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| author | Roger Frank <rfrank@pglaf.org> | 2025-10-15 05:29:08 -0700 |
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You can also find out about how to make a +donation to Project Gutenberg, and how to get involved. + + +**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** + +**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** + +*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** + + +Title: Othello + +Author: William Shakespeare + +Release Date: December, 2004 [EBook #7185] +[Yes, we are more than one year ahead of schedule] +[This file was first posted on March 24, 2003] + +Edition: 10 + +Language: German + +Character set encoding: ISO-Latin-1 + +*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK OTHELLO *** + + + + +Produced by Delphine Lettau + + + + +Othello, der Mohr von Venedig. + +William Shakespeare + +Ein Trauerspiel. + +Übersetzt von Christoph Martin Wieland + +Personen. + +Der Herzog von Venedig. +Brabantio, ein Edler Venetianer. +Gratiano, dessen Bruder, +Lodovico, derselben Neffe. +Othello, der Mohr, Venetianischer General in Cypern. +Cassio, sein General-Lieutenant. +Jago, Fähndrich des Othello. +Rodrigo, ein einfältiger Junker, in Desdemona verliebt. +Montano, des Mohren Vorfahrer im Commando zu Cypern. +Hans Wurst, des Mohren Diener. +Ein Herold. +Desdemona, des Brabantio Tochter. +Emilia, Jago's Weib. +Bianca, eine Courtisane, Cassio's Liebste. +Officiers, verschiedene Cavaliers, Abgeordnete, Musicanten, +Matrosen, und Bediente. + +Der Schau-Plaz ist im ersten Aufzug in Venedig; und durch das ganze +übrige Stük in Cypern. + + + + +Erster Aufzug. + + + +Erste Scene. + (Eine Strasse in Venedig.) + (Rodrigo und Jago treten auf.) + + +Rodrigo. +Stille, sage mir nichts mehr davon, ich nehm' es sehr übel, daß du, +Jago, der du mit meinem Beutel schalten und walten durftest, als ob +er dein eigen gewesen wäre, Nachricht von diesem-- + +Jago. +Ihr wollt mich ja nicht anhören: Wenn ich jemals von so was nur +geträumt habe, so seht mich als ein Scheusal an. + +Rodrigo. +Du sagtest mir, du trügest einen unversöhnlichen Haß gegen ihn. + +Jago. +Speyt mir ins Gesicht, wenn's nicht so ist. Drey grosse Männer in +dieser Stadt zogen, in eigner Person, die Müzen bis auf den Boden +vor ihm ab, daß er mich zu seinem Lieutenant machen möchte: Und, so +wahr ich ein ehrlicher Mann bin, ich kenne mich, ich weiß, daß ich +keinen schlechtern Plaz werth bin. + +Aber er, dessen hochmüthiger Eigensinn andre Absichten hatte, +entwischte ihnen mit einem Galimathias von Umständen, und +rauhtönenden Kriegs-Kunst-Wörtern; und das Ende vom Liede war, daß +er meine Gönner mit einer langen Nase abziehen ließ. Es ist mir +leid, sagt er, aber ihr kommt zu spät; ich habe mir meinen +Lieutenant schon ausersehen. Und wer ist denn der? Ein gewisser +Michel Cassio, ein Bursche, der noch keinen Feldzug gethan hat, der +von Anordnung eines Treffens gerade so viel versteht als eine Woll- +Spinnerin--nichts als was er aus Büchern gelernt, blosse Theorie, +wovon unsre ehrsamen, friedliebenden Senatoren eben so gelehrt +sprechen können als er; blosses Gewäsche, ohne Erfahrung--Das ist +alles, was er vom Krieg versteht--Der hatte den Vorzug; und ich, +von dem seine Augen in Rhodis, in Cypern, und in so vielen andern +Orten, auf Christlichem und Heidnischem Boden, die Proben gesehen +haben; ich muß mich mit Complimenten und Versprechungen abspeisen +lassen--ich bin euer Schuldner, mein Herr, habt Geduld wir wollen +schon Gelegenheit finden, mit einander abzurechnen, und dergleichen- +-Kurz, er muß nun sein Lieutenant seyn, und ich, Dank sey den +Göttern! seiner Mohrischen Excellenz demüthiger Fahnen-Junker. + +Rodrigo. +Beym Himmel, ich wollte lieber sein Profos seyn. + +Jago. +Dafür ist nun kein Kraut gewachsen Es geht im Dienste nicht anders; +Befördrung geht heutigs Tags nach Gunst und Empfehlungs-Schreiben, +und nicht nach der Zeit, die man im Dienste gewesen ist, wie vor +Zeiten, da der zweyte allemal den erstern erbte. Nun, mein Herr, +mach' ich euch selbst zum Richter, ob ich mit einigem Schein der +Wahrheit beschuldiget werden kan, daß ich den Mohren liebe. + +Rodrigo. +Ich möchte nicht gerne haben, daß du ihn begleitest. + +Jago. +O mein Herr, das laßt euch keine Sorge machen; ich begleite ihn, um +mir selbst auf seine Unkosten Dienste zu thun. Wir können nicht +alle Befehlhaber seyn, und nicht alle Befehlhaber können getreue +Diener haben. Ihr werdet in der Welt manchen Dienst-ergebenen, +knie-biegenden Schurken sehen, der unter einer vieljährigen treu- +eyfrigen Dienstbarkeit endlich so grau wird wie seines Herrn Esel, +ohne etwas anders davon zu haben, als daß er gefüttert, und wenn er +alt ist gar abgedankt wird. Peitscht mir solche gutherzige +Schurken--Dagegen giebt es andre, die zwar ihr Gesicht meisterlich +in pflichtschuldige Falten zu legen wissen, aber ihr Herz hingegen +vor aller fremden Zuneigung rein bewahren; die ihren Herren nichts +als den äusserlichen Schein der Ergebenheit und eines erdichteten +Eifers zeigen, aber eben dadurch ihre Sachen am besten machen, und +wenn sie ihre Pfeiffen geschnitten haben, davon gehen, und ihre +eigne Herren sind. Das sind noch Leute die einigen Verstand haben, +und ich habe die Ehre einer von ihnen zu seyn. Es ist so gewiß +als ihr Rodrigo seyd; wär' ich der Mohr, so möcht ich nicht Jago +seyn: izt dien ich, das wissen die Götter! bloß um mir selbst zu +dienen, und nicht aus Ergebenheit und Liebe--ich stelle mich zwar +so, aber das hat seine Absichten--denn wahrhaftig, wenn mein +Gesicht, und meine äusserlichen Handlungen die wahre innerliche +Gestalt meines Herzens zeigten, so würde mein Herz in kurzem den +Krähen zum Futter dienen--Mein guter Freund, ich bin nicht, was ich +scheine. + +Rodrigo. +Was für ein Glük macht der dik-maulichte Kerl, wenn er sie so davon +tragen kann! + +Jago. +Ruft ihren Vater auf, wekt ihn auf, macht Lerm, versalzt ihm +wenigstens seinen Spaß; ruft es in den Strassen aus, jagt ihre +Verwandten in den Harnisch, und wenn ihr ihn aus dem Paradiese, +worein er sich eingenistert hat, nicht vertreiben könnt, so plagt +ihn doch mit Fliegen, + +{ed. * Eine Anspielung auf die Beobachtung, daß die +schönsten und fruchtbarsten Gegenden des Erdbodens am meisten mit +Ungeziefer gestraft sind.} + +so daß seine Freude, wenn sie gleich nicht +völlig aufhört Freude zu seyn, doch wenigstens durch die +Verdrießlichkeiten womit sie unterbrochen wird, etwas von ihrer +Farbe verliere. + +Rodrigo. +Hier ist ihres Vaters Haus ich will ihm überlaut ruffen. + +Jago. +Thut es, und mit einem so gräßlichen Ton, und Zetter-Geschrey, als +wie wenn bey Nacht durch Nachlässigkeit Feuer in einer volkreichen +Stadt ausgekommen ist. + +Rodrigo. +He! holla! Brabantio! Signor Brabantio! he! + +Jago. +Wacht auf! he! holla! Brabantio! he! Diebe! Diebe! +Seht zu euerm Haus, zu eurer Tochter, und zu euern Geld-Säken: +Diebe! Diebe! + + + +Zweyte Scene. + (Brabantio zeigt sich oben an einem Fenster.) + + +Brabantio. +Was ist die Ursache dieser fürchterlichen Aufforderung? Was +giebt's hier? + +Rodrigo. +Signor, ist eure ganze Familie zu Hause? + +Jago. +Sind alle eure Thüren verriegelt? + +Brabantio. +Was sollen diese Fragen? + +Jago. +Sakerlot! Herr, man bestiehlt euch; zieht doch wenigstens einen +Rok an, und seht zu euern Sachen; man greift euch nach der Seele, +euer bestes Kleinod ist verlohren; eben izt in diesem Augenblik, +Herr, bespringt ein alter schwarzer Schaaf-Bok euer weisses Schaaf. +Auf, auf, wekt die schnarchenden Bürger mit der Sturm-Gloke, oder +der Teufel wird euch zum Großvater machen; auf, sag ich. + +Brabantio. +Wie? Habt ihr euern Verstand verlohren? + +Rodrigo. +Mein hochzuverehrender Herr und Gönner, kennt ihr meine Stimme +nicht? + +Brabantio. +Wahrlich nicht; wer seyd ihr dann? + +Rodrigo. +Mein Nam' ist Rodrigo. + +Brabantio. +Desto schlimmer! Hab ich dir nicht verboten, um meine Thüren +herum zu schwärmen? Hab ich dir nicht aufrichtig und ehrlich +herausgesagt, meine Tochter sey nicht für dich gemacht? Und izt, +nachdem du dich voll gefressen und gesoffen hast, kommst du in +tollem Muthe boshafter Weise den Narren mit mir zu treiben, und +mich in der Ruhe zu stören? + +Rodrigo. +Herr, Herr, Herr-- + +Brabantio. +Aber du darfst dich unfehlbar darauf verlassen, daß mein Unwille +und mein Ansehen es in ihrer Gewalt haben, dich theuer davor +bezahlen zu machen. + +Rodrigo. +Geduld, mein guter Herr. + +Brabantio. +Was sagst du mir von Dieben? Wir sind hier in Venedig; mein Haus +ist keine Scheure. + +Rodrigo. +Sehr ehrwürdiger Brabantio, ich komm in der Einfalt meines Herzens, +und in guter Meynung zu euch. + +Jago. +Sakerlot! Herr, ihr seyd, glaub ich, einer von denen die Gott den +Dienst aufkünden würden, wenn's der Teufel so haben wollte. Weil +wir kommen, und euch einen Dienst thun wollen, so meynt ihr wir +seyen Spizbuben; ihr wollt also haben, daß eure Tochter von einem +Barber-Hengst belegt werden soll; ihr wollt haben, daß eure Enkel +euch anwiehern; ihr wollt Postklepper zu Vettern und kleine +Andalusische Stutten zu Basen haben. + +Brabantio. +Was für ein heilloser Lotterbube bist du? + +Jago. +Ich bin einer, Herr, der ausdrüklich hieherkommt euch zu sagen, daß +eure Tochter und der Mohr im Begriff sind das Thier mit zween Rüken +zu machen. + +Brabantio. +Du bist ein Nichtswürdiger-- + +Jago. +Ihr seyd ein Senator. + +Brabantio. +Du sollst mir das bezahlen. Ich kenne dich, Rodrigo. + +Rodrigo. +Mein Herr, ich bin für alles gut. Aber ich bitte euch, hört mich +nur an. Wenn es mit euerm guten Willen und hochweisen Beyfall +geschehen ist, (wie ich fast vermuthen sollte) daß eure schöne +Tochter, in dieser nehmlichen Nacht, in keiner bessern Begleitung +als eines gemietheten Schurken, eines Gondoliers, den viehischen +Umarmungen eines geilen Mohren zugeführt worden; wenn das, sag ich, +mit eurer Begnehmigung geschehen ist, so haben wir euch allerdings +gröblich beleidiget. Wißt ihr aber nichts hievon, so sind wir +diejenigen, die sich über Unrecht zu beschweren haben; oder ich +verstehe nicht was die gute Lebensart mit sich bringt. Glaubet +nicht, daß ich von allem Gefühl der Anständigkeit so sehr verlassen +sey, daß ich aus blossem Muthwillen hieher kommen und Eure +Excellenz zum Besten haben sollte. Ich sag es noch ein mal, wenn +ihr eurer Tochter nicht die Erlaubniß dazu gegeben habt, so hat sie +sich sehr vergangen, indem sie ihre Pflicht, ihre Schönheit, ihren +Verstand, und ihr Vermögen einem herumirrenden Ritter, einem +Abentheurer, aufopfert, der hier und allenthalben ein Fremdling ist-- +Verzieht nicht länger; sezt euch selbst ins Klare: Wenn sie in +ihrem Zimmer oder in euerm Hause zu finden ist, so laßt mich die +ganze Strenge der Justiz dafür erfahren, daß ich euch so mißhandelt +habe. + +Brabantio. +Schlagt Feuer, he! bringt mir ein Licht--Ruft meine Leute +zusammen--Dieser Zufall sieht meinem Traum nicht ungleich, und ich +sterbe vor Furcht, daß es so seyn möchte. He! Licht, sag ich, +Licht! + +Jago. +Lebt wohl, ich kan mich nicht länger aufhalten--Es würde sich gar +nicht wol für meinen Plaz schiken, und mir in keinerley Absicht +gesund seyn, als ein Zeuge gegen den Mohren vorgeführt zu werden. +Die Gründe, die ihn zum Heerführer in dem Cyprischen Kriege, worinn +sie würklich begriffen sind, bestimmen, sind so dringend, daß sie, +für ihre Seelen, keinen andern von seinem Gewicht finden können, +dem sie dieses Geschäft mit Sicherheit anvertrauen dürften. Bey +solchen Umständen muß ich, ob ich ihn gleich so herzlich hasse als +die Pein der Hölle, doch äusserlich, meines eignen Vortheils wegen, +dergleichen thun, als ob ich ihm gänzlich ergeben sey. Damit ihr +ihn aber unfehlbar findet, so führet den Brabantio und seine Leute +zum Schüzen, und dort werd' ich bey ihm seyn. Hiemit, gehabt euch +wol. + +(Jago geht ab.) + + + +Dritte Scene. + (Brabantio und einige Bediente mit Fakeln.) + + +Brabantio. +Mein Unglük ist nur allzugewiß. Sie ist weg; und Schmach und +Bitterkeit ist nun der Antheil meines übrigen Lebens. Nun, +Rodrigo, wo sahst du sie? O, das unglükselige Mädchen! Mit dem +Mohren, sagst du? Wer wollte mehr ein Vater seyn wollen?--Woher +wußtest du, daß sie's war? O! das ist unbegreiflich, wie sehr +ich mich an ihr betrogen habe!--Was sagte sie zu euch?--Noch mehr +Fakeln her--Ruft meine ganze Verwandtschaft zusammen--meynt ihr, +sie seyen schon verheurathet? + +Rodrigo. +Ich denke freylich, sie sind's. + +Brabantio. +O Himmel! wie ist's möglich, daß sie so aus der Art schlagen +konnte!--Väter, forthin trauet euern Kindern nicht weiter als ihr +sie sehet. Giebt es nicht Zauber-Mittel, wodurch die Unschuld +eines jungen unwissenden Mädchens verführt werden kan? Habt ihr +nichts von dergleichen Dingen gelesen, Rodrigo? + +Rodrigo. +Ja mein Herr, das hab' ich, in der That. + +Brabantio (zu einem Bedienten.) +Ruft meinen Bruder; oh, wie wollt' ich izt, ihr hättet sie gehabt, +auf eine oder die andre Art--Wißt ihr, wo wir sie und den Mohren +antreffen können? + +Rodrigo. +Ich denke, ich werde sie entdeken können, wenn es euch gefällt, +unter einer guten Bedekung mit mir zu gehen. + +Brabantio. +Ich bitte euch, geht voran. Ich will von Hause zu Hause ruffen; +ich kann befehlen, wenn's nöthig ist; schafft Waffen her, holla! +und holt einige Officiers, auf die man sich verlassen kan--Geht, +mein guter Rodrigo, ich will dankbar für eure Bemühung seyn. + +(Sie gehen ab.) + + + +Vierte Scene. + (Verwandelt sich in eine andre Strasse vorm Schüzen.) + (Othello, Jago, und Gefolge mit Fakeln.) + + +Jago. +Ob ich gleich, seitdem ich das Kriegs-Handwerk treibe, manchen im +Feld erschlagen habe, so mach' ich mir doch das grösseste Gewissen +draus, einen vorsezlichen Mord zu begehen! Weniger Bedenklichkeit +würde manchmal mein Vortheil seyn--Ich dachte neun- oder zehn mal, +ich müßte ihm nothwendig eins unter die Ribben geben. + +Othello. +Es ist besser, daß du's nicht gethan hast. + +Jago. +Nein, aber er plapperte, er gayferte so lotterbübisches Zeug, und +in so empfindlichen Ausdrüken gegen eure Ehre, daß all mein Bißchen +Sanftmuth kaum zureichend war, mich bey Geduld zu erhalten. Aber +ich bitte euch, mein Herr, seyd ihr auch recht gültig verheurathet? +Denn davon dürft ihr versichert seyn, daß der (Magnifico) sehr +beliebt ist, und daß seine Stimme in der Republik zum wenigsten so +viel zu bedeuten hat, als des Herzogs selbst: Er wird auf die +Zerreissung euers Bandes dringen, und wenn sich seine Macht auch so +weit nicht erstrekt, euch doch so viel Uebels thun, als das Gesez +in seiner äussersten Strenge ihm Befugniß geben kan. + +Othello. +Er mag sein Aergstes thun; die Dienste, die ich der Regierung +gethan habe, werden seine Klagen weit überschreyen. Es ist noch +unbekannt, (ich werd es aber beweisen, wenn die Rettung meiner Ehre +mich zu einem Schritt zwingt, den ich sonst als eine meiner +unwürdige Pralerey ansehe,) daß mein Blut aus einer königlichen +Quelle geflossen ist; und meine Verdienste allein sind, ohne +Vergrösserung, zulänglich auf ein so stolzes Glük Anspruch zu +machen, als dieses ist, dessen ich mich bemächtiget habe. Denn +wisse, Jago, wär' es nicht, daß ich die reizende Desdemona liebe, +der Werth des ganzen Oceans sollte mich nicht bewegen, meine +Freyheit in die Fesseln des ehlichen Standes schliessen zu lassen. +Aber siehe, was für Lichter kommen dort? + + + +Fünfte Scene. + (Cassio, mit Fakeln, zu den Vorigen.) + + +Jago. +Es werden der aufgebrachte Vater und seine Freunde seyn--das beste +wär', ihr giengt hinein. + +Othello. +Ich? gewiß nicht, ich muß gefunden werden. Meine Verdienste, +mein Titel, und mein unerschrokner Muth sollen mich in meinem +wahren Lichte zeigen. Sind sie's? + +Jago. +Beym Janus, ich denke, nein. + +Othello. +Es sind Leute vom Herzog und mein Lieutenant: guten Abend, meine +Freunde; was bringt ihr Neues? + +Cassio. +Der Herzog entbeut euch seinen Gruß, Feldherr; und ersucht euch mit +der eilfertigsten Behendigkeit, gleich diesen Augenblik, um eure +Gegenwart. + +Othello. +Was meynt ihr, warum es zu thun sey? + +Cassio. +Etwas von Cypern, soviel ich errathen kan. Es muß eine dringende +Anliegenheit seyn. Die Galeren haben in dieser nemlichen Nacht +zwölf Expressen hinter einander hergeschikt, ein grosser Theil der +Senatoren ist auf, und im Pallast des Herzogs versammelt. Man +ließ euch sehr dringend ruffen, und da man euch nicht in euerm +Quartier fand, schikte der Senat drey verschiedene Partheyen aus, +euch überall aufzusuchen. + +Othello. +Es ist gut, daß ihr mich gefunden habt: Ich habe nur ein Wort in +diesem Hause zu reden, und dann will ich mit euch gehen. + +(Othello geht ab.) + +Cassio. +Fähndrich, was thut er hier? + +Jago. +Meiner Treue, er hat heute Nacht eine reiche Land-Caraque + +{ed. * Eigner Name der ehmaligen grossen Portugiesischen +Kauf-Fardey-Schiffe.} + +aufgebracht; wenn sie für gute Prise erklärt wird, so ist sein Glük +gemacht. + +Cassio. +Ich weiß nicht, was ihr sagen wollt. + +Jago. +Er hat sich verheurathet. + +Cassio. +Mit wem? + +Jago. +Bey G***, mit--he! Herr General, wollt ihr gehen? (Othello zu +den Vorigen.) + +Othello. +Hier bin ich-- + +Cassio. +Da kommt eine andre Parthey, die euch sucht. + + + +Sechste Scene. + (Brabantio, und Rodrigo, mit Officieren, Bedienten und Fakeln.) + + +Jago. +Es ist Brabantio; General, nehmt euch in Acht; er hat nichts Gutes im Sinn. + +Othello. +Holla! Steht, ihr dort! + +Rodrigo. +Signor, es ist der Mohr. + +Brabantio. +Zu Boden mit ihm, dem Räuber! + +(Sie ziehen auf beyden Seiten.) + +Jago. +Wie, ihr, Rodrigo?--Kommt, mein Herr, ich bin auf eurer Seite--(Zu +Othello.) + +Othello. +Stekt eure Degen ein, der Thau möchte sie rostig machen. Werther +Signor, euer Alter wird euch mehr Gewalt geben, als eure Waffen. + +Brabantio. +O du schändlicher Räuber! Wo hast du meine Tochter hin verborgen? +Verdammlicher Bube! Du hast sie bezaubert; denn ich will alles was +Vernunft hat den Ausspruch thun lassen, ob ein Mädchen, so jung, so +schön, so zärtlich als sie war, von ihrem Stand und Glük, und so +abgeneigt vom Heurathen, daß sie den Augen der auserlesensten und +reichsten von unsrer edelsten Jugend sich entzog--ob ein solches +Mädchen, ohne die fesselnde Gewalt zaubrischer Künste fähig gewesen +wäre, dem allgemeinen Spott Troz zu bieten, und aus dem väterlichen +Haus zu entlauffen, um in die russichten Arme eines solchen Dings +wie du, das geschikter ist Schreken zu erweken, als Liebe, sich +hinein zu stürzen? Die ganze Welt sey Richter, ob es nicht +handgreiflich ist, daß du vermittelst schnöder Zauber-Mittel oder +Liebes-Tränke die das Hirn verrüken, ihre schuldlose Jugend +mißbraucht und verleitet hast--Ich will es untersucht haben: Es ist +wahrscheinlich, man kan sich nichts anders vorstellen. Ich +arrestiere dich also hier, als einen Verführer und der hiezu +verbotne Künste treibt--Bemächtigt euch seiner; und wenn er sich +wehrt, so entwaffnet ihn auf seine Gefahr. + +Othello. +Haltet ein, zu beyden Seiten; wenn es hier meine Scene zum Fechten +wäre, so würd' ich's ohne einen Einsager gewußt haben. Wohin wollt +ihr, daß ich mit euch gehen soll, mich auf diese Anklage zu +verantworten? + +Brabantio. +Ins Gefängniß, bis zur gehörigen Zeit, wo du vor der Gerichts-Bank +erscheinen sollst. + +Othello. +Aber wenn ich euch gehorche, wie soll indeß der Herzog zufrieden +gestellt werden, dessen Abgeordnete hier zu meiner Seite und im +Begriff sind, mich in einer dringenden Angelegenheit des Staats zu +ihm zu führen? + +Officier. +Diß verhält sich würklich so, sehr edler Herr; der Herzog ist im +Staats-Rath; und ich bin sicher, daß ihr gleichfalls dahin beruffen +worden seyd. + +Brabantio. +Wie? der Herzog im Staats-Rath? In dieser späten Nacht? Führt +ihn dahin; meine Sache ist keine Kleinigkeit. Der Herzog selbst +und jeder von meinen Brüdern im Staat kan nicht anders als diese +Beleidigung so empfinden, als ob sie ihnen selbst angethan worden +wäre. Wenn solche Frefel-Thaten ungestraft verübt werden dürften, +so würden bald Sclaven und Banditen unsre Befehlshaber seyn. + +(Sie gehen ab.) + + + +Siebende Scene. + (Verwandelt sich in das Rath-Haus.) + (Der Herzog und die Senatoren, an einer Tafel mit Lichtern sizend, + und einige Officianten etc.) + + +Herzog. +Es ist zu wenig Uebereinstimmung in diesen Zeitungen, als daß sie +Glauben verdienen könnten. + +1. Senator. +In der That, sie gehen weit von einander ab; meine Briefe sagen +hundert und sieben Galeren. + +Herzog. +Und meine hundert und vierzig. + +2. Senator. +Und die meinen zwoohundert; allein ob sie gleich in der Zahl nicht +zusammentreffen, (welches in Fällen, wo der Bericht nach blosser +Muthmassung gemacht werden muß, nicht zu verwundern ist,) so +stimmen doch alle darinn überein, daß eine türkische Flotte in der +See ist, und daß es auf Cypern abgesehen sey. + +Herzog. +Es ist möglich, und wenn ich mich auch irren sollte, so werd' ich +doch alle Maaßnehmungen einer klugen Furcht, die allezeit die +Mutter der Sicherheit ist, bey diesen Umständen gut heissen. + +Matrosen (hinter der Scene.) + + + +Holla! ho! he! aufgemacht! (Die Matrosen kommen herein.) + +Officiers. +Eine Bottschaft von den Galeeren. + +Herzog. +Nun!--was ist euer Anbringen? + +1. Matrose. +Ich habe Befehl der Regierung anzuzeigen, daß die Türkischen Kriegs- +Zurüstungen der Insel Rhodis gelten. + +(Die Matrosen gehen ab.) + +Herzog. +Was sagt ihr zu diesem Wechsel? + +1. Senator. +Es kan nicht seyn, es ist ganz und gar nicht glaublich. Es ist ein +blosser Kunstgriff, unsre Augen von der Seite abzuhalten, wo die +Gefahr würklich ist. Wenn wir bedenken, wie wichtig Cypern den +Türken ist--wie viel gelegner es ihnen ist als Rhodis--und daß sie +die Eroberung desselben weit eher hoffen können, da es weniger +befestigt, und in allen Absichten in schwächerm Vertheidigungs- +Stand ist--Wenn wir dieses in gehörige Betrachtung ziehen, so +werden wir uns schwerlich einbilden können, daß der Türk so +unbesonnen seyn werde, eine reiche und leicht zu gewinnende Beute +fahren zu lassen, um sich an eine gefährliche und wenig +vortheilhafte Unternehmung zu wagen, von der er sich mit keiner +Wahrscheinlichkeit einen guten Erfolg versprechen kan. + +Herzog. +In der That, allen Umständen nach ist es nicht auf Rhodis abgezielt. + +Officiers. +Hier kommt wieder eine Zeitung. (Ein Expresser tritt auf.) + +Expresser. +Erlauchte und Gnädige Herren, die Ottomannen, die in geradem Lauf +gegen die Insel Rhodis gesegelt hatten, haben sich dort mit einem +kleinern Geschwader vereinbart-- + +1. Senator. +Das dacht' ich ja; wie stark haltet ihr sie? + +Expresser. +Dreyßig Segel; und nun steuern sie ihren Lauf, ohne ihre wahre +Absichten länger zu verheelen, nach Cypern. Signor Montano, euer +getreuer und tapfrer Befehlshaber auf dieser Insel, erstattet Euch, +unter Versicherung seiner pflichtvollen Ergebenheit, diesen Bericht, +und bittet ihm vollen Glauben beyzumessen. + +Herzog. +Wir sind also nun gewiß, daß es um Cypern zu thun ist; ist Marcus +Luccicos nicht in der Stadt? + +1. Senator. +Er ist würklich in Florenz. + +Herzog. +Schreibet unverzüglich in unserm Namen an ihn, daß er sich mit der +äussersten Eilfertigkeit hieher begebe. + +1. Senator. +Hier kommt Brabantio und der tapfre Mohr. + + + +Achte Scene. + (Brabantio, Othello, Cassio, Jago, Rodrigo und Officiers, zu den + Vorigen.) + + +Herzog. +Tapfrer Othello, wir sind im Begriff Eurer gegen unsern allgemeinen +Feind Ottoman vonnöthen zu haben. + +(Zu Brabantio.) +Ich sah euch nicht gleich; willkommen, werther Signor; wir +mangelten euern Rath und eure Hülfe diese Nacht. + +Brabantio. +Und ich die eurige; vergebet mir, Durchlauchtigster; weder mein +Plaz, noch was mir von einem vorschwebenden Staats-Geschäfte gesagt +wurde, hat mich aus meinem Bette aufgewekt; das gemeine Wesen ficht +mich izt wenig an; mein Privat-Schmerz ist von einer so wüthenden +und ungestümen Art, daß er alle andre Sorgen verschlingt, und mich +nichts anders fühlen läßt. + +Herzog. +Wie? Was kan die Ursach seyn? + +Brabantio. +Meine Tochter! O! meine Tochter!-- + +Senator. +Gestorben? + +Brabantio. +Für mich wenigstens; sie ist verführt, von mir weggestohlen, +mißbraucht worden, durch Zauber-Mittel und Liebes-Tränke, den Kram +von Markt-Schreyern, zu Grunde gerichtet worden--Denn auf eine so +widernatürliche Art konnte die Natur (da sie weder dumm, noch blind, +noch schwach von Sinnen ist,) nicht ausschweiffen--Zauberey allein +konnte sie dahin bringen-- + +Herzog. +Wer der auch seyn mag, der durch so schändliche Mittel eure Tochter, +sich selbst, und euch entführt hat, dessen Urtheil sollt ihr +selbst in dem blutigen Gesez-Buch lesen, und selbst der Ausleger +des strengen Buchstabens seyn; ja, und wenn unser eigner Sohn der +Thäter wäre. + +Brabantio. +Ich danke Eu. Durchlaucht unterthänig. Hier ist der Mann, dieser +Mohr, den nun eben, wie es scheint, euer Befehl, in Geschäften des +Staats hieher gebracht hat. + +Alle. +Das thut uns herzlich leid. + +Herzog (zu Othello.) + +Und was könnt ihr, eurer Seits, hierauf antworten? + +Brabantio. +Nichts, als daß es so ist. + +Othello. +Erlauchte und Großmächtigste Herren, meine sehr edle, geliebte und +gnädige Gebieter; daß ich dieses alten Mannes Tochter entführt habe, +ist wahr; und wahr ist's, daß ich mit ihr vermählt bin--So weit +erstrekt sich die äusserste Linie meines Verbrechens, und weiter +nicht--Ich bin kein Redner, und wenig geübt in der friedsamen Kunst, +die Zuhörer durch Worte zu gewinnen--Seitdem diese meine Arme +siebenjähriges Mark hatten, bis izt, die leztverfloßnen neun oder +zehen Monate ausgenommen, sind die Arbeiten des Kriegs meine +einzige Beschäftigung gewesen--in diesen Kreis ist alle meine +Wissenschaft eingeschlossen, und das ist alles, wovon ich reden kan. +Ich werde also, indem ich für mich selbst rede, meiner Sache +wenig Vortheil verschaffen. Und doch will ich, mit eurer Erlaubniß, +eine aufrichtige ungeschminkte Erzählung von dem ganzen Hergang +meiner Liebes-Geschichte machen; damit ihr sehet, durch was für +Tränke, Zauber-Formeln, Beschwörungen und übernatürliche Künste, +(weil ich doch solche Mittel gebraucht zu haben beschuldiget werde,) +ich seine Tochter gewonnen habe. + +Brabantio. +Ein unschuldiges junges Mädchen, die immer das zärtlichste, +schüchternste Kind von der Welt war; eine so sanfte und ruhige +Seele, das jede ihrer Bewegungen über sich selbst zu erröthen +schien--und sie sollte, troz Natur, Jugend, Geburt, Ehre, allem in +der Welt, in einen Mann verliebt werden, den sie zu furchtsam war +nur anzusehen--Was für eine Art zu schliessen muß der haben, der +sich vorstellen kan, daß die Natur so weit von ihren eignen Gesezen +abweichen sollte--Es ist unmöglich; aus der Hölle mußten die +verdammten Künste hergeholt werden, die das zuwegebringen konnten. +Ich behaupte also noch einmal, daß er sie durch Tränke, die das +Blut in gewaltsame Unordnung sezen, oder durch irgend ein andres +übernatürliches Mittel mißbraucht und zu Falle gebracht habe. + +Herzog. +Behaupten ist nicht Beweisen--es gehören stärkere Beweisthümer +hiezu als die blossen nakten Vermuthungen, die ihr, in ein dünnes +Gewand einer schaalen Wahrscheinlichkeit gekleidet, gegen ihn +aufzustellen vermeynt. + +1. Senator. +Redet dann, Othello; brauchtet ihr krumme und gewaltsame +Kunstmittel, die Neigungen dieser jungen Tochter zu erzwingen; oder +erhieltet ihr sie durch Bitten, und auf diejenige Weise, wie eine +Seele die andre anzuziehen pflegt? + +Othello. +Ich bitte euch, laßt die junge Dame aus dem Schüzen herholen, und +sich selbst in Gegenwart ihres Vaters erklären; findet ihr, daß +ihre Erzählung seine Anklage rechtfertiget, so entsezet mich nicht +nur aller Ehren und Würden, die ich von euch empfangen habe, +sondern laßt mein Leben selbst der strengen Gerechtigkeit verfallen +seyn. + +Herzog. +Holet Desdemona hieher. + +(Zween oder drey gehen ab.) + +Othello (zu Jago.) + +Fähndrich, weiset ihnen den Weg, ihr kennt den Ort am besten-- + +(Jago geht ab.) + +--Und indessen bis sie kommt, will ich, so aufrichtig als ich dem +Himmel selbst die Vergehungen meines Blutes bekenne, dieser +ehrwürdigen Versammlung anzeigen, wie ich das Herz der schönen +Desdemona gewonnen habe. + +Herzog. +Redet, Othello. + +Othello. +Ihr Vater liebte mich, lud mich oft ein, fragte mich immer nach der +Geschichte meines Lebens, von Jahr zu Jahr, und ließ mich alle +Schlachten, Belagerungen und Abentheuer, durch die ich passiert bin, +erzählen. Das that ich nun, und durchlief mein ganzes Leben, von +meinen kindischen Tagen an bis auf den nemlichen Augenblik, worinn +er mich erzählen hieß: Und da sprach ich ihm also von den +verschiedenen seltsamen Glüks-Wechseln, die ich erfahren, von +hunderterley tragischen und herzbrechenden Unfällen, die mir zu +Wasser und Land aufgestossen, und wie oft ich kaum noch auf der +Breite eines Haars dem eindringenden Tod entgangen; und wie ich in +die Hände grausamer Feinde gefallen, und zum Sclaven verkauft +worden; und wie ich wieder in Freyheit gekommen, und dann die ganze +Geschichte meiner irrenden Ritterschaft--als von ungeheuern Grotten, +und unterirdischen Gewölben, einöden Inseln, Steinbrüchen, Felsen +und Gebürgen, die mit dem Kopf am Himmel anstossen, und von +Cannibalen die einander aufessen und von Anthropophagen, und von +Leuten, die die Köpfe unter den Schultern tragen,--und was der +Dinge mehr war, womit ich ihn zu unterhalten pflegte. Allem diesem +hörte dann Desdemona mit grosser Aufmerksamkeit zu; und obgleich +die Hausgeschäfte sie von Zeit zu Zeit wegrieffen, so machte sie +sich doch so schnell als sie konnte, davon los, kam wieder zurük +und verschlang meine Erzählung mit gierigem Ohr: Ich bemerkte +dieses, und da sich einst eine günstige Stunde anbot, wußte ich +bald Anlas zu machen, daß sie mich recht von Herzen bat, ihr die +ganze Geschichte meiner Reisen, wovon sie nur einzelne, zerrißne +Stüke gehört hatte, vollständig und im Zusammenhang zu erzählen: +Ich willigte ein, und lokte manche Thräne aus ihren schönen Augen, +wenn ich auf die verschiednen Trübsalen und Unfälle kam, die meine +Jugend ausgestanden. Wie ich mit meiner Geschichte fertig war, +belohnte sie meine Mühe mit einer Welt voll Seufzer + +{ed. * Es hieß "Küsse" in einigen Ausgaben; und das war freylich in +mehr als einer Betrachtung sehr ungereimt. Pope hat die ächte +Lesart wieder hergestellt. Das junge Fräulein, meynt er, wäre gar +zu freygebig gewesen, wenn sie für die blosse Erzählung einer +Historie eine Welt voll Küsse gegeben hätte--und er hat allerdings +recht.} + +--sie schwur bey ihrer Treu, es sey ausserordentlich, über die +Maassen ausserordentlich--es sey rührend, zum Verwundern rührend-- +Sie wünschte, sie hätte nichts davon gehört--und doch wünschte sie, +der Himmel hätte einen solchen Mann für sie gemacht--und endlich +dankte sie mir, und sagte, wenn ich einen Freund hätte, der in sie +verliebt wäre, so möcht' ich ihn nur meine Geschichte erzählen +lehren, und er würde sie damit gewinnen. Auf diesen Wink fieng' +ich dann an zu reden,--und so verlohren wir beyde unsre Herzen--Sie +liebte mich aus Mitleiden mit den Gefahren die ich ausgestanden, +und ich liebte sie um dieses Mitleidens willen: Das ist die ganze +Zauberey die ich gebraucht habe. Aber hier kommt sie selbst, laßt +sie Zeugniß geben. + + + +Neunte Scene. + + +Herzog. +Ich denke, in vollem Ernst, eine solche Erzählung würde meine eigne +Tochter noch oben drein behexen--Guter Brabantio, seht diese Sache, +da sie nun nicht mehr zu ändern ist, von der besten Seite an. Die +Leute brauchen im Nothfall immer lieber ihre zerbrochne Waffen, als +die blosse Hand. + +Brabantio. +Ich bitte euch, laßt sie reden. Bekennt sie, daß sie seinen Liebes- +Bewerbungen auf halben Weg entgegen gegangen sey, so falle +Verderben auf mein Haupt, wenn ich ihn einen Augenblik länger tadle. +Kommt näher, angenehmes Frauenzimmer; empfindet ihr, wem in +dieser ganzen edeln Versammlung ihr am meisten Gehorsam schuldig +seyd? + +Desdemona. +Mein edler Vater, ich empfinde daß meine Pflicht hier getheilt ist: +Euch bin ich für mein Leben und für meine Erziehung verbunden, und +beydes lehrt mich die Ehrfurcht die ich euch schuldig bin. Ihr +seyd Herr über meinen Gehorsam, in so fern ich eure Tochter bin. +Aber hier ist mein Gemahl; und soviel Ergebenheit, als meine Mutter +gegen euch zeigte, da sie ihren Vater verließ um euch anzuhängen, +so viel bin ich hoffentlich befugt zu bekennen, daß ich dem Mohren, +meinem Gemahl, schuldig sey. + +Brabantio. +Gott gesegne dir's; ich habe nichts mehr zu sagen. Gefällt's eurer +Durchlaucht, so wollen wir nun von den Staats-Angelegenheiten reden. +Ich wollte lieber ein Kind angenommen als gezeugt haben. Komm +hieher, Mohr; hier geb ich dir von ganzem Herzen, was ich, wenn +du's nicht schon hättest, von ganzem Herzen vor dir verwahren +wollte. Um euertwillen, Kleinod, bin ich in der Seele froh daß ich +keine andre Kinder habe--Denn der Streich, den du mir gespielt hast, +würde mich tyrannisch genug machen, ihnen Klöze anzuhängen. Ich +bin fertig, Gnädigster Herr. + +Herzog. +Laßt mich nun in meinem eignen Character, in der Person eines +allgemeinen Vaters reden, und ein Urtheil fällen, das diesen +Liebenden zu einer Stuffe diene, sie wieder in eure Gunst zu heben. + +{ed. * Von hier an spricht der Herzog im Original in Reimen, und wird +von Brabantio in gleicher Münze bezahlt.} + +Sobald nicht mehr zu helfen ist, so hat man das Aergste gesehen, +und Klagen sind nicht nur fruchtlos, sondern der nächste Weg ein +geschehenes Unglük mit einem neuen zu häuffen. Wenn die Klugheit +die Streiche des Glüks nicht allemal verhindern kan, so kan doch +Geduld einen Scherz aus seinen Beleidigungen machen. Der Beraubte, +der dazu lächelt, stiehlt dem Räuber etwas, und der beraubt sich +selbst, der sich in vergeblichem Kummer verzehrt. + +Brabantio. +Wenn das ist, so laßt die Türken uns immer Cypern wegnehmen; wir +verliehren's nicht, so lange wir dazu lachen können--Ich erkenne, +Gnädigster Herr, die Weisheit euers Raths--Aber Worte sind doch nur +Worte, und ein verwundetes Herz ist noch nie durch die Ohren +geheilt worden--Ich bitte euch, zu den Staats-Geschäften. + +Herzog. +Die Türken machen furchtbare Zurüstungen, Cypern anzugreiffen: +Othello, dir ist am besten bekannt, in was für einem Vertheidigungs- +Stand der Plaz ist. Wir haben zwar einen Befehlshaber von +bekannter Tüchtigkeit daselbst: Allein die allgemeine Meynung, die +unumschränkte Königin der Welt, verspricht sich von euch eine noch +grössere Sicherheit; laßt's euch also gefallen, über die Glasur +euers neuen Glüks hinweg zu schlüpfen, und die Freuden der Liebe +mit den Beschwerden dieser hartnäkigen und Gefahr-vollen +Unternehmung zu vertauschen. + +Othello. +Die tyrannische Gewohnheit, erlauchte Senatoren, hat das steinharte +und stählerne Lager des Kriegs mir längst zum weichsten Pflaum- +Bette gemacht. Die rauhe Arbeit des Kriegs ist für mich ein +Lustspiel, dem meine Seele mit angebohrner, flatternder Freudigkeit +entgegen eilt. Ich unterziehe mich also dem gegenwärtigen Krieg +mit den Ottomannen; und alles, warum ich die Durchlauchtigste +Republik mit gebognen Knien bitte, ist, meine Gemahlin in ihren +unmittelbaren Schuz zu nehmen, und darauf bedacht zu seyn, daß sie +an einem anständigen Ort, und mit allem dem Glanz und Ansehen, so +sich für ihre Geburt schikt, unterhalten werde. + +Herzog. +Also, in ihres Vaters Hause. + +Brabantio. +Das will ich nicht. + +Othello. +Ich noch weniger. + +Desdemona. +Auch ich wollte nicht dort wohnen, und meinen Vater zu ungeduldigen +Gedanken reizen, wenn ich immer in seinen Augen wäre. Gnädigster +Herr, leihet meiner Bitte ein geneigtes Ohr, und unterstüzet sie +mit eurer Stimme. + +Herzog. +Was verlangt ihr, Desdemona? + +Desdemona. +Daß ich den Mohren liebte, um mit ihm zu leben, mag die +Entschlossenheit, womit ich so vielen Vorurtheilen Gewalt angethan +habe, durch die ganze Welt austrompeten. Mein Herz und meine +Person sind von meinem Gemahl unzertrennlich. Ich sah Othello's +Gesicht in der Schönheit seines Gemüthes, und seinen Verdiensten +und heldenmässigen Eigenschaften hab ich meine Seele und mein +ganzes Glük gewiedmet. So daß, theureste Herren, wenn ich +zurükgelassen werde, und er in den Krieg geht, ich des Rechts, +seine Gefahren mit ihm zu theilen, des Rechts, um deswillen ich ihn +liebe, verlustig, und in seiner schmerzlichen Abwesenheit zu einem +verdrießlichen Interim verurtheilt wäre. Laßt mich also mit ihm +gehen. + +Othello. +Eure Genehmigung, Gnädige Herren! Ich bitte euch, laßt sie ihren +Willen haben. Ich bitt' es nicht aus Rüksicht auf den Vortheil +meines eignen Vergnügens, nicht aus Gefälligkeit gegen die Hize +junger Begierden, die der erste Genuß mehr gereizt als befriedigt +hat;--sondern dem Edelmuth ihres Herzens seinen freyen Lauff zu +lassen. Der Himmel verhüte, daß ihr mich fähig haltet, eure +ernsthaften und grossen Angelegenheiten zu vernachläßigen, wenn sie +bey mir ist--Nein! Wenn jemals die kindischen Puppen-Spiele des +befiederten Cupido die Werkzeuge meines Verstands und meiner +Thätigkeit in üppige Trägheit senken, und meine Ergözungen meinen +Arbeiten schädlich sind; dann laßt Haus-Weiber eine Brey-Pfanne aus +meinem Helm machen, und die unwürdigsten, schmählichsten +Wiederwärtigkeiten sich zum Untergang meines Ruhms verschwören. + +Herzog. +Ihr Gehen oder Bleiben soll eurer eignen Willkühr überlassen seyn-- +Die Geschäfte fordern die hastigste Eilfertigkeit. Ihr müßt diese +Nacht noch fort. + +Desdemona. +Diese Nacht, gnädigster Herr? + +Herzog. +Diese Nacht. + +Othello. +Von Herzen gerne. + +Herzog. +Morgen um neun Uhr wollen wir hier wieder zusammen kommen. Othello, +laßt einen Officier zurük, durch den wir euch euer Patent, und +eure Instruction nachschiken können. + +Othello. +Wenn es Eu. Durchlaucht nicht entgegen ist, so ist hier mein +Fähndrich, ein Mann von Ehre und Redlichkeit, dem ich die +Begleitung meines Weibs anvertrauen will, und durch den mir +zugleich alles andre nachgeschikt werden kan, was Eu. Durchlaucht +für nöthig hält. + +Herzog. +Ich bin's zufrieden. Gute Nacht allerseits--(Zu Brabantio.) + +Und, edler Signor, wenn Tugend die glänzendste Schönheit ist, so +ist euer Tochtermann mehr weiß als schwarz. + +Senator. +Adieu, tapfrer Mohr, begegne Desdemonen wol. + +Brabantio. +Sieh fleissig zu ihr, Mohr, wenn du Augen hast; sie hat ihren Vater +betrogen, und wird dir's vielleicht nicht besser machen. + +(Der Herzog und die Senatoren gehen ab.) + +Othello. +Ich stehe mit meinem Leben für ihre Treue--Ehrlicher Jago, dir muß +ich meine Desdemona hinterlassen; ich bitte dich, gieb ihr deine +Frau zur Gesellschaft, und bringe sie mit der besten Gelegenheit +nach. Komm, Desdemona, ich habe nur eine Stunde, die ich der Liebe +und unsern Angelegenheiten schenken kan. Wir müssen der Zeit +gehorchen. + +(Sie gehen ab.) + + + +Zehnte Scene. + (Rodrigo und Jago bleiben.) + + +Rodrigo. +Jago-- + +Jago. +Was willst du mir sagen, tapfres Herz? + +Rodrigo. +Was denkst du, daß ich thun will? + +Jago. +Was? Zu Bette gehen und schlaffen. + +Rodrigo. +Ich will auf der Stelle gehn, und mich ins Wasser stürzen. + +Jago. +Wenn du das thust, so werd' ich dich in meinem Leben nicht mehr +lieb haben. Wie, du bist ein recht alberner Edelmann! + +Rodrigo. +Es ist etwas albernes, leben, wenn Leben eine Qual ist; und dann, +so sterben wir ja nach den Regeln, wenn der Tod unser Arzt ist. + +Jago. +O wie niederträchtig das gedacht ist! Es ist schon viermal sieben +Jahre, daß ich mich auf der Welt umsehe, und seitdem ich einen +Unterscheid zwischen einer Wohlthat und einer Beleidigung machen +kan, hab' ich noch keinen Menschen gesehen, der den Verstand hätte +sich selbst zu lieben. Eh ich sagen wollte, ich wolle mich einer +Guineischen Henne zulieb ersäuffen, eh wollt' ich meine Menschheit +mit einem Wald-Teufel vertauschen. + +Rodrigo. +Wie soll ich mir aber anders helfen? Ich bekenn', es macht mir +schlechte Ehre, daß ich so vernarrt in sie bin; aber meine Tugend +ist nicht stark genug, dem Uebel abzuhelfen. + +Jago. +Tugend? Pfifferling. Auf uns kommt es an, ob wir so oder so seyn +wollen. Unsre Leiber sind unsre Gärten, und unser Wille ist der +Gärtner darinn. Ob wir Nesseln oder Lattich drein säen wollen, ob +wir ihn mit Ysop oder Thymian, mit einer einzigen Art von Gewächsen, +oder mit vielerley Gattungen besezen, aus Faulheit verwildern und +unfruchtbar werden lassen, oder durch fleissige Wartung in guten +Stand sezen wollen: Das hängt alles lediglich von unsrer Willkühr +ab. Hätten wir nicht in der Waage unsers Lebens eine Schaale voll +Vernunft, um die Sinnlichkeit in der andern im Gleichgewicht zu +halten, zu was für tollen Ausschweiffungen würde uns die Hize des +Bluts und der thierische Trieb dahinreissen? Aber wir haben die +Vernunft dazu, daß sie unsre rasenden Bewegungen, unsre +fleischliche Triebe und zügellose Lüste bändigen soll--Was nennt +ihr Liebe? Meynt ihr, daß es eine so feyrliche Sache sey, als ihr +euch einbildet? Ein blosser Trieb des Blutes ist's, dem der Wille +den Zügel verhängt--Komm, sey ein Mann! dich selbst ersäuffen? +Ersäuffe mir Kazen und junge blinde Hunde! Ich habe dir meine +Freundschaft zugesagt, und ich mache mich groß, mit Seilen, die +unser beyder Leben ausdauern sollen, zu deinen Diensten gebunden zu +seyn. Izt ist die Gelegenheit, da ich dir nüzlich seyn kan. Einen +wolgespikten Beutel, und fort in diesen Krieg! Verbräme dein +glattes Gesichtchen mit einem falschen Bart; Geld in deinen Beutel, +sag ich. Es ist unmöglich, daß Desdemona den Mohren in die Länge +lieben könnte,--nur Geld in deinen Beutel--noch der Mohr sie. +Alle Sachen, die mit solcher Heftigkeit anfangen, pflegen auch +schnell wieder aufzuhören--Spik du nur deinen Beutel--Diese Mohren +sind veränderlich in ihren Neigungen;--füll deinen Beutel mit Geld-- +Der Lekerbissen, der ihm izt so süß daucht wie Syrop, wird ihm +bald genug bittrer als Coloquinten schmeken; und wenn sie, an ihrem +Theil, sich einmal an ihm ersättiget hat, so werden ihr die Augen +über ihre ungereimte Wahl auf einmal aufgehen. Sie (muß) sich +ändern, sie muß! Also füll du nur deinen Beutel. Wenn du ja zum +T** fahren willst, so thu es wenigstens auf einem angenehmern Weg +als Ersäuffen. Mach alles zu Gelde was du kanst. Wenn Tugend und +ein armes zerbrechliches Gelübde zwischen diesem Landstreicher aus +der Barbarey und einer super-feinen verschmizten Venetianerin, +nicht stärker sind als mein Wiz und die ganze Zunft der Hölle, so +sollst du sie in deine Arme kriegen. Also Geld in deinen Sekel, +sag ich! Laß du dich lieber dafür hängen, daß du deine Lust gebüßt +hast, als dich zu ersäuffen, und nichts dafür genossen zu haben. + +Rodrigo. +Stehst du mir gut für meine Hoffnungen, wenn ich's wage? + +Jago. +Verlaß dich auf mich--Geh, mach Geld zusammen--Ich habe dirs oft +gesagt, und sage dirs wieder und wieder, ich hasse den Mohren. +Meine Ursach stekt mir tief im Herzen; dein Haß hat keinen +schlechtern Grund. Laß uns gemeine Sache machen, um unsre Rache an +ihm zu nehmen. Wenn du ihn zum Hahnrey machen kanst, so machst du +dir selbst ein Vergnügen, und mir einen Spaß. Die Zukunft geht mit +allerley Begebenheiten schwanger, von denen sie zu gehöriger Zeit +entbunden werden wird. Geh du izt, und sorge für Geld; morgen mehr +von dieser Materie. Adieu. + +Rodrigo. +Wo sehen wir einander morgen? + +Jago. +In meinem Quartier. + +Rodrigo. +Ich will bey Zeiten kommen. + +Jago. +Gut, geht nur, lebt wohl. Hört ihr, Rodrigo? + +Rodrigo. +Was soll ich hören? + +Jago. +Nichts mehr vom Ersäuffen, hört ihr's? + +Rodrigo. +Es ist mir anders gekommen: Ich will gehen und alle meine Güter zu +Geld machen. + +(Er geht ab.) + + + +Eilfte Scene. + (Jago bleibt zurük.) + + +Jago (allein.) +Geht nur, lebt wohl, nur einen wohlgespikten Beutel,--Bin ich nicht +ein gescheidter Kerl? So mach' ich aus meinem Narren meinen +Schazmeister--Denn das hiesse wol meine erworbne Geschiklichkeit +übel anwenden, wenn ich die Zeit mit einem solchen kleinen +Schneppen verderben wollte, ohne daß ich Spaß und Vortheil davon +hätte. Ich hasse den Mohren, und das Publicum thut mir die Ehre an, +und glaubt, er habe zwischen meinen Bett-Laken meine Stelle +vertreten. Ich weiß nicht, ob es so ist--aber mir ist eine blosse +Vermuthung von dieser Art genug, um so zu handeln, als ob ich's mit +Augen gesehen hätte. Er mag mich wol leiden--Desto beßre +Gelegenheit hab ich, ihm beyzukommen; Cassio ist ein Mann, der zu +meinem Vorhaben taugt: Laßt einmal sehen--seine Stelle zu kriegen +und meinen Haß zu ersättigen--Wie, wie kommt das? Laßt sehen-- +Nach einiger Zeit dem Othello mit einer guten Art in's Ohr raunen, +daß er zu vertraulich mit seiner Frau ist--Seine Figur und sein +ganzes Betragen, werden den Verdacht rechtfertigen; er ist der Mann +dazu, die Weiber ungetreu zu machen. Der Mohr ist von der offnen +treuherzigen Art Leuten, welche die Leute für ehrlich hält, wenn +sie so aussehen; er wird sich so gutwillig an der Nase herumführen +lassen wie ein Esel--Ich hab es--Mein Entwurf ist gezeugt--und Rach +und Hölle sollen die scheußliche Mißgeburt ans Taglicht bringen! + +(ab.) + + + + +Zweyter Aufzug. + + + +Erste Scene. + (Die Hauptstadt von Cypern.) + (Montano, Statthalter von Cypern, und zween Officiers.) + + +Montano. +Was könnt ihr vom Vorgebürg in der See unterscheiden? + +1. Officier. +Gar nichts, als aufgethürmte Wellen; ich kan zwischen dem Himmel +und der See nicht ein einziges Segel entdeken. + +Montano. +Mich däucht, der Wind ist zu Land sehr heftig gewesen--Ein +ungestümerer Sturm hat noch nie unsre Zinnen erschüttert--wenn er +auf der See eben so geraset hat, was für Ribben von Eichen sind, +wenn Berge auf sie herabschmelzen, stark genug, sich in ihren Fugen +zu erhalten? Was für Zeitungen werden wir hievon hören? + +2. Officier. +Die Zerstreuung der Türkischen Flotte--Steht nur am schäumenden +Ufer, die zornigen Wogen scheinen euch bis in die Wolken hinauf zu +sprizen--Man dächte, die vom Sturm geschleuderte Welle sprühe dem +brennenden Bären Wasser entgegen, und lösche die Nachtlichter des +Himmels aus--Ich habe in meinem Leben keinen so rasenden Sturm +gesehen. + +Montano. +Wenn die Türkische Flotte sich nicht bey Zeit in irgend eine Bucht +hat retten können, so ist sie verlohren--es ist unmöglich, dieses +Wetter auszuhalten. + + + +Zweyte Scene. + (Ein dritter Officier zu den Vorigen.) + + +3. Officier. +Etwas Neues, meine Herren, der Krieg ist zu Ende; dieses +verzweifelte Ungewitter hat die Türken so zugerichtet, daß ihre +Entwürfe Halt machen müssen. Ein ansehnliches Venetianisches +Schiff hat dem Schiffbruch und der Noth des grössesten Theils ihrer +Flotte zugesehen. + +Montano. +Wie? Ist das wahr? + +3. Officier. +Das Schiff ist würklich hier eingelauffen; ein Veronesisches, +welches den Michael Cassio, den Lieutenant dieses tapfern Mohren +Othello, an Bord hatte; der Mohr selbst ist in der Ueberfahrt +begriffen, und wird in kurzem als oberster Kriegs-Befehlshaber hier +in Cypern eintreffen. + +Montano. +Ich bin erfreut darüber; er hat alle Eigenschaften zu einem so +wichtigen Posten. + +3. Officier. +Allein eben dieser Cassio, so tröstlich das lautet, was er uns vom +Verlust der Türken berichtet, sieht doch düster aus, und wünscht +daß der Mohr glüklich davon gekommen seyn möge; denn sie waren im +heftigsten Sturm abgereist. + +Montano. +Der Himmel geb' es! Ich bin sein Freund, und er ist beydes ein +guter Soldat und ein vollkommner Feldherr. Wir wollen der See- +Seite zugehen, sowol um das schon eingelauffene Schiff zu +besichtigen, als dem wakern Othello, soweit bis Luft und Wasser +sich in unserm Auge vermischt, entgegen zu sehen. + +Officier. +Kommt, wir wollen das thun--Eine jede Minute däucht uns lange, bis +wir seiner glüklichen Ankunft versichert sind. + + + +Dritte Scene. + (Cassio zu den Vorigen.) + + +Cassio. +Dank sollen die Tapfern dieser kriegerischen Insel davor haben, daß +sie so gute Freunde des Mohren sind--Der Himmel beschüze ihn gegen +der Wuth der Elemente; ich hab' ihn in einer gefährlichen See +verlohren. + +Montano. +Ist sein Schiff gut? + +Cassio. +Sein Schiff ist gut gezimmert, und sein Pilot ein Mann von +Erfahrung und bewährter Geschiklichkeit: Ich bin also nicht ohne +Hoffnung. + +Hinter der Scene +Ein Segel! ein Segel! ein Segel! + +Cassio. +Was bedeutet dieses Geschrey? + +1. Officier. +Die Stadt ist leer; Schaarenweis steht das Volk am Ufer, und sie +ruffen: Ein Segel! + +Cassio. +Ich hoffe es ist des Ober-Befehlhabers. + +Officier. +Sie geben ihm ihre Freude durch Zujauchzungen zu erkennen; es sind +Freunde, wenigstens. + +Cassio. +Ich bitte euch, mein Herr, geht und bringt uns Gewißheit, wer +angekommen ist. + +Officier. +Ich will. + +(ab.) + +Montano. +Aber mein lieber Lieutenant, ist euer General vermählt? + +Cassio. +Ja, und höchstglüklich; er hat eine junge Gemahlin davongetragen, +die alles übertrift, was das ausschweiffende Gerücht zu ihrem Lob +sagen kan: eine Gemahlin, deren Schönheit den Pinsel des feinsten +Mahlers beschämt, und die in einem irdischen Kleide ein wahrer +Auszug aller Vollkommenheiten der Schöpfung ist-- + + + +Vierte Scene. + (Der Officier kommt zurük.) + + +Cassio. +Wie steht's? Wer ist eingelauffen? + +Officier. +Ein gewisser Jago, der Fähndrich des Generals. + +Cassio. +Das kostbare Kleinod, womit er beladen war, hat seine Fahrt so +glücklich gemacht; die Ungewitter selbst, schwellende Seen und +heulende Winde, die Wasserbedekten Felsen und die aufgehäuften +Sandbänke, (Verräther, die im Verborgnen lauren, den schuldlosen +Kiel anzuhalten) vergessen, gleich als ob sie ein Gefühl der +Schönheit hätten, ihre natürliche Grausamkeit, um die göttliche +Desdemona unbeleidigt durchzulassen. + +Montano. +Wer ist diese? + +Cassio. +Sie, von der ich sprach, die Beherrscherin unsers grossen +Befehlshabers, die er der Führung des kühnen Jago anvertraut hat, +und deren beschleunigte Ankunft unsern Gedanken um eine Woche +wenigstens zuvorkömmt. Beschüze nun, o Himmel, beschüze noch +Othello! und schwelle seine Seegel mit deinem eignen allmächtigen +Athem auf, damit er mit seinem schönen Schiff diese Bay beselige, +und wenn seine Liebe in Desdemonens Armen die Entzükung des +Wiedersehens ausgeathmet hat, unsre erlöschende Geister in neues +Feuer seze, und ganz Cypern mit Muth und Vertrauen erfülle.