Ich hoffe es ist des Ober-Befehlhabers.
+
+Officier.
+Sie geben ihm ihre Freude durch Zujauchzungen zu erkennen; es sind
+Freunde, wenigstens.
+
+Cassio.
+Ich bitte euch, mein Herr, geht und bringt uns Gewissheit, wer
+angekommen ist.
+
+Officier.
+Ich will.
+
+(ab.)
+
+Montano.
+Aber mein lieber Lieutenant, ist euer General vermaehlt?
+
+Cassio.
+Ja, und hoechstglueklich; er hat eine junge Gemahlin davongetragen,
+die alles uebertrift, was das ausschweiffende Geruecht zu ihrem Lob
+sagen kan: eine Gemahlin, deren Schoenheit den Pinsel des feinsten
+Mahlers beschaemt, und die in einem irdischen Kleide ein wahrer
+Auszug aller Vollkommenheiten der Schoepfung ist--
+
+
+
+Vierte Scene.
+ (Der Officier kommt zuruek.)
+
+
+Cassio.
+Wie steht's? Wer ist eingelauffen?
+
+Officier.
+Ein gewisser Jago, der Faehndrich des Generals.
+
+Cassio.
+Das kostbare Kleinod, womit er beladen war, hat seine Fahrt so
+gluecklich gemacht; die Ungewitter selbst, schwellende Seen und
+heulende Winde, die Wasserbedekten Felsen und die aufgehaeuften
+Sandbaenke, (Verraether, die im Verborgnen lauren, den schuldlosen
+Kiel anzuhalten) vergessen, gleich als ob sie ein Gefuehl der
+Schoenheit haetten, ihre natuerliche Grausamkeit, um die goettliche
+Desdemona unbeleidigt durchzulassen.
+
+Montano.
+Wer ist diese?
+
+Cassio.
+Sie, von der ich sprach, die Beherrscherin unsers grossen
+Befehlshabers, die er der Fuehrung des kuehnen Jago anvertraut hat,
+und deren beschleunigte Ankunft unsern Gedanken um eine Woche
+wenigstens zuvorkoemmt. Beschueze nun, o Himmel, beschueze noch
+Othello! und schwelle seine Seegel mit deinem eignen allmaechtigen
+Athem auf, damit er mit seinem schoenen Schiff diese Bay beselige,
+und wenn seine Liebe in Desdemonens Armen die Entzuekung des
+Wiedersehens ausgeathmet hat, unsre erloeschende Geister in neues
+Feuer seze, und ganz Cypern mit Muth und Vertrauen erfuelle.--
+
+
+
+Fuenfte Scene.
+ (Desdemona, Jago, Rodrigo und Aemilia zu den Vorigen.)
+
+
+Cassio.
+--O sehet! der Schaz des Schiffes ist ans Land gekommen: Ihr
+Maenner von Cypern, lasst eure Knie sie bewillkommen! Heil dir,
+Gebieterin, und jeder Segen des Himmels gehe vor dir her, folge dir,
+und schwebe zu deiner Seiten rings um dich her.
+
+Desdemona.
+Ich danke euch, tapfrer Cassio--Was fuer Nachrichten koennt ihr mir
+von meinem Herrn geben?
+
+Cassio.
+Er ist noch nicht angelaendet, doch weiss ich nichts anders, als dass
+er wohl ist und in kurzem hier seyn wird.
+
+Desdemona.
+O--ich besorge nur--Wie verlohret ihr ihn?
+
+Cassio.
+Der heftige Streit zwischen Luft und Meer trennte unsre
+Gesellschaft--Aber horcht, ein Segel!
+
+Hinter der Scene:
+Ein Segel! ein Segel!
+
+Officier.
+Dieser Gruss wird gegen die Citadelle gemacht; es ist gleichfalls
+ein Freund.
+
+Cassio.
+Seht was es ist: Mein lieber Faehndrich, willkommen! (Zu Aemilia,
+mit einem Kuss.)
+Willkommen, Madam. Nehmt mir nicht uebel, mein guter Jago, dass ich
+meiner Freude den Lauf lasse; es ist eine Gewohnheit von meiner
+Erziehung her, dass ich so frey im Ausdruk einer schuldigen
+Hoeflichkeit bin.
+
+Jago.
+Ich wollte, mein Herr, sie waere gegen euch so freygebig mit ihren
+Lippen, als sie es oft gegen mich mit ihrer Zunge ist, ihr wuerdet
+ihrer genug kriegen!
+
+Desdemona.
+Wie, sie spricht ja gar nichts.
+
+Jago.
+Wahrhaftig, nur zuviel; ich find' es immer, wenn ich gerne schlafen
+moechte; vor Euer Gnaden, da glaub' ich selber, dass sie ihre Zunge
+ein wenig in ihr Herz stekt, und nur in Gedanken keift.
+
+Aemilia.
+Ihr habt wenig Ursache so zu reden.
+
+Jago.
+Kommt, kommt, ich kenne euch Weiber so gut als einer; ihr seyd
+Gemaehlde ausser Hause; Gloken in eurem Zimmer; wilde Kazen in eurer
+Kueche; Heilige, wenn ihr beleidigt; Teufel, wenn ihr beleidigt
+werdet; Comoediantinnen in eurer Wirthschaft, und nirgends Haus-
+Weiber, als in--euerm Bette.
+
+Desdemona.
+O fy, schaemt euch, ihr garstiger Verlaeumder!
+
+Jago.
+Nein, es ist wie ich sage, oder ich will ein Tuerk seyn; ihr steht
+auf, um zu spielen, und legt euch zu Bette, um zu arbeiten.
+
+Aemilia.
+Ihr sollt mir gewiss keine Lobrede schreiben!
+
+Jago.
+Ich rathe euch nicht, dass ihr mich dazu bestellet.
+
+Desdemona.
+Was wuerdest du von mir schreiben, wenn du mich loben muesstest?
+
+Jago.
+O Gnaedige Frau, sezt mich nicht in Versuchung; ich bin nichts, oder
+ich bin ein Criticus.
+
+Desdemona.
+Kommt, eine kleine Probe--Dort ist jemand in die Bay eingelauffen.
+--
+
+Jago.
+Ja, Gnaedige Frau.
+
+Desdemona.
+Ich bin nicht aufgeraeumt; ich beluege das was ich bin, indem ich was
+anders scheine;--Komm, was wolltest du zu meinem Ruhm sagen?
+
+Jago.
+Ich bin wuerklich daran; aber, in der That, meine Erfindung geht so
+ungern von meinem Hirnkasten ab, wie Vogel-Leim von einem Friess-Rok--
+doch meine Muse arbeitet, und nun ist sie entbunden--Ein jeder
+Mund bekennt und spricht, sie ist so weis' als schoen,
+Doch eines zehrt das andre auf, das muss man auch gestehn.
+
+Desdemona.
+Vortreflich; aber wie, wenn sie schoen und albern waere?
+
+Jago.
+Albern? Gut, die bloedste Schoene hatte stets so viel Verstand
+Dass sie, wo nicht einen Mann, mindstens einen Erben fand.
+
+Desdemona.
+Das sind alte abgedroschne Einfaelle, um Narren im Bierhause lachen
+zu machen. Was fuer ein armseliges Lob hast du dann fuer eine, die
+haesslich und albern ist?
+
+Jago.
+Keine ist so dumm und haesslich, die an List bey schlimmer Sache
+Den Verschmiztesten und Schoensten nicht den Vorzug streitig mache.
+
+Desdemona.
+O grobe Ungeschiklichkeit! Du lobest die Schlechteste am besten.
+Aber was koenntest du dann zum Lob eines Frauenzimmers sagen, das in
+der That Lob verdiente? Einer solchen, deren Verdienste so
+unstreitig waeren, dass sie es auf den Ausspruch der Bosheit selbst
+ankommen lassen duerfte?
+
+Jago.
+Die, bey niemals welker Schoenheit frey von Stolz und Eigensinn,
+Meisterin von ihrer Zunge, und doch keine Schreyerin,
+Immer Geld im Beutel hat, und sich nie dadurch entehrte,
+Die gelassen meiden kan, was ihr Herz sich gern gewaehrte;
+Die, wenn sie der Mann beleidigt, doch der Rache gern entsagt,
+Welche sanften Weiber-Herzen, wie man glaubt, so sehr behagt:
+Die so treu der Weisheit ist, dass sie nie in ihrem Leben,
+Um den Schwanz des besten Salms, eines Schel-Fischs Kopf gegeben;
+Die zwar denkt, doch was sie denkt, niemand als sich selbst
+vertraut,
+Noch, wenn ihr Verehrer folgen, aus Zerstreuung um sich schaut;
+Diese, wenn sie jemals war, konnte wol vortrefflich taugen--
+
+Desdemona.
+Und wozu dann?
+
+Jago.
+Ein Schmahl-Bier-Protocoll zu fuehren, und Narren auszusaugen.
+
+Desdemona.
+O, was fuer ein krueppelhafter, armseliger Schluss! Lerne ja nichts
+von ihm, Aemilia, ob er gleich dein Mann ist. Was sagt ihr, Cassio,
+wuerd' er nicht einen feinen Rath abgeben?
+
+Cassio.
+Es ist besser gemeynt als gesagt, Madam; Euer Gnaden werden den
+Soldaten groesser in ihm finden, als den Gelehrten.
+
+Jago (bey Seite.)
+Er nimmt sie bey der Hand; gut, wol gegeben--fluestert einander ins
+Ohr--Ich brauche kein staerkeres Gewebe als diss, um eine so grosse
+Fliege wie Cassio zu verstriken. Ey ja doch, laechle sie an, thu's--
+in deiner eignen Hoeflichkeit sollst du gefangen werden--Ihr habt
+recht, es ist so, in der That--Wenn solche arme kleine Freyheiten
+euch um eure Lieutenants-Stelle bringen sollten, so waer' es besser,
+ihr haettet eure drey Finger nicht so oft gekuesst--O vortrefflich!
+wol gekuesst! vortreffliche Galanterie!--es ist so, in der That--
+Noch einmal--eure Finger an eure Lippen? Ich wollt' es waeren
+Clystier-Sprizen, so lieb seyd ihr mir.
+
+(Trompeten.)
+
+Ha, der Mohr kommt; ich kenne seine Trompete.
+
+Cassio.
+Es ist wuerklich so.
+
+Desdemona.
+Wir wollen ihm entgegen gehen--
+
+Cassio.
+Seht, hier ist er schon.
+
+
+
+Sechste Scene.
+ (Othello und Gefolge zu den Vorigen.)
+
+
+Othello.
+O meine schoene Heldin!
+
+Desdemona.
+Mein theurer Othello!
+
+Othello.
+Meine Verwundrung euch vor mir hier zu sehen, ist so gross als mein
+Vergnuegen. O Wonne meines Herzens! Wenn auf jeden Sturm eine so
+suesse Stille folgte, so moechten die Winde blasen, bis sie den Tod
+aufgewekt haetten: So moechte die arbeitende Barke an Huegeln von
+Wasser bis an den Olymp hinauf klettern, dann wieder so tief sich
+tauchen, als die Hoelle vom Himmel ist! Wenn ich izt sterben muesste,
+so waer's in dem Augenblik, da meine Gluekseligkeit ihren hoechsten
+Punkt erreicht hat; ich besorge sehr, diese Wonne meiner Seele ist
+zu gross, als dass noch eine solche in der unbekannten Zukunft fuer
+mich ligen kan.
+
+Desdemona.
+Das verhuete der Himmel, dass unsre Liebe und unser Vergnuegen nicht
+in gleichem Maasse zunehmen sollte, wie unsre Tage wachsen!
+
+Othello.
+Amen, zu diesem holden Wunsch! Ich kan nicht genug von dieser
+Freude sagen, mein Herz ist so voll--
+
+(er kuesst sie--)
+
+und diss, und diss, moege die groesseste Dissonanz seyn, die jemals
+unsre Herzen machen werden!
+
+Jago (bei Seite.)
+
+O, izt seyd ihr noch wolgestimmt; aber ich will den Wirbel legen,
+der diese Musik macht, so wahr ich ehrlich bin!
+
+Othello.
+Kommt, wir wollen in's Schloss. Nun, meine Freunde, der Krieg ist
+geendigt, eh er angefangen hat; die Tuerken sind ertrunken. Wie
+leben unsre alten Bekannten auf dieser Insel?--Mein liebstes Herz,
+ihr werdet in Cypern sehr geliebt werden; ich habe viele
+Freundschaft hier empfangen--O meine Liebe, ich merke dass ich mich
+vergesse; das Uebermaass meiner Freude macht mich schwaermen.--Ich
+bitte dich, guter Jago, geh an die Rhede und lass meine Kisten
+auspaken; und den Schiffs-Patron bring' in die Citadelle zu mir; er
+ist ein geschikter Mann, dessen Verdiensten eine vorzuegliche
+Achtung gebuehrt. Kommt, Desdemona, noch einmal willkommen in
+Cypern!
+
+(Othello und Desdemona gehen ab.)
+
+
+
+Siebende Scene.
+ (Jago und Rodrigo bleiben.)
+
+
+Jago (zu einigen Bedienten.)
+Geht ihr dem Hafen zu, ich werde in einem Augenblik folgen--(zu
+Rodrigo.)
+Komm naeher, wenn du ein tapfrer Mann bist; (und man sagt doch, dass
+die Liebe auch den feigesten Seelen eine gewisse Staerke und
+Erhabenheit gebe, die ihnen sonst nicht natuerlich ist)--Horch mir
+zu; der Lieutenant commandirt diese Nacht auf der Hauptwache.
+Zuerst muss ich dir sagen, dass diese Desdemona geradezu in ihn
+verliebt ist.
+
+Rodrigo.
+In ihn? Wie, das ist nicht moeglich.
+
+Jago.
+Leg deine Finger auf den Mund und lass dir sagen, was du zu wissen
+brauchst. Bedenk einmal mit was fuer einer Heftigkeit sie anfangs
+den Mohren liebte, bloss weil er aufschnitt, und ihr romanhafte
+Luegen vorsagte. Meynst du, sein Pralen werde machen, dass sie ihn
+immer liebe? Sey nicht so einfaeltig, und bilde dir solche Dinge
+ein. Ihr Auge muss doch auch eine Nahrung haben. Und was ein
+Vergnuegen kan sie davon haben, wenn sie den Teufel ansieht? Wenn
+die Entzuekungen des Liebes-Spiels das Blut ermattet haben, so
+braucht es Reizungen, Schoenheiten, Sympathie im Alter, zaertliche
+Empfindungen, was weiss ich's, kurz lauter Eigenschaften, die der
+Mohr nicht hat, um es wieder anzuflammen. Nun aber kan's nicht
+fehlen, der Abgang dieser Erfordernisse und Uebereinstimmungen wird
+ihre jugendliche Zaertlichkeit gar bald empoeren; sie wird finden,
+dass sie sich betrogen hat; sie wird des Mohren erst satt, dann
+ueberdruessig werden, dann einen Ekel vor ihm bekommen, und ihn
+endlich gar verabscheuen, die Natur selbst wird sie das lehren und
+sie zu einer andern Wahl noethigen. Nun, Herr, dieses vorausgesezt,
+(wie es dann eine ausgemachte Sonnenklare Sache ist,) wer darf sich
+dieses Gluek mit bessrer Hoffnung versprechen als Cassio? Der
+geschmeidigste Schurke von der Welt; der nicht mehr Gewissen oder
+Tugend hat, als der Wohlstand und die Klugheit erfordern, um unterm
+Schuz der aeusserlichen Form eines bescheidnen und wohlgesitteten
+Betragens seine geheimen Ausschweiffungen und Leichtfertigkeiten
+desto sichrer auszuueben; ein glatter, abgeteilter Schurke, ein
+Gelegenheits-Hascher, ein Gleissner, der sich das Ansehen von
+Tugenden geben kan, die er nie gehabt hat; ein verteufelter Schurke!
+Und dann kommt noch in Betrachtung, dass der Schurke huebsch, jung,
+und mit allen den Erfordernissen begabt ist, worauf Thorheit und
+unreiffe Jugend am meisten sehen. Ein schwernoethischer
+ausgemachter Schurke! Und das Weibsbild kennt ihn schon besser,
+als du dir einbildest.
+
+Rodrigo.
+Das kan ich unmoeglich von ihr glauben; sie ist von einer so
+tugendhaften Gemuethsart--
+
+Jago.
+Tugendhafter Pfifferling! Der Wein den sie trinkt ist aus Trauben
+gemacht. Wenn sie tugendhaft gewesen waere, so wuerde sie sich nicht
+in den Mohren verliebt haben: Tugendhafter Quark! Hast du dann
+nicht gesehen wie sie mit seiner Hand auf- und abschaukelte? Hast
+du nicht darauf Acht gegeben?
+
+Rodrigo.
+Ja, das that ich; aber das war nur Hoeflichkeit.
+
+Jago.
+Leichtfertigkeit war's, bey meiner Seele! Eine geheime Andeutung,
+ein stillschweigender Prologus zu einem Lustspiel, wo man keine
+Zuschauer verlangt. Sie kamen einander ja mit ihren Lippen so nah,
+dass ihr Athem sich vermischen und zusammenfliessen musste. Das ist
+ein vertrakter Gedanke, Rodrigo! Wenn solche Vertraulichkeiten den
+Weg bahnen, so darf man sich darauf verlassen, dass die Haupt-Action
+bald nachkommen wird--Fy, Henker!--Aber, lasst euch nur von mir
+rathen, Herr. Ich hab' euch von Venedig mitgebracht. Zieht mit
+auf die Wache diese Nacht, ich will euch dazu commandieren. Cassio
+kennt euch nicht; und ich will nicht weit von euch seyn. Seht dass
+ihr dann eine Gelegenheit findet, ihn aufzubringen; redet zu laut,
+oder haltet euch ueber seine Art zu commandieren auf, oder thut
+sonst was das ihn aergern kan, wie es Zeit und Umstaende an die Hand
+geben werden.
+
+Rodrigo.
+Gut.
+
+Jago.
+Er ist jaeh, und in einem Augenblik aufgebracht; es kan leicht
+begegnen, dass er euch einen Schlag giebt. Reizt ihn dazu; dann das
+wuerde mir einen vortrefflichen Anlass geben, die Cyprier in eine
+solche Empoerung gegen ihn zu sezen, dass nichts als seine Entfernung
+sie besaenftigen soll. Dadurch kommt ihr desto baelder zu euerm Zwek;
+denn wenn Cassio einmal aus dem Weg ist, so will ich fuer das
+uebrige schon Mittel finden, und ihr sollt glueklich werden.
+
+Rodrigo.
+Ich verstehe mich zu allem, wenn ihr's dahin bringen koennt.
+
+Jago.
+Dafuer steh ich dir. Lass dich vor der Citadelle wieder antreffen;
+ich muss nur einen kleinen Gang machen, um sein Gepaeke ans Land zu
+holen. Lebt wohl indessen.
+
+Rodrigo.
+Adieu.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Achte Scene.
+
+
+Jago (allein.)
+Dass Cassio sie liebt, das glaub ich, und dass sie ihn wieder liebt,
+das laesst sich wenigstens glauben. Was den Mohren betrift, so muss
+ich gestehen, ob ich ihn gleich nicht leiden kan, dass er von einer
+gesezten, liebreichen und edeln Gemueths-Art ist; und ich zweifle
+gar nicht daran, dass er gegen Desdemona ein recht zaertlicher Ehmann
+seyn wird. Nun lieb ich sie auch, nicht eben aus Antrieb einer
+sonderlichen Lust zu ihr, (ob ich gleich vielleicht fuer eben so
+grosse Suenden in des Teufels Schuldbuch stehe,) sondern mehr um an
+dem ueppigen Mohren Rache zu ueben, den ich im Verdacht habe, dass er
+meinem Weibe zu nah' gekommen seyn moechte; ein Gedanke, der mir wie
+mineralisches Gift an meinem Inwendigen nagt, und mir keine Ruhe
+lassen wird, bis ich quitt mit ihm bin, Weib um Weib: Oder wenn mir
+auch das fehlschluege, so muss mir der Mohr wenigstens in eine so
+starke Eifersucht gesezt werden, dass die Vernunft selbst ihm nichts
+dagegen helfen soll. Und wenn dieser arme Venetianische Brak, den
+ich bloss um seines guten Jagens willen liebe, unserm Michael Cassio
+nur recht zu Leibe geht, so wollen wir ihn bald bey der Huefte
+kriegen, und ihn dem Mohren auf eine Art empfehlen, die ihre
+Wuerkung thun soll; und der Mohr soll mir noch danken, und mich noch
+dafuer lieben und belohnen, dass ich ihn fein sauber zu einem Esel
+mache, und ihn aus dem stolzen Frieden seiner Seele bis zur
+Tollheit herausbetruege. Das alles ligt hier--aber noch verworren;
+Spizbueberey laesst ihr ganzes Gesicht nicht eher sehen, bis sie
+vollbracht ist.
+
+(Geht ab.)
+
+
+
+Neunte Scene.
+ (Die Strasse.)
+ (Ein Herold tritt auf.)
+
+
+Herold.
+Es ist Othello's, unsers edeln und tapfern Ober-Befehlhabers, Wille
+und Belieben, dass auf die zuverlaessig eingelauffene Nachricht von
+dem gaenzlichen Untergang der Tuerkischen Flotte, jedermann seine
+Freude oeffentlich, durch Taenze, Freuden-Feuer, und alle die Spiele
+und Lustbarkeiten, wozu einen jeden seine Neigung treiben mag, an
+den Tag geben moege--Zumal, da noch ueber diese gluekliche Zeitung,
+sein Vermaehlungs-Fest ein Gegenstand der allgemeinen Freude ist.
+Alle seine Vorraths-Kammern sind aufgeschlossen, und es ist jedem
+erlaubt von dieser fuenften Stunde an, bis die Gloke eilfe
+geschlagen haben wird, zu schmausen und sich zu erlustigen, wie es
+ihm beliebt. Dieses sollte, nach seinem Befehl, durch oeffentlichen
+Ausruf bekannt gemacht werden. Heil der Insel Cypern, und unserm
+edeln General!
+
+(Othello, Desdemona, Cassio, und Gefolge treten auf.)
+
+Othello.
+Mein lieber Cassio, seht diese Nacht zur Wache; wir wollen nicht
+vergessen, in unsern Lustbarkeiten nie ueber das Ziel der
+Anstaendigkeit und Maessigung hinauszuschweiffen.
+
+Cassio.
+Jago hat schon Befehl auf die Nacht; ich will aber nichts
+destoweniger selbst ein Aug' auf alles haben.
+
+Othello.
+Jago ist ein ehrlicher Mensch--Gute Nacht, Cassio. Morgen, so frueh
+als euch gelegen ist, lasst mich eine Unterredung mit euch haben--
+
+(Zu Desdemona.)
+
+Komm, meine theure Liebe--Wenn der Kauf geschehen ist, so folgt die
+Nuzniessung;--Gute Nacht.
+
+(Othello und Desdemona gehen ab.)
+
+(Jago zu Cassio.)
+
+Cassio.
+Willkommen Jago, wir muessen zur Wache.
+
+Jago.
+Izt noch nicht, Lieutenant, es ist noch nicht zehn Uhr. Unser
+General hat uns seiner Desdemona zu lieb so frueh entlassen, und wir
+koennen ihn nicht desswegen tadeln--es ist seine erste Nacht, und sie
+ist ein Lekerbissen fuer einen Jupiter.
+
+Cassio.
+Sie ist eine vortreffliche Dame.
+
+Jago.
+Und sie liebt das Spiel, ich stehe fuer sie.
+
+Cassio.
+In der That, sie ist ein reizendes Geschoepf.
+
+Jago.
+Was sie fuer ein paar Augen hat! Es ist, als ob sie einen
+auffordern--
+
+Cassio.
+Sehr anziehende Augen, und doch, wie mich daeucht, vollkommen
+sittsam.
+
+Jago.
+Und wenn sie redt, ist nicht der blosse Ton ihrer Stimme ein Signal
+zur Liebe?
+
+Cassio.
+Sie ist, in der That, die Vollkommenheit selbst.
+
+Jago.
+Gut, viel Glueks zu ihrer Hochzeit-Nacht! Kommt, Lieutenant, ich
+habe eine Flasche Wein, und es sind ein paar brave junge Cyprier
+draussen, die gerne eins auf Othello's Gesundheit mit uns trinken
+moechten.
+
+Cassio.
+Diese Nacht kan's nicht seyn, Jago; ich habe ein armes ungluekliches
+Gehirn zum Trinken. Ich moechte wol wuenschen, dass man eine andre
+Manier, einander seinen guten Willen zu bezeugen, erfinden moechte
+als Gesundheittrinken.
+
+Jago.
+Oh, es sind gute Freunde; nur ein Glaeschen; ich will fuer euch
+trinken.
+
+Cassio.
+Ich habe diesen Abend nicht mehr als einen Bechervoll getrunken,
+der noch dazu mit Wasser gemischt war, und ihr seht, was fuer
+Veraenderungen er schon hier gemacht. Es ist ein Ungluek fuer mich,
+dass ich so wenig ertragen kan, aber ich darf es nicht wagen, mehr
+zu thun.
+
+Jago.
+Wie, Mann? Die heutige Nacht ist dazu bestimmt, dass man sich
+lustig mache, und die jungen Herren wuerden sich durch unsre
+Weigerung beleidigt finden.
+
+Cassio.
+Wo sind sie?
+
+Jago.
+Hier, vor der Thuer; ich bitte euch, ruft sie herein.
+
+(Cassio geht ab.)
+
+Jago (allein.)
+Wenn ich ihm, ueber das was er schon getrunken hat, nur noch einen
+Becher voll beybringen kan, so wird er so haendelsuechtig seyn, und
+sich so unnuez machen wie meiner jungen Fraeulein Hund--Nun hat mein
+ehrlicher Rodrigo, dem die Liebe nun vollends die unrechte Seite
+herausgekehrt hat, diese Nacht auch manchen Stuzer auf Desdemonens
+Gesundheit ausgeleert, und izt wird er mit auf die Wache ziehen.
