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+The Project Gutenberg EBook of Was ihr wollt, by William Shakespeare
+#28 in our series by William Shakespeare
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+this or any other Project Gutenberg eBook.
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+**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts**
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+**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971**
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+*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****
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+Title: Was ihr wollt
+ Twelfth Night
+
+Author: William Shakespeare
+
+Release Date: December, 2004 [EBook #7186]
+[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
+[This file was first posted on March 24, 2003]
+
+Edition: 10
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-Latin-1
+
+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK WAS IHR WOLLT ***
+
+
+
+
+Produced by Delphine Lettau
+
+
+
+
+Was ihr wollt.
+
+William Shakespeare
+
+Ein Lustspiel.
+
+Übersetzt von Christoph Martin Wieland
+
+
+Personen.
+
+Orsino, Herzog von Illyrien.
+Sebastiano, ein junger Edelmann, Bruder der Viola.
+Antonio, ein Schiff-Capitain.
+Valentin und Curio, Hofleute des Orsino.
+Sir Tobias Rülps, Olivia's Oheim.
+Sir Andreas Fieberwange, sein Zechbruder.
+Ein Schiffhauptmann, Viola's Freund.
+Fabian, Diener der Olivia.
+Malvolio, ihr Hausmeister.
+Hans Wurst.
+Olivia, eine Dame von grosser Schönheit, Stand und Reichthum, in
+ die Orsino verliebt ist.
+Viola, in den Herzog verliebt.
+Maria, Olivia's Kammer-Jungfer.
+
+Ein Priester, Matrosen, Offizianten und andre stumme Personen.
+
+Die Scene, eine Stadt an der Küste von Illyrien.
+
+
+
+
+Erster Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+(Der Pallast.)
+(Der Herzog, Curio, und etliche Herren vom Hofe treten auf.)
+
+
+Herzog.
+Wenn Musik die Nahrung der Liebe ist, so spielt fort; stopft mich
+voll damit, ob vielleicht meine Liebe von Überfüllung krank werden,
+und so sterben mag--Dieses (Passage) noch einmal;--es hat einen so
+sterbenden Fall: O, es schlüpfte über mein Ohr hin, wie ein sanfter
+Südwind, der Gerüche gebend und stehlend über ein Violen-Bette
+hinsäuselt.--Genug! nichts mehr! Es ist nicht mehr so anmuthig, als
+es vorhin war. O Geist der Liebe, wie sprudelnd und launisch bist
+du! weit und unersättlich wie die See, aber auch darinn ihr ähnlich,
+daß nichts da hineinkömmt, von so hohem Werth es auch immer sey,
+das nicht in einer Minute von seinem Werth herab und zu Boden sinke
+--
+
+Curio.
+Wollt ihr jagen gehen, Gnädigster Herr?
+
+Herzog.
+Was?
+
+Curio.
+Den Hirsch.
+
+Herzog.
+--Wie? das wäre das edelste was ich habe: O, wie ich Olivia zum
+erstenmal sah, däuchte mich, sie reinigte die Luft von einem
+giftigen Nebel; von diesem Augenblik an ward' ich in einen Hirsch
+verwandelt, und meine Begierden, gleich wilden, hungrigen Hunden,
+verfolgen mich seither--
+
+(Valentin tritt auf.)
+
+Nun, was für eine Zeitung bringt ihr mir von ihr?
+
+Valentin.
+Gnädigster Herr, ich wurde nicht vorgelassen; alles was ich statt
+einer Antwort erhalten konnte, war, daß ihr Kammer-Mädchen mir
+sagte, die Luft selbst sollte in den nächsten sieben Jahren ihr
+Gesicht nicht bloß zu sehen kriegen; sondern gleich einer Kloster-
+Frau will sie in einem Schleyer herum gehen, und alle Tage ein mal
+ihr Zimmer rund herum mit Thränen begiessen: Alles diß aus Liebe zu
+einem verstorbenen Bruder, dessen Andenken sie immer frisch und
+lebendig in ihrem Herzen erhalten will.