-- + + + +Fünfte Scene. + (Desdemona, Jago, Rodrigo und Aemilia zu den Vorigen.) + + +Cassio. +--O sehet! der Schaz des Schiffes ist ans Land gekommen: Ihr +Männer von Cypern, laßt eure Knie sie bewillkommen! Heil dir, +Gebieterin, und jeder Segen des Himmels gehe vor dir her, folge dir, +und schwebe zu deiner Seiten rings um dich her. + +Desdemona. +Ich danke euch, tapfrer Cassio--Was für Nachrichten könnt ihr mir +von meinem Herrn geben? + +Cassio. +Er ist noch nicht angeländet, doch weiß ich nichts anders, als daß +er wohl ist und in kurzem hier seyn wird. + +Desdemona. +O--ich besorge nur--Wie verlohret ihr ihn? + +Cassio. +Der heftige Streit zwischen Luft und Meer trennte unsre +Gesellschaft--Aber horcht, ein Segel! + +Hinter der Scene: +Ein Segel! ein Segel! + +Officier. +Dieser Gruß wird gegen die Citadelle gemacht; es ist gleichfalls +ein Freund. + +Cassio. +Seht was es ist: Mein lieber Fähndrich, willkommen! (Zu Aemilia, +mit einem Kuß.) +Willkommen, Madam. Nehmt mir nicht übel, mein guter Jago, daß ich +meiner Freude den Lauf lasse; es ist eine Gewohnheit von meiner +Erziehung her, daß ich so frey im Ausdruk einer schuldigen +Höflichkeit bin. + +Jago. +Ich wollte, mein Herr, sie wäre gegen euch so freygebig mit ihren +Lippen, als sie es oft gegen mich mit ihrer Zunge ist, ihr würdet +ihrer genug kriegen! + +Desdemona. +Wie, sie spricht ja gar nichts. + +Jago. +Wahrhaftig, nur zuviel; ich find' es immer, wenn ich gerne schlafen +möchte; vor Euer Gnaden, da glaub' ich selber, daß sie ihre Zunge +ein wenig in ihr Herz stekt, und nur in Gedanken keift. + +Aemilia. +Ihr habt wenig Ursache so zu reden. + +Jago. +Kommt, kommt, ich kenne euch Weiber so gut als einer; ihr seyd +Gemählde ausser Hause; Gloken in eurem Zimmer; wilde Kazen in eurer +Küche; Heilige, wenn ihr beleidigt; Teufel, wenn ihr beleidigt +werdet; Comödiantinnen in eurer Wirthschaft, und nirgends Haus- +Weiber, als in--euerm Bette. + +Desdemona. +O fy, schämt euch, ihr garstiger Verläumder! + +Jago. +Nein, es ist wie ich sage, oder ich will ein Türk seyn; ihr steht +auf, um zu spielen, und legt euch zu Bette, um zu arbeiten. + +Aemilia. +Ihr sollt mir gewiß keine Lobrede schreiben! + +Jago. +Ich rathe euch nicht, daß ihr mich dazu bestellet. + +Desdemona. +Was würdest du von mir schreiben, wenn du mich loben müßtest? + +Jago. +O Gnädige Frau, sezt mich nicht in Versuchung; ich bin nichts, oder +ich bin ein Criticus. + +Desdemona. +Kommt, eine kleine Probe--Dort ist jemand in die Bay eingelauffen. +-- + +Jago. +Ja, Gnädige Frau. + +Desdemona. +Ich bin nicht aufgeräumt; ich belüge das was ich bin, indem ich was +anders scheine;--Komm, was wolltest du zu meinem Ruhm sagen? + +Jago. +Ich bin würklich daran; aber, in der That, meine Erfindung geht so +ungern von meinem Hirnkasten ab, wie Vogel-Leim von einem Frieß-Rok-- +doch meine Muse arbeitet, und nun ist sie entbunden--Ein jeder +Mund bekennt und spricht, sie ist so weis' als schön, +Doch eines zehrt das andre auf, das muß man auch gestehn. + +Desdemona. +Vortreflich; aber wie, wenn sie schön und albern wäre? + +Jago. +Albern? Gut, die blödste Schöne hatte stets so viel Verstand +Daß sie, wo nicht einen Mann, mindstens einen Erben fand. + +Desdemona. +Das sind alte abgedroschne Einfälle, um Narren im Bierhause lachen +zu machen. Was für ein armseliges Lob hast du dann für eine, die +häßlich und albern ist? + +Jago. +Keine ist so dumm und häßlich, die an List bey schlimmer Sache +Den Verschmiztesten und Schönsten nicht den Vorzug streitig mache. + +Desdemona. +O grobe Ungeschiklichkeit! Du lobest die Schlechteste am besten. +Aber was könntest du dann zum Lob eines Frauenzimmers sagen, das in +der That Lob verdiente? Einer solchen, deren Verdienste so +unstreitig wären, daß sie es auf den Ausspruch der Bosheit selbst +ankommen lassen dürfte? + +Jago. +Die, bey niemals welker Schönheit frey von Stolz und Eigensinn, +Meisterin von ihrer Zunge, und doch keine Schreyerin, +Immer Geld im Beutel hat, und sich nie dadurch entehrte, +Die gelassen meiden kan, was ihr Herz sich gern gewährte; +Die, wenn sie der Mann beleidigt, doch der Rache gern entsagt, +Welche sanften Weiber-Herzen, wie man glaubt, so sehr behagt: +Die so treu der Weisheit ist, daß sie nie in ihrem Leben, +Um den Schwanz des besten Salms, eines Schel-Fischs Kopf gegeben; +Die zwar denkt, doch was sie denkt, niemand als sich selbst +vertraut, +Noch, wenn ihr Verehrer folgen, aus Zerstreuung um sich schaut; +Diese, wenn sie jemals war, konnte wol vortrefflich taugen-- + +Desdemona. +Und wozu dann? + +Jago. +Ein Schmahl-Bier-Protocoll zu führen, und Narren auszusaugen. + +Desdemona. +O, was für ein krüppelhafter, armseliger Schluß! Lerne ja nichts +von ihm, Aemilia, ob er gleich dein Mann ist. Was sagt ihr, Cassio, +würd' er nicht einen feinen Rath abgeben? + +Cassio. +Es ist besser gemeynt als gesagt, Madam; Euer Gnaden werden den +Soldaten grösser in ihm finden, als den Gelehrten. + +Jago (bey Seite.) +Er nimmt sie bey der Hand; gut, wol gegeben--flüstert einander ins +Ohr--Ich brauche kein stärkeres Gewebe als diß, um eine so grosse +Fliege wie Cassio zu verstriken. Ey ja doch, lächle sie an, thu's-- +in deiner eignen Höflichkeit sollst du gefangen werden--Ihr habt +recht, es ist so, in der That--Wenn solche arme kleine Freyheiten +euch um eure Lieutenants-Stelle bringen sollten, so wär' es besser, +ihr hättet eure drey Finger nicht so oft geküßt--O vortrefflich! +wol geküßt! vortreffliche Galanterie!--es ist so, in der That-- +Noch einmal--eure Finger an eure Lippen? Ich wollt' es wären +Clystier-Sprizen, so lieb seyd ihr mir. + +(Trompeten.) + +Ha, der Mohr kommt; ich kenne seine Trompete. + +Cassio. +Es ist würklich so. + +Desdemona. +Wir wollen ihm entgegen gehen-- + +Cassio. +Seht, hier ist er schon. + + + +Sechste Scene. + (Othello und Gefolge zu den Vorigen.) + + +Othello. +O meine schöne Heldin! + +Desdemona. +Mein theurer Othello! + +Othello. +Meine Verwundrung euch vor mir hier zu sehen, ist so groß als mein +Vergnügen. O Wonne meines Herzens! Wenn auf jeden Sturm eine so +süsse Stille folgte, so möchten die Winde blasen, bis sie den Tod +aufgewekt hätten: So möchte die arbeitende Barke an Hügeln von +Wasser bis an den Olymp hinauf klettern, dann wieder so tief sich +tauchen, als die Hölle vom Himmel ist! Wenn ich izt sterben müßte, +so wär's in dem Augenblik, da meine Glükseligkeit ihren höchsten +Punkt erreicht hat; ich besorge sehr, diese Wonne meiner Seele ist +zu groß, als daß noch eine solche in der unbekannten Zukunft für +mich ligen kan. + +Desdemona. +Das verhüte der Himmel, daß unsre Liebe und unser Vergnügen nicht +in gleichem Maasse zunehmen sollte, wie unsre Tage wachsen! + +Othello. +Amen, zu diesem holden Wunsch! Ich kan nicht genug von dieser +Freude sagen, mein Herz ist so voll-- + +(er küßt sie--) + +und diß, und diß, möge die grösseste Dissonanz seyn, die jemals +unsre Herzen machen werden! + +Jago (bei Seite.) + +O, izt seyd ihr noch wolgestimmt; aber ich will den Wirbel legen, +der diese Musik macht, so wahr ich ehrlich bin! + +Othello. +Kommt, wir wollen in's Schloß. Nun, meine Freunde, der Krieg ist +geendigt, eh er angefangen hat; die Türken sind ertrunken. Wie +leben unsre alten Bekannten auf dieser Insel?--Mein liebstes Herz, +ihr werdet in Cypern sehr geliebt werden; ich habe viele +Freundschaft hier empfangen--O meine Liebe, ich merke daß ich mich +vergesse; das Uebermaaß meiner Freude macht mich schwärmen.--Ich +bitte dich, guter Jago, geh an die Rhede und laß meine Kisten +auspaken; und den Schiffs-Patron bring' in die Citadelle zu mir; er +ist ein geschikter Mann, dessen Verdiensten eine vorzügliche +Achtung gebührt. Kommt, Desdemona, noch einmal willkommen in +Cypern! + +(Othello und Desdemona gehen ab.) + + + +Siebende Scene. + (Jago und Rodrigo bleiben.) + + +Jago (zu einigen Bedienten.) +Geht ihr dem Hafen zu, ich werde in einem Augenblik folgen--(zu +Rodrigo.) +Komm näher, wenn du ein tapfrer Mann bist; (und man sagt doch, daß +die Liebe auch den feigesten Seelen eine gewisse Stärke und +Erhabenheit gebe, die ihnen sonst nicht natürlich ist)--Horch mir +zu; der Lieutenant commandirt diese Nacht auf der Hauptwache. +Zuerst muß ich dir sagen, daß diese Desdemona geradezu in ihn +verliebt ist. + +Rodrigo. +In ihn? Wie, das ist nicht möglich. + +Jago. +Leg deine Finger auf den Mund und laß dir sagen, was du zu wissen +brauchst. Bedenk einmal mit was für einer Heftigkeit sie anfangs +den Mohren liebte, bloß weil er aufschnitt, und ihr romanhafte +Lügen vorsagte. Meynst du, sein Pralen werde machen, daß sie ihn +immer liebe? Sey nicht so einfältig, und bilde dir solche Dinge +ein. Ihr Auge muß doch auch eine Nahrung haben. Und was ein +Vergnügen kan sie davon haben, wenn sie den Teufel ansieht? Wenn +die Entzükungen des Liebes-Spiels das Blut ermattet haben, so +braucht es Reizungen, Schönheiten, Sympathie im Alter, zärtliche +Empfindungen, was weiß ich's, kurz lauter Eigenschaften, die der +Mohr nicht hat, um es wieder anzuflammen. Nun aber kan's nicht +fehlen, der Abgang dieser Erfordernisse und Uebereinstimmungen wird +ihre jugendliche Zärtlichkeit gar bald empören; sie wird finden, +daß sie sich betrogen hat; sie wird des Mohren erst satt, dann +überdrüssig werden, dann einen Ekel vor ihm bekommen, und ihn +endlich gar verabscheuen, die Natur selbst wird sie das lehren und +sie zu einer andern Wahl nöthigen. Nun, Herr, dieses vorausgesezt, +(wie es dann eine ausgemachte Sonnenklare Sache ist,) wer darf sich +dieses Glük mit beßrer Hoffnung versprechen als Cassio? Der +geschmeidigste Schurke von der Welt; der nicht mehr Gewissen oder +Tugend hat, als der Wohlstand und die Klugheit erfordern, um unterm +Schuz der äusserlichen Form eines bescheidnen und wohlgesitteten +Betragens seine geheimen Ausschweiffungen und Leichtfertigkeiten +desto sichrer auszuüben; ein glatter, abgeteilter Schurke, ein +Gelegenheits-Hascher, ein Gleißner, der sich das Ansehen von +Tugenden geben kan, die er nie gehabt hat; ein verteufelter Schurke! +Und dann kommt noch in Betrachtung, daß der Schurke hübsch, jung, +und mit allen den Erfordernissen begabt ist, worauf Thorheit und +unreiffe Jugend am meisten sehen. Ein schwernöthischer +ausgemachter Schurke! Und das Weibsbild kennt ihn schon besser, +als du dir einbildest. + +Rodrigo. +Das kan ich unmöglich von ihr glauben; sie ist von einer so +tugendhaften Gemüthsart-- + +Jago. +Tugendhafter Pfifferling! Der Wein den sie trinkt ist aus Trauben +gemacht. Wenn sie tugendhaft gewesen wäre, so würde sie sich nicht +in den Mohren verliebt haben: Tugendhafter Quark! Hast du dann +nicht gesehen wie sie mit seiner Hand auf- und abschaukelte? Hast +du nicht darauf Acht gegeben? + +Rodrigo. +Ja, das that ich; aber das war nur Höflichkeit. + +Jago. +Leichtfertigkeit war's, bey meiner Seele! Eine geheime Andeutung, +ein stillschweigender Prologus zu einem Lustspiel, wo man keine +Zuschauer verlangt. Sie kamen einander ja mit ihren Lippen so nah, +daß ihr Athem sich vermischen und zusammenfliessen mußte. Das ist +ein vertrakter Gedanke, Rodrigo! Wenn solche Vertraulichkeiten den +Weg bahnen, so darf man sich darauf verlassen, daß die Haupt-Action +bald nachkommen wird--Fy, Henker!--Aber, laßt euch nur von mir +rathen, Herr. Ich hab' euch von Venedig mitgebracht. Zieht mit +auf die Wache diese Nacht, ich will euch dazu commandieren. Cassio +kennt euch nicht; und ich will nicht weit von euch seyn. Seht daß +ihr dann eine Gelegenheit findet, ihn aufzubringen; redet zu laut, +oder haltet euch über seine Art zu commandieren auf, oder thut +sonst was das ihn ärgern kan, wie es Zeit und Umstände an die Hand +geben werden. + +Rodrigo. +Gut. + +Jago. +Er ist jäh, und in einem Augenblik aufgebracht; es kan leicht +begegnen, daß er euch einen Schlag giebt. Reizt ihn dazu; dann das +würde mir einen vortrefflichen Anlaß geben, die Cyprier in eine +solche Empörung gegen ihn zu sezen, daß nichts als seine Entfernung +sie besänftigen soll. Dadurch kommt ihr desto bälder zu euerm Zwek; +denn wenn Cassio einmal aus dem Weg ist, so will ich für das +übrige schon Mittel finden, und ihr sollt glüklich werden. + +Rodrigo. +Ich verstehe mich zu allem, wenn ihr's dahin bringen könnt. + +Jago. +Dafür steh ich dir. Laß dich vor der Citadelle wieder antreffen; +ich muß nur einen kleinen Gang machen, um sein Gepäke ans Land zu +holen. Lebt wohl indessen. + +Rodrigo. +Adieu. + +(Er geht ab.) + + + +Achte Scene. + + +Jago (allein.) +Daß Cassio sie liebt, das glaub ich, und daß sie ihn wieder liebt, +das läßt sich wenigstens glauben. Was den Mohren betrift, so muß +ich gestehen, ob ich ihn gleich nicht leiden kan, daß er von einer +gesezten, liebreichen und edeln Gemüths-Art ist; und ich zweifle +gar nicht daran, daß er gegen Desdemona ein recht zärtlicher Ehmann +seyn wird. Nun lieb ich sie auch, nicht eben aus Antrieb einer +sonderlichen Lust zu ihr, (ob ich gleich vielleicht für eben so +grosse Sünden in des Teufels Schuldbuch stehe,) sondern mehr um an +dem üppigen Mohren Rache zu üben, den ich im Verdacht habe, daß er +meinem Weibe zu nah' gekommen seyn möchte; ein Gedanke, der mir wie +mineralisches Gift an meinem Inwendigen nagt, und mir keine Ruhe +lassen wird, bis ich quitt mit ihm bin, Weib um Weib: Oder wenn mir +auch das fehlschlüge, so muß mir der Mohr wenigstens in eine so +starke Eifersucht gesezt werden, daß die Vernunft selbst ihm nichts +dagegen helfen soll. Und wenn dieser arme Venetianische Brak, den +ich bloß um seines guten Jagens willen liebe, unserm Michael Cassio +nur recht zu Leibe geht, so wollen wir ihn bald bey der Hüfte +kriegen, und ihn dem Mohren auf eine Art empfehlen, die ihre +Würkung thun soll; und der Mohr soll mir noch danken, und mich noch +dafür lieben und belohnen, daß ich ihn fein sauber zu einem Esel +mache, und ihn aus dem stolzen Frieden seiner Seele bis zur +Tollheit herausbetrüge. Das alles ligt hier--aber noch verworren; +Spizbüberey läßt ihr ganzes Gesicht nicht eher sehen, bis sie +vollbracht ist. + +(Geht ab.) + + + +Neunte Scene. + (Die Strasse.) + (Ein Herold tritt auf.) + + +Herold. +Es ist Othello's, unsers edeln und tapfern Ober-Befehlhabers, Wille +und Belieben, daß auf die zuverlässig eingelauffene Nachricht von +dem gänzlichen Untergang der Türkischen Flotte, jedermann seine +Freude öffentlich, durch Tänze, Freuden-Feuer, und alle die Spiele +und Lustbarkeiten, wozu einen jeden seine Neigung treiben mag, an +den Tag geben möge--Zumal, da noch über diese glükliche Zeitung, +sein Vermählungs-Fest ein Gegenstand der allgemeinen Freude ist. +Alle seine Vorraths-Kammern sind aufgeschlossen, und es ist jedem +erlaubt von dieser fünften Stunde an, bis die Gloke eilfe +geschlagen haben wird, zu schmausen und sich zu erlustigen, wie es +ihm beliebt. Dieses sollte, nach seinem Befehl, durch öffentlichen +Ausruf bekannt gemacht werden. Heil der Insel Cypern, und unserm +edeln General! + +(Othello, Desdemona, Cassio, und Gefolge treten auf.) + +Othello. +Mein lieber Cassio, seht diese Nacht zur Wache; wir wollen nicht +vergessen, in unsern Lustbarkeiten nie über das Ziel der +Anständigkeit und Mässigung hinauszuschweiffen. + +Cassio. +Jago hat schon Befehl auf die Nacht; ich will aber nichts +destoweniger selbst ein Aug' auf alles haben. + +Othello. +Jago ist ein ehrlicher Mensch--Gute Nacht, Cassio. Morgen, so früh +als euch gelegen ist, laßt mich eine Unterredung mit euch haben-- + +(Zu Desdemona.) + +Komm, meine theure Liebe--Wenn der Kauf geschehen ist, so folgt die +Nuzniessung;--Gute Nacht. + +(Othello und Desdemona gehen ab.) + +(Jago zu Cassio.) + +Cassio. +Willkommen Jago, wir müssen zur Wache. + +Jago. +Izt noch nicht, Lieutenant, es ist noch nicht zehn Uhr. Unser +General hat uns seiner Desdemona zu lieb so früh entlassen, und wir +können ihn nicht deßwegen tadeln--es ist seine erste Nacht, und sie +ist ein Lekerbissen für einen Jupiter. + +Cassio. +Sie ist eine vortreffliche Dame. + +Jago. +Und sie liebt das Spiel, ich stehe für sie. + +Cassio. +In der That, sie ist ein reizendes Geschöpf. + +Jago. +Was sie für ein paar Augen hat! Es ist, als ob sie einen +auffordern-- + +Cassio. +Sehr anziehende Augen, und doch, wie mich däucht, vollkommen +sittsam. + +Jago. +Und wenn sie redt, ist nicht der blosse Ton ihrer Stimme ein Signal +zur Liebe? + +Cassio. +Sie ist, in der That, die Vollkommenheit selbst. + +Jago. +Gut, viel Glüks zu ihrer Hochzeit-Nacht! Kommt, Lieutenant, ich +habe eine Flasche Wein, und es sind ein paar brave junge Cyprier +draussen, die gerne eins auf Othello's Gesundheit mit uns trinken +möchten. + +Cassio. +Diese Nacht kan's nicht seyn, Jago; ich habe ein armes unglükliches +Gehirn zum Trinken. Ich möchte wol wünschen, daß man eine andre +Manier, einander seinen guten Willen zu bezeugen, erfinden möchte +als Gesundheittrinken. + +Jago. +Oh, es sind gute Freunde; nur ein Gläschen; ich will für euch +trinken. + +Cassio. +Ich habe diesen Abend nicht mehr als einen Bechervoll getrunken, +der noch dazu mit Wasser gemischt war, und ihr seht, was für +Veränderungen er schon hier gemacht. Es ist ein Unglük für mich, +daß ich so wenig ertragen kan, aber ich darf es nicht wagen, mehr +zu thun. + +Jago. +Wie, Mann? Die heutige Nacht ist dazu bestimmt, daß man sich +lustig mache, und die jungen Herren würden sich durch unsre +Weigerung beleidigt finden. + +Cassio. +Wo sind sie? + +Jago. +Hier, vor der Thür; ich bitte euch, ruft sie herein. + +(Cassio geht ab.) + +Jago (allein.) +Wenn ich ihm, über das was er schon getrunken hat, nur noch einen +Becher voll beybringen kan, so wird er so händelsüchtig seyn, und +sich so unnüz machen wie meiner jungen Fräulein Hund--Nun hat mein +ehrlicher Rodrigo, dem die Liebe nun vollends die unrechte Seite +herausgekehrt hat, diese Nacht auch manchen Stuzer auf Desdemonens +Gesundheit ausgeleert, und izt wird er mit auf die Wache ziehen. +Drey junge Cyprier, frische rüstige Bursche, die Herz und Ehre +haben, hab ich gleichfalls mit vollen Bechern zugedekt, und sie +sind auch von der Wache. Unter dieser Schaar von Betrunknen kan es +mir also nicht schwer fallen, unsern Cassio zu einem Exceß zu +bringen, wodurch er diese Insulaner vor die Köpfe stößt--Aber da +kommen sie ja schon. Wenn der Erfolg meinem Entwurf antwortet, so +segelt mein Boot mit Wind und Fluth davon. + + + +Zehnte Scene. + (Cassio, Montano, und drey junge Cyprier.) + + +Cassio. +Beym Himmel, sie haben mir schon einen Tips angehängt. + +Montano. +Einen sehr kleinen, in der That: ihr habt nicht über eine Maaß +getrunken, so wahr ich ein Soldat bin. + +Jago. +Wein her, Wein her! (er fängt an zu singen) + he! Wein her, ihr Jungens! + +Cassio. +Beym Himmel, das war ein hübsches Lied. + +Jago. +Das lernt ich in England, wo sie, in der That, mächtige Zecher sind. +Euer Dähne, euer Deutscher, euer schmerbauchichter Holländer--he! +zu trinken! sind nichts gegen meinen Engländer. + +Cassio. +So ist euer Engländer ein so grosser Trinker? + +Jago. +Ob er's ist? Ich sag euch, er trinkt euch eure Dänen zu Boden, +ohne daß ihr's ihm anseht. Er braucht nicht zu schwizen, um über +euern Deutschen Meister zu werden; und euern Holländer bringt er +zum Speyen, eh die nächste Flasche gefüllt werden kan. + +Cassio. +Auf die Gesundheit unsers Generals! + +Montano. +Da bin ich auch dabey, Lieutenant, ich will euch Bescheid thun. + +Jago. +O das liebe England! +(König Stephan war ein braver Pair etc.) + +(Er singt.) +Mehr Wein her, he! + +Cassio. +Ha, das Lied ist noch schöner als das vorige. + +Jago. +Wollt ihr's noch einmal hören? + +Cassio. +Nein, wahrhaftig, und hielte den für einen Mann der seines Plazes +nicht würdig wäre, der solche Dinge thun wollte--Gut--Der Himmel +ist über uns alle; und es ist nun schon einmal so, daß die einen +selig werden, und die andern nicht selig werden. + +Jago. +Das ist wahr, Herr Lieutenant. + +Cassio. +Was mich betrift, (ohne unserm General, oder sonst einem Mann von +Stande zu nah zu treten,) so hoff' ich, selig zu werden. + +Jago. +Und ich auch, Lieutenant. + +Cassio. +Schon gut, aber, mit eurer Erlaubniß, nicht vor mir. Der +Lieutenant muß vor dem Fähndrich selig werden. Sagt mir nichts +mehr hievon!--Wir wollen von unsern Geschäften reden--Vergieb uns +unsre Schulden!--Meine Herren, wir wollen zu unsern Geschäften +sehen. Bildet euch nicht ein, ihr Herren, daß ich betrunken sey: +Das ist mein Fähndrich; das ist meine rechte Hand, und das ist +meine linke. Ich bin noch nicht betrunken, ich kan noch ziemlich +aufrecht stehen, und ich rede noch gut genug. + +Alle. +Vortreflich gut. + +Cassio. +Nun, recht gut also; so müßt ihr also nicht denken, daß ich +betrunken sey. + +(Er geht ab.) + + + +Eilfte Scene. + + +Montano. +Auf die Platte-Forme, meine Herren; kommt, wir wollen die Wache +besezen. + +Jago. +Ihr seht diesen Burschen, der voraus gegangen ist; er ist ein guter +Soldat, werth zunächst an Cäsarn zu stehen, und unter ihm Befehle +zu geben. Aber ihr seht auch sein Laster;--es ist schade für ihn-- +er hat Stunden, wo dieses einzige Gebrechen alle seine Tugenden +unbrauchbar macht--ich fürchte nur, das Vertrauen, das Othello in +den Mann sezt, mag in irgend einem solchen unglüklichen Augenblik +das Verderben dieser Insel seyn. + +Montano. +Ist er denn oft so? + +Jago. +Es ist jedesmal der Prologus zu seinem Schlaf. Er würde euch +zweymal vier und zwanzig Stunden an einem Weg wachen, wenn Bacchus +seine Wiege nicht rüttelte. + +Montano. +Es wäre gut, wenn dem General eine Vorstellung hierüber gemacht +würde; vielleicht weiß er's nicht; oder sein gutes Gemüth ist von +den Verdiensten, die an Cassio in die Augen leuchten, so +eingenommen, daß er ihm seine Untugenden übersieht; ist's nicht so? + +(Rodrigo zu den Vorigen.) + +Jago. +Was macht ihr hier, Rodrigo? Ich bitte euch, seht wo der +Lieutenant ist, geht. + +(Rodrigo geht ab.) + +Montano. +Und es ist in der That recht zu bedauren, daß der Mohr einen so +wichtigen Plaz, die Vertretung seiner eignen Person, einem Mann +anvertrauen soll, der mit einem so eingewurzelten Gebrechen +behaftet ist; es wäre die That eines ehrlichen Mannes, wenn man dem +Mohren das sagen würde. + +Jago. +Der möcht' ich nicht seyn, und wenn ich diese ganze Insel damit zu +gewinnen wüßte; ich liebe den Cassio, und wollte alles in der Welt +thun, ihn von diesem Uebel zu heilen. Horcht, was für ein Lerm ist +das? + +(Man schreyt hinter der Scene: Helft, helft!) +(Cassio verfolgt den Rodrigo auf den Schau-Plaz.) + +Cassio. +Du Raker! du Lumpenhund! + +Montano. +Was habt ihr, Lieutenant? + +Cassio. +Ein Schurke soll mich meine Schuldigkeit lehren! Ich will den +Schurken in eine Kürbis-Flasche hineinprügeln. + +Rodrigo. +Mich prügeln-- + +Cassio. +Rüppelst du dich noch, Lumpenkerl? + +Montano (der ihn zurükhält.) +Haltet ein, guter Lieutenant; ich bitte euch, mein Herr, haltet ein. + +Cassio. +Laßt mich gehen, Herr, oder ihr kriegt eins auf die Ohren. + +Montano. +Kommt, kommt, ihr seyd ein betrunkener Mann. + +Cassio. +Betrunken?-- + +(Er zieht den Degen gegen Montano, welcher sich zur Wehr sezt.) + +Jago (zu Rodrigo leise.) +Weg, sag ich, hinaus, und schlagt Lermen. + +(Rodrigo geht.) + +Nein, guter Lieutenant--Ums Himmels willen, meine Herren--Helft! +he!--Lieutenant--meine Herren--Montano--helft, ihr Herren! das ist +mir eine feine Wache, in der That!--Nu ja, wer hat den Einfall gar +die Sturmgloke zu läuten?--Zum Teufel, halt! die ganze Stadt wird +in Bewegung kommen. Fy, fy, Lieutenant! halt, sag ich! Ihr +verliehrt eure Ehre auf eine unwiederbringliche Art. + + + +Zwölfte Scene. + (Othello, mit seinem Gefolge zu den Vorigen.) + + +Othello. +Was giebt es hier? + +Montano. +Ich blute stark, ich bin verwundet, doch nicht tödtlich. + +Othello. +Halt, so lieb euch euer Leben ist. + +Jago. +Halt, he, Lieutenant--Herr--Montano--meine Herren--Habt ihr denn +allen Verstand verlohren? Wißt ihr nicht mehr, wer, und vor wem +ihr seyd? Der General redt mit euch--Halt, sag ich--schämt euch +doch wenigstens, und haltet ein-- + +Othello. +Wie, was soll das seyn, he! Wer ist der Urheber von diesem Unfug? +Sind wir zu Türken geworden? Und thun uns selbst was der Himmel +den Ottomannen verboten hat? Aus Schaam wenigstens vor diesen +Ungläubigen, macht diesem barbarischen Gefecht ein Ende; der erste +von euch, der sich noch rührt, ist auf der Stelle des Todes! Heißt +diese Gloke schweigen, sie schrekt diese Insel aus ihrer Ruhe auf. +Was war denn der Anlas zu diesem Handel? Ehrlicher Jago, dein +blasses Gesicht sagt mir, daß du bekümmert bist--Sprich, wer machte +den Anfang? Sage die Wahrheit, so lieb ich dir bin! + +Jago. +Ich weiß es nicht; wir waren alle gute Freunde, nur eben, nur noch +vor einem Augenblik auf der Hauptwache beisammen, so freundlich wie +Braut und Bräutigam, wenn sie zu Bette gehen wollen--und dann, in +einem Augenblik (nicht anders als ob irgend ein aufgehender Planet +den Leuten die Vernunft genommen hätte) sind sie mit ihren Degen +heraus, und gehen einander auf Leib und Leben. Ich kan nicht sagen, +was der Anlas zu diesem unsinnigen Zwist war; aber ich wollte, ich +hätte in irgend einer rühmlichen Action diese Beine verlohren, die +mich zu einem Theil davon geführt haben. + +Othello. +Wie kommt es, Cassio, daß ihr euch so vergessen habt? + +Cassio. +Ich bitte euch, entschuldigt mich, ich kan nicht reden. + +Othello. +Würdiger Montano, ihr seyd sonst ein gesitteter Mann: die Welt legt +euch den Charakter eines gesezten und sittsamen Jünglings bey, und +die Weisesten sprechen euern Namen mit Hochachtung aus. Was für +ein Anlas konnte euch dahin bringen, euern Ruhm so leichtsinnig zu +verschleudern, und die gute Meynung der Welt um den Namen eines +Nacht-Schwärmers hinzugeben? Antwortet mir auf das! + +Montano. +Würdiger Othello, ich bin gefährlich verwundet: Euer Officier, Jago, +kan mir eine Mühe ersparen, die mir izt einige Ungelegenheit +verursachen würde; er weiß alles, was ich euch sagen könnte; und +ich wißte auch nicht was ich diese Nacht über Unrechtes gesagt oder +gethan hätte, es wäre denn, daß Selbstvertheidigung, wenn wir +gewaltsam angefallen werden, eine Sünde seyn sollte. + +Othello. +Nun, beym Himmel, mein Blut fangt an über meine Vernunft Meister zu +werden--Reizt mich nicht, sag ich euch, oder wenn ich nur diesen +Arm hebe, so soll der Beste von euch unter meinem Zorn zu Boden +sinken. Laßt mich wissen, wie dieser schändliche Tumult sich anhub; +wer der Anfänger war; und derjenige, welcher schuldig befunden +wird, hat einen Freund an mir verlohren, und wenn er mein Zwillings- +Bruder wäre--Wie? in einer mit Krieg bedräuten Stadt, deren +Einwohner noch mit Schreken angefüllt sind, sich von der Furcht +eines feindlichen Ueberfalls noch nicht erholt haben, um Privat- +Händeln willen einen Lerm anfangen? Und das bey Nacht, und auf der +Hauptwache, die der Schirm der allgemeinen Sicherheit seyn soll? +Es ist etwas ungeheures! Rede, Jago, wer war der Anfänger? + +Montano. +Wenn du aus Partheylichkeit, Freundschaft oder vermeynter Pflicht +mehr oder weniger sagst als wahr ist, so bist du kein Soldat. + +Jago. +Rühret mich an keinem so empfindlichen Theil an: Ich wollte mir +lieber diese Zunge aus dem Mund reissen lassen, als daß ich meinem +Freund Cassio zum Schaden reden wollte: jedoch hoff' ich es könne +ihm keinen Schaden thun, wenn ich die Wahrheit sage. So verhält +sich die Sache, General: Montano und ich waren in einem Gespräch +begriffen, als ein Bursche hereinzulauffen kam, der aus vollem Hals +um Hülfe schrie, und Cassio mit blossem Degen hinter ihm her, +vermuthlich um ihn abzustraffen. Hierüber gieng dieser Herr auf +den Cassio zu, und bat ihn sich zufrieden zu geben, ich selbst aber +lief dem schreienden Kerl nach, aus Furcht, sein Geschrey möchte +(wie es auch würklich begegnet ist,) die Stadt in Unruh sezen; +allein, da er schneller auf den Beinen war, so verlohr' ich ihn +gleich aus dem Gesicht, kehrte also wieder zurük, um so mehr als +ich das Klingeln und Fallen von blossen Degen und den Cassio +gewaltig fluchen hörte, welches ich vor dieser Nacht niemals hätte +von ihm sagen können. Wie ich nun zurük kam, so fand ich sie im +hizigsten Gefecht begriffen, kurz, in den nemlichen Umständen, +worinn ihr selbst sie auseinander gebracht habt. Mehr kan ich von +diesem Handel nicht sagen. Aber Menschen sind Menschen; die besten +vergessen sich zuweilen; und wenn ihm auch Cassio ein wenig zuviel +gethan hat, wie denn Leute in der Wuth oft ihre liebsten Freunde +schlagen, so glaub ich doch gewiß, daß Cassio von dem Burschen, der +entlaufen ist, irgend eine grobe Beleidigung, die nicht zu dulden +war, empfangen haben muß. + +Othello. +Ich sehe, Jago, daß dein gutes Gemüth und deine Liebe zu Cassio +seine Schuld zu verkleinern sucht. Cassio, ich liebe dich, aber du +bist mein Officier nicht mehr--(Desdemona, mit Gefolge, zu den +Vorigen.) Seht, ist nicht meine liebste Desdemona aufgestanden--ich +will dich zu einem Exempel machen. + +Desdemona. +Was ist hier zu thun? + +Othello. +Es ist alles in seiner Ordnung. Komm zu Bette, meine Liebe--Mein +Herr, ich will selbst der Arzt für eure Wunden seyn--Führt ihn nach +Hause. Jago, laß dir die Beruhigung der Stadt angelegen seyn--Komm, + Desdemona; es ist einer von den Zufällen des Soldaten-Lebens, oft +vom süssesten Schlummer durch kriegrisches Getümmel aufgewekt zu +werden. + +(Sie gehen ab.) + + + +Dreyzehnte Scene. + (Jago und Cassio bleiben.) + + +Jago. +Wie, seyd ihr verwundet, Lieutenant? + +Cassio. +So, daß mir alle Wundärzte der Welt nicht helfen können. + +Jago. +Das verhüte der Himmel! + +Cassio. +O Guter Name! Guter Name! Ich habe meinen guten Namen verlohren; +ich habe mein unsterbliches Theil verlohren, was mir übrig +geblieben, ist ein blosses Thier. Meinen guten Namen, Jago, meinen +guten Namen!-- + +Jago. +So wahr ich ein Bidermann bin, ich dachte, ihr hättet irgend eine +tieffe Wunde in den Leib bekommen; das hätte mehr zu bedeuten als +ein guter Name--Diese Schimäre, die so oft ohne Verdienste gewonnen, +und ohne Verschuldung verlohren wird. Ihr habt nichts verlohren, +als in so fern ihr euch einbildet, daß ihr was verlohren habt. Wie, +Mann--man kan Mittel finden, den General wieder zu gewinnen. Ihr +seyd nur noch mündlich cassiert, eine Straffe, worinn mehr Politik +als böser Willen ist; gerade so, als wenn einer seinen unschuldigen +Hund schlüge, um einen übermüthigen Löwen zu erschreken. Gebt ihm +gute Worte, so ist er wieder euer. + +Cassio. +Ich wollte lieber selbst um meine Verwerfung bitten, als einen so +rechtschaffnen General mit einem so schlechten, so versoffenen, so +unbedachtsamen Officier betrügen. Besoffen? und plappern wie ein +Papagay? und Händel anfangen? großpralen? fluchen? und dummes +Zeug mit seinem eignen Schatten reden? O du unbändiger Geist des +Weins, wenn du noch keinen Namen hast, woran man dich kennen kan, +so laß dich Teufel heissen. + +Jago. +Wer war der Kerl, den ihr mit dem Degen verfolgtet? was hatte er +euch gethan? + +Cassio. +Das weiß ich nicht. + +Jago. +Ists möglich? + +Cassio. +Ich erinnere mich eines verworrenen Klumpens von Sachen, aber +nichts deutlich: Eines Handels, aber nicht warum. O daß ein Mann +einen Feind zu seinem Mund einlassen soll, damit er ihm seine +Vernunft wegstehlen könne! daß wir fähig sind, mit lauter Freude, +Lust, Scherz und Wohlleben uns in Bestien zu verwandeln! + +Jago. +Nun, gebt euch zufrieden, ihr seyd wieder ganz wohl: Wie habt ihr +euch sobald wieder erholt? + +Cassio. +Der Teufel der Trunkenheit hat dem Teufel des Zorns Plaz gemacht; +eine Unvollkommenheit zeigt mir eine andre--o wie herzlich veracht' +ich mich selber! + +Jago. +Kommt, ihr seyd ein allzustrenger Moralist. In Betrachtung der +Zeit, des Orts und der gegenwärtigen Umstände dieses Lands möcht' +ich selbst von Herzen wünschen, es wäre nicht begegnet; aber da es +nun einmal so ist wie es ist, so ergebt euch darein, und denkt +darauf, wie ihr's wieder gut machen wollt. + +Cassio. +Gesezt, ich geh, und bitt' ihn wieder um meine Stelle, so wird er +mir sagen, ich sey ein Trunkenbold--Hätte ich so viele Mäuler als +die Hydra, eine solche Antwort würde sie mir alle stopfen. Izt ein +vernünftiger Mensch seyn, bald darauf ein Narr, und dann plözlich +gar ein Vieh--Ein jedes Glas das man zuviel trinkt ist verflucht, +und das Ingrediens davon ist ein Teufel. + +Jago. +Kommt, kommt, guter Wein ist ein guter (Spiritus familiaris,) wenn +man mit ihm umzugehen weiß: Keine Declamationen mehr dagegen!--Mein +lieber Lieutenant, ich hoffe doch, ihr glaubt, daß ich euer Freund +bin. + +Cassio. +Ihr habt mir Proben davon gegeben, mein Herr--Ich, betrunken!-- + +Jago. +Das ist etwas, das euch und einem jeden andern ehrlichen Mann in +der Welt einmal begegnen kan--Ich will euch sagen, was ihr thun +solltet. Unsers Generals Frau ist izt der General. Ich kan mich +dieses Ausdruks bedienen, weil er sich ganz und gar der Beschauung, +Betrachtung und Beherzigung ihrer Vollkommenheiten und Schönheiten +gewiedmet und überlassen zu haben scheint. Macht ihr ein +freymüthiges Geständniß euers Fehlers, und laßt nicht ab, bis sie +euch verspricht euch wieder zu euerm Plaz zu helfen. Sie ist von +einer so großmüthigen, so gütigen, so menschenfreundlichen Gemüths- +Art, daß sie es für einen Mangel an Güte hielte, nicht noch mehr zu +thun als man von ihr begehrt. Bittet sie, dieses zerbrochne Band +zwischen euch und ihrem Manne wieder zusammen zu löthen--und ich +will alles was ich habe gegen eine Steknadel sezen, eure +Freundschaft wird stärker werden als sie je gewesen ist. + +Cassio. +Euer Rath ist gut. + +Jago. +Er ist wenigstens gut gemeynt, und kommt aus einem aufrichtigen und +freundschaftlichen Herzen. + +Cassio. +Davon bin ich überzeuget; ich will es nicht länger als bis morgen +früh anstehen lassen, die tugendhafte Desdemona um ihr Vorwort zu +bitten; ich bin gänzlich verlohren, wenn ich auf eine so +schimpfliche Art von hier gejagt werde. + +Jago. +Ihr habt recht; gute Nacht, Lieutenant; ich muß zur Wache sehen. + +Cassio. +Gute Nacht, redlicher Jago-- + +(Er geht ab.) + + + +Vierzehnte Scene. + + +Jago (allein.) +Und wo ist nun der, welcher sagen kan, ich spiele die Rolle eines +Spizbuben? Da der Rath, den ich ihm gebe, gut, ehrlich, von dem +wahrscheinlichsten Erfolg, ja in der That der gerade Weg ist, den +Mohren wieder zu gewinnen. Denn es ist etwas sehr leichtes die +gutherzige Desdemona zu bewegen, daß sie irgend eine erlaubte Bitte +begünstige; sie ist von einer so überfliessend-wohlthätigen Natur +wie die alles umfassenden Elemente. Und dann ist für sie wiederum +nichts leichters als den Mohren zu gewinnen, wär' es auch seinem +Taufbund zu entsagen, so gänzlich ist seine Seele in ihrer Liebe +verstrikt; sie kan mit ihm anfangen was sie will, machen, wieder +vernichten, wie es ihrem Eigensinn nur belieben mag, den Gott mit +seiner Schwäche zu spielen. Bin ich denn also ein Spizbube, dem +Cassio einen Weg zu rathen, der ihn so gerade zu seinem Besten +führt? Beym Abgott der Hölle! wenn Teufel ihre schwärzeste Sünden +ausüben wollen, so täuschen sie uns zuvor in himmlischen Gestalten-- +So mach' ichs würklich auch. Denn indeß daß dieser ehrliche Thor +sich Desdemonen zu Füssen wirft, um sein Glük wieder herzustellen, +und sie alle ihre Macht über den Mohren zu Cassio's Vortheil +anwendet; ich will ihm den giftigen Argwohn in die Ohren blasen, +daß sie ihn nur zu Büssung ihrer Lust so gerne bey sich zu behalten +wünsche; und je eyfriger sie sich bemühen wird, ihm Gutes zu thun, +je mehr wird sie ihren Credit in den Augen des Mohren verliehren. +So will ich ihre Tugend in Pech verwandeln, und aus ihrer Güte +selbst ein Nez machen, worinn sie alle gefangen werden sollen. Wo +kommt ihr her, Rodrigo? + + + +Fünfzehnte Scene. + (Rodrigo zu Jago.) + + +Rodrigo. +Ich lauffe hier mit der Jagd, nicht wie ein Hund der jagt, sondern +nur, wie einer der schreyen hilft. Mein Geld ist beynah +aufgebraucht; heute Nachts bin ich ganz unvergleichlich abgeprügelt +worden; und ich denke, das Ende vom Liede wird seyn, daß ich so +viel Erfahrung für meine Mühe habe; und so werd' ich mit einem +leeren Beutel und einem Bißchen mehr Wiz wieder nach Venedig zurük +kehren-- + +Jago. +Was für elende Leute sind doch die, so keine Geduld haben können! +Wenn heilt jemals eine Wunde anderst als nach und nach--Du weißst +doch, daß wir nicht zaubern können, sondern daß alles was wir thun, +natürlich zugehen muß; und die Natur will ihre Zeit haben. Wo +fehlt es dann, laßt sehen? Cassio hat dich geprügelt, und du hast +für ein paar arme Schläge diesen Cassio cassiert--Was reiff werden +soll, muß erst blühen. Gedulde dich noch ein wenig: Es ist +würklich schon Tag. Vergnügen und Arbeit machen, daß uns die +Stunden kurz scheinen. Entfern' dich; geh, wohin du angewiesen +bist; geh, sag ich--du sollst bald mehr von mir hören--Nun, so geh +doch-- + +(Rodrigo geht.) + +Nun sind zwey Dinge zu thun; mein Weib muß für den Cassio zur +Desdemonen gehen, und das will ich bald veranstaltet haben; ich muß +indeß den Mohren auf die Seite nehmen, und ihn nicht eher wieder +erscheinen lassen, als gerade wenn er den Cassio bey seiner Frauen +überraschen kan--ja, so muß es gehen--und das Eisen soll +geschmiedet werden, weil es noch warm ist. + +(Er geht ab.) + + + + +Dritter Aufzug. + + + +Erste Scene. + (Vor Othello's Pallast.) + (Cassio, mit Musicanten, tritt auf.) + + +Cassio. +Meine Herren, hier spielt eins, (ich will eure Mühe vergelten,) +etwas das nicht zu lange währt, und dann wünscht dem General einen +guten Morgen. + +(Die Musik fängt an; Hans Wurst kommt aus dem Hause heraus.) + +Hans Wurst. +Wie, ihr Herren, sind eure Instrumente in Neapel gewesen, daß sie +so durch die Nase reden?--Hier ist Geld für euch; eure Musik +gefällt dem General so wol, daß er wünscht, ihr möchtet ihm den +Gefallen thun, und nicht gar zu laut damit seyn. + +Musicant. +Gut, Herr, wir wollen's leiser machen. + +Hans Wurst. +Wenn ihr eine Musik habt, die man nicht hört, so macht immer fort: +Aber was man heißt, Musik zu hören, davon ist der General kein +sonderlicher Liebhaber. + +Musicant. +Eine Musik, die man nicht hört?--Wir können eine solche, Herr. + +Hans Wurst. +So stekt eure Pfeiffen wieder in euern Sak, und zieht ab. Geht, +zerfließt in Luft, fort. + +(Die Musicanten gehen ab.) + +Cassio. +Hörst du, guter Freund? + +Hans Wurst. +Mit beyden Ohren. + +Cassio. +Hier ist ein kleines Goldstük für dich; wenn die Kammer-Frau der +Generalin auf ist, so sag' ihr, es sey ein gewisser Cassio da, der +sich die Erlaubniß ausbitte, ein paar Worte mit ihr zu reden. +Willt du? + +Hans Wurst. +Sie ist auf, Herr; wenn sie mir in den Wurf kommt, so will ich +nicht ermangeln, es ihr zu notificieren. + +(Er geht.) + +Cassio. +Thu das, guter Freund--Da kommt Jago eben recht. + +Jago. (zu ihm.) +Ihr seyd also nicht zu Bette gegangen? + +Cassio. +Nein, gewiß nicht; der Tag brach ja schon an, eh wir schieden. Ich +bin so frey gewesen, und habe eure Frau hieher bitten lassen; ich +will sie ersuchen, sie möchte mir Zutritt bey Desdemona verschaffen. + +Jago. +Ich will sie augenbliklich hieher schiken, und indeß ein Mittel +ausfindig machen, um den Mohren auf die Seite zu bringen, damit ihr +ungehindert mit Desdemonen sprechen könnt. + +(Er geht ab.) + +Cassio. +Ich dank euch gehorsamst davor--In meinem Leben hab' ich keinen +gutherzigern und ehrlichern Florentiner gesehen! (Aemilia zu +Cassio.) + +Aemilia. +Guten Morgen, Herr Lieutenant. Es ist mir leid, daß ihr Verdruß +gehabt habt; aber ich hoffe, es wird alles wieder gut werden. Der +General und seine Gemahlin reden mit einander davon, und sie nimmt +eure Parthey sehr lebhaft. Der Mohr hält ihr entgegen, derjenige, +den ihr verwundet hättet, sey ein Mann von grossem Namen in Cypern, +und von einer ansehnlichen Familie; er könne aus politischen +Ursachen nicht anders, als euch von sich entfernen. Jedoch +versichert er zu gleicher Zeit, er liebe euch, und habe keine andre +Fürbitter nöthig, um euch wieder bey ihm in Gunst zu sezen, als +seine eigne Zuneigung. + +Cassio. +Ich bitte euch dem ungeachtet, wenn ihr anders glaubt daß es +schiklich sey, und wenn es sich thun läßt, mir Gelegenheit zu +verschaffen, daß ich ein paar Worte mit Desdemonen allein sprechen +könnte. + +Aemilia. +Ich bitte euch, kommt herein; ich will euch an einen Ort führen, wo +ihr Gelegenheit haben sollt, ihr alles zu sagen was ihr auf dem +Herzen habt. + +Cassio. +Ich bin euch sehr dafür verbunden. + +(Sie gehen ab.) + + + +Zweyte Scene. + (Othello, Jago, und etliche Cyprische Edelleute.) + + +Othello. +Diese Briefe, Jago, gieb dem Schiffs-Patron, und bitte ihn, dem +Senat meine Schuldigkeit zu bezeugen. Ich will indessen einen Gang +in die Vestungs-Werker thun, mache, daß du dort wieder zu mir +kommst. + +Jago. +Ich werde nicht ermangeln, gnädiger Herr. + +Othello. +Wollen wir gehen, meine Herren, und die Vestung besehen? + +Edelleute. +Wir werden die Ehre haben, Eu. Gnaden zu begleiten. + +(Sie gehen ab.) + + + +Dritte Scene. + (Verwandelt sich in das Zimmer im Pallast.) + (Desdemona, Cassio, und Aemilia.) + + +Desdemona. +Sey versichert, mein guter Cassio, ich will alle meine Vermögenheit +zu deinem Besten anwenden. + +Aemilia. +Thut es, liebste Madam; ich weiß, es bekümmert meinen Mann, als ob +es seine eigne Sache wäre. + +Desdemona. +Ich glaub' es, er ist ein guter Mensch; zweifelt nicht, Cassio, ich +will meinen Herrn und euch wieder zu so guten Freunden machen, als +ihr gewesen seyd. + +Cassio. +Meine großmüthigste Gebieterin, was auch aus Cassio werden mag, so +wird er nie was anders als euer getreuer Diener seyn. + +Desdemona. +Ich weiß es; ich danke euch; ihr liebet meinen Gemahl; ihr kennt +ihn schon lange; und seyd vollkommen versichert, er wird in dieser +Entfernung von euch nicht weiter gehen, als er durch politische +Ursachen sich genöthigt sehen wird. + +Cassio. +Sehr wohl, Gnädige Frau; aber diese politische Freundschaft kan so +lange währen, und indeß mit einer so leichten und wäßrichten +Nahrung unterhalten werden, daß, indem ich abwesend bin, und ein +andrer meine Stelle inne hat, mein General meiner Ergebenheit und +meiner Dienste endlich gänzlich vergessen wird. + +Desdemona. +Macht euch keine solche Gedanken; hier in Aemiliens Gegenwart +verbürg' ich mich selbst für deine Stelle. Versichre dich, wenn +ich meine Freundschaft verspreche, so darf man sich darauf +verlassen, daß ich ihre Pflichten bis auf den äussersten Punkt +erfüllen werde. Mein Gemahl soll keine Ruhe haben, bis er sich +ergeben wird; er soll Tag und Nacht nichts anders hören, ich will +ihn bis in sein Bette damit verfolgen, und er soll nichts sagen +noch thun können, wovon ich nicht den Anlas nehme, ihn an Cassio's +Gesuch zu erinnern; sey also ruhig, Cassio; deine Sachwalterin soll +eher das Leben lassen, ehe sie deine Sache aufgeben soll. + + + +Vierte Scene. + (Othello und Jago treten von der Seite, in einiger Entfernung auf.) + + +Aemilia. +Gnädige Frau, dort kommt euer Gemahl. + +Cassio. +So will ich meinen Abschied nehmen, Gnädige Frau. + +Desdemona. +Warum dann? Bleibt da, und hört mich reden. + +Cassio. +Izt nicht, Gnädige Frau; ich bin so übel aufgeräumt, daß ich meiner +Sache keinen guten Schwung geben würde. + +(Cassio geht ab.) + +Desdemona. +Gut, nach euerm Belieben. + +Jago (leise.) +Ha! Das gefällt mir nicht zum Besten-- + +Othello (zu Jago.) +Was sagst du? + +Jago. +Nichts, Gnädiger Herr; oder wenn--ich weiß selbst nicht was. + +Othello. +Gieng nicht diesen Augenblick Cassio von meiner Frauen weg? + +Jago. +Cassio, Gnädiger Herr?--Nein, versichert, ich kan mir nicht +vorstellen, daß er sich, sobald er euch kommen sieht, so eilfertig +davon schleichen würde, als ob er kein gutes Gewissen hätte. + +Othello. +Ich glaube nicht anders als er war's. + +Desdemona. +Wie steht's, mein Gemahl? Ich sprach eben izt mit einem +Supplicanten, einem Mann, den eure Ungnade sehr unglüklich macht. + +Othello. +Und wer ist dieser Mann? + +Desdemona. +Wer sollt es seyn als euer Lieutenant, Cassio? Liebster Gemahl, +wenn ich nur das mindeste Vermögen über euer Herz habe, so söhnt +euch auf der Stelle wieder mit ihm aus. Wenn er nicht ein Mann ist, + der euch aufrichtig liebt, und der aus blosser Uebereilung und +nicht mit Vorsaz gefehlt hat, so versteh ich nichts davon was ein +ehrliches Gesicht ist. + +Othello. +War er's, der nur eben weggieng? + +Desdemona. +Und so niedergeschlagen, daß er meinem mitleidigen Herzen einen +Theil seines Kummers zurükgelassen hat. Ich bitte euch, mein Schaz, +laßt ihn zurükruffen. + +Othello. +Noch nicht, liebste Desdemona, ein andermal. + +Desdemona. +Aber doch bald? + +Othello. +Bald genug, mein Herz, für dich. + +Desdemona. +Heute, Abends, zum Nacht-Essen? + +Othello. +Das nicht. + +Desdemona. +Also doch morgen auf den Mittag? + +Othello. +Ich esse morgen mit einigen Officiers in der Citadelle zu Mittag. + +Desdemona. +Nun, also doch Morgen Nachts, oder Dienstag Morgens oder Nachts, +oder Mittwoch Morgens, ich bitte dich, bestimme die Zeit; aber laß +es nicht länger als drey Tage seyn; bey meiner Treue, er ist +bußfertig; und doch ist sein Verbrechen, nach der gemeinen Art +davon zu urtheilen und bey Seite gesezt, daß in Kriegszeiten von +einem Officier das beste Exempel gefordert wird, eine kleine +Uebereilung, die kaum einen Privat-Verweis verdient--Wenn soll er +kommen? Sag mir's, Othello! Mich nimmt in der Seele Wunder, was +ihr mich bitten könntet, das ich euch abschlagen würde, oder wobey +ich so verdrieslich dastühnde! Wie? Michael Cassio!--Der eurer +Liebe zu mir so gute Dienste leistete; der so oft, wenn ich nicht +sehr vortheilhaft von euch sprach, eure Parthey nahm--und ich soll +soviel Mühe haben, ihn wieder bey euch in Gunst zu sezen? Glaubt +mir auf mein Wort, ich wollte wohl mehr-- + +Othello. +Ich bitte dich, laß es genug seyn; er kan kommen, wenn er will; ich +will dir nichts abschlagen. + +Desdemona. +Wie, das ist keine Gefälligkeit, die ich für mich bitte; es ist als +ob ich euch bitte eure Kleider zu tragen oder von einer gesunden +Speise zu essen, oder euch warm zu halten; kurz, als ob ich bey +euch darum anhielte, daß ihr euch selbst etwas zu gut thun möchtet. +Nein, wenn ich eine Bitte habe, wodurch ich eure Liebe in der That +auf die Probe zu stellen gedenke, so soll es etwas schweres und +grosses seyn, etwas das Herz erfordert, um bewilliget zu werden. + +Othello. +Ich werde dir nichts abschlagen, und alles was ich mir dagegen von +dir ausbitte, ist, daß du mich izt ein wenig allein lassen wollest. + +Desdemona. +Sollt' ich euch's abschlagen? Nein; lebt wohl, mein Gemahl. + +Othello. +Lebe wohl, meine Desdemona, ich will gleich folgen. + +Desdemona. +Aemilia, komm; seyd wie es euch eure Laune eingiebt, ihr mögt seyn +wie ihr wollt, so bin ich gehorsam. + +(Sie gehen ab.) + + + +Fünfte Scene. + (Othello und Jago bleiben.) + + +Othello. +Anmuthsvolle Spizbübin!--Verderben erhasche meine Seele, wenn ich +dich nicht liebe--und wenn ich dich nicht mehr liebe, so ist die +Welt wieder zum Chaos worden. + +Jago. +Mein Gebietender Herr-- + +Othello. +Was willt du sagen, Jago? + +Jago. +Wie ihr euch um eure Gemahlin bewarbet, wußte Michael Cassio etwas +von eurer Liebe? + +Othello. +Allerdings, vom Anfang bis zum Ende: Warum fragst du? + +Jago. +Bloß zu meiner eignen Befriedigung; es hat gar nichts böses zu +bedeuten. + +Othello. +Warum zu deiner eignen Befriedigung? + +Jago. +Ich glaubte nicht, daß er etwas davon gewußt habe. + +Othello. +Oh, ja, das hat er, und er war oft die Mittels-Person zwischen uns +beyden. + +Jago. +In der That! + +Othello. +In der That? Ja, in der That! Siehst du was hierinn? Ist er +nicht ein rechtschaffner Mann? + +Jago. +Rechtschaffen, Gnädiger Herr? + +Othello. +Rechtschaffen? Ja, rechtschaffen! + +Jago. +Gnädiger Herr, so viel ich weiß. + +Othello. +Was denkst du? + +Jago. +Denken, Gnädiger Herr! + +Othello. +Denken, Gnädiger Herr!--Wie, beym Himmel! Was meynst du damit, daß +du mir immer nachhallest, gleich als ob irgend ein Ungeheuer, zu +gräßlich um gezeigt zu werden, in deinen Gedanken verborgen läge? +Du meynst etwas damit; vor einer kleinen Weile hört' ich dich sagen, +(das gefalle dir nicht)--wie Cassio von meinem Weibe weggieng. +Was gefiel dir nicht?