+Drey junge Cyprier, frische ruestige Bursche, die Herz und Ehre
+haben, hab ich gleichfalls mit vollen Bechern zugedekt, und sie
+sind auch von der Wache. Unter dieser Schaar von Betrunknen kan es
+mir also nicht schwer fallen, unsern Cassio zu einem Excess zu
+bringen, wodurch er diese Insulaner vor die Koepfe stoesst--Aber da
+kommen sie ja schon. Wenn der Erfolg meinem Entwurf antwortet, so
+segelt mein Boot mit Wind und Fluth davon.
+
+
+
+Zehnte Scene.
+ (Cassio, Montano, und drey junge Cyprier.)
+
+
+Cassio.
+Beym Himmel, sie haben mir schon einen Tips angehaengt.
+
+Montano.
+Einen sehr kleinen, in der That: ihr habt nicht ueber eine Maass
+getrunken, so wahr ich ein Soldat bin.
+
+Jago.
+Wein her, Wein her! (er faengt an zu singen)
+ he! Wein her, ihr Jungens!
+
+Cassio.
+Beym Himmel, das war ein huebsches Lied.
+
+Jago.
+Das lernt ich in England, wo sie, in der That, maechtige Zecher sind.
+Euer Daehne, euer Deutscher, euer schmerbauchichter Hollaender--he!
+zu trinken! sind nichts gegen meinen Englaender.
+
+Cassio.
+So ist euer Englaender ein so grosser Trinker?
+
+Jago.
+Ob er's ist? Ich sag euch, er trinkt euch eure Daenen zu Boden,
+ohne dass ihr's ihm anseht. Er braucht nicht zu schwizen, um ueber
+euern Deutschen Meister zu werden; und euern Hollaender bringt er
+zum Speyen, eh die naechste Flasche gefuellt werden kan.
+
+Cassio.
+Auf die Gesundheit unsers Generals!
+
+Montano.
+Da bin ich auch dabey, Lieutenant, ich will euch Bescheid thun.
+
+Jago.
+O das liebe England!
+(Koenig Stephan war ein braver Pair etc.)
+
+(Er singt.)
+Mehr Wein her, he!
+
+Cassio.
+Ha, das Lied ist noch schoener als das vorige.
+
+Jago.
+Wollt ihr's noch einmal hoeren?
+
+Cassio.
+Nein, wahrhaftig, und hielte den fuer einen Mann der seines Plazes
+nicht wuerdig waere, der solche Dinge thun wollte--Gut--Der Himmel
+ist ueber uns alle; und es ist nun schon einmal so, dass die einen
+selig werden, und die andern nicht selig werden.
+
+Jago.
+Das ist wahr, Herr Lieutenant.
+
+Cassio.
+Was mich betrift, (ohne unserm General, oder sonst einem Mann von
+Stande zu nah zu treten,) so hoff' ich, selig zu werden.
+
+Jago.
+Und ich auch, Lieutenant.
+
+Cassio.
+Schon gut, aber, mit eurer Erlaubniss, nicht vor mir. Der
+Lieutenant muss vor dem Faehndrich selig werden. Sagt mir nichts
+mehr hievon!--Wir wollen von unsern Geschaeften reden--Vergieb uns
+unsre Schulden!--Meine Herren, wir wollen zu unsern Geschaeften
+sehen. Bildet euch nicht ein, ihr Herren, dass ich betrunken sey:
+Das ist mein Faehndrich; das ist meine rechte Hand, und das ist
+meine linke. Ich bin noch nicht betrunken, ich kan noch ziemlich
+aufrecht stehen, und ich rede noch gut genug.
+
+Alle.
+Vortreflich gut.
+
+Cassio.
+Nun, recht gut also; so muesst ihr also nicht denken, dass ich
+betrunken sey.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Eilfte Scene.
+
+
+Montano.
+Auf die Platte-Forme, meine Herren; kommt, wir wollen die Wache
+besezen.
+
+Jago.
+Ihr seht diesen Burschen, der voraus gegangen ist; er ist ein guter
+Soldat, werth zunaechst an Caesarn zu stehen, und unter ihm Befehle
+zu geben. Aber ihr seht auch sein Laster;--es ist schade fuer ihn--
+er hat Stunden, wo dieses einzige Gebrechen alle seine Tugenden
+unbrauchbar macht--ich fuerchte nur, das Vertrauen, das Othello in
+den Mann sezt, mag in irgend einem solchen unglueklichen Augenblik
+das Verderben dieser Insel seyn.
+
+Montano.
+Ist er denn oft so?
+
+Jago.
+Es ist jedesmal der Prologus zu seinem Schlaf. Er wuerde euch
+zweymal vier und zwanzig Stunden an einem Weg wachen, wenn Bacchus
+seine Wiege nicht ruettelte.
+
+Montano.
+Es waere gut, wenn dem General eine Vorstellung hierueber gemacht
+wuerde; vielleicht weiss er's nicht; oder sein gutes Gemueth ist von
+den Verdiensten, die an Cassio in die Augen leuchten, so
+eingenommen, dass er ihm seine Untugenden uebersieht; ist's nicht so?
+
+(Rodrigo zu den Vorigen.)
+
+Jago.
+Was macht ihr hier, Rodrigo? Ich bitte euch, seht wo der
+Lieutenant ist, geht.
+
+(Rodrigo geht ab.)
+
+Montano.
+Und es ist in der That recht zu bedauren, dass der Mohr einen so
+wichtigen Plaz, die Vertretung seiner eignen Person, einem Mann
+anvertrauen soll, der mit einem so eingewurzelten Gebrechen
+behaftet ist; es waere die That eines ehrlichen Mannes, wenn man dem
+Mohren das sagen wuerde.
+
+Jago.
+Der moecht' ich nicht seyn, und wenn ich diese ganze Insel damit zu
+gewinnen wuesste; ich liebe den Cassio, und wollte alles in der Welt
+thun, ihn von diesem Uebel zu heilen. Horcht, was fuer ein Lerm ist
+das?
+
+(Man schreyt hinter der Scene: Helft, helft!)
+(Cassio verfolgt den Rodrigo auf den Schau-Plaz.)
+
+Cassio.
+Du Raker! du Lumpenhund!
+
+Montano.
+Was habt ihr, Lieutenant?
+
+Cassio.
+Ein Schurke soll mich meine Schuldigkeit lehren! Ich will den
+Schurken in eine Kuerbis-Flasche hineinpruegeln.
+
+Rodrigo.
+Mich pruegeln--
+
+Cassio.
+Rueppelst du dich noch, Lumpenkerl?
+
+Montano (der ihn zuruekhaelt.)
+Haltet ein, guter Lieutenant; ich bitte euch, mein Herr, haltet ein.
+
+Cassio.
+Lasst mich gehen, Herr, oder ihr kriegt eins auf die Ohren.
+
+Montano.
+Kommt, kommt, ihr seyd ein betrunkener Mann.
+
+Cassio.
+Betrunken?--
+
+(Er zieht den Degen gegen Montano, welcher sich zur Wehr sezt.)
+
+Jago (zu Rodrigo leise.)
+Weg, sag ich, hinaus, und schlagt Lermen.
+
+(Rodrigo geht.)
+
+Nein, guter Lieutenant--Ums Himmels willen, meine Herren--Helft!
+he!--Lieutenant--meine Herren--Montano--helft, ihr Herren! das ist
+mir eine feine Wache, in der That!--Nu ja, wer hat den Einfall gar
+die Sturmgloke zu laeuten?--Zum Teufel, halt! die ganze Stadt wird
+in Bewegung kommen. Fy, fy, Lieutenant! halt, sag ich! Ihr
+verliehrt eure Ehre auf eine unwiederbringliche Art.
+
+
+
+Zwoelfte Scene.
+ (Othello, mit seinem Gefolge zu den Vorigen.)
+
+
+Othello.
+Was giebt es hier?
+
+Montano.
+Ich blute stark, ich bin verwundet, doch nicht toedtlich.
+
+Othello.
+Halt, so lieb euch euer Leben ist.
+
+Jago.
+Halt, he, Lieutenant--Herr--Montano--meine Herren--Habt ihr denn
+allen Verstand verlohren? Wisst ihr nicht mehr, wer, und vor wem
+ihr seyd? Der General redt mit euch--Halt, sag ich--schaemt euch
+doch wenigstens, und haltet ein--
+
+Othello.
+Wie, was soll das seyn, he! Wer ist der Urheber von diesem Unfug?
+Sind wir zu Tuerken geworden? Und thun uns selbst was der Himmel
+den Ottomannen verboten hat? Aus Schaam wenigstens vor diesen
+Unglaeubigen, macht diesem barbarischen Gefecht ein Ende; der erste
+von euch, der sich noch ruehrt, ist auf der Stelle des Todes! Heisst
+diese Gloke schweigen, sie schrekt diese Insel aus ihrer Ruhe auf.
+Was war denn der Anlas zu diesem Handel? Ehrlicher Jago, dein
+blasses Gesicht sagt mir, dass du bekuemmert bist--Sprich, wer machte
+den Anfang? Sage die Wahrheit, so lieb ich dir bin!
+
+Jago.
+Ich weiss es nicht; wir waren alle gute Freunde, nur eben, nur noch
+vor einem Augenblik auf der Hauptwache beisammen, so freundlich wie
+Braut und Braeutigam, wenn sie zu Bette gehen wollen--und dann, in
+einem Augenblik (nicht anders als ob irgend ein aufgehender Planet
+den Leuten die Vernunft genommen haette) sind sie mit ihren Degen
+heraus, und gehen einander auf Leib und Leben. Ich kan nicht sagen,
+was der Anlas zu diesem unsinnigen Zwist war; aber ich wollte, ich
+haette in irgend einer ruehmlichen Action diese Beine verlohren, die
+mich zu einem Theil davon gefuehrt haben.
+
+Othello.
+Wie kommt es, Cassio, dass ihr euch so vergessen habt?
+
+Cassio.
+Ich bitte euch, entschuldigt mich, ich kan nicht reden.
+
+Othello.
+Wuerdiger Montano, ihr seyd sonst ein gesitteter Mann: die Welt legt
+euch den Charakter eines gesezten und sittsamen Juenglings bey, und
+die Weisesten sprechen euern Namen mit Hochachtung aus. Was fuer
+ein Anlas konnte euch dahin bringen, euern Ruhm so leichtsinnig zu
+verschleudern, und die gute Meynung der Welt um den Namen eines
+Nacht-Schwaermers hinzugeben? Antwortet mir auf das!
+
+Montano.
+Wuerdiger Othello, ich bin gefaehrlich verwundet: Euer Officier, Jago,
+kan mir eine Muehe ersparen, die mir izt einige Ungelegenheit
+verursachen wuerde; er weiss alles, was ich euch sagen koennte; und
+ich wisste auch nicht was ich diese Nacht ueber Unrechtes gesagt oder
+gethan haette, es waere denn, dass Selbstvertheidigung, wenn wir
+gewaltsam angefallen werden, eine Suende seyn sollte.
+
+Othello.
+Nun, beym Himmel, mein Blut fangt an ueber meine Vernunft Meister zu
+werden--Reizt mich nicht, sag ich euch, oder wenn ich nur diesen
+Arm hebe, so soll der Beste von euch unter meinem Zorn zu Boden
+sinken. Lasst mich wissen, wie dieser schaendliche Tumult sich anhub;
+wer der Anfaenger war; und derjenige, welcher schuldig befunden
+wird, hat einen Freund an mir verlohren, und wenn er mein Zwillings-
+Bruder waere--Wie? in einer mit Krieg bedraeuten Stadt, deren
+Einwohner noch mit Schreken angefuellt sind, sich von der Furcht
+eines feindlichen Ueberfalls noch nicht erholt haben, um Privat-
+Haendeln willen einen Lerm anfangen? Und das bey Nacht, und auf der
+Hauptwache, die der Schirm der allgemeinen Sicherheit seyn soll?
+Es ist etwas ungeheures! Rede, Jago, wer war der Anfaenger?
+
+Montano.
+Wenn du aus Partheylichkeit, Freundschaft oder vermeynter Pflicht
+mehr oder weniger sagst als wahr ist, so bist du kein Soldat.
+
+Jago.
+Ruehret mich an keinem so empfindlichen Theil an: Ich wollte mir
+lieber diese Zunge aus dem Mund reissen lassen, als dass ich meinem
+Freund Cassio zum Schaden reden wollte: jedoch hoff' ich es koenne
+ihm keinen Schaden thun, wenn ich die Wahrheit sage. So verhaelt
+sich die Sache, General: Montano und ich waren in einem Gespraech
+begriffen, als ein Bursche hereinzulauffen kam, der aus vollem Hals
+um Huelfe schrie, und Cassio mit blossem Degen hinter ihm her,
+vermuthlich um ihn abzustraffen. Hierueber gieng dieser Herr auf
+den Cassio zu, und bat ihn sich zufrieden zu geben, ich selbst aber
+lief dem schreienden Kerl nach, aus Furcht, sein Geschrey moechte
+(wie es auch wuerklich begegnet ist,) die Stadt in Unruh sezen;
+allein, da er schneller auf den Beinen war, so verlohr' ich ihn
+gleich aus dem Gesicht, kehrte also wieder zuruek, um so mehr als
+ich das Klingeln und Fallen von blossen Degen und den Cassio
+gewaltig fluchen hoerte, welches ich vor dieser Nacht niemals haette
+von ihm sagen koennen. Wie ich nun zuruek kam, so fand ich sie im
+hizigsten Gefecht begriffen, kurz, in den nemlichen Umstaenden,
+worinn ihr selbst sie auseinander gebracht habt. Mehr kan ich von
+diesem Handel nicht sagen. Aber Menschen sind Menschen; die besten
+vergessen sich zuweilen; und wenn ihm auch Cassio ein wenig zuviel
+gethan hat, wie denn Leute in der Wuth oft ihre liebsten Freunde
+schlagen, so glaub ich doch gewiss, dass Cassio von dem Burschen, der
+entlaufen ist, irgend eine grobe Beleidigung, die nicht zu dulden
+war, empfangen haben muss.
+
+Othello.
+Ich sehe, Jago, dass dein gutes Gemueth und deine Liebe zu Cassio
+seine Schuld zu verkleinern sucht. Cassio, ich liebe dich, aber du
+bist mein Officier nicht mehr--(Desdemona, mit Gefolge, zu den
+Vorigen.) Seht, ist nicht meine liebste Desdemona aufgestanden--ich
+will dich zu einem Exempel machen.
+
+Desdemona.
+Was ist hier zu thun?
+
+Othello.
+Es ist alles in seiner Ordnung. Komm zu Bette, meine Liebe--Mein
+Herr, ich will selbst der Arzt fuer eure Wunden seyn--Fuehrt ihn nach
+Hause. Jago, lass dir die Beruhigung der Stadt angelegen seyn--Komm,
+ Desdemona; es ist einer von den Zufaellen des Soldaten-Lebens, oft
+vom suessesten Schlummer durch kriegrisches Getuemmel aufgewekt zu
+werden.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Dreyzehnte Scene.
+ (Jago und Cassio bleiben.)
+
+
+Jago.
+Wie, seyd ihr verwundet, Lieutenant?
+
+Cassio.
+So, dass mir alle Wundaerzte der Welt nicht helfen koennen.
+
+Jago.
+Das verhuete der Himmel!
+
+Cassio.
+O Guter Name! Guter Name! Ich habe meinen guten Namen verlohren;
+ich habe mein unsterbliches Theil verlohren, was mir uebrig
+geblieben, ist ein blosses Thier. Meinen guten Namen, Jago, meinen
+guten Namen!--
+
+Jago.
+So wahr ich ein Bidermann bin, ich dachte, ihr haettet irgend eine
+tieffe Wunde in den Leib bekommen; das haette mehr zu bedeuten als
+ein guter Name--Diese Schimaere, die so oft ohne Verdienste gewonnen,
+und ohne Verschuldung verlohren wird. Ihr habt nichts verlohren,
+als in so fern ihr euch einbildet, dass ihr was verlohren habt. Wie,
+Mann--man kan Mittel finden, den General wieder zu gewinnen. Ihr
+seyd nur noch muendlich cassiert, eine Straffe, worinn mehr Politik
+als boeser Willen ist; gerade so, als wenn einer seinen unschuldigen
+Hund schluege, um einen uebermuethigen Loewen zu erschreken. Gebt ihm
+gute Worte, so ist er wieder euer.
+
+Cassio.
+Ich wollte lieber selbst um meine Verwerfung bitten, als einen so
+rechtschaffnen General mit einem so schlechten, so versoffenen, so
+unbedachtsamen Officier betruegen. Besoffen? und plappern wie ein
+Papagay? und Haendel anfangen? grosspralen? fluchen? und dummes
+Zeug mit seinem eignen Schatten reden? O du unbaendiger Geist des
+Weins, wenn du noch keinen Namen hast, woran man dich kennen kan,
+so lass dich Teufel heissen.
+
+Jago.
+Wer war der Kerl, den ihr mit dem Degen verfolgtet? was hatte er
+euch gethan?
+
+Cassio.
+Das weiss ich nicht.
+
+Jago.
+Ists moeglich?
+
+Cassio.
+Ich erinnere mich eines verworrenen Klumpens von Sachen, aber
+nichts deutlich: Eines Handels, aber nicht warum. O dass ein Mann
+einen Feind zu seinem Mund einlassen soll, damit er ihm seine
+Vernunft wegstehlen koenne! dass wir faehig sind, mit lauter Freude,
+Lust, Scherz und Wohlleben uns in Bestien zu verwandeln!
+
+Jago.
+Nun, gebt euch zufrieden, ihr seyd wieder ganz wohl: Wie habt ihr
+euch sobald wieder erholt?
+
+Cassio.
+Der Teufel der Trunkenheit hat dem Teufel des Zorns Plaz gemacht;
+eine Unvollkommenheit zeigt mir eine andre--o wie herzlich veracht'
+ich mich selber!
+
+Jago.
+Kommt, ihr seyd ein allzustrenger Moralist. In Betrachtung der
+Zeit, des Orts und der gegenwaertigen Umstaende dieses Lands moecht'
+ich selbst von Herzen wuenschen, es waere nicht begegnet; aber da es
+nun einmal so ist wie es ist, so ergebt euch darein, und denkt
+darauf, wie ihr's wieder gut machen wollt.
+
+Cassio.
+Gesezt, ich geh, und bitt' ihn wieder um meine Stelle, so wird er
+mir sagen, ich sey ein Trunkenbold--Haette ich so viele Maeuler als
+die Hydra, eine solche Antwort wuerde sie mir alle stopfen. Izt ein
+vernuenftiger Mensch seyn, bald darauf ein Narr, und dann ploezlich
+gar ein Vieh--Ein jedes Glas das man zuviel trinkt ist verflucht,
+und das Ingrediens davon ist ein Teufel.
+
+Jago.
+Kommt, kommt, guter Wein ist ein guter (Spiritus familiaris,) wenn
+man mit ihm umzugehen weiss: Keine Declamationen mehr dagegen!--Mein
+lieber Lieutenant, ich hoffe doch, ihr glaubt, dass ich euer Freund
+bin.
+
+Cassio.
+Ihr habt mir Proben davon gegeben, mein Herr--Ich, betrunken!--
+
+Jago.
+Das ist etwas, das euch und einem jeden andern ehrlichen Mann in
+der Welt einmal begegnen kan--Ich will euch sagen, was ihr thun
+solltet. Unsers Generals Frau ist izt der General. Ich kan mich
+dieses Ausdruks bedienen, weil er sich ganz und gar der Beschauung,
+Betrachtung und Beherzigung ihrer Vollkommenheiten und Schoenheiten
+gewiedmet und ueberlassen zu haben scheint. Macht ihr ein
+freymuethiges Gestaendniss euers Fehlers, und lasst nicht ab, bis sie
+euch verspricht euch wieder zu euerm Plaz zu helfen. Sie ist von
+einer so grossmuethigen, so guetigen, so menschenfreundlichen Gemueths-
+Art, dass sie es fuer einen Mangel an Guete hielte, nicht noch mehr zu
+thun als man von ihr begehrt. Bittet sie, dieses zerbrochne Band
+zwischen euch und ihrem Manne wieder zusammen zu loethen--und ich
+will alles was ich habe gegen eine Steknadel sezen, eure
+Freundschaft wird staerker werden als sie je gewesen ist.
+
+Cassio.
+Euer Rath ist gut.
+
+Jago.
+Er ist wenigstens gut gemeynt, und kommt aus einem aufrichtigen und
+freundschaftlichen Herzen.
+
+Cassio.
+Davon bin ich ueberzeuget; ich will es nicht laenger als bis morgen
+frueh anstehen lassen, die tugendhafte Desdemona um ihr Vorwort zu
+bitten; ich bin gaenzlich verlohren, wenn ich auf eine so
+schimpfliche Art von hier gejagt werde.
+
+Jago.
+Ihr habt recht; gute Nacht, Lieutenant; ich muss zur Wache sehen.
+
+Cassio.
+Gute Nacht, redlicher Jago--
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Vierzehnte Scene.
+
+
+Jago (allein.)
+Und wo ist nun der, welcher sagen kan, ich spiele die Rolle eines
+Spizbuben? Da der Rath, den ich ihm gebe, gut, ehrlich, von dem
+wahrscheinlichsten Erfolg, ja in der That der gerade Weg ist, den
+Mohren wieder zu gewinnen. Denn es ist etwas sehr leichtes die
+gutherzige Desdemona zu bewegen, dass sie irgend eine erlaubte Bitte
+beguenstige; sie ist von einer so ueberfliessend-wohlthaetigen Natur
+wie die alles umfassenden Elemente. Und dann ist fuer sie wiederum
+nichts leichters als den Mohren zu gewinnen, waer' es auch seinem
+Taufbund zu entsagen, so gaenzlich ist seine Seele in ihrer Liebe
+verstrikt; sie kan mit ihm anfangen was sie will, machen, wieder
+vernichten, wie es ihrem Eigensinn nur belieben mag, den Gott mit
+seiner Schwaeche zu spielen. Bin ich denn also ein Spizbube, dem
+Cassio einen Weg zu rathen, der ihn so gerade zu seinem Besten
+fuehrt? Beym Abgott der Hoelle! wenn Teufel ihre schwaerzeste Suenden
+ausueben wollen, so taeuschen sie uns zuvor in himmlischen Gestalten--
+So mach' ichs wuerklich auch. Denn indess dass dieser ehrliche Thor
+sich Desdemonen zu Fuessen wirft, um sein Gluek wieder herzustellen,
+und sie alle ihre Macht ueber den Mohren zu Cassio's Vortheil
+anwendet; ich will ihm den giftigen Argwohn in die Ohren blasen,
+dass sie ihn nur zu Buessung ihrer Lust so gerne bey sich zu behalten
+wuensche; und je eyfriger sie sich bemuehen wird, ihm Gutes zu thun,
+je mehr wird sie ihren Credit in den Augen des Mohren verliehren.
+So will ich ihre Tugend in Pech verwandeln, und aus ihrer Guete
+selbst ein Nez machen, worinn sie alle gefangen werden sollen. Wo
+kommt ihr her, Rodrigo?
+
+
+
+Fuenfzehnte Scene.
+ (Rodrigo zu Jago.)
+
+
+Rodrigo.
+Ich lauffe hier mit der Jagd, nicht wie ein Hund der jagt, sondern
+nur, wie einer der schreyen hilft. Mein Geld ist beynah
+aufgebraucht; heute Nachts bin ich ganz unvergleichlich abgepruegelt
+worden; und ich denke, das Ende vom Liede wird seyn, dass ich so
+viel Erfahrung fuer meine Muehe habe; und so werd' ich mit einem
+leeren Beutel und einem Bisschen mehr Wiz wieder nach Venedig zuruek
+kehren--
+
+Jago.
+Was fuer elende Leute sind doch die, so keine Geduld haben koennen!
+Wenn heilt jemals eine Wunde anderst als nach und nach--Du weissst
+doch, dass wir nicht zaubern koennen, sondern dass alles was wir thun,
+natuerlich zugehen muss; und die Natur will ihre Zeit haben. Wo
+fehlt es dann, lasst sehen? Cassio hat dich gepruegelt, und du hast
+fuer ein paar arme Schlaege diesen Cassio cassiert--Was reiff werden
+soll, muss erst bluehen. Gedulde dich noch ein wenig: Es ist
+wuerklich schon Tag. Vergnuegen und Arbeit machen, dass uns die
+Stunden kurz scheinen. Entfern' dich; geh, wohin du angewiesen
+bist; geh, sag ich--du sollst bald mehr von mir hoeren--Nun, so geh
+doch--
+
+(Rodrigo geht.)
+
+Nun sind zwey Dinge zu thun; mein Weib muss fuer den Cassio zur
+Desdemonen gehen, und das will ich bald veranstaltet haben; ich muss
+indess den Mohren auf die Seite nehmen, und ihn nicht eher wieder
+erscheinen lassen, als gerade wenn er den Cassio bey seiner Frauen
+ueberraschen kan--ja, so muss es gehen--und das Eisen soll
+geschmiedet werden, weil es noch warm ist.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+
+Dritter Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+ (Vor Othello's Pallast.)
+ (Cassio, mit Musicanten, tritt auf.)
+
+
+Cassio.
+Meine Herren, hier spielt eins, (ich will eure Muehe vergelten,)
+etwas das nicht zu lange waehrt, und dann wuenscht dem General einen
+guten Morgen.
+
+(Die Musik faengt an; Hans Wurst kommt aus dem Hause heraus.)
+
+Hans Wurst.
+Wie, ihr Herren, sind eure Instrumente in Neapel gewesen, dass sie
+so durch die Nase reden?--Hier ist Geld fuer euch; eure Musik
+gefaellt dem General so wol, dass er wuenscht, ihr moechtet ihm den
+Gefallen thun, und nicht gar zu laut damit seyn.
+
+Musicant.
+Gut, Herr, wir wollen's leiser machen.
+
+Hans Wurst.
+Wenn ihr eine Musik habt, die man nicht hoert, so macht immer fort:
+Aber was man heisst, Musik zu hoeren, davon ist der General kein
+sonderlicher Liebhaber.
+
+Musicant.
+Eine Musik, die man nicht hoert?--Wir koennen eine solche, Herr.
+
+Hans Wurst.
+So stekt eure Pfeiffen wieder in euern Sak, und zieht ab. Geht,
+zerfliesst in Luft, fort.