+
+Herzog.
+O, Sie, die ein so fühlendes Herz hat, daß sie einen Bruder so sehr
+zu lieben fähig ist; wie wird sie lieben, wenn Amors goldner Pfeil
+die ganze Heerde aller andern Zuneigungen, ausser einer einzigen,
+in ihrer Brust getödtet hat? Wenn Leber, Gehirn und Herz, drey
+unumschränkte Thronen, alle von Einem (o entzükende Vorstellung)
+von Einem und demselben König besezt und ausgefüllt sind! Folget
+mir in den Garten--Verliebte Gedanken ligen nirgends schöner, als
+unter einem grünen Thron-Himmel, auf Polstern von Blumen.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Zweyte Scene.
+(Die Strasse.)
+(Viola, ein Schiffs-Capitain, und etliche Matrosen.)
+
+
+Viola.
+In was für einem Lande sind wir, meine Freunde.
+
+Capitain.
+In Illyrien, Gnädiges Fräulein.
+
+Viola.
+Und was soll ich in Illyrien machen, da mein Bruder im Elysium ist?--
+Doch vielleicht ist er nicht umgekommen; was meynt ihr, meine
+Freunde?
+
+Capitain.
+Es ist ein blosses Glük, daß ihr selbst gerettet worden seyd.
+
+Viola.
+O mein armer Bruder!--aber, hätt' er dieses Glük nicht auch haben
+können?
+
+Capitain.
+Es ist wahr; und wenn die Hoffnung eines glüklichen (Vielleicht) Eu.
+Gnaden beruhigen kan, so versichre ich euch, wie unser Schiff
+strandete, und ihr und diese wenigen, die mit euch gerettet wurden,
+an unserm Boot hiengen, da sah ich euern Bruder, selbst in dieser
+äussersten Gefahr, Muth und Vorsicht nicht verliehrend, sich selbst
+an einen starken Mast binden, der auf der See umhertrieb; und auf
+diese Art schwamm er, wie Arion auf dem Rüken des Delphins, durch
+die Wellen fort, bis ich ihn endlich aus den Augen verlohr.
+
+Viola.
+Hier ist Gold für diese gute Nachricht. Meine eigne Rettung läßt
+mich auch die seinige hoffen, und dein Bericht bestärkt mich
+hierinn. Bist du in dieser Gegend bekannt?
+
+Capitain.
+Ja, Madam, sehr wohl; der Ort wo ich gebohren und erzogen wurde,
+ist nicht drey Stunden Wegs von hier entfernt.
+
+Viola.
+Wer regiert hier?
+
+Capitain.
+Ein edler Herzog, den Eigenschaften und dem Namen nach.
+
+Viola.
+Wie nennt er sich?
+
+Capitain.
+Orsino.
+
+Viola.
+Orsino? Ich erinnre mich, daß ich von meinem Vater ihn nennen hörte;
+er war damals noch unvermählt.
+
+Capitain.
+Er ist's auch noch, oder war's doch vor kurzem; denn es ist nicht
+über einen Monat, daß ich von her abreisete, und damals murmelte
+man nur einander in die Ohren, (ihr wißt, wie gerne die Kleinern
+von dem, was die Grossen thun, schwazen,) daß er sich um die Liebe
+der schönen Olivia bewerbe.
+
+Viola.
+Wer ist diese Olivia?
+
+Capitain.
+Eine junge Dame von grossen Eigenschaften, die Tochter eines Grafen,
+der vor ungefehr einem Jahr starb, und sie unter dem Schuz seines
+Sohns, ihres Bruders, hinterließ; aber auch diesen hat sie erst
+kürzlich durch den Tod verlohren; und man sagt, sie sey so betrübt
+darüber, daß sie die Gesellschaft, ja so gar den blossen Anblik der
+Menschen verschworen habe.
+
+Viola.
+Wenn ich nur ein Mittel wißte, in die Dienste dieser Dame zu kommen,
+ohne eher in der Welt für das was ich bin bekannt zu werden, als
+ich es selbst meinen Absichten verträglich finden werde.