--Und wie ich dir sagte, er sey während dem +ganzen Lauf meiner Bewerbung um Desdemona mein Vertrauter gewesen, +riefst du, (in der That?) und zogst deine Augbraunen auf eine Art +zusammen, als ob du in selbem Augenblik irgend einem scheußlichen +Gedanken in deinem Gehirn den Ausgang versperren wolltest: Wenn du +mein Freund bist, so sage mir was du denkst. + +Jago. +Gnädiger Herr, ihr wißt, daß ich euer Freund bin. + +Othello. +Ich denke, du bist's: Und weil ich weiß, daß du ein gutherziger, +ehrlicher Mann bist, und deine Worte wiegst, eh du ihnen Athem +giebst, so schreken mich diese Pausen an dir; denn wenn es an einem +falschen unredlichen Spizbuben ein Kunstgriff oder auch oft bloß +ein angewöhntes Wesen ist, das nichts zu bedeuten hat; so ist es +hingegen an einem rechtschaffnen Mann ein Zeichen, daß er sich Mühe +giebt etwas in seinem Herzen zurück zu halten, dessen Entdekung +schlimme Folgen habe könnte. + +Jago. +Was Michael Cassio betrift, so darf ich schwören, daß ich ihn für +einen ehrlichen Mann halte. + +Othello. +Dafür halt' ich ihn auch. + +Jago. +Die Leute sollten seyn, was sie scheinen; oder die es nicht sind, +von denen wäre zu wünschen, daß sie auch so aussähen, wie Schelmen. + +Othello. +Es ist wahr, die Leute sollten seyn, was sie scheinen. + +Jago. +Nun, ich denke also, Cassio ist ein ehrlicher Mann. + +Othello. +Nein, du willt mehr damit sagen; ich bitte dich, rede mit mir, wie +mit deiner eignen Seele, und gieb deinem ärgsten Gedanken auch den +ärgsten Ausdruk. + +Jago. +Mein liebster General, verschonet mich. Ob ich euch gleich einen +vollkommnen Gehorsam schuldig bin, so bin ich doch dazu nicht +verbunden, worinn alle Sclaven frey sind--euch meine Gedanken zu +sagen--Wie? gesezt, sie seyen einmal falsch, schändlich; wo ist +der Pallast, in den sich nicht zuweilen garstige Dinge eindrängen? +Wer hat ein so reines Herz, das nicht manchmal unziemliche +Vorstellungen sich unter seine guten Gedanken einmischen sollten? + +Othello. +Du bist ein Verräther an deinem Freund, Jago, wenn du glaubst, er +werde betrogen, und ihm doch nicht entdekest was du denkst. + +Jago. +Ich denke, daß ich mich vielleicht in meiner Muthmassung betrüge; +(wie ich dann bekennen muß, daß es ein unglüklicher Fehler meines +Temperaments ist, zum Mißtrauen geneigt zu seyn, und mir eine Sache +manchmal schlimmer einzubilden als sie ist,) ich bitte euch also, +Gnädiger Herr, euch selbst aus den ungefehren und unsichern +Bemerkungen eines Menschen, den sein Argwohn so leicht betrügen kan, +keine Ursachen zur Unruhe zu ziehen: Es wäre nicht gut für euch, +und nicht ehrlich und vernünftig an mir, wenn ich euch meine +Gedanken wollte wissen lassen. + +Othello. +Was meynst du damit? + +Jago. +Der gute Name, mein liebster gnädiger Herr, ist bey Manns- und +Weibsleuten ein Kleinod das ihnen so theuer seyn soll als ihre +Seele. Wer mir mein Geld stiehlt, stiehlt Quark; es ist etwas und +ist nichts; es war mein, nun ists sein, und ist schon ein Sclave +von Tausenden gewesen; aber wer mir meinen guten Namen nimmt, +beraubt mich eines Schazes, der ihn nicht reicher und mich in der +That arm macht. + +Othello. +Ich will wissen, was du denkst-- + +Jago. +Ihr könntet das nicht, wenn ihr gleich mein Herz in eurer Hand +hättet; und sollt es nicht, so lang es in meiner Verwahrung ist. + +Othello. +Ha! + +Jago. +Oh, Gnädiger Herr, nehmt euch vor der Eifersucht in Acht; sie ist +ein grün-äugiges Ungeheuer, das sich toller Weise von demjenigen +nährt was es am meisten verabscheut. Mancher betrogne Ehemann ist +seines Schiksals gewiß, ohne desto unglüklicher zu seyn, weil ihm +seine Ungetreue gleichgültig ist--Aber, o was für unselige Minuten +zählt derjenige über, der vor Liebe schmachtet und doch zweifelt; +der argwöhnet, und nur desto heftiger liebt! + +Othello. +Ein elender Zustand, beym Himmel! + +Jago. +Arm und zufrieden, ist reich und reich genug; aber ein +unermeßlicher Reichthum ist so arm als der Winter für denjenigen, +der immer besorgt, es werde ihm ausgehen. Gütiger Himmel! bewahre +alle menschlichen Herzen vor Eifersucht! + +Othello. +Wie? Was meynst du damit? Denkst du, ich wollte jemals mein Leben +in Eifersucht zubringen? Die Monds-Veränderungen unverwandt mit +argwöhnischen Augen begleiten? Nein, einmal zweifeln heißt bey mir +entschlossen seyn. Tausche mich gegen eine Ziege aus, wenn ich +jemals fähig bin meine Seele so mißgeschaffnen Gespenstern einer +kranken Phantasie Preiß zu geben, als du dir einbildest. Das kan +mich nicht eifersüchtig machen, wenn jemand sagt, mein Weib ist +schön, ißt mit gutem Appetit, liebt Gesellschaft, ist munter, +gesprächig, singt, spielt und tanzt gut; an einer tugendhaften +Person werden diese Dinge selbst zu Tugenden. Eben so wenig werd' +ich jemals von meinen eignen Unvollkommenheiten Anlas zum kleinsten +Zweifel oder Verdacht einer Untreue von ihrer Seite nehmen; denn +sie hatte Augen und wählte mich. Nein, Jago; ich will sehen eh ich +zweifle; wenn ich zweifle, so will ich Beweise; und sobald ich +diese habe, weg auf einmal mit Liebe und Eifersucht! + +Jago. +Das hör' ich sehr gerne; dann nun darf ich mir also kein Bedenken +mehr machen, euch die Freundschaft und Ergebenheit sehen zu lassen, +die ich zu euch trage. Nehmt also was ich sagen werde so auf, wie +es gemeynt ist. Ich rede noch nicht von Beweisen; gebt auf eure +Gemahlin Acht, habt ein aufmerksames Auge auf sie und Cassio, das +ist alles was ich sagen kan: Nicht eifersüchtig, aber auch nicht +sicher; ich möchte nicht gerne, daß ein so edles Gemüthe wie das +eurige, aus einem Uebermaaß von angebohrner Gutherzigkeit betrogen +würde; seht euch also vor. Ich kenne die Venetianische Landes-Art; +in Venedig bekümmern sie sich wenig, ob der Himmel ein Zeuge ihrer +Streiche ist, wenn nur ihre Männer nichts davon gewahr werden; ihre +gröste Gewissenhaftigkeit geht insgemein nicht weiter, als daß sie +niemand zusehen lassen, wenn sie sündigen. + +Othello. +Sagst du das? + +Jago. +Sie betrog ihren Vater, wie sie sich euch ergab; und zu eben der +Zeit, da sie euch am heftigsten liebte, stellte sie sich, als ob +sie sich vor euch fürchte. + +Othello. +Das machte sie würklich so. + +Jago. +Macht also den Schluß; konnte sie, so jung, so unschuldig als sie +war, sich so gut verstellen, daß ihr eigner Vater von allem was in +ihrem Herzen vorgieng, nichts gewahr werden konnte--Er dachte, es +müsse nothwendig Zauberey dabey gebraucht worden seyn--Doch ich bin +sehr zu tadeln: Ich bitte euch recht demüthig um Vergebung, daß ich +mich von meiner Liebe zu euch so weit verleiten lasse. + +Othello. +Ich bin euch auf immer dafür verbunden. + +Jago. +Ich sehe doch, es hat eure Lebensgeister ein wenig in Unordnung +gebracht. + +Othello. +Im mindsten nicht, im mindsten nicht! + +Jago. +Glaubt mir, ich besorge, es ist so etwas; ich hoffe wenigstens, ihr +werdet überzeugt seyn, daß, was ich sagte aus Freundschaft zu euch +geflossen ist. Aber, ich seh' es, ihr seyd beunruhigt--Ich bitte +euch recht inständig, meinen Reden keine schlimmere Auslegung zu +geben, als meine Meynung ist. + +Othello. +Das will ich auch nicht. + +Jago. +Thätet ihr's, Gnädiger Herr, so könntet ihr Folgen daraus ziehen, +an die ich in der That nie gedacht habe. Cassio ist mein Freund +und ein Mann der Verdienste hat--Gnädiger Herr, ich sehe, ihr seyd +unruhig-- + +Othello. +Nein, nicht sonderlich unruhig--ich denke nichts anders, als +Desdemona ist tugendhaft. + +Jago. +Lange lebe sie so! Und lange möget ihr leben, so zu denken! + +Othello. +Und doch, wenn die Natur einmal aus ihrem Geleis getreten ist-- + +Jago. +Das ist eben der Punct--Daß sie (wenn ich so frey seyn darf, es +herauszusagen) so viele Partheyen, die ihr natürlicher Weise hätten +angemeßner scheinen sollen, abgewiesen hat, um sich einem Liebhaber +zu ergeben, dessen Landesart, Farbe und Alter dem ihrigen so +entgegen gesezt war. In der That, das scheint etwas +ausschweiffendes in ihrem Gemüth, eine gewisse Ueppigkeit und +Unordnung ihrer Einbildung und ihrer Neigungen anzuzeigen. Doch +ich bitte euch um Vergebung, ich rede eigentlich nicht von ihr ins +besondere; ob ich gleich nicht ohne alle Sorge bin, so könnte, bey +kühlerm Blut, darauf fallen, eure Gestalt mit derjenigen von ihren +Landsleuten zu vergleichen, und sich vielleicht ihre Wahl gereuen +zu lassen. + +Othello. +Leb wohl, leb wohl; wenn du etwas weiters merkest, so laß mich's +wissen: Trag es deiner Frau auf, sie genau zu beobachten. Verlaß +mich, Jago. + +Jago. +Ich beurlaube mich, gnädiger Herr. + +(Er geht.) + +Othello. +O warum heurathete ich! Dieser ehrliche Mann sieht und weiß ohne +Zweifel mehr, weit mehr, als er sagt. + +Jago (wieder zurükkommend.) +Gnädiger Herr, ich wollt' ich dürfte Eu. Gnaden bitten, dieser +Sache nicht weiter nachzuhängen; überlaßt es der Zeit; ob es gleich +ganz gut wäre, daß Cassio wieder seine Stelle hätte, (denn in der +That, bekleidete er sie mit grosser Geschiklichkeit,) so würdet ihr +doch, wenn es euch gefiele ihn noch eine Zeitlang in der +Ungewißheit zu lassen, dabey Anlaß finden, ihn und sein Betragen +besser kennen zu lernen. Gebt auch acht, ob eure Gemahlin seine +Wiedereinsezung mit Merkmalen von Ungestüm und Heftigkeit betreiben +wird; daraus würde sich vieles abnehmen lassen. Mittlerweile +glaubet lieber, ich treibe meine Besorgnisse zu weit, und begegnet +ihr so, daß sie keine Veränderung spüren könne; ich bitte Eu. +Gnaden sehr darum. + +Othello. +Verlaß dich hierüber auf meine Klugheit. + +Jago. +Ich empfehle mich nochmals. + +(Er geht ab.) + + + +Sechste Scene. + (Othello allein.) + + +Othello. +Dieser Bursche ist der ehrlichste Mensch von der Welt, und kennt +die Menschen und den Lauf der Welt meisterlich: Find' ich sie +unkeusch, so soll alle meine Liebe sie nicht vor meinem Grimm +retten--Vielleicht weil ich schwarz bin, und keine von den +einschmeichelnden Eigenschaften im Umgang habe, die das ganze +Verdienst dieser Jungfern-Knechte ausmachen; oder weil ich schon im +herabsteigenden Alter bin--Doch, das will nicht viel sagen--Sie ist +hin, ich bin betrogen, und mein Trost muß seyn, einen Ekel vor ihr +zu fassen. O der Fluch des Ehestandes! Daß wir diese reizenden +Geschöpfe unser nennen können, und nicht ihre Neigungen! Ich +wollte lieber eine Kröte seyn, und von den Ausdünstungen einer +Mistgrube leben, als in dem was ich liebe, einen Winkel für eines +andern Gebrauch zu wissen. Und doch ist das die gewöhnliche Plage +der Grossen, die hierinn unglüklicher als die Geringen sind; es ist +ein unvermeidliches Schiksal wie der Tod--Hier kommt sie ja! +(Desdemona und Aemilia treten auf.) Wenn sie ungetreu ist, so +spottet der Himmel seiner selbst. Ich kan es nicht glauben! + +Desdemona. +Wie geht's, mein liebster Othello? Euer Mittag-Essen, und die +edeln Insulaner, die ihr dazu eingeladen habt, warten auf eure +Gegenwart. + +Othello. +Ich bin zu tadeln. + +Desdemona. +Warum redet ihr so schwach? Fehlt euch was? + +Othello. +Ich hab' einen Schmerz hier an meiner Stirne. + +Desdemona. +Das kommt nur, weil ihr zu viel gewacht habt, es wird bald wieder +vergehen. Erlaubt mir nur, daß ich euch die Stirne hart verbinde, +so wird es in einer Stunde wieder besser seyn. + +(Sie zieht ihr Schnupftuch heraus, um es ihm umzubinden.) + +Othello. +Euer Schnupftuch ist zu klein: laßt es gut seyn: Kommt, ich will +mit euch gehen. + +(Das Schnupftuch entfällt ihr, indem sie es einsteken will.) + +Desdemona. +Es ist mir recht leid, daß ihr nicht wohl seyd. + +(Sie gehen ab.) + + + +Siebende Scene. + (Aemilia bleibt zurük.) + + +Aemilia (indem sie das Schnupftuch aufließt.) +Ich bin froh, daß ich dieses Schnupftuch gefunden habe; das war das +erste Geschenk, das sie von dem Mohren empfieng. Mein wunderlicher +Mann hat mir schon hundertmal gute Worte gegeben, daß ich es +stehlen sollte. Allein sie liebt es so sehr, (denn er beschwor sie, +es immer zu seinem Andenken zu behalten,) daß sie es immer mit +sich herum trägt, um es zu küssen und damit zu schwazen. Ich will +den Riß von der Stikerey abzeichnen, und es dann dem Jago geben; +was er damit machen will, weiß der Himmel, nicht ich: Ich habe +nichts dabey, als seine Grille zu befriedigen. (Jago tritt auf.) + +Jago. +Wie steht's? Was macht ihr hier allein? + +Aemilia. +Schmählt mich nicht; ich hab etwas für euch. + +Jago. +Ihr habt etwas für mich? Es ist etwas gemeines-- + +Aemilia. +Wie? + +Jago. +Ein närrisches Weib zu haben. + +Aemilia. +O, ist das alles? Was gebt ihr mir für dieses Schnupftuch? + +Jago. +Was für ein Schnupftuch? + +Aemilia. +Was für ein Schnupftuch?--Wie, das so der Mohr Desdemonen gab; das +nemliche, wo ihr mich so lange schon stehlen hiesset. + +Jago. +Hast du ihr's gestohlen? + +Aemilia. +Nein; aber sie ließ es aus Versehen entfallen, und da ich zu allem +Glük dabey war, so hub ich's auf; sieh, da ist es. + +Jago. +Du bist ein braves Mensch; gieb mir's. + +Aemilia. +Was wollt ihr damit machen, daß ihr so ernstlich haben wolltet, daß +ich's stehlen sollte? + +Jago. +Wie, was geht das dich an? + +Aemilia. +Wenn es nicht zu irgend einem Vorhaben von Wichtigkeit ist, so gebt +mir's wieder. Die arme Frau! Sie wird närrisch werden, wenn sie +es missen wird. + +Jago. +Thut nicht, als ob ihr was davon wißt. Ich hab es nöthig. Geh, +laß mich allein-- + +(Aemilia geht ab.) + +Izt will ich dieses Schnupftuch in Cassio's Quartier verliehren, +und es ihn finden lassen. Die ärmsten Kleinigkeiten sind für +eifersüchtige Leute so starke Bekräftigungen, als Beweise aus der +Bibel. Dieses Ding kan zu was gut sein. Das Gift das ich dem +Mohren beygebracht habe, fangt schon an bey ihm zu würken: +Argwöhnische Einbildungen haben in der That die Natur des Gifts, +welches man anfangs am Geschmak kaum erkennen kan: aber sobald es +ins Blut übergeht, wie eine Schwefel-Mine brennt--Das sagt ich! + + + +Achte Scene. + + +Jago. +Seht, da kommt er! Weder Mohn-Saamen, noch Mandragora, noch alle +einschläfernde Säfte in der Welt zusammen genommen werden dir +jemals diesen süssen Schlaf wiedergeben, den du gestern noch +hattest-- + +Othello (vor sich.) +Ha! Sie soll mir untreu seyn! + +Jago. +Wie, wie stehts, General? Nichts solches mehr! + +Othello. +Hinweg! fort! Du spannst mich auf die Folter: Ich schwör' es, es +ist besser mit seinen Augen sehen, daß man betrogen wird, als nur +besorgen müssen, daß man's sey. + +Jago. +Wie, Gnädiger Herr? + +Othello. +Was wußt' ich von ihren verstohlnen Ausschweiffungen? Ich sah sie +nicht, ich dachte nicht daran, sie thaten mir kein Leid; ich +schlief die Nacht darauf wohl; war ruhig und froh; ich fand +Cassio's Küsse nicht auf ihren Lippen. Laßt den der bestohlen ward +und das Gestohlne nicht vermißt, laßt ihn nichts davon wissen, und +es ist soviel als ob er gar nicht bestohlen worden wäre. + +Jago. +Ich bedaure, daß ich solche Dinge hören muß. + +Othello. +Und hätte das ganze Lager bis auf die Troßbuben herab, ihren holden +Leib gekostet, und ich wüßte nur nichts davon, so wär' ich glüklich. +Aber, o! nun auf ewig fahr wohl, Ruhe des Gemüths! Fahr wohl, +Zufriedenheit! Fahret wohl, ihr mit Federbüschen geschmükten +Schaaren; und du, stolzer Krieg, der die schwellende Seele mit +edler Ruhmbegierde füllt: O fahret wohl! Fahret wohl wiehernde +Stuten, schmetternde Trompete, Muth-erwekende Trummel, und du +muntre Queer-Pfeiffe, königliches Panner, und der ganze Prunk und +Pomp des glorreichen Kriegs! Und, o! ihr tödtlichen Werkzeuge, +deren eherner Rachen Jupiters furchtbaren Donner nachahmt, fahret +wohl! Othello's Arbeit ist gethan! + +Jago. +Ist's möglich, Gnädiger Herr?-- + +Othello. +Nichtswürdiger, sey gewiß, daß du mir beweisen kanst, daß meine +Liebe eine Hure ist; sey dessen gewiß, gieb mir eine sichtbare +Probe-- + +(Er faßt ihn wüthend an.) + +Oder, beym Werth der unsterblichen Seele des Menschen! es wäre dir +besser, wenn du ein Hund gebohren worden wärest, als meinem +aufgeschrekten Grimm zu begegnen. + +Jago. +Ist es dazu gekommen? + +Othello. +Laß mich's sehen; oder beweis es wenigstens so, daß kein Schatten +eines Zweifels übrig bleibe: Oder weh deinem Leben! + +Jago. +Mein edler Gebieter-- + +Othello. +Wenn du sie unschuldig angeklagt, und mich auf diese Folterbank +geschraubt hast, so bete nicht mehr, erstik dein Gewissen, häuffe +Greuel auf Greuel, begeh Sünden, daß der Himmel weinen und die Erde +sich entsezen muß; du kanst nichts ärgers thun, um das Maaß deiner +Verdammniß voll zu machen als du schon gethan hast. + +Jago. +O! Barmherzigkeit! Der Himmel steh mir bey! Seyd ihr ein Mann? +Habt ihr eine Seele? oder ein menschliches Gefühl? Gott sey bey +euch; nehmt mir mein Amt, und wenn ihr wollt, mein Leben dazu--O +ich unglüklicher Thor, daß ich erleben soll daß meine Ehrlichkeit +zum Verbrechen gemacht wird! O Welt! Welt! Das ist dein Lauff; +ehrlich und aufrichtig, ist sein eigner Feind seyn. Ich dank' euch +für diesen Unterricht; von nun will ich der Freundschaft gute Nacht +geben, und niemand mehr lieben als mich selbst. + +Othello. +Nein, warte--Du solltest ehrlich seyn-- + +Jago. +Ich sollte klug seyn; Ehrlichkeit ist ein Narr, der jedermann gutes +thut, und nur sich selbst schadet. + +Othello. +Bey allem was in der Welt ist, ich denke mein Weib ist unschuldig, +und denke sie ists nicht; ich denke du bist rechtschaffen, und +denke du bist's nicht; ich will Beweis haben. Ihr Name, der so +frisch war wie Dianens Antliz, ist nun so schwarz als mein eignes. +Nein, wenn noch Strike, noch Dolche, noch Gift, Feuer oder Wasser +in der Welt sind, so will ich diese Pein nicht länger ausstehen-- +Ich wollt' ich wäre meines Schiksals gewiß! + +Jago. +Ich sehe, Gnädiger Herr, ihr werdet von eurer Leidenschaft +aufgerieben. Es reut mich, daß ich Anlas dazu gegeben habe. Ihr +wollt eures Schiksals gewiß seyn? + +Othello. +Ja, das will ich. + +Jago. +Und könnt; aber wie? wie gewiß seyn, Gnädiger Herr? wolltet ihr +ein Augenzeuge seyn--mit weitoffnen Augen zusehen? Sehen wie sie-- + +Othello. +Tod und Verdammniß! oh! + +Jago. +Ich denk' es würde schwer halten, sie so vertraulich zu machen: Bey +solchen Spielen liebt man keine fremde Augen zu Zuschauern. Was +dann? Wie dann? Was soll ich sagen? Was nennt ihr Gewißheit? Es +ist unmöglich, daß ihr's mit Augen sehen könnt; und wenn sie so +unverschämt wären wie Geissen, so hizig wie die Wald-Teufels, und +so unbesonnen wie ein Dummkopf, den man mit Wein angefüllt hat. +Und doch sag ich, wenn Wahrscheinlichkeiten, wenn Umstände die +geradeswegs bis vor die Thüre der Wahrheit führen, euch Gewißheit +geben können, so könnt' ihr sie haben. + +Othello. +Gieb mir einen überführenden Beweis, daß sie ungetreu ist. + +Jago. +Ihr legt mir eine unangenehme Pflicht auf; aber da ich mich nun +einmal, aus unüberlegter Aufrichtigkeit und Freundschaft, so weit +in diese Sache eingelassen habe, so will ich weiter gehen. Ich lag +lezthin mit Cassio in einem Bette; ein rasender Zahn machte daß ich +nicht schlafen konnte--Es giebt eine Art von Leuten, deren Seele so +schlapp ist, daß ihnen ihre geheimsten Gedanken im Schlaf entgehen. +Von dieser Art ist Cassio. Er redte im Schlaf. Liebste Desdemona, +hört' ich ihn sagen, laß uns vorsichtig seyn. Laß uns unser +Liebes-Verständniß dem schärfsten Aug' unerforschlich machen! Und +dann, gnädiger Herr, tappte er um sich, und drükte mir die Hand, +rief--O bezauberndes Geschöpf! und küßte mich dann nicht anders, +als ob er Küsse, die auf meinen Lippen wüchsen, mit den Wurzeln +ausziehen wollte, legte dann sein Bein über meinen Schenkel, und +seufte und küßte mich, und rief, verfluchtes Schiksal, das dich dem +Mohren gab! + +Othello. +O Scheusal! Scheusal! + +Jago. +Nein, das war nur ein Traum. + +Othello. +Aber ein Traum, der ganz deutlich anzeigt, was geschehen ist. + +Jago. +Das ist ein verdammter Zweifel, ob es gleich nur ein Traum ist. Es +kan doch immer dazu dienen, andre, an sich selbst zu schwache +Anzeigen zu verstärken. + +Othello. +Ich will sie von Glied zu Glied in Stüke reissen. + +Jago. +Nicht so heftig! Fasset euch; noch (sehen) wir nichts, sie kan +noch unschuldig seyn--Sagt mir nur das, habt ihr niemals ein +Schnupftuch, mit Erdbeeren überstikt, in eurer Gemahlin Hand +gesehen? + +Othello. +Ich gab ihr so eines, es war mein erstes Geschenk. + +Jago. +Davon weiß ich nichts; aber mit einem solchen Schnupftuch (und ich +bin gewiß, es war eurer Gemahlin ihres,) sah ich Cassio heute +seinen Bart wischen. + +Othello. +Wenn's das nemliche wäre-- + +Jago. +Es mag dieses oder ein anders seyn, so war es doch von ihr, und, zu +den andern Proben genommen, spricht es nicht zu ihrem Vortheil. + +Othello. +O daß die Elende tausend Leben hätte! Eines ist zu wenig für meine +Rache. Nun seh ich endlich--Schau, Jago, so blase ich alle meine +Liebe dem Himmel zu: Sie ist weg;--erhebe dich, schwarze Rache, aus +deiner unseligen Gruft! und du, Liebe, tritt dem tyrannischen Haß +deinen Thron und deine Krone ab! Wie mein Herz mir schwillt, als +ob es mit lauter Natter-Zungen angefüllt wäre! + +Jago. +Gebt euch noch zufrieden. + +Othello. +O Blut, Blut, Blut!-- + +Jago. +Geduld, sag ich; ihr könnt vielleicht anders Sinnes werden. + +Othello. +Niemals, Jago--niemals sollen meine blutige Gedanken, in ungestümer +Fluth sich daherwälzend, zu sanfter Liebe zurük fliessen, bis eine +weite hinlängliche Rache sie verschlungen haben wird--Das schwör' +ich, + +(er kniet,) + +höre Himmel das schrekliche, unwiederrufliche Gelübd!--Bey deiner +unzerstörbaren Veste schwör' ich Rache! + +Jago (kniend.) +Stehet noch nicht auf--Seyd Zeugen, ihr ewigbrennenden Lampen dort +oben, und ihr Elemente, die uns rings umfassen; seyd Zeugen, daß +Jago hier alles was sein Verstand, seine Hand und sein Herz vermag, +zum Dienste des beleidigten Othello wiedmet! Er befehle! Und ich +will gehorchen, ohne Zaudern gehorchen, so blutig auch der Befehl +seyn mag! + +Othello. +Ich bewillkomme deine Freundschaft nicht mit eiteln Danksagungen, +sondern mit gutwilliger Annahm; und im gleichen Augenblik will ich +dir sagen, wozu ich sie nöthig habe. In den nächsten dreyen Tagen, +laß mich von dir hören, daß Cassio nicht mehr ist. + +Jago. +Mein Freund ist todt; ihr wollt es, es ist gethan. Aber sie--sie +laßt leben! + +Othello. +Verderben über sie, die unzüchtige Gleißnerin! oh! Verderben, +Verderben über sie! Komm, geh mit mir auf die Seite, ich muß auf +irgend ein schnelles Mittel denken, den schönen Teufel aus der Welt +zu schaffen. Nunmehr bist du mein Lieutenant-- + +Jago. +Ich bin auf ewig der eurige. + +(Sie gehen ab.) + + + +Neunte Scene. + (Ein andrer Theil des Pallasts.) + (Desdemona, Aemilia, und Hans Wurst.) + + +Desdemona. +Guter Freund, wißt ihr, wo der Lieutenant Cassio ligt? + +Hans Wurst. +Das unterstühnd' ich mich wol nicht zu sagen, daß er irgendwo lüge. + +Desdemona. +Warum? + +Hans Wurst. +Er ist ein Soldat; und wenn unser einer sagte, ein Soldat lüge, das +wäre Hals-Arbeit. + +Desdemona. +Keine Possen! Wo ist sein Quartier? + +Hans Wurst. +Da würd' ich selbst lügen, wenn ich euch das sagen wollte. + +Desdemona. +Auf diese Art werd' ich von dir keine Antwort kriegen. + +Hans Wurst. +Ich weiß sein Quartier nicht; und wenn ich folglich ein Quartier +erdenken wollte, und sagen, er lige da, oder er lige da im Quartier, +so würd ich's in meinen Hals hinein lügen. + +Desdemona. +Du kanst ihn doch erfragen? + +Hans Wurst. +Ich will die ganze Welt catechisieren; ich will so lange nach ihm +fragen, bis mir jemand antwortet, wo er ist. + +Desdemona. +Such ihn auf, und heiß ihn hieher kommen; sag ihm, ich habe meinen +Herrn auf gute Gedanken für ihn gebracht, und ich hoffe, es werde +alles gut gehen. + +Hans Wurst. +Das ist endlich eine Verrichtung, die innert den Grenzen von eines +ehrlichen Kerls Wiz ligt; und also will ich sehen, ob ich damit zu +Stande kommen kan. + +(Er geht.) + +Desdemona. +Wo mag ich doch das Schnupftuch verlohren haben? + +Aemilia. +Ich weiß es nicht, gnädige Frau. + +Desdemona. +Ich versichre dich, ich wollte lieber einen Beutel voll Crusado's +verlohren haben. Wenn mein edler Mohr nicht zu vernünftig und zu +großmüthig gesinnt wäre, um eifersüchtig zu seyn, so brauchte es +nicht mehr, um ihn auf schlimme Gedanken zu bringen. + +Aemilia. +Ist er nicht eifersüchtig? + +Desdemona. +Wer, er? Ich denke, die Sonne, unter der er gebohren ward, zog +alle groben Dünste von dieser Art aus ihm. + +Aemilia. +Seht, da kommt er. + +Desdemona. +Ich will izt nicht von ihm ablassen, bis er den Cassio zu sich +ruffen läßt--Wie stehts mit euch, mein lieber Gemahl? + + + +Zehnte Scene. + (Othello zu den Vorigen.) + + +Othello. +Wohl, meine liebe Gemahlin--Himmel! wie werd ich an mich halten +können!--wie gehts euch, Desdemona? Gebt mir eure Hand; diese Hand +ist feucht, Madam. Heiß, heiß, und feucht--eine solche Hand +erfordert Eingezogenheit; fasten und beten, viel Casteyung, und +geistliche Uebungen; denn es ist ein feuriger, schwizender Teufel +hier, der oft rebellisch wird; es ist eine gute Hand, eine +freygebige Hand. + +Desdemona. +Ihr könnt in der That wohl so sagen; denn es war die Hand die mein +Herz weggab. + +Othello. +Eine freygebige Hand. In vorigen Zeiten gaben die Hände Herzen; +aber unsre neue Heraldik ist Hände ohne Herz. + +{ed. * Eine satyrische Anspielung auf die vielen Baronets, welche König +Jacob der Erste machte, und die unter andern Vorrechten eine rothe +Hand in einem silbernen Feld in den Wappen-Schild ihrer Vorfahren +bekamen.} + +Desdemona. +Ich verstehe mich nichts hierauf; kommt, wir wollen nun von euerm +Versprechen reden. + +Othello. +Was für ein Versprechen, mein Däubchen? + +Desdemona. +Ich habe zu Cassio geschikt, daß er kommen und mit euch reden solle. + +Othello. +Ich bin mit einem beschwerlichen Schnuppen geplagt; leih mir dein +Schnupftuch! + +Desdemona. +Hier, mein Gemahl. + +Othello. +Das, so ihr von mir bekommen habt. + +Desdemona. +Ich hab es nicht bey mir. + +Othello. +Nicht? + +Desdemona. +In der That, nicht. + +Othello. +Das ist ein Fehler. Das nemliche Schnupftuch hatte meine Mutter +von einer Zigäunerin, die sich auf die Zauberey verstuhnd, und den +Leuten so gar sagen konnte, was sie dachten. Sie sagte ihr, so +lange sie es behalten würde, würd' es sie liebenswürdig und ihr das +Herz meines Vaters gänzlich eigen machen; wenn sie es aber verlöhre, +oder verschenkte, würde sie auf einmal allen Reiz in seinen Augen +verliehren, und ihm verhaßt und unerträglich werden. Meine Mutter +gab mir's da sie starb und bat mich, wenn ich jemals heurathete, es +meinem Weibe zu geben. Ich that es, und ich sag euch, habt Acht +darauf.--Bewahrt es, wie euern Augapfel: Es verliehren oder +weggeben, wär' ein Unglük, dem kein anders zu vergleichen wäre. + +Desdemona. +Ists möglich? + +Othello. +Es ist würklich so; es ist etwas zauberisches in dem Gewebe davon. +Eine Fee, welche den Lauf der Sonne zweyhundert mal anfangen und +enden gesehen hatte, machte die Stikerey daran: Die Würmer waren +geweyht, welche die Seide dazu spannen, und es wurde mit Mumien von +einbalsamierten Jungfern-Herzen gefärbt. + +Desdemona. +In der That! Ist das wahr? + +Othello. +Sehr wahr; ihr könnt also nur Sorge dazu tragen. + +Desdemona. +Wenn es so ist, so wollt' ich zu Gott, ich hätt' es nie gesehen! + +Othello. +Ha! Warum? + +Desdemona. +Warum sprecht ihr so hastig und auffahrend? + +Othello. +Ist's verlohren? Ist's hin? Sagt, ist es fort? + +Desdemona. +Gott sey bey uns!-- + +Othello. +Was sagt ihr? + +Desdemona. +Es ist nicht verlohren; aber gesezt, es wäre verlohren? + +Othello. +Ha! + +Desdemona. +Ich sag, es ist nicht verlohren. + +Othello. +Holt es, ich will es sehen. + +Desdemona. +Gut, das kan ich, mein Herr; aber ich will izt nicht: Das ist ein +kleiner Streich, wodurch ihr mich von meiner Bitte abbringen wollt. +Ich bitte euch, laßt euer Haus dem Cassio wieder offen seyn. + +Othello. +Holt mir das Schnupftuch--ich will nicht hoffen-- + +Desdemona. +Kommt, ihr werdet niemals einen bravern Mann an seinen Plaz +bekommen. + +Othello. +Das Schnupftuch-- + +Desdemona. +Ein Mann, der bisher sein ganzes Glük auf eure Freundschaft gebaut +hat; der Gefahren mit euch getheilt hat-- + +Othello. +Das Schnupftuch. + +Desdemona. +Wahrhaftig, ihr seyd zu tadeln-- + +Othello. +Hinweg!-- + +(Er geht ab.) + + + +Eilfte Scene. + + +Aemilia. +Wie? Ich glaube der Mann ist eifersüchtig? + +Desdemona. +So hab' ich ihn noch nie gesehen. O ganz gewiß ist etwas +ausserordentliches in diesem Schnupftuch. Ich bin höchst +unglüklich es verlohren zu haben. + +Aemilia. +Man lernt weder in einem noch in zweyen Jahren was ein Mann ist; +sie sind alle lauter Magen, und wir Arme sind ihr Futter; sie +schlingen uns gierig hinein; und wenn sie sich überfüllt haben, so +rülpsen sie uns wieder aus. + +{ed. * Dieses Gleichniß ist freylich unanständig genug; allein darum +bekümmert unser Autor sich nicht; genug für ihn, daß es wahr ist.} + +Seht, da kommt Cassio und mein Mann. + +(Jago und Cassio treten auf.) + +Jago. +Es ist kein andres Mittel übrig; das muß sie thun--Wie glüklich! +hier ist sie schon; geht und bittet sie so sehr ihr könnt. + +Desdemona. +Wie steht's, guter Cassio? wie gehn eure Sachen? + +Cassio. +Gnädige Frau, ich habe noch immer meine vorige Bitte. Auf eurer +Großmuth beruht alle meine Hofnung zu meiner Wiederherstellung in +die Freundschaft euers Gemahls, den ich mit so gänzlicher +Ergebenheit des Herzens ehre und liebe. Ich möchte nicht noch +länger aufgezogen werden. Ist mein Vergehen so groß, daß weder +meine Reue noch meine ehmaligen Dienste, noch diejenigen die ich +künftig zu leisten wünsche, mich loskauffen und wieder in seine +Gunst einsezen können, so ist wenigstens das eine Wohlthat, wenn +ich weiß daß es so ist; damit ich in diesem Fall, in eine +erzwungene Zufriedenheit eingehüllt, einen andern Weg suchen kan, +um vom Allmosen des Glüks zu leben. + +Desdemona. +Ach, mein lieber guter Cassio, meine Fürsprache ist dermalen sehr +unvermögend; mein Gemahl ist nicht mein Gemahl; ich würde ihn nicht +mehr kennen, wenn er sich an Gestalt so sehr wie am Humor, +verändert hätte. So stehe jeder gute Engel mir bey, wie ich nach +meinem äussersten Vermögen für euch gesprochen habe. Aber alles +was ich durch meine Freymüthigkeit erhielt, war, daß ich mir seinen +Unwillen zuzog. Ihr müßt euch noch ein wenig gedulden; was ich +thun kan, das will ich: Und ich will mehr als ich Herz hätte für +mich selbst zu thun. Laßt euch das genug seyn. + +Jago. +Ist der General zornig? + +Aemilia. +Er gieng nur erst von hier fort, und, versichert, er ist in einer +seltsamen Gemüths-Unruhe. + +Jago. +Kan er zornig seyn? Ich war dabey, wie die Canone seine Linien in +die Luft zerstiebte, und so schnell und gewaltsam wie der Teufel, +seinen Bruder unmittelbar an seiner Seite wegrafte; und kan er +zornig seyn? So muß etwas wichtiges daran Ursache seyn; ich will +gehn und ihn aufsuchen; in der That, das bedeutet was, wenn er +zornig ist. + +(Er geht ab.) + + + +Zwölfte Scene. + (Desdemona, Aemilia und Cassio bleiben.) + + +Desdemona. +Ich bitte dich, thu das--Ganz gewiß muß etwas das den Staat betrift, + entweder von Venedig, oder irgend ein unausgebrütetes Complot hier +in Cypern, wovon er die Entdekung gemacht hat, seinen sonst immer +heitern Geist verfinstert haben; und in solchen Fällen ist es die +Art der Menschen, daß sie ihren Unmuth an geringern Dingen +auslassen, wenn gleich grosse ihr Gegenstand sind. Es ist nicht +anders. Es darf uns nur ein Finger weh thun, so verbreitet sich +auch über unsre übrigen gesunden Gliedmassen ein Gefühl von Schmerz. +Nein, wir müssen denken, daß unsre Männer keine Götter sind; wir +können nicht von ihnen fordern, daß sie immer so zärtlich mit uns +umgehen, als sie vor der Hochzeit thun. Schilt mich nur recht sehr +aus, Aemilia; ich unartiges Ding, ich war schon im Begriff seiner +Unfreundlichkeit in meinem Herzen den Proceß zu machen; aber nun +find' ich, daß meine Eigenliebe den Zeugen bestochen hat, und daß +er ungerechter Weise angeklagt worden ist. + +Aemilia. +Gebe der Himmel, daß es Staats-Sachen seyen, wie ihr glaubt, und +keine eifersüchtige Grillen, die euch angehen. + +Desdemona. +Das wäre gar zu unglüklich! Ich gab ihm niemals Ursache dazu. + +Aemilia. +Eifersüchtige Gemüther lassen sich damit nicht beruhigen; sie sind +nicht allezeit eifersüchtig, weil sie eine Ursache dazu haben, +sondern oft nur, weil sie eifersüchtig sind. Die Eifersucht ist +ein Ungeheuer, daß keinen andern Vater und keine andre Mutter hat +als sich selbst. + +Desdemona. +Der Himmel bewahre Othello's Herz vor diesem Ungeheuer! + +Aemilia. +Dazu sag ich Amen, Gnädige Frau. + +Desdemona. +Ich will sehen, wo er ist. Cassio, entfernt euch nicht zu weit; +wenn ich ihn in einer bessern Laune finde, so will ich euer Anligen +wieder in Bewegung bringen, und das äusserste versuchen, um +glüklich damit zu seyn. + +Cassio. +Ich danke Eu. Gnaden demüthig. + +(Sie gehen auf verschiedenen Seiten ab.) + + + +Dreyzehnte Scene. + (Eine Strasse vor dem Pallast.) + (Cassio, tritt wieder auf, und begegnet der Bianca.) + + +Bianca. +Guten Tag, Freund Cassio. + +Cassio. +Was führt euch hieher? Wie steht's mit euch, meine schönste +Bianca? In der That, mein Herzchen, ich war im Begriff bey euch +anzusprechen. + +Bianca. +Und ich war im Begriff euch einen Besuch in euerm Quartier +abzustatten, Cassio. Wie? eine ganze Woche wegbleiben? Sieben +Tag' und Nächte? Hundert und acht und sechszig Stunden? Und eines +Liebhabers Abwesenheits-Stunden, die hundert und sechszig mal +langweiliger sind als der Stunden-Zeiger. O! eine verdrießliche +Rechnung! + +Cassio. +Vergieb mir, Bianca; ich war diese Zeit über von bleyernen Gedanken +zu Boden gedrükt; aber ich werde in einer glüklichern Zeit diese +lange Rechnung von Abwesenheit zu tilgen wissen. Liebste Bianca, +zeichne mir diesen Riß ab-- + +(Er giebt ihr Desdemonens Schnupftuch.) + +Bianca. +O Cassio, woher habt ihr das? Das hat mir die Mine von einem +Liebes-Pfand irgend einer neuern Freundin: Nun merk' ich die +Ursache deiner Abwesenheit die mir so schmerzlich war: Ist es dazu +gekommen? Wohl, wohl! + +Cassio. +Geh, Mädchen, und wirf deine häßlichen Muthmassungen dem Teufel in +die Zähne, von dem du sie hast. Du bildest dir also ein, das sey +ein Andenken von einer Liebste? Nein, Bianca, in ganzem Ernst. + +Bianca. +Wie, von wem ist es dann? + +Cassio. +Das weiß ich selbst nicht; ich fand es in meinem Zimmer; die Arbeit +daran gefällt mir ungemein, und eh man es wieder begehrt, (welches +vermuthlich geschehen wird) möcht' ich einen Abriß davon haben. +Nimm es, mein Herz, und zeichn' es ab, und laß mich izt allein. + +Bianca. +Euch allein lassen? Warum? + +Cassio. +Ich warte hier auf den General, und denke, es würde mir eben keine +grosse Dienste bey ihm thun, wenn er mich beweibt sehen würde. + +Bianca. +Wie ist das zu verstehen? + +Cassio. +Nicht als liebt' ich euch nicht. + +Bianca. +Sondern nur daß ihr mich nicht liebet. Ich bitte euch, macht mir +das ein wenig deutlicher und sagt mir, ob ich euch diese Nacht +nicht sehen soll? + +Cassio. +Wenigstens will ich euch sehen, sobald ich kan. + +Bianca. +Nun wohl dann, ich muß es also drauf ankommen lassen. + +(Sie gehen ab.) + + + + +Vierter Aufzug. + + + +Erste Scene. + (Eine Strasse vor dem Pallast.) + (Othello und Jago treten auf.) + + +Jago. +Denkt ihr das? + +Othello. +Ob ich's denke, Jago? + +Jago. +Wie, einander heimlich küssen? + +Othello. +Unauthorisierte Küsse? + +Jago. +Oder auch nakend bey ihrem Freund im Bette zu ligen, eine, zwo und +mehr Stunden, ohne was böses dabey zu meynen? Das sollte nicht +möglich seyn? + +{ed. * Eine Anspielung auf die berüchtigte Keuschheits-Probe des +heiligen Robert von Arbrissel, der mitten zwischen zwoen schönen +jungen Nonnen eine Probe machte, die mit einer Häßlichen gefährlich +wäre.} + +Othello. +Nakend im Bette, Jago, und nichts böses dabey meynen? Das heißt, +den Teufel zum Narren machen wollen: Leute, die mit tugendhaften +Absichten so etwas thun, die versucht der Teufel nicht; sie +versuchen den Himmel. + +Jago. +Und doch, wenn sie nichts thun, so ist es nur eine läßliche Sünde: +Aber wenn ich meinem Weib ein Schnupftuch gebe-- + +Othello. +Was dann? + +Jago. +Was dann? So gehört's ihr zu, Gnädiger Herr; und da es ihr +zugehört, so kan sie's, denk' ich, wieder einem andern geben. + +Othello. +Ihre Ehre gehört auch ihr zu; darf sie solche darum weggeben? + +Jago. +Ihre Ehre ist ein unsichtbares Ding und es bleibt immer +problematisch ob man sie hat oder nicht hat; aber das Schnupftuch-- + +Othello. +Beym Himmel! du erinnerst mich an etwas das ich so gern vergessen +hätte; du sagtest--oh, es kommt über mein Gedächtniß wie ein Unglük- +weissagender Rabe über ein verpestetes Haus--er habe mein +Schnupftuch. + +Jago. +Ja, und was ist's dann mehr? + +Othello. +Es ist nur zuviel. + +Jago. +Was wär' es denn, wenn ich sagte, ich habe mit meinen eignen Augen +gesehen, daß er euch beleidigt habe, oder ich hab' es von ihm +selbst gehört, (wie es denn solche Schurken giebt, die, wenn sie +irgend ein Frauenzimmer, entweder durch ungestüme Verfolgungen oder +durch die freywillige Ergebung der Dame unter sich gebracht haben, +es unmöglich von sich selbst erhalten können nicht zu plaudern.) + +Othello. +Hat er dann etwas gesagt? + +Jago. +Das hat er, Gnädiger Herr; aber dessen seyd versichert, nichts was +er nicht wieder läugnen und verschwören würde. + +Othello. +Was sagt' er denn? + +Jago. +Was? Er habe bey ihr--ich weiß nicht was gethan-- + +Othello. +Was denn, was denn? + +Jago. +Gelegen. + +Othello. +Bey ihr? + +Jago. +Bey ihr, oder auf ihr--was ihr wollt-- + +Othello. +Bey ihr! Auf ihr! Bey ihr gelegen! Das ist alles was man sagen +kan: Das Schnupftuch--Sein eigen Geständniß--Das Schnupftuch! das +Schnupftuch!--Ich erschüttre vom blossen Gedanken--Ohne eine grosse +Ursache würde die Natur sich selbst in keinen solchen Schatten +einhüllen. Es sind keine Worte, die mich so schütteln--Nasen, +Ohren und Lippen--ist's möglich! Sein Geständniß! Ihr Schnupftuch! +--O Teufel! + +(Er wird ohnmächtig.) + +Jago. +Würke du nur wohl, meine Mixtur, würke! So muß man leichtgläubige +Narren fangen--manche rechtschaffne und keusche Frauen kommen, mit +aller ihrer Unschuld, gerad auf solche Art um ihren guten Namen. +Wie, he! Gnädiger Herr! Hört ihr nicht? Othello! he! + + + +Zweyte Scene. + (Cassio tritt auf.) + + +Jago. +Wo kommt ihr her, Cassio? + +Cassio. +Was giebt's hier? + +Jago. +Der General ist von dem fallenden Weh überfallen worden; das ist +nun der zweyte Anstoß; er hatte gestern den ersten. + +Cassio. +Reibt ihn um die Schläfe. + +Jago. +Nein, rührt ihn nicht an; man muß der Ohnmacht ihren ruhigen Gang +lassen; oder, er fängt an zu schäumen, und bricht endlich völlig in +die wildeste Tobsucht aus: Seht, er rührt sich; entfernt euch ein +wenig, er wird gleich wieder zu sich selbst kommen; wenn er weg ist, + so möcht' ich über eine Sache von grosser Wichtigkeit mit euch +sprechen können. + +(Cassio geht ab.) + +--Wie steht's mit euch, Gnädiger Herr? Habt ihr den Kopf nicht +angeschlagen? + +Othello. +Spottest du meiner noch? + +Jago. +Ich spotte, beym Himmel! nicht; aber ich wünschte, daß ihr euer +Unglük wie ein Mann trüget. + +Othello. +Ein gehörnter Mann ist ein Ungeheuer; ein Unthier. + +Jago. +Wenn das ist, so giebt es in volkreichen Städten eine Menge +Ungeheuer, und dazu noch recht zahme und manierliche Ungeheuer. + +Othello. +Er gestand's also selbst? + +Jago. +Liebster General, seyd ein Mann! denkt, es sind wenige bärtige +Gesellen, die, wenn sie anders bejocht sind, nicht mit euch ziehen. +Millionen Männer leben diesen Augenblik, die alle Nacht in einem +Bette ligen, das sie mit andern theilen; und die doch schwüren, daß +es ihnen eigen sey. Euer Fall ist doch noch besser. O, das ist +des Teufels gröster Spaß, eine unzüchtige Meze in ein sichres Ehe- +Bette zu legen, und sie für ein Tugendbild zu geben. Nein, besser +ist's ich wisse's; wenn ich weiß, was ich bin, so weiß ich auch, +was sie seyn soll. + +Othello. +O, du sprichst wie ein Orakel; das ist gewiß. + +Jago. +Geht nur eine kleine Weile bey Seite, verbergt euch, und habt ein +wenig Geduld. Während daß ihr hier von euerm Schmerz so unmännlich +überwältigt laget, kam Cassio hieher. Ich erdachte gleich etwas, +um eurer Ohnmacht eine scheinbare Ursache zu geben, und schaffte +ihn wieder weg, bat ihn aber bald wieder zu kommen, weil ich mit +ihm zu reden hätte. Er versprach mir's. Verbergt euch also nur +irgendwo, wo ihr ihn sehen könnt; und beobachtet das schelmische, +triumphierende Lächeln, die hönische Züge, die sichtbare +Leichtfertigkeit, die sein Geheimniß in seinem ganzen Gesicht +verrathen. Denn er soll mir seine Erzählung wieder von vorn +anfangen; wo, wie, wie oft, seit wie lange, und wenn er mit eurer +Frau handgemein worden ist, und es noch ferner werden will; ich +sage, gebt nur auf seine Mine Acht--O zum Henker, Geduld, oder ich +muß endlich glauben, ihr seyd über und über lauter Galle, und habt +nicht das mindeste von einem Mann. + +Othello. +Hörst du, Jago! Ich will dir zeigen, daß ich so lange geduldig +scheinen kan, als es nöthig ist; aber eine blutige Rache soll mich +davor schadlos halten. + +Jago. +Es läßt sich hören; aber nur alles zu rechter Zeit. Wollt ihr bey +Seite gehen? + +(Othello verbirgt sich.) +(--Jago, ohne daß ihn Othello hören kan, fährt fort:) + +Nun will ich den Cassio nach seiner Bianca fragen, einem Weibsbild, +das seine Reizungen verkauft, um sich Brod und Kleider davor +anzuschaffen. Die Närrin ist sterblich in Cassio verliebt, und zur +Straffe davor, daß sie schon so viele betrogen hat, wird sie izt +von ihm betrogen; denn er kan sich, wenn er nur von ihr reden hört, +des überlauten Lachens nicht verwehren.--Da kommt er. + + + +Dritte Scene. + (Cassio (zu Jago.) + + +Jago. +Je mehr er lachen wird, je mehr wird Othello rasen; sein Lächeln, +seine Gebehrden, seine leichtsinnigen Manieren, seine kleinsten +Bewegungen, werden durch die Auslegung, die der eifersüchtige Mohr +davon macht, zu Verräthern an ihm werden Nun, wie geht's euch, +Lieutenant? + +Cassio. +Desto schlimmer, weil ihr mir einen Charakter beylegt, dessen +Beraubung mir das Leben zur Quaal macht. + +Jago. +Macht euch nur recht lebhaft an Desdemona, so kan's euch nicht +fehlen. (leiser.) +Gelt, wenn Bianca die Gewalt dazu hätte, wie schnell würdet ihr +wieder hergestellt seyn. + +Cassio (lachend.) +Wie kommt ihr auf diese arme Närrin? + +Othello (vor sich.) +Seht, wie er schon lacht. + +Jago. +In meinem Leben hab' ich kein Weibsbild so verliebt in einen Mann +gesehen. + +Cassio. +Der arme Tropf, ich denke, in der That, sie ist in mich verliebt. + +Othello (vor sich.) +Izt läugnet er's so ganz kaltsinnig, und lacht hinten nach. + +Jago. +Hört ihr, Cassio? + +Othello (vor sich) +Izt sezt er ihm zu, es ihm zu gestehen: Gut, gut, nur weiter! + +Jago. +Sie giebt aus, ihr wollt sie heurathen. Ist das eure Absicht? + +Cassio. +Ha, ha, ha! + +Othello. +Triumphierest du, Schurke? Triumphierest du? + +Cassio. +Ich, sie heurathen?--Eine barmherzige Schwester? Ich bitte dich, +erweise meiner Vernunft so viel Christliche Liebe, und glaube etwas +bessers von ihr. Ha, ha, ha! + +Othello (vor sich.) +So, so: Wer gewinnt, hat gut lachen. + +Jago. +In der That, die Rede geht, ihr werdet sie heurathen. + +Cassio. +Ich bitte dich, redst du im Ernst? + +Jago. +Ich will ein Schelm seyn, wenn es anderst ist. + +Othello (vor sich.) +Hast du mein Maß genommen? Nun, wohl dann! + +Cassio. +Wenn das ist, so kommt es von dem Affen selbst. Sie hat sich's in +den Kopf gesezt, daß ich sie heurathen werde, und das bloß, weil +sie es wünscht, und nicht, weil ich ihr's versprochen hätte. + +Othello. +Izt fängt er die Historie an-- + +Cassio. +Sie war erst kürzlich hier; sie spükt mir nach, wo ich hingehe. +Ich war neulich am Ufer, und sprach mit etlichen Venetianerinnen, +da kommt die Närrin, und fällt mir so zärtlich um den Hals-- + +Othello (bey Seite.) +Und ruft, o du allerliebstes Cassio, oder so was; seine Gebehrden +sagen das. + +Cassio. +Hängt sich so an, und herzt und küßt mich, und weint auf mich, und +schüttelt und drükt mich, so abscheulich zärtlich--Ha, ha, ha!-- + +Othello. +Izt erzählt er, wie sie ihn in mein Schlafzimmer gezogen habe: O, +ich sehe deine aufgestülpte Nase vor mir, aber ich seh' den Hund +nicht, dem ich sie vorwerfen will. + +Cassio. +Gut, ich kan mich nicht länger hier aufhalten. + +Jago. +Wie es euch beliebt--Aber da kommt sie ja selbst. + + + +Vierte Scene. + (Bianca zu den Vorigen.) + + +Cassio. +Was das für eine Meer-Kaze ist! Zum Henker, und sie riecht noch +dazu nach Biesam:--Was soll denn das bedeuten, daß ihr mir so +nachlauft? + +Bianca. +Das mag der Teufel und seine Großmutter thun! Sagt mir einmal, was +wolltet ihr mit dem Schnupftuch, das ihr mir vorhin gegeben habt? +Ich war wol eine grosse Närrin, daß ich's annahm: Ich sollte die +Arbeit absehen? Ein feines Stük Arbeit, daß ihr in euerm +Schlafzimmer gefunden habt, und wißt nicht, wer es da verlohren +haben mag. Ich will nicht ehrlich seyn, wenn es nicht ein Geschenk +von irgend einer ehrsamen Matrone ist; und ich soll die Arbeit dran +absehen? Da, gebt es euerm Steken-Pferde: Woher ihr's auch haben +mögt, ich will nichts daran absehen, ich. + +Cassio. +Nun, nun, meine schöne Bianca, sachte, sachte! + +Othello (bey Seite.) +Beym Himmel, das wird wohl mein Schnupftuch seyn. + +Bianca. +Wenn ihr heute zu mir zum Nachtessen kommen wollt, so könnt ihr; wo +nicht, so kommt nicht eher als bis man Anstalten auf euch gemacht +hat. + +(Sie geht ab.) + +Jago. +Lauft ihr nach, lauft ihr nach. + +Cassio. +Das muß ich, sonst fangt sie auf der Strasse einen Lermen an. + +Jago. +Wollt ihr bey ihr zu Nacht essen? + +Cassio. +Ja, ich hab es im Sinn. + +Jago. +Gut, vielleicht seh ich euch dort; denn ich möchte sehr gern mit +euch reden. + +Cassio. +Ich bitt euch, kommt; wollt ihr-- + +Jago. +Verlaßt euch darauf-- + +(Cassio geht ab.) + + + +Fünfte Scene. + (Othello und Jago.) + + +Othello. +Was für eine Todesart soll ich ihm anthun, Jago? + +Jago. +Habt ihr gesehen, wie lustig er sich mit seinem Verbrechen machte? + +Othello. +Oh, Jago! + +Jago. +Und saht ihr das Schnupftuch? + +Othello. +War's das meinige? + +Jago. +Das eurige, auf meine Ehre! und habt ihr gesehen, wie viel er sich +aus dem einfältigen Geschöpf, eurer Frau, macht?--Sie gab es ihm +und er verschenkt es an seine Hure! + +Othello. +Ich wollt, ich könnte neun Jahre lang an ihm morden--eine so artige +Frau! Eine so schöne Frau! Eine so anmuthsvolle Frau! + +Jago. +Nein, das müßt ihr nun vergessen! + +Othello. +O, laß sie verfaulen, verdorren und zur Hölle fahren, eh es wieder +Tag wird! leben soll sie nicht! Nein, mein Herz ist zu Stein +worden: ich schlage drauf, und die Hand schmerzt mich davon--O, die +ganze Welt hat keine reizendere Creatur! Sie hätte an eines +Kaysers Seite ligen können, er würd' ihr Sclave gewesen seyn! + +Jago. +Nicht doch; das sind Gedanken, die gar nicht zur Sache taugen. + +Othello. +An den Galgen mit ihr, ich sage nur was sie ist--eine so feine +Arbeiterin mit der Nadel--eine vortrefliche Musicantin--Oh, sie +würde die Wildheit aus einem Bären heraus singen so belebt, so +wizig! So voller Geist! + +Jago. +Desto schlimmer ist sie um das alles. + +Othello. +O, tausend, tausendmal: Und dann von so einnehmender Gestalt!-- + +Jago. +Nur gar zu einnehmend. + +Othello. +Ja, das ist wahr. Aber doch ist es erbärmlich, Jago--oh, Jago, es +ist erbärmlich!-- + +Jago. +Wenn ihr so zärtlich gegen ihre Bosheiten seyd, so gebt ihr ein +Patent, daß sie euch beleidigen darf wie sie will; wenn ihr +gleichgültig dabey seyd, so hat sich niemand darum zu bekümmern. + +Othello. +Ich will sie in kleine Stükchen haken: Mich zum Hahnrey zu machen! + +Jago. +Es ist garstig an ihr! + +Othello. +Mit meinem Lieutenant! + +Jago. +Das ist noch garstiger! + +Othello. +Verschaffe mir eine Dose Gift bis auf die Nacht, Jago; ich will +keinen Wortwechsel mit ihr haben--ich darf meine Standhaftigkeit +nicht an ihre Reizungen wagen--Diese Nacht, Jago-- + +Jago. +Aber nicht durch Gift; erdrosselt sie in ihrem Bette, in dem Bette, +das sie entweiht hat. + +Othello. +Gut, gut; dieses Mittel gefällt mir, weil es gerecht ist-- + +Jago. +Und was den Cassio betrift, den überlaßt mir; bis Mitternacht sollt +ihr mehr hören. + +(Eine Trompete hinter der Scene.) + +Othello. +Vortrefflich! Wie? Was bedeutet diese Trompete? + +Jago. +Vermuthlich etwas von Venedig--Es ist Lodovico, vom Herzog +abgeschikt: Au, seht, eure Gemahlin ist schon bey ihm. + + + +Sechste Scene. + (Lodovico, Desdemona, und Gefolge treten auf.) + + +Lodovico. +Seyd mir gegrüßt, würdiger General. + +Othello. +Ich erwiedre den Wunsch von ganzem Herzen, mein Herr. + +Lodovico. +Der Herzog und die Senatoren von Venedig grüssen euch. + +(Er überreicht ihm ein Schreiben.) + +Othello. +Ich küsse die Urkunde ihrer Befehle. + +Desdemona. +Und was giebt es neues, mein lieber Vetter Lodovico? + +Jago. +Ich bin sehr erfreut euch zu sehen, mein Herr; willkommen in Cypern. + +Lodovico. +Ich danke euch; was macht der Lieutenant Cassio? + +Jago. +Er lebt, mein Herr. + +Desdemona. +Vetter, es ist zwischen meinem Gemahl und ihm zu einem +unfreundlichen Bruch gekommen; aber ihr werdet alles wieder gut +machen. + +Othello (vor sich.) +Seyd ihr dessen so gewiß? + +Desdemona. +Mein Gemahl? + +Othello (ließt.) +"Ermangelt nicht, dieses zu befolgen, so lieb euch--" + +Lodovico (zu Desdemona.) +Er rief euch nicht; er ist in seinem Schreiben vertieft. Ist ein +Mißverständnis zwischen dem General und Cassio? + +Desdemona. +Ein sehr unglükliches; ich wollte gern alles thun, sie wieder zu +vereinigen, so lieb ist mir Cassio. + +Othello. +Feuer und Schwefel! (vor sich.) + +Desdemona. +Mein Gemahl! + +Othello. +Seyd ihr bey Verstand? + +Desdemona (zu Lodovico.) +Wie, ist er zornig? + +Lodovico. +Vielleicht hat ihn das Schreiben in einige Bewegung gebracht. Denn, +wie ich vermuthe, so beruffen sie ihn nach Hause, und befehlen ihm, +sein Gouvernement dem Cassio zu überlassen. + +Desdemona. +Glaubt mir, es erfreut mich. + +Othello. +In der That! (vor sich.) + +Desdemona. +Mein Gemahl! + +Othello. +Ich bin erfreut, dich toll zu sehen. (vor sich.) + +Desdemona. +Wie, mein liebster Othello? + +Othello (nach ihr schlagend.) +Teufel!-- + +Desdemona. +Das hab' ich nicht verdient. + +Lodovico. +Mein Herr, in Venedig würde das niemand glauben, wenn ich gleich +schwüre, daß ichs gesehen habe. Es ist sehr viel; bittet ihr's ab; +sie weint. + +Othello. +O Teufel! Teufel! Könnte die Erde von Weiberthränen geschwängert +werden, jeder Tropfe, den sie weint, würde ein Crocodil werden: Aus +meinem Gesicht-- + +Desdemona (indem sie gehen will.) +Ich will gehen, wenn euch mein Anblik so zuwieder ist. + +Lodovico. +Wahrhaftig, eine gehorsame Frau--ich bitte Euer Gnaden, ruffet sie +zurük. + +Othello. +Madam-- + +Desdemona. +Mein Gemahl-- + +Othello. +Was wollt ihr mit ihr, mein Herr? + +Lodovico. +Wer, ich, mein Herr? + +Othello. +Ja; ihr wolltet ja, ich sollte machen, daß sie sich wieder umdrehe. +Herr, sie kan sich drehen, und drehen, und doch weiter kommen; sie +ist eine Meisterin darinn. Und sie kan auch weinen, Herr, weinen; +und sie ist gehorsam; wie ihr sagtet, gehorsam; sehr gehorsam-- +weint ihr nur fort--Was das anbetrift, mein Herr--O die +Leidenschaften spielt sie vortreflich!--Ich bin zurükberuffen-- + +(zu Desdemona.) +Pakt ihr euch fort, ich will gleich wieder nach euch schiken--Mein +Herr, ich gehorche dem Oberherrlichen Befehl, und will nach Venedig +zurük kehren--Weg, pake dich!-- + +(Desdemona geht ab.) + +--Cassio soll meinen Plaz haben. Und ihr, mein Herr, werdet mir +die Ehre erweisen, heute mit mir zu Nacht zu essen. Ihr seyd +willkommen in Cypern-- + +(vor sich.) +Geissen, und Affen! + +{ed. * [Sind diese Venetianer,] denkt er hinzu.} + +(Er geht ab.) + + + +Siebende Scene. + (Lodovico und Jago bleiben zurük.) + + +Lodovico. +Ist diß der edle Mohr, den unser ganzer Senat sein Alles und Alles +nennt? Ist diß das Gemüth, dessen standhafte Tugend keine +Leidenschaft, kein Glük, kein Zufall erschüttern kan? + +Jago. +Er hat sich sehr verändert. + +Lodovico. +Ist er recht bey Sinnen? Leidet er etwann am Gehirn? + +Jago. +Er ist was er ist; ich mag nicht sagen, was ich denke. Ich wollte +zu Gott, er wäre, was er seyn könnte, wenn er nicht ist, was er +sollte. + +Lodovico. +Wie, seine Gemahlin schlagen! + +Jago. +In der That, es war nicht fein; und doch wünscht' ich, ich wißte, +daß dieser Streich das ärgste wäre. + +Lodovico. +Ist er gemeiniglich so? oder würkte das Schreiben so stark auf +sein Blut, daß er zum ersten mal sich selbst so ungleich war? + +Jago. +Es ist eine schlimme Sache, leider! Es wäre nicht anständig, wenn +ich sagen wollte, was ich gesehen und gehört habe. Ihr werdet ihn +durch euch selbst kennen lernen, und sein eignes Betragen wird ihn +so charakterisieren, daß ich meine Worte sparen kan. Geht ihm nur +nach, und seht, wie er fortfahren wird. + +(Sie gehen ab.) + + + +Achte Scene. + (Verwandelt sich in einen Saal im Pallast.) + (Othello und Aemilia treten auf.) + + +Othello. +Ihr habt also nichts gesehen? + +Aemilia. +Noch jemals was solches gehört, oder nur gemuthmasset. + +Othello. +Ihr habt doch den Cassio und sie beysammen gesehen? + +Aemilia. +Aber da sah ich nichts böses, und ich hörte eine jede Sylbe, die +sie mit einander redeten. + +Othello. +Wie, flüsterten sie niemals zusammen? + +Aemilia. +Niemals, Gnädiger Herr. + +Othello. +Und schikten sie euch niemals fort? + +Aemilia. +Niemals. + +Othello. +Etwann ihren Fächer, ihre Handschuhe, ihre Maske, oder so was zu +holen? + +Aemilia. +Niemals, Gnädiger Herr. + +Othello. +Das ist seltsam! + +Aemilia. +Ich dürfte meine Seele an einem Pfahl wetten, Gnädiger Herr, daß +sie ehrlich ist: Wenn ihr anders denkt, so verbannet diesen +Gedanken, er betrügt euer Herz. Der Himmel vergelt' es dem Elenden, +der es euch in den Kopf gesezt haben mag, mit dem Fluch der +Schlange! Wahrhaftig, wenn sie nicht tugendhaft, keusch und getreu +ist, so giebt's keinen glüklichen Mann auf Erden; so ist die +reinste ihrer Weiber so häßlich als Lästerung. + +Othello. +Geh, ruffe sie hieher. + +(Aemilia geht ab.) + +Sie sagt genug; allein sie ist eine einfältige Kupplerin, die nicht +mehr sagen kan--Das ist eine verschmizte Hure, die ihre garstigen +Geheimnisse behutsam zu verriegeln weiß--und doch kniet sie euch in +ihrem Zimmer hin, und betet: Das hab' ich selbst gesehen. + + + +Neunte Scene. + (Desdemona und Aemilia treten auf.) + + +Desdemona. +Was ist euer Wille, mein Gemahl? + +Othello. +Kommt näher, Hühnchen, wenn ich bitten darf. + +Desdemona. +Was beliebt euch? + +Othello. +Laßt mich eure Augen sehen; seht mir in's Gesicht. + +Desdemona. +Was für eine entsezliche Einbildung kommt euch an? + +Othello (Zu Aemilia.) +Ein Stük von euerm Amt, Madam; laßt die handelnden Personen allein, +und schließt die Thüre zu; hustet, oder ruft wenn jemand kommt. +Euer Geheimniß, euer Geheimniß--nein, macht euch fort. + +(Aemilia geht ab.) + +Desdemona. +Auf meinen Knien, was wollen diese Reden sagen? Ich sehe wol, daß +etwas Entsezliches in euern Worten ist, aber ich verstehe sie +dennoch nicht. + +Othello. +Wie? Was bist du? + +Desdemona. +Euer Weib, mein Herr; euer getreues, redliches Weib. + +Othello. +Komm, schwör mir das; sprich dir dein Urtheil selbst; sonst möchten, + da du einem himmlischen Wesen so ähnlich bist, die Teufel sich +scheuen Hand an dich zu legen. Zieh dir also eine zweyfache +Verdammniß zu; schwöre, du seyest ehrlich. + +Desdemona. +Der Himmel weiß es. + +Othello. +Der Himmel weiß, daß du falsch wie die Hölle bist. + +Desdemona. +An wem, mein Gemahl? Mit wem? Wie bin ich falsch? + +Othello (Er weint.) +Ach, Desdemona! Weg, weg, weg!-- + +Desdemona. +O des unglükseligen Tags! Warum weint ihr? Bin ich die Beweg- +Ursach dieser Thränen, mein liebster Mann?--Wenn ihr vielleicht +meinen Vater in Verdacht habt, daß er an eurer Zurükberuffung +Schuld habe, so laßt es doch mich nicht entgelten; wenn ihr ihn +verlohren habt, so hab' ich ihn ja auch verlohren. + +Othello. +Hätt' es dem Himmel gefallen, mich durch Trübsale zu prüfen, hätt' +er alle Arten von Schmerzen und Demüthigungen auf mein naktes Haupt +regnen, mich bis an die Lippen in Armuth versinken, mich ohne +Hoffnung der Befreyung in Sclaverey gerathen lassen; so würd' ich +noch in irgend einem Winkel meiner Seele einen Tropfen Geduld +gefunden haben. Aber, ach! mich zu einem festen Ziel für den +unbeweglichen Finger der spottenden Verachtung zu machen--und doch +auch das, auch das wollt' ich noch ertragen können. Aber da, + +{ed. * Man hat hier, einem herrschenden, obgleich an sich vielleicht +ungerechten Vorurtheil zu gefallen, von dem buchstäblichen Sinn des +Originals ein wenig abweichen müssen.} + +wo die Ruhe, der Trost, die Wonne meines Lebens lag, aus deinem Herzen +vertrieben zu seyn, oder es als eine Cisterne, worinn unflätige +Kröten zügeln, zu besizen: Hebe dich weg, Geduld, du junger, +rosenwangichter Cherubin,--Da seh' ich grimmig wie die Hölle aus. + +Desdemona. +Ich hoffe, mein edelmüthiger Mann kennt mich genugsam, mich für +unschuldig zu halten. + +Othello. +O, ja, wie Sommerfliegen in Schlachthäusern, die von einem +anwehenden Lüftchen lebendig werden. O du giftiges Unkraut, warum +bist du so lieblich anzusehen? Du riechst so gut, daß einem der +Kopf davon weh thut. Ich wollte, du wärest nie gebohren worden! + +Desdemona. +Himmel! was für eine Sünde kan ich unwissender Weise begangen +haben? + +Othello. +Wie, du fragst noch? Du fragst was du begangen habest? Begangen?-- +O du Nichtswürdige, ich würde meine Wangen zu Feuer-Essen machen, +wo die Zucht zu Asche verbrennen müßte, wenn ich deine Thaten +nennen wollte. Wie? was du begangen hast? Der Himmel stopft sich +die Nase davor zu, und der Mond die Augen; der buhlerische Wind +sogar, der alles küßt was ihm vorkommt, hat sich in die holen Minen +der Erde verkrochen, und will es nicht anhören. Was du begangen +hast?