+
+(Die Musicanten gehen ab.)
+
+Cassio.
+Hoerst du, guter Freund?
+
+Hans Wurst.
+Mit beyden Ohren.
+
+Cassio.
+Hier ist ein kleines Goldstuek fuer dich; wenn die Kammer-Frau der
+Generalin auf ist, so sag' ihr, es sey ein gewisser Cassio da, der
+sich die Erlaubniss ausbitte, ein paar Worte mit ihr zu reden.
+Willt du?
+
+Hans Wurst.
+Sie ist auf, Herr; wenn sie mir in den Wurf kommt, so will ich
+nicht ermangeln, es ihr zu notificieren.
+
+(Er geht.)
+
+Cassio.
+Thu das, guter Freund--Da kommt Jago eben recht.
+
+Jago. (zu ihm.)
+Ihr seyd also nicht zu Bette gegangen?
+
+Cassio.
+Nein, gewiss nicht; der Tag brach ja schon an, eh wir schieden. Ich
+bin so frey gewesen, und habe eure Frau hieher bitten lassen; ich
+will sie ersuchen, sie moechte mir Zutritt bey Desdemona verschaffen.
+
+Jago.
+Ich will sie augenbliklich hieher schiken, und indess ein Mittel
+ausfindig machen, um den Mohren auf die Seite zu bringen, damit ihr
+ungehindert mit Desdemonen sprechen koennt.
+
+(Er geht ab.)
+
+Cassio.
+Ich dank euch gehorsamst davor--In meinem Leben hab' ich keinen
+gutherzigern und ehrlichern Florentiner gesehen! (Aemilia zu
+Cassio.)
+
+Aemilia.
+Guten Morgen, Herr Lieutenant. Es ist mir leid, dass ihr Verdruss
+gehabt habt; aber ich hoffe, es wird alles wieder gut werden. Der
+General und seine Gemahlin reden mit einander davon, und sie nimmt
+eure Parthey sehr lebhaft. Der Mohr haelt ihr entgegen, derjenige,
+den ihr verwundet haettet, sey ein Mann von grossem Namen in Cypern,
+und von einer ansehnlichen Familie; er koenne aus politischen
+Ursachen nicht anders, als euch von sich entfernen. Jedoch
+versichert er zu gleicher Zeit, er liebe euch, und habe keine andre
+Fuerbitter noethig, um euch wieder bey ihm in Gunst zu sezen, als
+seine eigne Zuneigung.
+
+Cassio.
+Ich bitte euch dem ungeachtet, wenn ihr anders glaubt dass es
+schiklich sey, und wenn es sich thun laesst, mir Gelegenheit zu
+verschaffen, dass ich ein paar Worte mit Desdemonen allein sprechen
+koennte.
+
+Aemilia.
+Ich bitte euch, kommt herein; ich will euch an einen Ort fuehren, wo
+ihr Gelegenheit haben sollt, ihr alles zu sagen was ihr auf dem
+Herzen habt.
+
+Cassio.
+Ich bin euch sehr dafuer verbunden.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Zweyte Scene.
+ (Othello, Jago, und etliche Cyprische Edelleute.)
+
+
+Othello.
+Diese Briefe, Jago, gieb dem Schiffs-Patron, und bitte ihn, dem
+Senat meine Schuldigkeit zu bezeugen. Ich will indessen einen Gang
+in die Vestungs-Werker thun, mache, dass du dort wieder zu mir
+kommst.
+
+Jago.
+Ich werde nicht ermangeln, gnaediger Herr.
+
+Othello.
+Wollen wir gehen, meine Herren, und die Vestung besehen?
+
+Edelleute.
+Wir werden die Ehre haben, Eu. Gnaden zu begleiten.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Dritte Scene.
+ (Verwandelt sich in das Zimmer im Pallast.)
+ (Desdemona, Cassio, und Aemilia.)
+
+
+Desdemona.
+Sey versichert, mein guter Cassio, ich will alle meine Vermoegenheit
+zu deinem Besten anwenden.
+
+Aemilia.
+Thut es, liebste Madam; ich weiss, es bekuemmert meinen Mann, als ob
+es seine eigne Sache waere.
+
+Desdemona.
+Ich glaub' es, er ist ein guter Mensch; zweifelt nicht, Cassio, ich
+will meinen Herrn und euch wieder zu so guten Freunden machen, als
+ihr gewesen seyd.
+
+Cassio.
+Meine grossmuethigste Gebieterin, was auch aus Cassio werden mag, so
+wird er nie was anders als euer getreuer Diener seyn.
+
+Desdemona.
+Ich weiss es; ich danke euch; ihr liebet meinen Gemahl; ihr kennt
+ihn schon lange; und seyd vollkommen versichert, er wird in dieser
+Entfernung von euch nicht weiter gehen, als er durch politische
+Ursachen sich genoethigt sehen wird.
+
+Cassio.
+Sehr wohl, Gnaedige Frau; aber diese politische Freundschaft kan so
+lange waehren, und indess mit einer so leichten und waessrichten
+Nahrung unterhalten werden, dass, indem ich abwesend bin, und ein
+andrer meine Stelle inne hat, mein General meiner Ergebenheit und
+meiner Dienste endlich gaenzlich vergessen wird.
+
+Desdemona.
+Macht euch keine solche Gedanken; hier in Aemiliens Gegenwart
+verbuerg' ich mich selbst fuer deine Stelle. Versichre dich, wenn
+ich meine Freundschaft verspreche, so darf man sich darauf
+verlassen, dass ich ihre Pflichten bis auf den aeussersten Punkt
+erfuellen werde. Mein Gemahl soll keine Ruhe haben, bis er sich
+ergeben wird; er soll Tag und Nacht nichts anders hoeren, ich will
+ihn bis in sein Bette damit verfolgen, und er soll nichts sagen
+noch thun koennen, wovon ich nicht den Anlas nehme, ihn an Cassio's
+Gesuch zu erinnern; sey also ruhig, Cassio; deine Sachwalterin soll
+eher das Leben lassen, ehe sie deine Sache aufgeben soll.
+
+
+
+Vierte Scene.
+ (Othello und Jago treten von der Seite, in einiger Entfernung auf.)
+
+
+Aemilia.
+Gnaedige Frau, dort kommt euer Gemahl.
+
+Cassio.
+So will ich meinen Abschied nehmen, Gnaedige Frau.
+
+Desdemona.
+Warum dann? Bleibt da, und hoert mich reden.
+
+Cassio.
+Izt nicht, Gnaedige Frau; ich bin so uebel aufgeraeumt, dass ich meiner
+Sache keinen guten Schwung geben wuerde.
+
+(Cassio geht ab.)
+
+Desdemona.
+Gut, nach euerm Belieben.
+
+Jago (leise.)
+Ha! Das gefaellt mir nicht zum Besten--
+
+Othello (zu Jago.)
+Was sagst du?
+
+Jago.
+Nichts, Gnaediger Herr; oder wenn--ich weiss selbst nicht was.
+
+Othello.
+Gieng nicht diesen Augenblick Cassio von meiner Frauen weg?
+
+Jago.
+Cassio, Gnaediger Herr?--Nein, versichert, ich kan mir nicht
+vorstellen, dass er sich, sobald er euch kommen sieht, so eilfertig
+davon schleichen wuerde, als ob er kein gutes Gewissen haette.
+
+Othello.
+Ich glaube nicht anders als er war's.
+
+Desdemona.
+Wie steht's, mein Gemahl? Ich sprach eben izt mit einem
+Supplicanten, einem Mann, den eure Ungnade sehr unglueklich macht.
+
+Othello.
+Und wer ist dieser Mann?
+
+Desdemona.
+Wer sollt es seyn als euer Lieutenant, Cassio? Liebster Gemahl,
+wenn ich nur das mindeste Vermoegen ueber euer Herz habe, so soehnt
+euch auf der Stelle wieder mit ihm aus. Wenn er nicht ein Mann ist,
+ der euch aufrichtig liebt, und der aus blosser Uebereilung und
+nicht mit Vorsaz gefehlt hat, so versteh ich nichts davon was ein
+ehrliches Gesicht ist.
+
+Othello.
+War er's, der nur eben weggieng?
+
+Desdemona.
+Und so niedergeschlagen, dass er meinem mitleidigen Herzen einen
+Theil seines Kummers zuruekgelassen hat. Ich bitte euch, mein Schaz,
+lasst ihn zuruekruffen.
+
+Othello.
+Noch nicht, liebste Desdemona, ein andermal.
+
+Desdemona.
+Aber doch bald?
+
+Othello.
+Bald genug, mein Herz, fuer dich.
+
+Desdemona.
+Heute, Abends, zum Nacht-Essen?
+
+Othello.
+Das nicht.
+
+Desdemona.
+Also doch morgen auf den Mittag?
+
+Othello.
+Ich esse morgen mit einigen Officiers in der Citadelle zu Mittag.
+
+Desdemona.
+Nun, also doch Morgen Nachts, oder Dienstag Morgens oder Nachts,
+oder Mittwoch Morgens, ich bitte dich, bestimme die Zeit; aber lass
+es nicht laenger als drey Tage seyn; bey meiner Treue, er ist
+bussfertig; und doch ist sein Verbrechen, nach der gemeinen Art
+davon zu urtheilen und bey Seite gesezt, dass in Kriegszeiten von
+einem Officier das beste Exempel gefordert wird, eine kleine
+Uebereilung, die kaum einen Privat-Verweis verdient--Wenn soll er
+kommen? Sag mir's, Othello! Mich nimmt in der Seele Wunder, was
+ihr mich bitten koenntet, das ich euch abschlagen wuerde, oder wobey
+ich so verdrieslich dastuehnde! Wie? Michael Cassio!--Der eurer
+Liebe zu mir so gute Dienste leistete; der so oft, wenn ich nicht
+sehr vortheilhaft von euch sprach, eure Parthey nahm--und ich soll
+soviel Muehe haben, ihn wieder bey euch in Gunst zu sezen? Glaubt
+mir auf mein Wort, ich wollte wohl mehr--
+
+Othello.
+Ich bitte dich, lass es genug seyn; er kan kommen, wenn er will; ich
+will dir nichts abschlagen.
+
+Desdemona.
+Wie, das ist keine Gefaelligkeit, die ich fuer mich bitte; es ist als
+ob ich euch bitte eure Kleider zu tragen oder von einer gesunden
+Speise zu essen, oder euch warm zu halten; kurz, als ob ich bey
+euch darum anhielte, dass ihr euch selbst etwas zu gut thun moechtet.
+Nein, wenn ich eine Bitte habe, wodurch ich eure Liebe in der That
+auf die Probe zu stellen gedenke, so soll es etwas schweres und
+grosses seyn, etwas das Herz erfordert, um bewilliget zu werden.
+
+Othello.
+Ich werde dir nichts abschlagen, und alles was ich mir dagegen von
+dir ausbitte, ist, dass du mich izt ein wenig allein lassen wollest.
+
+Desdemona.
+Sollt' ich euch's abschlagen? Nein; lebt wohl, mein Gemahl.
+
+Othello.
+Lebe wohl, meine Desdemona, ich will gleich folgen.
+
+Desdemona.
+Aemilia, komm; seyd wie es euch eure Laune eingiebt, ihr moegt seyn
+wie ihr wollt, so bin ich gehorsam.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Fuenfte Scene.
+ (Othello und Jago bleiben.)
+
+
+Othello.
+Anmuthsvolle Spizbuebin!--Verderben erhasche meine Seele, wenn ich
+dich nicht liebe--und wenn ich dich nicht mehr liebe, so ist die
+Welt wieder zum Chaos worden.
+
+Jago.
+Mein Gebietender Herr--
+
+Othello.
+Was willt du sagen, Jago?
+
+Jago.
+Wie ihr euch um eure Gemahlin bewarbet, wusste Michael Cassio etwas
+von eurer Liebe?
+
+Othello.
+Allerdings, vom Anfang bis zum Ende: Warum fragst du?
+
+Jago.
+Bloss zu meiner eignen Befriedigung; es hat gar nichts boeses zu
+bedeuten.
+
+Othello.
+Warum zu deiner eignen Befriedigung?
+
+Jago.
+Ich glaubte nicht, dass er etwas davon gewusst habe.
+
+Othello.
+Oh, ja, das hat er, und er war oft die Mittels-Person zwischen uns
+beyden.
+
+Jago.
+In der That!
+
+Othello.
+In der That? Ja, in der That! Siehst du was hierinn? Ist er
+nicht ein rechtschaffner Mann?
+
+Jago.
+Rechtschaffen, Gnaediger Herr?
+
+Othello.
+Rechtschaffen? Ja, rechtschaffen!
+
+Jago.
+Gnaediger Herr, so viel ich weiss.
+
+Othello.
+Was denkst du?
+
+Jago.
+Denken, Gnaediger Herr!
+
+Othello.
+Denken, Gnaediger Herr!--Wie, beym Himmel! Was meynst du damit, dass
+du mir immer nachhallest, gleich als ob irgend ein Ungeheuer, zu
+graesslich um gezeigt zu werden, in deinen Gedanken verborgen laege?
+Du meynst etwas damit; vor einer kleinen Weile hoert' ich dich sagen,
+(das gefalle dir nicht)--wie Cassio von meinem Weibe weggieng.
+Was gefiel dir nicht?--Und wie ich dir sagte, er sey waehrend dem
+ganzen Lauf meiner Bewerbung um Desdemona mein Vertrauter gewesen,
+riefst du, (in der That?) und zogst deine Augbraunen auf eine Art
+zusammen, als ob du in selbem Augenblik irgend einem scheusslichen
+Gedanken in deinem Gehirn den Ausgang versperren wolltest: Wenn du
+mein Freund bist, so sage mir was du denkst.
+
+Jago.
+Gnaediger Herr, ihr wisst, dass ich euer Freund bin.
+
+Othello.
+Ich denke, du bist's: Und weil ich weiss, dass du ein gutherziger,
+ehrlicher Mann bist, und deine Worte wiegst, eh du ihnen Athem
+giebst, so schreken mich diese Pausen an dir; denn wenn es an einem
+falschen unredlichen Spizbuben ein Kunstgriff oder auch oft bloss
+ein angewoehntes Wesen ist, das nichts zu bedeuten hat; so ist es
+hingegen an einem rechtschaffnen Mann ein Zeichen, dass er sich Muehe
+giebt etwas in seinem Herzen zurueck zu halten, dessen Entdekung
+schlimme Folgen habe koennte.
+
+Jago.
+Was Michael Cassio betrift, so darf ich schwoeren, dass ich ihn fuer
+einen ehrlichen Mann halte.
+
+Othello.
+Dafuer halt' ich ihn auch.
+
+Jago.
+Die Leute sollten seyn, was sie scheinen; oder die es nicht sind,
+von denen waere zu wuenschen, dass sie auch so aussaehen, wie Schelmen.
+
+Othello.
+Es ist wahr, die Leute sollten seyn, was sie scheinen.
+
+Jago.
+Nun, ich denke also, Cassio ist ein ehrlicher Mann.
+
+Othello.
+Nein, du willt mehr damit sagen; ich bitte dich, rede mit mir, wie
+mit deiner eignen Seele, und gieb deinem aergsten Gedanken auch den
+aergsten Ausdruk.
+
+Jago.
+Mein liebster General, verschonet mich. Ob ich euch gleich einen
+vollkommnen Gehorsam schuldig bin, so bin ich doch dazu nicht
+verbunden, worinn alle Sclaven frey sind--euch meine Gedanken zu
+sagen--Wie? gesezt, sie seyen einmal falsch, schaendlich; wo ist
+der Pallast, in den sich nicht zuweilen garstige Dinge eindraengen?
+Wer hat ein so reines Herz, das nicht manchmal unziemliche
+Vorstellungen sich unter seine guten Gedanken einmischen sollten?
+
+Othello.
+Du bist ein Verraether an deinem Freund, Jago, wenn du glaubst, er
+werde betrogen, und ihm doch nicht entdekest was du denkst.
+
+Jago.
+Ich denke, dass ich mich vielleicht in meiner Muthmassung betruege;
+(wie ich dann bekennen muss, dass es ein unglueklicher Fehler meines
+Temperaments ist, zum Misstrauen geneigt zu seyn, und mir eine Sache
+manchmal schlimmer einzubilden als sie ist,) ich bitte euch also,
+Gnaediger Herr, euch selbst aus den ungefehren und unsichern
+Bemerkungen eines Menschen, den sein Argwohn so leicht betruegen kan,
+keine Ursachen zur Unruhe zu ziehen: Es waere nicht gut fuer euch,
+und nicht ehrlich und vernuenftig an mir, wenn ich euch meine
+Gedanken wollte wissen lassen.
+
+Othello.
+Was meynst du damit?
+
+Jago.
+Der gute Name, mein liebster gnaediger Herr, ist bey Manns- und
+Weibsleuten ein Kleinod das ihnen so theuer seyn soll als ihre
+Seele. Wer mir mein Geld stiehlt, stiehlt Quark; es ist etwas und
+ist nichts; es war mein, nun ists sein, und ist schon ein Sclave
+von Tausenden gewesen; aber wer mir meinen guten Namen nimmt,
+beraubt mich eines Schazes, der ihn nicht reicher und mich in der
+That arm macht.
+
+Othello.
+Ich will wissen, was du denkst--
+
+Jago.
+Ihr koenntet das nicht, wenn ihr gleich mein Herz in eurer Hand
+haettet; und sollt es nicht, so lang es in meiner Verwahrung ist.
+
+Othello.
+Ha!
+
+Jago.
+Oh, Gnaediger Herr, nehmt euch vor der Eifersucht in Acht; sie ist
+ein gruen-aeugiges Ungeheuer, das sich toller Weise von demjenigen
+naehrt was es am meisten verabscheut. Mancher betrogne Ehemann ist
+seines Schiksals gewiss, ohne desto unglueklicher zu seyn, weil ihm
+seine Ungetreue gleichgueltig ist--Aber, o was fuer unselige Minuten
+zaehlt derjenige ueber, der vor Liebe schmachtet und doch zweifelt;
+der argwoehnet, und nur desto heftiger liebt!
+
+Othello.
+Ein elender Zustand, beym Himmel!
+
+Jago.
+Arm und zufrieden, ist reich und reich genug; aber ein
+unermesslicher Reichthum ist so arm als der Winter fuer denjenigen,
+der immer besorgt, es werde ihm ausgehen. Guetiger Himmel! bewahre
+alle menschlichen Herzen vor Eifersucht!
+
+Othello.
+Wie? Was meynst du damit? Denkst du, ich wollte jemals mein Leben
+in Eifersucht zubringen? Die Monds-Veraenderungen unverwandt mit
+argwoehnischen Augen begleiten? Nein, einmal zweifeln heisst bey mir
+entschlossen seyn. Tausche mich gegen eine Ziege aus, wenn ich
+jemals faehig bin meine Seele so missgeschaffnen Gespenstern einer
+kranken Phantasie Preiss zu geben, als du dir einbildest. Das kan
+mich nicht eifersuechtig machen, wenn jemand sagt, mein Weib ist
+schoen, isst mit gutem Appetit, liebt Gesellschaft, ist munter,
+gespraechig, singt, spielt und tanzt gut; an einer tugendhaften
+Person werden diese Dinge selbst zu Tugenden. Eben so wenig werd'
+ich jemals von meinen eignen Unvollkommenheiten Anlas zum kleinsten
+Zweifel oder Verdacht einer Untreue von ihrer Seite nehmen; denn
+sie hatte Augen und waehlte mich. Nein, Jago; ich will sehen eh ich
+zweifle; wenn ich zweifle, so will ich Beweise; und sobald ich
+diese habe, weg auf einmal mit Liebe und Eifersucht!
+
+Jago.
+Das hoer' ich sehr gerne; dann nun darf ich mir also kein Bedenken
+mehr machen, euch die Freundschaft und Ergebenheit sehen zu lassen,
+die ich zu euch trage. Nehmt also was ich sagen werde so auf, wie
+es gemeynt ist. Ich rede noch nicht von Beweisen; gebt auf eure
+Gemahlin Acht, habt ein aufmerksames Auge auf sie und Cassio, das
+ist alles was ich sagen kan: Nicht eifersuechtig, aber auch nicht
+sicher; ich moechte nicht gerne, dass ein so edles Gemuethe wie das
+eurige, aus einem Uebermaass von angebohrner Gutherzigkeit betrogen
+wuerde; seht euch also vor. Ich kenne die Venetianische Landes-Art;
+in Venedig bekuemmern sie sich wenig, ob der Himmel ein Zeuge ihrer
+Streiche ist, wenn nur ihre Maenner nichts davon gewahr werden; ihre
+groeste Gewissenhaftigkeit geht insgemein nicht weiter, als dass sie
+niemand zusehen lassen, wenn sie suendigen.
+
+Othello.
+Sagst du das?
+
+Jago.
+Sie betrog ihren Vater, wie sie sich euch ergab; und zu eben der
+Zeit, da sie euch am heftigsten liebte, stellte sie sich, als ob
+sie sich vor euch fuerchte.
+
+Othello.
+Das machte sie wuerklich so.
+
+Jago.
+Macht also den Schluss; konnte sie, so jung, so unschuldig als sie
+war, sich so gut verstellen, dass ihr eigner Vater von allem was in
+ihrem Herzen vorgieng, nichts gewahr werden konnte--Er dachte, es
+muesse nothwendig Zauberey dabey gebraucht worden seyn--Doch ich bin
+sehr zu tadeln: Ich bitte euch recht demuethig um Vergebung, dass ich
+mich von meiner Liebe zu euch so weit verleiten lasse.
+
+Othello.
+Ich bin euch auf immer dafuer verbunden.
+
+Jago.
+Ich sehe doch, es hat eure Lebensgeister ein wenig in Unordnung
+gebracht.
+
+Othello.
+Im mindsten nicht, im mindsten nicht!
+
+Jago.
+Glaubt mir, ich besorge, es ist so etwas; ich hoffe wenigstens, ihr
+werdet ueberzeugt seyn, dass, was ich sagte aus Freundschaft zu euch
+geflossen ist. Aber, ich seh' es, ihr seyd beunruhigt--Ich bitte
+euch recht instaendig, meinen Reden keine schlimmere Auslegung zu
+geben, als meine Meynung ist.
+
+Othello.
+Das will ich auch nicht.
+
+Jago.
+Thaetet ihr's, Gnaediger Herr, so koenntet ihr Folgen daraus ziehen,
+an die ich in der That nie gedacht habe. Cassio ist mein Freund
+und ein Mann der Verdienste hat--Gnaediger Herr, ich sehe, ihr seyd
+unruhig--
+
+Othello.
+Nein, nicht sonderlich unruhig--ich denke nichts anders, als
+Desdemona ist tugendhaft.
+
+Jago.
+Lange lebe sie so! Und lange moeget ihr leben, so zu denken!
+
+Othello.
+Und doch, wenn die Natur einmal aus ihrem Geleis getreten ist--
+
+Jago.
+Das ist eben der Punct--Dass sie (wenn ich so frey seyn darf, es
+herauszusagen) so viele Partheyen, die ihr natuerlicher Weise haetten
+angemessner scheinen sollen, abgewiesen hat, um sich einem Liebhaber
+zu ergeben, dessen Landesart, Farbe und Alter dem ihrigen so
+entgegen gesezt war. In der That, das scheint etwas
+ausschweiffendes in ihrem Gemueth, eine gewisse Ueppigkeit und
+Unordnung ihrer Einbildung und ihrer Neigungen anzuzeigen. Doch
+ich bitte euch um Vergebung, ich rede eigentlich nicht von ihr ins
+besondere; ob ich gleich nicht ohne alle Sorge bin, so koennte, bey
+kuehlerm Blut, darauf fallen, eure Gestalt mit derjenigen von ihren
+Landsleuten zu vergleichen, und sich vielleicht ihre Wahl gereuen
+zu lassen.
+
+Othello.
+Leb wohl, leb wohl; wenn du etwas weiters merkest, so lass mich's
+wissen: Trag es deiner Frau auf, sie genau zu beobachten. Verlass
+mich, Jago.
+
+Jago.
+Ich beurlaube mich, gnaediger Herr.
+
+(Er geht.)
+
+Othello.
+O warum heurathete ich! Dieser ehrliche Mann sieht und weiss ohne
+Zweifel mehr, weit mehr, als er sagt.
+
+Jago (wieder zuruekkommend.)
+Gnaediger Herr, ich wollt' ich duerfte Eu. Gnaden bitten, dieser
+Sache nicht weiter nachzuhaengen; ueberlasst es der Zeit; ob es gleich
+ganz gut waere, dass Cassio wieder seine Stelle haette, (denn in der
+That, bekleidete er sie mit grosser Geschiklichkeit,) so wuerdet ihr
+doch, wenn es euch gefiele ihn noch eine Zeitlang in der
+Ungewissheit zu lassen, dabey Anlass finden, ihn und sein Betragen
+besser kennen zu lernen. Gebt auch acht, ob eure Gemahlin seine
+Wiedereinsezung mit Merkmalen von Ungestuem und Heftigkeit betreiben
+wird; daraus wuerde sich vieles abnehmen lassen. Mittlerweile
+glaubet lieber, ich treibe meine Besorgnisse zu weit, und begegnet
+ihr so, dass sie keine Veraenderung spueren koenne; ich bitte Eu.
+Gnaden sehr darum.
+
+Othello.
+Verlass dich hierueber auf meine Klugheit.
+
+Jago.
+Ich empfehle mich nochmals.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Sechste Scene.
+ (Othello allein.)
+
+
+Othello.
+Dieser Bursche ist der ehrlichste Mensch von der Welt, und kennt
+die Menschen und den Lauf der Welt meisterlich: Find' ich sie
+unkeusch, so soll alle meine Liebe sie nicht vor meinem Grimm
+retten--Vielleicht weil ich schwarz bin, und keine von den
+einschmeichelnden Eigenschaften im Umgang habe, die das ganze
+Verdienst dieser Jungfern-Knechte ausmachen; oder weil ich schon im
+herabsteigenden Alter bin--Doch, das will nicht viel sagen--Sie ist
+hin, ich bin betrogen, und mein Trost muss seyn, einen Ekel vor ihr
+zu fassen. O der Fluch des Ehestandes! Dass wir diese reizenden
+Geschoepfe unser nennen koennen, und nicht ihre Neigungen! Ich
+wollte lieber eine Kroete seyn, und von den Ausduenstungen einer
+Mistgrube leben, als in dem was ich liebe, einen Winkel fuer eines
+andern Gebrauch zu wissen. Und doch ist das die gewoehnliche Plage
+der Grossen, die hierinn unglueklicher als die Geringen sind; es ist
+ein unvermeidliches Schiksal wie der Tod--Hier kommt sie ja!