+
+Capitain.
+Das wird schwer halten; denn sie läßt schlechterdings niemand vor
+sich, sogar den Herzog nicht.
+
+Viola.
+Du hast das Ansehen eines rechtschaffnen Manns, Capitain; und
+obgleich die Natur manchmal den häßlichsten Unrath mit einer
+schönen Mauer einfaßt, so will ich doch von dir glauben, daß dein
+Gemüth mit diesem feinen äusserlichen Schein übereinstimme: Ich
+bitte dich also, (und ich will deine Mühe reichlich belohnen,)
+verheele was ich bin, und verhilf mir zu einer Verkleidung, die
+meinen Absichten beförderlich seyn mag. Ich will mich in die
+Dienste dieses Herzogs begeben; stelle mich ihm als einen Castraten
+vor; es kan deiner Mühe werth seyn; ich kan singen, ich spiele
+verschiedene Instrumente, und bin also nicht ungeschikt ihm die
+Zeit zu verkürzen; was weiter begegnen kan, will ich der Zeit
+überlassen; nur beobachte du auf deiner Seite ein gänzliches
+Stillschweigen über mein Geheimniß.
+
+Capitain.
+Seyd ihr sein Castrat, ich will euer Stummer seyn. Verlaßt euch auf
+meine Redlichkeit.
+
+Viola.
+Ich danke dir; führe mich weiter.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Dritte Scene.
+(Verwandelt sich in ein Zimmer in Olivias Hause.)
+(Sir Tobias und Maria treten auf.)
+
+
+
+Vierte Scene.
+(Sir Andreas zu den Vorigen.)
+(Der Character des Sir Tobias und seines Freundes gehört in die
+unterste Tiefe des niedrigen Comischen; ein paar mäßige, lüderliche,
+rauschichte Schlingels, deren platte Scherze, Wortspiele und tolle
+Einfälle nirgends als auf einem Engländischen Theater, und auch da
+nur die Freunde des Ostadischen Geschmaks und den Pöbel belustigen
+können. Wir lassen also diese Zwischen-Scenen um so mehr weg, als
+wir der häuffigen Wortspiele wegen, öfters Lüken machen müßten.
+Alles was in diesen beyden Scenen einigen Zusammenhang mit unserm
+Stüke hat, ist dieses, daß Sir Tobias seinen Zechbruder, Sir
+Andreas, als einen Liebhaber der schönen Olivia ins Haus einführt
+und ganz ernsthaft der Meynung ist, daß sie ein recht artiges
+wohlzusammengegattetes Paar ausmachen würden; und daß Jungfer Maria
+den würdigen Oheim ihrer Dame höflich ersucht, um seiner Gesundheit
+willen sich weniger zu besauffen; und um der Ehre des Hauses willen,
+seine Bacchanalien nicht so tief in die Nacht hinein zu verlängern.)
+
+
+
+Fünfte Scene.
+(Verwandelt sich in den Pallast.)
+(Valentin, und Viola in Mannskleidern, treten auf.)
+
+
+Valentin.
+Wenn der Herzog fortfährt euch so zu begegnen wie bisher, Cäsario,
+so werdet ihr in kurzem einen grossen Weg machen; er kennt euch
+kaum drey Tage, und er begegnet euch schon, als ob es so viele
+Jahre wären.
+
+Viola.
+Ihr müßt entweder seiner Laune oder meiner Aufführung nicht viel
+gutes zutrauen, wenn ihr die Fortsezung seiner Gunst in Zweifel
+ziehet. Ist er denn so unbeständig in seinen Zuneigungen, mein Herr?
+
+Valentin.
+Nein, das ist er nicht. (Der Herzog, Curio und Gefolge treten auf.)
+
+Viola.
+Ich danke euch; hier kommt der Herzog.
+
+Herzog.
+Sah keiner von euch den Cäsario, he?
+
+Viola.
+Hier ist er, Gnädigster Herr, zu Befehl.