--Unverschämte Meze! + +Desdemona. +Beym Himmel! ihr thut mir Unrecht. + +Othello. +Du bist keine Meze? + +Desdemona. +Nein, so wahr ich eine Christin bin. Wenn ein Weib, die sich für +ihren Mann allein, und von jeder fremden, unkeuschen, unerlaubten +Berührung rein bewahrt hat, keine Meze ist, so bin ich keine. + +Othello. +Wie, auch keine Hure? + +Desdemona. +Nein, so wahr ich selig zu werden wünsche! + +Othello. +Ists möglich? + +Desdemona. +O Himmel, sey uns gnädig! + +Othello. +So bitt' ich also um Vergebung. Ich sah euch für diese abgefeimte +Hure von Venedig an, die den Othello heurathete-- + + + +Zehnte Scene. + (Aemilia zu den Vorigen.) + + +Othello. +Ihr, Frau Gelegenheits-Macherin,--Ihr, ihr, ja ihr! Wir haben +unsre Sachen gemacht. Hier ist Geld für eure Mühe; ich bitte euch, +dreht den Schlüssel, und behaltet unser Geheimniß für euch. + +(Er geht ab.) + +Aemilia. +Um's Himmels willen, was macht der Herr sich vor Gedanken!--Wie +befindet sich Eu. Gnaden? Wie steht's um meine liebste Gnädige +Frau? + +Desdemona (allein.) +Es ist billig, daß mir so mitgespielt wird, sehr billig; wie hab +ich mich denn aufgeführt, daß er nur den Schatten eines Grundes zum +allerkleinsten Mißtrauen gefunden haben soll?-- + + + +Eilfte Scene. + (Jago und Aemilia zu Desdemona.) + + +Jago. +Was ist zu Eu. Gnaden Befehl? Wie steht's? + +Desdemona. +Das kan ich nicht sagen; diejenigen, die eure Kinder ziehen, thun +es mit Freundlichkeit, und legen ihnen nicht zuviel auf; er hätte +mich ja mit Sanftmuth ausschelten können: Denn, die Wahrheit zu +sagen, ich bin wie ein Kind wenn ich ausgescholten werde. + +Jago. +Wovon ist die Rede, Gnädige Frau? + +Aemilia. +Ach, Jago, der Gnädige Herr hat sie so behurt, ihr so schmählich +begegnet, so garstige Namen über sie ausgegossen, daß ein ehrliches +Herz es nicht ertragen kan. + +Desdemona. +Verdien' ich einen solchen Namen, Jago? + +Jago. +Was für einen Namen, Gnädige Frau? + +Desdemona. +Den, so sie sagte, daß mir mein Mann gegeben habe. + +Aemilia. +Er nannte sie eine Hure; ein betrunkner Bettler würde sich schämen, +seinem Menschen einen solchen Namen zu geben. + +Jago. +Warum that er das? + +Desdemona. +Das weiß ich nicht; was ich weiß, ist, daß ich nichts solches bin. + +Jago. +Weinet nicht, weinet nicht; das ist ein leidiger Handel! + +Aemilia. +Hat sie so viele grosse Partheyen ausgeschlagen--Hat sie ihren +Vater, ihr Vaterland, ihre Freunde aufgeopfert--um eine Hure +geheissen zu werden? Sollte das einen nicht weinen machen? + +Desdemona. +Das ist nun mein Schiksal. + +Jago. +Ihr müßt es nicht von ihm leiden. Wie überfiel ihn denn dieser +Anstoß? + +Desdemona. +Das weiß der Himmel. + +Aemilia. +Ich will mich hängen lassen, wenn nicht irgend ein höllischer Bube, +irgend ein geschäftiger, raubsüchtiger Schurke, irgend ein glatter, +lekender, Schlangen-züngigter Sclave, um sich ein Verdienst bey ihm +zu machen, sie bey ihm verlästert hat; ich will mich hängen lassen, +wenn es anders ist. + +Jago. +Fy, es lebt kein solcher Mann, es ist unmöglich. + +Desdemona. +Wenn ein solcher Mann ist, so vergeb ihm der Himmel! + +Aemilia. +Ein Strik vergeb ihm! Und der Teufel nag' ihm seine verdammten +Knochen ab! Warum soll er sie eine Hure heissen? Wer soll denn +ihr Buhler seyn? Wo? wann? wie? Wo ist auch nur eine +Wahrscheinlichkeit davon? Der Mohr ist durch irgend einen +galgenbübischen Schurken, irgend einen elenden nichtswürdigen +Erzlotterbuben belogen worden. O Himmel, daß du doch solche +Gesellen an's Taglicht ziehen, und in jede ehrliche Hand eine +Geisel steken möchtest, um den Raker nakend durch die ganze Welt zu +peitschen, von einem Ende der Welt bis zum andern! + +Jago. +Schreyt nur nicht so laut. + +Aemilia. +O fy, die garstigen Kerls! Gerad ein solcher Schuft wars, der euch +einst den Kopf auf die unrechte Seite stellte, und euch weis machte, + daß ich mit dem Mohren in heimlichem Verständniß sey. + +Jago. +Du bist nicht klug; geh, geh. + +Desdemona. +Ach, Jago, sage mir, was soll ich thun um meinen Gemahl wieder zu +gewinnen? Mein guter Freund, geh, rede du mit ihm; bey diesem +Licht des Himmels, ich weiß nicht, wie ich sein Herz verlohren habe. +Hier knie ich; + +(sie kniet.) + +Wenn jemals mein Wille in Worten, Gedanken oder in würklicher That +sich gegen seine Pflicht aufgelehnt hat; oder wenn jemals meine +Augen, meine Ohren oder irgend einer meiner Sinne sich an einem +andern Gegenstand ergözt haben; oder wenn ich ihn nicht immer liebe, +geliebt habe, und sollt' er mich auch als eine Bettlerin von sich +verstossen, aufs zärtlichste lieben werde, so komme kein Trost in +meine Seele! Unzärtlichkeit kan viel thun, sie kan mich ums Leben +bringen, aber meine Liebe kan sie nicht vermindern. Ich kan nicht +sagen, Hure; es graut mir, da ich izt das Wort ausgesprochen habe; +aber das zu thun, was er bezeichnet, könnte mich die Welt mit ihrer +ganzen Masse von Eitelkeit nicht bewegen. + +Jago. +Ich bitte euch, gebt euch zufrieden; es ist nur eine Laune von ihm; +die Staats-Angelegenheiten gehen ihm im Kopf herum, er ist +mißvergnügt darüber, und da muß nun sein Unmuth über euch +ausbrechen. + +Desdemona. +Wenn es nur dieses wäre-- + +Jago. +Es ist nichts anders, ich stehe dafür. (Trompeten.) +Horcht, diese Trompeten ruffen zum Nacht-Essen. Der Abgeordnete +von Venedig bleibt bey der Tafel; geht hinein und weint nicht; es +wird alles wieder gut werden. + +(Desdemona und Aemilia gehen ab.) + + + +Zwölfte Scene. + (Rodrigo (zu Jago.) + + +Jago. +Ha, wo kommt ihr her, Rodrigo? + +Rodrigo. +Ich finde nicht, daß du ehrlich mit mir zu Werke gehst. + +Jago. +Wie findt ihr das? + +Rodrigo. +Jeden Tag machst du mir irgend einen Dunst vor die Augen, Jago; und +ich fange endlich an zu sehen, daß du, anstatt mich nur um einen +Schritt meinen Hoffnungen näher gebracht zu haben, mich weiter +zurükgesezt hast, als ich jemals war. Ich will es nicht länger +dulden; und bin auch gar nicht der Meynung so ruhig einzusteken, +was ich närrischer Weise bereits gelitten habe. + +Jago. +Wollt ihr mich anhören, Rodrigo? + +Rodrigo. +Meiner Treue, ich habe nur zuviel angehört; eure Worte und eure +Thaten haben gar keine Gemeinschaft mit einander. + +Jago. +Ihr beschuldiget mich mit gröstem Unrecht. + +Rodrigo. +Ich sage die lautre Wahrheit: Ihr habt mich um mein ganzes Vermögen +gebracht. Die Juwelen, die ihr von mir bekommen habt, um sie +Desdemonen zu überliefern, hätten eine Vestalin verführen sollen. +Ihr sagtet mir, sie habe sie empfangen, und brachtet mir die +tröstlichsten Versicherungen von ihrer guten Würkung; aber ich +finde keine. + +Jago. +Gut, nur weiter; sehr gut. + +Rodrigo. +Sehr gut, nur weiter; ich kan nicht weiter, Herr, und es ist nicht +sehr gut; nein, ich denke, es ist boshaft, und ich fange an zu +merken, daß man mich nur am Narren-Seil herumführt. + +Jago. +Sehr gut. + +Rodrigo. +Ich sag euch, es ist nicht sehr gut. Ich will mich Desdemonen +selbst entdeken; wenn sie mir meine Juwelen wieder geben will, so +will ich klug seyn und ihr mit meiner Bewerbung nicht mehr +beschwerlich fallen: Wo nicht, so versichr' ich euch, ich will +meine Schadloshaltung an euch suchen. + +Jago. +Ihr habt nun geredt-- + +Rodrigo. +Ja, und nichts, als was ich, meiner Seel! zu thun im Sinn habe. + +Jago. +Wie, nun seh ich doch daß du Feuer im Leibe hast; und von diesem +Augenblik an hab' ich eine grössere Meynung von dir als jemals. +Gieb mir deine Hand, Rodrigo; du hast alle Ursache gehabt, mir +Vorwürfe zu machen, aber ich schwöre dir, daß ich in der ganzen +Sache redlich an dir gewesen bin. + +Rodrigo. +Es hat sich nicht gezeigt. + +Jago. +Ich muß es gestehen, in der That, euer Argwohn ist nicht ohne +Wahrscheinlichkeit. Aber, Rodrigo, wenn du das hast, was ich dir +izt mit besserm Grund als jemals zutraue, (ich meyne, +Standhaftigkeit, Herz und Tapferkeit,) so zeig es diese Nacht. +Wenn du in der nächstfolgenden Nacht nicht bey Desdemonen ligen +wirst, so halte mich für einen Verräther, und schaffe mich aus der +Welt wie du willst. + +Rodrigo. +Gut, was ist es? Ist es etwas, das sich vernünftiger Weise +unternehmen läßt? + +Jago. +Wisset, mein Herr, daß eine Special-Commißion von Venedig +eingetroffen ist, um den Cassio an Othello's Stelle einzusezen. + +Rodrigo. +Ist das wahr? Nun, so kehren Othello und Desdemona wieder nach +Venedig zurück. + +Jago. +O nein; er geht nach Mauritanien, und nimmt seine schöne Desdemona +mit sich; das geschieht unfehlbar, es müßte denn etwas begegnen, +wodurch sein hiesiger Aufenthalt verlängert würde: Und das könnte +durch nichts gewisser erhalten werden, als wenn Cassio auf die +Seite geschaft würde. + +Rodrigo. +Was nennt ihr, den Cassio auf die Seite schaffen? + +Jago. +Das versteht sich von selbst; ihn unfähig machen, in Othello's +Stelle einzutreten, mit einem Wort, ihm den Hals zu brechen. + +Rodrigo. +Und ihr wollt, daß ich das thun soll? + +Jago. +Ja, wenn ihr das Herz habt euch selbst Gutes zu thun. Er ißt heute +bey einer Courtisane zu Nacht; und ich will ihm dort Gesellschaft +leisten. Er weiß noch nichts von seiner Beförderung; wenn ihr dann +nur aufpassen wollt, bis er dort weggeht, (und ich will schon dafür +sorgen, daß es zwischen zwölf und ein Uhr geschehen soll:) So könnt +ihr ihn mit der grösten Bequemlichkeit überraschen. Ich will in +der Nähe seyn, euern Angriff zu unterstüzen, und wir wollen ihn +zwischen zwey Feuer kriegen. Kommt, steht nicht so bestürzt da; +kommt mit mir; wir wollen von der Sache reden. Ich will euch +zeigen, daß sein Tod so unumgänglich nothwendig ist, daß ihr euch +verbunden sehen werdet, ihn zu befördern. Es ist izt bald Nacht- +Essens-Zeit, und die Nacht nimmt überhand--Wir müssen gehen. + +Rodrigo. +Ich muß mehr Licht in dieser Sache haben-- + +Jago. +Das sollt ihr bekommen. + +(Sie gehen ab.) + + + +Dreyzehnte Scene. + (Othello, Lodovico, Desdemona, Aemilia und Gefolge.) + + +Lodovico. +Ich bitte euch, mein Herr, bemüht euch nicht weiter. + +Othello. +Oh, ich bitte um Vergebung; die Bewegung wird mir wohl bekommen. + +Lodovico. +Madam, gute Nacht; ich danke Eu. Gnaden unterthänig. + +Desdemona. +Ihr werdet allezeit willkommen seyn, mein Herr. + +Othello. +Wollt ihr gehen, mein Herr?--o, Desdemona!-- + +Desdemona. +Mein Gemahl-- + +Othello. +Geht sogleich zu Bette, ich werde bald wieder zurük kommen; schikt +eure Bedienung hier fort; thut, was ich euch sage. + +Desdemona. +Ich will, mein Gemahl. + +(Lodovico und Othello gehen ab.) + +Aemilia. +Wie geht es nun? Er sieht freundlicher aus als diesen Abend. + +Desdemona. +Er sagt, er wolle gleich zurük kommen, und hat mir befohlen zu +Bette zu gehen, und euch wegzuschiken. + +Aemilia. +Mich wegzuschiken? + +Desdemona. +Das war sein Befehl; also, meine gute Aemilia, gieb mir mein Nacht- +Zeug, und gute Nacht. Wir müssen ihm keinen Verdruß machen. + +Aemilia. +Ich wollte, ihr hättet ihn nie gesehen! + +Desdemona. +Das wollt' ich nicht; meine Liebe ist so wol mit ihm zufrieden, daß +sogar sein mürrisches Bezeugen, sein Schelten und Zürnen, eine Art +von Anmuth in meinen Augen hat. Ich bitte dich, steke mir mein +Kopfzeug ab-- + +Aemilia. +Ich habe die Laken, die ihr mir sagtet, auf euer Bette gelegt. + +Desdemona. +Es ist all eins: Guter Himmel! Was für alberne Geschöpfe sind wir +nicht! Wenn ich vor dir sterbe, so mache mir, ich bitte dich, aus +einem dieser Tücher mein Todten-Hemde. + +Aemilia. +Kommt, kommt; wie ihr redt! + +Desdemona. +Meine Mutter hatte ein Kammer-Mädchen, die Barbara hieß; das arme +Ding war in jemand verliebt, der sie nicht wieder lieben wollte, +und da wurde sie zulezt närrisch; sie hatte ein Lied, das sich +immer mit (Weide) endigte, es war ein altes Ding, aber es schikte +sich auf ihre Umstände, und sie sang es bis in den lezten Augenblik +ihres Lebens. Ich kan mir dieses Lied diese ganze Nacht durch +nicht aus dem Sinn bringen; es braucht alles, daß ich mich erwehre, +den Kopf auf eine Seite zu hängen, und es zu singen, wie die arme +Barbara. Ich bitte dich, mach' daß du fertig wirst. + +Aemilia. +Soll ich gehn und euern Schlaf-Rok holen? + +Desdemona. +Nein, steke mich hier ab; dieser Lodovico ist ein recht artiger +Mann. + +Aemilia. +Ein sehr hübscher Mann. + +Desdemona. +Er spricht gut. + +Aemilia. +Ich kenn' eine Dame in Venedig, die um einen Druk von seiner +Unterlippe eine Wallfahrt ins Gelobte Land gemacht hätte. + +Desdemona (singt.) +Das arme Ding, sie saß und sang, an einem Baum saß sie, + Singt alle, grüne Weide; +Die Hand gelegt auf ihre Brust, den Kopf auf ihrem Knie, + Singt Weide, Weide, Weide; +Der Bach, der murmelt neben ihr, in ihre Seufzer ein, + Singt Weide, Weide, Weide; +Und ihrer Thränen heisse Fluth erweichte Kieselstein; + Singt Weide, Weide, Weide; +Weide, Weide, Weide etc. Ich bitte dich, mache hurtig, er wird +alle Augenblike wiederkommen. Singt all', ein grünes Weiden-Zweig, +das muß mein Kränzchen seyn. + * * * O! tadelt nicht sein hartes Herz, mein Herz +verzeiht ihm gern; +Nein, das folgt noch nicht--Horch was klopft so? + +Aemilia. +Es ist nur der Wind. + +Desdemona (singt.) +Ich nannte meinen Liebsten falsch; was sagt' er denn dazu? + Singt Weide, Weide, Weide; +Ich thu mit andern Weibern schön, mit andern Männern du. So, geh +du izt, gute Nacht; meine Augen brennen mich; bedeutet das Weinen? + +Aemilia. +Das wollen wir nicht hoffen. + +Desdemona. +Ich hab' es sagen gehört; o diese Männer, diese Männer! Sag mir +einmal, Aemilia, glaubst du in deinem Gewissen, daß es Weiber giebt, +die ihre Männer auf eine so grobe Art hintergehen? + +Aemilia. +Es giebt solche, das ist nur keine Frage. + +Desdemona. +Wolltest du um die ganze Welt so was thun? + +Aemilia. +Wie, thätet ihr's nicht? + +Desdemona. +Nein, bey diesem himmlischen Licht! + +Aemilia. +Ich bey diesem himmlischen Licht auch nicht; es liesse sich eben so +gut im Dunkeln thun. + +Desdemona. +Wolltest du eine solche That um die ganze Welt thun? + +Aemilia. +Die ganze Welt ist gleichwol ein hübsches ansehnliches Ding, es +wär' ein feiner Preis für ein so kleines Verbrechen. + +Desdemona. +Bey meiner Treu, ich denke, du thätest es nicht. + +Aemilia. +Und bey meiner Treu, ich denk', ich thät' es; mit dem Vorbehalt, +daß es das erste und lezte mal seyn sollte. Wahrhaftig, ich thäte +so was nicht um einen Finger-Ring, noch für ein paar Ellen Kammer- +Tuch, noch für einen neuen Unterrok, oder eine Kappe, oder so was +armseliges; aber für die ganze Welt! Welches Weib wollte ihren +Mann nicht zu einem Hahnrey machen, damit er Herr von der ganzen +Welt würde? Dafür wollt' ich noch wol das Fegfeuer wagen. + +Desdemona. +Ich will des Todes seyn, wenn ich so was Unrechtes um die ganze +Welt thun wollte. + +Aemilia. +Wie, das Unrecht ist nur ein Unrecht in der Welt; und da ihr die +Welt für eure Mühe bekämet, so wär' es ein Unrecht in eurer Welt, +und ihr könntet es bald recht machen. + +Desdemona. +Ich kan nicht glauben, daß es ein solches Weib giebt. + +Aemilia. +O Ja, wohl ein duzend und so viele oben drein, daß sie die Welt, um +die sie spielten, bevölkern könnten. Allein, ich denke, der Fehler +ligt an den Männern, wenn ihre Weiber fallen; gesezt, sie vergessen +ihre Pflichten gegen uns, und verschwenden an andre, was uns gehört; +oder sie brechen in eine verdrießliche Eifersucht aus, und belegen +uns mit sclavischem Zwang; oder sie schlagen uns, oder sie bringen +uns unser Vermögen durch; wahrhaftig, wir haben auch Galle, und so +sanft wir sind, so rächen wir uns doch gerne, wenn wir beleidigt +werden. Unsre Herren Männer sollen wissen, daß ihre Weiber so gut +Empfindlichkeit haben als sie; sie sehen, und riechen, und haben +einen Geschmak für süß und sauer, so gut wie ihre Männer. Was thun +sie, wenn sie uns mit andern vertauschen? Ist es Spaß? Ich will +es glauben: Geschieht es aus Leidenschaft? Ich will es glauben: +Ist es eine menschliche Schwachheit? es mag auch seyn. Und haben +wir nicht auch Leidenschaften? Lieben wir den Zeitvertreib nicht +auch? Sind wir nicht so gebrechlich als sie? Sie mögen uns also +nur wohl begegnen; oder sie sollen wissen, daß wenn wir sündigen, +sie unsre Lehrmeister gewesen sind. + +Desdemona. +Gute Nacht, gute Nacht; der Himmel gebe mir Gnade, anstatt Böses +mit Bösem zu vertreiben, das Böse gut zu machen! + +(Sie gehen ab.) + + + + +Fünfter Aufzug. + + + +Erste Scene. + (Eine Strasse vor dem Pallast.) + (Jago und Rodrigo treten auf.) + + +Jago. +Hier stellt euch hinter diese Fässer. Er wird augenbliklich kommen: +Deinen blossen Degen in die Hand, und dann frisch dran! Nur +munter, munter, sey unverzagt: ich will an deinem Ellenbogen seyn: +Es macht unser Glük oder wir sind verlohren: Denk an das, und +entschliesse dich wie ein Mann. + +Rodrigo. +Seyd ihr nur nahe bey der Hand, ich könnt' ihn verfehlen. + +Jago. +Ich will hier stehen, es könnte nicht näher seyn; fasst, Muth und +zieh deinen Degen. + +Rodrigo (indem er sich auf die Seite stellt.) +Ich gehe ungern an diese That, aber er hat mir Gründe vorgelegt, +gegen die nichts einzuwenden ist; es ist endlich nichts, als ein +einzelner Mann weniger--Heraus, mein Schwerdt; er soll sterben. + +Jago (vor sich.) +Ich habe diesen armen Geken gerieben, bis er empfindlich worden ist, +er fängt an aufzubrennen. Nun mag er den Cassio ermorden, oder +Cassio ihn, oder einer den andern, so find' ich allemal meine +Rechnung dabey--Gut, aber wenn Rodrigo lebt, so wird er mich +anhalten, ihm die Menge Gold und Juwelen wieder zu erstatten, die +ich ihm als Geschenke für Desdemona, abpracticiert habe? Das muß +nicht seyn--Bleibt Cassio übrig, so macht mir der Anblik seines +Glüks meinen Zustand unerträglich; und überdem, könnte mich der +Mohr verrathen; da käm' ich in saubere Ungelegenheiten; nein, +sterben soll er! So muß es seyn; ich hör' ihn kommen. (Cassio +tritt auf.) + +Rodrigo. +Den Gang kenn' ich; es ist Er: Schelm, du must sterben. + +(Er fällt den Cassio an, und bringt ihm einen Stoß bey.) + +Cassio. +Dieser Stoß hätte mir in der That übel bekommen können, wenn mein +Kleid nicht besser gefüttert wäre als du wußtest: Nun will ich +sehen, wie das deinige die Probe hält. + +(Er ficht mit Rodrigo; Jago haut den Cassio von hinten in die Beine, + und entläuft; Rodrigo und Cassio fallen.) + +Rodrigo. +O, ich bin des Todes. + +Cassio. +Ich bin auf immer zum Krippel gemacht; Hülfe, he! Mörder! Mörder! + + + +Zweyte Scene. + (Othello erscheint am Fenster.) + + +Othello (vor sich.) +Das ist Cassio's Stimme--Jago hält sein Wort. + +Rodrigo. +Oh, Bösewicht, der ich bin! + +Othello. +Das ist wol nicht anders. + +Cassio. +Oh, Hülfe, Hülfe! he! Licht! einen Wund-Arzt! + +Othello. +Es ist Er! O braver, ehrlicher, redlicher Jago, den das erlittne +Unrecht seines Freundes in einen so edlen Eifer sezt! Du lehrst +mich--Püpchen, euer Liebling ist todt; und eure Stunde eilt heran-- +Ich komme, Meze--Deine Reizungen, deine Blike, dein Lächeln, sind +aus meinem Herzen ausgewischt; und in deinem Bette, dem Schau-Plaz +deiner zügellosen Lust, soll deine Straffe dich erhaschen! + +(Er geht ab.) + + + +Dritte Scene. + (Lodovico und Gratiano treten in der Ferne auf.) + + +Cassio. +Wie dann, he! Ist kein Wächter, ist kein Mensch da? Mörder, +Mörder! + +Gratiano. +Es ist irgend ein Unheil begegnet; die Stimme ist gräßlich. + +Cassio. +O Hülfe! + +Lodovico. +Horcht! + +Rodrigo. +O elender Bösewicht! + +Lodovico. +Ich höre zween oder drey wehklagen. Es ist stokfinster; es könnte +Verstellung seyn: Es ist nicht sicher, näher hinzugeben, da unsrer +nur zween sind. (Jago, in seinem Hemd, mit gezognem Degen und +einem Licht, tritt auf.) + +Lodovico. +Horcht. + +Gratiano. +Hier kam einer in blossem Hemde, mit einem Licht und gezognem Degen. + +Jago. +Wer ist hier? Wer ruft Mörder? + +Lodovico. +Das wissen wir nicht. + +Jago. +Hört ihr nicht schreyen? + +Cassio. +Hier, hier: Um's Himmels willen, helft mir. + +Jago. +Was giebt's hier? + +Gratiano (zu Lodovico.) +Wie mich däucht, so ist dieser hier Othello's Fähndrich. + +Lodovico. +Er ist's, in der That, ein wakrer herzhafter Camerad. + +Jago. +Wer seyd ihr hier, die ein so klägliches Geschrey erheben? + +Cassio. +Jago?--O ich bin gestümmelt, von Banditen zum elenden Manne gemacht- +-Kommt mir zu Hülfe! + +Jago. +Gott sey bey uns! Lieutenant! Was für Bösewichter haben das +gethan? + +Cassio. +Ich denke, einer davon ligt hier, und kan sich nicht davon machen. + +Jago. +Die meuchelmördrischen Schurken! (zu Lodovico und Gratiano.) +Wer seyd ihr hier? Kommt näher, und helft. + +Rodrigo. +O, helft mir hier. + +Cassio. +Das ist einer von ihnen. + +Jago. +Du mördrischer Sclave! du Raker! + +(Er giebt dem Rodrigo vollends den Rest.) + +Rodrigo. +O verruchter Jago! unmenschlicher Hund! + +Jago. +Leute im Dunkeln zu ermorden! Wo sind diese blutige Diebe? Wie? +diese Stadt ist ja so still als wenn alles ausgestorben wäre! He! +Mord! Mord!--Wer seyd wohl ihr? Seyd ihr ehrliche Leute oder-- + +Lodovico. +Qualificiert uns, wie ihr uns findet. + +Jago. +Signor Lodovico?-- + +Lodovico. +Er selbst, mein Herr. + +Jago. +Ich bitte tausendmal um Vergebung! Hier ligt Cassio, von +Meuchelmördern verwundet. + +Gratiano. +Cassio? + +Jago. +Wie steht's um dich, Bruder? + +Cassio. +Mein Bein ist entzwey gehauen. + +Jago. +Das verhüte der Himmel! Licht, meine Herren, ich will ihn mit +meinem Hemde verbinden. + + + +Vierte Scene. + (Bianca zu den Vorigen.) + + +Bianca. +Was ist hier für ein Lerm? He, wer ist der, so ruft? + +Cassio. +Wer ist der, so ruft? + +Bianca. +O mein liebster Cassio! Mein süsser Cassio! O, Cassio, Cassio! +Cassio! + +Jago. +O merkwürdige Meze! Cassio, könnt ihr nicht errathen, wer +diejenigen seyn mögen, die euch so zugerichtet haben? + +Cassio. +Nein. + +Gratiano. +Es bekümmert mich sehr, euch so zu finden. Ich war im Begriff, +euch aufzusuchen. + +Jago. +Lehnt mir ein Knieband. So--O wenn wir nur einen Lehn-Sessel +hätten, um ihn bequemer wegzutragen! + +Bianca. +O Himmel, er wird ohnmächtig. O Cassio, Cassio, Cassio! + +Jago. +Meine Herren allerseits; ich hab' eine Vermuthung, daß dieser +Bündel hier Antheil an dem verübten Bubenstük haben möchte. Ein +wenig Geduld, lieber Cassio; kommt, kommt: Leiht mir das Licht: +Kennen wir dieses Gesicht oder nicht? O Himmel! Mein Freund, mein +liebster Landsmann? Rodrigo? Nein: ja, würklich: ja, es ist +Rodrigo. + +Gratiano. +Wie, von Venedig? + +Jago. +Eben er, mein Herr; kanntet ihr ihn? + +Gratiano. +Ob ich ihn kannte? Ah! + +Jago. +Signor Gratiano! Ich bitte Eu. Gnaden sehr um Vergebung: Die +Verwirrung bey einem so blutigen Auftritt muß die Entschuldigung +meiner Unhöflichkeit machen. + +Gratiano. +Ich erfreue mich euch zu sehen. + +Jago. +Wie geht's euch, Cassio? O, einen Arm-Sessel! Einen Arm-Sessel! + +Gratiano. +Rodrigo? + +Jago. +Er, Er, es ist Er--Wenn wir nur einen Sessel hätten, damit man ihn +ohne Erschütterung von hier wegbringen könnte; ich will den Wund- +Arzt des Generals holen. Ihr, Mamsel, könn't eure Mühe sparen. +Der Mann, Cassio, der hier in seinem Blute ligt, war mein bester +Freund. Was für ein Mißverständniß war denn zwischen euch? + +Cassio. +Keines in der Welt; ich kenn' ihn nicht einmal. + +Jago. +Wie? Ihr seht ganz bleich aus?--Oh, tragt ihn doch aus der freyen +Luft!--Bleibt doch hier, meine Gnädige Herren-- + +(Zu Bianca.) + +Seht ihr blaß aus, Mamsel?--Merkt ihr meine Herren, wie verstört +ihre Augen herumfahren? Gut, gut, das bedeutet was, wir werden +bald mehr hören. Betrachtet sie recht, ich bitte euch, seht sie an; +seht ihr, meine Herren? O, ein böses Gewissen wird reden, wenn +alle Sprachen abgegangen wären. + + + +Fünfte Scene. + (Aemilia zu den Vorigen.) + + +Aemilia. +Ums Himmels willen, was giebt's hier? Was giebt's hier, Mann? + +Jago. +Cassio ist hier im Dunkeln von Rodrigo und seinen Gesellen, welche +entsprungen sind, angefallen worden; er ist übel verwundet, und +Rodrigo todt. + +Aemilia. +O Jammer! der arme Cavalier! der arme, gute Cassio! + +Jago. +Das sind die Früchte vom Huren-Leben--Ich bitte dich, Aemilia, geh, +frage den Cassio, wo er heute zu Nacht gegessen habe-- + +(zu Bianca.) + +Wie, zittert ihr vor dieser Frage? + +Bianca. +Er aß in meinem Hause zu Nacht, aber ich zittre nicht deßwegen. + +Jago. +O, that er das?--ich arretiere euch hier--kommt mit mir. + +Aemilia. +O fy, die garstige Hure! + +Bianca. +Ich bin keine Hure, ich bin eine so ehrliche Frau als ihr, die mich +so beschimpfst! + +Aemilia. +Als ich? Pfuy, das garstige Ding! + +Jago. +Meine liebsten Herren, wir wollen dafür sorgen, daß Cassio +verbunden wird. Kommt, Mamsell, wir wollen euch schon die Zunge +lösen. Aemilia, lauft ihr in die Citadelle, und sagt dem General +und der Gnädigen Frauen was begegnet ist: Wollt ihr voran gehen?-- + +(vor sich.) + +Der Ausgang dieser Nacht wird mein Glük oder meinen Untergang +entscheiden. + +(Sie gehen ab, Jago zulezt.) + + + +Sechste Scene. + (Ein Schlaf-Zimmer. Desdemona in einem Bette, wovon der Vorhang + halb weggezogen ist.) + (Othello tritt mit einem Degen in einer, und einem Licht in der + andern Hand auf.) + + +Othello. +Die Beleidigung ist zu groß, zu groß, meine Seele--Laßt sie mich +nicht vor euch nennen, ihr keuschen Sterne! Sie ist zu groß!--Und +doch will ich ihr Blut nicht vergiessen, noch diese ihre Haut +zerrizen, die weisser als Schnee, und so glatt wie Alabaster ist. + +(Er legt seinen Degen nieder.) + +Und doch muß sie sterben; sie würde sonst noch mehr Unglükliche +machen. Das Licht ausgelöscht, und dann--Das Licht auslöschen--O +du dienstbare Flamme, wenn ich dich auslösche, und es gereut mich, +so kan ich dir dein Licht wieder geben: Aber wenn (dein) Licht +einmal ausgeblasen ist, du vollkommenstes Modell der sich selbst +übertreffenden Natur, so weiß ich nicht, wo dieser prometheische +Funke ist, der es wieder anzünden kan-- + +(Er stellt das Licht hin.) + +Wenn ich deine Rose abgepflükt habe, so kan ich ihr den belebenden +Geist nicht wiedergeben; sie muß verwelken--Ich will dich noch am +Stoke riechen-- + +(Er küßt sie.) + +--O du balsamischer Athem, fast könntest du die Gerechtigkeit +bewegen ihr Schwerdt zu zerbrechen--Noch einen; noch einen--Sey so, +wenn du todt bist, und ich will dich erst ermorden, und dann lieben-- +noch einen, der soll der lezte seyn--Holdseliges Geschöpf, wie +Schade, daß du sterben sollst! Ich muß weinen, aber es sind +grausame Thränen--Sie weinen auf die Hand, die dir den Tod bringt-- +Sie erwacht. + +Desdemona. +Wer ist hier? Othello? + +Othello. +Ja, Desdemona. + +Desdemona. +Wollt ihr zu Bette kommen, mein Gemahl? + +Othello. +Habt ihr euer Nachtgebet gebetet, Desdemona? + +Desdemona. +Ja, mein Herr. + +Othello. +Wenn ihr euch noch irgend eines Verbrechens erinnert, worüber ihr +euch mit dem Himmel noch nicht ausgesöhnt habt, so säumt euch nicht, +um seine Gnade zu flehen. + +Desdemona. +O Gott! was meynt ihr mit dieser Aufforderung? + +Othello. +Gut, thu es, und machs kurz; ich will bey Seite gehen. Ich möchte +dich nicht unbereitet überraschen, nein, (der Himmel bewahre mich +davor!) ich möchte deine Seele nicht ermorden. + +Desdemona. +Redet ihr von ermorden? + +Othello. +Ja, das thu ich. + +Desdemona. +So erbarme sich der Himmel über mich! + +Othello. +Amen, von ganzem Herzen. + +Desdemona. +Wenn ihr so sagt, so werdet ihr mich doch nicht umbringen wollen. + +Othello. +Hum! + +Desdemona. +Und doch fürcht' ich euch; ihr seyd gefährlich, wenn eure Augen so +rollen. Warum ich mir förchten soll, weiß ich nicht, da ich mir +keiner Schuld bewußt bin; und doch fühl' ichs, daß mir bang ist. + +Othello. +Denk an deine Sünden. + +Desdemona. +Ich kenne keine, als die zu grosse Liebe, die ich zu euch trage. + +Othello. +Ja, und davor must du sterben. + +Desdemona. +Das ist unnatürlich, Liebe mit dem Tode zu bestrafen. O Gott! +Warum beißt ihr so in eure Unter-Lippe? Irgend ein blutiges +Vorhaben erschüttert euern ganzen Bau; das sind fürchterliche +Vorbedeutungen; und doch hoff' ich, ich hoffe, sie zielen nicht auf +mich. + +Othello. +Schweig, und sey still. + +Desdemona. +Ich will; was habt ihr dann? + +Othello. +Das Schnupftuch, das mir so lieb war, und das ich dir gab, gabst du +dem Cassio? + +Desdemona. +Nein, bey meinem Leben und meiner Seele; schikt nach ihm, und fragt +ihn. + +Othello. +Holde Seele, nimm dich in Acht, nimm dich vor Meineyd in Acht; du +bist auf deinem Tod-Bette. + +Desdemona. +Ja, aber doch noch nicht izt zu sterben. + +Othello. +Diesen Augenblik; entlade dich also durch ein aufrichtiges +Bekenntniß deiner Sünde; denn wenn du auch jeden Artikel mit einem +Eyde läugnen würdest, so würd' es unvermögend seyn, die tiefe +Ueberzeugung zu erschüttern, die mir diesen Seufzer erpreßt. Du +must sterben. + +Desdemona. +O Himmel, erbarme dich meiner! + +Othello. +Ich sag, Amen. + +Desdemona. +Und erbarmt ihr euch auch!--Nie, in meinem Leben hab ich euch nie +beleidigt; niemals diesen Cassio geliebt, als mit dieser +allgemeinen Liebe, die der Himmel selbst billigt und fordert. Ich +gab ihm niemalen kein Andenken. + +Othello. +Beym Himmel, ich sah mein Schnupftuch in seiner Hand. O +meineydiges Weibsbild! du versteinerst mein Herz! du machst, daß +ich das was ich zu thun vorhabe, einen Mord nennen muß, da ich es +für ein Opfer hielt. Ich sah das Schnupftuch. + +Desdemona. +So hat er's also gefunden; ich gab' es ihm nie; schikt nach ihm, +laßt ihn die Wahrheit gestehen. + +Othello. +Er hat gestanden. + +Desdemona. +Was, mein Gemahl? + +Othello. +Daß er--mit dir zu thun gehabt-- + +Desdemona. +Wie, auf eine unerlaubte Art? + +Othello. +Ja. + +Desdemona. +Das kan er nicht sagen. + +Othello. +Nein, sein Mund ist verstopft. Der ehrliche Jago hat davor gesorgt. + +Desdemona. +Wie, ist er todt? + +Othello. +Wär' in jedem seiner Haare ein eignes Leben gewesen, meine grosse +Rache hätte Zorn genug für alle gehabt. + +Desdemona. +O Gott, so ist er verrathen, und ich bin verlohren! + +Othello. +Weg mit dir, Schandhure! Weinst du vor meinen Augen um ihn? + +Desdemona. +Verbanne mich, lieber Mann, tödte mich nur nicht. + +Othello. +Hinab, unzüchtiger Balg! + +Desdemona. +Tödte mich morgen, laß mich nur diese Nacht noch leben. + +Othello. +Nein, wenn du dich sträubst-- + +Desdemona. +Nur noch eine halbe Stunde. + +Othello. +Schweige, du bekommst keinen Aufschub. + +Desdemona. +Nur so lang ich ein Vater Unser beten kan. + +Othello. +Es ist zu spät. + +(Er erstekt sie.) + + + +Siebende Scene. + (Aemilia, vor der Thüre.) + + +Aemilia. +Gnädiger Herr, Gnädiger Herr! He! Gnädiger Herr! + +Othello. +Was für ein Getös ist das?--Noch nicht todt? noch nicht völlig +todt? So grausam ich bin, bin ich doch barmherzig; ich wollte dich +nicht gern lang leiden lassen--So, so. + +Aemilia (vor der Thüre.) +Wie? he! Gnädiger Herr! Gnädiger Herr! + +Othello. +Wer ist da? + +Aemilia. +O mein lieber Gnädiger Herr, ich möchte nur ein Wort mit euch reden. + +Othello. +Ja, es ist Emilia--In einem Augenblik--sie ist todt--Vermuthlich +wird sie mir die Nachricht von Cassios Tode bringen--Der Lerm war +groß--Ha, du rührst dich nicht mehr? Still wie ein Grab. Soll ich +sie hereinlassen? Wär' es gut? Mich däucht, sie rührt sich wieder- +-Nein--Was ist das Beste? Wenn sie herein kömmt, so wird sie mit +meinem Weibe reden wollen; meinem Weib? Meinem Weib? Was für +einem Weib? Ich habe kein Weib--O Unerträglich! o bange Stunde! +Mich däucht, es sollte izt eine dichte Verfinsterung der Sonne und +des Monds seyn, und der geschrekte Erdball sollte vor Entsezen +beben-- + +Aemilia. +Ich bitte euch, nur ein paar Worte, ach; mein lieber Gnädiger Herr! +-- + +Othello. +Ich hatte dich vergessen; oh, komm herein, Aemilia. Sachte, +augenbliklich, ich muß nur erst den Vorhang ziehen.--Wer bist du? +Was willst du? + +(Er riegelt die Thür auf.) + +(Aemilia kommt herein.) + +Aemilia. +Ach, Gnädiger Herr, es ist eine greuliche Mordthat begangen worden! + +Othello. +Wie? izt? + +Aemilia. +Eben izt, Gnädiger Herr. + +Othello. +Da hat der Mond die Schuld; er ist der Erde näher gekommen als +seine Gewohnheit ist, und nun werden alle Leute toll. + +Aemilia. +Cassio hat einen jungen Venetianer, Rodrigo genannt, umgebracht. + +Othello. +Rodrigo umgebracht? und Cassio umgebracht? + +Aemilia. +Nein, Cassio ist nicht todt. + +Othello. +Cassio ist nicht todt? So ist die Rache nur halb befriedigt. + +Desdemona. +O unbillig, unbillig ermordet!-- + +Aemilia. +Gott helf uns! was für ein Geschrey ist das? + +Othello. +Das? Was? + +Aemilia. +O Himmel, es war meiner Gnädigen Frauen Stimme. Zu Hülfe, zu Hülfe! +He! zu Hülfe! O Gnädige Frau, redet weiter; englische Desdemona, +o meine theureste Gebieterin, redet! + +Desdemona. +Ich sterbe unschuldig. + +Aemilia. +O, wer hat diese entsezliche That gethan? + +Desdemona. +Niemand, ich selbst, lebe wohl; bringe meinem gütigen Gemahl meinen +lezten Gruß; o, lebe wohl. + +(Sie stirbt.) + +Othello. +Wie, wie sollte sie ermordet worden seyn? + +Aemilia. +O Gott! wer weiß das? + +Othello. +Ihr hörtet's, sie sagte selbst, ich sey's nicht gewesen. + +Aemilia. +Sie sagte so, ich kan nichts anders sagen. + +Othello. +Sie ist als eine Lügnerin zur Hölle gefahren; ich war's, der sie +ermordete. + +Aemilia. +Oh, desto mehr Engel ist sie nun, und du ein desto schwärzerer +Teufel. + +Othello. +Sie ergab sich der Leichtfertigkeit, sie war eine Hure. + +Aemilia. +Du lästerst sie, du bist ein Teufel. + +Othello. +Sie war falsch wie Wasser. + +Aemilia. +Und du bist rasch wie Feuer, wenn du das sagst. Oh, sie war ein +Engel von Unschuld. + +Othello. +Sie ließ sich von Cassio deken; frag deinen Mann, wenn du's nicht +glauben willst. Welcher Abgrund in der flammenden Hölle wäre tief +genug für mich, wenn ich ohne die stärksten Gründe so weit gegangen +wäre? Dein Mann weiß alles. + +Aemilia. +Mein Mann? + +Othello. +Dein Mann. + +Aemilia. +Das sie ihrem Ehbett untreu war? + +Othello. +Ja, mit Cassio. Wäre sie treu gewesen, glaube mir, wenn mir der +Himmel noch eine solche Welt, wie diese, aus einem einzigen ganzen +Chrysolith hätte machen wollen, ich hätte sie nicht darum gegeben. + +Aemilia. +Mein Mann! + +Othello. +Ja, er war's, der mir die erste Nachricht davon gab. Er ist ein +ehrlicher Mann, und ein Feind schändlicher Thaten. + +Aemilia. +Mein Mann! + +Othello. +Wozu soll diese doppelte Ausruffung, Weib? Ich sage, dein Mann. + +Aemilia. +O meine Gebieterin! Arglistige Bosheit hat die eifersüchtige Liebe +betrogen, und du bist das Opfer. Mein Mann soll gesagt haben, sie +sey ungetreu! + +Othello. +Er, Weibsbild; ich sage, dein Mann; verstehst du das Wort? Mein +Freund, dein Mann, der ehrliche, rechtschaffne Jago. + +Aemilia. +Wenn er das sagt, so verderbe seine verruchte Seele in langsam +marternden Qualen! Er lügt's in sein Herz hinein! Nur zu sehr +liebte sie den hassenswürdigen Teufel, mit dem sie sich beladen +hatte. + +Othello. +Ha!-- + +Aemilia. +Thu dein ärgstes; diese greuliche That, die du gethan hast, ist den +Himmel nicht mehr werth, wie du ihrer werth warst. + +Othello. +Schweigen wäre das rathsamste für dich. + +Aemilia. +Du kanst nicht halb so geneigt seyn, mir Leid anzuthun, als ich es +wünsche: o Erzbetrüger! o dummer Kerl! dumm wie Mist! du hast +eine That gethan--ich frage nichts nach deinem Degen, ich will +bekannt machen wer du bist, und wenn ich zwanzig Leben zu +verliehren hätte--Hülfe! Hülfe! He! Hülfe! Der Mohr hat meine +Frau umgebracht. Hülfe, Hülfe! + + + +Achte Scene. + (Montano, Gratiano, Jago und andre treten auf.) + + +Montano. +Was giebt es hier? Wie, was bedeutet das, General? + +Aemilia. +O, seyd ihr auch da, Jago? Ihr habt es weit gebracht, daß die +Leute ihre Mordthaten auf euern Hals schieben. + +Gratiano. +Was soll dieses bedeuten? + +Aemilia. +Wiedersprich diesem Bösewicht, wenn du ein Mann bist; er giebt aus, +du habest ihm gesagt, seine Frau sey untreu gewesen: Ich bin gewiß, +du hast es nicht gesagt; du bist kein solcher Bube! Rede, mein +Herz ist so voll, daß es zerspringen wird. + +Jago. +Ich sagte ihm was ich dachte; und nicht mehr, als er selbst +glaubwürdig und wahr befand. + +Aemilia. +Aber sagtet ihr ihm jemals, sie sey untreu? + +Jago. +Ja, das that ich. + +Aemilia. +So sagtet ihr eine Lüge. eine hassenswürdige, verdammte Lüge; auf +meine Seel', eine Lüge; eine verfluchte Lüge. Sie untreu mit +Cassio? Sagtet ihr, mit Cassio? + +Jago. +Mit Cassio, Frau; geht, geht, und laßt euch eure Zunge legen. + +Aemilia. +Das will ich nicht; ich will, ich muß reden; es ist meine Pflicht, +daß ich rede. Meine Frau ligt hier ermordet in ihrem Bette. + +Alle. +Das wolle der Himmel nicht! + +Aemilia. +Und eure Ohrenbläsereyen sind der Antrieb zu diesem Mord gewesen. + +Othello. +Nein, seht nicht so erschroken aus, meine Herren; es ist wahr, es +ist würklich so. + +Gratiano. +Das ist eine verwünschte Wahrheit. + +Montano. +O ungeheure That! + +Aemilia. +Büberey! Schändliche versuchte Büberey! Ich seh--ich rieche sie-- +Verdammte Büberey!--Ich dachte gleich--O, ich möchte vor Schmerz +Hand an mich selbst legen--o Büberey! Büberey! + +Jago. +Wie, seyd ihr toll? Ich befehls euch, pakt euch heim. + +Aemilia. +Meine liebe Herren, erlaubt mir daß ich reden darf, ich bin ihm +sonst Gehorsam schuldig, aber nicht izt: Vielleicht, Jago, werd' +ich nie wieder heim gehen. + +Othello. +O! O! O! + +(Er sinkt auf das Bette.) + +Aemilia. +Ja, leg dich nur hin, und heule: Du hast die liebenswürdigste +Unschuldige umgebracht, die jemals geathmet hat. + +Othello (auffahrend.) +O, sie war lasterhaft!--Ich erkenn' euch erst izt, Oheim; hier ligt +eure Nichte, deren Athem, ich bekenn' es, diese Hände nur eben +gestopft haben; ich weiß es, diese That sieht gräßlich aus. + +Gratiano. +Arme Desdemona! Ich bin froh, daß dein Vater todt ist: Deine +Heurath kürzte ihm das Leben ab. Lebte er noch, dieser Anblik +würde ihn zur Verzweiflung treiben; ja, er würde seinen guten Engel +von seiner Seite wegfluchen, und in Verzweiflung sterben. + +Othello. +Es ist erbarmenswürdig; aber Jago weiß es, daß sie die schaamvolle +That mit Cassio wol tausendmal begangen hat. Cassio hat es +eingestanden; und zu Vergeltung seiner Liebes-Proben gab sie ihm +das, womit ich ihr das erste Geschenk gemacht hatte; ich sah es in +seiner Hand; es war ein Schnupftuch, ein altes Andenken, das mein +Vater meiner Mutter gegeben hatte. + +Aemilia. +O Himmel! O himmlische Mächte! + +Jago. +Schweig, sag ich dir! + +Aemilia. +Es muß heraus, es muß heraus--Ich, schweigen? Laßt Engel, Menschen +und Teufel, laßt sie alle, alle, alle Schaam über mich schreyen, +wenn ich nicht rede. + +Jago. +Sey klug und geh heim. + +(Jago will sein Weib ermorden, und wird zurük gehalten.) + +Gratiano. +Fy, euern Degen gegen ein Weibsbild! + +Aemilia. +O du dummer Mohr! Dieses Schnupftuch, wovon du redst, fand ich von +ungefehr, und gab es meinem Manne, der mich gar oft aufs +inständigste, angelegenste, (mehr, in der That, als eine solche +Kleinigkeit werth war,) bat, daß ich es stehlen möchte. + +Jago. +Verfluchte Hure! + +Aemilia. +Sie soll es dem Cassio gegeben haben? Weh mir! ich fand es, und +gab es meinem Manne! + +Jago. +Rabenaaß! du lügst. + +Aemilia. +Beym Himmel! ich lüge nicht; ich lüge nicht, meine Herren; o du +meuchelmördrischer Dummkopf! Was sollte ein solcher Narr mit einer +so vortreflichen Frau machen? + +(Jago bricht los, verwundet seine Frau, und entspringt.) + +Othello. +Sind keine Donnerkeile mehr im Himmel? Wozu nüzt dann der Donner? +Unerhörter Lotterbube! + +Gratiano. +Sie fällt; er hat sein Weib umgebracht-- + +Aemilia. +Ja, ja; oh, legt mich an meiner Frauen Seite. + +Gratiano. +Seine Frau ist ermordet, und er ist entlauffen. + +Montano. +Das ist ein entsezlicher Bösewicht; nehmt diesen Degen in +Verwahrung, damit ihn der Mohr nicht erhasche; kommt, besezt die +auswendigen Thüren, laßt ihn nicht durch; tödtet ihn eher; ich +selbst will diesem Bösewicht nach; es ist ein verdammter Geselle! + +(Montano und Gratiano gehen ab.) + + + +Neunte Scene. + + +Othello. +Ich bin auch nicht mehr tapfer; ein jeder kleiner Klopffechter +nimmt mir meinen Degen weg. Aber warum sollte die Ehre die Tugend +überleben? Laßt immer alles dahin fahren! + +Aemilia. +Was bedeutete dein Gesang, meine Gebieterin? Höre, kanst du mich +hören? Ich will den Schwanen machen, und singend sterben; (Weide, +Weide, Weide--)--Mohr, sie war keusch; sie liebte dich, grausamer +Mohr; so sehe mein Geist die Seligkeit, wie ich die Wahrheit rede, +und diese Wahrheit--sey mein leztes Wort-- + +(Sie stirbt.) + +Othello. +Ich habe noch einen andern Degen in diesem Zimmer, eine Spanische +Klinge, mit Wasser aus dem Ebro gestählt; o, hier ist sie: Oheim, +ich muß hinaus. + +Gratiano (vor der Thüre.) +Wenn du es versuchst, wird es dir theuer zu stehen kommen; du hast +kein Gewehr, und sollst dich unterwerfen, du magst wollen oder +nicht. + +Othello. +So schau zu mir herein und rede mit mir, oder ich will ohne Gewehr +über dich. + +(Gratiano kommt herein.) + +Gratiano. +Was wollt ihr? + +Othello. +Seht! ich hab ein Gewehr; ein schöneres hieng niemals an eines +Soldaten Hüfte. Ich habe den Tag gesehen, da ich mit diesem +kleinen Arm, und diesem guten Degen mir durch mehr Hinternisse +einen Weg machte, als zwanzig solche Wächter wie ihr seyd. Aber, o +eitle Pralerey! Wer kan über sein Schiksal Meister werden? Es ist +nun ein anders. Erschreket nicht, ob ihr mich gleich bewaffnet +sehet; hier ist das Ende meiner Fahrt, hier ist mein Ziel, die +äusserste Marke, die mein leztes Segel noch erreichen kan--tretet +ihr erschroken zurük? Es ist eine vergebliche Furcht: Züket nur +ein Schilfrohr gegen Othello's Brust, so wird er sich zurükziehen. +Wo sollte Othello hin gehen? Nun-- + +(Er sieht auf Desdemona.) + +--Wie siehst du nun aus? Unglükliches Geschöpf! wie bleich! Wenn +wir vor Gericht zusammen kommen, wird diese Mine, die du hast, +meine Seele vom Himmel herabschleudern, und Teufel werden sie +auffangen--Kalt, kalt, mein Mädchen; kalt, wie deine Keuschheit--O +verfluchter Sclave! Peitscht mich, ihr bösen Geister, peitscht +mich vom Genuß dieses himmlischen Anschauens weg; zerstäubt mich in +die Winde, röstet mich in Schwefel, wascht mich in bodenlosen +Schlünden von flüssigem Feuer--O Desdemona! Desdemona! todt! +todt! oh, oh! + + + +Zehnte Scene. + (Lodovico, Cassio, der hereingeführt wird, Montano, Jago gebunden, + und einige Officiers, zu den Vorigen.) + + +Lodovico. +Wo ist dieser rasche und höchst unglükliche Mann? + +Othello. +Das ist der, der einst Othello war, hier bin ich. + +Lodovico. +Wo habt ihr diese Viper? Bringt den Buben hervor! + +Othello. +Ich seh ihm auf die Füsse; aber das ist eine Fabel. Wenn du ein +Teufel bist, so kan ich dich nicht tödten. + +(Othello stößt nach Jago, und verwundet ihn.) + +Lodovico. +Windet ihm seinen Degen aus den Händen. + +Jago. +Ich blute, Herr, aber ich lebe noch. + +Othello. +Auch ist es mir nicht leid; ich will daß du lebest; du verdienst +nicht, so glüklich zu seyn und zu sterben. + +Lodovico. +O du, Othello, einst ein so vortrefflicher Mann--nun in die +Fallstrike eines verruchten Sclaven gefallen--was soll man zu dir +sagen? + +Othello. +Wie, was man will; daß ich ein ehrlicher Mörder sey, wenn ihr wollt: +Denn was ich that, that ich nicht aus Haß, sondern meine Ehre zu +rächen. + +Lodovico. +Dieser Unselige hat einen Theil seines Bubenstüks eingestanden: +Beschlosset ihr und er mit einander, den Cassio zu ermorden? + +Othello. +Ja. + +Cassio. +Mein theurer General, ich gab euch niemals Ursache dazu. + +Othello. +Ich glaub es, und bitte euch um Vergebung: Wollt ihr, ich bitte +euch, diesen Halb-Teufel fragen, warum er meinen Leib und meine +Seele so verstrikt habe? + +Jago. +Fragt mich nichts; was ihr wißt, das wißt ihr; von diesem Augenblik +an soll kein Wort mehr aus meinem Munde gehen. + +Lodovico. +Wie? Auch nicht zum Beten? + +Gratiano. +Foltern sollen dir den Mund schon aufthun. + +Othello. +Gut, du thust am besten. + +Lodovico. +Mein Herr, mich däucht, ihr seht noch nicht klar in der Sache; +diese zween Briefe, die man in des erschlagenen Rodrigo Tasche +gefunden, werden euch aus dem Wunder helfen. Einer davon enthält +die Ermordung des Cassio, welche Rodrigo auf sich nehmen sollte-- + +Othello. +O Bösewicht! + +Cassio. +Mehr als heidnisch! + +Lodovico. +Und hier ist der andre, die Antwort, die, dem Ansehen nach, Rodrigo +ihm zugeschikt haben wollte, wenn Jago nicht indessen selbst +gekommen und ihn befriediget hätte. + +Othello. +O du verpesteter Bube!--Wie kam't ihr zu meines Weibs Schnupftuch, +Cassio? + +Cassio. +Ich fand es in meiner Kammer, und er gestuhnd uns eben izt, daß er +es in einer besondern Absicht daselbst hingeworfen habe, welche er +auch nach Herzens-Lust erreicht habe. + +Othello. +O Narr! Narr! Narr! der ich war! + +Cassio. +Hier ist auch noch in Rodrigo's Briefe, wie er ihm vorwirft, daß er +ihn vermocht habe, mich auf der Wache zu beschimpfen; welches die +Gelegenheit dazu gab, daß ich cassiert wurde: Und eben erst, da er +nach einer langen Ohnmacht, worinn er für todt gehalten wurde, +wieder zu sich selbst kam, sagte er, Jago selbst habe ihm den Rest +gegeben. + +Lodovico (zu Othello.) +Ihr müßt nun diesen Ort verlassen, und mit uns gehen: Eure Gewalt +ist euch abgenommen, und Cassio regiert nun in Cypern. Was diesen +Sclaven betrift, wenn irgend eine sinnreiche Marter ausgedacht +werden kan, die ihn die grausamste Pein leiden mache, ohne ihn zu +bald aufzureiben, so wartet sie auf ihn. Ihr, Othello, sollt in +enger Verwahrung bleiben, bis die Beschaffenheit eures Vergehens +der Regierung von Venedig bekannt gemacht seyn wird. Kommt, führet +ihn hinweg. + +Othello. +Sachte; ein paar Worte, eh ihr geht. Ich habe dem Staat einige +Dienste geleistet, und sie wissen's: Nichts mehr davon. Ich bitte +euch, wenn ihr in euern Briefen diese unglükliche Geschicht' +erzählet, so redet von mir wie ich bin; verkleinert meine Fehler +nicht, aber macht mich auch nicht schlimmer als ich war. Redet +also von einem, der nicht weislich liebte, aber zu sehr; von einem +der nicht leicht eiferte; aber nachdem er einmal von dieser +Leidenschaft ergriffen war, keine Grenzen kannte; von einem, dessen +Hand gleich dem verworfnen Juden (Herodes) eine Perle wegwarf, +deren unschäzbaren Werth sein ganzer Stamm nicht bezahlen konnte; +von einem dessen ungewohnte Augen, ihr gleich Arabiens Balsam- +Staude Thränen, Jammer-lindernde Thränen quellen sahet. Dieses +schreibet, und sezt hinzu, daß ich einst in Aleppo, wo ein +boßhafter, schelmischer Türke einen Venetianer schlug und auf den +Staat schimpfte, den beschnittnen Hund bey der Gurgel gefaßt, und +ihn so gekizelt habe. + +(Er ersticht sich.) + +Lodovico. +O blutige Nacht! + +Gratiano. +Hier verliehren Worte alle ihre Kraft! + +Othello (zu Desdemona.) +Ich küßte dich, eh ich dich tödtete; nun ist nichts übrig, als da +ich mich selbst getödtet habe, mit einem Kuß zu sterben. + +(Er sinkt auf Desdemonens Leiche und stirbt.) + +Cassio. +Das besorgte ich, aber ich glaubte nicht, daß er ein Gewehr habe; +er hatte ein grosses Herz. + +Lodovico (zu Jago.) +O Spartanischer Hund, verderblicher als Pest, Hunger, oder die +tobende See! Schau auf die jammervolle Last dieses Bettes hin; das +ist dein Werk; der gräßliche Anblik vergiftet das Gesicht--Laßt ihn +verhüllen, Gratiano. Behaltet das Haus, und bemächtigt euch des +Vermögens des Mohren, denn ihr seyd sein Erbe. + +(Zu Cassio.) + +Euch, Herr Statthalter, verbleibt die Abstraffung dieses höllischen +Bubens, die Zeit, der Ort, die Marter, o! laßt sie so greulich als +seine Bosheit seyn. Ich selbst eile zu Schiffe, um mit schwerem +Herzen dem Staat diesen jammervollen Zufall vorzutragen. + +Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Othello, von William Shakespeare +(Übersetzt von Christoph Martin Wieland) + + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Othello, by Shakespeare + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK OTHELLO *** + +This file should be named 7185-8.txt or 7185-8.zip +Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 8gs3211.txt +VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 8gs3210a.txt + +Produced by Delphine Lettau + +Project Gutenberg eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +We are now trying to release all our eBooks one year in advance +of the official release dates, leaving time for better editing. +Please be encouraged to tell us about any error or corrections, +even years after the official publication date. + +Please note neither this listing nor its contents are final til +midnight of the last day of the month of any such announcement. +The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at +Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. 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If the value +per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 +million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text +files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ +We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 +If they reach just 1-2% of the world's population then the total +will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. + +The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! +This is ten thousand titles each to one hundred million readers, +which is only about 4% of the present number of computer users. + +Here is the briefest record of our progress (* means estimated): + +eBooks Year Month + + 1 1971 July + 10 1991 January + 100 1994 January + 1000 1997 August + 1500 1998 October + 2000 1999 December + 2500 2000 December + 3000 2001 November + 4000 2001 October/November + 6000 2002 December* + 9000 2003 November* +10000 2004 January* + + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created +to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. + +We need your donations more than ever! + +As of February, 2002, contributions are being solicited from people +and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut, +Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois, +Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, +Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New +Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio, +Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South +Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West +Virginia, Wisconsin, and Wyoming. + +We have filed in all 50 states now, but these are the only ones +that have responded. + +As the requirements for other states are met, additions to this list +will be made and fund raising will begin in the additional states. +Please feel free to ask to check the status of your state. + +In answer to various questions we have received on this: + +We are constantly working on finishing the paperwork to legally +request donations in all 50 states. 