+(Desdemona und Aemilia treten auf.) Wenn sie ungetreu ist, so
+spottet der Himmel seiner selbst. Ich kan es nicht glauben!
+
+Desdemona.
+Wie geht's, mein liebster Othello? Euer Mittag-Essen, und die
+edeln Insulaner, die ihr dazu eingeladen habt, warten auf eure
+Gegenwart.
+
+Othello.
+Ich bin zu tadeln.
+
+Desdemona.
+Warum redet ihr so schwach? Fehlt euch was?
+
+Othello.
+Ich hab' einen Schmerz hier an meiner Stirne.
+
+Desdemona.
+Das kommt nur, weil ihr zu viel gewacht habt, es wird bald wieder
+vergehen. Erlaubt mir nur, dass ich euch die Stirne hart verbinde,
+so wird es in einer Stunde wieder besser seyn.
+
+(Sie zieht ihr Schnupftuch heraus, um es ihm umzubinden.)
+
+Othello.
+Euer Schnupftuch ist zu klein: lasst es gut seyn: Kommt, ich will
+mit euch gehen.
+
+(Das Schnupftuch entfaellt ihr, indem sie es einsteken will.)
+
+Desdemona.
+Es ist mir recht leid, dass ihr nicht wohl seyd.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Siebende Scene.
+ (Aemilia bleibt zuruek.)
+
+
+Aemilia (indem sie das Schnupftuch aufliesst.)
+Ich bin froh, dass ich dieses Schnupftuch gefunden habe; das war das
+erste Geschenk, das sie von dem Mohren empfieng. Mein wunderlicher
+Mann hat mir schon hundertmal gute Worte gegeben, dass ich es
+stehlen sollte. Allein sie liebt es so sehr, (denn er beschwor sie,
+es immer zu seinem Andenken zu behalten,) dass sie es immer mit
+sich herum traegt, um es zu kuessen und damit zu schwazen. Ich will
+den Riss von der Stikerey abzeichnen, und es dann dem Jago geben;
+was er damit machen will, weiss der Himmel, nicht ich: Ich habe
+nichts dabey, als seine Grille zu befriedigen. (Jago tritt auf.)
+
+Jago.
+Wie steht's? Was macht ihr hier allein?
+
+Aemilia.
+Schmaehlt mich nicht; ich hab etwas fuer euch.
+
+Jago.
+Ihr habt etwas fuer mich? Es ist etwas gemeines--
+
+Aemilia.
+Wie?
+
+Jago.
+Ein naerrisches Weib zu haben.
+
+Aemilia.
+O, ist das alles? Was gebt ihr mir fuer dieses Schnupftuch?
+
+Jago.
+Was fuer ein Schnupftuch?
+
+Aemilia.
+Was fuer ein Schnupftuch?--Wie, das so der Mohr Desdemonen gab; das
+nemliche, wo ihr mich so lange schon stehlen hiesset.
+
+Jago.
+Hast du ihr's gestohlen?
+
+Aemilia.
+Nein; aber sie liess es aus Versehen entfallen, und da ich zu allem
+Gluek dabey war, so hub ich's auf; sieh, da ist es.
+
+Jago.
+Du bist ein braves Mensch; gieb mir's.
+
+Aemilia.
+Was wollt ihr damit machen, dass ihr so ernstlich haben wolltet, dass
+ich's stehlen sollte?
+
+Jago.
+Wie, was geht das dich an?
+
+Aemilia.
+Wenn es nicht zu irgend einem Vorhaben von Wichtigkeit ist, so gebt
+mir's wieder. Die arme Frau! Sie wird naerrisch werden, wenn sie
+es missen wird.
+
+Jago.
+Thut nicht, als ob ihr was davon wisst. Ich hab es noethig. Geh,
+lass mich allein--
+
+(Aemilia geht ab.)
+
+Izt will ich dieses Schnupftuch in Cassio's Quartier verliehren,
+und es ihn finden lassen. Die aermsten Kleinigkeiten sind fuer
+eifersuechtige Leute so starke Bekraeftigungen, als Beweise aus der
+Bibel. Dieses Ding kan zu was gut sein. Das Gift das ich dem
+Mohren beygebracht habe, fangt schon an bey ihm zu wuerken:
+Argwoehnische Einbildungen haben in der That die Natur des Gifts,
+welches man anfangs am Geschmak kaum erkennen kan: aber sobald es
+ins Blut uebergeht, wie eine Schwefel-Mine brennt--Das sagt ich!
+
+
+
+Achte Scene.
+
+
+Jago.
+Seht, da kommt er! Weder Mohn-Saamen, noch Mandragora, noch alle
+einschlaefernde Saefte in der Welt zusammen genommen werden dir
+jemals diesen suessen Schlaf wiedergeben, den du gestern noch
+hattest--
+
+Othello (vor sich.)
+Ha! Sie soll mir untreu seyn!
+
+Jago.
+Wie, wie stehts, General? Nichts solches mehr!
+
+Othello.
+Hinweg! fort! Du spannst mich auf die Folter: Ich schwoer' es, es
+ist besser mit seinen Augen sehen, dass man betrogen wird, als nur
+besorgen muessen, dass man's sey.
+
+Jago.
+Wie, Gnaediger Herr?
+
+Othello.
+Was wusst' ich von ihren verstohlnen Ausschweiffungen? Ich sah sie
+nicht, ich dachte nicht daran, sie thaten mir kein Leid; ich
+schlief die Nacht darauf wohl; war ruhig und froh; ich fand
+Cassio's Kuesse nicht auf ihren Lippen. Lasst den der bestohlen ward
+und das Gestohlne nicht vermisst, lasst ihn nichts davon wissen, und
+es ist soviel als ob er gar nicht bestohlen worden waere.
+
+Jago.
+Ich bedaure, dass ich solche Dinge hoeren muss.
+
+Othello.
+Und haette das ganze Lager bis auf die Trossbuben herab, ihren holden
+Leib gekostet, und ich wuesste nur nichts davon, so waer' ich glueklich.
+Aber, o! nun auf ewig fahr wohl, Ruhe des Gemueths! Fahr wohl,
+Zufriedenheit! Fahret wohl, ihr mit Federbueschen geschmuekten
+Schaaren; und du, stolzer Krieg, der die schwellende Seele mit
+edler Ruhmbegierde fuellt: O fahret wohl! Fahret wohl wiehernde
+Stuten, schmetternde Trompete, Muth-erwekende Trummel, und du
+muntre Queer-Pfeiffe, koenigliches Panner, und der ganze Prunk und
+Pomp des glorreichen Kriegs! Und, o! ihr toedtlichen Werkzeuge,
+deren eherner Rachen Jupiters furchtbaren Donner nachahmt, fahret
+wohl! Othello's Arbeit ist gethan!
+
+Jago.
+Ist's moeglich, Gnaediger Herr?--
+
+Othello.
+Nichtswuerdiger, sey gewiss, dass du mir beweisen kanst, dass meine
+Liebe eine Hure ist; sey dessen gewiss, gieb mir eine sichtbare
+Probe--
+
+(Er fasst ihn wuethend an.)
+
+Oder, beym Werth der unsterblichen Seele des Menschen! es waere dir
+besser, wenn du ein Hund gebohren worden waerest, als meinem
+aufgeschrekten Grimm zu begegnen.
+
+Jago.
+Ist es dazu gekommen?
+
+Othello.
+Lass mich's sehen; oder beweis es wenigstens so, dass kein Schatten
+eines Zweifels uebrig bleibe: Oder weh deinem Leben!
+
+Jago.
+Mein edler Gebieter--
+
+Othello.
+Wenn du sie unschuldig angeklagt, und mich auf diese Folterbank
+geschraubt hast, so bete nicht mehr, erstik dein Gewissen, haeuffe
+Greuel auf Greuel, begeh Suenden, dass der Himmel weinen und die Erde
+sich entsezen muss; du kanst nichts aergers thun, um das Maass deiner
+Verdammniss voll zu machen als du schon gethan hast.
+
+Jago.
+O! Barmherzigkeit! Der Himmel steh mir bey! Seyd ihr ein Mann?
+Habt ihr eine Seele? oder ein menschliches Gefuehl? Gott sey bey
+euch; nehmt mir mein Amt, und wenn ihr wollt, mein Leben dazu--O
+ich unglueklicher Thor, dass ich erleben soll dass meine Ehrlichkeit
+zum Verbrechen gemacht wird! O Welt! Welt! Das ist dein Lauff;
+ehrlich und aufrichtig, ist sein eigner Feind seyn. Ich dank' euch
+fuer diesen Unterricht; von nun will ich der Freundschaft gute Nacht
+geben, und niemand mehr lieben als mich selbst.
+
+Othello.
+Nein, warte--Du solltest ehrlich seyn--
+
+Jago.
+Ich sollte klug seyn; Ehrlichkeit ist ein Narr, der jedermann gutes
+thut, und nur sich selbst schadet.
+
+Othello.
+Bey allem was in der Welt ist, ich denke mein Weib ist unschuldig,
+und denke sie ists nicht; ich denke du bist rechtschaffen, und
+denke du bist's nicht; ich will Beweis haben. Ihr Name, der so
+frisch war wie Dianens Antliz, ist nun so schwarz als mein eignes.
+Nein, wenn noch Strike, noch Dolche, noch Gift, Feuer oder Wasser
+in der Welt sind, so will ich diese Pein nicht laenger ausstehen--
+Ich wollt' ich waere meines Schiksals gewiss!
+
+Jago.
+Ich sehe, Gnaediger Herr, ihr werdet von eurer Leidenschaft
+aufgerieben. Es reut mich, dass ich Anlas dazu gegeben habe. Ihr
+wollt eures Schiksals gewiss seyn?
+
+Othello.
+Ja, das will ich.
+
+Jago.
+Und koennt; aber wie? wie gewiss seyn, Gnaediger Herr? wolltet ihr
+ein Augenzeuge seyn--mit weitoffnen Augen zusehen? Sehen wie sie--
+
+Othello.
+Tod und Verdammniss! oh!
+
+Jago.
+Ich denk' es wuerde schwer halten, sie so vertraulich zu machen: Bey
+solchen Spielen liebt man keine fremde Augen zu Zuschauern. Was
+dann? Wie dann? Was soll ich sagen? Was nennt ihr Gewissheit? Es
+ist unmoeglich, dass ihr's mit Augen sehen koennt; und wenn sie so
+unverschaemt waeren wie Geissen, so hizig wie die Wald-Teufels, und
+so unbesonnen wie ein Dummkopf, den man mit Wein angefuellt hat.
+Und doch sag ich, wenn Wahrscheinlichkeiten, wenn Umstaende die
+geradeswegs bis vor die Thuere der Wahrheit fuehren, euch Gewissheit
+geben koennen, so koennt' ihr sie haben.
+
+Othello.
+Gieb mir einen ueberfuehrenden Beweis, dass sie ungetreu ist.
+
+Jago.
+Ihr legt mir eine unangenehme Pflicht auf; aber da ich mich nun
+einmal, aus unueberlegter Aufrichtigkeit und Freundschaft, so weit
+in diese Sache eingelassen habe, so will ich weiter gehen. Ich lag
+lezthin mit Cassio in einem Bette; ein rasender Zahn machte dass ich
+nicht schlafen konnte--Es giebt eine Art von Leuten, deren Seele so
+schlapp ist, dass ihnen ihre geheimsten Gedanken im Schlaf entgehen.
+Von dieser Art ist Cassio. Er redte im Schlaf. Liebste Desdemona,
+hoert' ich ihn sagen, lass uns vorsichtig seyn. Lass uns unser
+Liebes-Verstaendniss dem schaerfsten Aug' unerforschlich machen! Und
+dann, gnaediger Herr, tappte er um sich, und druekte mir die Hand,
+rief--O bezauberndes Geschoepf! und kuesste mich dann nicht anders,
+als ob er Kuesse, die auf meinen Lippen wuechsen, mit den Wurzeln
+ausziehen wollte, legte dann sein Bein ueber meinen Schenkel, und
+seufte und kuesste mich, und rief, verfluchtes Schiksal, das dich dem
+Mohren gab!
+
+Othello.
+O Scheusal! Scheusal!
+
+Jago.
+Nein, das war nur ein Traum.
+
+Othello.
+Aber ein Traum, der ganz deutlich anzeigt, was geschehen ist.
+
+Jago.
+Das ist ein verdammter Zweifel, ob es gleich nur ein Traum ist. Es
+kan doch immer dazu dienen, andre, an sich selbst zu schwache
+Anzeigen zu verstaerken.
+
+Othello.
+Ich will sie von Glied zu Glied in Stueke reissen.
+
+Jago.
+Nicht so heftig! Fasset euch; noch (sehen) wir nichts, sie kan
+noch unschuldig seyn--Sagt mir nur das, habt ihr niemals ein
+Schnupftuch, mit Erdbeeren ueberstikt, in eurer Gemahlin Hand
+gesehen?
+
+Othello.
+Ich gab ihr so eines, es war mein erstes Geschenk.
+
+Jago.
+Davon weiss ich nichts; aber mit einem solchen Schnupftuch (und ich
+bin gewiss, es war eurer Gemahlin ihres,) sah ich Cassio heute
+seinen Bart wischen.
+
+Othello.
+Wenn's das nemliche waere--
+
+Jago.
+Es mag dieses oder ein anders seyn, so war es doch von ihr, und, zu
+den andern Proben genommen, spricht es nicht zu ihrem Vortheil.
+
+Othello.
+O dass die Elende tausend Leben haette! Eines ist zu wenig fuer meine
+Rache. Nun seh ich endlich--Schau, Jago, so blase ich alle meine
+Liebe dem Himmel zu: Sie ist weg;--erhebe dich, schwarze Rache, aus
+deiner unseligen Gruft! und du, Liebe, tritt dem tyrannischen Hass
+deinen Thron und deine Krone ab! Wie mein Herz mir schwillt, als
+ob es mit lauter Natter-Zungen angefuellt waere!
+
+Jago.
+Gebt euch noch zufrieden.
+
+Othello.
+O Blut, Blut, Blut!--
+
+Jago.
+Geduld, sag ich; ihr koennt vielleicht anders Sinnes werden.
+
+Othello.
+Niemals, Jago--niemals sollen meine blutige Gedanken, in ungestuemer
+Fluth sich daherwaelzend, zu sanfter Liebe zuruek fliessen, bis eine
+weite hinlaengliche Rache sie verschlungen haben wird--Das schwoer'
+ich,
+
+(er kniet,)
+
+hoere Himmel das schrekliche, unwiederrufliche Geluebd!--Bey deiner
+unzerstoerbaren Veste schwoer' ich Rache!
+
+Jago (kniend.)
+Stehet noch nicht auf--Seyd Zeugen, ihr ewigbrennenden Lampen dort
+oben, und ihr Elemente, die uns rings umfassen; seyd Zeugen, dass
+Jago hier alles was sein Verstand, seine Hand und sein Herz vermag,
+zum Dienste des beleidigten Othello wiedmet! Er befehle! Und ich
+will gehorchen, ohne Zaudern gehorchen, so blutig auch der Befehl
+seyn mag!
+
+Othello.
+Ich bewillkomme deine Freundschaft nicht mit eiteln Danksagungen,
+sondern mit gutwilliger Annahm; und im gleichen Augenblik will ich
+dir sagen, wozu ich sie noethig habe. In den naechsten dreyen Tagen,
+lass mich von dir hoeren, dass Cassio nicht mehr ist.
+
+Jago.
+Mein Freund ist todt; ihr wollt es, es ist gethan. Aber sie--sie
+lasst leben!
+
+Othello.
+Verderben ueber sie, die unzuechtige Gleissnerin! oh! Verderben,
+Verderben ueber sie! Komm, geh mit mir auf die Seite, ich muss auf
+irgend ein schnelles Mittel denken, den schoenen Teufel aus der Welt
+zu schaffen. Nunmehr bist du mein Lieutenant--
+
+Jago.
+Ich bin auf ewig der eurige.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Neunte Scene.
+ (Ein andrer Theil des Pallasts.)
+ (Desdemona, Aemilia, und Hans Wurst.)
+
+
+Desdemona.
+Guter Freund, wisst ihr, wo der Lieutenant Cassio ligt?
+
+Hans Wurst.
+Das unterstuehnd' ich mich wol nicht zu sagen, dass er irgendwo luege.
+
+Desdemona.
+Warum?
+
+Hans Wurst.
+Er ist ein Soldat; und wenn unser einer sagte, ein Soldat luege, das
+waere Hals-Arbeit.
+
+Desdemona.
+Keine Possen! Wo ist sein Quartier?
+
+Hans Wurst.
+Da wuerd' ich selbst luegen, wenn ich euch das sagen wollte.
+
+Desdemona.
+Auf diese Art werd' ich von dir keine Antwort kriegen.
+
+Hans Wurst.
+Ich weiss sein Quartier nicht; und wenn ich folglich ein Quartier
+erdenken wollte, und sagen, er lige da, oder er lige da im Quartier,
+so wuerd ich's in meinen Hals hinein luegen.
+
+Desdemona.
+Du kanst ihn doch erfragen?
+
+Hans Wurst.
+Ich will die ganze Welt catechisieren; ich will so lange nach ihm
+fragen, bis mir jemand antwortet, wo er ist.
+
+Desdemona.
+Such ihn auf, und heiss ihn hieher kommen; sag ihm, ich habe meinen
+Herrn auf gute Gedanken fuer ihn gebracht, und ich hoffe, es werde
+alles gut gehen.
+
+Hans Wurst.
+Das ist endlich eine Verrichtung, die innert den Grenzen von eines
+ehrlichen Kerls Wiz ligt; und also will ich sehen, ob ich damit zu
+Stande kommen kan.
+
+(Er geht.)
+
+Desdemona.
+Wo mag ich doch das Schnupftuch verlohren haben?
+
+Aemilia.
+Ich weiss es nicht, gnaedige Frau.
+
+Desdemona.
+Ich versichre dich, ich wollte lieber einen Beutel voll Crusado's
+verlohren haben. Wenn mein edler Mohr nicht zu vernuenftig und zu
+grossmuethig gesinnt waere, um eifersuechtig zu seyn, so brauchte es
+nicht mehr, um ihn auf schlimme Gedanken zu bringen.
+
+Aemilia.
+Ist er nicht eifersuechtig?
+
+Desdemona.
+Wer, er? Ich denke, die Sonne, unter der er gebohren ward, zog
+alle groben Duenste von dieser Art aus ihm.
+
+Aemilia.
+Seht, da kommt er.
+
+Desdemona.
+Ich will izt nicht von ihm ablassen, bis er den Cassio zu sich
+ruffen laesst--Wie stehts mit euch, mein lieber Gemahl?
+
+
+
+Zehnte Scene.
+ (Othello zu den Vorigen.)
+
+
+Othello.
+Wohl, meine liebe Gemahlin--Himmel! wie werd ich an mich halten
+koennen!--wie gehts euch, Desdemona? Gebt mir eure Hand; diese Hand
+ist feucht, Madam. Heiss, heiss, und feucht--eine solche Hand
+erfordert Eingezogenheit; fasten und beten, viel Casteyung, und
+geistliche Uebungen; denn es ist ein feuriger, schwizender Teufel
+hier, der oft rebellisch wird; es ist eine gute Hand, eine
+freygebige Hand.
+
+Desdemona.
+Ihr koennt in der That wohl so sagen; denn es war die Hand die mein
+Herz weggab.
+
+Othello.
+Eine freygebige Hand. In vorigen Zeiten gaben die Haende Herzen;
+aber unsre neue Heraldik ist Haende ohne Herz.
+
+{ed. * Eine satyrische Anspielung auf die vielen Baronets, welche Koenig
+Jacob der Erste machte, und die unter andern Vorrechten eine rothe
+Hand in einem silbernen Feld in den Wappen-Schild ihrer Vorfahren
+bekamen.}
+
+Desdemona.
+Ich verstehe mich nichts hierauf; kommt, wir wollen nun von euerm
+Versprechen reden.
+
+Othello.
+Was fuer ein Versprechen, mein Daeubchen?
+
+Desdemona.
+Ich habe zu Cassio geschikt, dass er kommen und mit euch reden solle.
+
+Othello.
+Ich bin mit einem beschwerlichen Schnuppen geplagt; leih mir dein
+Schnupftuch!
+
+Desdemona.
+Hier, mein Gemahl.
+
+Othello.
+Das, so ihr von mir bekommen habt.
+
+Desdemona.
+Ich hab es nicht bey mir.
+
+Othello.
+Nicht?
+
+Desdemona.
+In der That, nicht.
+
+Othello.
+Das ist ein Fehler. Das nemliche Schnupftuch hatte meine Mutter
+von einer Zigaeunerin, die sich auf die Zauberey verstuhnd, und den
+Leuten so gar sagen konnte, was sie dachten. Sie sagte ihr, so
+lange sie es behalten wuerde, wuerd' es sie liebenswuerdig und ihr das
+Herz meines Vaters gaenzlich eigen machen; wenn sie es aber verloehre,
+oder verschenkte, wuerde sie auf einmal allen Reiz in seinen Augen
+verliehren, und ihm verhasst und unertraeglich werden. Meine Mutter
+gab mir's da sie starb und bat mich, wenn ich jemals heurathete, es
+meinem Weibe zu geben. Ich that es, und ich sag euch, habt Acht
+darauf.--Bewahrt es, wie euern Augapfel: Es verliehren oder
+weggeben, waer' ein Ungluek, dem kein anders zu vergleichen waere.
+
+Desdemona.
+Ists moeglich?
+
+Othello.
+Es ist wuerklich so; es ist etwas zauberisches in dem Gewebe davon.
+Eine Fee, welche den Lauf der Sonne zweyhundert mal anfangen und
+enden gesehen hatte, machte die Stikerey daran: Die Wuermer waren
+geweyht, welche die Seide dazu spannen, und es wurde mit Mumien von
+einbalsamierten Jungfern-Herzen gefaerbt.
+
+Desdemona.
+In der That! Ist das wahr?
+
+Othello.
+Sehr wahr; ihr koennt also nur Sorge dazu tragen.
+
+Desdemona.
+Wenn es so ist, so wollt' ich zu Gott, ich haett' es nie gesehen!
+
+Othello.
+Ha! Warum?
+
+Desdemona.
+Warum sprecht ihr so hastig und auffahrend?
+
+Othello.
+Ist's verlohren? Ist's hin? Sagt, ist es fort?
+
+Desdemona.
+Gott sey bey uns!--
+
+Othello.
+Was sagt ihr?
+
+Desdemona.
+Es ist nicht verlohren; aber gesezt, es waere verlohren?
+
+Othello.
+Ha!
+
+Desdemona.
+Ich sag, es ist nicht verlohren.
+
+Othello.
+Holt es, ich will es sehen.
+
+Desdemona.
+Gut, das kan ich, mein Herr; aber ich will izt nicht: Das ist ein
+kleiner Streich, wodurch ihr mich von meiner Bitte abbringen wollt.
+Ich bitte euch, lasst euer Haus dem Cassio wieder offen seyn.
+
+Othello.
+Holt mir das Schnupftuch--ich will nicht hoffen--
+
+Desdemona.
+Kommt, ihr werdet niemals einen bravern Mann an seinen Plaz
+bekommen.
+
+Othello.
+Das Schnupftuch--
+
+Desdemona.
+Ein Mann, der bisher sein ganzes Gluek auf eure Freundschaft gebaut
+hat; der Gefahren mit euch getheilt hat--
+
+Othello.
+Das Schnupftuch.
+
+Desdemona.
+Wahrhaftig, ihr seyd zu tadeln--
+
+Othello.
+Hinweg!--
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Eilfte Scene.
+
+
+Aemilia.
+Wie? Ich glaube der Mann ist eifersuechtig?
+
+Desdemona.
+So hab' ich ihn noch nie gesehen. O ganz gewiss ist etwas
+ausserordentliches in diesem Schnupftuch. Ich bin hoechst
+unglueklich es verlohren zu haben.
+
+Aemilia.
+Man lernt weder in einem noch in zweyen Jahren was ein Mann ist;
+sie sind alle lauter Magen, und wir Arme sind ihr Futter; sie
+schlingen uns gierig hinein; und wenn sie sich ueberfuellt haben, so
+ruelpsen sie uns wieder aus.
+
+{ed. * Dieses Gleichniss ist freylich unanstaendig genug; allein darum
+bekuemmert unser Autor sich nicht; genug fuer ihn, dass es wahr ist.}
+
+Seht, da kommt Cassio und mein Mann.
+
+(Jago und Cassio treten auf.)
+
+Jago.
+Es ist kein andres Mittel uebrig; das muss sie thun--Wie glueklich!
+hier ist sie schon; geht und bittet sie so sehr ihr koennt.
+
+Desdemona.
+Wie steht's, guter Cassio? wie gehn eure Sachen?
+
+Cassio.
+Gnaedige Frau, ich habe noch immer meine vorige Bitte. Auf eurer
+Grossmuth beruht alle meine Hofnung zu meiner Wiederherstellung in
+die Freundschaft euers Gemahls, den ich mit so gaenzlicher
+Ergebenheit des Herzens ehre und liebe. Ich moechte nicht noch
+laenger aufgezogen werden. Ist mein Vergehen so gross, dass weder
+meine Reue noch meine ehmaligen Dienste, noch diejenigen die ich
+kuenftig zu leisten wuensche, mich loskauffen und wieder in seine
+Gunst einsezen koennen, so ist wenigstens das eine Wohlthat, wenn
+ich weiss dass es so ist; damit ich in diesem Fall, in eine
+erzwungene Zufriedenheit eingehuellt, einen andern Weg suchen kan,
+um vom Allmosen des Glueks zu leben.
+
+Desdemona.
+Ach, mein lieber guter Cassio, meine Fuersprache ist dermalen sehr
+unvermoegend; mein Gemahl ist nicht mein Gemahl; ich wuerde ihn nicht
+mehr kennen, wenn er sich an Gestalt so sehr wie am Humor,
+veraendert haette. So stehe jeder gute Engel mir bey, wie ich nach
+meinem aeussersten Vermoegen fuer euch gesprochen habe. Aber alles
+was ich durch meine Freymuethigkeit erhielt, war, dass ich mir seinen
+Unwillen zuzog. Ihr muesst euch noch ein wenig gedulden; was ich
+thun kan, das will ich: Und ich will mehr als ich Herz haette fuer
+mich selbst zu thun. Lasst euch das genug seyn.
+
+Jago.
+Ist der General zornig?
+
+Aemilia.
+Er gieng nur erst von hier fort, und, versichert, er ist in einer
+seltsamen Gemueths-Unruhe.
+
+Jago.
+Kan er zornig seyn? Ich war dabey, wie die Canone seine Linien in
+die Luft zerstiebte, und so schnell und gewaltsam wie der Teufel,
+seinen Bruder unmittelbar an seiner Seite wegrafte; und kan er
+zornig seyn? So muss etwas wichtiges daran Ursache seyn; ich will
+gehn und ihn aufsuchen; in der That, das bedeutet was, wenn er
+zornig ist.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Zwoelfte Scene.
+ (Desdemona, Aemilia und Cassio bleiben.)
+
+
+Desdemona.
+Ich bitte dich, thu das--Ganz gewiss muss etwas das den Staat betrift,
+ entweder von Venedig, oder irgend ein unausgebruetetes Complot hier
+in Cypern, wovon er die Entdekung gemacht hat, seinen sonst immer
+heitern Geist verfinstert haben; und in solchen Faellen ist es die
+Art der Menschen, dass sie ihren Unmuth an geringern Dingen
+auslassen, wenn gleich grosse ihr Gegenstand sind. Es ist nicht
+anders. Es darf uns nur ein Finger weh thun, so verbreitet sich
+auch ueber unsre uebrigen gesunden Gliedmassen ein Gefuehl von Schmerz.
+Nein, wir muessen denken, dass unsre Maenner keine Goetter sind; wir
+koennen nicht von ihnen fordern, dass sie immer so zaertlich mit uns
+umgehen, als sie vor der Hochzeit thun. Schilt mich nur recht sehr
+aus, Aemilia; ich unartiges Ding, ich war schon im Begriff seiner
+Unfreundlichkeit in meinem Herzen den Process zu machen; aber nun
+find' ich, dass meine Eigenliebe den Zeugen bestochen hat, und dass
+er ungerechter Weise angeklagt worden ist.
+
+Aemilia.
+Gebe der Himmel, dass es Staats-Sachen seyen, wie ihr glaubt, und
+keine eifersuechtige Grillen, die euch angehen.
+
+Desdemona.
+Das waere gar zu unglueklich! Ich gab ihm niemals Ursache dazu.
+
+Aemilia.
+Eifersuechtige Gemuether lassen sich damit nicht beruhigen; sie sind
+nicht allezeit eifersuechtig, weil sie eine Ursache dazu haben,
+sondern oft nur, weil sie eifersuechtig sind. Die Eifersucht ist
+ein Ungeheuer, dass keinen andern Vater und keine andre Mutter hat
+als sich selbst.
+
+Desdemona.
+Der Himmel bewahre Othello's Herz vor diesem Ungeheuer!
+
+Aemilia.
+Dazu sag ich Amen, Gnaedige Frau.
+
+Desdemona.
+Ich will sehen, wo er ist. Cassio, entfernt euch nicht zu weit;
+wenn ich ihn in einer bessern Laune finde, so will ich euer Anligen
+wieder in Bewegung bringen, und das aeusserste versuchen, um
+glueklich damit zu seyn.
+
+Cassio.
+Ich danke Eu. Gnaden demuethig.
+
+(Sie gehen auf verschiedenen Seiten ab.)
+
+
+
+Dreyzehnte Scene.
+ (Eine Strasse vor dem Pallast.)
+ (Cassio, tritt wieder auf, und begegnet der Bianca.)
+
+
+Bianca.
+Guten Tag, Freund Cassio.
+
+Cassio.
+Was fuehrt euch hieher? Wie steht's mit euch, meine schoenste
+Bianca? In der That, mein Herzchen, ich war im Begriff bey euch
+anzusprechen.
+
+Bianca.
+Und ich war im Begriff euch einen Besuch in euerm Quartier
+abzustatten, Cassio. Wie? eine ganze Woche wegbleiben? Sieben
+Tag' und Naechte? Hundert und acht und sechszig Stunden? Und eines
+Liebhabers Abwesenheits-Stunden, die hundert und sechszig mal
+langweiliger sind als der Stunden-Zeiger. O! eine verdriessliche
+Rechnung!
+
+Cassio.
+Vergieb mir, Bianca; ich war diese Zeit ueber von bleyernen Gedanken
+zu Boden gedruekt; aber ich werde in einer glueklichern Zeit diese
+lange Rechnung von Abwesenheit zu tilgen wissen. Liebste Bianca,
+zeichne mir diesen Riss ab--
+
+(Er giebt ihr Desdemonens Schnupftuch.)
+
+Bianca.
+O Cassio, woher habt ihr das? Das hat mir die Mine von einem
+Liebes-Pfand irgend einer neuern Freundin: Nun merk' ich die
+Ursache deiner Abwesenheit die mir so schmerzlich war: Ist es dazu
+gekommen? Wohl, wohl!
+
+Cassio.
+Geh, Maedchen, und wirf deine haesslichen Muthmassungen dem Teufel in
+die Zaehne, von dem du sie hast. Du bildest dir also ein, das sey
+ein Andenken von einer Liebste? Nein, Bianca, in ganzem Ernst.
+
+Bianca.
+Wie, von wem ist es dann?
+
+Cassio.
+Das weiss ich selbst nicht; ich fand es in meinem Zimmer; die Arbeit
+daran gefaellt mir ungemein, und eh man es wieder begehrt, (welches
+vermuthlich geschehen wird) moecht' ich einen Abriss davon haben.
+Nimm es, mein Herz, und zeichn' es ab, und lass mich izt allein.
+
+Bianca.
+Euch allein lassen? Warum?
+
+Cassio.
+Ich warte hier auf den General, und denke, es wuerde mir eben keine
+grosse Dienste bey ihm thun, wenn er mich beweibt sehen wuerde.
+
+Bianca.
+Wie ist das zu verstehen?
+
+Cassio.
+Nicht als liebt' ich euch nicht.
+
+Bianca.
+Sondern nur dass ihr mich nicht liebet. Ich bitte euch, macht mir
+das ein wenig deutlicher und sagt mir, ob ich euch diese Nacht
+nicht sehen soll?
+
+Cassio.
+Wenigstens will ich euch sehen, sobald ich kan.
+
+Bianca.
+Nun wohl dann, ich muss es also drauf ankommen lassen.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+
+Vierter Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+ (Eine Strasse vor dem Pallast.)
+ (Othello und Jago treten auf.)
+
+
+Jago.
+Denkt ihr das?
+
+Othello.
+Ob ich's denke, Jago?
+
+Jago.
+Wie, einander heimlich kuessen?
+
+Othello.
+Unauthorisierte Kuesse?
+
+Jago.
+Oder auch nakend bey ihrem Freund im Bette zu ligen, eine, zwo und
+mehr Stunden, ohne was boeses dabey zu meynen? Das sollte nicht
+moeglich seyn?
+
+{ed. * Eine Anspielung auf die beruechtigte Keuschheits-Probe des
+heiligen Robert von Arbrissel, der mitten zwischen zwoen schoenen
+jungen Nonnen eine Probe machte, die mit einer Haesslichen gefaehrlich
+waere.}
+
+Othello.
+Nakend im Bette, Jago, und nichts boeses dabey meynen? Das heisst,
+den Teufel zum Narren machen wollen: Leute, die mit tugendhaften
+Absichten so etwas thun, die versucht der Teufel nicht; sie
+versuchen den Himmel.
+
+Jago.
+Und doch, wenn sie nichts thun, so ist es nur eine laessliche Suende:
+Aber wenn ich meinem Weib ein Schnupftuch gebe--
+
+Othello.
+Was dann?
+
+Jago.
+Was dann? So gehoert's ihr zu, Gnaediger Herr; und da es ihr
+zugehoert, so kan sie's, denk' ich, wieder einem andern geben.
+
+Othello.
+Ihre Ehre gehoert auch ihr zu; darf sie solche darum weggeben?
+
+Jago.
+Ihre Ehre ist ein unsichtbares Ding und es bleibt immer
+problematisch ob man sie hat oder nicht hat; aber das Schnupftuch--
+
+Othello.
+Beym Himmel! du erinnerst mich an etwas das ich so gern vergessen
+haette; du sagtest--oh, es kommt ueber mein Gedaechtniss wie ein Ungluek-
+weissagender Rabe ueber ein verpestetes Haus--er habe mein
+Schnupftuch.
+
+Jago.
+Ja, und was ist's dann mehr?
+
+Othello.
+Es ist nur zuviel.
+
+Jago.
+Was waer' es denn, wenn ich sagte, ich habe mit meinen eignen Augen
+gesehen, dass er euch beleidigt habe, oder ich hab' es von ihm
+selbst gehoert, (wie es denn solche Schurken giebt, die, wenn sie
+irgend ein Frauenzimmer, entweder durch ungestueme Verfolgungen oder
+durch die freywillige Ergebung der Dame unter sich gebracht haben,
+es unmoeglich von sich selbst erhalten koennen nicht zu plaudern.)
+
+Othello.
+Hat er dann etwas gesagt?
+
+Jago.
+Das hat er, Gnaediger Herr; aber dessen seyd versichert, nichts was
+er nicht wieder laeugnen und verschwoeren wuerde.
+
+Othello.
+Was sagt' er denn?
+
+Jago.
+Was? Er habe bey ihr--ich weiss nicht was gethan--
+
+Othello.
+Was denn, was denn?
+
+Jago.
+Gelegen.
+
+Othello.
+Bey ihr?
+
+Jago.
+Bey ihr, oder auf ihr--was ihr wollt--
+
+Othello.
+Bey ihr! Auf ihr! Bey ihr gelegen! Das ist alles was man sagen
+kan: Das Schnupftuch--Sein eigen Gestaendniss--Das Schnupftuch! das
+Schnupftuch!--Ich erschuettre vom blossen Gedanken--Ohne eine grosse
+Ursache wuerde die Natur sich selbst in keinen solchen Schatten
+einhuellen. Es sind keine Worte, die mich so schuetteln--Nasen,
+Ohren und Lippen--ist's moeglich! Sein Gestaendniss! Ihr Schnupftuch!
+--O Teufel!
+
+(Er wird ohnmaechtig.)
+
+Jago.
+Wuerke du nur wohl, meine Mixtur, wuerke! So muss man leichtglaeubige
+Narren fangen--manche rechtschaffne und keusche Frauen kommen, mit
+aller ihrer Unschuld, gerad auf solche Art um ihren guten Namen.
+Wie, he! Gnaediger Herr! Hoert ihr nicht? Othello! he!
+
+
+
+Zweyte Scene.
+ (Cassio tritt auf.)
+
+
+Jago.
+Wo kommt ihr her, Cassio?
+
+Cassio.
+Was giebt's hier?
+
+Jago.
+Der General ist von dem fallenden Weh ueberfallen worden; das ist
+nun der zweyte Anstoss; er hatte gestern den ersten.
+
+Cassio.
+Reibt ihn um die Schlaefe.
+
+Jago.
+Nein, ruehrt ihn nicht an; man muss der Ohnmacht ihren ruhigen Gang
+lassen; oder, er faengt an zu schaeumen, und bricht endlich voellig in
+die wildeste Tobsucht aus: Seht, er ruehrt sich; entfernt euch ein
+wenig, er wird gleich wieder zu sich selbst kommen; wenn er weg ist,
+ so moecht' ich ueber eine Sache von grosser Wichtigkeit mit euch
+sprechen koennen.
+
+(Cassio geht ab.)
+
+--Wie steht's mit euch, Gnaediger Herr? Habt ihr den Kopf nicht
+angeschlagen?
+
+Othello.
+Spottest du meiner noch?
+
+Jago.
+Ich spotte, beym Himmel! nicht; aber ich wuenschte, dass ihr euer
+Ungluek wie ein Mann trueget.
+
+Othello.
+Ein gehoernter Mann ist ein Ungeheuer; ein Unthier.
+
+Jago.
+Wenn das ist, so giebt es in volkreichen Staedten eine Menge
+Ungeheuer, und dazu noch recht zahme und manierliche Ungeheuer.
+
+Othello.
+Er gestand's also selbst?
+
+Jago.
+Liebster General, seyd ein Mann! denkt, es sind wenige baertige
+Gesellen, die, wenn sie anders bejocht sind, nicht mit euch ziehen.
+Millionen Maenner leben diesen Augenblik, die alle Nacht in einem
+Bette ligen, das sie mit andern theilen; und die doch schwueren, dass
+es ihnen eigen sey. Euer Fall ist doch noch besser. O, das ist
+des Teufels groester Spass, eine unzuechtige Meze in ein sichres Ehe-
+Bette zu legen, und sie fuer ein Tugendbild zu geben. Nein, besser
+ist's ich wisse's; wenn ich weiss, was ich bin, so weiss ich auch,
+was sie seyn soll.
+
+Othello.
+O, du sprichst wie ein Orakel; das ist gewiss.
+
+Jago.
+Geht nur eine kleine Weile bey Seite, verbergt euch, und habt ein
+wenig Geduld. Waehrend dass ihr hier von euerm Schmerz so unmaennlich
+ueberwaeltigt laget, kam Cassio hieher. Ich erdachte gleich etwas,
+um eurer Ohnmacht eine scheinbare Ursache zu geben, und schaffte
+ihn wieder weg, bat ihn aber bald wieder zu kommen, weil ich mit
+ihm zu reden haette. Er versprach mir's. Verbergt euch also nur
+irgendwo, wo ihr ihn sehen koennt; und beobachtet das schelmische,
+triumphierende Laecheln, die hoenische Zuege, die sichtbare
+Leichtfertigkeit, die sein Geheimniss in seinem ganzen Gesicht
+verrathen. Denn er soll mir seine Erzaehlung wieder von vorn
+anfangen; wo, wie, wie oft, seit wie lange, und wenn er mit eurer
+Frau handgemein worden ist, und es noch ferner werden will; ich
+sage, gebt nur auf seine Mine Acht--O zum Henker, Geduld, oder ich
+muss endlich glauben, ihr seyd ueber und ueber lauter Galle, und habt
+nicht das mindeste von einem Mann.
+
+Othello.
+Hoerst du, Jago! Ich will dir zeigen, dass ich so lange geduldig
+scheinen kan, als es noethig ist; aber eine blutige Rache soll mich
+davor schadlos halten.
+
+Jago.
+Es laesst sich hoeren; aber nur alles zu rechter Zeit. Wollt ihr bey
+Seite gehen?
+
+(Othello verbirgt sich.)
+(--Jago, ohne dass ihn Othello hoeren kan, faehrt fort:)
+
+Nun will ich den Cassio nach seiner Bianca fragen, einem Weibsbild,
+das seine Reizungen verkauft, um sich Brod und Kleider davor
+anzuschaffen. Die Naerrin ist sterblich in Cassio verliebt, und zur
+Straffe davor, dass sie schon so viele betrogen hat, wird sie izt
+von ihm betrogen; denn er kan sich, wenn er nur von ihr reden hoert,
+des ueberlauten Lachens nicht verwehren.--Da kommt er.
+
+
+
+Dritte Scene.
+ (Cassio (zu Jago.)
+
+
+Jago.
+Je mehr er lachen wird, je mehr wird Othello rasen; sein Laecheln,
+seine Gebehrden, seine leichtsinnigen Manieren, seine kleinsten
+Bewegungen, werden durch die Auslegung, die der eifersuechtige Mohr
+davon macht, zu Verraethern an ihm werden Nun, wie geht's euch,
+Lieutenant?
+
+Cassio.
+Desto schlimmer, weil ihr mir einen Charakter beylegt, dessen
+Beraubung mir das Leben zur Quaal macht.
+
+Jago.
+Macht euch nur recht lebhaft an Desdemona, so kan's euch nicht
+fehlen. (leiser.)
+Gelt, wenn Bianca die Gewalt dazu haette, wie schnell wuerdet ihr
+wieder hergestellt seyn.
+
+Cassio (lachend.)
+Wie kommt ihr auf diese arme Naerrin?
+
+Othello (vor sich.)
+Seht, wie er schon lacht.
+
+Jago.
+In meinem Leben hab' ich kein Weibsbild so verliebt in einen Mann
+gesehen.
+
+Cassio.
+Der arme Tropf, ich denke, in der That, sie ist in mich verliebt.
+
+Othello (vor sich.)
+Izt laeugnet er's so ganz kaltsinnig, und lacht hinten nach.
+
+Jago.
+Hoert ihr, Cassio?
+
+Othello (vor sich)
+Izt sezt er ihm zu, es ihm zu gestehen: Gut, gut, nur weiter!
+
+Jago.
+Sie giebt aus, ihr wollt sie heurathen. Ist das eure Absicht?
+
+Cassio.
+Ha, ha, ha!
+
+Othello.
+Triumphierest du, Schurke? Triumphierest du?
+
+Cassio.
+Ich, sie heurathen?--Eine barmherzige Schwester? Ich bitte dich,
+erweise meiner Vernunft so viel Christliche Liebe, und glaube etwas
+bessers von ihr. Ha, ha, ha!
+
+Othello (vor sich.)
+So, so: Wer gewinnt, hat gut lachen.
+
+Jago.
+In der That, die Rede geht, ihr werdet sie heurathen.
+
+Cassio.
+Ich bitte dich, redst du im Ernst?
+
+Jago.
+Ich will ein Schelm seyn, wenn es anderst ist.
+
+Othello (vor sich.)
+Hast du mein Mass genommen? Nun, wohl dann!
+
+Cassio.
+Wenn das ist, so kommt es von dem Affen selbst. Sie hat sich's in
+den Kopf gesezt, dass ich sie heurathen werde, und das bloss, weil
+sie es wuenscht, und nicht, weil ich ihr's versprochen haette.
+
+Othello.
+Izt faengt er die Historie an--
+
+Cassio.
+Sie war erst kuerzlich hier; sie spuekt mir nach, wo ich hingehe.
+Ich war neulich am Ufer, und sprach mit etlichen Venetianerinnen,
+da kommt die Naerrin, und faellt mir so zaertlich um den Hals--
+
+Othello (bey Seite.)
+Und ruft, o du allerliebstes Cassio, oder so was; seine Gebehrden
+sagen das.
+
+Cassio.
+Haengt sich so an, und herzt und kuesst mich, und weint auf mich, und
+schuettelt und druekt mich, so abscheulich zaertlich--Ha, ha, ha!--
+
+Othello.
+Izt erzaehlt er, wie sie ihn in mein Schlafzimmer gezogen habe: O,
+ich sehe deine aufgestuelpte Nase vor mir, aber ich seh' den Hund
+nicht, dem ich sie vorwerfen will.
+
+Cassio.
+Gut, ich kan mich nicht laenger hier aufhalten.
+
+Jago.
+Wie es euch beliebt--Aber da kommt sie ja selbst.
+
+
+
+Vierte Scene.
+ (Bianca zu den Vorigen.)
+
+
+Cassio.
+Was das fuer eine Meer-Kaze ist! Zum Henker, und sie riecht noch
+dazu nach Biesam:--Was soll denn das bedeuten, dass ihr mir so
+nachlauft?
+
+Bianca.
+Das mag der Teufel und seine Grossmutter thun! Sagt mir einmal, was
+wolltet ihr mit dem Schnupftuch, das ihr mir vorhin gegeben habt?
+Ich war wol eine grosse Naerrin, dass ich's annahm: Ich sollte die
+Arbeit absehen? Ein feines Stuek Arbeit, dass ihr in euerm
+Schlafzimmer gefunden habt, und wisst nicht, wer es da verlohren
+haben mag. Ich will nicht ehrlich seyn, wenn es nicht ein Geschenk
+von irgend einer ehrsamen Matrone ist; und ich soll die Arbeit dran
+absehen? Da, gebt es euerm Steken-Pferde: Woher ihr's auch haben
+moegt, ich will nichts daran absehen, ich.
+
+Cassio.
+Nun, nun, meine schoene Bianca, sachte, sachte!
+
+Othello (bey Seite.)
+Beym Himmel, das wird wohl mein Schnupftuch seyn.
+
+Bianca.
+Wenn ihr heute zu mir zum Nachtessen kommen wollt, so koennt ihr; wo
+nicht, so kommt nicht eher als bis man Anstalten auf euch gemacht
+hat.
+
+(Sie geht ab.)
+
+Jago.
+Lauft ihr nach, lauft ihr nach.
+
+Cassio.
+Das muss ich, sonst fangt sie auf der Strasse einen Lermen an.
+
+Jago.
+Wollt ihr bey ihr zu Nacht essen?
+
+Cassio.
+Ja, ich hab es im Sinn.
+
+Jago.
+Gut, vielleicht seh ich euch dort; denn ich moechte sehr gern mit
+euch reden.
+
+Cassio.
+Ich bitt euch, kommt; wollt ihr--
+
+Jago.
+Verlasst euch darauf--
+
+(Cassio geht ab.)
+
+
+
+Fuenfte Scene.
+ (Othello und Jago.)
+
+
+Othello.
+Was fuer eine Todesart soll ich ihm anthun, Jago?
+
+Jago.
+Habt ihr gesehen, wie lustig er sich mit seinem Verbrechen machte?
+
+Othello.
+Oh, Jago!
+
+Jago.
+Und saht ihr das Schnupftuch?
+
+Othello.
+War's das meinige?
+
+Jago.
+Das eurige, auf meine Ehre! und habt ihr gesehen, wie viel er sich
+aus dem einfaeltigen Geschoepf, eurer Frau, macht?--Sie gab es ihm
+und er verschenkt es an seine Hure!
+
+Othello.
+Ich wollt, ich koennte neun Jahre lang an ihm morden--eine so artige
+Frau! Eine so schoene Frau! Eine so anmuthsvolle Frau!
+
+Jago.
+Nein, das muesst ihr nun vergessen!
+
+Othello.
+O, lass sie verfaulen, verdorren und zur Hoelle fahren, eh es wieder
+Tag wird! leben soll sie nicht! Nein, mein Herz ist zu Stein
+worden: ich schlage drauf, und die Hand schmerzt mich davon--O, die
+ganze Welt hat keine reizendere Creatur! Sie haette an eines
+Kaysers Seite ligen koennen, er wuerd' ihr Sclave gewesen seyn!
+
+Jago.
+Nicht doch; das sind Gedanken, die gar nicht zur Sache taugen.
+
+Othello.
+An den Galgen mit ihr, ich sage nur was sie ist--eine so feine
+Arbeiterin mit der Nadel--eine vortrefliche Musicantin--Oh, sie
+wuerde die Wildheit aus einem Baeren heraus singen so belebt, so
+wizig! So voller Geist!
+
+Jago.
+Desto schlimmer ist sie um das alles.
+
+Othello.
+O, tausend, tausendmal: Und dann von so einnehmender Gestalt!--
+
+Jago.
+Nur gar zu einnehmend.
+
+Othello.
+Ja, das ist wahr. Aber doch ist es erbaermlich, Jago--oh, Jago, es
+ist erbaermlich!--
+
+Jago.
+Wenn ihr so zaertlich gegen ihre Bosheiten seyd, so gebt ihr ein
+Patent, dass sie euch beleidigen darf wie sie will; wenn ihr
+gleichgueltig dabey seyd, so hat sich niemand darum zu bekuemmern.
+
+Othello.
+Ich will sie in kleine Stuekchen haken: Mich zum Hahnrey zu machen!
+
+Jago.
+Es ist garstig an ihr!
+
+Othello.
+Mit meinem Lieutenant!
+
+Jago.
+Das ist noch garstiger!
+
+Othello.
+Verschaffe mir eine Dose Gift bis auf die Nacht, Jago; ich will
+keinen Wortwechsel mit ihr haben--ich darf meine Standhaftigkeit
+nicht an ihre Reizungen wagen--Diese Nacht, Jago--
+
+Jago.
+Aber nicht durch Gift; erdrosselt sie in ihrem Bette, in dem Bette,
+das sie entweiht hat.
+
+Othello.
+Gut, gut; dieses Mittel gefaellt mir, weil es gerecht ist--
+
+Jago.
+Und was den Cassio betrift, den ueberlasst mir; bis Mitternacht sollt
+ihr mehr hoeren.
+
+(Eine Trompete hinter der Scene.)
+
+Othello.
+Vortrefflich! Wie? Was bedeutet diese Trompete?
+
+Jago.
+Vermuthlich etwas von Venedig--Es ist Lodovico, vom Herzog
+abgeschikt: Au, seht, eure Gemahlin ist schon bey ihm.
+
+
+
+Sechste Scene.
+ (Lodovico, Desdemona, und Gefolge treten auf.)
+
+
+Lodovico.
+Seyd mir gegruesst, wuerdiger General.
+
+Othello.
+Ich erwiedre den Wunsch von ganzem Herzen, mein Herr.
+
+Lodovico.
+Der Herzog und die Senatoren von Venedig gruessen euch.
+
+(Er ueberreicht ihm ein Schreiben.)
+
+Othello.
+Ich kuesse die Urkunde ihrer Befehle.
+
+Desdemona.
+Und was giebt es neues, mein lieber Vetter Lodovico?
+
+Jago.
+Ich bin sehr erfreut euch zu sehen, mein Herr; willkommen in Cypern.
+
+Lodovico.
+Ich danke euch; was macht der Lieutenant Cassio?
+
+Jago.
+Er lebt, mein Herr.
+
+Desdemona.
+Vetter, es ist zwischen meinem Gemahl und ihm zu einem
+unfreundlichen Bruch gekommen; aber ihr werdet alles wieder gut
+machen.
+
+Othello (vor sich.)
+Seyd ihr dessen so gewiss?
+
+Desdemona.