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Drey grosse Maenner in +dieser Stadt zogen, in eigner Person, die Muezen bis auf den Boden +vor ihm ab, dass er mich zu seinem Lieutenant machen moechte: Und, so +wahr ich ein ehrlicher Mann bin, ich kenne mich, ich weiss, dass ich +keinen schlechtern Plaz werth bin. + +Aber er, dessen hochmuethiger Eigensinn andre Absichten hatte, +entwischte ihnen mit einem Galimathias von Umstaenden, und +rauhtoenenden Kriegs-Kunst-Woertern; und das Ende vom Liede war, dass +er meine Goenner mit einer langen Nase abziehen liess. Es ist mir +leid, sagt er, aber ihr kommt zu spaet; ich habe mir meinen +Lieutenant schon ausersehen. Und wer ist denn der? Ein gewisser +Michel Cassio, ein Bursche, der noch keinen Feldzug gethan hat, der +von Anordnung eines Treffens gerade so viel versteht als eine Woll- +Spinnerin--nichts als was er aus Buechern gelernt, blosse Theorie, +wovon unsre ehrsamen, friedliebenden Senatoren eben so gelehrt +sprechen koennen als er; blosses Gewaesche, ohne Erfahrung--Das ist +alles, was er vom Krieg versteht--Der hatte den Vorzug; und ich, +von dem seine Augen in Rhodis, in Cypern, und in so vielen andern +Orten, auf Christlichem und Heidnischem Boden, die Proben gesehen +haben; ich muss mich mit Complimenten und Versprechungen abspeisen +lassen--ich bin euer Schuldner, mein Herr, habt Geduld wir wollen +schon Gelegenheit finden, mit einander abzurechnen, und dergleichen- +-Kurz, er muss nun sein Lieutenant seyn, und ich, Dank sey den +Goettern! seiner Mohrischen Excellenz demuethiger Fahnen-Junker. + +Rodrigo. +Beym Himmel, ich wollte lieber sein Profos seyn. + +Jago. +Dafuer ist nun kein Kraut gewachsen Es geht im Dienste nicht anders; +Befoerdrung geht heutigs Tags nach Gunst und Empfehlungs-Schreiben, +und nicht nach der Zeit, die man im Dienste gewesen ist, wie vor +Zeiten, da der zweyte allemal den erstern erbte. Nun, mein Herr, +mach' ich euch selbst zum Richter, ob ich mit einigem Schein der +Wahrheit beschuldiget werden kan, dass ich den Mohren liebe. + +Rodrigo. +Ich moechte nicht gerne haben, dass du ihn begleitest. + +Jago. +O mein Herr, das lasst euch keine Sorge machen; ich begleite ihn, um +mir selbst auf seine Unkosten Dienste zu thun. Wir koennen nicht +alle Befehlhaber seyn, und nicht alle Befehlhaber koennen getreue +Diener haben. Ihr werdet in der Welt manchen Dienst-ergebenen, +knie-biegenden Schurken sehen, der unter einer vieljaehrigen treu- +eyfrigen Dienstbarkeit endlich so grau wird wie seines Herrn Esel, +ohne etwas anders davon zu haben, als dass er gefuettert, und wenn er +alt ist gar abgedankt wird. Peitscht mir solche gutherzige +Schurken--Dagegen giebt es andre, die zwar ihr Gesicht meisterlich +in pflichtschuldige Falten zu legen wissen, aber ihr Herz hingegen +vor aller fremden Zuneigung rein bewahren; die ihren Herren nichts +als den aeusserlichen Schein der Ergebenheit und eines erdichteten +Eifers zeigen, aber eben dadurch ihre Sachen am besten machen, und +wenn sie ihre Pfeiffen geschnitten haben, davon gehen, und ihre +eigne Herren sind. Das sind noch Leute die einigen Verstand haben, +und ich habe die Ehre einer von ihnen zu seyn. Es ist so gewiss +als ihr Rodrigo seyd; waer' ich der Mohr, so moecht ich nicht Jago +seyn: izt dien ich, das wissen die Goetter! bloss um mir selbst zu +dienen, und nicht aus Ergebenheit und Liebe--ich stelle mich zwar +so, aber das hat seine Absichten--denn wahrhaftig, wenn mein +Gesicht, und meine aeusserlichen Handlungen die wahre innerliche +Gestalt meines Herzens zeigten, so wuerde mein Herz in kurzem den +Kraehen zum Futter dienen--Mein guter Freund, ich bin nicht, was ich +scheine. + +Rodrigo. +Was fuer ein Gluek macht der dik-maulichte Kerl, wenn er sie so davon +tragen kann! + +Jago. +Ruft ihren Vater auf, wekt ihn auf, macht Lerm, versalzt ihm +wenigstens seinen Spass; ruft es in den Strassen aus, jagt ihre +Verwandten in den Harnisch, und wenn ihr ihn aus dem Paradiese, +worein er sich eingenistert hat, nicht vertreiben koennt, so plagt +ihn doch mit Fliegen, + +{ed. * Eine Anspielung auf die Beobachtung, dass die +schoensten und fruchtbarsten Gegenden des Erdbodens am meisten mit +Ungeziefer gestraft sind.} + +so dass seine Freude, wenn sie gleich nicht +voellig aufhoert Freude zu seyn, doch wenigstens durch die +Verdriesslichkeiten womit sie unterbrochen wird, etwas von ihrer +Farbe verliere. + +Rodrigo. +Hier ist ihres Vaters Haus ich will ihm ueberlaut ruffen. + +Jago. +Thut es, und mit einem so graesslichen Ton, und Zetter-Geschrey, als +wie wenn bey Nacht durch Nachlaessigkeit Feuer in einer volkreichen +Stadt ausgekommen ist. + +Rodrigo. +He! holla! Brabantio! Signor Brabantio! he! + +Jago. +Wacht auf! he! holla! Brabantio! he! Diebe! Diebe! +Seht zu euerm Haus, zu eurer Tochter, und zu euern Geld-Saeken: +Diebe! Diebe! + + + +Zweyte Scene. + (Brabantio zeigt sich oben an einem Fenster.) + + +Brabantio. +Was ist die Ursache dieser fuerchterlichen Aufforderung? Was +giebt's hier? + +Rodrigo. +Signor, ist eure ganze Familie zu Hause? + +Jago. +Sind alle eure Thueren verriegelt? + +Brabantio. +Was sollen diese Fragen? + +Jago. +Sakerlot! Herr, man bestiehlt euch; zieht doch wenigstens einen +Rok an, und seht zu euern Sachen; man greift euch nach der Seele, +euer bestes Kleinod ist verlohren; eben izt in diesem Augenblik, +Herr, bespringt ein alter schwarzer Schaaf-Bok euer weisses Schaaf. +Auf, auf, wekt die schnarchenden Buerger mit der Sturm-Gloke, oder +der Teufel wird euch zum Grossvater machen; auf, sag ich. + +Brabantio. +Wie? Habt ihr euern Verstand verlohren? + +Rodrigo. +Mein hochzuverehrender Herr und Goenner, kennt ihr meine Stimme +nicht? + +Brabantio. +Wahrlich nicht; wer seyd ihr dann? + +Rodrigo. +Mein Nam' ist Rodrigo. + +Brabantio. +Desto schlimmer! Hab ich dir nicht verboten, um meine Thueren +herum zu schwaermen? Hab ich dir nicht aufrichtig und ehrlich +herausgesagt, meine Tochter sey nicht fuer dich gemacht? Und izt, +nachdem du dich voll gefressen und gesoffen hast, kommst du in +tollem Muthe boshafter Weise den Narren mit mir zu treiben, und +mich in der Ruhe zu stoeren? + +Rodrigo. +Herr, Herr, Herr-- + +Brabantio. +Aber du darfst dich unfehlbar darauf verlassen, dass mein Unwille +und mein Ansehen es in ihrer Gewalt haben, dich theuer davor +bezahlen zu machen. + +Rodrigo. +Geduld, mein guter Herr. + +Brabantio. +Was sagst du mir von Dieben? Wir sind hier in Venedig; mein Haus +ist keine Scheure. + +Rodrigo. +Sehr ehrwuerdiger Brabantio, ich komm in der Einfalt meines Herzens, +und in guter Meynung zu euch. + +Jago. +Sakerlot! Herr, ihr seyd, glaub ich, einer von denen die Gott den +Dienst aufkuenden wuerden, wenn's der Teufel so haben wollte. Weil +wir kommen, und euch einen Dienst thun wollen, so meynt ihr wir +seyen Spizbuben; ihr wollt also haben, dass eure Tochter von einem +Barber-Hengst belegt werden soll; ihr wollt haben, dass eure Enkel +euch anwiehern; ihr wollt Postklepper zu Vettern und kleine +Andalusische Stutten zu Basen haben. + +Brabantio. +Was fuer ein heilloser Lotterbube bist du? + +Jago. +Ich bin einer, Herr, der ausdrueklich hieherkommt euch zu sagen, dass +eure Tochter und der Mohr im Begriff sind das Thier mit zween Rueken +zu machen. + +Brabantio. +Du bist ein Nichtswuerdiger-- + +Jago. +Ihr seyd ein Senator. + +Brabantio. +Du sollst mir das bezahlen. Ich kenne dich, Rodrigo. + +Rodrigo. +Mein Herr, ich bin fuer alles gut. Aber ich bitte euch, hoert mich +nur an. Wenn es mit euerm guten Willen und hochweisen Beyfall +geschehen ist, (wie ich fast vermuthen sollte) dass eure schoene +Tochter, in dieser nehmlichen Nacht, in keiner bessern Begleitung +als eines gemietheten Schurken, eines Gondoliers, den viehischen +Umarmungen eines geilen Mohren zugefuehrt worden; wenn das, sag ich, +mit eurer Begnehmigung geschehen ist, so haben wir euch allerdings +groeblich beleidiget. Wisst ihr aber nichts hievon, so sind wir +diejenigen, die sich ueber Unrecht zu beschweren haben; oder ich +verstehe nicht was die gute Lebensart mit sich bringt. Glaubet +nicht, dass ich von allem Gefuehl der Anstaendigkeit so sehr verlassen +sey, dass ich aus blossem Muthwillen hieher kommen und Eure +Excellenz zum Besten haben sollte. Ich sag es noch ein mal, wenn +ihr eurer Tochter nicht die Erlaubniss dazu gegeben habt, so hat sie +sich sehr vergangen, indem sie ihre Pflicht, ihre Schoenheit, ihren +Verstand, und ihr Vermoegen einem herumirrenden Ritter, einem +Abentheurer, aufopfert, der hier und allenthalben ein Fremdling ist-- +Verzieht nicht laenger; sezt euch selbst ins Klare: Wenn sie in +ihrem Zimmer oder in euerm Hause zu finden ist, so lasst mich die +ganze Strenge der Justiz dafuer erfahren, dass ich euch so misshandelt +habe. + +Brabantio. +Schlagt Feuer, he! bringt mir ein Licht--Ruft meine Leute +zusammen--Dieser Zufall sieht meinem Traum nicht ungleich, und ich +sterbe vor Furcht, dass es so seyn moechte. He! Licht, sag ich, +Licht! + +Jago. +Lebt wohl, ich kan mich nicht laenger aufhalten--Es wuerde sich gar +nicht wol fuer meinen Plaz schiken, und mir in keinerley Absicht +gesund seyn, als ein Zeuge gegen den Mohren vorgefuehrt zu werden. +Die Gruende, die ihn zum Heerfuehrer in dem Cyprischen Kriege, worinn +sie wuerklich begriffen sind, bestimmen, sind so dringend, dass sie, +fuer ihre Seelen, keinen andern von seinem Gewicht finden koennen, +dem sie dieses Geschaeft mit Sicherheit anvertrauen duerften. Bey +solchen Umstaenden muss ich, ob ich ihn gleich so herzlich hasse als +die Pein der Hoelle, doch aeusserlich, meines eignen Vortheils wegen, +dergleichen thun, als ob ich ihm gaenzlich ergeben sey. Damit ihr +ihn aber unfehlbar findet, so fuehret den Brabantio und seine Leute +zum Schuezen, und dort werd' ich bey ihm seyn. Hiemit, gehabt euch +wol. + +(Jago geht ab.) + + + +Dritte Scene. + (Brabantio und einige Bediente mit Fakeln.) + + +Brabantio. +Mein Ungluek ist nur allzugewiss. Sie ist weg; und Schmach und +Bitterkeit ist nun der Antheil meines uebrigen Lebens. Nun, +Rodrigo, wo sahst du sie? O, das ungluekselige Maedchen! Mit dem +Mohren, sagst du? Wer wollte mehr ein Vater seyn wollen?--Woher +wusstest du, dass sie's war? O! das ist unbegreiflich, wie sehr +ich mich an ihr betrogen habe!--Was sagte sie zu euch?--Noch mehr +Fakeln her--Ruft meine ganze Verwandtschaft zusammen--meynt ihr, +sie seyen schon verheurathet? + +Rodrigo. +Ich denke freylich, sie sind's. + +Brabantio. +O Himmel! wie ist's moeglich, dass sie so aus der Art schlagen +konnte!--Vaeter, forthin trauet euern Kindern nicht weiter als ihr +sie sehet. Giebt es nicht Zauber-Mittel, wodurch die Unschuld +eines jungen unwissenden Maedchens verfuehrt werden kan? Habt ihr +nichts von dergleichen Dingen gelesen, Rodrigo? + +Rodrigo. +Ja mein Herr, das hab' ich, in der That. + +Brabantio (zu einem Bedienten.) +Ruft meinen Bruder; oh, wie wollt' ich izt, ihr haettet sie gehabt, +auf eine oder die andre Art--Wisst ihr, wo wir sie und den Mohren +antreffen koennen? + +Rodrigo. +Ich denke, ich werde sie entdeken koennen, wenn es euch gefaellt, +unter einer guten Bedekung mit mir zu gehen. + +Brabantio. +Ich bitte euch, geht voran. Ich will von Hause zu Hause ruffen; +ich kann befehlen, wenn's noethig ist; schafft Waffen her, holla! +und holt einige Officiers, auf die man sich verlassen kan--Geht, +mein guter Rodrigo, ich will dankbar fuer eure Bemuehung seyn. + +(Sie gehen ab.) + + + +Vierte Scene. + (Verwandelt sich in eine andre Strasse vorm Schuezen.) + (Othello, Jago, und Gefolge mit Fakeln.) + + +Jago. +Ob ich gleich, seitdem ich das Kriegs-Handwerk treibe, manchen im +Feld erschlagen habe, so mach' ich mir doch das groesseste Gewissen +draus, einen vorsezlichen Mord zu begehen! Weniger Bedenklichkeit +wuerde manchmal mein Vortheil seyn--Ich dachte neun- oder zehn mal, +ich muesste ihm nothwendig eins unter die Ribben geben. + +Othello. +Es ist besser, dass du's nicht gethan hast. + +Jago. +Nein, aber er plapperte, er gayferte so lotterbuebisches Zeug, und +in so empfindlichen Ausdrueken gegen eure Ehre, dass all mein Bisschen +Sanftmuth kaum zureichend war, mich bey Geduld zu erhalten. Aber +ich bitte euch, mein Herr, seyd ihr auch recht gueltig verheurathet? +Denn davon duerft ihr versichert seyn, dass der (Magnifico) sehr +beliebt ist, und dass seine Stimme in der Republik zum wenigsten so +viel zu bedeuten hat, als des Herzogs selbst: Er wird auf die +Zerreissung euers Bandes dringen, und wenn sich seine Macht auch so +weit nicht erstrekt, euch doch so viel Uebels thun, als das Gesez +in seiner aeussersten Strenge ihm Befugniss geben kan. + +Othello. +Er mag sein Aergstes thun; die Dienste, die ich der Regierung +gethan habe, werden seine Klagen weit ueberschreyen. Es ist noch +unbekannt, (ich werd es aber beweisen, wenn die Rettung meiner Ehre +mich zu einem Schritt zwingt, den ich sonst als eine meiner +unwuerdige Pralerey ansehe,) dass mein Blut aus einer koeniglichen +Quelle geflossen ist; und meine Verdienste allein sind, ohne +Vergroesserung, zulaenglich auf ein so stolzes Gluek Anspruch zu +machen, als dieses ist, dessen ich mich bemaechtiget habe. Denn +wisse, Jago, waer' es nicht, dass ich die reizende Desdemona liebe, +der Werth des ganzen Oceans sollte mich nicht bewegen, meine +Freyheit in die Fesseln des ehlichen Standes schliessen zu lassen. +Aber siehe, was fuer Lichter kommen dort? + + + +Fuenfte Scene. + (Cassio, mit Fakeln, zu den Vorigen.) + + +Jago. +Es werden der aufgebrachte Vater und seine Freunde seyn--das beste +waer', ihr giengt hinein. + +Othello. +Ich? gewiss nicht, ich muss gefunden werden. Meine Verdienste, +mein Titel, und mein unerschrokner Muth sollen mich in meinem +wahren Lichte zeigen. Sind sie's? + +Jago. +Beym Janus, ich denke, nein. + +Othello. +Es sind Leute vom Herzog und mein Lieutenant: guten Abend, meine +Freunde; was bringt ihr Neues? + +Cassio. +Der Herzog entbeut euch seinen Gruss, Feldherr; und ersucht euch mit +der eilfertigsten Behendigkeit, gleich diesen Augenblik, um eure +Gegenwart. + +Othello. +Was meynt ihr, warum es zu thun sey? + +Cassio. +Etwas von Cypern, soviel ich errathen kan. Es muss eine dringende +Anliegenheit seyn. Die Galeren haben in dieser nemlichen Nacht +zwoelf Expressen hinter einander hergeschikt, ein grosser Theil der +Senatoren ist auf, und im Pallast des Herzogs versammelt. Man +liess euch sehr dringend ruffen, und da man euch nicht in euerm +Quartier fand, schikte der Senat drey verschiedene Partheyen aus, +euch ueberall aufzusuchen. + +Othello. +Es ist gut, dass ihr mich gefunden habt: Ich habe nur ein Wort in +diesem Hause zu reden, und dann will ich mit euch gehen. + +(Othello geht ab.) + +Cassio. +Faehndrich, was thut er hier? + +Jago. +Meiner Treue, er hat heute Nacht eine reiche Land-Caraque + +{ed. * Eigner Name der ehmaligen grossen Portugiesischen +Kauf-Fardey-Schiffe.} + +aufgebracht; wenn sie fuer gute Prise erklaert wird, so ist sein Gluek +gemacht. + +Cassio. +Ich weiss nicht, was ihr sagen wollt. + +Jago. +Er hat sich verheurathet. + +Cassio. +Mit wem? + +Jago. +Bey G***, mit--he! Herr General, wollt ihr gehen? (Othello zu +den Vorigen.) + +Othello. +Hier bin ich-- + +Cassio. +Da kommt eine andre Parthey, die euch sucht. + + + +Sechste Scene. + (Brabantio, und Rodrigo, mit Officieren, Bedienten und Fakeln.) + + +Jago. +Es ist Brabantio; General, nehmt euch in Acht; er hat nichts Gutes im Sinn. + +Othello. +Holla! Steht, ihr dort! + +Rodrigo. +Signor, es ist der Mohr. + +Brabantio. +Zu Boden mit ihm, dem Raeuber! + +(Sie ziehen auf beyden Seiten.) + +Jago. +Wie, ihr, Rodrigo?--Kommt, mein Herr, ich bin auf eurer Seite--(Zu +Othello.) + +Othello. +Stekt eure Degen ein, der Thau moechte sie rostig machen. Werther +Signor, euer Alter wird euch mehr Gewalt geben, als eure Waffen. + +Brabantio. +O du schaendlicher Raeuber! Wo hast du meine Tochter hin verborgen? +Verdammlicher Bube! Du hast sie bezaubert; denn ich will alles was +Vernunft hat den Ausspruch thun lassen, ob ein Maedchen, so jung, so +schoen, so zaertlich als sie war, von ihrem Stand und Gluek, und so +abgeneigt vom Heurathen, dass sie den Augen der auserlesensten und +reichsten von unsrer edelsten Jugend sich entzog--ob ein solches +Maedchen, ohne die fesselnde Gewalt zaubrischer Kuenste faehig gewesen +waere, dem allgemeinen Spott Troz zu bieten, und aus dem vaeterlichen +Haus zu entlauffen, um in die russichten Arme eines solchen Dings +wie du, das geschikter ist Schreken zu erweken, als Liebe, sich +hinein zu stuerzen? Die ganze Welt sey Richter, ob es nicht +handgreiflich ist, dass du vermittelst schnoeder Zauber-Mittel oder +Liebes-Traenke die das Hirn verrueken, ihre schuldlose Jugend +missbraucht und verleitet hast--Ich will es untersucht haben: Es ist +wahrscheinlich, man kan sich nichts anders vorstellen. Ich +arrestiere dich also hier, als einen Verfuehrer und der hiezu +verbotne Kuenste treibt--Bemaechtigt euch seiner; und wenn er sich +wehrt, so entwaffnet ihn auf seine Gefahr. + +Othello. +Haltet ein, zu beyden Seiten; wenn es hier meine Scene zum Fechten +waere, so wuerd' ich's ohne einen Einsager gewusst haben. Wohin wollt +ihr, dass ich mit euch gehen soll, mich auf diese Anklage zu +verantworten? + +Brabantio. +Ins Gefaengniss, bis zur gehoerigen Zeit, wo du vor der Gerichts-Bank +erscheinen sollst. + +Othello. +Aber wenn ich euch gehorche, wie soll indess der Herzog zufrieden +gestellt werden, dessen Abgeordnete hier zu meiner Seite und im +Begriff sind, mich in einer dringenden Angelegenheit des Staats zu +ihm zu fuehren? + +Officier. +Diss verhaelt sich wuerklich so, sehr edler Herr; der Herzog ist im +Staats-Rath; und ich bin sicher, dass ihr gleichfalls dahin beruffen +worden seyd. + +Brabantio. +Wie? der Herzog im Staats-Rath? In dieser spaeten Nacht? Fuehrt +ihn dahin; meine Sache ist keine Kleinigkeit. Der Herzog selbst +und jeder von meinen Bruedern im Staat kan nicht anders als diese +Beleidigung so empfinden, als ob sie ihnen selbst angethan worden +waere. Wenn solche Frefel-Thaten ungestraft veruebt werden duerften, +so wuerden bald Sclaven und Banditen unsre Befehlshaber seyn. + +(Sie gehen ab.) + + + +Siebende Scene. + (Verwandelt sich in das Rath-Haus.) + (Der Herzog und die Senatoren, an einer Tafel mit Lichtern sizend, + und einige Officianten etc.) + + +Herzog. +Es ist zu wenig Uebereinstimmung in diesen Zeitungen, als dass sie +Glauben verdienen koennten. + +1. Senator. +In der That, sie gehen weit von einander ab; meine Briefe sagen +hundert und sieben Galeren. + +Herzog. +Und meine hundert und vierzig. + +2. Senator. +Und die meinen zwoohundert; allein ob sie gleich in der Zahl nicht +zusammentreffen, (welches in Faellen, wo der Bericht nach blosser +Muthmassung gemacht werden muss, nicht zu verwundern ist,) so +stimmen doch alle darinn ueberein, dass eine tuerkische Flotte in der +See ist, und dass es auf Cypern abgesehen sey. + +Herzog. +Es ist moeglich, und wenn ich mich auch irren sollte, so werd' ich +doch alle Maassnehmungen einer klugen Furcht, die allezeit die +Mutter der Sicherheit ist, bey diesen Umstaenden gut heissen. + +Matrosen (hinter der Scene.) + + + +Holla! ho! he! aufgemacht! (Die Matrosen kommen herein.) + +Officiers. +Eine Bottschaft von den Galeeren. + +Herzog. +Nun!--was ist euer Anbringen? + +1. Matrose. +Ich habe Befehl der Regierung anzuzeigen, dass die Tuerkischen Kriegs- +Zuruestungen der Insel Rhodis gelten. + +(Die Matrosen gehen ab.) + +Herzog. +Was sagt ihr zu diesem Wechsel? + +1. Senator. +Es kan nicht seyn, es ist ganz und gar nicht glaublich. Es ist ein +blosser Kunstgriff, unsre Augen von der Seite abzuhalten, wo die +Gefahr wuerklich ist. Wenn wir bedenken, wie wichtig Cypern den +Tuerken ist--wie viel gelegner es ihnen ist als Rhodis--und dass sie +die Eroberung desselben weit eher hoffen koennen, da es weniger +befestigt, und in allen Absichten in schwaecherm Vertheidigungs- +Stand ist--Wenn wir dieses in gehoerige Betrachtung ziehen, so +werden wir uns schwerlich einbilden koennen, dass der Tuerk so +unbesonnen seyn werde, eine reiche und leicht zu gewinnende Beute +fahren zu lassen, um sich an eine gefaehrliche und wenig +vortheilhafte Unternehmung zu wagen, von der er sich mit keiner +Wahrscheinlichkeit einen guten Erfolg versprechen kan. + +Herzog. +In der That, allen Umstaenden nach ist es nicht auf Rhodis abgezielt. + +Officiers. +Hier kommt wieder eine Zeitung. (Ein Expresser tritt auf.) + +Expresser. +Erlauchte und Gnaedige Herren, die Ottomannen, die in geradem Lauf +gegen die Insel Rhodis gesegelt hatten, haben sich dort mit einem +kleinern Geschwader vereinbart-- + +1. Senator. +Das dacht' ich ja; wie stark haltet ihr sie? + +Expresser. +Dreyssig Segel; und nun steuern sie ihren Lauf, ohne ihre wahre +Absichten laenger zu verheelen, nach Cypern. Signor Montano, euer +getreuer und tapfrer Befehlshaber auf dieser Insel, erstattet Euch, +unter Versicherung seiner pflichtvollen Ergebenheit, diesen Bericht, +und bittet ihm vollen Glauben beyzumessen. + +Herzog. +Wir sind also nun gewiss, dass es um Cypern zu thun ist; ist Marcus +Luccicos nicht in der Stadt? + +1. Senator. +Er ist wuerklich in Florenz. + +Herzog. +Schreibet unverzueglich in unserm Namen an ihn, dass er sich mit der +aeussersten Eilfertigkeit hieher begebe. + +1. Senator. +Hier kommt Brabantio und der tapfre Mohr. + + + +Achte Scene. + (Brabantio, Othello, Cassio, Jago, Rodrigo und Officiers, zu den + Vorigen.) + + +Herzog. +Tapfrer Othello, wir sind im Begriff Eurer gegen unsern allgemeinen +Feind Ottoman vonnoethen zu haben. + +(Zu Brabantio.) +Ich sah euch nicht gleich; willkommen, werther Signor; wir +mangelten euern Rath und eure Huelfe diese Nacht. + +Brabantio. +Und ich die eurige; vergebet mir, Durchlauchtigster; weder mein +Plaz, noch was mir von einem vorschwebenden Staats-Geschaefte gesagt +wurde, hat mich aus meinem Bette aufgewekt; das gemeine Wesen ficht +mich izt wenig an; mein Privat-Schmerz ist von einer so wuethenden +und ungestuemen Art, dass er alle andre Sorgen verschlingt, und mich +nichts anders fuehlen laesst. + +Herzog. +Wie? Was kan die Ursach seyn? + +Brabantio. +Meine Tochter! O! meine Tochter!-- + +Senator. +Gestorben? + +Brabantio. +Fuer mich wenigstens; sie ist verfuehrt, von mir weggestohlen, +missbraucht worden, durch Zauber-Mittel und Liebes-Traenke, den Kram +von Markt-Schreyern, zu Grunde gerichtet worden--Denn auf eine so +widernatuerliche Art konnte die Natur (da sie weder dumm, noch blind, +noch schwach von Sinnen ist,) nicht ausschweiffen--Zauberey allein +konnte sie dahin bringen-- + +Herzog. +Wer der auch seyn mag, der durch so schaendliche Mittel eure Tochter, +sich selbst, und euch entfuehrt hat, dessen Urtheil sollt ihr +selbst in dem blutigen Gesez-Buch lesen, und selbst der Ausleger +des strengen Buchstabens seyn; ja, und wenn unser eigner Sohn der +Thaeter waere. + +Brabantio. +Ich danke Eu. Durchlaucht unterthaenig. Hier ist der Mann, dieser +Mohr, den nun eben, wie es scheint, euer Befehl, in Geschaeften des +Staats hieher gebracht hat. + +Alle. +Das thut uns herzlich leid. + +Herzog (zu Othello.) + +Und was koennt ihr, eurer Seits, hierauf antworten? + +Brabantio. +Nichts, als dass es so ist. + +Othello. +Erlauchte und Grossmaechtigste Herren, meine sehr edle, geliebte und +gnaedige Gebieter; dass ich dieses alten Mannes Tochter entfuehrt habe, +ist wahr; und wahr ist's, dass ich mit ihr vermaehlt bin--So weit +erstrekt sich die aeusserste Linie meines Verbrechens, und weiter +nicht--Ich bin kein Redner, und wenig geuebt in der friedsamen Kunst, +die Zuhoerer durch Worte zu gewinnen--Seitdem diese meine Arme +siebenjaehriges Mark hatten, bis izt, die leztverflossnen neun oder +zehen Monate ausgenommen, sind die Arbeiten des Kriegs meine +einzige Beschaeftigung gewesen--in diesen Kreis ist alle meine +Wissenschaft eingeschlossen, und das ist alles, wovon ich reden kan. +Ich werde also, indem ich fuer mich selbst rede, meiner Sache +wenig Vortheil verschaffen. Und doch will ich, mit eurer Erlaubniss, +eine aufrichtige ungeschminkte Erzaehlung von dem ganzen Hergang +meiner Liebes-Geschichte machen; damit ihr sehet, durch was fuer +Traenke, Zauber-Formeln, Beschwoerungen und uebernatuerliche Kuenste, +(weil ich doch solche Mittel gebraucht zu haben beschuldiget werde,) +ich seine Tochter gewonnen habe. + +Brabantio. +Ein unschuldiges junges Maedchen, die immer das zaertlichste, +schuechternste Kind von der Welt war; eine so sanfte und ruhige +Seele, das jede ihrer Bewegungen ueber sich selbst zu erroethen +schien--und sie sollte, troz Natur, Jugend, Geburt, Ehre, allem in +der Welt, in einen Mann verliebt werden, den sie zu furchtsam war +nur anzusehen--Was fuer eine Art zu schliessen muss der haben, der +sich vorstellen kan, dass die Natur so weit von ihren eignen Gesezen +abweichen sollte--Es ist unmoeglich; aus der Hoelle mussten die +verdammten Kuenste hergeholt werden, die das zuwegebringen konnten. +Ich behaupte also noch einmal, dass er sie durch Traenke, die das +Blut in gewaltsame Unordnung sezen, oder durch irgend ein andres +uebernatuerliches Mittel missbraucht und zu Falle gebracht habe. + +Herzog. +Behaupten ist nicht Beweisen--es gehoeren staerkere Beweisthuemer +hiezu als die blossen nakten Vermuthungen, die ihr, in ein duennes +Gewand einer schaalen Wahrscheinlichkeit gekleidet, gegen ihn +aufzustellen vermeynt. + +1. Senator. +Redet dann, Othello; brauchtet ihr krumme und gewaltsame +Kunstmittel, die Neigungen dieser jungen Tochter zu erzwingen; oder +erhieltet ihr sie durch Bitten, und auf diejenige Weise, wie eine +Seele die andre anzuziehen pflegt? + +Othello. +Ich bitte euch, lasst die junge Dame aus dem Schuezen herholen, und +sich selbst in Gegenwart ihres Vaters erklaeren; findet ihr, dass +ihre Erzaehlung seine Anklage rechtfertiget, so entsezet mich nicht +nur aller Ehren und Wuerden, die ich von euch empfangen habe, +sondern lasst mein Leben selbst der strengen Gerechtigkeit verfallen +seyn. + +Herzog. +Holet Desdemona hieher. + +(Zween oder drey gehen ab.) + +Othello (zu Jago.) + +Faehndrich, weiset ihnen den Weg, ihr kennt den Ort am besten-- + +(Jago geht ab.) + +--Und indessen bis sie kommt, will ich, so aufrichtig als ich dem +Himmel selbst die Vergehungen meines Blutes bekenne, dieser +ehrwuerdigen Versammlung anzeigen, wie ich das Herz der schoenen +Desdemona gewonnen habe. + +Herzog. +Redet, Othello. + +Othello. +Ihr Vater liebte mich, lud mich oft ein, fragte mich immer nach der +Geschichte meines Lebens, von Jahr zu Jahr, und liess mich alle +Schlachten, Belagerungen und Abentheuer, durch die ich passiert bin, +erzaehlen. Das that ich nun, und durchlief mein ganzes Leben, von +meinen kindischen Tagen an bis auf den nemlichen Augenblik, worinn +er mich erzaehlen hiess: Und da sprach ich ihm also von den +verschiedenen seltsamen Glueks-Wechseln, die ich erfahren, von +hunderterley tragischen und herzbrechenden Unfaellen, die mir zu +Wasser und Land aufgestossen, und wie oft ich kaum noch auf der +Breite eines Haars dem eindringenden Tod entgangen; und wie ich in +die Haende grausamer Feinde gefallen, und zum Sclaven verkauft +worden; und wie ich wieder in Freyheit gekommen, und dann die ganze +Geschichte meiner irrenden Ritterschaft--als von ungeheuern Grotten, +und unterirdischen Gewoelben, einoeden Inseln, Steinbruechen, Felsen +und Gebuergen, die mit dem Kopf am Himmel anstossen, und von +Cannibalen die einander aufessen und von Anthropophagen, und von +Leuten, die die Koepfe unter den Schultern tragen,--und was der +Dinge mehr war, womit ich ihn zu unterhalten pflegte. Allem diesem +hoerte dann Desdemona mit grosser Aufmerksamkeit zu; und obgleich +die Hausgeschaefte sie von Zeit zu Zeit wegrieffen, so machte sie +sich doch so schnell als sie konnte, davon los, kam wieder zuruek +und verschlang meine Erzaehlung mit gierigem Ohr: Ich bemerkte +dieses, und da sich einst eine guenstige Stunde anbot, wusste ich +bald Anlas zu machen, dass sie mich recht von Herzen bat, ihr die +ganze Geschichte meiner Reisen, wovon sie nur einzelne, zerrissne +Stueke gehoert hatte, vollstaendig und im Zusammenhang zu erzaehlen: +Ich willigte ein, und lokte manche Thraene aus ihren schoenen Augen, +wenn ich auf die verschiednen Truebsalen und Unfaelle kam, die meine +Jugend ausgestanden. Wie ich mit meiner Geschichte fertig war, +belohnte sie meine Muehe mit einer Welt voll Seufzer + +{ed. * Es hiess "Kuesse" in einigen Ausgaben; und das war freylich in +mehr als einer Betrachtung sehr ungereimt. Pope hat die aechte +Lesart wieder hergestellt. Das junge Fraeulein, meynt er, waere gar +zu freygebig gewesen, wenn sie fuer die blosse Erzaehlung einer +Historie eine Welt voll Kuesse gegeben haette--und er hat allerdings +recht.} + +--sie schwur bey ihrer Treu, es sey ausserordentlich, ueber die +Maassen ausserordentlich--es sey ruehrend, zum Verwundern ruehrend-- +Sie wuenschte, sie haette nichts davon gehoert--und doch wuenschte sie, +der Himmel haette einen solchen Mann fuer sie gemacht--und endlich +dankte sie mir, und sagte, wenn ich einen Freund haette, der in sie +verliebt waere, so moecht' ich ihn nur meine Geschichte erzaehlen +lehren, und er wuerde sie damit gewinnen. Auf diesen Wink fieng' +ich dann an zu reden,--und so verlohren wir beyde unsre Herzen--Sie +liebte mich aus Mitleiden mit den Gefahren die ich ausgestanden, +und ich liebte sie um dieses Mitleidens willen: Das ist die ganze +Zauberey die ich gebraucht habe. Aber hier kommt sie selbst, lasst +sie Zeugniss geben. + + + +Neunte Scene. + + +Herzog. +Ich denke, in vollem Ernst, eine solche Erzaehlung wuerde meine eigne +Tochter noch oben drein behexen--Guter Brabantio, seht diese Sache, +da sie nun nicht mehr zu aendern ist, von der besten Seite an. Die +Leute brauchen im Nothfall immer lieber ihre zerbrochne Waffen, als +die blosse Hand. + +Brabantio. +Ich bitte euch, lasst sie reden. Bekennt sie, dass sie seinen Liebes- +Bewerbungen auf halben Weg entgegen gegangen sey, so falle +Verderben auf mein Haupt, wenn ich ihn einen Augenblik laenger tadle. +Kommt naeher, angenehmes Frauenzimmer; empfindet ihr, wem in +dieser ganzen edeln Versammlung ihr am meisten Gehorsam schuldig +seyd? + +Desdemona. +Mein edler Vater, ich empfinde dass meine Pflicht hier getheilt ist: +Euch bin ich fuer mein Leben und fuer meine Erziehung verbunden, und +beydes lehrt mich die Ehrfurcht die ich euch schuldig bin. Ihr +seyd Herr ueber meinen Gehorsam, in so fern ich eure Tochter bin. +Aber hier ist mein Gemahl; und soviel Ergebenheit, als meine Mutter +gegen euch zeigte, da sie ihren Vater verliess um euch anzuhaengen, +so viel bin ich hoffentlich befugt zu bekennen, dass ich dem Mohren, +meinem Gemahl, schuldig sey. + +Brabantio. +Gott gesegne dir's; ich habe nichts mehr zu sagen. Gefaellt's eurer +Durchlaucht, so wollen wir nun von den Staats-Angelegenheiten reden. +Ich wollte lieber ein Kind angenommen als gezeugt haben. Komm +hieher, Mohr; hier geb ich dir von ganzem Herzen, was ich, wenn +du's nicht schon haettest, von ganzem Herzen vor dir verwahren +wollte. Um euertwillen, Kleinod, bin ich in der Seele froh dass ich +keine andre Kinder habe--Denn der Streich, den du mir gespielt hast, +wuerde mich tyrannisch genug machen, ihnen Kloeze anzuhaengen. Ich +bin fertig, Gnaedigster Herr. + +Herzog. +Lasst mich nun in meinem eignen Character, in der Person eines +allgemeinen Vaters reden, und ein Urtheil faellen, das diesen +Liebenden zu einer Stuffe diene, sie wieder in eure Gunst zu heben. + +{ed. * Von hier an spricht der Herzog im Original in Reimen, und wird +von Brabantio in gleicher Muenze bezahlt.} + +Sobald nicht mehr zu helfen ist, so hat man das Aergste gesehen, +und Klagen sind nicht nur fruchtlos, sondern der naechste Weg ein +geschehenes Ungluek mit einem neuen zu haeuffen. Wenn die Klugheit +die Streiche des Glueks nicht allemal verhindern kan, so kan doch +Geduld einen Scherz aus seinen Beleidigungen machen. Der Beraubte, +der dazu laechelt, stiehlt dem Raeuber etwas, und der beraubt sich +selbst, der sich in vergeblichem Kummer verzehrt. + +Brabantio. +Wenn das ist, so lasst die Tuerken uns immer Cypern wegnehmen; wir +verliehren's nicht, so lange wir dazu lachen koennen--Ich erkenne, +Gnaedigster Herr, die Weisheit euers Raths--Aber Worte sind doch nur +Worte, und ein verwundetes Herz ist noch nie durch die Ohren +geheilt worden--Ich bitte euch, zu den Staats-Geschaeften. + +Herzog. +Die Tuerken machen furchtbare Zuruestungen, Cypern anzugreiffen: +Othello, dir ist am besten bekannt, in was fuer einem Vertheidigungs- +Stand der Plaz ist. Wir haben zwar einen Befehlshaber von +bekannter Tuechtigkeit daselbst: Allein die allgemeine Meynung, die +unumschraenkte Koenigin der Welt, verspricht sich von euch eine noch +groessere Sicherheit; lasst's euch also gefallen, ueber die Glasur +euers neuen Glueks hinweg zu schluepfen, und die Freuden der Liebe +mit den Beschwerden dieser hartnaekigen und Gefahr-vollen +Unternehmung zu vertauschen. + +Othello. +Die tyrannische Gewohnheit, erlauchte Senatoren, hat das steinharte +und staehlerne Lager des Kriegs mir laengst zum weichsten Pflaum- +Bette gemacht. Die rauhe Arbeit des Kriegs ist fuer mich ein +Lustspiel, dem meine Seele mit angebohrner, flatternder Freudigkeit +entgegen eilt. Ich unterziehe mich also dem gegenwaertigen Krieg +mit den Ottomannen; und alles, warum ich die Durchlauchtigste +Republik mit gebognen Knien bitte, ist, meine Gemahlin in ihren +unmittelbaren Schuz zu nehmen, und darauf bedacht zu seyn, dass sie +an einem anstaendigen Ort, und mit allem dem Glanz und Ansehen, so +sich fuer ihre Geburt schikt, unterhalten werde. + +Herzog. +Also, in ihres Vaters Hause. + +Brabantio. +Das will ich nicht. + +Othello. +Ich noch weniger. + +Desdemona. +Auch ich wollte nicht dort wohnen, und meinen Vater zu ungeduldigen +Gedanken reizen, wenn ich immer in seinen Augen waere. Gnaedigster +Herr, leihet meiner Bitte ein geneigtes Ohr, und unterstuezet sie +mit eurer Stimme. + +Herzog. +Was verlangt ihr, Desdemona? + +Desdemona. +Dass ich den Mohren liebte, um mit ihm zu leben, mag die +Entschlossenheit, womit ich so vielen Vorurtheilen Gewalt angethan +habe, durch die ganze Welt austrompeten. Mein Herz und meine +Person sind von meinem Gemahl unzertrennlich. Ich sah Othello's +Gesicht in der Schoenheit seines Gemuethes, und seinen Verdiensten +und heldenmaessigen Eigenschaften hab ich meine Seele und mein +ganzes Gluek gewiedmet. So dass, theureste Herren, wenn ich +zuruekgelassen werde, und er in den Krieg geht, ich des Rechts, +seine Gefahren mit ihm zu theilen, des Rechts, um deswillen ich ihn +liebe, verlustig, und in seiner schmerzlichen Abwesenheit zu einem +verdriesslichen Interim verurtheilt waere. Lasst mich also mit ihm +gehen. + +Othello. +Eure Genehmigung, Gnaedige Herren! Ich bitte euch, lasst sie ihren +Willen haben. Ich bitt' es nicht aus Rueksicht auf den Vortheil +meines eignen Vergnuegens, nicht aus Gefaelligkeit gegen die Hize +junger Begierden, die der erste Genuss mehr gereizt als befriedigt +hat;--sondern dem Edelmuth ihres Herzens seinen freyen Lauff zu +lassen. Der Himmel verhuete, dass ihr mich faehig haltet, eure +ernsthaften und grossen Angelegenheiten zu vernachlaessigen, wenn sie +bey mir ist--Nein! Wenn jemals die kindischen Puppen-Spiele des +befiederten Cupido die Werkzeuge meines Verstands und meiner +Thaetigkeit in ueppige Traegheit senken, und meine Ergoezungen meinen +Arbeiten schaedlich sind; dann lasst Haus-Weiber eine Brey-Pfanne aus +meinem Helm machen, und die unwuerdigsten, schmaehlichsten +Wiederwaertigkeiten sich zum Untergang meines Ruhms verschwoeren. + +Herzog. +Ihr Gehen oder Bleiben soll eurer eignen Willkuehr ueberlassen seyn-- +Die Geschaefte fordern die hastigste Eilfertigkeit. Ihr muesst diese +Nacht noch fort. + +Desdemona. +Diese Nacht, gnaedigster Herr? + +Herzog. +Diese Nacht. + +Othello. +Von Herzen gerne. + +Herzog. +Morgen um neun Uhr wollen wir hier wieder zusammen kommen. Othello, +lasst einen Officier zuruek, durch den wir euch euer Patent, und +eure Instruction nachschiken koennen. + +Othello. +Wenn es Eu. Durchlaucht nicht entgegen ist, so ist hier mein +Faehndrich, ein Mann von Ehre und Redlichkeit, dem ich die +Begleitung meines Weibs anvertrauen will, und durch den mir +zugleich alles andre nachgeschikt werden kan, was Eu. Durchlaucht +fuer noethig haelt. + +Herzog. +Ich bin's zufrieden. Gute Nacht allerseits--(Zu Brabantio.) + +Und, edler Signor, wenn Tugend die glaenzendste Schoenheit ist, so +ist euer Tochtermann mehr weiss als schwarz. + +Senator. +Adieu, tapfrer Mohr, begegne Desdemonen wol. + +Brabantio. +Sieh fleissig zu ihr, Mohr, wenn du Augen hast; sie hat ihren Vater +betrogen, und wird dir's vielleicht nicht besser machen. + +(Der Herzog und die Senatoren gehen ab.) + +Othello. +Ich stehe mit meinem Leben fuer ihre Treue--Ehrlicher Jago, dir muss +ich meine Desdemona hinterlassen; ich bitte dich, gieb ihr deine +Frau zur Gesellschaft, und bringe sie mit der besten Gelegenheit +nach. Komm, Desdemona, ich habe nur eine Stunde, die ich der Liebe +und unsern Angelegenheiten schenken kan. Wir muessen der Zeit +gehorchen. + +(Sie gehen ab.) + + + +Zehnte Scene. + (Rodrigo und Jago bleiben.) + + +Rodrigo. +Jago-- + +Jago. +Was willst du mir sagen, tapfres Herz? + +Rodrigo. +Was denkst du, dass ich thun will? + +Jago. +Was? Zu Bette gehen und schlaffen. + +Rodrigo. +Ich will auf der Stelle gehn, und mich ins Wasser stuerzen. + +Jago. +Wenn du das thust, so werd' ich dich in meinem Leben nicht mehr +lieb haben. Wie, du bist ein recht alberner Edelmann! + +Rodrigo. +Es ist etwas albernes, leben, wenn Leben eine Qual ist; und dann, +so sterben wir ja nach den Regeln, wenn der Tod unser Arzt ist. + +Jago. +O wie niedertraechtig das gedacht ist! Es ist schon viermal sieben +Jahre, dass ich mich auf der Welt umsehe, und seitdem ich einen +Unterscheid zwischen einer Wohlthat und einer Beleidigung machen +kan, hab' ich noch keinen Menschen gesehen, der den Verstand haette +sich selbst zu lieben. Eh ich sagen wollte, ich wolle mich einer +Guineischen Henne zulieb ersaeuffen, eh wollt' ich meine Menschheit +mit einem Wald-Teufel vertauschen. + +Rodrigo. +Wie soll ich mir aber anders helfen? Ich bekenn', es macht mir +schlechte Ehre, dass ich so vernarrt in sie bin; aber meine Tugend +ist nicht stark genug, dem Uebel abzuhelfen. + +Jago. +Tugend? Pfifferling. Auf uns kommt es an, ob wir so oder so seyn +wollen. Unsre Leiber sind unsre Gaerten, und unser Wille ist der +Gaertner darinn. Ob wir Nesseln oder Lattich drein saeen wollen, ob +wir ihn mit Ysop oder Thymian, mit einer einzigen Art von Gewaechsen, +oder mit vielerley Gattungen besezen, aus Faulheit verwildern und +unfruchtbar werden lassen, oder durch fleissige Wartung in guten +Stand sezen wollen: Das haengt alles lediglich von unsrer Willkuehr +ab. Haetten wir nicht in der Waage unsers Lebens eine Schaale voll +Vernunft, um die Sinnlichkeit in der andern im Gleichgewicht zu +halten, zu was fuer tollen Ausschweiffungen wuerde uns die Hize des +Bluts und der thierische Trieb dahinreissen? Aber wir haben die +Vernunft dazu, dass sie unsre rasenden Bewegungen, unsre +fleischliche Triebe und zuegellose Lueste baendigen soll--Was nennt +ihr Liebe? Meynt ihr, dass es eine so feyrliche Sache sey, als ihr +euch einbildet? Ein blosser Trieb des Blutes ist's, dem der Wille +den Zuegel verhaengt--Komm, sey ein Mann! dich selbst ersaeuffen? +Ersaeuffe mir Kazen und junge blinde Hunde! Ich habe dir meine +Freundschaft zugesagt, und ich mache mich gross, mit Seilen, die +unser beyder Leben ausdauern sollen, zu deinen Diensten gebunden zu +seyn. Izt ist die Gelegenheit, da ich dir nuezlich seyn kan. Einen +wolgespikten Beutel, und fort in diesen Krieg! Verbraeme dein +glattes Gesichtchen mit einem falschen Bart; Geld in deinen Beutel, +sag ich. Es ist unmoeglich, dass Desdemona den Mohren in die Laenge +lieben koennte,--nur Geld in deinen Beutel--noch der Mohr sie. +Alle Sachen, die mit solcher Heftigkeit anfangen, pflegen auch +schnell wieder aufzuhoeren--Spik du nur deinen Beutel--Diese Mohren +sind veraenderlich in ihren Neigungen;--fuell deinen Beutel mit Geld-- +Der Lekerbissen, der ihm izt so suess daucht wie Syrop, wird ihm +bald genug bittrer als Coloquinten schmeken; und wenn sie, an ihrem +Theil, sich einmal an ihm ersaettiget hat, so werden ihr die Augen +ueber ihre ungereimte Wahl auf einmal aufgehen. Sie (muss) sich +aendern, sie muss! Also fuell du nur deinen Beutel. Wenn du ja zum +T** fahren willst, so thu es wenigstens auf einem angenehmern Weg +als Ersaeuffen. Mach alles zu Gelde was du kanst. Wenn Tugend und +ein armes zerbrechliches Geluebde zwischen diesem Landstreicher aus +der Barbarey und einer super-feinen verschmizten Venetianerin, +nicht staerker sind als mein Wiz und die ganze Zunft der Hoelle, so +sollst du sie in deine Arme kriegen. Also Geld in deinen Sekel, +sag ich! Lass du dich lieber dafuer haengen, dass du deine Lust gebuesst +hast, als dich zu ersaeuffen, und nichts dafuer genossen zu haben. + +Rodrigo. +Stehst du mir gut fuer meine Hoffnungen, wenn ich's wage? + +Jago. +Verlass dich auf mich--Geh, mach Geld zusammen--Ich habe dirs oft +gesagt, und sage dirs wieder und wieder, ich hasse den Mohren. +Meine Ursach stekt mir tief im Herzen; dein Hass hat keinen +schlechtern Grund. Lass uns gemeine Sache machen, um unsre Rache an +ihm zu nehmen. Wenn du ihn zum Hahnrey machen kanst, so machst du +dir selbst ein Vergnuegen, und mir einen Spass. Die Zukunft geht mit +allerley Begebenheiten schwanger, von denen sie zu gehoeriger Zeit +entbunden werden wird. Geh du izt, und sorge fuer Geld; morgen mehr +von dieser Materie. Adieu. + +Rodrigo. +Wo sehen wir einander morgen? + +Jago. +In meinem Quartier. + +Rodrigo. +Ich will bey Zeiten kommen. + +Jago. +Gut, geht nur, lebt wohl. Hoert ihr, Rodrigo? + +Rodrigo. +Was soll ich hoeren? + +Jago. +Nichts mehr vom Ersaeuffen, hoert ihr's? + +Rodrigo. +Es ist mir anders gekommen: Ich will gehen und alle meine Gueter zu +Geld machen. + +(Er geht ab.) + + + +Eilfte Scene. + (Jago bleibt zuruek.) + + +Jago (allein.) +Geht nur, lebt wohl, nur einen wohlgespikten Beutel,--Bin ich nicht +ein gescheidter Kerl? So mach' ich aus meinem Narren meinen +Schazmeister--Denn das hiesse wol meine erworbne Geschiklichkeit +uebel anwenden, wenn ich die Zeit mit einem solchen kleinen +Schneppen verderben wollte, ohne dass ich Spass und Vortheil davon +haette. Ich hasse den Mohren, und das Publicum thut mir die Ehre an, +und glaubt, er habe zwischen meinen Bett-Laken meine Stelle +vertreten. Ich weiss nicht, ob es so ist--aber mir ist eine blosse +Vermuthung von dieser Art genug, um so zu handeln, als ob ich's mit +Augen gesehen haette. Er mag mich wol leiden--Desto bessre +Gelegenheit hab ich, ihm beyzukommen; Cassio ist ein Mann, der zu +meinem Vorhaben taugt: Lasst einmal sehen--seine Stelle zu kriegen +und meinen Hass zu ersaettigen--Wie, wie kommt das? Lasst sehen-- +Nach einiger Zeit dem Othello mit einer guten Art in's Ohr raunen, +dass er zu vertraulich mit seiner Frau ist--Seine Figur und sein +ganzes Betragen, werden den Verdacht rechtfertigen; er ist der Mann +dazu, die Weiber ungetreu zu machen. Der Mohr ist von der offnen +treuherzigen Art Leuten, welche die Leute fuer ehrlich haelt, wenn +sie so aussehen; er wird sich so gutwillig an der Nase herumfuehren +lassen wie ein Esel--Ich hab es--Mein Entwurf ist gezeugt--und Rach +und Hoelle sollen die scheussliche Missgeburt ans Taglicht bringen! + +(ab.) + + + + +Zweyter Aufzug. + + + +Erste Scene. + (Die Hauptstadt von Cypern.) + (Montano, Statthalter von Cypern, und zween Officiers.) + + +Montano. +Was koennt ihr vom Vorgebuerg in der See unterscheiden? + +1. Officier. +Gar nichts, als aufgethuermte Wellen; ich kan zwischen dem Himmel +und der See nicht ein einziges Segel entdeken. + +Montano. +Mich daeucht, der Wind ist zu Land sehr heftig gewesen--Ein +ungestuemerer Sturm hat noch nie unsre Zinnen erschuettert--wenn er +auf der See eben so geraset hat, was fuer Ribben von Eichen sind, +wenn Berge auf sie herabschmelzen, stark genug, sich in ihren Fugen +zu erhalten? Was fuer Zeitungen werden wir hievon hoeren? + +2. Officier. +Die Zerstreuung der Tuerkischen Flotte--Steht nur am schaeumenden +Ufer, die zornigen Wogen scheinen euch bis in die Wolken hinauf zu +sprizen--Man daechte, die vom Sturm geschleuderte Welle spruehe dem +brennenden Baeren Wasser entgegen, und loesche die Nachtlichter des +Himmels aus--Ich habe in meinem Leben keinen so rasenden Sturm +gesehen. + +Montano. +Wenn die Tuerkische Flotte sich nicht bey Zeit in irgend eine Bucht +hat retten koennen, so ist sie verlohren--es ist unmoeglich, dieses +Wetter auszuhalten. + + + +Zweyte Scene. + (Ein dritter Officier zu den Vorigen.) + + +3. Officier. +Etwas Neues, meine Herren, der Krieg ist zu Ende; dieses +verzweifelte Ungewitter hat die Tuerken so zugerichtet, dass ihre +Entwuerfe Halt machen muessen. Ein ansehnliches Venetianisches +Schiff hat dem Schiffbruch und der Noth des groessesten Theils ihrer +Flotte zugesehen. + +Montano. +Wie? Ist das wahr? + +3. Officier. +Das Schiff ist wuerklich hier eingelauffen; ein Veronesisches, +welches den Michael Cassio, den Lieutenant dieses tapfern Mohren +Othello, an Bord hatte; der Mohr selbst ist in der Ueberfahrt +begriffen, und wird in kurzem als oberster Kriegs-Befehlshaber hier +in Cypern eintreffen. + +Montano. +Ich bin erfreut darueber; er hat alle Eigenschaften zu einem so +wichtigen Posten. + +3. Officier. +Allein eben dieser Cassio, so troestlich das lautet, was er uns vom +Verlust der Tuerken berichtet, sieht doch duester aus, und wuenscht +dass der Mohr glueklich davon gekommen seyn moege; denn sie waren im +heftigsten Sturm abgereist. + +Montano. +Der Himmel geb' es! Ich bin sein Freund, und er ist beydes ein +guter Soldat und ein vollkommner Feldherr. Wir wollen der See- +Seite zugehen, sowol um das schon eingelauffene Schiff zu +besichtigen, als dem wakern Othello, soweit bis Luft und Wasser +sich in unserm Auge vermischt, entgegen zu sehen. + +Officier. +Kommt, wir wollen das thun--Eine jede Minute daeucht uns lange, bis +wir seiner glueklichen Ankunft versichert sind. + + + +Dritte Scene. + (Cassio zu den Vorigen.) + + +Cassio. +Dank sollen die Tapfern dieser kriegerischen Insel davor haben, dass +sie so gute Freunde des Mohren sind--Der Himmel beschueze ihn gegen +der Wuth der Elemente; ich hab' ihn in einer gefaehrlichen See +verlohren. + +Montano. +Ist sein Schiff gut? + +Cassio. +Sein Schiff ist gut gezimmert, und sein Pilot ein Mann von +Erfahrung und bewaehrter Geschiklichkeit: Ich bin also nicht ohne +Hoffnung. + +Hinter der Scene +Ein Segel! ein Segel! ein Segel! + +Cassio. +Was bedeutet dieses Geschrey? + +1. Officier. +Die Stadt ist leer; Schaarenweis steht das Volk am Ufer, und sie +ruffen: Ein Segel! + +Cassio. +Ich hoffe es ist des Ober-Befehlhabers. + +Officier. +Sie geben ihm ihre Freude durch Zujauchzungen zu erkennen; es sind +Freunde, wenigstens. + +Cassio. +Ich bitte euch, mein Herr, geht und bringt uns Gewissheit, wer +angekommen ist. + +Officier. +Ich will. + +(ab.) + +Montano. +Aber mein lieber Lieutenant, ist euer General vermaehlt? + +Cassio. +Ja, und hoechstglueklich; er hat eine junge Gemahlin davongetragen, +die alles uebertrift, was das ausschweiffende Geruecht zu ihrem Lob +sagen kan: eine Gemahlin, deren Schoenheit den Pinsel des feinsten +Mahlers beschaemt, und die in einem irdischen Kleide ein wahrer +Auszug aller Vollkommenheiten der Schoepfung ist-- + + + +Vierte Scene. + (Der Officier kommt zuruek.) + + +Cassio. +Wie steht's? Wer ist eingelauffen? + +Officier. +Ein gewisser Jago, der Faehndrich des Generals. + +Cassio. +Das kostbare Kleinod, womit er beladen war, hat seine Fahrt so +gluecklich gemacht; die Ungewitter selbst, schwellende Seen und +heulende Winde, die Wasserbedekten Felsen und die aufgehaeuften +Sandbaenke, (Verraether, die im Verborgnen lauren, den schuldlosen +Kiel anzuhalten) vergessen, gleich als ob sie ein Gefuehl der +Schoenheit haetten, ihre natuerliche Grausamkeit, um die goettliche +Desdemona unbeleidigt durchzulassen. + +Montano. +Wer ist diese? + +Cassio. +Sie, von der ich sprach, die Beherrscherin unsers grossen +Befehlshabers, die er der Fuehrung des kuehnen Jago anvertraut hat, +und deren beschleunigte Ankunft unsern Gedanken um eine Woche +wenigstens zuvorkoemmt. Beschueze nun, o Himmel, beschueze noch +Othello! und schwelle seine Seegel mit deinem eignen allmaechtigen +Athem auf, damit er mit seinem schoenen Schiff diese Bay beselige, +und wenn seine Liebe in Desdemonens Armen die Entzuekung des +Wiedersehens ausgeathmet hat, unsre erloeschende Geister in neues +Feuer seze, und ganz Cypern mit Muth und Vertrauen erfuelle.-- + + + +Fuenfte Scene. + (Desdemona, Jago, Rodrigo und Aemilia zu den Vorigen.) + + +Cassio. +--O sehet! der Schaz des Schiffes ist ans Land gekommen: Ihr +Maenner von Cypern, lasst eure Knie sie bewillkommen! Heil dir, +Gebieterin, und jeder Segen des Himmels gehe vor dir her, folge dir, +und schwebe zu deiner Seiten rings um dich her. + +Desdemona. +Ich danke euch, tapfrer Cassio--Was fuer Nachrichten koennt ihr mir +von meinem Herrn geben? + +Cassio. +Er ist noch nicht angelaendet, doch weiss ich nichts anders, als dass +er wohl ist und in kurzem hier seyn wird. + +Desdemona. +O--ich besorge nur--Wie verlohret ihr ihn? + +Cassio. +Der heftige Streit zwischen Luft und Meer trennte unsre +Gesellschaft--Aber horcht, ein Segel! + +Hinter der Scene: +Ein Segel! ein Segel! + +Officier. +Dieser Gruss wird gegen die Citadelle gemacht; es ist gleichfalls +ein Freund. + +Cassio. +Seht was es ist: Mein lieber Faehndrich, willkommen! (Zu Aemilia, +mit einem Kuss.) +Willkommen, Madam. Nehmt mir nicht uebel, mein guter Jago, dass ich +meiner Freude den Lauf lasse; es ist eine Gewohnheit von meiner +Erziehung her, dass ich so frey im Ausdruk einer schuldigen +Hoeflichkeit bin. + +Jago. +Ich wollte, mein Herr, sie waere gegen euch so freygebig mit ihren +Lippen, als sie es oft gegen mich mit ihrer Zunge ist, ihr wuerdet +ihrer genug kriegen! + +Desdemona. +Wie, sie spricht ja gar nichts. + +Jago. +Wahrhaftig, nur zuviel; ich find' es immer, wenn ich gerne schlafen +moechte; vor Euer Gnaden, da glaub' ich selber, dass sie ihre Zunge +ein wenig in ihr Herz stekt, und nur in Gedanken keift. + +Aemilia. +Ihr habt wenig Ursache so zu reden. + +Jago. +Kommt, kommt, ich kenne euch Weiber so gut als einer; ihr seyd +Gemaehlde ausser Hause; Gloken in eurem Zimmer; wilde Kazen in eurer +Kueche; Heilige, wenn ihr beleidigt; Teufel, wenn ihr beleidigt +werdet; Comoediantinnen in eurer Wirthschaft, und nirgends Haus- +Weiber, als in--euerm Bette. + +Desdemona. +O fy, schaemt euch, ihr garstiger Verlaeumder! + +Jago. +Nein, es ist wie ich sage, oder ich will ein Tuerk seyn; ihr steht +auf, um zu spielen, und legt euch zu Bette, um zu arbeiten. + +Aemilia. +Ihr sollt mir gewiss keine Lobrede schreiben! + +Jago. +Ich rathe euch nicht, dass ihr mich dazu bestellet. + +Desdemona. +Was wuerdest du von mir schreiben, wenn du mich loben muesstest? + +Jago. +O Gnaedige Frau, sezt mich nicht in Versuchung; ich bin nichts, oder +ich bin ein Criticus. + +Desdemona. +Kommt, eine kleine Probe--Dort ist jemand in die Bay eingelauffen. +-- + +Jago. +Ja, Gnaedige Frau. + +Desdemona. +Ich bin nicht aufgeraeumt; ich beluege das was ich bin, indem ich was +anders scheine;--Komm, was wolltest du zu meinem Ruhm sagen? + +Jago. +Ich bin wuerklich daran; aber, in der That, meine Erfindung geht so +ungern von meinem Hirnkasten ab, wie Vogel-Leim von einem Friess-Rok-- +doch meine Muse arbeitet, und nun ist sie entbunden--Ein jeder +Mund bekennt und spricht, sie ist so weis' als schoen, +Doch eines zehrt das andre auf, das muss man auch gestehn. + +Desdemona. +Vortreflich; aber wie, wenn sie schoen und albern waere? + +Jago. +Albern? Gut, die bloedste Schoene hatte stets so viel Verstand +Dass sie, wo nicht einen Mann, mindstens einen Erben fand. + +Desdemona. +Das sind alte abgedroschne Einfaelle, um Narren im Bierhause lachen +zu machen. Was fuer ein armseliges Lob hast du dann fuer eine, die +haesslich und albern ist? + +Jago. +Keine ist so dumm und haesslich, die an List bey schlimmer Sache +Den Verschmiztesten und Schoensten nicht den Vorzug streitig mache. + +Desdemona. +O grobe Ungeschiklichkeit! Du lobest die Schlechteste am besten. +Aber was koenntest du dann zum Lob eines Frauenzimmers sagen, das in +der That Lob verdiente? Einer solchen, deren Verdienste so +unstreitig waeren, dass sie es auf den Ausspruch der Bosheit selbst +ankommen lassen duerfte? + +Jago. +Die, bey niemals welker Schoenheit frey von Stolz und Eigensinn, +Meisterin von ihrer Zunge, und doch keine Schreyerin, +Immer Geld im Beutel hat, und sich nie dadurch entehrte, +Die gelassen meiden kan, was ihr Herz sich gern gewaehrte; +Die, wenn sie der Mann beleidigt, doch der Rache gern entsagt, +Welche sanften Weiber-Herzen, wie man glaubt, so sehr behagt: +Die so treu der Weisheit ist, dass sie nie in ihrem Leben, +Um den Schwanz des besten Salms, eines Schel-Fischs Kopf gegeben; +Die zwar denkt, doch was sie denkt, niemand als sich selbst +vertraut, +Noch, wenn ihr Verehrer folgen, aus Zerstreuung um sich schaut; +Diese, wenn sie jemals war, konnte wol vortrefflich taugen-- + +Desdemona. +Und wozu dann? + +Jago. +Ein Schmahl-Bier-Protocoll zu fuehren, und Narren auszusaugen. + +Desdemona. +O, was fuer ein krueppelhafter, armseliger Schluss! Lerne ja nichts +von ihm, Aemilia, ob er gleich dein Mann ist. Was sagt ihr, Cassio, +wuerd' er nicht einen feinen Rath abgeben? + +Cassio. +Es ist besser gemeynt als gesagt, Madam; Euer Gnaden werden den +Soldaten groesser in ihm finden, als den Gelehrten. + +Jago (bey Seite.) +Er nimmt sie bey der Hand; gut, wol gegeben--fluestert einander ins +Ohr--Ich brauche kein staerkeres Gewebe als diss, um eine so grosse +Fliege wie Cassio zu verstriken. Ey ja doch, laechle sie an, thu's-- +in deiner eignen Hoeflichkeit sollst du gefangen werden--Ihr habt +recht, es ist so, in der That--Wenn solche arme kleine Freyheiten +euch um eure Lieutenants-Stelle bringen sollten, so waer' es besser, +ihr haettet eure drey Finger nicht so oft gekuesst--O vortrefflich! +wol gekuesst! vortreffliche Galanterie!