+Mein Gemahl?
+
+Othello (liesst.)
+"Ermangelt nicht, dieses zu befolgen, so lieb euch--"
+
+Lodovico (zu Desdemona.)
+Er rief euch nicht; er ist in seinem Schreiben vertieft. Ist ein
+Missverstaendnis zwischen dem General und Cassio?
+
+Desdemona.
+Ein sehr ungluekliches; ich wollte gern alles thun, sie wieder zu
+vereinigen, so lieb ist mir Cassio.
+
+Othello.
+Feuer und Schwefel! (vor sich.)
+
+Desdemona.
+Mein Gemahl!
+
+Othello.
+Seyd ihr bey Verstand?
+
+Desdemona (zu Lodovico.)
+Wie, ist er zornig?
+
+Lodovico.
+Vielleicht hat ihn das Schreiben in einige Bewegung gebracht. Denn,
+wie ich vermuthe, so beruffen sie ihn nach Hause, und befehlen ihm,
+sein Gouvernement dem Cassio zu ueberlassen.
+
+Desdemona.
+Glaubt mir, es erfreut mich.
+
+Othello.
+In der That! (vor sich.)
+
+Desdemona.
+Mein Gemahl!
+
+Othello.
+Ich bin erfreut, dich toll zu sehen. (vor sich.)
+
+Desdemona.
+Wie, mein liebster Othello?
+
+Othello (nach ihr schlagend.)
+Teufel!--
+
+Desdemona.
+Das hab' ich nicht verdient.
+
+Lodovico.
+Mein Herr, in Venedig wuerde das niemand glauben, wenn ich gleich
+schwuere, dass ichs gesehen habe. Es ist sehr viel; bittet ihr's ab;
+sie weint.
+
+Othello.
+O Teufel! Teufel! Koennte die Erde von Weiberthraenen geschwaengert
+werden, jeder Tropfe, den sie weint, wuerde ein Crocodil werden: Aus
+meinem Gesicht--
+
+Desdemona (indem sie gehen will.)
+Ich will gehen, wenn euch mein Anblik so zuwieder ist.
+
+Lodovico.
+Wahrhaftig, eine gehorsame Frau--ich bitte Euer Gnaden, ruffet sie
+zuruek.
+
+Othello.
+Madam--
+
+Desdemona.
+Mein Gemahl--
+
+Othello.
+Was wollt ihr mit ihr, mein Herr?
+
+Lodovico.
+Wer, ich, mein Herr?
+
+Othello.
+Ja; ihr wolltet ja, ich sollte machen, dass sie sich wieder umdrehe.
+Herr, sie kan sich drehen, und drehen, und doch weiter kommen; sie
+ist eine Meisterin darinn. Und sie kan auch weinen, Herr, weinen;
+und sie ist gehorsam; wie ihr sagtet, gehorsam; sehr gehorsam--
+weint ihr nur fort--Was das anbetrift, mein Herr--O die
+Leidenschaften spielt sie vortreflich!--Ich bin zuruekberuffen--
+
+(zu Desdemona.)
+Pakt ihr euch fort, ich will gleich wieder nach euch schiken--Mein
+Herr, ich gehorche dem Oberherrlichen Befehl, und will nach Venedig
+zuruek kehren--Weg, pake dich!--
+
+(Desdemona geht ab.)
+
+--Cassio soll meinen Plaz haben. Und ihr, mein Herr, werdet mir
+die Ehre erweisen, heute mit mir zu Nacht zu essen. Ihr seyd
+willkommen in Cypern--
+
+(vor sich.)
+Geissen, und Affen!
+
+{ed. * [Sind diese Venetianer,] denkt er hinzu.}
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Siebende Scene.
+ (Lodovico und Jago bleiben zuruek.)
+
+
+Lodovico.
+Ist diss der edle Mohr, den unser ganzer Senat sein Alles und Alles
+nennt? Ist diss das Gemueth, dessen standhafte Tugend keine
+Leidenschaft, kein Gluek, kein Zufall erschuettern kan?
+
+Jago.
+Er hat sich sehr veraendert.
+
+Lodovico.
+Ist er recht bey Sinnen? Leidet er etwann am Gehirn?
+
+Jago.
+Er ist was er ist; ich mag nicht sagen, was ich denke. Ich wollte
+zu Gott, er waere, was er seyn koennte, wenn er nicht ist, was er
+sollte.
+
+Lodovico.
+Wie, seine Gemahlin schlagen!
+
+Jago.
+In der That, es war nicht fein; und doch wuenscht' ich, ich wisste,
+dass dieser Streich das aergste waere.
+
+Lodovico.
+Ist er gemeiniglich so? oder wuerkte das Schreiben so stark auf
+sein Blut, dass er zum ersten mal sich selbst so ungleich war?
+
+Jago.
+Es ist eine schlimme Sache, leider! Es waere nicht anstaendig, wenn
+ich sagen wollte, was ich gesehen und gehoert habe. Ihr werdet ihn
+durch euch selbst kennen lernen, und sein eignes Betragen wird ihn
+so charakterisieren, dass ich meine Worte sparen kan. Geht ihm nur
+nach, und seht, wie er fortfahren wird.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Achte Scene.
+ (Verwandelt sich in einen Saal im Pallast.)
+ (Othello und Aemilia treten auf.)
+
+
+Othello.
+Ihr habt also nichts gesehen?
+
+Aemilia.
+Noch jemals was solches gehoert, oder nur gemuthmasset.
+
+Othello.
+Ihr habt doch den Cassio und sie beysammen gesehen?
+
+Aemilia.
+Aber da sah ich nichts boeses, und ich hoerte eine jede Sylbe, die
+sie mit einander redeten.
+
+Othello.
+Wie, fluesterten sie niemals zusammen?
+
+Aemilia.
+Niemals, Gnaediger Herr.
+
+Othello.
+Und schikten sie euch niemals fort?
+
+Aemilia.
+Niemals.
+
+Othello.
+Etwann ihren Faecher, ihre Handschuhe, ihre Maske, oder so was zu
+holen?
+
+Aemilia.
+Niemals, Gnaediger Herr.
+
+Othello.
+Das ist seltsam!
+
+Aemilia.
+Ich duerfte meine Seele an einem Pfahl wetten, Gnaediger Herr, dass
+sie ehrlich ist: Wenn ihr anders denkt, so verbannet diesen
+Gedanken, er betruegt euer Herz. Der Himmel vergelt' es dem Elenden,
+der es euch in den Kopf gesezt haben mag, mit dem Fluch der
+Schlange! Wahrhaftig, wenn sie nicht tugendhaft, keusch und getreu
+ist, so giebt's keinen glueklichen Mann auf Erden; so ist die
+reinste ihrer Weiber so haesslich als Laesterung.
+
+Othello.
+Geh, ruffe sie hieher.
+
+(Aemilia geht ab.)
+
+Sie sagt genug; allein sie ist eine einfaeltige Kupplerin, die nicht
+mehr sagen kan--Das ist eine verschmizte Hure, die ihre garstigen
+Geheimnisse behutsam zu verriegeln weiss--und doch kniet sie euch in
+ihrem Zimmer hin, und betet: Das hab' ich selbst gesehen.
+
+
+
+Neunte Scene.
+ (Desdemona und Aemilia treten auf.)
+
+
+Desdemona.
+Was ist euer Wille, mein Gemahl?
+
+Othello.
+Kommt naeher, Huehnchen, wenn ich bitten darf.
+
+Desdemona.
+Was beliebt euch?
+
+Othello.
+Lasst mich eure Augen sehen; seht mir in's Gesicht.
+
+Desdemona.
+Was fuer eine entsezliche Einbildung kommt euch an?
+
+Othello (Zu Aemilia.)
+Ein Stuek von euerm Amt, Madam; lasst die handelnden Personen allein,
+und schliesst die Thuere zu; hustet, oder ruft wenn jemand kommt.
+Euer Geheimniss, euer Geheimniss--nein, macht euch fort.
+
+(Aemilia geht ab.)
+
+Desdemona.
+Auf meinen Knien, was wollen diese Reden sagen? Ich sehe wol, dass
+etwas Entsezliches in euern Worten ist, aber ich verstehe sie
+dennoch nicht.
+
+Othello.
+Wie? Was bist du?
+
+Desdemona.
+Euer Weib, mein Herr; euer getreues, redliches Weib.
+
+Othello.
+Komm, schwoer mir das; sprich dir dein Urtheil selbst; sonst moechten,
+ da du einem himmlischen Wesen so aehnlich bist, die Teufel sich
+scheuen Hand an dich zu legen. Zieh dir also eine zweyfache
+Verdammniss zu; schwoere, du seyest ehrlich.
+
+Desdemona.
+Der Himmel weiss es.
+
+Othello.
+Der Himmel weiss, dass du falsch wie die Hoelle bist.
+
+Desdemona.
+An wem, mein Gemahl? Mit wem? Wie bin ich falsch?
+
+Othello (Er weint.)
+Ach, Desdemona! Weg, weg, weg!--
+
+Desdemona.
+O des ungluekseligen Tags! Warum weint ihr? Bin ich die Beweg-
+Ursach dieser Thraenen, mein liebster Mann?--Wenn ihr vielleicht
+meinen Vater in Verdacht habt, dass er an eurer Zuruekberuffung
+Schuld habe, so lasst es doch mich nicht entgelten; wenn ihr ihn
+verlohren habt, so hab' ich ihn ja auch verlohren.
+
+Othello.
+Haett' es dem Himmel gefallen, mich durch Truebsale zu pruefen, haett'
+er alle Arten von Schmerzen und Demuethigungen auf mein naktes Haupt
+regnen, mich bis an die Lippen in Armuth versinken, mich ohne
+Hoffnung der Befreyung in Sclaverey gerathen lassen; so wuerd' ich
+noch in irgend einem Winkel meiner Seele einen Tropfen Geduld
+gefunden haben. Aber, ach! mich zu einem festen Ziel fuer den
+unbeweglichen Finger der spottenden Verachtung zu machen--und doch
+auch das, auch das wollt' ich noch ertragen koennen. Aber da,
+
+{ed. * Man hat hier, einem herrschenden, obgleich an sich vielleicht
+ungerechten Vorurtheil zu gefallen, von dem buchstaeblichen Sinn des
+Originals ein wenig abweichen muessen.}
+
+wo die Ruhe, der Trost, die Wonne meines Lebens lag, aus deinem Herzen
+vertrieben zu seyn, oder es als eine Cisterne, worinn unflaetige
+Kroeten zuegeln, zu besizen: Hebe dich weg, Geduld, du junger,
+rosenwangichter Cherubin,--Da seh' ich grimmig wie die Hoelle aus.
+
+Desdemona.
+Ich hoffe, mein edelmuethiger Mann kennt mich genugsam, mich fuer
+unschuldig zu halten.
+
+Othello.
+O, ja, wie Sommerfliegen in Schlachthaeusern, die von einem
+anwehenden Lueftchen lebendig werden. O du giftiges Unkraut, warum
+bist du so lieblich anzusehen? Du riechst so gut, dass einem der
+Kopf davon weh thut. Ich wollte, du waerest nie gebohren worden!
+
+Desdemona.
+Himmel! was fuer eine Suende kan ich unwissender Weise begangen
+haben?
+
+Othello.
+Wie, du fragst noch? Du fragst was du begangen habest? Begangen?--
+O du Nichtswuerdige, ich wuerde meine Wangen zu Feuer-Essen machen,
+wo die Zucht zu Asche verbrennen muesste, wenn ich deine Thaten
+nennen wollte. Wie? was du begangen hast? Der Himmel stopft sich
+die Nase davor zu, und der Mond die Augen; der buhlerische Wind
+sogar, der alles kuesst was ihm vorkommt, hat sich in die holen Minen
+der Erde verkrochen, und will es nicht anhoeren. Was du begangen
+hast?--Unverschaemte Meze!
+
+Desdemona.
+Beym Himmel! ihr thut mir Unrecht.
+
+Othello.
+Du bist keine Meze?
+
+Desdemona.
+Nein, so wahr ich eine Christin bin. Wenn ein Weib, die sich fuer
+ihren Mann allein, und von jeder fremden, unkeuschen, unerlaubten
+Beruehrung rein bewahrt hat, keine Meze ist, so bin ich keine.
+
+Othello.
+Wie, auch keine Hure?
+
+Desdemona.
+Nein, so wahr ich selig zu werden wuensche!
+
+Othello.
+Ists moeglich?
+
+Desdemona.
+O Himmel, sey uns gnaedig!
+
+Othello.
+So bitt' ich also um Vergebung. Ich sah euch fuer diese abgefeimte
+Hure von Venedig an, die den Othello heurathete--
+
+
+
+Zehnte Scene.
+ (Aemilia zu den Vorigen.)
+
+
+Othello.
+Ihr, Frau Gelegenheits-Macherin,--Ihr, ihr, ja ihr! Wir haben
+unsre Sachen gemacht. Hier ist Geld fuer eure Muehe; ich bitte euch,
+dreht den Schluessel, und behaltet unser Geheimniss fuer euch.
+
+(Er geht ab.)
+
+Aemilia.
+Um's Himmels willen, was macht der Herr sich vor Gedanken!--Wie
+befindet sich Eu. Gnaden? Wie steht's um meine liebste Gnaedige
+Frau?
+
+Desdemona (allein.)
+Es ist billig, dass mir so mitgespielt wird, sehr billig; wie hab
+ich mich denn aufgefuehrt, dass er nur den Schatten eines Grundes zum
+allerkleinsten Misstrauen gefunden haben soll?--
+
+
+
+Eilfte Scene.
+ (Jago und Aemilia zu Desdemona.)
+
+
+Jago.
+Was ist zu Eu. Gnaden Befehl? Wie steht's?
+
+Desdemona.
+Das kan ich nicht sagen; diejenigen, die eure Kinder ziehen, thun
+es mit Freundlichkeit, und legen ihnen nicht zuviel auf; er haette
+mich ja mit Sanftmuth ausschelten koennen: Denn, die Wahrheit zu
+sagen, ich bin wie ein Kind wenn ich ausgescholten werde.
+
+Jago.
+Wovon ist die Rede, Gnaedige Frau?
+
+Aemilia.
+Ach, Jago, der Gnaedige Herr hat sie so behurt, ihr so schmaehlich
+begegnet, so garstige Namen ueber sie ausgegossen, dass ein ehrliches
+Herz es nicht ertragen kan.
+
+Desdemona.
+Verdien' ich einen solchen Namen, Jago?
+
+Jago.
+Was fuer einen Namen, Gnaedige Frau?
+
+Desdemona.
+Den, so sie sagte, dass mir mein Mann gegeben habe.
+
+Aemilia.
+Er nannte sie eine Hure; ein betrunkner Bettler wuerde sich schaemen,
+seinem Menschen einen solchen Namen zu geben.
+
+Jago.
+Warum that er das?
+
+Desdemona.
+Das weiss ich nicht; was ich weiss, ist, dass ich nichts solches bin.
+
+Jago.
+Weinet nicht, weinet nicht; das ist ein leidiger Handel!
+
+Aemilia.
+Hat sie so viele grosse Partheyen ausgeschlagen--Hat sie ihren
+Vater, ihr Vaterland, ihre Freunde aufgeopfert--um eine Hure
+geheissen zu werden? Sollte das einen nicht weinen machen?
+
+Desdemona.
+Das ist nun mein Schiksal.
+
+Jago.
+Ihr muesst es nicht von ihm leiden. Wie ueberfiel ihn denn dieser
+Anstoss?
+
+Desdemona.
+Das weiss der Himmel.
+
+Aemilia.
+Ich will mich haengen lassen, wenn nicht irgend ein hoellischer Bube,
+irgend ein geschaeftiger, raubsuechtiger Schurke, irgend ein glatter,
+lekender, Schlangen-zuengigter Sclave, um sich ein Verdienst bey ihm
+zu machen, sie bey ihm verlaestert hat; ich will mich haengen lassen,
+wenn es anders ist.
+
+Jago.
+Fy, es lebt kein solcher Mann, es ist unmoeglich.
+
+Desdemona.
+Wenn ein solcher Mann ist, so vergeb ihm der Himmel!
+
+Aemilia.
+Ein Strik vergeb ihm! Und der Teufel nag' ihm seine verdammten
+Knochen ab! Warum soll er sie eine Hure heissen? Wer soll denn
+ihr Buhler seyn? Wo? wann? wie? Wo ist auch nur eine
+Wahrscheinlichkeit davon? Der Mohr ist durch irgend einen
+galgenbuebischen Schurken, irgend einen elenden nichtswuerdigen
+Erzlotterbuben belogen worden. O Himmel, dass du doch solche
+Gesellen an's Taglicht ziehen, und in jede ehrliche Hand eine
+Geisel steken moechtest, um den Raker nakend durch die ganze Welt zu
+peitschen, von einem Ende der Welt bis zum andern!
+
+Jago.
+Schreyt nur nicht so laut.
+
+Aemilia.
+O fy, die garstigen Kerls! Gerad ein solcher Schuft wars, der euch
+einst den Kopf auf die unrechte Seite stellte, und euch weis machte,
+ dass ich mit dem Mohren in heimlichem Verstaendniss sey.
+
+Jago.
+Du bist nicht klug; geh, geh.
+
+Desdemona.
+Ach, Jago, sage mir, was soll ich thun um meinen Gemahl wieder zu
+gewinnen? Mein guter Freund, geh, rede du mit ihm; bey diesem
+Licht des Himmels, ich weiss nicht, wie ich sein Herz verlohren habe.
+Hier knie ich;
+
+(sie kniet.)
+
+Wenn jemals mein Wille in Worten, Gedanken oder in wuerklicher That
+sich gegen seine Pflicht aufgelehnt hat; oder wenn jemals meine
+Augen, meine Ohren oder irgend einer meiner Sinne sich an einem
+andern Gegenstand ergoezt haben; oder wenn ich ihn nicht immer liebe,
+geliebt habe, und sollt' er mich auch als eine Bettlerin von sich
+verstossen, aufs zaertlichste lieben werde, so komme kein Trost in
+meine Seele! Unzaertlichkeit kan viel thun, sie kan mich ums Leben
+bringen, aber meine Liebe kan sie nicht vermindern. Ich kan nicht
+sagen, Hure; es graut mir, da ich izt das Wort ausgesprochen habe;
+aber das zu thun, was er bezeichnet, koennte mich die Welt mit ihrer
+ganzen Masse von Eitelkeit nicht bewegen.
+
+Jago.
+Ich bitte euch, gebt euch zufrieden; es ist nur eine Laune von ihm;
+die Staats-Angelegenheiten gehen ihm im Kopf herum, er ist
+missvergnuegt darueber, und da muss nun sein Unmuth ueber euch
+ausbrechen.
+
+Desdemona.
+Wenn es nur dieses waere--
+
+Jago.
+Es ist nichts anders, ich stehe dafuer. (Trompeten.)
+Horcht, diese Trompeten ruffen zum Nacht-Essen. Der Abgeordnete
+von Venedig bleibt bey der Tafel; geht hinein und weint nicht; es
+wird alles wieder gut werden.
+
+(Desdemona und Aemilia gehen ab.)
+
+
+
+Zwoelfte Scene.
+ (Rodrigo (zu Jago.)
+
+
+Jago.
+Ha, wo kommt ihr her, Rodrigo?
+
+Rodrigo.
+Ich finde nicht, dass du ehrlich mit mir zu Werke gehst.
+
+Jago.
+Wie findt ihr das?
+
+Rodrigo.
+Jeden Tag machst du mir irgend einen Dunst vor die Augen, Jago; und
+ich fange endlich an zu sehen, dass du, anstatt mich nur um einen
+Schritt meinen Hoffnungen naeher gebracht zu haben, mich weiter
+zuruekgesezt hast, als ich jemals war. Ich will es nicht laenger
+dulden; und bin auch gar nicht der Meynung so ruhig einzusteken,
+was ich naerrischer Weise bereits gelitten habe.
+
+Jago.
+Wollt ihr mich anhoeren, Rodrigo?
+
+Rodrigo.
+Meiner Treue, ich habe nur zuviel angehoert; eure Worte und eure
+Thaten haben gar keine Gemeinschaft mit einander.
+
+Jago.
+Ihr beschuldiget mich mit groestem Unrecht.
+
+Rodrigo.
+Ich sage die lautre Wahrheit: Ihr habt mich um mein ganzes Vermoegen
+gebracht. Die Juwelen, die ihr von mir bekommen habt, um sie
+Desdemonen zu ueberliefern, haetten eine Vestalin verfuehren sollen.
+Ihr sagtet mir, sie habe sie empfangen, und brachtet mir die
+troestlichsten Versicherungen von ihrer guten Wuerkung; aber ich
+finde keine.
+
+Jago.
+Gut, nur weiter; sehr gut.
+
+Rodrigo.
+Sehr gut, nur weiter; ich kan nicht weiter, Herr, und es ist nicht
+sehr gut; nein, ich denke, es ist boshaft, und ich fange an zu
+merken, dass man mich nur am Narren-Seil herumfuehrt.
+
+Jago.
+Sehr gut.
+
+Rodrigo.
+Ich sag euch, es ist nicht sehr gut. Ich will mich Desdemonen
+selbst entdeken; wenn sie mir meine Juwelen wieder geben will, so
+will ich klug seyn und ihr mit meiner Bewerbung nicht mehr
+beschwerlich fallen: Wo nicht, so versichr' ich euch, ich will
+meine Schadloshaltung an euch suchen.
+
+Jago.
+Ihr habt nun geredt--
+
+Rodrigo.
+Ja, und nichts, als was ich, meiner Seel! zu thun im Sinn habe.
+
+Jago.
+Wie, nun seh ich doch dass du Feuer im Leibe hast; und von diesem
+Augenblik an hab' ich eine groessere Meynung von dir als jemals.
+Gieb mir deine Hand, Rodrigo; du hast alle Ursache gehabt, mir
+Vorwuerfe zu machen, aber ich schwoere dir, dass ich in der ganzen
+Sache redlich an dir gewesen bin.
+
+Rodrigo.
+Es hat sich nicht gezeigt.
+
+Jago.
+Ich muss es gestehen, in der That, euer Argwohn ist nicht ohne
+Wahrscheinlichkeit. Aber, Rodrigo, wenn du das hast, was ich dir
+izt mit besserm Grund als jemals zutraue, (ich meyne,
+Standhaftigkeit, Herz und Tapferkeit,) so zeig es diese Nacht.
+Wenn du in der naechstfolgenden Nacht nicht bey Desdemonen ligen
+wirst, so halte mich fuer einen Verraether, und schaffe mich aus der
+Welt wie du willst.
+
+Rodrigo.
+Gut, was ist es? Ist es etwas, das sich vernuenftiger Weise
+unternehmen laesst?
+
+Jago.
+Wisset, mein Herr, dass eine Special-Commission von Venedig
+eingetroffen ist, um den Cassio an Othello's Stelle einzusezen.
+
+Rodrigo.
+Ist das wahr? Nun, so kehren Othello und Desdemona wieder nach
+Venedig zurueck.
+
+Jago.
+O nein; er geht nach Mauritanien, und nimmt seine schoene Desdemona
+mit sich; das geschieht unfehlbar, es muesste denn etwas begegnen,
+wodurch sein hiesiger Aufenthalt verlaengert wuerde: Und das koennte
+durch nichts gewisser erhalten werden, als wenn Cassio auf die
+Seite geschaft wuerde.
+
+Rodrigo.
+Was nennt ihr, den Cassio auf die Seite schaffen?
+
+Jago.
+Das versteht sich von selbst; ihn unfaehig machen, in Othello's
+Stelle einzutreten, mit einem Wort, ihm den Hals zu brechen.
+
+Rodrigo.
+Und ihr wollt, dass ich das thun soll?
+
+Jago.
+Ja, wenn ihr das Herz habt euch selbst Gutes zu thun. Er isst heute
+bey einer Courtisane zu Nacht; und ich will ihm dort Gesellschaft
+leisten. Er weiss noch nichts von seiner Befoerderung; wenn ihr dann
+nur aufpassen wollt, bis er dort weggeht, (und ich will schon dafuer
+sorgen, dass es zwischen zwoelf und ein Uhr geschehen soll:) So koennt
+ihr ihn mit der groesten Bequemlichkeit ueberraschen. Ich will in
+der Naehe seyn, euern Angriff zu unterstuezen, und wir wollen ihn
+zwischen zwey Feuer kriegen. Kommt, steht nicht so bestuerzt da;
+kommt mit mir; wir wollen von der Sache reden. Ich will euch
+zeigen, dass sein Tod so unumgaenglich nothwendig ist, dass ihr euch
+verbunden sehen werdet, ihn zu befoerdern. Es ist izt bald Nacht-
+Essens-Zeit, und die Nacht nimmt ueberhand--Wir muessen gehen.
+
+Rodrigo.
+Ich muss mehr Licht in dieser Sache haben--
+
+Jago.
+Das sollt ihr bekommen.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Dreyzehnte Scene.
+ (Othello, Lodovico, Desdemona, Aemilia und Gefolge.)
+
+
+Lodovico.
+Ich bitte euch, mein Herr, bemueht euch nicht weiter.
+
+Othello.
+Oh, ich bitte um Vergebung; die Bewegung wird mir wohl bekommen.
+
+Lodovico.
+Madam, gute Nacht; ich danke Eu. Gnaden unterthaenig.
+
+Desdemona.
+Ihr werdet allezeit willkommen seyn, mein Herr.
+
+Othello.
+Wollt ihr gehen, mein Herr?--o, Desdemona!--
+
+Desdemona.
+Mein Gemahl--
+
+Othello.
+Geht sogleich zu Bette, ich werde bald wieder zuruek kommen; schikt
+eure Bedienung hier fort; thut, was ich euch sage.
+
+Desdemona.
+Ich will, mein Gemahl.
+
+(Lodovico und Othello gehen ab.)
+
+Aemilia.
+Wie geht es nun? Er sieht freundlicher aus als diesen Abend.
+
+Desdemona.
+Er sagt, er wolle gleich zuruek kommen, und hat mir befohlen zu
+Bette zu gehen, und euch wegzuschiken.
+
+Aemilia.
+Mich wegzuschiken?
+
+Desdemona.