--es ist so, in der That-- +Noch einmal--eure Finger an eure Lippen? Ich wollt' es waeren +Clystier-Sprizen, so lieb seyd ihr mir. + +(Trompeten.) + +Ha, der Mohr kommt; ich kenne seine Trompete. + +Cassio. +Es ist wuerklich so. + +Desdemona. +Wir wollen ihm entgegen gehen-- + +Cassio. +Seht, hier ist er schon. + + + +Sechste Scene. + (Othello und Gefolge zu den Vorigen.) + + +Othello. +O meine schoene Heldin! + +Desdemona. +Mein theurer Othello! + +Othello. +Meine Verwundrung euch vor mir hier zu sehen, ist so gross als mein +Vergnuegen. O Wonne meines Herzens! Wenn auf jeden Sturm eine so +suesse Stille folgte, so moechten die Winde blasen, bis sie den Tod +aufgewekt haetten: So moechte die arbeitende Barke an Huegeln von +Wasser bis an den Olymp hinauf klettern, dann wieder so tief sich +tauchen, als die Hoelle vom Himmel ist! Wenn ich izt sterben muesste, +so waer's in dem Augenblik, da meine Gluekseligkeit ihren hoechsten +Punkt erreicht hat; ich besorge sehr, diese Wonne meiner Seele ist +zu gross, als dass noch eine solche in der unbekannten Zukunft fuer +mich ligen kan. + +Desdemona. +Das verhuete der Himmel, dass unsre Liebe und unser Vergnuegen nicht +in gleichem Maasse zunehmen sollte, wie unsre Tage wachsen! + +Othello. +Amen, zu diesem holden Wunsch! Ich kan nicht genug von dieser +Freude sagen, mein Herz ist so voll-- + +(er kuesst sie--) + +und diss, und diss, moege die groesseste Dissonanz seyn, die jemals +unsre Herzen machen werden! + +Jago (bei Seite.) + +O, izt seyd ihr noch wolgestimmt; aber ich will den Wirbel legen, +der diese Musik macht, so wahr ich ehrlich bin! + +Othello. +Kommt, wir wollen in's Schloss. Nun, meine Freunde, der Krieg ist +geendigt, eh er angefangen hat; die Tuerken sind ertrunken. Wie +leben unsre alten Bekannten auf dieser Insel?--Mein liebstes Herz, +ihr werdet in Cypern sehr geliebt werden; ich habe viele +Freundschaft hier empfangen--O meine Liebe, ich merke dass ich mich +vergesse; das Uebermaass meiner Freude macht mich schwaermen.--Ich +bitte dich, guter Jago, geh an die Rhede und lass meine Kisten +auspaken; und den Schiffs-Patron bring' in die Citadelle zu mir; er +ist ein geschikter Mann, dessen Verdiensten eine vorzuegliche +Achtung gebuehrt. Kommt, Desdemona, noch einmal willkommen in +Cypern! + +(Othello und Desdemona gehen ab.) + + + +Siebende Scene. + (Jago und Rodrigo bleiben.) + + +Jago (zu einigen Bedienten.) +Geht ihr dem Hafen zu, ich werde in einem Augenblik folgen--(zu +Rodrigo.) +Komm naeher, wenn du ein tapfrer Mann bist; (und man sagt doch, dass +die Liebe auch den feigesten Seelen eine gewisse Staerke und +Erhabenheit gebe, die ihnen sonst nicht natuerlich ist)--Horch mir +zu; der Lieutenant commandirt diese Nacht auf der Hauptwache. +Zuerst muss ich dir sagen, dass diese Desdemona geradezu in ihn +verliebt ist. + +Rodrigo. +In ihn? Wie, das ist nicht moeglich. + +Jago. +Leg deine Finger auf den Mund und lass dir sagen, was du zu wissen +brauchst. Bedenk einmal mit was fuer einer Heftigkeit sie anfangs +den Mohren liebte, bloss weil er aufschnitt, und ihr romanhafte +Luegen vorsagte. Meynst du, sein Pralen werde machen, dass sie ihn +immer liebe? Sey nicht so einfaeltig, und bilde dir solche Dinge +ein. Ihr Auge muss doch auch eine Nahrung haben. Und was ein +Vergnuegen kan sie davon haben, wenn sie den Teufel ansieht? Wenn +die Entzuekungen des Liebes-Spiels das Blut ermattet haben, so +braucht es Reizungen, Schoenheiten, Sympathie im Alter, zaertliche +Empfindungen, was weiss ich's, kurz lauter Eigenschaften, die der +Mohr nicht hat, um es wieder anzuflammen. Nun aber kan's nicht +fehlen, der Abgang dieser Erfordernisse und Uebereinstimmungen wird +ihre jugendliche Zaertlichkeit gar bald empoeren; sie wird finden, +dass sie sich betrogen hat; sie wird des Mohren erst satt, dann +ueberdruessig werden, dann einen Ekel vor ihm bekommen, und ihn +endlich gar verabscheuen, die Natur selbst wird sie das lehren und +sie zu einer andern Wahl noethigen. Nun, Herr, dieses vorausgesezt, +(wie es dann eine ausgemachte Sonnenklare Sache ist,) wer darf sich +dieses Gluek mit bessrer Hoffnung versprechen als Cassio? Der +geschmeidigste Schurke von der Welt; der nicht mehr Gewissen oder +Tugend hat, als der Wohlstand und die Klugheit erfordern, um unterm +Schuz der aeusserlichen Form eines bescheidnen und wohlgesitteten +Betragens seine geheimen Ausschweiffungen und Leichtfertigkeiten +desto sichrer auszuueben; ein glatter, abgeteilter Schurke, ein +Gelegenheits-Hascher, ein Gleissner, der sich das Ansehen von +Tugenden geben kan, die er nie gehabt hat; ein verteufelter Schurke! +Und dann kommt noch in Betrachtung, dass der Schurke huebsch, jung, +und mit allen den Erfordernissen begabt ist, worauf Thorheit und +unreiffe Jugend am meisten sehen. Ein schwernoethischer +ausgemachter Schurke! Und das Weibsbild kennt ihn schon besser, +als du dir einbildest. + +Rodrigo. +Das kan ich unmoeglich von ihr glauben; sie ist von einer so +tugendhaften Gemuethsart-- + +Jago. +Tugendhafter Pfifferling! Der Wein den sie trinkt ist aus Trauben +gemacht. Wenn sie tugendhaft gewesen waere, so wuerde sie sich nicht +in den Mohren verliebt haben: Tugendhafter Quark! Hast du dann +nicht gesehen wie sie mit seiner Hand auf- und abschaukelte? Hast +du nicht darauf Acht gegeben? + +Rodrigo. +Ja, das that ich; aber das war nur Hoeflichkeit. + +Jago. +Leichtfertigkeit war's, bey meiner Seele! Eine geheime Andeutung, +ein stillschweigender Prologus zu einem Lustspiel, wo man keine +Zuschauer verlangt. Sie kamen einander ja mit ihren Lippen so nah, +dass ihr Athem sich vermischen und zusammenfliessen musste. Das ist +ein vertrakter Gedanke, Rodrigo! Wenn solche Vertraulichkeiten den +Weg bahnen, so darf man sich darauf verlassen, dass die Haupt-Action +bald nachkommen wird--Fy, Henker!--Aber, lasst euch nur von mir +rathen, Herr. Ich hab' euch von Venedig mitgebracht. Zieht mit +auf die Wache diese Nacht, ich will euch dazu commandieren. Cassio +kennt euch nicht; und ich will nicht weit von euch seyn. Seht dass +ihr dann eine Gelegenheit findet, ihn aufzubringen; redet zu laut, +oder haltet euch ueber seine Art zu commandieren auf, oder thut +sonst was das ihn aergern kan, wie es Zeit und Umstaende an die Hand +geben werden. + +Rodrigo. +Gut. + +Jago. +Er ist jaeh, und in einem Augenblik aufgebracht; es kan leicht +begegnen, dass er euch einen Schlag giebt. Reizt ihn dazu; dann das +wuerde mir einen vortrefflichen Anlass geben, die Cyprier in eine +solche Empoerung gegen ihn zu sezen, dass nichts als seine Entfernung +sie besaenftigen soll. Dadurch kommt ihr desto baelder zu euerm Zwek; +denn wenn Cassio einmal aus dem Weg ist, so will ich fuer das +uebrige schon Mittel finden, und ihr sollt glueklich werden. + +Rodrigo. +Ich verstehe mich zu allem, wenn ihr's dahin bringen koennt. + +Jago. +Dafuer steh ich dir. Lass dich vor der Citadelle wieder antreffen; +ich muss nur einen kleinen Gang machen, um sein Gepaeke ans Land zu +holen. Lebt wohl indessen. + +Rodrigo. +Adieu. + +(Er geht ab.) + + + +Achte Scene. + + +Jago (allein.) +Dass Cassio sie liebt, das glaub ich, und dass sie ihn wieder liebt, +das laesst sich wenigstens glauben. Was den Mohren betrift, so muss +ich gestehen, ob ich ihn gleich nicht leiden kan, dass er von einer +gesezten, liebreichen und edeln Gemueths-Art ist; und ich zweifle +gar nicht daran, dass er gegen Desdemona ein recht zaertlicher Ehmann +seyn wird. Nun lieb ich sie auch, nicht eben aus Antrieb einer +sonderlichen Lust zu ihr, (ob ich gleich vielleicht fuer eben so +grosse Suenden in des Teufels Schuldbuch stehe,) sondern mehr um an +dem ueppigen Mohren Rache zu ueben, den ich im Verdacht habe, dass er +meinem Weibe zu nah' gekommen seyn moechte; ein Gedanke, der mir wie +mineralisches Gift an meinem Inwendigen nagt, und mir keine Ruhe +lassen wird, bis ich quitt mit ihm bin, Weib um Weib: Oder wenn mir +auch das fehlschluege, so muss mir der Mohr wenigstens in eine so +starke Eifersucht gesezt werden, dass die Vernunft selbst ihm nichts +dagegen helfen soll. Und wenn dieser arme Venetianische Brak, den +ich bloss um seines guten Jagens willen liebe, unserm Michael Cassio +nur recht zu Leibe geht, so wollen wir ihn bald bey der Huefte +kriegen, und ihn dem Mohren auf eine Art empfehlen, die ihre +Wuerkung thun soll; und der Mohr soll mir noch danken, und mich noch +dafuer lieben und belohnen, dass ich ihn fein sauber zu einem Esel +mache, und ihn aus dem stolzen Frieden seiner Seele bis zur +Tollheit herausbetruege. Das alles ligt hier--aber noch verworren; +Spizbueberey laesst ihr ganzes Gesicht nicht eher sehen, bis sie +vollbracht ist. + +(Geht ab.) + + + +Neunte Scene. + (Die Strasse.) + (Ein Herold tritt auf.) + + +Herold. +Es ist Othello's, unsers edeln und tapfern Ober-Befehlhabers, Wille +und Belieben, dass auf die zuverlaessig eingelauffene Nachricht von +dem gaenzlichen Untergang der Tuerkischen Flotte, jedermann seine +Freude oeffentlich, durch Taenze, Freuden-Feuer, und alle die Spiele +und Lustbarkeiten, wozu einen jeden seine Neigung treiben mag, an +den Tag geben moege--Zumal, da noch ueber diese gluekliche Zeitung, +sein Vermaehlungs-Fest ein Gegenstand der allgemeinen Freude ist. +Alle seine Vorraths-Kammern sind aufgeschlossen, und es ist jedem +erlaubt von dieser fuenften Stunde an, bis die Gloke eilfe +geschlagen haben wird, zu schmausen und sich zu erlustigen, wie es +ihm beliebt. Dieses sollte, nach seinem Befehl, durch oeffentlichen +Ausruf bekannt gemacht werden. Heil der Insel Cypern, und unserm +edeln General! + +(Othello, Desdemona, Cassio, und Gefolge treten auf.) + +Othello. +Mein lieber Cassio, seht diese Nacht zur Wache; wir wollen nicht +vergessen, in unsern Lustbarkeiten nie ueber das Ziel der +Anstaendigkeit und Maessigung hinauszuschweiffen. + +Cassio. +Jago hat schon Befehl auf die Nacht; ich will aber nichts +destoweniger selbst ein Aug' auf alles haben. + +Othello. +Jago ist ein ehrlicher Mensch--Gute Nacht, Cassio. Morgen, so frueh +als euch gelegen ist, lasst mich eine Unterredung mit euch haben-- + +(Zu Desdemona.) + +Komm, meine theure Liebe--Wenn der Kauf geschehen ist, so folgt die +Nuzniessung;--Gute Nacht. + +(Othello und Desdemona gehen ab.) + +(Jago zu Cassio.) + +Cassio. +Willkommen Jago, wir muessen zur Wache. + +Jago. +Izt noch nicht, Lieutenant, es ist noch nicht zehn Uhr. Unser +General hat uns seiner Desdemona zu lieb so frueh entlassen, und wir +koennen ihn nicht desswegen tadeln--es ist seine erste Nacht, und sie +ist ein Lekerbissen fuer einen Jupiter. + +Cassio. +Sie ist eine vortreffliche Dame. + +Jago. +Und sie liebt das Spiel, ich stehe fuer sie. + +Cassio. +In der That, sie ist ein reizendes Geschoepf. + +Jago. +Was sie fuer ein paar Augen hat! Es ist, als ob sie einen +auffordern-- + +Cassio. +Sehr anziehende Augen, und doch, wie mich daeucht, vollkommen +sittsam. + +Jago. +Und wenn sie redt, ist nicht der blosse Ton ihrer Stimme ein Signal +zur Liebe? + +Cassio. +Sie ist, in der That, die Vollkommenheit selbst. + +Jago. +Gut, viel Glueks zu ihrer Hochzeit-Nacht! Kommt, Lieutenant, ich +habe eine Flasche Wein, und es sind ein paar brave junge Cyprier +draussen, die gerne eins auf Othello's Gesundheit mit uns trinken +moechten. + +Cassio. +Diese Nacht kan's nicht seyn, Jago; ich habe ein armes ungluekliches +Gehirn zum Trinken. Ich moechte wol wuenschen, dass man eine andre +Manier, einander seinen guten Willen zu bezeugen, erfinden moechte +als Gesundheittrinken. + +Jago. +Oh, es sind gute Freunde; nur ein Glaeschen; ich will fuer euch +trinken. + +Cassio. +Ich habe diesen Abend nicht mehr als einen Bechervoll getrunken, +der noch dazu mit Wasser gemischt war, und ihr seht, was fuer +Veraenderungen er schon hier gemacht. Es ist ein Ungluek fuer mich, +dass ich so wenig ertragen kan, aber ich darf es nicht wagen, mehr +zu thun. + +Jago. +Wie, Mann? Die heutige Nacht ist dazu bestimmt, dass man sich +lustig mache, und die jungen Herren wuerden sich durch unsre +Weigerung beleidigt finden. + +Cassio. +Wo sind sie? + +Jago. +Hier, vor der Thuer; ich bitte euch, ruft sie herein. + +(Cassio geht ab.) + +Jago (allein.) +Wenn ich ihm, ueber das was er schon getrunken hat, nur noch einen +Becher voll beybringen kan, so wird er so haendelsuechtig seyn, und +sich so unnuez machen wie meiner jungen Fraeulein Hund--Nun hat mein +ehrlicher Rodrigo, dem die Liebe nun vollends die unrechte Seite +herausgekehrt hat, diese Nacht auch manchen Stuzer auf Desdemonens +Gesundheit ausgeleert, und izt wird er mit auf die Wache ziehen. +Drey junge Cyprier, frische ruestige Bursche, die Herz und Ehre +haben, hab ich gleichfalls mit vollen Bechern zugedekt, und sie +sind auch von der Wache. Unter dieser Schaar von Betrunknen kan es +mir also nicht schwer fallen, unsern Cassio zu einem Excess zu +bringen, wodurch er diese Insulaner vor die Koepfe stoesst--Aber da +kommen sie ja schon. Wenn der Erfolg meinem Entwurf antwortet, so +segelt mein Boot mit Wind und Fluth davon. + + + +Zehnte Scene. + (Cassio, Montano, und drey junge Cyprier.) + + +Cassio. +Beym Himmel, sie haben mir schon einen Tips angehaengt. + +Montano. +Einen sehr kleinen, in der That: ihr habt nicht ueber eine Maass +getrunken, so wahr ich ein Soldat bin. + +Jago. +Wein her, Wein her! (er faengt an zu singen) + he! Wein her, ihr Jungens! + +Cassio. +Beym Himmel, das war ein huebsches Lied. + +Jago. +Das lernt ich in England, wo sie, in der That, maechtige Zecher sind. +Euer Daehne, euer Deutscher, euer schmerbauchichter Hollaender--he! +zu trinken! sind nichts gegen meinen Englaender. + +Cassio. +So ist euer Englaender ein so grosser Trinker? + +Jago. +Ob er's ist? Ich sag euch, er trinkt euch eure Daenen zu Boden, +ohne dass ihr's ihm anseht. Er braucht nicht zu schwizen, um ueber +euern Deutschen Meister zu werden; und euern Hollaender bringt er +zum Speyen, eh die naechste Flasche gefuellt werden kan. + +Cassio. +Auf die Gesundheit unsers Generals! + +Montano. +Da bin ich auch dabey, Lieutenant, ich will euch Bescheid thun. + +Jago. +O das liebe England! +(Koenig Stephan war ein braver Pair etc.) + +(Er singt.) +Mehr Wein her, he! + +Cassio. +Ha, das Lied ist noch schoener als das vorige. + +Jago. +Wollt ihr's noch einmal hoeren? + +Cassio. +Nein, wahrhaftig, und hielte den fuer einen Mann der seines Plazes +nicht wuerdig waere, der solche Dinge thun wollte--Gut--Der Himmel +ist ueber uns alle; und es ist nun schon einmal so, dass die einen +selig werden, und die andern nicht selig werden. + +Jago. +Das ist wahr, Herr Lieutenant. + +Cassio. +Was mich betrift, (ohne unserm General, oder sonst einem Mann von +Stande zu nah zu treten,) so hoff' ich, selig zu werden. + +Jago. +Und ich auch, Lieutenant. + +Cassio. +Schon gut, aber, mit eurer Erlaubniss, nicht vor mir. Der +Lieutenant muss vor dem Faehndrich selig werden. Sagt mir nichts +mehr hievon!--Wir wollen von unsern Geschaeften reden--Vergieb uns +unsre Schulden!--Meine Herren, wir wollen zu unsern Geschaeften +sehen. Bildet euch nicht ein, ihr Herren, dass ich betrunken sey: +Das ist mein Faehndrich; das ist meine rechte Hand, und das ist +meine linke. Ich bin noch nicht betrunken, ich kan noch ziemlich +aufrecht stehen, und ich rede noch gut genug. + +Alle. +Vortreflich gut. + +Cassio. +Nun, recht gut also; so muesst ihr also nicht denken, dass ich +betrunken sey. + +(Er geht ab.) + + + +Eilfte Scene. + + +Montano. +Auf die Platte-Forme, meine Herren; kommt, wir wollen die Wache +besezen. + +Jago. +Ihr seht diesen Burschen, der voraus gegangen ist; er ist ein guter +Soldat, werth zunaechst an Caesarn zu stehen, und unter ihm Befehle +zu geben. Aber ihr seht auch sein Laster;--es ist schade fuer ihn-- +er hat Stunden, wo dieses einzige Gebrechen alle seine Tugenden +unbrauchbar macht--ich fuerchte nur, das Vertrauen, das Othello in +den Mann sezt, mag in irgend einem solchen unglueklichen Augenblik +das Verderben dieser Insel seyn. + +Montano. +Ist er denn oft so? + +Jago. +Es ist jedesmal der Prologus zu seinem Schlaf. Er wuerde euch +zweymal vier und zwanzig Stunden an einem Weg wachen, wenn Bacchus +seine Wiege nicht ruettelte. + +Montano. +Es waere gut, wenn dem General eine Vorstellung hierueber gemacht +wuerde; vielleicht weiss er's nicht; oder sein gutes Gemueth ist von +den Verdiensten, die an Cassio in die Augen leuchten, so +eingenommen, dass er ihm seine Untugenden uebersieht; ist's nicht so? + +(Rodrigo zu den Vorigen.) + +Jago. +Was macht ihr hier, Rodrigo? Ich bitte euch, seht wo der +Lieutenant ist, geht. + +(Rodrigo geht ab.) + +Montano. +Und es ist in der That recht zu bedauren, dass der Mohr einen so +wichtigen Plaz, die Vertretung seiner eignen Person, einem Mann +anvertrauen soll, der mit einem so eingewurzelten Gebrechen +behaftet ist; es waere die That eines ehrlichen Mannes, wenn man dem +Mohren das sagen wuerde. + +Jago. +Der moecht' ich nicht seyn, und wenn ich diese ganze Insel damit zu +gewinnen wuesste; ich liebe den Cassio, und wollte alles in der Welt +thun, ihn von diesem Uebel zu heilen. Horcht, was fuer ein Lerm ist +das? + +(Man schreyt hinter der Scene: Helft, helft!) +(Cassio verfolgt den Rodrigo auf den Schau-Plaz.) + +Cassio. +Du Raker! du Lumpenhund! + +Montano. +Was habt ihr, Lieutenant? + +Cassio. +Ein Schurke soll mich meine Schuldigkeit lehren! Ich will den +Schurken in eine Kuerbis-Flasche hineinpruegeln. + +Rodrigo. +Mich pruegeln-- + +Cassio. +Rueppelst du dich noch, Lumpenkerl? + +Montano (der ihn zuruekhaelt.) +Haltet ein, guter Lieutenant; ich bitte euch, mein Herr, haltet ein. + +Cassio. +Lasst mich gehen, Herr, oder ihr kriegt eins auf die Ohren. + +Montano. +Kommt, kommt, ihr seyd ein betrunkener Mann. + +Cassio. +Betrunken?-- + +(Er zieht den Degen gegen Montano, welcher sich zur Wehr sezt.) + +Jago (zu Rodrigo leise.) +Weg, sag ich, hinaus, und schlagt Lermen. + +(Rodrigo geht.) + +Nein, guter Lieutenant--Ums Himmels willen, meine Herren--Helft! +he!--Lieutenant--meine Herren--Montano--helft, ihr Herren! das ist +mir eine feine Wache, in der That!--Nu ja, wer hat den Einfall gar +die Sturmgloke zu laeuten?--Zum Teufel, halt! die ganze Stadt wird +in Bewegung kommen. Fy, fy, Lieutenant! halt, sag ich! Ihr +verliehrt eure Ehre auf eine unwiederbringliche Art. + + + +Zwoelfte Scene. + (Othello, mit seinem Gefolge zu den Vorigen.) + + +Othello. +Was giebt es hier? + +Montano. +Ich blute stark, ich bin verwundet, doch nicht toedtlich. + +Othello. +Halt, so lieb euch euer Leben ist. + +Jago. +Halt, he, Lieutenant--Herr--Montano--meine Herren--Habt ihr denn +allen Verstand verlohren? Wisst ihr nicht mehr, wer, und vor wem +ihr seyd? Der General redt mit euch--Halt, sag ich--schaemt euch +doch wenigstens, und haltet ein-- + +Othello. +Wie, was soll das seyn, he! Wer ist der Urheber von diesem Unfug? +Sind wir zu Tuerken geworden? Und thun uns selbst was der Himmel +den Ottomannen verboten hat? Aus Schaam wenigstens vor diesen +Unglaeubigen, macht diesem barbarischen Gefecht ein Ende; der erste +von euch, der sich noch ruehrt, ist auf der Stelle des Todes! Heisst +diese Gloke schweigen, sie schrekt diese Insel aus ihrer Ruhe auf. +Was war denn der Anlas zu diesem Handel? Ehrlicher Jago, dein +blasses Gesicht sagt mir, dass du bekuemmert bist--Sprich, wer machte +den Anfang? Sage die Wahrheit, so lieb ich dir bin! + +Jago. +Ich weiss es nicht; wir waren alle gute Freunde, nur eben, nur noch +vor einem Augenblik auf der Hauptwache beisammen, so freundlich wie +Braut und Braeutigam, wenn sie zu Bette gehen wollen--und dann, in +einem Augenblik (nicht anders als ob irgend ein aufgehender Planet +den Leuten die Vernunft genommen haette) sind sie mit ihren Degen +heraus, und gehen einander auf Leib und Leben. Ich kan nicht sagen, +was der Anlas zu diesem unsinnigen Zwist war; aber ich wollte, ich +haette in irgend einer ruehmlichen Action diese Beine verlohren, die +mich zu einem Theil davon gefuehrt haben. + +Othello. +Wie kommt es, Cassio, dass ihr euch so vergessen habt? + +Cassio. +Ich bitte euch, entschuldigt mich, ich kan nicht reden. + +Othello. +Wuerdiger Montano, ihr seyd sonst ein gesitteter Mann: die Welt legt +euch den Charakter eines gesezten und sittsamen Juenglings bey, und +die Weisesten sprechen euern Namen mit Hochachtung aus. Was fuer +ein Anlas konnte euch dahin bringen, euern Ruhm so leichtsinnig zu +verschleudern, und die gute Meynung der Welt um den Namen eines +Nacht-Schwaermers hinzugeben? Antwortet mir auf das! + +Montano. +Wuerdiger Othello, ich bin gefaehrlich verwundet: Euer Officier, Jago, +kan mir eine Muehe ersparen, die mir izt einige Ungelegenheit +verursachen wuerde; er weiss alles, was ich euch sagen koennte; und +ich wisste auch nicht was ich diese Nacht ueber Unrechtes gesagt oder +gethan haette, es waere denn, dass Selbstvertheidigung, wenn wir +gewaltsam angefallen werden, eine Suende seyn sollte. + +Othello. +Nun, beym Himmel, mein Blut fangt an ueber meine Vernunft Meister zu +werden--Reizt mich nicht, sag ich euch, oder wenn ich nur diesen +Arm hebe, so soll der Beste von euch unter meinem Zorn zu Boden +sinken. Lasst mich wissen, wie dieser schaendliche Tumult sich anhub; +wer der Anfaenger war; und derjenige, welcher schuldig befunden +wird, hat einen Freund an mir verlohren, und wenn er mein Zwillings- +Bruder waere--Wie? in einer mit Krieg bedraeuten Stadt, deren +Einwohner noch mit Schreken angefuellt sind, sich von der Furcht +eines feindlichen Ueberfalls noch nicht erholt haben, um Privat- +Haendeln willen einen Lerm anfangen? Und das bey Nacht, und auf der +Hauptwache, die der Schirm der allgemeinen Sicherheit seyn soll? +Es ist etwas ungeheures! Rede, Jago, wer war der Anfaenger? + +Montano. +Wenn du aus Partheylichkeit, Freundschaft oder vermeynter Pflicht +mehr oder weniger sagst als wahr ist, so bist du kein Soldat. + +Jago. +Ruehret mich an keinem so empfindlichen Theil an: Ich wollte mir +lieber diese Zunge aus dem Mund reissen lassen, als dass ich meinem +Freund Cassio zum Schaden reden wollte: jedoch hoff' ich es koenne +ihm keinen Schaden thun, wenn ich die Wahrheit sage. So verhaelt +sich die Sache, General: Montano und ich waren in einem Gespraech +begriffen, als ein Bursche hereinzulauffen kam, der aus vollem Hals +um Huelfe schrie, und Cassio mit blossem Degen hinter ihm her, +vermuthlich um ihn abzustraffen. Hierueber gieng dieser Herr auf +den Cassio zu, und bat ihn sich zufrieden zu geben, ich selbst aber +lief dem schreienden Kerl nach, aus Furcht, sein Geschrey moechte +(wie es auch wuerklich begegnet ist,) die Stadt in Unruh sezen; +allein, da er schneller auf den Beinen war, so verlohr' ich ihn +gleich aus dem Gesicht, kehrte also wieder zuruek, um so mehr als +ich das Klingeln und Fallen von blossen Degen und den Cassio +gewaltig fluchen hoerte, welches ich vor dieser Nacht niemals haette +von ihm sagen koennen. Wie ich nun zuruek kam, so fand ich sie im +hizigsten Gefecht begriffen, kurz, in den nemlichen Umstaenden, +worinn ihr selbst sie auseinander gebracht habt. Mehr kan ich von +diesem Handel nicht sagen. Aber Menschen sind Menschen; die besten +vergessen sich zuweilen; und wenn ihm auch Cassio ein wenig zuviel +gethan hat, wie denn Leute in der Wuth oft ihre liebsten Freunde +schlagen, so glaub ich doch gewiss, dass Cassio von dem Burschen, der +entlaufen ist, irgend eine grobe Beleidigung, die nicht zu dulden +war, empfangen haben muss. + +Othello. +Ich sehe, Jago, dass dein gutes Gemueth und deine Liebe zu Cassio +seine Schuld zu verkleinern sucht. Cassio, ich liebe dich, aber du +bist mein Officier nicht mehr--(Desdemona, mit Gefolge, zu den +Vorigen.) Seht, ist nicht meine liebste Desdemona aufgestanden--ich +will dich zu einem Exempel machen. + +Desdemona. +Was ist hier zu thun? + +Othello. +Es ist alles in seiner Ordnung. Komm zu Bette, meine Liebe--Mein +Herr, ich will selbst der Arzt fuer eure Wunden seyn--Fuehrt ihn nach +Hause. Jago, lass dir die Beruhigung der Stadt angelegen seyn--Komm, + Desdemona; es ist einer von den Zufaellen des Soldaten-Lebens, oft +vom suessesten Schlummer durch kriegrisches Getuemmel aufgewekt zu +werden. + +(Sie gehen ab.) + + + +Dreyzehnte Scene. + (Jago und Cassio bleiben.) + + +Jago. +Wie, seyd ihr verwundet, Lieutenant? + +Cassio. +So, dass mir alle Wundaerzte der Welt nicht helfen koennen. + +Jago. +Das verhuete der Himmel! + +Cassio. +O Guter Name! Guter Name! Ich habe meinen guten Namen verlohren; +ich habe mein unsterbliches Theil verlohren, was mir uebrig +geblieben, ist ein blosses Thier. Meinen guten Namen, Jago, meinen +guten Namen!-- + +Jago. +So wahr ich ein Bidermann bin, ich dachte, ihr haettet irgend eine +tieffe Wunde in den Leib bekommen; das haette mehr zu bedeuten als +ein guter Name--Diese Schimaere, die so oft ohne Verdienste gewonnen, +und ohne Verschuldung verlohren wird. Ihr habt nichts verlohren, +als in so fern ihr euch einbildet, dass ihr was verlohren habt. Wie, +Mann--man kan Mittel finden, den General wieder zu gewinnen. Ihr +seyd nur noch muendlich cassiert, eine Straffe, worinn mehr Politik +als boeser Willen ist; gerade so, als wenn einer seinen unschuldigen +Hund schluege, um einen uebermuethigen Loewen zu erschreken. Gebt ihm +gute Worte, so ist er wieder euer. + +Cassio. +Ich wollte lieber selbst um meine Verwerfung bitten, als einen so +rechtschaffnen General mit einem so schlechten, so versoffenen, so +unbedachtsamen Officier betruegen. Besoffen? und plappern wie ein +Papagay? und Haendel anfangen? grosspralen? fluchen? und dummes +Zeug mit seinem eignen Schatten reden? O du unbaendiger Geist des +Weins, wenn du noch keinen Namen hast, woran man dich kennen kan, +so lass dich Teufel heissen. + +Jago. +Wer war der Kerl, den ihr mit dem Degen verfolgtet? was hatte er +euch gethan? + +Cassio. +Das weiss ich nicht. + +Jago. +Ists moeglich? + +Cassio. +Ich erinnere mich eines verworrenen Klumpens von Sachen, aber +nichts deutlich: Eines Handels, aber nicht warum. O dass ein Mann +einen Feind zu seinem Mund einlassen soll, damit er ihm seine +Vernunft wegstehlen koenne! dass wir faehig sind, mit lauter Freude, +Lust, Scherz und Wohlleben uns in Bestien zu verwandeln! + +Jago. +Nun, gebt euch zufrieden, ihr seyd wieder ganz wohl: Wie habt ihr +euch sobald wieder erholt? + +Cassio. +Der Teufel der Trunkenheit hat dem Teufel des Zorns Plaz gemacht; +eine Unvollkommenheit zeigt mir eine andre--o wie herzlich veracht' +ich mich selber! + +Jago. +Kommt, ihr seyd ein allzustrenger Moralist. In Betrachtung der +Zeit, des Orts und der gegenwaertigen Umstaende dieses Lands moecht' +ich selbst von Herzen wuenschen, es waere nicht begegnet; aber da es +nun einmal so ist wie es ist, so ergebt euch darein, und denkt +darauf, wie ihr's wieder gut machen wollt. + +Cassio. +Gesezt, ich geh, und bitt' ihn wieder um meine Stelle, so wird er +mir sagen, ich sey ein Trunkenbold--Haette ich so viele Maeuler als +die Hydra, eine solche Antwort wuerde sie mir alle stopfen. Izt ein +vernuenftiger Mensch seyn, bald darauf ein Narr, und dann ploezlich +gar ein Vieh--Ein jedes Glas das man zuviel trinkt ist verflucht, +und das Ingrediens davon ist ein Teufel. + +Jago. +Kommt, kommt, guter Wein ist ein guter (Spiritus familiaris,) wenn +man mit ihm umzugehen weiss: Keine Declamationen mehr dagegen!--Mein +lieber Lieutenant, ich hoffe doch, ihr glaubt, dass ich euer Freund +bin. + +Cassio. +Ihr habt mir Proben davon gegeben, mein Herr--Ich, betrunken!-- + +Jago. +Das ist etwas, das euch und einem jeden andern ehrlichen Mann in +der Welt einmal begegnen kan--Ich will euch sagen, was ihr thun +solltet. Unsers Generals Frau ist izt der General. Ich kan mich +dieses Ausdruks bedienen, weil er sich ganz und gar der Beschauung, +Betrachtung und Beherzigung ihrer Vollkommenheiten und Schoenheiten +gewiedmet und ueberlassen zu haben scheint. Macht ihr ein +freymuethiges Gestaendniss euers Fehlers, und lasst nicht ab, bis sie +euch verspricht euch wieder zu euerm Plaz zu helfen. Sie ist von +einer so grossmuethigen, so guetigen, so menschenfreundlichen Gemueths- +Art, dass sie es fuer einen Mangel an Guete hielte, nicht noch mehr zu +thun als man von ihr begehrt. Bittet sie, dieses zerbrochne Band +zwischen euch und ihrem Manne wieder zusammen zu loethen--und ich +will alles was ich habe gegen eine Steknadel sezen, eure +Freundschaft wird staerker werden als sie je gewesen ist. + +Cassio. +Euer Rath ist gut. + +Jago. +Er ist wenigstens gut gemeynt, und kommt aus einem aufrichtigen und +freundschaftlichen Herzen. + +Cassio. +Davon bin ich ueberzeuget; ich will es nicht laenger als bis morgen +frueh anstehen lassen, die tugendhafte Desdemona um ihr Vorwort zu +bitten; ich bin gaenzlich verlohren, wenn ich auf eine so +schimpfliche Art von hier gejagt werde. + +Jago. +Ihr habt recht; gute Nacht, Lieutenant; ich muss zur Wache sehen. + +Cassio. +Gute Nacht, redlicher Jago-- + +(Er geht ab.) + + + +Vierzehnte Scene. + + +Jago (allein.) +Und wo ist nun der, welcher sagen kan, ich spiele die Rolle eines +Spizbuben? Da der Rath, den ich ihm gebe, gut, ehrlich, von dem +wahrscheinlichsten Erfolg, ja in der That der gerade Weg ist, den +Mohren wieder zu gewinnen. Denn es ist etwas sehr leichtes die +gutherzige Desdemona zu bewegen, dass sie irgend eine erlaubte Bitte +beguenstige; sie ist von einer so ueberfliessend-wohlthaetigen Natur +wie die alles umfassenden Elemente. Und dann ist fuer sie wiederum +nichts leichters als den Mohren zu gewinnen, waer' es auch seinem +Taufbund zu entsagen, so gaenzlich ist seine Seele in ihrer Liebe +verstrikt; sie kan mit ihm anfangen was sie will, machen, wieder +vernichten, wie es ihrem Eigensinn nur belieben mag, den Gott mit +seiner Schwaeche zu spielen. Bin ich denn also ein Spizbube, dem +Cassio einen Weg zu rathen, der ihn so gerade zu seinem Besten +fuehrt? Beym Abgott der Hoelle! wenn Teufel ihre schwaerzeste Suenden +ausueben wollen, so taeuschen sie uns zuvor in himmlischen Gestalten-- +So mach' ichs wuerklich auch. Denn indess dass dieser ehrliche Thor +sich Desdemonen zu Fuessen wirft, um sein Gluek wieder herzustellen, +und sie alle ihre Macht ueber den Mohren zu Cassio's Vortheil +anwendet; ich will ihm den giftigen Argwohn in die Ohren blasen, +dass sie ihn nur zu Buessung ihrer Lust so gerne bey sich zu behalten +wuensche; und je eyfriger sie sich bemuehen wird, ihm Gutes zu thun, +je mehr wird sie ihren Credit in den Augen des Mohren verliehren. +So will ich ihre Tugend in Pech verwandeln, und aus ihrer Guete +selbst ein Nez machen, worinn sie alle gefangen werden sollen. Wo +kommt ihr her, Rodrigo? + + + +Fuenfzehnte Scene. + (Rodrigo zu Jago.) + + +Rodrigo. +Ich lauffe hier mit der Jagd, nicht wie ein Hund der jagt, sondern +nur, wie einer der schreyen hilft. Mein Geld ist beynah +aufgebraucht; heute Nachts bin ich ganz unvergleichlich abgepruegelt +worden; und ich denke, das Ende vom Liede wird seyn, dass ich so +viel Erfahrung fuer meine Muehe habe; und so werd' ich mit einem +leeren Beutel und einem Bisschen mehr Wiz wieder nach Venedig zuruek +kehren-- + +Jago. +Was fuer elende Leute sind doch die, so keine Geduld haben koennen! +Wenn heilt jemals eine Wunde anderst als nach und nach--Du weissst +doch, dass wir nicht zaubern koennen, sondern dass alles was wir thun, +natuerlich zugehen muss; und die Natur will ihre Zeit haben. Wo +fehlt es dann, lasst sehen? Cassio hat dich gepruegelt, und du hast +fuer ein paar arme Schlaege diesen Cassio cassiert--Was reiff werden +soll, muss erst bluehen. Gedulde dich noch ein wenig: Es ist +wuerklich schon Tag. Vergnuegen und Arbeit machen, dass uns die +Stunden kurz scheinen. Entfern' dich; geh, wohin du angewiesen +bist; geh, sag ich--du sollst bald mehr von mir hoeren--Nun, so geh +doch-- + +(Rodrigo geht.) + +Nun sind zwey Dinge zu thun; mein Weib muss fuer den Cassio zur +Desdemonen gehen, und das will ich bald veranstaltet haben; ich muss +indess den Mohren auf die Seite nehmen, und ihn nicht eher wieder +erscheinen lassen, als gerade wenn er den Cassio bey seiner Frauen +ueberraschen kan--ja, so muss es gehen--und das Eisen soll +geschmiedet werden, weil es noch warm ist. + +(Er geht ab.) + + + + +Dritter Aufzug. + + + +Erste Scene. + (Vor Othello's Pallast.) + (Cassio, mit Musicanten, tritt auf.) + + +Cassio. +Meine Herren, hier spielt eins, (ich will eure Muehe vergelten,) +etwas das nicht zu lange waehrt, und dann wuenscht dem General einen +guten Morgen. + +(Die Musik faengt an; Hans Wurst kommt aus dem Hause heraus.) + +Hans Wurst. +Wie, ihr Herren, sind eure Instrumente in Neapel gewesen, dass sie +so durch die Nase reden?--Hier ist Geld fuer euch; eure Musik +gefaellt dem General so wol, dass er wuenscht, ihr moechtet ihm den +Gefallen thun, und nicht gar zu laut damit seyn. + +Musicant. +Gut, Herr, wir wollen's leiser machen. + +Hans Wurst. +Wenn ihr eine Musik habt, die man nicht hoert, so macht immer fort: +Aber was man heisst, Musik zu hoeren, davon ist der General kein +sonderlicher Liebhaber. + +Musicant. +Eine Musik, die man nicht hoert?--Wir koennen eine solche, Herr. + +Hans Wurst. +So stekt eure Pfeiffen wieder in euern Sak, und zieht ab. Geht, +zerfliesst in Luft, fort. + +(Die Musicanten gehen ab.) + +Cassio. +Hoerst du, guter Freund? + +Hans Wurst. +Mit beyden Ohren. + +Cassio. +Hier ist ein kleines Goldstuek fuer dich; wenn die Kammer-Frau der +Generalin auf ist, so sag' ihr, es sey ein gewisser Cassio da, der +sich die Erlaubniss ausbitte, ein paar Worte mit ihr zu reden. +Willt du? + +Hans Wurst. +Sie ist auf, Herr; wenn sie mir in den Wurf kommt, so will ich +nicht ermangeln, es ihr zu notificieren. + +(Er geht.) + +Cassio. +Thu das, guter Freund--Da kommt Jago eben recht. + +Jago. (zu ihm.) +Ihr seyd also nicht zu Bette gegangen? + +Cassio. +Nein, gewiss nicht; der Tag brach ja schon an, eh wir schieden. Ich +bin so frey gewesen, und habe eure Frau hieher bitten lassen; ich +will sie ersuchen, sie moechte mir Zutritt bey Desdemona verschaffen. + +Jago. +Ich will sie augenbliklich hieher schiken, und indess ein Mittel +ausfindig machen, um den Mohren auf die Seite zu bringen, damit ihr +ungehindert mit Desdemonen sprechen koennt. + +(Er geht ab.) + +Cassio. +Ich dank euch gehorsamst davor--In meinem Leben hab' ich keinen +gutherzigern und ehrlichern Florentiner gesehen! (Aemilia zu +Cassio.) + +Aemilia. +Guten Morgen, Herr Lieutenant. Es ist mir leid, dass ihr Verdruss +gehabt habt; aber ich hoffe, es wird alles wieder gut werden. Der +General und seine Gemahlin reden mit einander davon, und sie nimmt +eure Parthey sehr lebhaft. Der Mohr haelt ihr entgegen, derjenige, +den ihr verwundet haettet, sey ein Mann von grossem Namen in Cypern, +und von einer ansehnlichen Familie; er koenne aus politischen +Ursachen nicht anders, als euch von sich entfernen. Jedoch +versichert er zu gleicher Zeit, er liebe euch, und habe keine andre +Fuerbitter noethig, um euch wieder bey ihm in Gunst zu sezen, als +seine eigne Zuneigung. + +Cassio. +Ich bitte euch dem ungeachtet, wenn ihr anders glaubt dass es +schiklich sey, und wenn es sich thun laesst, mir Gelegenheit zu +verschaffen, dass ich ein paar Worte mit Desdemonen allein sprechen +koennte. + +Aemilia. +Ich bitte euch, kommt herein; ich will euch an einen Ort fuehren, wo +ihr Gelegenheit haben sollt, ihr alles zu sagen was ihr auf dem +Herzen habt. + +Cassio. +Ich bin euch sehr dafuer verbunden. + +(Sie gehen ab.) + + + +Zweyte Scene. + (Othello, Jago, und etliche Cyprische Edelleute.) + + +Othello. +Diese Briefe, Jago, gieb dem Schiffs-Patron, und bitte ihn, dem +Senat meine Schuldigkeit zu bezeugen. Ich will indessen einen Gang +in die Vestungs-Werker thun, mache, dass du dort wieder zu mir +kommst. + +Jago. +Ich werde nicht ermangeln, gnaediger Herr. + +Othello. +Wollen wir gehen, meine Herren, und die Vestung besehen? + +Edelleute. +Wir werden die Ehre haben, Eu. Gnaden zu begleiten. + +(Sie gehen ab.) + + + +Dritte Scene. + (Verwandelt sich in das Zimmer im Pallast.) + (Desdemona, Cassio, und Aemilia.) + + +Desdemona. +Sey versichert, mein guter Cassio, ich will alle meine Vermoegenheit +zu deinem Besten anwenden. + +Aemilia. +Thut es, liebste Madam; ich weiss, es bekuemmert meinen Mann, als ob +es seine eigne Sache waere. + +Desdemona. +Ich glaub' es, er ist ein guter Mensch; zweifelt nicht, Cassio, ich +will meinen Herrn und euch wieder zu so guten Freunden machen, als +ihr gewesen seyd. + +Cassio. +Meine grossmuethigste Gebieterin, was auch aus Cassio werden mag, so +wird er nie was anders als euer getreuer Diener seyn. + +Desdemona. +Ich weiss es; ich danke euch; ihr liebet meinen Gemahl; ihr kennt +ihn schon lange; und seyd vollkommen versichert, er wird in dieser +Entfernung von euch nicht weiter gehen, als er durch politische +Ursachen sich genoethigt sehen wird. + +Cassio. +Sehr wohl, Gnaedige Frau; aber diese politische Freundschaft kan so +lange waehren, und indess mit einer so leichten und waessrichten +Nahrung unterhalten werden, dass, indem ich abwesend bin, und ein +andrer meine Stelle inne hat, mein General meiner Ergebenheit und +meiner Dienste endlich gaenzlich vergessen wird. + +Desdemona. +Macht euch keine solche Gedanken; hier in Aemiliens Gegenwart +verbuerg' ich mich selbst fuer deine Stelle. Versichre dich, wenn +ich meine Freundschaft verspreche, so darf man sich darauf +verlassen, dass ich ihre Pflichten bis auf den aeussersten Punkt +erfuellen werde. Mein Gemahl soll keine Ruhe haben, bis er sich +ergeben wird; er soll Tag und Nacht nichts anders hoeren, ich will +ihn bis in sein Bette damit verfolgen, und er soll nichts sagen +noch thun koennen, wovon ich nicht den Anlas nehme, ihn an Cassio's +Gesuch zu erinnern; sey also ruhig, Cassio; deine Sachwalterin soll +eher das Leben lassen, ehe sie deine Sache aufgeben soll. + + + +Vierte Scene. + (Othello und Jago treten von der Seite, in einiger Entfernung auf.) + + +Aemilia. +Gnaedige Frau, dort kommt euer Gemahl. + +Cassio. +So will ich meinen Abschied nehmen, Gnaedige Frau. + +Desdemona. +Warum dann? Bleibt da, und hoert mich reden. + +Cassio. +Izt nicht, Gnaedige Frau; ich bin so uebel aufgeraeumt, dass ich meiner +Sache keinen guten Schwung geben wuerde. + +(Cassio geht ab.) + +Desdemona. +Gut, nach euerm Belieben. + +Jago (leise.) +Ha! Das gefaellt mir nicht zum Besten-- + +Othello (zu Jago.) +Was sagst du? + +Jago. +Nichts, Gnaediger Herr; oder wenn--ich weiss selbst nicht was. + +Othello. +Gieng nicht diesen Augenblick Cassio von meiner Frauen weg? + +Jago. +Cassio, Gnaediger Herr?--Nein, versichert, ich kan mir nicht +vorstellen, dass er sich, sobald er euch kommen sieht, so eilfertig +davon schleichen wuerde, als ob er kein gutes Gewissen haette. + +Othello. +Ich glaube nicht anders als er war's. + +Desdemona. +Wie steht's, mein Gemahl? Ich sprach eben izt mit einem +Supplicanten, einem Mann, den eure Ungnade sehr unglueklich macht. + +Othello. +Und wer ist dieser Mann? + +Desdemona. +Wer sollt es seyn als euer Lieutenant, Cassio? Liebster Gemahl, +wenn ich nur das mindeste Vermoegen ueber euer Herz habe, so soehnt +euch auf der Stelle wieder mit ihm aus. Wenn er nicht ein Mann ist, + der euch aufrichtig liebt, und der aus blosser Uebereilung und +nicht mit Vorsaz gefehlt hat, so versteh ich nichts davon was ein +ehrliches Gesicht ist. + +Othello. +War er's, der nur eben weggieng? + +Desdemona. +Und so niedergeschlagen, dass er meinem mitleidigen Herzen einen +Theil seines Kummers zuruekgelassen hat. Ich bitte euch, mein Schaz, +lasst ihn zuruekruffen. + +Othello. +Noch nicht, liebste Desdemona, ein andermal. + +Desdemona. +Aber doch bald? + +Othello. +Bald genug, mein Herz, fuer dich. + +Desdemona. +Heute, Abends, zum Nacht-Essen? + +Othello. +Das nicht. + +Desdemona. +Also doch morgen auf den Mittag? + +Othello. +Ich esse morgen mit einigen Officiers in der Citadelle zu Mittag. + +Desdemona. +Nun, also doch Morgen Nachts, oder Dienstag Morgens oder Nachts, +oder Mittwoch Morgens, ich bitte dich, bestimme die Zeit; aber lass +es nicht laenger als drey Tage seyn; bey meiner Treue, er ist +bussfertig; und doch ist sein Verbrechen, nach der gemeinen Art +davon zu urtheilen und bey Seite gesezt, dass in Kriegszeiten von +einem Officier das beste Exempel gefordert wird, eine kleine +Uebereilung, die kaum einen Privat-Verweis verdient--Wenn soll er +kommen? Sag mir's, Othello! Mich nimmt in der Seele Wunder, was +ihr mich bitten koenntet, das ich euch abschlagen wuerde, oder wobey +ich so verdrieslich dastuehnde! Wie? Michael Cassio!--Der eurer +Liebe zu mir so gute Dienste leistete; der so oft, wenn ich nicht +sehr vortheilhaft von euch sprach, eure Parthey nahm--und ich soll +soviel Muehe haben, ihn wieder bey euch in Gunst zu sezen? Glaubt +mir auf mein Wort, ich wollte wohl mehr-- + +Othello. +Ich bitte dich, lass es genug seyn; er kan kommen, wenn er will; ich +will dir nichts abschlagen. + +Desdemona. +Wie, das ist keine Gefaelligkeit, die ich fuer mich bitte; es ist als +ob ich euch bitte eure Kleider zu tragen oder von einer gesunden +Speise zu essen, oder euch warm zu halten; kurz, als ob ich bey +euch darum anhielte, dass ihr euch selbst etwas zu gut thun moechtet. +Nein, wenn ich eine Bitte habe, wodurch ich eure Liebe in der That +auf die Probe zu stellen gedenke, so soll es etwas schweres und +grosses seyn, etwas das Herz erfordert, um bewilliget zu werden. + +Othello. +Ich werde dir nichts abschlagen, und alles was ich mir dagegen von +dir ausbitte, ist, dass du mich izt ein wenig allein lassen wollest. + +Desdemona. +Sollt' ich euch's abschlagen? Nein; lebt wohl, mein Gemahl. + +Othello. +Lebe wohl, meine Desdemona, ich will gleich folgen. + +Desdemona. +Aemilia, komm; seyd wie es euch eure Laune eingiebt, ihr moegt seyn +wie ihr wollt, so bin ich gehorsam. + +(Sie gehen ab.) + + + +Fuenfte Scene. + (Othello und Jago bleiben.) + + +Othello. +Anmuthsvolle Spizbuebin!--Verderben erhasche meine Seele, wenn ich +dich nicht liebe--und wenn ich dich nicht mehr liebe, so ist die +Welt wieder zum Chaos worden. + +Jago. +Mein Gebietender Herr-- + +Othello. +Was willt du sagen, Jago? + +Jago. +Wie ihr euch um eure Gemahlin bewarbet, wusste Michael Cassio etwas +von eurer Liebe? + +Othello. +Allerdings, vom Anfang bis zum Ende: Warum fragst du? + +Jago. +Bloss zu meiner eignen Befriedigung; es hat gar nichts boeses zu +bedeuten. + +Othello. +Warum zu deiner eignen Befriedigung? + +Jago. +Ich glaubte nicht, dass er etwas davon gewusst habe. + +Othello. +Oh, ja, das hat er, und er war oft die Mittels-Person zwischen uns +beyden. + +Jago. +In der That! + +Othello. +In der That? Ja, in der That! Siehst du was hierinn? Ist er +nicht ein rechtschaffner Mann? + +Jago. +Rechtschaffen, Gnaediger Herr? + +Othello. +Rechtschaffen? Ja, rechtschaffen! + +Jago. +Gnaediger Herr, so viel ich weiss. + +Othello. +Was denkst du? + +Jago. +Denken, Gnaediger Herr! + +Othello. +Denken, Gnaediger Herr!--Wie, beym Himmel! Was meynst du damit, dass +du mir immer nachhallest, gleich als ob irgend ein Ungeheuer, zu +graesslich um gezeigt zu werden, in deinen Gedanken verborgen laege? +Du meynst etwas damit; vor einer kleinen Weile hoert' ich dich sagen, +(das gefalle dir nicht)--wie Cassio von meinem Weibe weggieng. +Was gefiel dir nicht?--Und wie ich dir sagte, er sey waehrend dem +ganzen Lauf meiner Bewerbung um Desdemona mein Vertrauter gewesen, +riefst du, (in der That?) und zogst deine Augbraunen auf eine Art +zusammen, als ob du in selbem Augenblik irgend einem scheusslichen +Gedanken in deinem Gehirn den Ausgang versperren wolltest: Wenn du +mein Freund bist, so sage mir was du denkst. + +Jago. +Gnaediger Herr, ihr wisst, dass ich euer Freund bin. + +Othello. +Ich denke, du bist's: Und weil ich weiss, dass du ein gutherziger, +ehrlicher Mann bist, und deine Worte wiegst, eh du ihnen Athem +giebst, so schreken mich diese Pausen an dir; denn wenn es an einem +falschen unredlichen Spizbuben ein Kunstgriff oder auch oft bloss +ein angewoehntes Wesen ist, das nichts zu bedeuten hat; so ist es +hingegen an einem rechtschaffnen Mann ein Zeichen, dass er sich Muehe +giebt etwas in seinem Herzen zurueck zu halten, dessen Entdekung +schlimme Folgen habe koennte. + +Jago. +Was Michael Cassio betrift, so darf ich schwoeren, dass ich ihn fuer +einen ehrlichen Mann halte. + +Othello. +Dafuer halt' ich ihn auch. + +Jago. +Die Leute sollten seyn, was sie scheinen; oder die es nicht sind, +von denen waere zu wuenschen, dass sie auch so aussaehen, wie Schelmen. + +Othello. +Es ist wahr, die Leute sollten seyn, was sie scheinen. + +Jago. +Nun, ich denke also, Cassio ist ein ehrlicher Mann. + +Othello. +Nein, du willt mehr damit sagen; ich bitte dich, rede mit mir, wie +mit deiner eignen Seele, und gieb deinem aergsten Gedanken auch den +aergsten Ausdruk. + +Jago. +Mein liebster General, verschonet mich. Ob ich euch gleich einen +vollkommnen Gehorsam schuldig bin, so bin ich doch dazu nicht +verbunden, worinn alle Sclaven frey sind--euch meine Gedanken zu +sagen--Wie? gesezt, sie seyen einmal falsch, schaendlich; wo ist +der Pallast, in den sich nicht zuweilen garstige Dinge eindraengen? +Wer hat ein so reines Herz, das nicht manchmal unziemliche +Vorstellungen sich unter seine guten Gedanken einmischen sollten? + +Othello. +Du bist ein Verraether an deinem Freund, Jago, wenn du glaubst, er +werde betrogen, und ihm doch nicht entdekest was du denkst. + +Jago. +Ich denke, dass ich mich vielleicht in meiner Muthmassung betruege; +(wie ich dann bekennen muss, dass es ein unglueklicher Fehler meines +Temperaments ist, zum Misstrauen geneigt zu seyn, und mir eine Sache +manchmal schlimmer einzubilden als sie ist,) ich bitte euch also, +Gnaediger Herr, euch selbst aus den ungefehren und unsichern +Bemerkungen eines Menschen, den sein Argwohn so leicht betruegen kan, +keine Ursachen zur Unruhe zu ziehen: Es waere nicht gut fuer euch, +und nicht ehrlich und vernuenftig an mir, wenn ich euch meine +Gedanken wollte wissen lassen. + +Othello. +Was meynst du damit? + +Jago. +Der gute Name, mein liebster gnaediger Herr, ist bey Manns- und +Weibsleuten ein Kleinod das ihnen so theuer seyn soll als ihre +Seele. Wer mir mein Geld stiehlt, stiehlt Quark; es ist etwas und +ist nichts; es war mein, nun ists sein, und ist schon ein Sclave +von Tausenden gewesen; aber wer mir meinen guten Namen nimmt, +beraubt mich eines Schazes, der ihn nicht reicher und mich in der +That arm macht. + +Othello. +Ich will wissen, was du denkst-- + +Jago. +Ihr koenntet das nicht, wenn ihr gleich mein Herz in eurer Hand +haettet; und sollt es nicht, so lang es in meiner Verwahrung ist. + +Othello. +Ha! + +Jago. +Oh, Gnaediger Herr, nehmt euch vor der Eifersucht in Acht; sie ist +ein gruen-aeugiges Ungeheuer, das sich toller Weise von demjenigen +naehrt was es am meisten verabscheut. Mancher betrogne Ehemann ist +seines Schiksals gewiss, ohne desto unglueklicher zu seyn, weil ihm +seine Ungetreue gleichgueltig ist--Aber, o was fuer unselige Minuten +zaehlt derjenige ueber, der vor Liebe schmachtet und doch zweifelt; +der argwoehnet, und nur desto heftiger liebt! + +Othello. +Ein elender Zustand, beym Himmel! + +Jago. +Arm und zufrieden, ist reich und reich genug; aber ein +unermesslicher Reichthum ist so arm als der Winter fuer denjenigen, +der immer besorgt, es werde ihm ausgehen. Guetiger Himmel! bewahre +alle menschlichen Herzen vor Eifersucht! + +Othello. +Wie? Was meynst du damit? Denkst du, ich wollte jemals mein Leben +in Eifersucht zubringen? Die Monds-Veraenderungen unverwandt mit +argwoehnischen Augen begleiten? Nein, einmal zweifeln heisst bey mir +entschlossen seyn. Tausche mich gegen eine Ziege aus, wenn ich +jemals faehig bin meine Seele so missgeschaffnen Gespenstern einer +kranken Phantasie Preiss zu geben, als du dir einbildest. Das kan +mich nicht eifersuechtig machen, wenn jemand sagt, mein Weib ist +schoen, isst mit gutem Appetit, liebt Gesellschaft, ist munter, +gespraechig, singt, spielt und tanzt gut; an einer tugendhaften +Person werden diese Dinge selbst zu Tugenden. Eben so wenig werd' +ich jemals von meinen eignen Unvollkommenheiten Anlas zum kleinsten +Zweifel oder Verdacht einer Untreue von ihrer Seite nehmen; denn +sie hatte Augen und waehlte mich. Nein, Jago; ich will sehen eh ich +zweifle; wenn ich zweifle, so will ich Beweise; und sobald ich +diese habe, weg auf einmal mit Liebe und Eifersucht! + +Jago. +Das hoer' ich sehr gerne; dann nun darf ich mir also kein Bedenken +mehr machen, euch die Freundschaft und Ergebenheit sehen zu lassen, +die ich zu euch trage. Nehmt also was ich sagen werde so auf, wie +es gemeynt ist. Ich rede noch nicht von Beweisen; gebt auf eure +Gemahlin Acht, habt ein aufmerksames Auge auf sie und Cassio, das +ist alles was ich sagen kan: Nicht eifersuechtig, aber auch nicht +sicher; ich moechte nicht gerne, dass ein so edles Gemuethe wie das +eurige, aus einem Uebermaass von angebohrner Gutherzigkeit betrogen +wuerde; seht euch also vor. Ich kenne die Venetianische Landes-Art; +in Venedig bekuemmern sie sich wenig, ob der Himmel ein Zeuge ihrer +Streiche ist, wenn nur ihre Maenner nichts davon gewahr werden; ihre +groeste Gewissenhaftigkeit geht insgemein nicht weiter, als dass sie +niemand zusehen lassen, wenn sie suendigen. + +Othello. +Sagst du das? + +Jago. +Sie betrog ihren Vater, wie sie sich euch ergab; und zu eben der +Zeit, da sie euch am heftigsten liebte, stellte sie sich, als ob +sie sich vor euch fuerchte. + +Othello. +Das machte sie wuerklich so. + +Jago. +Macht also den Schluss; konnte sie, so jung, so unschuldig als sie +war, sich so gut verstellen, dass ihr eigner Vater von allem was in +ihrem Herzen vorgieng, nichts gewahr werden konnte--Er dachte, es +muesse nothwendig Zauberey dabey gebraucht worden seyn--Doch ich bin +sehr zu tadeln: Ich bitte euch recht demuethig um Vergebung, dass ich +mich von meiner Liebe zu euch so weit verleiten lasse. + +Othello. +Ich bin euch auf immer dafuer verbunden. + +Jago. +Ich sehe doch, es hat eure Lebensgeister ein wenig in Unordnung +gebracht. + +Othello. +Im mindsten nicht, im mindsten nicht! + +Jago. +Glaubt mir, ich besorge, es ist so etwas; ich hoffe wenigstens, ihr +werdet ueberzeugt seyn, dass, was ich sagte aus Freundschaft zu euch +geflossen ist. Aber, ich seh' es, ihr seyd beunruhigt--Ich bitte +euch recht instaendig, meinen Reden keine schlimmere Auslegung zu +geben, als meine Meynung ist. + +Othello. +Das will ich auch nicht. + +Jago. +Thaetet ihr's, Gnaediger Herr, so koenntet ihr Folgen daraus ziehen, +an die ich in der That nie gedacht habe. Cassio ist mein Freund +und ein Mann der Verdienste hat--Gnaediger Herr, ich sehe, ihr seyd +unruhig-- + +Othello. +Nein, nicht sonderlich unruhig--ich denke nichts anders, als +Desdemona ist tugendhaft. + +Jago. +Lange lebe sie so! Und lange moeget ihr leben, so zu denken! + +Othello. +Und doch, wenn die Natur einmal aus ihrem Geleis getreten ist-- + +Jago. +Das ist eben der Punct--Dass sie (wenn ich so frey seyn darf, es +herauszusagen) so viele Partheyen, die ihr natuerlicher Weise haetten +angemessner scheinen sollen, abgewiesen hat, um sich einem Liebhaber +zu ergeben, dessen Landesart, Farbe und Alter dem ihrigen so +entgegen gesezt war. In der That, das scheint etwas +ausschweiffendes in ihrem Gemueth, eine gewisse Ueppigkeit und +Unordnung ihrer Einbildung und ihrer Neigungen anzuzeigen. Doch +ich bitte euch um Vergebung, ich rede eigentlich nicht von ihr ins +besondere; ob ich gleich nicht ohne alle Sorge bin, so koennte, bey +kuehlerm Blut, darauf fallen, eure Gestalt mit derjenigen von ihren +Landsleuten zu vergleichen, und sich vielleicht ihre Wahl gereuen +zu lassen. + +Othello. +Leb wohl, leb wohl; wenn du etwas weiters merkest, so lass mich's +wissen: Trag es deiner Frau auf, sie genau zu beobachten. Verlass +mich, Jago. + +Jago. +Ich beurlaube mich, gnaediger Herr. + +(Er geht.) + +Othello. +O warum heurathete ich! Dieser ehrliche Mann sieht und weiss ohne +Zweifel mehr, weit mehr, als er sagt. + +Jago (wieder zuruekkommend.) +Gnaediger Herr, ich wollt' ich duerfte Eu. Gnaden bitten, dieser +Sache nicht weiter nachzuhaengen; ueberlasst es der Zeit; ob es gleich +ganz gut waere, dass Cassio wieder seine Stelle haette, (denn in der +That, bekleidete er sie mit grosser Geschiklichkeit,) so wuerdet ihr +doch, wenn es euch gefiele ihn noch eine Zeitlang in der +Ungewissheit zu lassen, dabey Anlass finden, ihn und sein Betragen +besser kennen zu lernen. Gebt auch acht, ob eure Gemahlin seine +Wiedereinsezung mit Merkmalen von Ungestuem und Heftigkeit betreiben +wird; daraus wuerde sich vieles abnehmen lassen. Mittlerweile +glaubet lieber, ich treibe meine Besorgnisse zu weit, und begegnet +ihr so, dass sie keine Veraenderung spueren koenne; ich bitte Eu. +Gnaden sehr darum. + +Othello. +Verlass dich hierueber auf meine Klugheit. + +Jago. +Ich empfehle mich nochmals. + +(Er geht ab.) + + + +Sechste Scene. + (Othello allein.) + + +Othello. +Dieser Bursche ist der ehrlichste Mensch von der Welt, und kennt +die Menschen und den Lauf der Welt meisterlich: Find' ich sie +unkeusch, so soll alle meine Liebe sie nicht vor meinem Grimm +retten--Vielleicht weil ich schwarz bin, und keine von den +einschmeichelnden Eigenschaften im Umgang habe, die das ganze +Verdienst dieser Jungfern-Knechte ausmachen; oder weil ich schon im +herabsteigenden Alter bin--Doch, das will nicht viel sagen--Sie ist +hin, ich bin betrogen, und mein Trost muss seyn, einen Ekel vor ihr +zu fassen. O der Fluch des Ehestandes! Dass wir diese reizenden +Geschoepfe unser nennen koennen, und nicht ihre Neigungen! Ich +wollte lieber eine Kroete seyn, und von den Ausduenstungen einer +Mistgrube leben, als in dem was ich liebe, einen Winkel fuer eines +andern Gebrauch zu wissen. Und doch ist das die gewoehnliche Plage +der Grossen, die hierinn unglueklicher als die Geringen sind; es ist +ein unvermeidliches Schiksal wie der Tod--Hier kommt sie ja! +(Desdemona und Aemilia treten auf.) Wenn sie ungetreu ist, so +spottet der Himmel seiner selbst. Ich kan es nicht glauben! + +Desdemona. +Wie geht's, mein liebster Othello? Euer Mittag-Essen, und die +edeln Insulaner, die ihr dazu eingeladen habt, warten auf eure +Gegenwart. + +Othello. +Ich bin zu tadeln. + +Desdemona. +Warum redet ihr so schwach? Fehlt euch was? + +Othello. +Ich hab' einen Schmerz hier an meiner Stirne. + +Desdemona. +Das kommt nur, weil ihr zu viel gewacht habt, es wird bald wieder +vergehen. Erlaubt mir nur, dass ich euch die Stirne hart verbinde, +so wird es in einer Stunde wieder besser seyn. + +(Sie zieht ihr Schnupftuch heraus, um es ihm umzubinden.) + +Othello. +Euer Schnupftuch ist zu klein: lasst es gut seyn: Kommt, ich will +mit euch gehen. + +(Das Schnupftuch entfaellt ihr, indem sie es einsteken will.) + +Desdemona. +Es ist mir recht leid, dass ihr nicht wohl seyd. + +(Sie gehen ab.) + + + +Siebende Scene. + (Aemilia bleibt zuruek.) + + +Aemilia (indem sie das Schnupftuch aufliesst.) +Ich bin froh, dass ich dieses Schnupftuch gefunden habe; das war das +erste Geschenk, das sie von dem Mohren empfieng. Mein wunderlicher +Mann hat mir schon hundertmal gute Worte gegeben, dass ich es +stehlen sollte. Allein sie liebt es so sehr, (denn er beschwor sie, +es immer zu seinem Andenken zu behalten,) dass sie es immer mit +sich herum traegt, um es zu kuessen und damit zu schwazen. Ich will +den Riss von der Stikerey abzeichnen, und es dann dem Jago geben; +was er damit machen will, weiss der Himmel, nicht ich: Ich habe +nichts dabey, als seine Grille zu befriedigen. (Jago tritt auf.) + +Jago. +Wie steht's? Was macht ihr hier allein? + +Aemilia. +Schmaehlt mich nicht; ich hab etwas fuer euch. + +Jago. +Ihr habt etwas fuer mich? Es ist etwas gemeines-- + +Aemilia. +Wie? + +Jago. +Ein naerrisches Weib zu haben. + +Aemilia. +O, ist das alles? Was gebt ihr mir fuer dieses Schnupftuch? + +Jago. +Was fuer ein Schnupftuch? + +Aemilia. +Was fuer ein Schnupftuch?