+Das war sein Befehl; also, meine gute Aemilia, gieb mir mein Nacht-
+Zeug, und gute Nacht. Wir muessen ihm keinen Verdruss machen.
+
+Aemilia.
+Ich wollte, ihr haettet ihn nie gesehen!
+
+Desdemona.
+Das wollt' ich nicht; meine Liebe ist so wol mit ihm zufrieden, dass
+sogar sein muerrisches Bezeugen, sein Schelten und Zuernen, eine Art
+von Anmuth in meinen Augen hat. Ich bitte dich, steke mir mein
+Kopfzeug ab--
+
+Aemilia.
+Ich habe die Laken, die ihr mir sagtet, auf euer Bette gelegt.
+
+Desdemona.
+Es ist all eins: Guter Himmel! Was fuer alberne Geschoepfe sind wir
+nicht! Wenn ich vor dir sterbe, so mache mir, ich bitte dich, aus
+einem dieser Tuecher mein Todten-Hemde.
+
+Aemilia.
+Kommt, kommt; wie ihr redt!
+
+Desdemona.
+Meine Mutter hatte ein Kammer-Maedchen, die Barbara hiess; das arme
+Ding war in jemand verliebt, der sie nicht wieder lieben wollte,
+und da wurde sie zulezt naerrisch; sie hatte ein Lied, das sich
+immer mit (Weide) endigte, es war ein altes Ding, aber es schikte
+sich auf ihre Umstaende, und sie sang es bis in den lezten Augenblik
+ihres Lebens. Ich kan mir dieses Lied diese ganze Nacht durch
+nicht aus dem Sinn bringen; es braucht alles, dass ich mich erwehre,
+den Kopf auf eine Seite zu haengen, und es zu singen, wie die arme
+Barbara. Ich bitte dich, mach' dass du fertig wirst.
+
+Aemilia.
+Soll ich gehn und euern Schlaf-Rok holen?
+
+Desdemona.
+Nein, steke mich hier ab; dieser Lodovico ist ein recht artiger
+Mann.
+
+Aemilia.
+Ein sehr huebscher Mann.
+
+Desdemona.
+Er spricht gut.
+
+Aemilia.
+Ich kenn' eine Dame in Venedig, die um einen Druk von seiner
+Unterlippe eine Wallfahrt ins Gelobte Land gemacht haette.
+
+Desdemona (singt.)
+Das arme Ding, sie sass und sang, an einem Baum sass sie,
+ Singt alle, gruene Weide;
+Die Hand gelegt auf ihre Brust, den Kopf auf ihrem Knie,
+ Singt Weide, Weide, Weide;
+Der Bach, der murmelt neben ihr, in ihre Seufzer ein,
+ Singt Weide, Weide, Weide;
+Und ihrer Thraenen heisse Fluth erweichte Kieselstein;
+ Singt Weide, Weide, Weide;
+Weide, Weide, Weide etc. Ich bitte dich, mache hurtig, er wird
+alle Augenblike wiederkommen. Singt all', ein gruenes Weiden-Zweig,
+das muss mein Kraenzchen seyn.
+ * * * O! tadelt nicht sein hartes Herz, mein Herz
+verzeiht ihm gern;
+Nein, das folgt noch nicht--Horch was klopft so?
+
+Aemilia.
+Es ist nur der Wind.
+
+Desdemona (singt.)
+Ich nannte meinen Liebsten falsch; was sagt' er denn dazu?
+ Singt Weide, Weide, Weide;
+Ich thu mit andern Weibern schoen, mit andern Maennern du. So, geh
+du izt, gute Nacht; meine Augen brennen mich; bedeutet das Weinen?
+
+Aemilia.
+Das wollen wir nicht hoffen.
+
+Desdemona.
+Ich hab' es sagen gehoert; o diese Maenner, diese Maenner! Sag mir
+einmal, Aemilia, glaubst du in deinem Gewissen, dass es Weiber giebt,
+die ihre Maenner auf eine so grobe Art hintergehen?
+
+Aemilia.
+Es giebt solche, das ist nur keine Frage.
+
+Desdemona.
+Wolltest du um die ganze Welt so was thun?
+
+Aemilia.
+Wie, thaetet ihr's nicht?
+
+Desdemona.
+Nein, bey diesem himmlischen Licht!
+
+Aemilia.
+Ich bey diesem himmlischen Licht auch nicht; es liesse sich eben so
+gut im Dunkeln thun.
+
+Desdemona.
+Wolltest du eine solche That um die ganze Welt thun?
+
+Aemilia.
+Die ganze Welt ist gleichwol ein huebsches ansehnliches Ding, es
+waer' ein feiner Preis fuer ein so kleines Verbrechen.
+
+Desdemona.
+Bey meiner Treu, ich denke, du thaetest es nicht.
+
+Aemilia.
+Und bey meiner Treu, ich denk', ich thaet' es; mit dem Vorbehalt,
+dass es das erste und lezte mal seyn sollte. Wahrhaftig, ich thaete
+so was nicht um einen Finger-Ring, noch fuer ein paar Ellen Kammer-
+Tuch, noch fuer einen neuen Unterrok, oder eine Kappe, oder so was
+armseliges; aber fuer die ganze Welt! Welches Weib wollte ihren
+Mann nicht zu einem Hahnrey machen, damit er Herr von der ganzen
+Welt wuerde? Dafuer wollt' ich noch wol das Fegfeuer wagen.
+
+Desdemona.
+Ich will des Todes seyn, wenn ich so was Unrechtes um die ganze
+Welt thun wollte.
+
+Aemilia.
+Wie, das Unrecht ist nur ein Unrecht in der Welt; und da ihr die
+Welt fuer eure Muehe bekaemet, so waer' es ein Unrecht in eurer Welt,
+und ihr koenntet es bald recht machen.
+
+Desdemona.
+Ich kan nicht glauben, dass es ein solches Weib giebt.
+
+Aemilia.
+O Ja, wohl ein duzend und so viele oben drein, dass sie die Welt, um
+die sie spielten, bevoelkern koennten. Allein, ich denke, der Fehler
+ligt an den Maennern, wenn ihre Weiber fallen; gesezt, sie vergessen
+ihre Pflichten gegen uns, und verschwenden an andre, was uns gehoert;
+oder sie brechen in eine verdriessliche Eifersucht aus, und belegen
+uns mit sclavischem Zwang; oder sie schlagen uns, oder sie bringen
+uns unser Vermoegen durch; wahrhaftig, wir haben auch Galle, und so
+sanft wir sind, so raechen wir uns doch gerne, wenn wir beleidigt
+werden. Unsre Herren Maenner sollen wissen, dass ihre Weiber so gut
+Empfindlichkeit haben als sie; sie sehen, und riechen, und haben
+einen Geschmak fuer suess und sauer, so gut wie ihre Maenner. Was thun
+sie, wenn sie uns mit andern vertauschen? Ist es Spass? Ich will
+es glauben: Geschieht es aus Leidenschaft? Ich will es glauben:
+Ist es eine menschliche Schwachheit? es mag auch seyn. Und haben
+wir nicht auch Leidenschaften? Lieben wir den Zeitvertreib nicht
+auch? Sind wir nicht so gebrechlich als sie? Sie moegen uns also
+nur wohl begegnen; oder sie sollen wissen, dass wenn wir suendigen,
+sie unsre Lehrmeister gewesen sind.
+
+Desdemona.
+Gute Nacht, gute Nacht; der Himmel gebe mir Gnade, anstatt Boeses
+mit Boesem zu vertreiben, das Boese gut zu machen!
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+
+Fuenfter Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+ (Eine Strasse vor dem Pallast.)
+ (Jago und Rodrigo treten auf.)
+
+
+Jago.
+Hier stellt euch hinter diese Faesser. Er wird augenbliklich kommen:
+Deinen blossen Degen in die Hand, und dann frisch dran! Nur
+munter, munter, sey unverzagt: ich will an deinem Ellenbogen seyn:
+Es macht unser Gluek oder wir sind verlohren: Denk an das, und
+entschliesse dich wie ein Mann.
+
+Rodrigo.
+Seyd ihr nur nahe bey der Hand, ich koennt' ihn verfehlen.
+
+Jago.
+Ich will hier stehen, es koennte nicht naeher seyn; fasst, Muth und
+zieh deinen Degen.
+
+Rodrigo (indem er sich auf die Seite stellt.)
+Ich gehe ungern an diese That, aber er hat mir Gruende vorgelegt,
+gegen die nichts einzuwenden ist; es ist endlich nichts, als ein
+einzelner Mann weniger--Heraus, mein Schwerdt; er soll sterben.
+
+Jago (vor sich.)
+Ich habe diesen armen Geken gerieben, bis er empfindlich worden ist,
+er faengt an aufzubrennen. Nun mag er den Cassio ermorden, oder
+Cassio ihn, oder einer den andern, so find' ich allemal meine
+Rechnung dabey--Gut, aber wenn Rodrigo lebt, so wird er mich
+anhalten, ihm die Menge Gold und Juwelen wieder zu erstatten, die
+ich ihm als Geschenke fuer Desdemona, abpracticiert habe? Das muss
+nicht seyn--Bleibt Cassio uebrig, so macht mir der Anblik seines
+Glueks meinen Zustand unertraeglich; und ueberdem, koennte mich der
+Mohr verrathen; da kaem' ich in saubere Ungelegenheiten; nein,
+sterben soll er! So muss es seyn; ich hoer' ihn kommen. (Cassio
+tritt auf.)
+
+Rodrigo.
+Den Gang kenn' ich; es ist Er: Schelm, du must sterben.
+
+(Er faellt den Cassio an, und bringt ihm einen Stoss bey.)
+
+Cassio.
+Dieser Stoss haette mir in der That uebel bekommen koennen, wenn mein
+Kleid nicht besser gefuettert waere als du wusstest: Nun will ich
+sehen, wie das deinige die Probe haelt.
+
+(Er ficht mit Rodrigo; Jago haut den Cassio von hinten in die Beine,
+ und entlaeuft; Rodrigo und Cassio fallen.)
+
+Rodrigo.
+O, ich bin des Todes.
+
+Cassio.
+Ich bin auf immer zum Krippel gemacht; Huelfe, he! Moerder! Moerder!
+
+
+
+Zweyte Scene.
+ (Othello erscheint am Fenster.)
+
+
+Othello (vor sich.)
+Das ist Cassio's Stimme--Jago haelt sein Wort.
+
+Rodrigo.
+Oh, Boesewicht, der ich bin!
+
+Othello.
+Das ist wol nicht anders.
+
+Cassio.
+Oh, Huelfe, Huelfe! he! Licht! einen Wund-Arzt!
+
+Othello.
+Es ist Er! O braver, ehrlicher, redlicher Jago, den das erlittne
+Unrecht seines Freundes in einen so edlen Eifer sezt! Du lehrst
+mich--Puepchen, euer Liebling ist todt; und eure Stunde eilt heran--
+Ich komme, Meze--Deine Reizungen, deine Blike, dein Laecheln, sind
+aus meinem Herzen ausgewischt; und in deinem Bette, dem Schau-Plaz
+deiner zuegellosen Lust, soll deine Straffe dich erhaschen!
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Dritte Scene.
+ (Lodovico und Gratiano treten in der Ferne auf.)
+
+
+Cassio.
+Wie dann, he! Ist kein Waechter, ist kein Mensch da? Moerder,
+Moerder!
+
+Gratiano.
+Es ist irgend ein Unheil begegnet; die Stimme ist graesslich.
+
+Cassio.
+O Huelfe!
+
+Lodovico.
+Horcht!
+
+Rodrigo.
+O elender Boesewicht!
+
+Lodovico.
+Ich hoere zween oder drey wehklagen. Es ist stokfinster; es koennte
+Verstellung seyn: Es ist nicht sicher, naeher hinzugeben, da unsrer
+nur zween sind. (Jago, in seinem Hemd, mit gezognem Degen und
+einem Licht, tritt auf.)
+
+Lodovico.
+Horcht.
+
+Gratiano.
+Hier kam einer in blossem Hemde, mit einem Licht und gezognem Degen.
+
+Jago.
+Wer ist hier? Wer ruft Moerder?
+
+Lodovico.
+Das wissen wir nicht.
+
+Jago.
+Hoert ihr nicht schreyen?
+
+Cassio.
+Hier, hier: Um's Himmels willen, helft mir.
+
+Jago.
+Was giebt's hier?
+
+Gratiano (zu Lodovico.)
+Wie mich daeucht, so ist dieser hier Othello's Faehndrich.
+
+Lodovico.
+Er ist's, in der That, ein wakrer herzhafter Camerad.
+
+Jago.
+Wer seyd ihr hier, die ein so klaegliches Geschrey erheben?
+
+Cassio.
+Jago?--O ich bin gestuemmelt, von Banditen zum elenden Manne gemacht-
+-Kommt mir zu Huelfe!
+
+Jago.
+Gott sey bey uns! Lieutenant! Was fuer Boesewichter haben das
+gethan?
+
+Cassio.
+Ich denke, einer davon ligt hier, und kan sich nicht davon machen.
+
+Jago.
+Die meuchelmoerdrischen Schurken! (zu Lodovico und Gratiano.)
+Wer seyd ihr hier? Kommt naeher, und helft.
+
+Rodrigo.
+O, helft mir hier.
+
+Cassio.
+Das ist einer von ihnen.
+
+Jago.
+Du moerdrischer Sclave! du Raker!
+
+(Er giebt dem Rodrigo vollends den Rest.)
+
+Rodrigo.
+O verruchter Jago! unmenschlicher Hund!
+
+Jago.
+Leute im Dunkeln zu ermorden! Wo sind diese blutige Diebe? Wie?
+diese Stadt ist ja so still als wenn alles ausgestorben waere! He!
+Mord! Mord!--Wer seyd wohl ihr? Seyd ihr ehrliche Leute oder--
+
+Lodovico.
+Qualificiert uns, wie ihr uns findet.
+
+Jago.
+Signor Lodovico?--
+
+Lodovico.
+Er selbst, mein Herr.
+
+Jago.
+Ich bitte tausendmal um Vergebung! Hier ligt Cassio, von
+Meuchelmoerdern verwundet.
+
+Gratiano.
+Cassio?
+
+Jago.
+Wie steht's um dich, Bruder?
+
+Cassio.
+Mein Bein ist entzwey gehauen.
+
+Jago.
+Das verhuete der Himmel! Licht, meine Herren, ich will ihn mit
+meinem Hemde verbinden.
+
+
+
+Vierte Scene.
+ (Bianca zu den Vorigen.)
+
+
+Bianca.
+Was ist hier fuer ein Lerm? He, wer ist der, so ruft?
+
+Cassio.
+Wer ist der, so ruft?
+
+Bianca.
+O mein liebster Cassio! Mein suesser Cassio! O, Cassio, Cassio!
+Cassio!
+
+Jago.
+O merkwuerdige Meze! Cassio, koennt ihr nicht errathen, wer
+diejenigen seyn moegen, die euch so zugerichtet haben?
+
+Cassio.
+Nein.
+
+Gratiano.
+Es bekuemmert mich sehr, euch so zu finden. Ich war im Begriff,
+euch aufzusuchen.
+
+Jago.
+Lehnt mir ein Knieband. So--O wenn wir nur einen Lehn-Sessel
+haetten, um ihn bequemer wegzutragen!
+
+Bianca.
+O Himmel, er wird ohnmaechtig. O Cassio, Cassio, Cassio!
+
+Jago.
+Meine Herren allerseits; ich hab' eine Vermuthung, dass dieser
+Buendel hier Antheil an dem veruebten Bubenstuek haben moechte. Ein
+wenig Geduld, lieber Cassio; kommt, kommt: Leiht mir das Licht:
+Kennen wir dieses Gesicht oder nicht? O Himmel! Mein Freund, mein
+liebster Landsmann? Rodrigo? Nein: ja, wuerklich: ja, es ist
+Rodrigo.
+
+Gratiano.
+Wie, von Venedig?
+
+Jago.
+Eben er, mein Herr; kanntet ihr ihn?
+
+Gratiano.
+Ob ich ihn kannte? Ah!
+
+Jago.
+Signor Gratiano! Ich bitte Eu. Gnaden sehr um Vergebung: Die
+Verwirrung bey einem so blutigen Auftritt muss die Entschuldigung
+meiner Unhoeflichkeit machen.
+
+Gratiano.
+Ich erfreue mich euch zu sehen.
+
+Jago.
+Wie geht's euch, Cassio? O, einen Arm-Sessel! Einen Arm-Sessel!
+
+Gratiano.
+Rodrigo?
+
+Jago.
+Er, Er, es ist Er--Wenn wir nur einen Sessel haetten, damit man ihn
+ohne Erschuetterung von hier wegbringen koennte; ich will den Wund-
+Arzt des Generals holen. Ihr, Mamsel, koenn't eure Muehe sparen.
+Der Mann, Cassio, der hier in seinem Blute ligt, war mein bester
+Freund. Was fuer ein Missverstaendniss war denn zwischen euch?
+
+Cassio.
+Keines in der Welt; ich kenn' ihn nicht einmal.
+
+Jago.
+Wie? Ihr seht ganz bleich aus?--Oh, tragt ihn doch aus der freyen
+Luft!--Bleibt doch hier, meine Gnaedige Herren--
+
+(Zu Bianca.)
+
+Seht ihr blass aus, Mamsel?--Merkt ihr meine Herren, wie verstoert
+ihre Augen herumfahren? Gut, gut, das bedeutet was, wir werden
+bald mehr hoeren. Betrachtet sie recht, ich bitte euch, seht sie an;
+seht ihr, meine Herren? O, ein boeses Gewissen wird reden, wenn
+alle Sprachen abgegangen waeren.
+
+
+
+Fuenfte Scene.
+ (Aemilia zu den Vorigen.)
+
+
+Aemilia.
+Ums Himmels willen, was giebt's hier? Was giebt's hier, Mann?
+
+Jago.
+Cassio ist hier im Dunkeln von Rodrigo und seinen Gesellen, welche
+entsprungen sind, angefallen worden; er ist uebel verwundet, und
+Rodrigo todt.
+
+Aemilia.
+O Jammer! der arme Cavalier! der arme, gute Cassio!
+
+Jago.
+Das sind die Fruechte vom Huren-Leben--Ich bitte dich, Aemilia, geh,
+frage den Cassio, wo er heute zu Nacht gegessen habe--
+
+(zu Bianca.)
+
+Wie, zittert ihr vor dieser Frage?
+
+Bianca.
+Er ass in meinem Hause zu Nacht, aber ich zittre nicht desswegen.
+
+Jago.
+O, that er das?--ich arretiere euch hier--kommt mit mir.
+
+Aemilia.
+O fy, die garstige Hure!
+
+Bianca.
+Ich bin keine Hure, ich bin eine so ehrliche Frau als ihr, die mich
+so beschimpfst!
+
+Aemilia.
+Als ich? Pfuy, das garstige Ding!
+
+Jago.
+Meine liebsten Herren, wir wollen dafuer sorgen, dass Cassio
+verbunden wird. Kommt, Mamsell, wir wollen euch schon die Zunge
+loesen. Aemilia, lauft ihr in die Citadelle, und sagt dem General
+und der Gnaedigen Frauen was begegnet ist: Wollt ihr voran gehen?--
+
+(vor sich.)
+
+Der Ausgang dieser Nacht wird mein Gluek oder meinen Untergang
+entscheiden.
+
+(Sie gehen ab, Jago zulezt.)
+
+
+
+Sechste Scene.
+ (Ein Schlaf-Zimmer. Desdemona in einem Bette, wovon der Vorhang
+ halb weggezogen ist.)
+ (Othello tritt mit einem Degen in einer, und einem Licht in der
+ andern Hand auf.)
+
+
+Othello.
+Die Beleidigung ist zu gross, zu gross, meine Seele--Lasst sie mich
+nicht vor euch nennen, ihr keuschen Sterne! Sie ist zu gross!--Und
+doch will ich ihr Blut nicht vergiessen, noch diese ihre Haut
+zerrizen, die weisser als Schnee, und so glatt wie Alabaster ist.
+
+(Er legt seinen Degen nieder.)
+
+Und doch muss sie sterben; sie wuerde sonst noch mehr Ungluekliche
+machen. Das Licht ausgeloescht, und dann--Das Licht ausloeschen--O
+du dienstbare Flamme, wenn ich dich ausloesche, und es gereut mich,
+so kan ich dir dein Licht wieder geben: Aber wenn (dein) Licht
+einmal ausgeblasen ist, du vollkommenstes Modell der sich selbst
+uebertreffenden Natur, so weiss ich nicht, wo dieser prometheische
+Funke ist, der es wieder anzuenden kan--
+
+(Er stellt das Licht hin.)
+
+Wenn ich deine Rose abgepfluekt habe, so kan ich ihr den belebenden
+Geist nicht wiedergeben; sie muss verwelken--Ich will dich noch am
+Stoke riechen--
+
+(Er kuesst sie.)
+
+--O du balsamischer Athem, fast koenntest du die Gerechtigkeit
+bewegen ihr Schwerdt zu zerbrechen--Noch einen; noch einen--Sey so,
+wenn du todt bist, und ich will dich erst ermorden, und dann lieben--
+noch einen, der soll der lezte seyn--Holdseliges Geschoepf, wie
+Schade, dass du sterben sollst! Ich muss weinen, aber es sind
+grausame Thraenen--Sie weinen auf die Hand, die dir den Tod bringt--
+Sie erwacht.
+
+Desdemona.
+Wer ist hier? Othello?
+
+Othello.
+Ja, Desdemona.
+
+Desdemona.
+Wollt ihr zu Bette kommen, mein Gemahl?
+
+Othello.
+Habt ihr euer Nachtgebet gebetet, Desdemona?
+
+Desdemona.
+Ja, mein Herr.
+
+Othello.
+Wenn ihr euch noch irgend eines Verbrechens erinnert, worueber ihr
+euch mit dem Himmel noch nicht ausgesoehnt habt, so saeumt euch nicht,
+um seine Gnade zu flehen.
+
+Desdemona.
+O Gott! was meynt ihr mit dieser Aufforderung?
+
+Othello.
+Gut, thu es, und machs kurz; ich will bey Seite gehen. Ich moechte
+dich nicht unbereitet ueberraschen, nein, (der Himmel bewahre mich
+davor!) ich moechte deine Seele nicht ermorden.
+
+Desdemona.
+Redet ihr von ermorden?
+
+Othello.
+Ja, das thu ich.
+
+Desdemona.
+So erbarme sich der Himmel ueber mich!
+
+Othello.
+Amen, von ganzem Herzen.
+
+Desdemona.
+Wenn ihr so sagt, so werdet ihr mich doch nicht umbringen wollen.
+
+Othello.
+Hum!
+
+Desdemona.
+Und doch fuercht' ich euch; ihr seyd gefaehrlich, wenn eure Augen so
+rollen. Warum ich mir foerchten soll, weiss ich nicht, da ich mir
+keiner Schuld bewusst bin; und doch fuehl' ichs, dass mir bang ist.
+
+Othello.
+Denk an deine Suenden.
+
+Desdemona.
+Ich kenne keine, als die zu grosse Liebe, die ich zu euch trage.
+
+Othello.
+Ja, und davor must du sterben.
+
+Desdemona.
+Das ist unnatuerlich, Liebe mit dem Tode zu bestrafen. O Gott!
+Warum beisst ihr so in eure Unter-Lippe? Irgend ein blutiges
+Vorhaben erschuettert euern ganzen Bau; das sind fuerchterliche
+Vorbedeutungen; und doch hoff' ich, ich hoffe, sie zielen nicht auf
+mich.
+
+Othello.
+Schweig, und sey still.
+
+Desdemona.
+Ich will; was habt ihr dann?
+
+Othello.
+Das Schnupftuch, das mir so lieb war, und das ich dir gab, gabst du
+dem Cassio?
+
+Desdemona.
+Nein, bey meinem Leben und meiner Seele; schikt nach ihm, und fragt
+ihn.
+
+Othello.
+Holde Seele, nimm dich in Acht, nimm dich vor Meineyd in Acht; du
+bist auf deinem Tod-Bette.
+
+Desdemona.
+Ja, aber doch noch nicht izt zu sterben.
+
+Othello.
+Diesen Augenblik; entlade dich also durch ein aufrichtiges
+Bekenntniss deiner Suende; denn wenn du auch jeden Artikel mit einem
+Eyde laeugnen wuerdest, so wuerd' es unvermoegend seyn, die tiefe
+Ueberzeugung zu erschuettern, die mir diesen Seufzer erpresst. Du
+must sterben.
+
+Desdemona.
+O Himmel, erbarme dich meiner!
+
+Othello.
+Ich sag, Amen.
+
+Desdemona.
+Und erbarmt ihr euch auch!--Nie, in meinem Leben hab ich euch nie
+beleidigt; niemals diesen Cassio geliebt, als mit dieser
+allgemeinen Liebe, die der Himmel selbst billigt und fordert. Ich
+gab ihm niemalen kein Andenken.
+
+Othello.
+Beym Himmel, ich sah mein Schnupftuch in seiner Hand. O
+meineydiges Weibsbild! du versteinerst mein Herz! du machst, dass
+ich das was ich zu thun vorhabe, einen Mord nennen muss, da ich es
+fuer ein Opfer hielt. Ich sah das Schnupftuch.
+
+Desdemona.
+So hat er's also gefunden; ich gab' es ihm nie; schikt nach ihm,
+lasst ihn die Wahrheit gestehen.
+
+Othello.
+Er hat gestanden.
+
+Desdemona.
+Was, mein Gemahl?
+
+Othello.
+Dass er--mit dir zu thun gehabt--
+
+Desdemona.
+Wie, auf eine unerlaubte Art?
+
+Othello.
+Ja.
+
+Desdemona.
+Das kan er nicht sagen.
+
+Othello.
+Nein, sein Mund ist verstopft. Der ehrliche Jago hat davor gesorgt.
+
+Desdemona.
+Wie, ist er todt?
+
+Othello.
+Waer' in jedem seiner Haare ein eignes Leben gewesen, meine grosse
+Rache haette Zorn genug fuer alle gehabt.
+
+Desdemona.
+O Gott, so ist er verrathen, und ich bin verlohren!
+
+Othello.
+Weg mit dir, Schandhure! Weinst du vor meinen Augen um ihn?