--Wie, das so der Mohr Desdemonen gab; das +nemliche, wo ihr mich so lange schon stehlen hiesset. + +Jago. +Hast du ihr's gestohlen? + +Aemilia. +Nein; aber sie liess es aus Versehen entfallen, und da ich zu allem +Gluek dabey war, so hub ich's auf; sieh, da ist es. + +Jago. +Du bist ein braves Mensch; gieb mir's. + +Aemilia. +Was wollt ihr damit machen, dass ihr so ernstlich haben wolltet, dass +ich's stehlen sollte? + +Jago. +Wie, was geht das dich an? + +Aemilia. +Wenn es nicht zu irgend einem Vorhaben von Wichtigkeit ist, so gebt +mir's wieder. Die arme Frau! Sie wird naerrisch werden, wenn sie +es missen wird. + +Jago. +Thut nicht, als ob ihr was davon wisst. Ich hab es noethig. Geh, +lass mich allein-- + +(Aemilia geht ab.) + +Izt will ich dieses Schnupftuch in Cassio's Quartier verliehren, +und es ihn finden lassen. Die aermsten Kleinigkeiten sind fuer +eifersuechtige Leute so starke Bekraeftigungen, als Beweise aus der +Bibel. Dieses Ding kan zu was gut sein. Das Gift das ich dem +Mohren beygebracht habe, fangt schon an bey ihm zu wuerken: +Argwoehnische Einbildungen haben in der That die Natur des Gifts, +welches man anfangs am Geschmak kaum erkennen kan: aber sobald es +ins Blut uebergeht, wie eine Schwefel-Mine brennt--Das sagt ich! + + + +Achte Scene. + + +Jago. +Seht, da kommt er! Weder Mohn-Saamen, noch Mandragora, noch alle +einschlaefernde Saefte in der Welt zusammen genommen werden dir +jemals diesen suessen Schlaf wiedergeben, den du gestern noch +hattest-- + +Othello (vor sich.) +Ha! Sie soll mir untreu seyn! + +Jago. +Wie, wie stehts, General? Nichts solches mehr! + +Othello. +Hinweg! fort! Du spannst mich auf die Folter: Ich schwoer' es, es +ist besser mit seinen Augen sehen, dass man betrogen wird, als nur +besorgen muessen, dass man's sey. + +Jago. +Wie, Gnaediger Herr? + +Othello. +Was wusst' ich von ihren verstohlnen Ausschweiffungen? Ich sah sie +nicht, ich dachte nicht daran, sie thaten mir kein Leid; ich +schlief die Nacht darauf wohl; war ruhig und froh; ich fand +Cassio's Kuesse nicht auf ihren Lippen. Lasst den der bestohlen ward +und das Gestohlne nicht vermisst, lasst ihn nichts davon wissen, und +es ist soviel als ob er gar nicht bestohlen worden waere. + +Jago. +Ich bedaure, dass ich solche Dinge hoeren muss. + +Othello. +Und haette das ganze Lager bis auf die Trossbuben herab, ihren holden +Leib gekostet, und ich wuesste nur nichts davon, so waer' ich glueklich. +Aber, o! nun auf ewig fahr wohl, Ruhe des Gemueths! Fahr wohl, +Zufriedenheit! Fahret wohl, ihr mit Federbueschen geschmuekten +Schaaren; und du, stolzer Krieg, der die schwellende Seele mit +edler Ruhmbegierde fuellt: O fahret wohl! Fahret wohl wiehernde +Stuten, schmetternde Trompete, Muth-erwekende Trummel, und du +muntre Queer-Pfeiffe, koenigliches Panner, und der ganze Prunk und +Pomp des glorreichen Kriegs! Und, o! ihr toedtlichen Werkzeuge, +deren eherner Rachen Jupiters furchtbaren Donner nachahmt, fahret +wohl! Othello's Arbeit ist gethan! + +Jago. +Ist's moeglich, Gnaediger Herr?-- + +Othello. +Nichtswuerdiger, sey gewiss, dass du mir beweisen kanst, dass meine +Liebe eine Hure ist; sey dessen gewiss, gieb mir eine sichtbare +Probe-- + +(Er fasst ihn wuethend an.) + +Oder, beym Werth der unsterblichen Seele des Menschen! es waere dir +besser, wenn du ein Hund gebohren worden waerest, als meinem +aufgeschrekten Grimm zu begegnen. + +Jago. +Ist es dazu gekommen? + +Othello. +Lass mich's sehen; oder beweis es wenigstens so, dass kein Schatten +eines Zweifels uebrig bleibe: Oder weh deinem Leben! + +Jago. +Mein edler Gebieter-- + +Othello. +Wenn du sie unschuldig angeklagt, und mich auf diese Folterbank +geschraubt hast, so bete nicht mehr, erstik dein Gewissen, haeuffe +Greuel auf Greuel, begeh Suenden, dass der Himmel weinen und die Erde +sich entsezen muss; du kanst nichts aergers thun, um das Maass deiner +Verdammniss voll zu machen als du schon gethan hast. + +Jago. +O! Barmherzigkeit! Der Himmel steh mir bey! Seyd ihr ein Mann? +Habt ihr eine Seele? oder ein menschliches Gefuehl? Gott sey bey +euch; nehmt mir mein Amt, und wenn ihr wollt, mein Leben dazu--O +ich unglueklicher Thor, dass ich erleben soll dass meine Ehrlichkeit +zum Verbrechen gemacht wird! O Welt! Welt! Das ist dein Lauff; +ehrlich und aufrichtig, ist sein eigner Feind seyn. Ich dank' euch +fuer diesen Unterricht; von nun will ich der Freundschaft gute Nacht +geben, und niemand mehr lieben als mich selbst. + +Othello. +Nein, warte--Du solltest ehrlich seyn-- + +Jago. +Ich sollte klug seyn; Ehrlichkeit ist ein Narr, der jedermann gutes +thut, und nur sich selbst schadet. + +Othello. +Bey allem was in der Welt ist, ich denke mein Weib ist unschuldig, +und denke sie ists nicht; ich denke du bist rechtschaffen, und +denke du bist's nicht; ich will Beweis haben. Ihr Name, der so +frisch war wie Dianens Antliz, ist nun so schwarz als mein eignes. +Nein, wenn noch Strike, noch Dolche, noch Gift, Feuer oder Wasser +in der Welt sind, so will ich diese Pein nicht laenger ausstehen-- +Ich wollt' ich waere meines Schiksals gewiss! + +Jago. +Ich sehe, Gnaediger Herr, ihr werdet von eurer Leidenschaft +aufgerieben. Es reut mich, dass ich Anlas dazu gegeben habe. Ihr +wollt eures Schiksals gewiss seyn? + +Othello. +Ja, das will ich. + +Jago. +Und koennt; aber wie? wie gewiss seyn, Gnaediger Herr? wolltet ihr +ein Augenzeuge seyn--mit weitoffnen Augen zusehen? Sehen wie sie-- + +Othello. +Tod und Verdammniss! oh! + +Jago. +Ich denk' es wuerde schwer halten, sie so vertraulich zu machen: Bey +solchen Spielen liebt man keine fremde Augen zu Zuschauern. Was +dann? Wie dann? Was soll ich sagen? Was nennt ihr Gewissheit? Es +ist unmoeglich, dass ihr's mit Augen sehen koennt; und wenn sie so +unverschaemt waeren wie Geissen, so hizig wie die Wald-Teufels, und +so unbesonnen wie ein Dummkopf, den man mit Wein angefuellt hat. +Und doch sag ich, wenn Wahrscheinlichkeiten, wenn Umstaende die +geradeswegs bis vor die Thuere der Wahrheit fuehren, euch Gewissheit +geben koennen, so koennt' ihr sie haben. + +Othello. +Gieb mir einen ueberfuehrenden Beweis, dass sie ungetreu ist. + +Jago. +Ihr legt mir eine unangenehme Pflicht auf; aber da ich mich nun +einmal, aus unueberlegter Aufrichtigkeit und Freundschaft, so weit +in diese Sache eingelassen habe, so will ich weiter gehen. Ich lag +lezthin mit Cassio in einem Bette; ein rasender Zahn machte dass ich +nicht schlafen konnte--Es giebt eine Art von Leuten, deren Seele so +schlapp ist, dass ihnen ihre geheimsten Gedanken im Schlaf entgehen. +Von dieser Art ist Cassio. Er redte im Schlaf. Liebste Desdemona, +hoert' ich ihn sagen, lass uns vorsichtig seyn. Lass uns unser +Liebes-Verstaendniss dem schaerfsten Aug' unerforschlich machen! Und +dann, gnaediger Herr, tappte er um sich, und druekte mir die Hand, +rief--O bezauberndes Geschoepf! und kuesste mich dann nicht anders, +als ob er Kuesse, die auf meinen Lippen wuechsen, mit den Wurzeln +ausziehen wollte, legte dann sein Bein ueber meinen Schenkel, und +seufte und kuesste mich, und rief, verfluchtes Schiksal, das dich dem +Mohren gab! + +Othello. +O Scheusal! Scheusal! + +Jago. +Nein, das war nur ein Traum. + +Othello. +Aber ein Traum, der ganz deutlich anzeigt, was geschehen ist. + +Jago. +Das ist ein verdammter Zweifel, ob es gleich nur ein Traum ist. Es +kan doch immer dazu dienen, andre, an sich selbst zu schwache +Anzeigen zu verstaerken. + +Othello. +Ich will sie von Glied zu Glied in Stueke reissen. + +Jago. +Nicht so heftig! Fasset euch; noch (sehen) wir nichts, sie kan +noch unschuldig seyn--Sagt mir nur das, habt ihr niemals ein +Schnupftuch, mit Erdbeeren ueberstikt, in eurer Gemahlin Hand +gesehen? + +Othello. +Ich gab ihr so eines, es war mein erstes Geschenk. + +Jago. +Davon weiss ich nichts; aber mit einem solchen Schnupftuch (und ich +bin gewiss, es war eurer Gemahlin ihres,) sah ich Cassio heute +seinen Bart wischen. + +Othello. +Wenn's das nemliche waere-- + +Jago. +Es mag dieses oder ein anders seyn, so war es doch von ihr, und, zu +den andern Proben genommen, spricht es nicht zu ihrem Vortheil. + +Othello. +O dass die Elende tausend Leben haette! Eines ist zu wenig fuer meine +Rache. Nun seh ich endlich--Schau, Jago, so blase ich alle meine +Liebe dem Himmel zu: Sie ist weg;--erhebe dich, schwarze Rache, aus +deiner unseligen Gruft! und du, Liebe, tritt dem tyrannischen Hass +deinen Thron und deine Krone ab! Wie mein Herz mir schwillt, als +ob es mit lauter Natter-Zungen angefuellt waere! + +Jago. +Gebt euch noch zufrieden. + +Othello. +O Blut, Blut, Blut!-- + +Jago. +Geduld, sag ich; ihr koennt vielleicht anders Sinnes werden. + +Othello. +Niemals, Jago--niemals sollen meine blutige Gedanken, in ungestuemer +Fluth sich daherwaelzend, zu sanfter Liebe zuruek fliessen, bis eine +weite hinlaengliche Rache sie verschlungen haben wird--Das schwoer' +ich, + +(er kniet,) + +hoere Himmel das schrekliche, unwiederrufliche Geluebd!--Bey deiner +unzerstoerbaren Veste schwoer' ich Rache! + +Jago (kniend.) +Stehet noch nicht auf--Seyd Zeugen, ihr ewigbrennenden Lampen dort +oben, und ihr Elemente, die uns rings umfassen; seyd Zeugen, dass +Jago hier alles was sein Verstand, seine Hand und sein Herz vermag, +zum Dienste des beleidigten Othello wiedmet! Er befehle! Und ich +will gehorchen, ohne Zaudern gehorchen, so blutig auch der Befehl +seyn mag! + +Othello. +Ich bewillkomme deine Freundschaft nicht mit eiteln Danksagungen, +sondern mit gutwilliger Annahm; und im gleichen Augenblik will ich +dir sagen, wozu ich sie noethig habe. In den naechsten dreyen Tagen, +lass mich von dir hoeren, dass Cassio nicht mehr ist. + +Jago. +Mein Freund ist todt; ihr wollt es, es ist gethan. Aber sie--sie +lasst leben! + +Othello. +Verderben ueber sie, die unzuechtige Gleissnerin! oh! Verderben, +Verderben ueber sie! Komm, geh mit mir auf die Seite, ich muss auf +irgend ein schnelles Mittel denken, den schoenen Teufel aus der Welt +zu schaffen. Nunmehr bist du mein Lieutenant-- + +Jago. +Ich bin auf ewig der eurige. + +(Sie gehen ab.) + + + +Neunte Scene. + (Ein andrer Theil des Pallasts.) + (Desdemona, Aemilia, und Hans Wurst.) + + +Desdemona. +Guter Freund, wisst ihr, wo der Lieutenant Cassio ligt? + +Hans Wurst. +Das unterstuehnd' ich mich wol nicht zu sagen, dass er irgendwo luege. + +Desdemona. +Warum? + +Hans Wurst. +Er ist ein Soldat; und wenn unser einer sagte, ein Soldat luege, das +waere Hals-Arbeit. + +Desdemona. +Keine Possen! Wo ist sein Quartier? + +Hans Wurst. +Da wuerd' ich selbst luegen, wenn ich euch das sagen wollte. + +Desdemona. +Auf diese Art werd' ich von dir keine Antwort kriegen. + +Hans Wurst. +Ich weiss sein Quartier nicht; und wenn ich folglich ein Quartier +erdenken wollte, und sagen, er lige da, oder er lige da im Quartier, +so wuerd ich's in meinen Hals hinein luegen. + +Desdemona. +Du kanst ihn doch erfragen? + +Hans Wurst. +Ich will die ganze Welt catechisieren; ich will so lange nach ihm +fragen, bis mir jemand antwortet, wo er ist. + +Desdemona. +Such ihn auf, und heiss ihn hieher kommen; sag ihm, ich habe meinen +Herrn auf gute Gedanken fuer ihn gebracht, und ich hoffe, es werde +alles gut gehen. + +Hans Wurst. +Das ist endlich eine Verrichtung, die innert den Grenzen von eines +ehrlichen Kerls Wiz ligt; und also will ich sehen, ob ich damit zu +Stande kommen kan. + +(Er geht.) + +Desdemona. +Wo mag ich doch das Schnupftuch verlohren haben? + +Aemilia. +Ich weiss es nicht, gnaedige Frau. + +Desdemona. +Ich versichre dich, ich wollte lieber einen Beutel voll Crusado's +verlohren haben. Wenn mein edler Mohr nicht zu vernuenftig und zu +grossmuethig gesinnt waere, um eifersuechtig zu seyn, so brauchte es +nicht mehr, um ihn auf schlimme Gedanken zu bringen. + +Aemilia. +Ist er nicht eifersuechtig? + +Desdemona. +Wer, er? Ich denke, die Sonne, unter der er gebohren ward, zog +alle groben Duenste von dieser Art aus ihm. + +Aemilia. +Seht, da kommt er. + +Desdemona. +Ich will izt nicht von ihm ablassen, bis er den Cassio zu sich +ruffen laesst--Wie stehts mit euch, mein lieber Gemahl? + + + +Zehnte Scene. + (Othello zu den Vorigen.) + + +Othello. +Wohl, meine liebe Gemahlin--Himmel! wie werd ich an mich halten +koennen!--wie gehts euch, Desdemona? Gebt mir eure Hand; diese Hand +ist feucht, Madam. Heiss, heiss, und feucht--eine solche Hand +erfordert Eingezogenheit; fasten und beten, viel Casteyung, und +geistliche Uebungen; denn es ist ein feuriger, schwizender Teufel +hier, der oft rebellisch wird; es ist eine gute Hand, eine +freygebige Hand. + +Desdemona. +Ihr koennt in der That wohl so sagen; denn es war die Hand die mein +Herz weggab. + +Othello. +Eine freygebige Hand. In vorigen Zeiten gaben die Haende Herzen; +aber unsre neue Heraldik ist Haende ohne Herz. + +{ed. * Eine satyrische Anspielung auf die vielen Baronets, welche Koenig +Jacob der Erste machte, und die unter andern Vorrechten eine rothe +Hand in einem silbernen Feld in den Wappen-Schild ihrer Vorfahren +bekamen.} + +Desdemona. +Ich verstehe mich nichts hierauf; kommt, wir wollen nun von euerm +Versprechen reden. + +Othello. +Was fuer ein Versprechen, mein Daeubchen? + +Desdemona. +Ich habe zu Cassio geschikt, dass er kommen und mit euch reden solle. + +Othello. +Ich bin mit einem beschwerlichen Schnuppen geplagt; leih mir dein +Schnupftuch! + +Desdemona. +Hier, mein Gemahl. + +Othello. +Das, so ihr von mir bekommen habt. + +Desdemona. +Ich hab es nicht bey mir. + +Othello. +Nicht? + +Desdemona. +In der That, nicht. + +Othello. +Das ist ein Fehler. Das nemliche Schnupftuch hatte meine Mutter +von einer Zigaeunerin, die sich auf die Zauberey verstuhnd, und den +Leuten so gar sagen konnte, was sie dachten. Sie sagte ihr, so +lange sie es behalten wuerde, wuerd' es sie liebenswuerdig und ihr das +Herz meines Vaters gaenzlich eigen machen; wenn sie es aber verloehre, +oder verschenkte, wuerde sie auf einmal allen Reiz in seinen Augen +verliehren, und ihm verhasst und unertraeglich werden. Meine Mutter +gab mir's da sie starb und bat mich, wenn ich jemals heurathete, es +meinem Weibe zu geben. Ich that es, und ich sag euch, habt Acht +darauf.--Bewahrt es, wie euern Augapfel: Es verliehren oder +weggeben, waer' ein Ungluek, dem kein anders zu vergleichen waere. + +Desdemona. +Ists moeglich? + +Othello. +Es ist wuerklich so; es ist etwas zauberisches in dem Gewebe davon. +Eine Fee, welche den Lauf der Sonne zweyhundert mal anfangen und +enden gesehen hatte, machte die Stikerey daran: Die Wuermer waren +geweyht, welche die Seide dazu spannen, und es wurde mit Mumien von +einbalsamierten Jungfern-Herzen gefaerbt. + +Desdemona. +In der That! Ist das wahr? + +Othello. +Sehr wahr; ihr koennt also nur Sorge dazu tragen. + +Desdemona. +Wenn es so ist, so wollt' ich zu Gott, ich haett' es nie gesehen! + +Othello. +Ha! Warum? + +Desdemona. +Warum sprecht ihr so hastig und auffahrend? + +Othello. +Ist's verlohren? Ist's hin? Sagt, ist es fort? + +Desdemona. +Gott sey bey uns!-- + +Othello. +Was sagt ihr? + +Desdemona. +Es ist nicht verlohren; aber gesezt, es waere verlohren? + +Othello. +Ha! + +Desdemona. +Ich sag, es ist nicht verlohren. + +Othello. +Holt es, ich will es sehen. + +Desdemona. +Gut, das kan ich, mein Herr; aber ich will izt nicht: Das ist ein +kleiner Streich, wodurch ihr mich von meiner Bitte abbringen wollt. +Ich bitte euch, lasst euer Haus dem Cassio wieder offen seyn. + +Othello. +Holt mir das Schnupftuch--ich will nicht hoffen-- + +Desdemona. +Kommt, ihr werdet niemals einen bravern Mann an seinen Plaz +bekommen. + +Othello. +Das Schnupftuch-- + +Desdemona. +Ein Mann, der bisher sein ganzes Gluek auf eure Freundschaft gebaut +hat; der Gefahren mit euch getheilt hat-- + +Othello. +Das Schnupftuch. + +Desdemona. +Wahrhaftig, ihr seyd zu tadeln-- + +Othello. +Hinweg!-- + +(Er geht ab.) + + + +Eilfte Scene. + + +Aemilia. +Wie? Ich glaube der Mann ist eifersuechtig? + +Desdemona. +So hab' ich ihn noch nie gesehen. O ganz gewiss ist etwas +ausserordentliches in diesem Schnupftuch. Ich bin hoechst +unglueklich es verlohren zu haben. + +Aemilia. +Man lernt weder in einem noch in zweyen Jahren was ein Mann ist; +sie sind alle lauter Magen, und wir Arme sind ihr Futter; sie +schlingen uns gierig hinein; und wenn sie sich ueberfuellt haben, so +ruelpsen sie uns wieder aus. + +{ed. * Dieses Gleichniss ist freylich unanstaendig genug; allein darum +bekuemmert unser Autor sich nicht; genug fuer ihn, dass es wahr ist.} + +Seht, da kommt Cassio und mein Mann. + +(Jago und Cassio treten auf.) + +Jago. +Es ist kein andres Mittel uebrig; das muss sie thun--Wie glueklich! +hier ist sie schon; geht und bittet sie so sehr ihr koennt. + +Desdemona. +Wie steht's, guter Cassio? wie gehn eure Sachen? + +Cassio. +Gnaedige Frau, ich habe noch immer meine vorige Bitte. Auf eurer +Grossmuth beruht alle meine Hofnung zu meiner Wiederherstellung in +die Freundschaft euers Gemahls, den ich mit so gaenzlicher +Ergebenheit des Herzens ehre und liebe. Ich moechte nicht noch +laenger aufgezogen werden. Ist mein Vergehen so gross, dass weder +meine Reue noch meine ehmaligen Dienste, noch diejenigen die ich +kuenftig zu leisten wuensche, mich loskauffen und wieder in seine +Gunst einsezen koennen, so ist wenigstens das eine Wohlthat, wenn +ich weiss dass es so ist; damit ich in diesem Fall, in eine +erzwungene Zufriedenheit eingehuellt, einen andern Weg suchen kan, +um vom Allmosen des Glueks zu leben. + +Desdemona. +Ach, mein lieber guter Cassio, meine Fuersprache ist dermalen sehr +unvermoegend; mein Gemahl ist nicht mein Gemahl; ich wuerde ihn nicht +mehr kennen, wenn er sich an Gestalt so sehr wie am Humor, +veraendert haette. So stehe jeder gute Engel mir bey, wie ich nach +meinem aeussersten Vermoegen fuer euch gesprochen habe. Aber alles +was ich durch meine Freymuethigkeit erhielt, war, dass ich mir seinen +Unwillen zuzog. Ihr muesst euch noch ein wenig gedulden; was ich +thun kan, das will ich: Und ich will mehr als ich Herz haette fuer +mich selbst zu thun. Lasst euch das genug seyn. + +Jago. +Ist der General zornig? + +Aemilia. +Er gieng nur erst von hier fort, und, versichert, er ist in einer +seltsamen Gemueths-Unruhe. + +Jago. +Kan er zornig seyn? Ich war dabey, wie die Canone seine Linien in +die Luft zerstiebte, und so schnell und gewaltsam wie der Teufel, +seinen Bruder unmittelbar an seiner Seite wegrafte; und kan er +zornig seyn? So muss etwas wichtiges daran Ursache seyn; ich will +gehn und ihn aufsuchen; in der That, das bedeutet was, wenn er +zornig ist. + +(Er geht ab.) + + + +Zwoelfte Scene. + (Desdemona, Aemilia und Cassio bleiben.) + + +Desdemona. +Ich bitte dich, thu das--Ganz gewiss muss etwas das den Staat betrift, + entweder von Venedig, oder irgend ein unausgebruetetes Complot hier +in Cypern, wovon er die Entdekung gemacht hat, seinen sonst immer +heitern Geist verfinstert haben; und in solchen Faellen ist es die +Art der Menschen, dass sie ihren Unmuth an geringern Dingen +auslassen, wenn gleich grosse ihr Gegenstand sind. Es ist nicht +anders. Es darf uns nur ein Finger weh thun, so verbreitet sich +auch ueber unsre uebrigen gesunden Gliedmassen ein Gefuehl von Schmerz. +Nein, wir muessen denken, dass unsre Maenner keine Goetter sind; wir +koennen nicht von ihnen fordern, dass sie immer so zaertlich mit uns +umgehen, als sie vor der Hochzeit thun. Schilt mich nur recht sehr +aus, Aemilia; ich unartiges Ding, ich war schon im Begriff seiner +Unfreundlichkeit in meinem Herzen den Process zu machen; aber nun +find' ich, dass meine Eigenliebe den Zeugen bestochen hat, und dass +er ungerechter Weise angeklagt worden ist. + +Aemilia. +Gebe der Himmel, dass es Staats-Sachen seyen, wie ihr glaubt, und +keine eifersuechtige Grillen, die euch angehen. + +Desdemona. +Das waere gar zu unglueklich! Ich gab ihm niemals Ursache dazu. + +Aemilia. +Eifersuechtige Gemuether lassen sich damit nicht beruhigen; sie sind +nicht allezeit eifersuechtig, weil sie eine Ursache dazu haben, +sondern oft nur, weil sie eifersuechtig sind. Die Eifersucht ist +ein Ungeheuer, dass keinen andern Vater und keine andre Mutter hat +als sich selbst. + +Desdemona. +Der Himmel bewahre Othello's Herz vor diesem Ungeheuer! + +Aemilia. +Dazu sag ich Amen, Gnaedige Frau. + +Desdemona. +Ich will sehen, wo er ist. Cassio, entfernt euch nicht zu weit; +wenn ich ihn in einer bessern Laune finde, so will ich euer Anligen +wieder in Bewegung bringen, und das aeusserste versuchen, um +glueklich damit zu seyn. + +Cassio. +Ich danke Eu. Gnaden demuethig. + +(Sie gehen auf verschiedenen Seiten ab.) + + + +Dreyzehnte Scene. + (Eine Strasse vor dem Pallast.) + (Cassio, tritt wieder auf, und begegnet der Bianca.) + + +Bianca. +Guten Tag, Freund Cassio. + +Cassio. +Was fuehrt euch hieher? Wie steht's mit euch, meine schoenste +Bianca? In der That, mein Herzchen, ich war im Begriff bey euch +anzusprechen. + +Bianca. +Und ich war im Begriff euch einen Besuch in euerm Quartier +abzustatten, Cassio. Wie? eine ganze Woche wegbleiben? Sieben +Tag' und Naechte? Hundert und acht und sechszig Stunden? Und eines +Liebhabers Abwesenheits-Stunden, die hundert und sechszig mal +langweiliger sind als der Stunden-Zeiger. O! eine verdriessliche +Rechnung! + +Cassio. +Vergieb mir, Bianca; ich war diese Zeit ueber von bleyernen Gedanken +zu Boden gedruekt; aber ich werde in einer glueklichern Zeit diese +lange Rechnung von Abwesenheit zu tilgen wissen. Liebste Bianca, +zeichne mir diesen Riss ab-- + +(Er giebt ihr Desdemonens Schnupftuch.) + +Bianca. +O Cassio, woher habt ihr das? Das hat mir die Mine von einem +Liebes-Pfand irgend einer neuern Freundin: Nun merk' ich die +Ursache deiner Abwesenheit die mir so schmerzlich war: Ist es dazu +gekommen? Wohl, wohl! + +Cassio. +Geh, Maedchen, und wirf deine haesslichen Muthmassungen dem Teufel in +die Zaehne, von dem du sie hast. Du bildest dir also ein, das sey +ein Andenken von einer Liebste? Nein, Bianca, in ganzem Ernst. + +Bianca. +Wie, von wem ist es dann? + +Cassio. +Das weiss ich selbst nicht; ich fand es in meinem Zimmer; die Arbeit +daran gefaellt mir ungemein, und eh man es wieder begehrt, (welches +vermuthlich geschehen wird) moecht' ich einen Abriss davon haben. +Nimm es, mein Herz, und zeichn' es ab, und lass mich izt allein. + +Bianca. +Euch allein lassen? Warum? + +Cassio. +Ich warte hier auf den General, und denke, es wuerde mir eben keine +grosse Dienste bey ihm thun, wenn er mich beweibt sehen wuerde. + +Bianca. +Wie ist das zu verstehen? + +Cassio. +Nicht als liebt' ich euch nicht. + +Bianca. +Sondern nur dass ihr mich nicht liebet. Ich bitte euch, macht mir +das ein wenig deutlicher und sagt mir, ob ich euch diese Nacht +nicht sehen soll? + +Cassio. +Wenigstens will ich euch sehen, sobald ich kan. + +Bianca. +Nun wohl dann, ich muss es also drauf ankommen lassen. + +(Sie gehen ab.) + + + + +Vierter Aufzug. + + + +Erste Scene. + (Eine Strasse vor dem Pallast.) + (Othello und Jago treten auf.) + + +Jago. +Denkt ihr das? + +Othello. +Ob ich's denke, Jago? + +Jago. +Wie, einander heimlich kuessen? + +Othello. +Unauthorisierte Kuesse? + +Jago. +Oder auch nakend bey ihrem Freund im Bette zu ligen, eine, zwo und +mehr Stunden, ohne was boeses dabey zu meynen? Das sollte nicht +moeglich seyn? + +{ed. * Eine Anspielung auf die beruechtigte Keuschheits-Probe des +heiligen Robert von Arbrissel, der mitten zwischen zwoen schoenen +jungen Nonnen eine Probe machte, die mit einer Haesslichen gefaehrlich +waere.} + +Othello. +Nakend im Bette, Jago, und nichts boeses dabey meynen? Das heisst, +den Teufel zum Narren machen wollen: Leute, die mit tugendhaften +Absichten so etwas thun, die versucht der Teufel nicht; sie +versuchen den Himmel. + +Jago. +Und doch, wenn sie nichts thun, so ist es nur eine laessliche Suende: +Aber wenn ich meinem Weib ein Schnupftuch gebe-- + +Othello. +Was dann? + +Jago. +Was dann? So gehoert's ihr zu, Gnaediger Herr; und da es ihr +zugehoert, so kan sie's, denk' ich, wieder einem andern geben. + +Othello. +Ihre Ehre gehoert auch ihr zu; darf sie solche darum weggeben? + +Jago. +Ihre Ehre ist ein unsichtbares Ding und es bleibt immer +problematisch ob man sie hat oder nicht hat; aber das Schnupftuch-- + +Othello. +Beym Himmel! du erinnerst mich an etwas das ich so gern vergessen +haette; du sagtest--oh, es kommt ueber mein Gedaechtniss wie ein Ungluek- +weissagender Rabe ueber ein verpestetes Haus--er habe mein +Schnupftuch. + +Jago. +Ja, und was ist's dann mehr? + +Othello. +Es ist nur zuviel. + +Jago. +Was waer' es denn, wenn ich sagte, ich habe mit meinen eignen Augen +gesehen, dass er euch beleidigt habe, oder ich hab' es von ihm +selbst gehoert, (wie es denn solche Schurken giebt, die, wenn sie +irgend ein Frauenzimmer, entweder durch ungestueme Verfolgungen oder +durch die freywillige Ergebung der Dame unter sich gebracht haben, +es unmoeglich von sich selbst erhalten koennen nicht zu plaudern.) + +Othello. +Hat er dann etwas gesagt? + +Jago. +Das hat er, Gnaediger Herr; aber dessen seyd versichert, nichts was +er nicht wieder laeugnen und verschwoeren wuerde. + +Othello. +Was sagt' er denn? + +Jago. +Was? Er habe bey ihr--ich weiss nicht was gethan-- + +Othello. +Was denn, was denn? + +Jago. +Gelegen. + +Othello. +Bey ihr? + +Jago. +Bey ihr, oder auf ihr--was ihr wollt-- + +Othello. +Bey ihr! Auf ihr! Bey ihr gelegen! Das ist alles was man sagen +kan: Das Schnupftuch--Sein eigen Gestaendniss--Das Schnupftuch! das +Schnupftuch!--Ich erschuettre vom blossen Gedanken--Ohne eine grosse +Ursache wuerde die Natur sich selbst in keinen solchen Schatten +einhuellen. Es sind keine Worte, die mich so schuetteln--Nasen, +Ohren und Lippen--ist's moeglich! Sein Gestaendniss! Ihr Schnupftuch! +--O Teufel! + +(Er wird ohnmaechtig.) + +Jago. +Wuerke du nur wohl, meine Mixtur, wuerke! So muss man leichtglaeubige +Narren fangen--manche rechtschaffne und keusche Frauen kommen, mit +aller ihrer Unschuld, gerad auf solche Art um ihren guten Namen. +Wie, he! Gnaediger Herr! Hoert ihr nicht? Othello! he! + + + +Zweyte Scene. + (Cassio tritt auf.) + + +Jago. +Wo kommt ihr her, Cassio? + +Cassio. +Was giebt's hier? + +Jago. +Der General ist von dem fallenden Weh ueberfallen worden; das ist +nun der zweyte Anstoss; er hatte gestern den ersten. + +Cassio. +Reibt ihn um die Schlaefe. + +Jago. +Nein, ruehrt ihn nicht an; man muss der Ohnmacht ihren ruhigen Gang +lassen; oder, er faengt an zu schaeumen, und bricht endlich voellig in +die wildeste Tobsucht aus: Seht, er ruehrt sich; entfernt euch ein +wenig, er wird gleich wieder zu sich selbst kommen; wenn er weg ist, + so moecht' ich ueber eine Sache von grosser Wichtigkeit mit euch +sprechen koennen. + +(Cassio geht ab.) + +--Wie steht's mit euch, Gnaediger Herr? Habt ihr den Kopf nicht +angeschlagen? + +Othello. +Spottest du meiner noch? + +Jago. +Ich spotte, beym Himmel! nicht; aber ich wuenschte, dass ihr euer +Ungluek wie ein Mann trueget. + +Othello. +Ein gehoernter Mann ist ein Ungeheuer; ein Unthier. + +Jago. +Wenn das ist, so giebt es in volkreichen Staedten eine Menge +Ungeheuer, und dazu noch recht zahme und manierliche Ungeheuer. + +Othello. +Er gestand's also selbst? + +Jago. +Liebster General, seyd ein Mann! denkt, es sind wenige baertige +Gesellen, die, wenn sie anders bejocht sind, nicht mit euch ziehen. +Millionen Maenner leben diesen Augenblik, die alle Nacht in einem +Bette ligen, das sie mit andern theilen; und die doch schwueren, dass +es ihnen eigen sey. Euer Fall ist doch noch besser. O, das ist +des Teufels groester Spass, eine unzuechtige Meze in ein sichres Ehe- +Bette zu legen, und sie fuer ein Tugendbild zu geben. Nein, besser +ist's ich wisse's; wenn ich weiss, was ich bin, so weiss ich auch, +was sie seyn soll. + +Othello. +O, du sprichst wie ein Orakel; das ist gewiss. + +Jago. +Geht nur eine kleine Weile bey Seite, verbergt euch, und habt ein +wenig Geduld. Waehrend dass ihr hier von euerm Schmerz so unmaennlich +ueberwaeltigt laget, kam Cassio hieher. Ich erdachte gleich etwas, +um eurer Ohnmacht eine scheinbare Ursache zu geben, und schaffte +ihn wieder weg, bat ihn aber bald wieder zu kommen, weil ich mit +ihm zu reden haette. Er versprach mir's. Verbergt euch also nur +irgendwo, wo ihr ihn sehen koennt; und beobachtet das schelmische, +triumphierende Laecheln, die hoenische Zuege, die sichtbare +Leichtfertigkeit, die sein Geheimniss in seinem ganzen Gesicht +verrathen. Denn er soll mir seine Erzaehlung wieder von vorn +anfangen; wo, wie, wie oft, seit wie lange, und wenn er mit eurer +Frau handgemein worden ist, und es noch ferner werden will; ich +sage, gebt nur auf seine Mine Acht--O zum Henker, Geduld, oder ich +muss endlich glauben, ihr seyd ueber und ueber lauter Galle, und habt +nicht das mindeste von einem Mann. + +Othello. +Hoerst du, Jago! Ich will dir zeigen, dass ich so lange geduldig +scheinen kan, als es noethig ist; aber eine blutige Rache soll mich +davor schadlos halten. + +Jago. +Es laesst sich hoeren; aber nur alles zu rechter Zeit. Wollt ihr bey +Seite gehen? + +(Othello verbirgt sich.) +(--Jago, ohne dass ihn Othello hoeren kan, faehrt fort:) + +Nun will ich den Cassio nach seiner Bianca fragen, einem Weibsbild, +das seine Reizungen verkauft, um sich Brod und Kleider davor +anzuschaffen. Die Naerrin ist sterblich in Cassio verliebt, und zur +Straffe davor, dass sie schon so viele betrogen hat, wird sie izt +von ihm betrogen; denn er kan sich, wenn er nur von ihr reden hoert, +des ueberlauten Lachens nicht verwehren.--Da kommt er. + + + +Dritte Scene. + (Cassio (zu Jago.) + + +Jago. +Je mehr er lachen wird, je mehr wird Othello rasen; sein Laecheln, +seine Gebehrden, seine leichtsinnigen Manieren, seine kleinsten +Bewegungen, werden durch die Auslegung, die der eifersuechtige Mohr +davon macht, zu Verraethern an ihm werden Nun, wie geht's euch, +Lieutenant? + +Cassio. +Desto schlimmer, weil ihr mir einen Charakter beylegt, dessen +Beraubung mir das Leben zur Quaal macht. + +Jago. +Macht euch nur recht lebhaft an Desdemona, so kan's euch nicht +fehlen. (leiser.) +Gelt, wenn Bianca die Gewalt dazu haette, wie schnell wuerdet ihr +wieder hergestellt seyn. + +Cassio (lachend.) +Wie kommt ihr auf diese arme Naerrin? + +Othello (vor sich.) +Seht, wie er schon lacht. + +Jago. +In meinem Leben hab' ich kein Weibsbild so verliebt in einen Mann +gesehen. + +Cassio. +Der arme Tropf, ich denke, in der That, sie ist in mich verliebt. + +Othello (vor sich.) +Izt laeugnet er's so ganz kaltsinnig, und lacht hinten nach. + +Jago. +Hoert ihr, Cassio? + +Othello (vor sich) +Izt sezt er ihm zu, es ihm zu gestehen: Gut, gut, nur weiter! + +Jago. +Sie giebt aus, ihr wollt sie heurathen. Ist das eure Absicht? + +Cassio. +Ha, ha, ha! + +Othello. +Triumphierest du, Schurke? Triumphierest du? + +Cassio. +Ich, sie heurathen?--Eine barmherzige Schwester? Ich bitte dich, +erweise meiner Vernunft so viel Christliche Liebe, und glaube etwas +bessers von ihr. Ha, ha, ha! + +Othello (vor sich.) +So, so: Wer gewinnt, hat gut lachen. + +Jago. +In der That, die Rede geht, ihr werdet sie heurathen. + +Cassio. +Ich bitte dich, redst du im Ernst? + +Jago. +Ich will ein Schelm seyn, wenn es anderst ist. + +Othello (vor sich.) +Hast du mein Mass genommen? Nun, wohl dann! + +Cassio. +Wenn das ist, so kommt es von dem Affen selbst. Sie hat sich's in +den Kopf gesezt, dass ich sie heurathen werde, und das bloss, weil +sie es wuenscht, und nicht, weil ich ihr's versprochen haette. + +Othello. +Izt faengt er die Historie an-- + +Cassio. +Sie war erst kuerzlich hier; sie spuekt mir nach, wo ich hingehe. +Ich war neulich am Ufer, und sprach mit etlichen Venetianerinnen, +da kommt die Naerrin, und faellt mir so zaertlich um den Hals-- + +Othello (bey Seite.) +Und ruft, o du allerliebstes Cassio, oder so was; seine Gebehrden +sagen das. + +Cassio. +Haengt sich so an, und herzt und kuesst mich, und weint auf mich, und +schuettelt und druekt mich, so abscheulich zaertlich--Ha, ha, ha!-- + +Othello. +Izt erzaehlt er, wie sie ihn in mein Schlafzimmer gezogen habe: O, +ich sehe deine aufgestuelpte Nase vor mir, aber ich seh' den Hund +nicht, dem ich sie vorwerfen will. + +Cassio. +Gut, ich kan mich nicht laenger hier aufhalten. + +Jago. +Wie es euch beliebt--Aber da kommt sie ja selbst. + + + +Vierte Scene. + (Bianca zu den Vorigen.) + + +Cassio. +Was das fuer eine Meer-Kaze ist! Zum Henker, und sie riecht noch +dazu nach Biesam:--Was soll denn das bedeuten, dass ihr mir so +nachlauft? + +Bianca. +Das mag der Teufel und seine Grossmutter thun! Sagt mir einmal, was +wolltet ihr mit dem Schnupftuch, das ihr mir vorhin gegeben habt? +Ich war wol eine grosse Naerrin, dass ich's annahm: Ich sollte die +Arbeit absehen? Ein feines Stuek Arbeit, dass ihr in euerm +Schlafzimmer gefunden habt, und wisst nicht, wer es da verlohren +haben mag. Ich will nicht ehrlich seyn, wenn es nicht ein Geschenk +von irgend einer ehrsamen Matrone ist; und ich soll die Arbeit dran +absehen? Da, gebt es euerm Steken-Pferde: Woher ihr's auch haben +moegt, ich will nichts daran absehen, ich. + +Cassio. +Nun, nun, meine schoene Bianca, sachte, sachte! + +Othello (bey Seite.) +Beym Himmel, das wird wohl mein Schnupftuch seyn. + +Bianca. +Wenn ihr heute zu mir zum Nachtessen kommen wollt, so koennt ihr; wo +nicht, so kommt nicht eher als bis man Anstalten auf euch gemacht +hat. + +(Sie geht ab.) + +Jago. +Lauft ihr nach, lauft ihr nach. + +Cassio. +Das muss ich, sonst fangt sie auf der Strasse einen Lermen an. + +Jago. +Wollt ihr bey ihr zu Nacht essen? + +Cassio. +Ja, ich hab es im Sinn. + +Jago. +Gut, vielleicht seh ich euch dort; denn ich moechte sehr gern mit +euch reden. + +Cassio. +Ich bitt euch, kommt; wollt ihr-- + +Jago. +Verlasst euch darauf-- + +(Cassio geht ab.) + + + +Fuenfte Scene. + (Othello und Jago.) + + +Othello. +Was fuer eine Todesart soll ich ihm anthun, Jago? + +Jago. +Habt ihr gesehen, wie lustig er sich mit seinem Verbrechen machte? + +Othello. +Oh, Jago! + +Jago. +Und saht ihr das Schnupftuch? + +Othello. +War's das meinige? + +Jago. +Das eurige, auf meine Ehre! und habt ihr gesehen, wie viel er sich +aus dem einfaeltigen Geschoepf, eurer Frau, macht?--Sie gab es ihm +und er verschenkt es an seine Hure! + +Othello. +Ich wollt, ich koennte neun Jahre lang an ihm morden--eine so artige +Frau! Eine so schoene Frau! Eine so anmuthsvolle Frau! + +Jago. +Nein, das muesst ihr nun vergessen! + +Othello. +O, lass sie verfaulen, verdorren und zur Hoelle fahren, eh es wieder +Tag wird! leben soll sie nicht! Nein, mein Herz ist zu Stein +worden: ich schlage drauf, und die Hand schmerzt mich davon--O, die +ganze Welt hat keine reizendere Creatur! Sie haette an eines +Kaysers Seite ligen koennen, er wuerd' ihr Sclave gewesen seyn! + +Jago. +Nicht doch; das sind Gedanken, die gar nicht zur Sache taugen. + +Othello. +An den Galgen mit ihr, ich sage nur was sie ist--eine so feine +Arbeiterin mit der Nadel--eine vortrefliche Musicantin--Oh, sie +wuerde die Wildheit aus einem Baeren heraus singen so belebt, so +wizig! So voller Geist! + +Jago. +Desto schlimmer ist sie um das alles. + +Othello. +O, tausend, tausendmal: Und dann von so einnehmender Gestalt!-- + +Jago. +Nur gar zu einnehmend. + +Othello. +Ja, das ist wahr. Aber doch ist es erbaermlich, Jago--oh, Jago, es +ist erbaermlich!-- + +Jago. +Wenn ihr so zaertlich gegen ihre Bosheiten seyd, so gebt ihr ein +Patent, dass sie euch beleidigen darf wie sie will; wenn ihr +gleichgueltig dabey seyd, so hat sich niemand darum zu bekuemmern. + +Othello. +Ich will sie in kleine Stuekchen haken: Mich zum Hahnrey zu machen! + +Jago. +Es ist garstig an ihr! + +Othello. +Mit meinem Lieutenant! + +Jago. +Das ist noch garstiger! + +Othello. +Verschaffe mir eine Dose Gift bis auf die Nacht, Jago; ich will +keinen Wortwechsel mit ihr haben--ich darf meine Standhaftigkeit +nicht an ihre Reizungen wagen--Diese Nacht, Jago-- + +Jago. +Aber nicht durch Gift; erdrosselt sie in ihrem Bette, in dem Bette, +das sie entweiht hat. + +Othello. +Gut, gut; dieses Mittel gefaellt mir, weil es gerecht ist-- + +Jago. +Und was den Cassio betrift, den ueberlasst mir; bis Mitternacht sollt +ihr mehr hoeren. + +(Eine Trompete hinter der Scene.) + +Othello. +Vortrefflich! Wie? Was bedeutet diese Trompete? + +Jago. +Vermuthlich etwas von Venedig--Es ist Lodovico, vom Herzog +abgeschikt: Au, seht, eure Gemahlin ist schon bey ihm. + + + +Sechste Scene. + (Lodovico, Desdemona, und Gefolge treten auf.) + + +Lodovico. +Seyd mir gegruesst, wuerdiger General. + +Othello. +Ich erwiedre den Wunsch von ganzem Herzen, mein Herr. + +Lodovico. +Der Herzog und die Senatoren von Venedig gruessen euch. + +(Er ueberreicht ihm ein Schreiben.) + +Othello. +Ich kuesse die Urkunde ihrer Befehle. + +Desdemona. +Und was giebt es neues, mein lieber Vetter Lodovico? + +Jago. +Ich bin sehr erfreut euch zu sehen, mein Herr; willkommen in Cypern. + +Lodovico. +Ich danke euch; was macht der Lieutenant Cassio? + +Jago. +Er lebt, mein Herr. + +Desdemona. +Vetter, es ist zwischen meinem Gemahl und ihm zu einem +unfreundlichen Bruch gekommen; aber ihr werdet alles wieder gut +machen. + +Othello (vor sich.) +Seyd ihr dessen so gewiss? + +Desdemona. +Mein Gemahl? + +Othello (liesst.) +"Ermangelt nicht, dieses zu befolgen, so lieb euch--" + +Lodovico (zu Desdemona.) +Er rief euch nicht; er ist in seinem Schreiben vertieft. Ist ein +Missverstaendnis zwischen dem General und Cassio? + +Desdemona. +Ein sehr ungluekliches; ich wollte gern alles thun, sie wieder zu +vereinigen, so lieb ist mir Cassio. + +Othello. +Feuer und Schwefel! (vor sich.) + +Desdemona. +Mein Gemahl! + +Othello. +Seyd ihr bey Verstand? + +Desdemona (zu Lodovico.) +Wie, ist er zornig? + +Lodovico. +Vielleicht hat ihn das Schreiben in einige Bewegung gebracht. Denn, +wie ich vermuthe, so beruffen sie ihn nach Hause, und befehlen ihm, +sein Gouvernement dem Cassio zu ueberlassen. + +Desdemona. +Glaubt mir, es erfreut mich. + +Othello. +In der That! (vor sich.) + +Desdemona. +Mein Gemahl! + +Othello. +Ich bin erfreut, dich toll zu sehen. (vor sich.) + +Desdemona. +Wie, mein liebster Othello? + +Othello (nach ihr schlagend.) +Teufel!-- + +Desdemona. +Das hab' ich nicht verdient. + +Lodovico. +Mein Herr, in Venedig wuerde das niemand glauben, wenn ich gleich +schwuere, dass ichs gesehen habe. Es ist sehr viel; bittet ihr's ab; +sie weint. + +Othello. +O Teufel! Teufel! Koennte die Erde von Weiberthraenen geschwaengert +werden, jeder Tropfe, den sie weint, wuerde ein Crocodil werden: Aus +meinem Gesicht-- + +Desdemona (indem sie gehen will.) +Ich will gehen, wenn euch mein Anblik so zuwieder ist. + +Lodovico. +Wahrhaftig, eine gehorsame Frau--ich bitte Euer Gnaden, ruffet sie +zuruek. + +Othello. +Madam-- + +Desdemona. +Mein Gemahl-- + +Othello. +Was wollt ihr mit ihr, mein Herr? + +Lodovico. +Wer, ich, mein Herr? + +Othello. +Ja; ihr wolltet ja, ich sollte machen, dass sie sich wieder umdrehe. +Herr, sie kan sich drehen, und drehen, und doch weiter kommen; sie +ist eine Meisterin darinn. Und sie kan auch weinen, Herr, weinen; +und sie ist gehorsam; wie ihr sagtet, gehorsam; sehr gehorsam-- +weint ihr nur fort--Was das anbetrift, mein Herr--O die +Leidenschaften spielt sie vortreflich!--Ich bin zuruekberuffen-- + +(zu Desdemona.) +Pakt ihr euch fort, ich will gleich wieder nach euch schiken--Mein +Herr, ich gehorche dem Oberherrlichen Befehl, und will nach Venedig +zuruek kehren--Weg, pake dich!-- + +(Desdemona geht ab.) + +--Cassio soll meinen Plaz haben. Und ihr, mein Herr, werdet mir +die Ehre erweisen, heute mit mir zu Nacht zu essen. Ihr seyd +willkommen in Cypern-- + +(vor sich.) +Geissen, und Affen! + +{ed. * [Sind diese Venetianer,] denkt er hinzu.} + +(Er geht ab.) + + + +Siebende Scene. + (Lodovico und Jago bleiben zuruek.) + + +Lodovico. +Ist diss der edle Mohr, den unser ganzer Senat sein Alles und Alles +nennt? Ist diss das Gemueth, dessen standhafte Tugend keine +Leidenschaft, kein Gluek, kein Zufall erschuettern kan? + +Jago. +Er hat sich sehr veraendert. + +Lodovico. +Ist er recht bey Sinnen? Leidet er etwann am Gehirn? + +Jago. +Er ist was er ist; ich mag nicht sagen, was ich denke. Ich wollte +zu Gott, er waere, was er seyn koennte, wenn er nicht ist, was er +sollte. + +Lodovico. +Wie, seine Gemahlin schlagen! + +Jago. +In der That, es war nicht fein; und doch wuenscht' ich, ich wisste, +dass dieser Streich das aergste waere. + +Lodovico. +Ist er gemeiniglich so? oder wuerkte das Schreiben so stark auf +sein Blut, dass er zum ersten mal sich selbst so ungleich war? + +Jago. +Es ist eine schlimme Sache, leider! Es waere nicht anstaendig, wenn +ich sagen wollte, was ich gesehen und gehoert habe. Ihr werdet ihn +durch euch selbst kennen lernen, und sein eignes Betragen wird ihn +so charakterisieren, dass ich meine Worte sparen kan. Geht ihm nur +nach, und seht, wie er fortfahren wird. + +(Sie gehen ab.) + + + +Achte Scene. + (Verwandelt sich in einen Saal im Pallast.) + (Othello und Aemilia treten auf.) + + +Othello. +Ihr habt also nichts gesehen? + +Aemilia. +Noch jemals was solches gehoert, oder nur gemuthmasset. + +Othello. +Ihr habt doch den Cassio und sie beysammen gesehen? + +Aemilia. +Aber da sah ich nichts boeses, und ich hoerte eine jede Sylbe, die +sie mit einander redeten. + +Othello. +Wie, fluesterten sie niemals zusammen? + +Aemilia. +Niemals, Gnaediger Herr. + +Othello. +Und schikten sie euch niemals fort? + +Aemilia. +Niemals. + +Othello. +Etwann ihren Faecher, ihre Handschuhe, ihre Maske, oder so was zu +holen? + +Aemilia. +Niemals, Gnaediger Herr. + +Othello. +Das ist seltsam! + +Aemilia. +Ich duerfte meine Seele an einem Pfahl wetten, Gnaediger Herr, dass +sie ehrlich ist: Wenn ihr anders denkt, so verbannet diesen +Gedanken, er betruegt euer Herz. Der Himmel vergelt' es dem Elenden, +der es euch in den Kopf gesezt haben mag, mit dem Fluch der +Schlange! Wahrhaftig, wenn sie nicht tugendhaft, keusch und getreu +ist, so giebt's keinen glueklichen Mann auf Erden; so ist die +reinste ihrer Weiber so haesslich als Laesterung. + +Othello. +Geh, ruffe sie hieher. + +(Aemilia geht ab.) + +Sie sagt genug; allein sie ist eine einfaeltige Kupplerin, die nicht +mehr sagen kan--Das ist eine verschmizte Hure, die ihre garstigen +Geheimnisse behutsam zu verriegeln weiss--und doch kniet sie euch in +ihrem Zimmer hin, und betet: Das hab' ich selbst gesehen. + + + +Neunte Scene. + (Desdemona und Aemilia treten auf.) + + +Desdemona. +Was ist euer Wille, mein Gemahl? + +Othello. +Kommt naeher, Huehnchen, wenn ich bitten darf. + +Desdemona. +Was beliebt euch? + +Othello. +Lasst mich eure Augen sehen; seht mir in's Gesicht. + +Desdemona. +Was fuer eine entsezliche Einbildung kommt euch an? + +Othello (Zu Aemilia.) +Ein Stuek von euerm Amt, Madam; lasst die handelnden Personen allein, +und schliesst die Thuere zu; hustet, oder ruft wenn jemand kommt. +Euer Geheimniss, euer Geheimniss--nein, macht euch fort. + +(Aemilia geht ab.) + +Desdemona. +Auf meinen Knien, was wollen diese Reden sagen? Ich sehe wol, dass +etwas Entsezliches in euern Worten ist, aber ich verstehe sie +dennoch nicht. + +Othello. +Wie? Was bist du? + +Desdemona. +Euer Weib, mein Herr; euer getreues, redliches Weib. + +Othello. +Komm, schwoer mir das; sprich dir dein Urtheil selbst; sonst moechten, + da du einem himmlischen Wesen so aehnlich bist, die Teufel sich +scheuen Hand an dich zu legen. Zieh dir also eine zweyfache +Verdammniss zu; schwoere, du seyest ehrlich. + +Desdemona. +Der Himmel weiss es. + +Othello. +Der Himmel weiss, dass du falsch wie die Hoelle bist. + +Desdemona. +An wem, mein Gemahl? Mit wem? Wie bin ich falsch? + +Othello (Er weint.) +Ach, Desdemona! Weg, weg, weg!-- + +Desdemona. +O des ungluekseligen Tags! Warum weint ihr? Bin ich die Beweg- +Ursach dieser Thraenen, mein liebster Mann?--Wenn ihr vielleicht +meinen Vater in Verdacht habt, dass er an eurer Zuruekberuffung +Schuld habe, so lasst es doch mich nicht entgelten; wenn ihr ihn +verlohren habt, so hab' ich ihn ja auch verlohren. + +Othello. +Haett' es dem Himmel gefallen, mich durch Truebsale zu pruefen, haett' +er alle Arten von Schmerzen und Demuethigungen auf mein naktes Haupt +regnen, mich bis an die Lippen in Armuth versinken, mich ohne +Hoffnung der Befreyung in Sclaverey gerathen lassen; so wuerd' ich +noch in irgend einem Winkel meiner Seele einen Tropfen Geduld +gefunden haben. Aber, ach! mich zu einem festen Ziel fuer den +unbeweglichen Finger der spottenden Verachtung zu machen--und doch +auch das, auch das wollt' ich noch ertragen koennen. Aber da, + +{ed. * Man hat hier, einem herrschenden, obgleich an sich vielleicht +ungerechten Vorurtheil zu gefallen, von dem buchstaeblichen Sinn des +Originals ein wenig abweichen muessen.} + +wo die Ruhe, der Trost, die Wonne meines Lebens lag, aus deinem Herzen +vertrieben zu seyn, oder es als eine Cisterne, worinn unflaetige +Kroeten zuegeln, zu besizen: Hebe dich weg, Geduld, du junger, +rosenwangichter Cherubin,--Da seh' ich grimmig wie die Hoelle aus. + +Desdemona. +Ich hoffe, mein edelmuethiger Mann kennt mich genugsam, mich fuer +unschuldig zu halten. + +Othello. +O, ja, wie Sommerfliegen in Schlachthaeusern, die von einem +anwehenden Lueftchen lebendig werden. O du giftiges Unkraut, warum +bist du so lieblich anzusehen? Du riechst so gut, dass einem der +Kopf davon weh thut. Ich wollte, du waerest nie gebohren worden! + +Desdemona. +Himmel! was fuer eine Suende kan ich unwissender Weise begangen +haben? + +Othello. +Wie, du fragst noch? Du fragst was du begangen habest? Begangen?-- +O du Nichtswuerdige, ich wuerde meine Wangen zu Feuer-Essen machen, +wo die Zucht zu Asche verbrennen muesste, wenn ich deine Thaten +nennen wollte. Wie? was du begangen hast? Der Himmel stopft sich +die Nase davor zu, und der Mond die Augen; der buhlerische Wind +sogar, der alles kuesst was ihm vorkommt, hat sich in die holen Minen +der Erde verkrochen, und will es nicht anhoeren. Was du begangen +hast?--Unverschaemte Meze! + +Desdemona. +Beym Himmel! ihr thut mir Unrecht. + +Othello. +Du bist keine Meze? + +Desdemona. +Nein, so wahr ich eine Christin bin. Wenn ein Weib, die sich fuer +ihren Mann allein, und von jeder fremden, unkeuschen, unerlaubten +Beruehrung rein bewahrt hat, keine Meze ist, so bin ich keine. + +Othello. +Wie, auch keine Hure? + +Desdemona. +Nein, so wahr ich selig zu werden wuensche! + +Othello. +Ists moeglich? + +Desdemona. +O Himmel, sey uns gnaedig! + +Othello. +So bitt' ich also um Vergebung. Ich sah euch fuer diese abgefeimte +Hure von Venedig an, die den Othello heurathete-- + + + +Zehnte Scene. + (Aemilia zu den Vorigen.) + + +Othello. +Ihr, Frau Gelegenheits-Macherin,--Ihr, ihr, ja ihr! Wir haben +unsre Sachen gemacht. Hier ist Geld fuer eure Muehe; ich bitte euch, +dreht den Schluessel, und behaltet unser Geheimniss fuer euch. + +(Er geht ab.) + +Aemilia. +Um's Himmels willen, was macht der Herr sich vor Gedanken!--Wie +befindet sich Eu. Gnaden? Wie steht's um meine liebste Gnaedige +Frau? + +Desdemona (allein.) +Es ist billig, dass mir so mitgespielt wird, sehr billig; wie hab +ich mich denn aufgefuehrt, dass er nur den Schatten eines Grundes zum +allerkleinsten Misstrauen gefunden haben soll?-- + + + +Eilfte Scene. + (Jago und Aemilia zu Desdemona.) + + +Jago. +Was ist zu Eu. Gnaden Befehl? Wie steht's? + +Desdemona. +Das kan ich nicht sagen; diejenigen, die eure Kinder ziehen, thun +es mit Freundlichkeit, und legen ihnen nicht zuviel auf; er haette +mich ja mit Sanftmuth ausschelten koennen: Denn, die Wahrheit zu +sagen, ich bin wie ein Kind wenn ich ausgescholten werde. + +Jago. +Wovon ist die Rede, Gnaedige Frau? + +Aemilia. +Ach, Jago, der Gnaedige Herr hat sie so behurt, ihr so schmaehlich +begegnet, so garstige Namen ueber sie ausgegossen, dass ein ehrliches +Herz es nicht ertragen kan. + +Desdemona. +Verdien' ich einen solchen Namen, Jago? + +Jago. +Was fuer einen Namen, Gnaedige Frau? + +Desdemona. +Den, so sie sagte, dass mir mein Mann gegeben habe. + +Aemilia. +Er nannte sie eine Hure; ein betrunkner Bettler wuerde sich schaemen, +seinem Menschen einen solchen Namen zu geben. + +Jago. +Warum that er das? + +Desdemona. +Das weiss ich nicht; was ich weiss, ist, dass ich nichts solches bin. + +Jago. +Weinet nicht, weinet nicht; das ist ein leidiger Handel! + +Aemilia. +Hat sie so viele grosse Partheyen ausgeschlagen--Hat sie ihren +Vater, ihr Vaterland, ihre Freunde aufgeopfert--um eine Hure +geheissen zu werden? Sollte das einen nicht weinen machen? + +Desdemona. +Das ist nun mein Schiksal. + +Jago. +Ihr muesst es nicht von ihm leiden. Wie ueberfiel ihn denn dieser +Anstoss? + +Desdemona. +Das weiss der Himmel. + +Aemilia. +Ich will mich haengen lassen, wenn nicht irgend ein hoellischer Bube, +irgend ein geschaeftiger, raubsuechtiger Schurke, irgend ein glatter, +lekender, Schlangen-zuengigter Sclave, um sich ein Verdienst bey ihm +zu machen, sie bey ihm verlaestert hat; ich will mich haengen lassen, +wenn es anders ist. + +Jago. +Fy, es lebt kein solcher Mann, es ist unmoeglich. + +Desdemona. +Wenn ein solcher Mann ist, so vergeb ihm der Himmel! + +Aemilia. +Ein Strik vergeb ihm! Und der Teufel nag' ihm seine verdammten +Knochen ab! Warum soll er sie eine Hure heissen? Wer soll denn +ihr Buhler seyn? Wo? wann? wie? Wo ist auch nur eine +Wahrscheinlichkeit davon? Der Mohr ist durch irgend einen +galgenbuebischen Schurken, irgend einen elenden nichtswuerdigen +Erzlotterbuben belogen worden. O Himmel, dass du doch solche +Gesellen an's Taglicht ziehen, und in jede ehrliche Hand eine +Geisel steken moechtest, um den Raker nakend durch die ganze Welt zu +peitschen, von einem Ende der Welt bis zum andern! + +Jago. +Schreyt nur nicht so laut. + +Aemilia. +O fy, die garstigen Kerls! Gerad ein solcher Schuft wars, der euch +einst den Kopf auf die unrechte Seite stellte, und euch weis machte, + dass ich mit dem Mohren in heimlichem Verstaendniss sey. + +Jago. +Du bist nicht klug; geh, geh. + +Desdemona. +Ach, Jago, sage mir, was soll ich thun um meinen Gemahl wieder zu +gewinnen? Mein guter Freund, geh, rede du mit ihm; bey diesem +Licht des Himmels, ich weiss nicht, wie ich sein Herz verlohren habe. +Hier knie ich; + +(sie kniet.) + +Wenn jemals mein Wille in Worten, Gedanken oder in wuerklicher That +sich gegen seine Pflicht aufgelehnt hat; oder wenn jemals meine +Augen, meine Ohren oder irgend einer meiner Sinne sich an einem +andern Gegenstand ergoezt haben; oder wenn ich ihn nicht immer liebe, +geliebt habe, und sollt' er mich auch als eine Bettlerin von sich +verstossen, aufs zaertlichste lieben werde, so komme kein Trost in +meine Seele! Unzaertlichkeit kan viel thun, sie kan mich ums Leben +bringen, aber meine Liebe kan sie nicht vermindern. Ich kan nicht +sagen, Hure; es graut mir, da ich izt das Wort ausgesprochen habe; +aber das zu thun, was er bezeichnet, koennte mich die Welt mit ihrer +ganzen Masse von Eitelkeit nicht bewegen. + +Jago. +Ich bitte euch, gebt euch zufrieden; es ist nur eine Laune von ihm; +die Staats-Angelegenheiten gehen ihm im Kopf herum, er ist +missvergnuegt darueber, und da muss nun sein Unmuth ueber euch +ausbrechen. + +Desdemona. +Wenn es nur dieses waere-- + +Jago. +Es ist nichts anders, ich stehe dafuer. (Trompeten.) +Horcht, diese Trompeten ruffen zum Nacht-Essen. Der Abgeordnete +von Venedig bleibt bey der Tafel; geht hinein und weint nicht; es +wird alles wieder gut werden. + +(Desdemona und Aemilia gehen ab.) + + + +Zwoelfte Scene. + (Rodrigo (zu Jago.) + + +Jago. +Ha, wo kommt ihr her, Rodrigo? + +Rodrigo. +Ich finde nicht, dass du ehrlich mit mir zu Werke gehst. + +Jago. +Wie findt ihr das? + +Rodrigo. +Jeden Tag machst du mir irgend einen Dunst vor die Augen, Jago; und +ich fange endlich an zu sehen, dass du, anstatt mich nur um einen +Schritt meinen Hoffnungen naeher gebracht zu haben, mich weiter +zuruekgesezt hast, als ich jemals war. Ich will es nicht laenger +dulden; und bin auch gar nicht der Meynung so ruhig einzusteken, +was ich naerrischer Weise bereits gelitten habe. + +Jago. +Wollt ihr mich anhoeren, Rodrigo? + +Rodrigo. +Meiner Treue, ich habe nur zuviel angehoert; eure Worte und eure +Thaten haben gar keine Gemeinschaft mit einander. + +Jago. +Ihr beschuldiget mich mit groestem Unrecht. + +Rodrigo. +Ich sage die lautre Wahrheit: Ihr habt mich um mein ganzes Vermoegen +gebracht. Die Juwelen, die ihr von mir bekommen habt, um sie +Desdemonen zu ueberliefern, haetten eine Vestalin verfuehren sollen. +Ihr sagtet mir, sie habe sie empfangen, und brachtet mir die +troestlichsten Versicherungen von ihrer guten Wuerkung; aber ich +finde keine. + +Jago. +Gut, nur weiter; sehr gut. + +Rodrigo. +Sehr gut, nur weiter; ich kan nicht weiter, Herr, und es ist nicht +sehr gut; nein, ich denke, es ist boshaft, und ich fange an zu +merken, dass man mich nur am Narren-Seil herumfuehrt. + +Jago. +Sehr gut. + +Rodrigo. +Ich sag euch, es ist nicht sehr gut. Ich will mich Desdemonen +selbst entdeken; wenn sie mir meine Juwelen wieder geben will, so +will ich klug seyn und ihr mit meiner Bewerbung nicht mehr +beschwerlich fallen: Wo nicht, so versichr' ich euch, ich will +meine Schadloshaltung an euch suchen. + +Jago. +Ihr habt nun geredt-- + +Rodrigo. +Ja, und nichts, als was ich, meiner Seel! zu thun im Sinn habe. + +Jago. +Wie, nun seh ich doch dass du Feuer im Leibe hast; und von diesem +Augenblik an hab' ich eine groessere Meynung von dir als jemals. +Gieb mir deine Hand, Rodrigo; du hast alle Ursache gehabt, mir +Vorwuerfe zu machen, aber ich schwoere dir, dass ich in der ganzen +Sache redlich an dir gewesen bin. + +Rodrigo. +Es hat sich nicht gezeigt. + +Jago. +Ich muss es gestehen, in der That, euer Argwohn ist nicht ohne +Wahrscheinlichkeit. Aber, Rodrigo, wenn du das hast, was ich dir +izt mit besserm Grund als jemals zutraue, (ich meyne, +Standhaftigkeit, Herz und Tapferkeit,) so zeig es diese Nacht. +Wenn du in der naechstfolgenden Nacht nicht bey Desdemonen ligen +wirst, so halte mich fuer einen Verraether, und schaffe mich aus der +Welt wie du willst. + +Rodrigo. +Gut, was ist es? Ist es etwas, das sich vernuenftiger Weise +unternehmen laesst? + +Jago. +Wisset, mein Herr, dass eine Special-Commission von Venedig +eingetroffen ist, um den Cassio an Othello's Stelle einzusezen. + +Rodrigo. +Ist das wahr? Nun, so kehren Othello und Desdemona wieder nach +Venedig zurueck. + +Jago. +O nein; er geht nach Mauritanien, und nimmt seine schoene Desdemona +mit sich; das geschieht unfehlbar, es muesste denn etwas begegnen, +wodurch sein hiesiger Aufenthalt verlaengert wuerde: Und das koennte +durch nichts gewisser erhalten werden, als wenn Cassio auf die +Seite geschaft wuerde. + +Rodrigo. +Was nennt ihr, den Cassio auf die Seite schaffen? + +Jago. +Das versteht sich von selbst; ihn unfaehig machen, in Othello's +Stelle einzutreten, mit einem Wort, ihm den Hals zu brechen. + +Rodrigo. +Und ihr wollt, dass ich das thun soll? + +Jago. +Ja, wenn ihr das Herz habt euch selbst Gutes zu thun. Er isst heute +bey einer Courtisane zu Nacht; und ich will ihm dort Gesellschaft +leisten. Er weiss noch nichts von seiner Befoerderung; wenn ihr dann +nur aufpassen wollt, bis er dort weggeht, (und ich will schon dafuer +sorgen, dass es zwischen zwoelf und ein Uhr geschehen soll:) So koennt +ihr ihn mit der groesten Bequemlichkeit ueberraschen. Ich will in +der Naehe seyn, euern Angriff zu unterstuezen, und wir wollen ihn +zwischen zwey Feuer kriegen. Kommt, steht nicht so bestuerzt da; +kommt mit mir; wir wollen von der Sache reden. Ich will euch +zeigen, dass sein Tod so unumgaenglich nothwendig ist, dass ihr euch +verbunden sehen werdet, ihn zu befoerdern. Es ist izt bald Nacht- +Essens-Zeit, und die Nacht nimmt ueberhand--Wir muessen gehen. + +Rodrigo. +Ich muss mehr Licht in dieser Sache haben-- + +Jago. +Das sollt ihr bekommen. + +(Sie gehen ab.) + + + +Dreyzehnte Scene. + (Othello, Lodovico, Desdemona, Aemilia und Gefolge.) + + +Lodovico. +Ich bitte euch, mein Herr, bemueht euch nicht weiter. + +Othello. +Oh, ich bitte um Vergebung; die Bewegung wird mir wohl bekommen. + +Lodovico. +Madam, gute Nacht; ich danke Eu. Gnaden unterthaenig. + +Desdemona. +Ihr werdet allezeit willkommen seyn, mein Herr. + +Othello. +Wollt ihr gehen, mein Herr?--o, Desdemona!-- + +Desdemona. +Mein Gemahl-- + +Othello. +Geht sogleich zu Bette, ich werde bald wieder zuruek kommen; schikt +eure Bedienung hier fort; thut, was ich euch sage. + +Desdemona. +Ich will, mein Gemahl. + +(Lodovico und Othello gehen ab.) + +Aemilia. +Wie geht es nun? Er sieht freundlicher aus als diesen Abend. + +Desdemona. +Er sagt, er wolle gleich zuruek kommen, und hat mir befohlen zu +Bette zu gehen, und euch wegzuschiken. + +Aemilia. +Mich wegzuschiken? + +Desdemona. +Das war sein Befehl; also, meine gute Aemilia, gieb mir mein Nacht- +Zeug, und gute Nacht. Wir muessen ihm keinen Verdruss machen. + +Aemilia. +Ich wollte, ihr haettet ihn nie gesehen! + +Desdemona. +Das wollt' ich nicht; meine Liebe ist so wol mit ihm zufrieden, dass +sogar sein muerrisches Bezeugen, sein Schelten und Zuernen, eine Art +von Anmuth in meinen Augen hat. Ich bitte dich, steke mir mein +Kopfzeug ab-- + +Aemilia. +Ich habe die Laken, die ihr mir sagtet, auf euer Bette gelegt. + +Desdemona. +Es ist all eins: Guter Himmel! Was fuer alberne Geschoepfe sind wir +nicht! Wenn ich vor dir sterbe, so mache mir, ich bitte dich, aus +einem dieser Tuecher mein Todten-Hemde. + +Aemilia. +Kommt, kommt; wie ihr redt! + +Desdemona. +Meine Mutter hatte ein Kammer-Maedchen, die Barbara hiess; das arme +Ding war in jemand verliebt, der sie nicht wieder lieben wollte, +und da wurde sie zulezt naerrisch; sie hatte ein Lied, das sich +immer mit (Weide) endigte, es war ein altes Ding, aber es schikte +sich auf ihre Umstaende, und sie sang es bis in den lezten Augenblik +ihres Lebens. Ich kan mir dieses Lied diese ganze Nacht durch +nicht aus dem Sinn bringen; es braucht alles, dass ich mich erwehre, +den Kopf auf eine Seite zu haengen, und es zu singen, wie die arme +Barbara. Ich bitte dich, mach' dass du fertig wirst. + +Aemilia. +Soll ich gehn und euern Schlaf-Rok holen? + +Desdemona. +Nein, steke mich hier ab; dieser Lodovico ist ein recht artiger +Mann. + +Aemilia. +Ein sehr huebscher Mann. + +Desdemona. +Er spricht gut. + +Aemilia. +Ich kenn' eine Dame in Venedig, die um einen Druk von seiner +Unterlippe eine Wallfahrt ins Gelobte Land gemacht haette. + +Desdemona (singt.) +Das arme Ding, sie sass und sang, an einem Baum sass sie, + Singt alle, gruene Weide; +Die Hand gelegt auf ihre Brust, den Kopf auf ihrem Knie, + Singt Weide, Weide, Weide; +Der Bach, der murmelt neben ihr, in ihre Seufzer ein, + Singt Weide, Weide, Weide; +Und ihrer Thraenen heisse Fluth erweichte Kieselstein; + Singt Weide, Weide, Weide; +Weide, Weide, Weide etc. Ich bitte dich, mache hurtig, er wird +alle Augenblike wiederkommen. Singt all', ein gruenes Weiden-Zweig, +das muss mein Kraenzchen seyn. + * * * O! tadelt nicht sein hartes Herz, mein Herz +verzeiht ihm gern; +Nein, das folgt noch nicht--Horch was klopft so? + +Aemilia. +Es ist nur der Wind. + +Desdemona (singt.) +Ich nannte meinen Liebsten falsch; was sagt' er denn dazu? + Singt Weide, Weide, Weide; +Ich thu mit andern Weibern schoen, mit andern Maennern du. So, geh +du izt, gute Nacht; meine Augen brennen mich; bedeutet das Weinen? + +Aemilia. +Das wollen wir nicht hoffen. + +Desdemona. +Ich hab' es sagen gehoert; o diese Maenner, diese Maenner! Sag mir +einmal, Aemilia, glaubst du in deinem Gewissen, dass es Weiber giebt, +die ihre Maenner auf eine so grobe Art hintergehen? + +Aemilia. +Es giebt solche, das ist nur keine Frage. + +Desdemona. +Wolltest du um die ganze Welt so was thun? + +Aemilia. +Wie, thaetet ihr's nicht? + +Desdemona. +Nein, bey diesem himmlischen Licht! + +Aemilia. +Ich bey diesem himmlischen Licht auch nicht; es liesse sich eben so +gut im Dunkeln thun. + +Desdemona. +Wolltest du eine solche That um die ganze Welt thun? + +Aemilia. +Die ganze Welt ist gleichwol ein huebsches ansehnliches Ding, es +waer' ein feiner Preis fuer ein so kleines Verbrechen. + +Desdemona. +Bey meiner Treu, ich denke, du thaetest es nicht. + +Aemilia. +Und bey meiner Treu, ich denk', ich thaet' es; mit dem Vorbehalt, +dass es das erste und lezte mal seyn sollte. Wahrhaftig, ich thaete +so was nicht um einen Finger-Ring, noch fuer ein paar Ellen Kammer- +Tuch, noch fuer einen neuen Unterrok, oder eine Kappe, oder so was +armseliges; aber fuer die ganze Welt! Welches Weib wollte ihren +Mann nicht zu einem Hahnrey machen, damit er Herr von der ganzen +Welt wuerde? Dafuer wollt' ich noch wol das Fegfeuer wagen. + +Desdemona. +Ich will des Todes seyn, wenn ich so was Unrechtes um die ganze +Welt thun wollte. + +Aemilia. +Wie, das Unrecht ist nur ein Unrecht in der Welt; und da ihr die +Welt fuer eure Muehe bekaemet, so waer' es ein Unrecht in eurer Welt, +und ihr koenntet es bald recht machen. + +Desdemona. +Ich kan nicht glauben, dass es ein solches Weib giebt. + +Aemilia. +O Ja, wohl ein duzend und so viele oben drein, dass sie die Welt, um +die sie spielten, bevoelkern koennten. Allein, ich denke, der Fehler +ligt an den Maennern, wenn ihre Weiber fallen; gesezt, sie vergessen +ihre Pflichten gegen uns, und verschwenden an andre, was uns gehoert; +oder sie brechen in eine verdriessliche Eifersucht aus, und belegen +uns mit sclavischem Zwang; oder sie schlagen uns, oder sie bringen +uns unser Vermoegen durch; wahrhaftig, wir haben auch Galle, und so +sanft wir sind, so raechen wir uns doch gerne, wenn wir beleidigt +werden. Unsre Herren Maenner sollen wissen, dass ihre Weiber so gut +Empfindlichkeit haben als sie; sie sehen, und riechen, und haben +einen Geschmak fuer suess und sauer, so gut wie ihre Maenner. Was thun +sie, wenn sie uns mit andern vertauschen? Ist es Spass? Ich will +es glauben: Geschieht es aus Leidenschaft? Ich will es glauben: +Ist es eine menschliche Schwachheit? es mag auch seyn. Und haben +wir nicht auch Leidenschaften? Lieben wir den Zeitvertreib nicht +auch? Sind wir nicht so gebrechlich als sie? Sie moegen uns also +nur wohl begegnen; oder sie sollen wissen, dass wenn wir suendigen, +sie unsre Lehrmeister gewesen sind. + +Desdemona. +Gute Nacht, gute Nacht; der Himmel gebe mir Gnade, anstatt Boeses +mit Boesem zu vertreiben, das Boese gut zu machen! + +(Sie gehen ab.) + + + + +Fuenfter Aufzug. + + + +Erste Scene. + (Eine Strasse vor dem Pallast.) + (Jago und Rodrigo treten auf.) + + +Jago. +Hier stellt euch hinter diese Faesser. Er wird augenbliklich kommen: +Deinen blossen Degen in die Hand, und dann frisch dran! Nur +munter, munter, sey unverzagt: ich will an deinem Ellenbogen seyn: +Es macht unser Gluek oder wir sind verlohren: Denk an das, und +entschliesse dich wie ein Mann. + +Rodrigo. +Seyd ihr nur nahe bey der Hand, ich koennt' ihn verfehlen. + +Jago. +Ich will hier stehen, es koennte nicht naeher seyn; fasst, Muth und +zieh deinen Degen. + +Rodrigo (indem er sich auf die Seite stellt.) +Ich gehe ungern an diese That, aber er hat mir Gruende vorgelegt, +gegen die nichts einzuwenden ist; es ist endlich nichts, als ein +einzelner Mann weniger--Heraus, mein Schwerdt; er soll sterben. + +Jago (vor sich.) +Ich habe diesen armen Geken gerieben, bis er empfindlich worden ist, +er faengt an aufzubrennen. Nun mag er den Cassio ermorden, oder +Cassio ihn, oder einer den andern, so find' ich allemal meine +Rechnung dabey--Gut, aber wenn Rodrigo lebt, so wird er mich +anhalten, ihm die Menge Gold und Juwelen wieder zu erstatten, die +ich ihm als Geschenke fuer Desdemona, abpracticiert habe? Das muss +nicht seyn--Bleibt Cassio uebrig, so macht mir der Anblik seines +Glueks meinen Zustand unertraeglich; und ueberdem, koennte mich der +Mohr verrathen; da kaem' ich in saubere Ungelegenheiten; nein, +sterben soll er! So muss es seyn; ich hoer' ihn kommen. (Cassio +tritt auf.) + +Rodrigo. +Den Gang kenn' ich; es ist Er: Schelm, du must sterben. + +(Er faellt den Cassio an, und bringt ihm einen Stoss bey.) + +Cassio. +Dieser Stoss haette mir in der That uebel bekommen koennen, wenn mein +Kleid nicht besser gefuettert waere als du wusstest: Nun will ich +sehen, wie das deinige die Probe haelt. + +(Er ficht mit Rodrigo; Jago haut den Cassio von hinten in die Beine, + und entlaeuft; Rodrigo und Cassio fallen.) + +Rodrigo. +O, ich bin des Todes. + +Cassio. +Ich bin auf immer zum Krippel gemacht; Huelfe, he! Moerder! Moerder! + + + +Zweyte Scene. + (Othello erscheint am Fenster.) + + +Othello (vor sich.) +Das ist Cassio's Stimme--Jago haelt sein Wort. + +Rodrigo. +Oh, Boesewicht, der ich bin! + +Othello. +Das ist wol nicht anders. + +Cassio. +Oh, Huelfe, Huelfe! he! Licht! einen Wund-Arzt! + +Othello. +Es ist Er! O braver, ehrlicher, redlicher Jago, den das erlittne +Unrecht seines Freundes in einen so edlen Eifer sezt! Du lehrst +mich--Puepchen, euer Liebling ist todt; und eure Stunde eilt heran-- +Ich komme, Meze--Deine Reizungen, deine Blike, dein Laecheln, sind +aus meinem Herzen ausgewischt; und in deinem Bette, dem Schau-Plaz +deiner zuegellosen Lust, soll deine Straffe dich erhaschen! + +(Er geht ab.) + + + +Dritte Scene. + (Lodovico und Gratiano treten in der Ferne auf.) + + +Cassio. +Wie dann, he! Ist kein Waechter, ist kein Mensch da? Moerder, +Moerder! + +Gratiano. +Es ist irgend ein Unheil begegnet; die Stimme ist graesslich. + +Cassio. +O Huelfe! + +Lodovico. +Horcht! + +Rodrigo. +O elender Boesewicht! + +Lodovico. +Ich hoere zween oder drey wehklagen. Es ist stokfinster; es koennte +Verstellung seyn: Es ist nicht sicher, naeher hinzugeben, da unsrer +nur zween sind. (Jago, in seinem Hemd, mit gezognem Degen und +einem Licht, tritt auf.) + +Lodovico. +Horcht. + +Gratiano. +Hier kam einer in blossem Hemde, mit einem Licht und gezognem Degen. + +Jago. +Wer ist hier? Wer ruft Moerder? + +Lodovico. +Das wissen wir nicht. + +Jago. +Hoert ihr nicht schreyen? + +Cassio. +Hier, hier: Um's Himmels willen, helft mir. + +Jago. +Was giebt's hier? + +Gratiano (zu Lodovico.) +Wie mich daeucht, so ist dieser hier Othello's Faehndrich. + +Lodovico. +Er ist's, in der That, ein wakrer herzhafter Camerad. + +Jago. +Wer seyd ihr hier, die ein so klaegliches Geschrey erheben? + +Cassio. +Jago?--O ich bin gestuemmelt, von Banditen zum elenden Manne gemacht- +-Kommt mir zu Huelfe! + +Jago. +Gott sey bey uns! Lieutenant! Was fuer Boesewichter haben das +gethan? + +Cassio. +Ich denke, einer davon ligt hier, und kan sich nicht davon machen. + +Jago. +Die meuchelmoerdrischen Schurken! (zu Lodovico und Gratiano.) +Wer seyd ihr hier? Kommt naeher, und helft. + +Rodrigo. +O, helft mir hier. + +Cassio. +Das ist einer von ihnen. + +Jago. +Du moerdrischer Sclave! du Raker! + +(Er giebt dem Rodrigo vollends den Rest.) + +Rodrigo. +O verruchter Jago! unmenschlicher Hund! + +Jago. +Leute im Dunkeln zu ermorden! Wo sind diese blutige Diebe? Wie? +diese Stadt ist ja so still als wenn alles ausgestorben waere! He! +Mord! Mord!--Wer seyd wohl ihr? Seyd ihr ehrliche Leute oder-- + +Lodovico. +Qualificiert uns, wie ihr uns findet. + +Jago. +Signor Lodovico?-- + +Lodovico. +Er selbst, mein Herr. + +Jago. +Ich bitte tausendmal um Vergebung! Hier ligt Cassio, von +Meuchelmoerdern verwundet. + +Gratiano. +Cassio? + +Jago. +Wie steht's um dich, Bruder? + +Cassio. +Mein Bein ist entzwey gehauen. + +Jago. +Das verhuete der Himmel! Licht, meine Herren, ich will ihn mit +meinem Hemde verbinden. + + + +Vierte Scene. + (Bianca zu den Vorigen.) + + +Bianca. +Was ist hier fuer ein Lerm? He, wer ist der, so ruft? + +Cassio. +Wer ist der, so ruft? + +Bianca. +O mein liebster Cassio! Mein suesser Cassio! O, Cassio, Cassio! +Cassio! + +Jago. +O merkwuerdige Meze! Cassio, koennt ihr nicht errathen, wer +diejenigen seyn moegen, die euch so zugerichtet haben? + +Cassio. +Nein. + +Gratiano. +Es bekuemmert mich sehr, euch so zu finden. Ich war im Begriff, +euch aufzusuchen. + +Jago. +Lehnt mir ein Knieband. So--O wenn wir nur einen Lehn-Sessel +haetten, um ihn bequemer wegzutragen! + +Bianca. +O Himmel, er wird ohnmaechtig. O Cassio, Cassio, Cassio! + +Jago. +Meine Herren allerseits; ich hab' eine Vermuthung, dass dieser +Buendel hier Antheil an dem veruebten Bubenstuek haben moechte. Ein +wenig Geduld, lieber Cassio; kommt, kommt: Leiht mir das Licht: +Kennen wir dieses Gesicht oder nicht? O Himmel! Mein Freund, mein +liebster Landsmann? Rodrigo? Nein: ja, wuerklich: ja, es ist +Rodrigo. + +Gratiano. +Wie, von Venedig? + +Jago. +Eben er, mein Herr; kanntet ihr ihn? + +Gratiano. +Ob ich ihn kannte? Ah! + +Jago. +Signor Gratiano! Ich bitte Eu. Gnaden sehr um Vergebung: Die +Verwirrung bey einem so blutigen Auftritt muss die Entschuldigung +meiner Unhoeflichkeit machen. + +Gratiano. +Ich erfreue mich euch zu sehen. + +Jago. +Wie geht's euch, Cassio? O, einen Arm-Sessel! Einen Arm-Sessel! + +Gratiano. +Rodrigo? + +Jago. +Er, Er, es ist Er--Wenn wir nur einen Sessel haetten, damit man ihn +ohne Erschuetterung von hier wegbringen koennte; ich will den Wund- +Arzt des Generals holen. Ihr, Mamsel, koenn't eure Muehe sparen. +Der Mann, Cassio, der hier in seinem Blute ligt, war mein bester +Freund. Was fuer ein Missverstaendniss war denn zwischen euch? + +Cassio. +Keines in der Welt; ich kenn' ihn nicht einmal. + +Jago. +Wie? Ihr seht ganz bleich aus?--Oh, tragt ihn doch aus der freyen +Luft!--Bleibt doch hier, meine Gnaedige Herren-- + +(Zu Bianca.) + +Seht ihr blass aus, Mamsel?--Merkt ihr meine Herren, wie verstoert +ihre Augen herumfahren? Gut, gut, das bedeutet was, wir werden +bald mehr hoeren. Betrachtet sie recht, ich bitte euch, seht sie an; +seht ihr, meine Herren? O, ein boeses Gewissen wird reden, wenn +alle Sprachen abgegangen waeren. + + + +Fuenfte Scene. + (Aemilia zu den Vorigen.) + + +Aemilia. +Ums Himmels willen, was giebt's hier? Was giebt's hier, Mann? + +Jago. +Cassio ist hier im Dunkeln von Rodrigo und seinen Gesellen, welche +entsprungen sind, angefallen worden; er ist uebel verwundet, und +Rodrigo todt. + +Aemilia. +O Jammer! der arme Cavalier! der arme, gute Cassio! + +Jago. +Das sind die Fruechte vom Huren-Leben--Ich bitte dich, Aemilia, geh, +frage den Cassio, wo er heute zu Nacht gegessen habe-- + +(zu Bianca.) + +Wie, zittert ihr vor dieser Frage? + +Bianca. +Er ass in meinem Hause zu Nacht, aber ich zittre nicht desswegen. + +Jago. +O, that er das?--ich arretiere euch hier--kommt mit mir. + +Aemilia. +O fy, die garstige Hure! + +Bianca. +Ich bin keine Hure, ich bin eine so ehrliche Frau als ihr, die mich +so beschimpfst! + +Aemilia. +Als ich? Pfuy, das garstige Ding! + +Jago. +Meine liebsten Herren, wir wollen dafuer sorgen, dass Cassio +verbunden wird. Kommt, Mamsell, wir wollen euch schon die Zunge +loesen. Aemilia, lauft ihr in die Citadelle, und sagt dem General +und der Gnaedigen Frauen was begegnet ist: Wollt ihr voran gehen?-- + +(vor sich.) + +Der Ausgang dieser Nacht wird mein Gluek oder meinen Untergang +entscheiden. + +(Sie gehen ab, Jago zulezt.) + + + +Sechste Scene. + (Ein Schlaf-Zimmer. Desdemona in einem Bette, wovon der Vorhang + halb weggezogen ist.) + (Othello tritt mit einem Degen in einer, und einem Licht in der + andern Hand auf.) + + +Othello. +Die Beleidigung ist zu gross, zu gross, meine Seele--Lasst sie mich +nicht vor euch nennen, ihr keuschen Sterne! Sie ist zu gross!--Und +doch will ich ihr Blut nicht vergiessen, noch diese ihre Haut +zerrizen, die weisser als Schnee, und so glatt wie Alabaster ist. + +(Er legt seinen Degen nieder.) + +Und doch muss sie sterben; sie wuerde sonst noch mehr Ungluekliche +machen. Das Licht ausgeloescht, und dann--Das Licht ausloeschen--O +du dienstbare Flamme, wenn ich dich ausloesche, und es gereut mich, +so kan ich dir dein Licht wieder geben: Aber wenn (dein) Licht +einmal ausgeblasen ist, du vollkommenstes Modell der sich selbst +uebertreffenden Natur, so weiss ich nicht, wo dieser prometheische +Funke ist, der es wieder anzuenden kan-- + +(Er stellt das Licht hin.) + +Wenn ich deine Rose abgepfluekt habe, so kan ich ihr den belebenden +Geist nicht wiedergeben; sie muss verwelken--Ich will dich noch am +Stoke riechen-- + +(Er kuesst sie.) + +--O du balsamischer Athem, fast koenntest du die Gerechtigkeit +bewegen ihr Schwerdt zu zerbrechen--Noch einen; noch einen--Sey so, +wenn du todt bist, und ich will dich erst ermorden, und dann lieben-- +noch einen, der soll der lezte seyn--Holdseliges Geschoepf, wie +Schade, dass du sterben sollst! Ich muss weinen, aber es sind +grausame Thraenen--Sie weinen auf die Hand, die dir den Tod bringt-- +Sie erwacht. + +Desdemona. +Wer ist hier? Othello? + +Othello. +Ja, Desdemona. + +Desdemona. +Wollt ihr zu Bette kommen, mein Gemahl? + +Othello. +Habt ihr euer Nachtgebet gebetet, Desdemona? + +Desdemona. +Ja, mein Herr. + +Othello. +Wenn ihr euch noch irgend eines Verbrechens erinnert, worueber ihr +euch mit dem Himmel noch nicht ausgesoehnt habt, so saeumt euch nicht, +um seine Gnade zu flehen. + +Desdemona. +O Gott! was meynt ihr mit dieser Aufforderung? + +Othello. +Gut, thu es, und machs kurz; ich will bey Seite gehen. Ich moechte +dich nicht unbereitet ueberraschen, nein, (der Himmel bewahre mich +davor!) ich moechte deine Seele nicht ermorden. + +Desdemona. +Redet ihr von ermorden? + +Othello. +Ja, das thu ich. + +Desdemona. +So erbarme sich der Himmel ueber mich! + +Othello. +Amen, von ganzem Herzen. + +Desdemona. +Wenn ihr so sagt, so werdet ihr mich doch nicht umbringen wollen. + +Othello. +Hum! + +Desdemona. +Und doch fuercht' ich euch; ihr seyd gefaehrlich, wenn eure Augen so +rollen. Warum ich mir foerchten soll, weiss ich nicht, da ich mir +keiner Schuld bewusst bin; und doch fuehl' ichs, dass mir bang ist. + +Othello. +Denk an deine Suenden. + +Desdemona. +Ich kenne keine, als die zu grosse Liebe, die ich zu euch trage. + +Othello. +Ja, und davor must du sterben. + +Desdemona. +Das ist unnatuerlich, Liebe mit dem Tode zu bestrafen. O Gott! +Warum beisst ihr so in eure Unter-Lippe? Irgend ein blutiges +Vorhaben erschuettert euern ganzen Bau; das sind fuerchterliche +Vorbedeutungen; und doch hoff' ich, ich hoffe, sie zielen nicht auf +mich. + +Othello. +Schweig, und sey still. + +Desdemona. +Ich will; was habt ihr dann? + +Othello. +Das Schnupftuch, das mir so lieb war, und das ich dir gab, gabst du +dem Cassio? + +Desdemona. +Nein, bey meinem Leben und meiner Seele; schikt nach ihm, und fragt +ihn. + +Othello. +Holde Seele, nimm dich in Acht, nimm dich vor Meineyd in Acht; du +bist auf deinem Tod-Bette. + +Desdemona. +Ja, aber doch noch nicht izt zu sterben. + +Othello. +Diesen Augenblik; entlade dich also durch ein aufrichtiges +Bekenntniss deiner Suende; denn wenn du auch jeden Artikel mit einem +Eyde laeugnen wuerdest, so wuerd' es unvermoegend seyn, die tiefe +Ueberzeugung zu erschuettern, die mir diesen Seufzer erpresst. Du +must sterben. + +Desdemona. +O Himmel, erbarme dich meiner! + +Othello. +Ich sag, Amen. + +Desdemona. +Und erbarmt ihr euch auch!--Nie, in meinem Leben hab ich euch nie +beleidigt; niemals diesen Cassio geliebt, als mit dieser +allgemeinen Liebe, die der Himmel selbst billigt und fordert. Ich +gab ihm niemalen kein Andenken. + +Othello. +Beym Himmel, ich sah mein Schnupftuch in seiner Hand. O +meineydiges Weibsbild! du versteinerst mein Herz! du machst, dass +ich das was ich zu thun vorhabe, einen Mord nennen muss, da ich es +fuer ein Opfer hielt. Ich sah das Schnupftuch. + +Desdemona. +So hat er's also gefunden; ich gab' es ihm nie; schikt nach ihm, +lasst ihn die Wahrheit gestehen. + +Othello. +Er hat gestanden. + +Desdemona. +Was, mein Gemahl? + +Othello. +Dass er--mit dir zu thun gehabt-- + +Desdemona. +Wie, auf eine unerlaubte Art? + +Othello. +Ja. + +Desdemona. +Das kan er nicht sagen. + +Othello. +Nein, sein Mund ist verstopft. Der ehrliche Jago hat davor gesorgt. + +Desdemona. +Wie, ist er todt? + +Othello. +Waer' in jedem seiner Haare ein eignes Leben gewesen, meine grosse +Rache haette Zorn genug fuer alle gehabt. + +Desdemona. +O Gott, so ist er verrathen, und ich bin verlohren! + +Othello. +Weg mit dir, Schandhure! Weinst du vor meinen Augen um ihn? + +Desdemona. +Verbanne mich, lieber Mann, toedte mich nur nicht. + +Othello. +Hinab, unzuechtiger Balg! + +Desdemona. +Toedte mich morgen, lass mich nur diese Nacht noch leben. + +Othello. +Nein, wenn du dich straeubst-- + +Desdemona. +Nur noch eine halbe Stunde. + +Othello. +Schweige, du bekommst keinen Aufschub. + +Desdemona. +Nur so lang ich ein Vater Unser beten kan. + +Othello. +Es ist zu spaet. + +(Er erstekt sie.) + + + +Siebende Scene. + (Aemilia, vor der Thuere.) + + +Aemilia. +Gnaediger Herr, Gnaediger Herr! He! Gnaediger Herr! + +Othello. +Was fuer ein Getoes ist das?--Noch nicht todt? noch nicht voellig +todt? So grausam ich bin, bin ich doch barmherzig; ich wollte dich +nicht gern lang leiden lassen--So, so. + +Aemilia (vor der Thuere.) +Wie? he! Gnaediger Herr! Gnaediger Herr! + +Othello. +Wer ist da? + +Aemilia. +O mein lieber Gnaediger Herr, ich moechte nur ein Wort mit euch reden. + +Othello. +Ja, es ist Emilia--In einem Augenblik--sie ist todt--Vermuthlich +wird sie mir die Nachricht von Cassios Tode bringen--Der Lerm war +gross--Ha, du ruehrst dich nicht mehr? Still wie ein Grab. Soll ich +sie hereinlassen? Waer' es gut? Mich daeucht, sie ruehrt sich wieder- +-Nein--Was ist das Beste? Wenn sie herein koemmt, so wird sie mit +meinem Weibe reden wollen; meinem Weib? Meinem Weib? Was fuer +einem Weib? Ich habe kein Weib--O Unertraeglich! o bange Stunde! +Mich daeucht, es sollte izt eine dichte Verfinsterung der Sonne und +des Monds seyn, und der geschrekte Erdball sollte vor Entsezen +beben-- + +Aemilia. +Ich bitte euch, nur ein paar Worte, ach; mein lieber Gnaediger Herr! +-- + +Othello. +Ich hatte dich vergessen; oh, komm herein, Aemilia. Sachte, +augenbliklich, ich muss nur erst den Vorhang ziehen.--Wer bist du? +Was willst du? + +(Er riegelt die Thuer auf.) + +(Aemilia kommt herein.) + +Aemilia. +Ach, Gnaediger Herr, es ist eine greuliche Mordthat begangen worden! + +Othello. +Wie? izt? + +Aemilia. +Eben izt, Gnaediger Herr. + +Othello. +Da hat der Mond die Schuld; er ist der Erde naeher gekommen als +seine Gewohnheit ist, und nun werden alle Leute toll. + +Aemilia. +Cassio hat einen jungen Venetianer, Rodrigo genannt, umgebracht. + +Othello. +Rodrigo umgebracht? und Cassio umgebracht? + +Aemilia. +Nein, Cassio ist nicht todt. + +Othello. +Cassio ist nicht todt? So ist die Rache nur halb befriedigt. + +Desdemona. +O unbillig, unbillig ermordet!-- + +Aemilia. +Gott helf uns! was fuer ein Geschrey ist das? + +Othello. +Das? Was? + +Aemilia. +O Himmel, es war meiner Gnaedigen Frauen Stimme. Zu Huelfe, zu Huelfe! +He! zu Huelfe! O Gnaedige Frau, redet weiter; englische Desdemona, +o meine theureste Gebieterin, redet! + +Desdemona. +Ich sterbe unschuldig. + +Aemilia. +O, wer hat diese entsezliche That gethan? + +Desdemona. +Niemand, ich selbst, lebe wohl; bringe meinem guetigen Gemahl meinen +lezten Gruss; o, lebe wohl. + +(Sie stirbt.) + +Othello. +Wie, wie sollte sie ermordet worden seyn? + +Aemilia. +O Gott! wer weiss das? + +Othello. +Ihr hoertet's, sie sagte selbst, ich sey's nicht gewesen. + +Aemilia. +Sie sagte so, ich kan nichts anders sagen. + +Othello. +Sie ist als eine Luegnerin zur Hoelle gefahren; ich war's, der sie +ermordete. + +Aemilia. +Oh, desto mehr Engel ist sie nun, und du ein desto schwaerzerer +Teufel. + +Othello. +Sie ergab sich der Leichtfertigkeit, sie war eine Hure. + +Aemilia. +Du laesterst sie, du bist ein Teufel. + +Othello. +Sie war falsch wie Wasser. + +Aemilia. +Und du bist rasch wie Feuer, wenn du das sagst. Oh, sie war ein +Engel von Unschuld. + +Othello. +Sie liess sich von Cassio deken; frag deinen Mann, wenn du's nicht +glauben willst. Welcher Abgrund in der flammenden Hoelle waere tief +genug fuer mich, wenn ich ohne die staerksten Gruende so weit gegangen +waere? Dein Mann weiss alles. + +Aemilia. +Mein Mann? + +Othello. +Dein Mann. + +Aemilia. +Das sie ihrem Ehbett untreu war? + +Othello. +Ja, mit Cassio. Waere sie treu gewesen, glaube mir, wenn mir der +Himmel noch eine solche Welt, wie diese, aus einem einzigen ganzen +Chrysolith haette machen wollen, ich haette sie nicht darum gegeben. + +Aemilia. +Mein Mann! + +Othello. +Ja, er war's, der mir die erste Nachricht davon gab. Er ist ein +ehrlicher Mann, und ein Feind schaendlicher Thaten. + +Aemilia. +Mein Mann! + +Othello. +Wozu soll diese doppelte Ausruffung, Weib? Ich sage, dein Mann. + +Aemilia. +O meine Gebieterin! Arglistige Bosheit hat die eifersuechtige Liebe +betrogen, und du bist das Opfer. Mein Mann soll gesagt haben, sie +sey ungetreu! + +Othello. +Er, Weibsbild; ich sage, dein Mann; verstehst du das Wort? Mein +Freund, dein Mann, der ehrliche, rechtschaffne Jago. + +Aemilia. +Wenn er das sagt, so verderbe seine verruchte Seele in langsam +marternden Qualen! Er luegt's in sein Herz hinein! Nur zu sehr +liebte sie den hassenswuerdigen Teufel, mit dem sie sich beladen +hatte. + +Othello. +Ha!-- + +Aemilia. +Thu dein aergstes; diese greuliche That, die du gethan hast, ist den +Himmel nicht mehr werth, wie du ihrer werth warst. + +Othello. +Schweigen waere das rathsamste fuer dich. + +Aemilia. +Du kanst nicht halb so geneigt seyn, mir Leid anzuthun, als ich es +wuensche: o Erzbetrueger! o dummer Kerl! dumm wie Mist! du hast +eine That gethan--ich frage nichts nach deinem Degen, ich will +bekannt machen wer du bist, und wenn ich zwanzig Leben zu +verliehren haette--Huelfe! Huelfe! He! Huelfe! Der Mohr hat meine +Frau umgebracht. Huelfe, Huelfe! + + + +Achte Scene. + (Montano, Gratiano, Jago und andre treten auf.) + + +Montano. +Was giebt es hier? Wie, was bedeutet das, General? + +Aemilia. +O, seyd ihr auch da, Jago? Ihr habt es weit gebracht, dass die +Leute ihre Mordthaten auf euern Hals schieben. + +Gratiano. +Was soll dieses bedeuten? + +Aemilia. +Wiedersprich diesem Boesewicht, wenn du ein Mann bist; er giebt aus, +du habest ihm gesagt, seine Frau sey untreu gewesen: Ich bin gewiss, +du hast es nicht gesagt; du bist kein solcher Bube! Rede, mein +Herz ist so voll, dass es zerspringen wird. + +Jago. +Ich sagte ihm was ich dachte; und nicht mehr, als er selbst +glaubwuerdig und wahr befand. + +Aemilia. +Aber sagtet ihr ihm jemals, sie sey untreu? + +Jago. +Ja, das that ich. + +Aemilia. +So sagtet ihr eine Luege. eine hassenswuerdige, verdammte Luege; auf +meine Seel', eine Luege; eine verfluchte Luege. Sie untreu mit +Cassio? Sagtet ihr, mit Cassio? + +Jago. +Mit Cassio, Frau; geht, geht, und lasst euch eure Zunge legen. + +Aemilia. +Das will ich nicht; ich will, ich muss reden; es ist meine Pflicht, +dass ich rede. Meine Frau ligt hier ermordet in ihrem Bette. + +Alle. +Das wolle der Himmel nicht! + +Aemilia. +Und eure Ohrenblaesereyen sind der Antrieb zu diesem Mord gewesen. + +Othello. +Nein, seht nicht so erschroken aus, meine Herren; es ist wahr, es +ist wuerklich so. + +Gratiano. +Das ist eine verwuenschte Wahrheit. + +Montano. +O ungeheure That! + +Aemilia. +Bueberey! Schaendliche versuchte Bueberey! Ich seh--ich rieche sie-- +Verdammte Bueberey!--Ich dachte gleich--O, ich moechte vor Schmerz +Hand an mich selbst legen--o Bueberey! Bueberey! + +Jago. +Wie, seyd ihr toll? Ich befehls euch, pakt euch heim. + +Aemilia. +Meine liebe Herren, erlaubt mir dass ich reden darf, ich bin ihm +sonst Gehorsam schuldig, aber nicht izt: Vielleicht, Jago, werd' +ich nie wieder heim gehen. + +Othello. +O! O! O! + +(Er sinkt auf das Bette.) + +Aemilia. +Ja, leg dich nur hin, und heule: Du hast die liebenswuerdigste +Unschuldige umgebracht, die jemals geathmet hat. + +Othello (auffahrend.) +O, sie war lasterhaft!--Ich erkenn' euch erst izt, Oheim; hier ligt +eure Nichte, deren Athem, ich bekenn' es, diese Haende nur eben +gestopft haben; ich weiss es, diese That sieht graesslich aus. + +Gratiano. +Arme Desdemona! Ich bin froh, dass dein Vater todt ist: Deine +Heurath kuerzte ihm das Leben ab. Lebte er noch, dieser Anblik +wuerde ihn zur Verzweiflung treiben; ja, er wuerde seinen guten Engel +von seiner Seite wegfluchen, und in Verzweiflung sterben. + +Othello. +Es ist erbarmenswuerdig; aber Jago weiss es, dass sie die schaamvolle +That mit Cassio wol tausendmal begangen hat. Cassio hat es +eingestanden; und zu Vergeltung seiner Liebes-Proben gab sie ihm +das, womit ich ihr das erste Geschenk gemacht hatte; ich sah es in +seiner Hand; es war ein Schnupftuch, ein altes Andenken, das mein +Vater meiner Mutter gegeben hatte. + +Aemilia. +O Himmel! O himmlische Maechte! + +Jago. +Schweig, sag ich dir! + +Aemilia. +Es muss heraus, es muss heraus--Ich, schweigen? Lasst Engel, Menschen +und Teufel, lasst sie alle, alle, alle Schaam ueber mich schreyen, +wenn ich nicht rede. + +Jago. +Sey klug und geh heim. + +(Jago will sein Weib ermorden, und wird zuruek gehalten.) + +Gratiano. +Fy, euern Degen gegen ein Weibsbild! + +Aemilia. +O du dummer Mohr! Dieses Schnupftuch, wovon du redst, fand ich von +ungefehr, und gab es meinem Manne, der mich gar oft aufs +instaendigste, angelegenste, (mehr, in der That, als eine solche +Kleinigkeit werth war,) bat, dass ich es stehlen moechte. + +Jago. +Verfluchte Hure! + +Aemilia. +Sie soll es dem Cassio gegeben haben? Weh mir! ich fand es, und +gab es meinem Manne! + +Jago. +Rabenaass! du luegst. + +Aemilia. +Beym Himmel! ich luege nicht; ich luege nicht, meine Herren; o du +meuchelmoerdrischer Dummkopf! Was sollte ein solcher Narr mit einer +so vortreflichen Frau machen? + +(Jago bricht los, verwundet seine Frau, und entspringt.) + +Othello. +Sind keine Donnerkeile mehr im Himmel? Wozu nuezt dann der Donner? +Unerhoerter Lotterbube! + +Gratiano. +Sie faellt; er hat sein Weib umgebracht-- + +Aemilia. +Ja, ja; oh, legt mich an meiner Frauen Seite. + +Gratiano. +Seine Frau ist ermordet, und er ist entlauffen. + +Montano. +Das ist ein entsezlicher Boesewicht; nehmt diesen Degen in +Verwahrung, damit ihn der Mohr nicht erhasche; kommt, besezt die +auswendigen Thueren, lasst ihn nicht durch; toedtet ihn eher; ich +selbst will diesem Boesewicht nach; es ist ein verdammter Geselle! + +(Montano und Gratiano gehen ab.) + + + +Neunte Scene. + + +Othello. +Ich bin auch nicht mehr tapfer; ein jeder kleiner Klopffechter +nimmt mir meinen Degen weg. Aber warum sollte die Ehre die Tugend +ueberleben? Lasst immer alles dahin fahren! + +Aemilia. +Was bedeutete dein Gesang, meine Gebieterin? Hoere, kanst du mich +hoeren? Ich will den Schwanen machen, und singend sterben; (Weide, +Weide, Weide--)--Mohr, sie war keusch; sie liebte dich, grausamer +Mohr; so sehe mein Geist die Seligkeit, wie ich die Wahrheit rede, +und diese Wahrheit--sey mein leztes Wort-- + +(Sie stirbt.) + +Othello. +Ich habe noch einen andern Degen in diesem Zimmer, eine Spanische +Klinge, mit Wasser aus dem Ebro gestaehlt; o, hier ist sie: Oheim, +ich muss hinaus. + +Gratiano (vor der Thuere.) +Wenn du es versuchst, wird es dir theuer zu stehen kommen; du hast +kein Gewehr, und sollst dich unterwerfen, du magst wollen oder +nicht. + +Othello. +So schau zu mir herein und rede mit mir, oder ich will ohne Gewehr +ueber dich. + +(Gratiano kommt herein.) + +Gratiano. +Was wollt ihr? + +Othello. +Seht! ich hab ein Gewehr; ein schoeneres hieng niemals an eines +Soldaten Huefte. Ich habe den Tag gesehen, da ich mit diesem +kleinen Arm, und diesem guten Degen mir durch mehr Hinternisse +einen Weg machte, als zwanzig solche Waechter wie ihr seyd. Aber, o +eitle Pralerey! Wer kan ueber sein Schiksal Meister werden? Es ist +nun ein anders. Erschreket nicht, ob ihr mich gleich bewaffnet +sehet; hier ist das Ende meiner Fahrt, hier ist mein Ziel, die +aeusserste Marke, die mein leztes Segel noch erreichen kan--tretet +ihr erschroken zuruek? Es ist eine vergebliche Furcht: Zueket nur +ein Schilfrohr gegen Othello's Brust, so wird er sich zuruekziehen. +Wo sollte Othello hin gehen? Nun-- + +(Er sieht auf Desdemona.) + +--Wie siehst du nun aus? Ungluekliches Geschoepf! wie bleich! Wenn +wir vor Gericht zusammen kommen, wird diese Mine, die du hast, +meine Seele vom Himmel herabschleudern, und Teufel werden sie +auffangen--Kalt, kalt, mein Maedchen; kalt, wie deine Keuschheit--O +verfluchter Sclave! Peitscht mich, ihr boesen Geister, peitscht +mich vom Genuss dieses himmlischen Anschauens weg; zerstaeubt mich in +die Winde, roestet mich in Schwefel, wascht mich in bodenlosen +Schluenden von fluessigem Feuer--O Desdemona! Desdemona! todt! +todt! oh, oh! + + + +Zehnte Scene. + (Lodovico, Cassio, der hereingefuehrt wird, Montano, Jago gebunden, + und einige Officiers, zu den Vorigen.) + + +Lodovico. +Wo ist dieser rasche und hoechst ungluekliche Mann? + +Othello. +Das ist der, der einst Othello war, hier bin ich. + +Lodovico. +Wo habt ihr diese Viper? Bringt den Buben hervor! + +Othello. +Ich seh ihm auf die Fuesse; aber das ist eine Fabel. Wenn du ein +Teufel bist, so kan ich dich nicht toedten. + +(Othello stoesst nach Jago, und verwundet ihn.) + +Lodovico. +Windet ihm seinen Degen aus den Haenden. + +Jago. +Ich blute, Herr, aber ich lebe noch. + +Othello. +Auch ist es mir nicht leid; ich will dass du lebest; du verdienst +nicht, so glueklich zu seyn und zu sterben. + +Lodovico. +O du, Othello, einst ein so vortrefflicher Mann--nun in die +Fallstrike eines verruchten Sclaven gefallen--was soll man zu dir +sagen? + +Othello. +Wie, was man will; dass ich ein ehrlicher Moerder sey, wenn ihr wollt: +Denn was ich that, that ich nicht aus Hass, sondern meine Ehre zu +raechen. + +Lodovico. +Dieser Unselige hat einen Theil seines Bubenstueks eingestanden: +Beschlosset ihr und er mit einander, den Cassio zu ermorden? + +Othello. +Ja. + +Cassio. +Mein theurer General, ich gab euch niemals Ursache dazu. + +Othello. +Ich glaub es, und bitte euch um Vergebung: Wollt ihr, ich bitte +euch, diesen Halb-Teufel fragen, warum er meinen Leib und meine +Seele so verstrikt habe? + +Jago. +Fragt mich nichts; was ihr wisst, das wisst ihr; von diesem Augenblik +an soll kein Wort mehr aus meinem Munde gehen. + +Lodovico. +Wie? Auch nicht zum Beten? + +Gratiano. +Foltern sollen dir den Mund schon aufthun. + +Othello. +Gut, du thust am besten. + +Lodovico. +Mein Herr, mich daeucht, ihr seht noch nicht klar in der Sache; +diese zween Briefe, die man in des erschlagenen Rodrigo Tasche +gefunden, werden euch aus dem Wunder helfen. Einer davon enthaelt +die Ermordung des Cassio, welche Rodrigo auf sich nehmen sollte-- + +Othello. +O Boesewicht! + +Cassio. +Mehr als heidnisch! + +Lodovico. +Und hier ist der andre, die Antwort, die, dem Ansehen nach, Rodrigo +ihm zugeschikt haben wollte, wenn Jago nicht indessen selbst +gekommen und ihn befriediget haette. + +Othello. +O du verpesteter Bube!--Wie kam't ihr zu meines Weibs Schnupftuch, +Cassio? + +Cassio. +Ich fand es in meiner Kammer, und er gestuhnd uns eben izt, dass er +es in einer besondern Absicht daselbst hingeworfen habe, welche er +auch nach Herzens-Lust erreicht habe. + +Othello. +O Narr! Narr! Narr! der ich war! + +Cassio. +Hier ist auch noch in Rodrigo's Briefe, wie er ihm vorwirft, dass er +ihn vermocht habe, mich auf der Wache zu beschimpfen; welches die +Gelegenheit dazu gab, dass ich cassiert wurde: Und eben erst, da er +nach einer langen Ohnmacht, worinn er fuer todt gehalten wurde, +wieder zu sich selbst kam, sagte er, Jago selbst habe ihm den Rest +gegeben. + +Lodovico (zu Othello.) +Ihr muesst nun diesen Ort verlassen, und mit uns gehen: Eure Gewalt +ist euch abgenommen, und Cassio regiert nun in Cypern. Was diesen +Sclaven betrift, wenn irgend eine sinnreiche Marter ausgedacht +werden kan, die ihn die grausamste Pein leiden mache, ohne ihn zu +bald aufzureiben, so wartet sie auf ihn. Ihr, Othello, sollt in +enger Verwahrung bleiben, bis die Beschaffenheit eures Vergehens +der Regierung von Venedig bekannt gemacht seyn wird. Kommt, fuehret +ihn hinweg. + +Othello. +Sachte; ein paar Worte, eh ihr geht. Ich habe dem Staat einige +Dienste geleistet, und sie wissen's: Nichts mehr davon. Ich bitte +euch, wenn ihr in euern Briefen diese ungluekliche Geschicht' +erzaehlet, so redet von mir wie ich bin; verkleinert meine Fehler +nicht, aber macht mich auch nicht schlimmer als ich war. Redet +also von einem, der nicht weislich liebte, aber zu sehr; von einem +der nicht leicht eiferte; aber nachdem er einmal von dieser +Leidenschaft ergriffen war, keine Grenzen kannte; von einem, dessen +Hand gleich dem verworfnen Juden (Herodes) eine Perle wegwarf, +deren unschaezbaren Werth sein ganzer Stamm nicht bezahlen konnte; +von einem dessen ungewohnte Augen, ihr gleich Arabiens Balsam- +Staude Thraenen, Jammer-lindernde Thraenen quellen sahet. Dieses +schreibet, und sezt hinzu, dass ich einst in Aleppo, wo ein +bosshafter, schelmischer Tuerke einen Venetianer schlug und auf den +Staat schimpfte, den beschnittnen Hund bey der Gurgel gefasst, und +ihn so gekizelt habe. + +(Er ersticht sich.) + +Lodovico. +O blutige Nacht! + +Gratiano. +Hier verliehren Worte alle ihre Kraft! + +Othello (zu Desdemona.) +Ich kuesste dich, eh ich dich toedtete; nun ist nichts uebrig, als da +ich mich selbst getoedtet habe, mit einem Kuss zu sterben. + +(Er sinkt auf Desdemonens Leiche und stirbt.) + +Cassio. +Das besorgte ich, aber ich glaubte nicht, dass er ein Gewehr habe; +er hatte ein grosses Herz. + +Lodovico (zu Jago.) +O Spartanischer Hund, verderblicher als Pest, Hunger, oder die +tobende See! Schau auf die jammervolle Last dieses Bettes hin; das +ist dein Werk; der graessliche Anblik vergiftet das Gesicht--Lasst ihn +verhuellen, Gratiano. Behaltet das Haus, und bemaechtigt euch des +Vermoegens des Mohren, denn ihr seyd sein Erbe. + +(Zu Cassio.) + +Euch, Herr Statthalter, verbleibt die Abstraffung dieses hoellischen +Bubens, die Zeit, der Ort, die Marter, o! lasst sie so greulich als +seine Bosheit seyn. Ich selbst eile zu Schiffe, um mit schwerem +Herzen dem Staat diesen jammervollen Zufall vorzutragen. + +Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Othello, von William Shakespeare +(Uebersetzt von Christoph Martin Wieland) + + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Othello, by Shakespeare + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK OTHELLO *** + +This file should be named 7185.txt or 7185.zip +Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7gs3211.txt +VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7gs3210a.txt + +Produced by Delphine Lettau + +Project Gutenberg eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +We are now trying to release all our eBooks one year in advance +of the official release dates, leaving time for better editing. +Please be encouraged to tell us about any error or corrections, +even years after the official publication date. + +Please note neither this listing nor its contents are final til +midnight of the last day of the month of any such announcement. +The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at +Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A +preliminary version may often be posted for suggestion, comment +and editing by those who wish to do so. + +Most people start at our Web sites at: +https://gutenberg.org or +http://promo.net/pg + +These Web sites include award-winning information about Project +Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new +eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!). + + +Those of you who want to download any eBook before announcement +can get to them as follows, and just download by date. This is +also a good way to get them instantly upon announcement, as the +indexes our cataloguers produce obviously take a while after an +announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter. + +http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or +ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03 + +Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90 + +Just search by the first five letters of the filename you want, +as it appears in our Newsletters. + + +Information about Project Gutenberg (one page) + +We produce about two million dollars for each hour we work. The +time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours +to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright +searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our +projected audience is one hundred million readers. If the value +per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 +million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text +files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ +We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 +If they reach just 1-2% of the world's population then the total +will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. + +The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! +This is ten thousand titles each to one hundred million readers, +which is only about 4% of the present number of computer users. + +Here is the briefest record of our progress (* means estimated): + +eBooks Year Month + + 1 1971 July + 10 1991 January + 100 1994 January + 1000 1997 August + 1500 1998 October + 2000 1999 December + 2500 2000 December + 3000 2001 November + 4000 2001 October/November + 6000 2002 December* + 9000 2003 November* +10000 2004 January* + + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created +to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. + +We need your donations more than ever! + +As of February, 2002, contributions are being solicited from people +and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut, +Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois, +Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, +Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New +Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio, +Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South +Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West +Virginia, Wisconsin, and Wyoming. + +We have filed in all 50 states now, but these are the only ones +that have responded. + +As the requirements for other states are met, additions to this list +will be made and fund raising will begin in the additional states. +Please feel free to ask to check the status of your state. + +In answer to various questions we have received on this: + +We are constantly working on finishing the paperwork to legally +request donations in all 50 states. If your state is not listed and +you would like to know if we have added it since the list you have, +just ask. + +While we cannot solicit donations from people in states where we are +not yet registered, we know of no prohibition against accepting +donations from donors in these states who approach us with an offer to +donate. + +International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about +how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made +deductible, and don't have the staff to handle it even if there are +ways. + +Donations by check or money order may be sent to: + +Project Gutenberg Literary Archive Foundation +PMB 113 +1739 University Ave. +Oxford, MS 38655-4109 + +Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment +method other than by check or money order. + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by +the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN +[Employee Identification Number] 64-622154. 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