+
+Desdemona.
+Verbanne mich, lieber Mann, toedte mich nur nicht.
+
+Othello.
+Hinab, unzuechtiger Balg!
+
+Desdemona.
+Toedte mich morgen, lass mich nur diese Nacht noch leben.
+
+Othello.
+Nein, wenn du dich straeubst--
+
+Desdemona.
+Nur noch eine halbe Stunde.
+
+Othello.
+Schweige, du bekommst keinen Aufschub.
+
+Desdemona.
+Nur so lang ich ein Vater Unser beten kan.
+
+Othello.
+Es ist zu spaet.
+
+(Er erstekt sie.)
+
+
+
+Siebende Scene.
+ (Aemilia, vor der Thuere.)
+
+
+Aemilia.
+Gnaediger Herr, Gnaediger Herr! He! Gnaediger Herr!
+
+Othello.
+Was fuer ein Getoes ist das?--Noch nicht todt? noch nicht voellig
+todt? So grausam ich bin, bin ich doch barmherzig; ich wollte dich
+nicht gern lang leiden lassen--So, so.
+
+Aemilia (vor der Thuere.)
+Wie? he! Gnaediger Herr! Gnaediger Herr!
+
+Othello.
+Wer ist da?
+
+Aemilia.
+O mein lieber Gnaediger Herr, ich moechte nur ein Wort mit euch reden.
+
+Othello.
+Ja, es ist Emilia--In einem Augenblik--sie ist todt--Vermuthlich
+wird sie mir die Nachricht von Cassios Tode bringen--Der Lerm war
+gross--Ha, du ruehrst dich nicht mehr? Still wie ein Grab. Soll ich
+sie hereinlassen? Waer' es gut? Mich daeucht, sie ruehrt sich wieder-
+-Nein--Was ist das Beste? Wenn sie herein koemmt, so wird sie mit
+meinem Weibe reden wollen; meinem Weib? Meinem Weib? Was fuer
+einem Weib? Ich habe kein Weib--O Unertraeglich! o bange Stunde!
+Mich daeucht, es sollte izt eine dichte Verfinsterung der Sonne und
+des Monds seyn, und der geschrekte Erdball sollte vor Entsezen
+beben--
+
+Aemilia.
+Ich bitte euch, nur ein paar Worte, ach; mein lieber Gnaediger Herr!
+--
+
+Othello.
+Ich hatte dich vergessen; oh, komm herein, Aemilia. Sachte,
+augenbliklich, ich muss nur erst den Vorhang ziehen.--Wer bist du?
+Was willst du?
+
+(Er riegelt die Thuer auf.)
+
+(Aemilia kommt herein.)
+
+Aemilia.
+Ach, Gnaediger Herr, es ist eine greuliche Mordthat begangen worden!
+
+Othello.
+Wie? izt?
+
+Aemilia.
+Eben izt, Gnaediger Herr.
+
+Othello.
+Da hat der Mond die Schuld; er ist der Erde naeher gekommen als
+seine Gewohnheit ist, und nun werden alle Leute toll.
+
+Aemilia.
+Cassio hat einen jungen Venetianer, Rodrigo genannt, umgebracht.
+
+Othello.
+Rodrigo umgebracht? und Cassio umgebracht?
+
+Aemilia.
+Nein, Cassio ist nicht todt.
+
+Othello.
+Cassio ist nicht todt? So ist die Rache nur halb befriedigt.
+
+Desdemona.
+O unbillig, unbillig ermordet!--
+
+Aemilia.
+Gott helf uns! was fuer ein Geschrey ist das?
+
+Othello.
+Das? Was?
+
+Aemilia.
+O Himmel, es war meiner Gnaedigen Frauen Stimme. Zu Huelfe, zu Huelfe!
+He! zu Huelfe! O Gnaedige Frau, redet weiter; englische Desdemona,
+o meine theureste Gebieterin, redet!
+
+Desdemona.
+Ich sterbe unschuldig.
+
+Aemilia.
+O, wer hat diese entsezliche That gethan?
+
+Desdemona.
+Niemand, ich selbst, lebe wohl; bringe meinem guetigen Gemahl meinen
+lezten Gruss; o, lebe wohl.
+
+(Sie stirbt.)
+
+Othello.
+Wie, wie sollte sie ermordet worden seyn?
+
+Aemilia.
+O Gott! wer weiss das?
+
+Othello.
+Ihr hoertet's, sie sagte selbst, ich sey's nicht gewesen.
+
+Aemilia.
+Sie sagte so, ich kan nichts anders sagen.
+
+Othello.
+Sie ist als eine Luegnerin zur Hoelle gefahren; ich war's, der sie
+ermordete.
+
+Aemilia.
+Oh, desto mehr Engel ist sie nun, und du ein desto schwaerzerer
+Teufel.
+
+Othello.
+Sie ergab sich der Leichtfertigkeit, sie war eine Hure.
+
+Aemilia.
+Du laesterst sie, du bist ein Teufel.
+
+Othello.
+Sie war falsch wie Wasser.
+
+Aemilia.
+Und du bist rasch wie Feuer, wenn du das sagst. Oh, sie war ein
+Engel von Unschuld.
+
+Othello.
+Sie liess sich von Cassio deken; frag deinen Mann, wenn du's nicht
+glauben willst. Welcher Abgrund in der flammenden Hoelle waere tief
+genug fuer mich, wenn ich ohne die staerksten Gruende so weit gegangen
+waere? Dein Mann weiss alles.
+
+Aemilia.
+Mein Mann?
+
+Othello.
+Dein Mann.
+
+Aemilia.
+Das sie ihrem Ehbett untreu war?
+
+Othello.
+Ja, mit Cassio. Waere sie treu gewesen, glaube mir, wenn mir der
+Himmel noch eine solche Welt, wie diese, aus einem einzigen ganzen
+Chrysolith haette machen wollen, ich haette sie nicht darum gegeben.
+
+Aemilia.
+Mein Mann!
+
+Othello.
+Ja, er war's, der mir die erste Nachricht davon gab. Er ist ein
+ehrlicher Mann, und ein Feind schaendlicher Thaten.
+
+Aemilia.
+Mein Mann!
+
+Othello.
+Wozu soll diese doppelte Ausruffung, Weib? Ich sage, dein Mann.
+
+Aemilia.
+O meine Gebieterin! Arglistige Bosheit hat die eifersuechtige Liebe
+betrogen, und du bist das Opfer. Mein Mann soll gesagt haben, sie
+sey ungetreu!
+
+Othello.
+Er, Weibsbild; ich sage, dein Mann; verstehst du das Wort? Mein
+Freund, dein Mann, der ehrliche, rechtschaffne Jago.
+
+Aemilia.
+Wenn er das sagt, so verderbe seine verruchte Seele in langsam
+marternden Qualen! Er luegt's in sein Herz hinein! Nur zu sehr
+liebte sie den hassenswuerdigen Teufel, mit dem sie sich beladen
+hatte.
+
+Othello.
+Ha!--
+
+Aemilia.
+Thu dein aergstes; diese greuliche That, die du gethan hast, ist den
+Himmel nicht mehr werth, wie du ihrer werth warst.
+
+Othello.
+Schweigen waere das rathsamste fuer dich.
+
+Aemilia.
+Du kanst nicht halb so geneigt seyn, mir Leid anzuthun, als ich es
+wuensche: o Erzbetrueger! o dummer Kerl! dumm wie Mist! du hast
+eine That gethan--ich frage nichts nach deinem Degen, ich will
+bekannt machen wer du bist, und wenn ich zwanzig Leben zu
+verliehren haette--Huelfe! Huelfe! He! Huelfe! Der Mohr hat meine
+Frau umgebracht. Huelfe, Huelfe!
+
+
+
+Achte Scene.
+ (Montano, Gratiano, Jago und andre treten auf.)
+
+
+Montano.
+Was giebt es hier? Wie, was bedeutet das, General?
+
+Aemilia.
+O, seyd ihr auch da, Jago? Ihr habt es weit gebracht, dass die
+Leute ihre Mordthaten auf euern Hals schieben.
+
+Gratiano.
+Was soll dieses bedeuten?
+
+Aemilia.
+Wiedersprich diesem Boesewicht, wenn du ein Mann bist; er giebt aus,
+du habest ihm gesagt, seine Frau sey untreu gewesen: Ich bin gewiss,
+du hast es nicht gesagt; du bist kein solcher Bube! Rede, mein
+Herz ist so voll, dass es zerspringen wird.
+
+Jago.
+Ich sagte ihm was ich dachte; und nicht mehr, als er selbst
+glaubwuerdig und wahr befand.
+
+Aemilia.
+Aber sagtet ihr ihm jemals, sie sey untreu?
+
+Jago.
+Ja, das that ich.
+
+Aemilia.
+So sagtet ihr eine Luege. eine hassenswuerdige, verdammte Luege; auf
+meine Seel', eine Luege; eine verfluchte Luege. Sie untreu mit
+Cassio? Sagtet ihr, mit Cassio?
+
+Jago.
+Mit Cassio, Frau; geht, geht, und lasst euch eure Zunge legen.
+
+Aemilia.
+Das will ich nicht; ich will, ich muss reden; es ist meine Pflicht,
+dass ich rede. Meine Frau ligt hier ermordet in ihrem Bette.
+
+Alle.
+Das wolle der Himmel nicht!
+
+Aemilia.
+Und eure Ohrenblaesereyen sind der Antrieb zu diesem Mord gewesen.
+
+Othello.
+Nein, seht nicht so erschroken aus, meine Herren; es ist wahr, es
+ist wuerklich so.
+
+Gratiano.
+Das ist eine verwuenschte Wahrheit.
+
+Montano.
+O ungeheure That!
+
+Aemilia.
+Bueberey! Schaendliche versuchte Bueberey! Ich seh--ich rieche sie--
+Verdammte Bueberey!--Ich dachte gleich--O, ich moechte vor Schmerz
+Hand an mich selbst legen--o Bueberey! Bueberey!
+
+Jago.
+Wie, seyd ihr toll? Ich befehls euch, pakt euch heim.
+
+Aemilia.
+Meine liebe Herren, erlaubt mir dass ich reden darf, ich bin ihm
+sonst Gehorsam schuldig, aber nicht izt: Vielleicht, Jago, werd'
+ich nie wieder heim gehen.
+
+Othello.
+O! O! O!
+
+(Er sinkt auf das Bette.)
+
+Aemilia.
+Ja, leg dich nur hin, und heule: Du hast die liebenswuerdigste
+Unschuldige umgebracht, die jemals geathmet hat.
+
+Othello (auffahrend.)
+O, sie war lasterhaft!--Ich erkenn' euch erst izt, Oheim; hier ligt
+eure Nichte, deren Athem, ich bekenn' es, diese Haende nur eben
+gestopft haben; ich weiss es, diese That sieht graesslich aus.
+
+Gratiano.
+Arme Desdemona! Ich bin froh, dass dein Vater todt ist: Deine
+Heurath kuerzte ihm das Leben ab. Lebte er noch, dieser Anblik
+wuerde ihn zur Verzweiflung treiben; ja, er wuerde seinen guten Engel
+von seiner Seite wegfluchen, und in Verzweiflung sterben.
+
+Othello.
+Es ist erbarmenswuerdig; aber Jago weiss es, dass sie die schaamvolle
+That mit Cassio wol tausendmal begangen hat. Cassio hat es
+eingestanden; und zu Vergeltung seiner Liebes-Proben gab sie ihm
+das, womit ich ihr das erste Geschenk gemacht hatte; ich sah es in
+seiner Hand; es war ein Schnupftuch, ein altes Andenken, das mein
+Vater meiner Mutter gegeben hatte.
+
+Aemilia.
+O Himmel! O himmlische Maechte!
+
+Jago.
+Schweig, sag ich dir!
+
+Aemilia.
+Es muss heraus, es muss heraus--Ich, schweigen? Lasst Engel, Menschen
+und Teufel, lasst sie alle, alle, alle Schaam ueber mich schreyen,
+wenn ich nicht rede.
+
+Jago.
+Sey klug und geh heim.
+
+(Jago will sein Weib ermorden, und wird zuruek gehalten.)
+
+Gratiano.
+Fy, euern Degen gegen ein Weibsbild!
+
+Aemilia.
+O du dummer Mohr! Dieses Schnupftuch, wovon du redst, fand ich von
+ungefehr, und gab es meinem Manne, der mich gar oft aufs
+instaendigste, angelegenste, (mehr, in der That, als eine solche
+Kleinigkeit werth war,) bat, dass ich es stehlen moechte.
+
+Jago.
+Verfluchte Hure!
+
+Aemilia.
+Sie soll es dem Cassio gegeben haben? Weh mir! ich fand es, und
+gab es meinem Manne!
+
+Jago.
+Rabenaass! du luegst.
+
+Aemilia.
+Beym Himmel! ich luege nicht; ich luege nicht, meine Herren; o du
+meuchelmoerdrischer Dummkopf! Was sollte ein solcher Narr mit einer
+so vortreflichen Frau machen?
+
+(Jago bricht los, verwundet seine Frau, und entspringt.)
+
+Othello.
+Sind keine Donnerkeile mehr im Himmel? Wozu nuezt dann der Donner?
+Unerhoerter Lotterbube!
+
+Gratiano.
+Sie faellt; er hat sein Weib umgebracht--
+
+Aemilia.
+Ja, ja; oh, legt mich an meiner Frauen Seite.
+
+Gratiano.
+Seine Frau ist ermordet, und er ist entlauffen.
+
+Montano.
+Das ist ein entsezlicher Boesewicht; nehmt diesen Degen in
+Verwahrung, damit ihn der Mohr nicht erhasche; kommt, besezt die
+auswendigen Thueren, lasst ihn nicht durch; toedtet ihn eher; ich
+selbst will diesem Boesewicht nach; es ist ein verdammter Geselle!
+
+(Montano und Gratiano gehen ab.)
+
+
+
+Neunte Scene.
+
+
+Othello.
+Ich bin auch nicht mehr tapfer; ein jeder kleiner Klopffechter
+nimmt mir meinen Degen weg. Aber warum sollte die Ehre die Tugend
+ueberleben? Lasst immer alles dahin fahren!
+
+Aemilia.
+Was bedeutete dein Gesang, meine Gebieterin? Hoere, kanst du mich
+hoeren? Ich will den Schwanen machen, und singend sterben; (Weide,
+Weide, Weide--)--Mohr, sie war keusch; sie liebte dich, grausamer
+Mohr; so sehe mein Geist die Seligkeit, wie ich die Wahrheit rede,
+und diese Wahrheit--sey mein leztes Wort--
+
+(Sie stirbt.)
+
+Othello.
+Ich habe noch einen andern Degen in diesem Zimmer, eine Spanische
+Klinge, mit Wasser aus dem Ebro gestaehlt; o, hier ist sie: Oheim,
+ich muss hinaus.
+
+Gratiano (vor der Thuere.)
+Wenn du es versuchst, wird es dir theuer zu stehen kommen; du hast
+kein Gewehr, und sollst dich unterwerfen, du magst wollen oder
+nicht.
+
+Othello.
+So schau zu mir herein und rede mit mir, oder ich will ohne Gewehr
+ueber dich.
+
+(Gratiano kommt herein.)
+
+Gratiano.
+Was wollt ihr?
+
+Othello.
+Seht! ich hab ein Gewehr; ein schoeneres hieng niemals an eines
+Soldaten Huefte. Ich habe den Tag gesehen, da ich mit diesem
+kleinen Arm, und diesem guten Degen mir durch mehr Hinternisse
+einen Weg machte, als zwanzig solche Waechter wie ihr seyd. Aber, o
+eitle Pralerey! Wer kan ueber sein Schiksal Meister werden? Es ist
+nun ein anders. Erschreket nicht, ob ihr mich gleich bewaffnet
+sehet; hier ist das Ende meiner Fahrt, hier ist mein Ziel, die
+aeusserste Marke, die mein leztes Segel noch erreichen kan--tretet
+ihr erschroken zuruek? Es ist eine vergebliche Furcht: Zueket nur
+ein Schilfrohr gegen Othello's Brust, so wird er sich zuruekziehen.
+Wo sollte Othello hin gehen? Nun--
+
+(Er sieht auf Desdemona.)
+
+--Wie siehst du nun aus? Ungluekliches Geschoepf! wie bleich! Wenn
+wir vor Gericht zusammen kommen, wird diese Mine, die du hast,
+meine Seele vom Himmel herabschleudern, und Teufel werden sie
+auffangen--Kalt, kalt, mein Maedchen; kalt, wie deine Keuschheit--O
+verfluchter Sclave! Peitscht mich, ihr boesen Geister, peitscht
+mich vom Genuss dieses himmlischen Anschauens weg; zerstaeubt mich in
+die Winde, roestet mich in Schwefel, wascht mich in bodenlosen
+Schluenden von fluessigem Feuer--O Desdemona! Desdemona! todt!
+todt! oh, oh!
+
+
+
+Zehnte Scene.
+ (Lodovico, Cassio, der hereingefuehrt wird, Montano, Jago gebunden,
+ und einige Officiers, zu den Vorigen.)
+
+
+Lodovico.
+Wo ist dieser rasche und hoechst ungluekliche Mann?
+
+Othello.
+Das ist der, der einst Othello war, hier bin ich.
+
+Lodovico.
+Wo habt ihr diese Viper? Bringt den Buben hervor!
+
+Othello.
+Ich seh ihm auf die Fuesse; aber das ist eine Fabel. Wenn du ein
+Teufel bist, so kan ich dich nicht toedten.
+
+(Othello stoesst nach Jago, und verwundet ihn.)
+
+Lodovico.
+Windet ihm seinen Degen aus den Haenden.
+
+Jago.
+Ich blute, Herr, aber ich lebe noch.
+
+Othello.
+Auch ist es mir nicht leid; ich will dass du lebest; du verdienst
+nicht, so glueklich zu seyn und zu sterben.
+
+Lodovico.
+O du, Othello, einst ein so vortrefflicher Mann--nun in die
+Fallstrike eines verruchten Sclaven gefallen--was soll man zu dir
+sagen?
+
+Othello.
+Wie, was man will; dass ich ein ehrlicher Moerder sey, wenn ihr wollt:
+Denn was ich that, that ich nicht aus Hass, sondern meine Ehre zu
+raechen.
+
+Lodovico.
+Dieser Unselige hat einen Theil seines Bubenstueks eingestanden:
+Beschlosset ihr und er mit einander, den Cassio zu ermorden?
+
+Othello.
+Ja.
+
+Cassio.
+Mein theurer General, ich gab euch niemals Ursache dazu.
+
+Othello.
+Ich glaub es, und bitte euch um Vergebung: Wollt ihr, ich bitte
+euch, diesen Halb-Teufel fragen, warum er meinen Leib und meine
+Seele so verstrikt habe?
+
+Jago.
+Fragt mich nichts; was ihr wisst, das wisst ihr; von diesem Augenblik
+an soll kein Wort mehr aus meinem Munde gehen.
+
+Lodovico.
+Wie? Auch nicht zum Beten?
+
+Gratiano.
+Foltern sollen dir den Mund schon aufthun.
+
+Othello.
+Gut, du thust am besten.
+
+Lodovico.
+Mein Herr, mich daeucht, ihr seht noch nicht klar in der Sache;
+diese zween Briefe, die man in des erschlagenen Rodrigo Tasche
+gefunden, werden euch aus dem Wunder helfen. Einer davon enthaelt
+die Ermordung des Cassio, welche Rodrigo auf sich nehmen sollte--
+
+Othello.
+O Boesewicht!
+
+Cassio.
+Mehr als heidnisch!
+
+Lodovico.
+Und hier ist der andre, die Antwort, die, dem Ansehen nach, Rodrigo
+ihm zugeschikt haben wollte, wenn Jago nicht indessen selbst
+gekommen und ihn befriediget haette.
+
+Othello.
+O du verpesteter Bube!--Wie kam't ihr zu meines Weibs Schnupftuch,
+Cassio?
+
+Cassio.
+Ich fand es in meiner Kammer, und er gestuhnd uns eben izt, dass er
+es in einer besondern Absicht daselbst hingeworfen habe, welche er
+auch nach Herzens-Lust erreicht habe.
+
+Othello.
+O Narr! Narr! Narr! der ich war!
+
+Cassio.
+Hier ist auch noch in Rodrigo's Briefe, wie er ihm vorwirft, dass er
+ihn vermocht habe, mich auf der Wache zu beschimpfen; welches die
+Gelegenheit dazu gab, dass ich cassiert wurde: Und eben erst, da er
+nach einer langen Ohnmacht, worinn er fuer todt gehalten wurde,
+wieder zu sich selbst kam, sagte er, Jago selbst habe ihm den Rest
+gegeben.
+
+Lodovico (zu Othello.)
+Ihr muesst nun diesen Ort verlassen, und mit uns gehen: Eure Gewalt
+ist euch abgenommen, und Cassio regiert nun in Cypern. Was diesen
+Sclaven betrift, wenn irgend eine sinnreiche Marter ausgedacht
+werden kan, die ihn die grausamste Pein leiden mache, ohne ihn zu
+bald aufzureiben, so wartet sie auf ihn. Ihr, Othello, sollt in
+enger Verwahrung bleiben, bis die Beschaffenheit eures Vergehens
+der Regierung von Venedig bekannt gemacht seyn wird. Kommt, fuehret
+ihn hinweg.
+
+Othello.
+Sachte; ein paar Worte, eh ihr geht. Ich habe dem Staat einige
+Dienste geleistet, und sie wissen's: Nichts mehr davon. Ich bitte
+euch, wenn ihr in euern Briefen diese ungluekliche Geschicht'
+erzaehlet, so redet von mir wie ich bin; verkleinert meine Fehler
+nicht, aber macht mich auch nicht schlimmer als ich war. Redet
+also von einem, der nicht weislich liebte, aber zu sehr; von einem
+der nicht leicht eiferte; aber nachdem er einmal von dieser
+Leidenschaft ergriffen war, keine Grenzen kannte; von einem, dessen
+Hand gleich dem verworfnen Juden (Herodes) eine Perle wegwarf,
+deren unschaezbaren Werth sein ganzer Stamm nicht bezahlen konnte;
+von einem dessen ungewohnte Augen, ihr gleich Arabiens Balsam-
+Staude Thraenen, Jammer-lindernde Thraenen quellen sahet. Dieses
+schreibet, und sezt hinzu, dass ich einst in Aleppo, wo ein
+bosshafter, schelmischer Tuerke einen Venetianer schlug und auf den
+Staat schimpfte, den beschnittnen Hund bey der Gurgel gefasst, und
+ihn so gekizelt habe.
+
+(Er ersticht sich.)
+
+Lodovico.
+O blutige Nacht!
+
+Gratiano.
+Hier verliehren Worte alle ihre Kraft!
+
+Othello (zu Desdemona.)
+Ich kuesste dich, eh ich dich toedtete; nun ist nichts uebrig, als da
+ich mich selbst getoedtet habe, mit einem Kuss zu sterben.
+
+(Er sinkt auf Desdemonens Leiche und stirbt.)
+
+Cassio.
+Das besorgte ich, aber ich glaubte nicht, dass er ein Gewehr habe;
+er hatte ein grosses Herz.
+
+Lodovico (zu Jago.)
+O Spartanischer Hund, verderblicher als Pest, Hunger, oder die
+tobende See! Schau auf die jammervolle Last dieses Bettes hin; das
+ist dein Werk; der graessliche Anblik vergiftet das Gesicht--Lasst ihn
+verhuellen, Gratiano. Behaltet das Haus, und bemaechtigt euch des
+Vermoegens des Mohren, denn ihr seyd sein Erbe.
+
+(Zu Cassio.)
+
+Euch, Herr Statthalter, verbleibt die Abstraffung dieses hoellischen
+Bubens, die Zeit, der Ort, die Marter, o! lasst sie so greulich als
+seine Bosheit seyn. Ich selbst eile zu Schiffe, um mit schwerem
+Herzen dem Staat diesen jammervollen Zufall vorzutragen.
+
+Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Othello, von William Shakespeare
+(Uebersetzt von Christoph Martin Wieland)
+
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Othello, by Shakespeare
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK OTHELLO ***
+
+This file should be named 7185.txt or 7185.zip
+Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7gs3211.txt
+VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7gs3210a.txt
+
+Produced by Delphine Lettau
+
+Project Gutenberg eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US
+unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+We are now trying to release all our eBooks one year in advance
+of the official release dates, leaving time for better editing.
+Please be encouraged to tell us about any error or corrections,
+even years after the official publication date.
+
+Please note neither this listing nor its contents are final til
+midnight of the last day of the month of any such announcement.
+The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at
+Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A
+preliminary version may often be posted for suggestion, comment
+and editing by those who wish to do so.
+
+Most people start at our Web sites at:
+https://gutenberg.org or
+http://promo.net/pg
+
+These Web sites include award-winning information about Project
+Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new
+eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!).
+
+
+Those of you who want to download any eBook before announcement
+can get to them as follows, and just download by date. This is
+also a good way to get them instantly upon announcement, as the
+indexes our cataloguers produce obviously take a while after an
+announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter.
+
+http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or
+ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03
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+Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90
+
+Just search by the first five letters of the filename you want,
+as it appears in our Newsletters.
+
+
+Information about Project Gutenberg (one page)
+
+We produce about two million dollars for each hour we work. The
+time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours
+to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright
+searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our
+projected audience is one hundred million readers. If the value
+per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2
+million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text
+files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+
+We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
+If they reach just 1-2% of the world's population then the total
+will reach over half a trillion eBooks given away by year's end.
+
+The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks!
+This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
+which is only about 4% of the present number of computer users.
+
+Here is the briefest record of our progress (* means estimated):
+
+eBooks Year Month
+
+ 1 1971 July
+ 10 1991 January
+ 100 1994 January
+ 1000 1997 August
+ 1500 1998 October
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+ 2500 2000 December
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+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created
+to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium.
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+We need your donations more than ever!
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+Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West
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+We have filed in all 50 states now, but these are the only ones
+that have responded.
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+will be made and fund raising will begin in the additional states.
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+We are constantly working on finishing the paperwork to legally
+request donations in all 50 states. If your state is not listed and
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+made and fund-raising will begin in the additional states.
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+(Three Pages)
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