+
+Herzog (zu den andern.)
+Geht ihr ein wenig auf die Seite--Cäsario, du weist bereits nicht
+weniger als alles; ich habe dir das Innerste meines Herzens
+entfaltet. Geh also zu ihr, mein guter Junge; laß dich nicht
+abweisen, postiere dich vor ihrer Thüre, und sag ihr, du werdest da
+wie eingewurzelt stehen bleiben, bis sie dir Gehör gebe.
+
+Viola.
+Gnädigster Herr, wenn sie sich ihrer Betrübniß so sehr überläßt,
+wie man sagt, so ist nichts gewissers, als daß sie mich nimmermehr
+vorlassen wird.
+
+Herzog.
+Du must ungestüm seyn, schreyen, und eher über alle Höflichkeit und
+Anständigkeit hinüberspringen, als unverrichteter Sachen zurük
+kommen.
+
+Viola.
+Und gesezt, ich werde vorgelassen, Gnädigster Herr, was soll ich
+sagen?
+
+Herzog.
+O dann entfalte ihr die ganze Heftigkeit meiner Liebe; preise ihr
+meine ungemeine Treue an; es wird dir wol anstehen, ihr mein Leiden
+vorzumahlen; sie wird es von einem jungen Menschen, wie du, besser
+aufnehmen, und mehr darauf Acht geben, als wenn ich einen
+Unterhändler von ernsthafteren Ansehen gebrauchte.
+
+Viola.
+Ich denke ganz anders, Gnädigster Herr.
+
+Herzog.
+Glaube mir's, mein lieber Junge; deine Jugend wäre schon genug,
+diejenigen lügen zu heissen, die dich einen Mann nennten. Dianens
+Lippen sind nicht sanfter und rubinfarbiger als die deinigen; deine
+Stimme ist wie eines Mädchens, zart und hell, und dein ganzes Wesen
+hat etwas weibliches an sich. Ich bin gewiß, du bist unter einer
+Constellation gebohren, die dich in solchen Unterhandlungen
+glüklich macht; du wirst meine Sache besser führen, als ich selbst
+thun könnte. Geh also, sey glüklich in deiner Verrichtung, und du
+sollst alles was mein ist, dein nennen können.
+
+Viola.
+Ich will mein Bestes thun, Gnädigster Herr--
+
+(vor sich.)
+
+Eine beschwerliche Commission! Ich soll ihm eine andre kuppeln,
+und wäre lieber selbst sein Weib.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Sechste Scene.
+(Olivia's Haus.)
+(Maria und der Narr vom Hause treten auf.)
+
+(Maria schilt den Narren aus, daß er so lange ausgeblieben, und
+sagt ihm, die Gnädige Frau werde ihn davor hängen lassen. Der Narr
+erwiedert dieses Compliment mit Einfällen, an denen der Leser
+nichts verliehrt; man weiß daß auch der allersinnreichste und
+unerschöpflichste Hans Wurst doch endlich genöthiget ist, sich
+selbst zu wiederholen, so gut als ein andrer wiziger Kopf; und so
+geht es Shakespears Clowns oder Narren von Profeßion auch; sie
+haben ihre) locos communes(, auf denen sie wie auf Steken-Pferden
+herumreiten, wenn ihnen nichts bessers einfallen will; und dieser
+wird endlich der Zuhörer und der Leser satt.)
+
+
+
+Siebende Scene.
+(Olivia und Malvolio zu den Vorigen.)
+
+
+Narr.
+O Verstand, sey so gut und hilf mir den Narren machen--Diese
+gescheidten Leute, welche sich einbilden sie haben dich, beweisen
+sehr oft daß sie Narren sind; und ich, bey dem es ausgemacht ist,
+daß ich dich nicht habe, mag für einen weisen Mann gelten. Denn was
+sagt Quinapalus? Besser ein wiziger Narr, als ein närrischer
+Wizling! Guten Tag, Frau!
+
+Olivia.
+Schaft mir den Narren weg.
+
+Narr.
+Hört ihr's nicht, Kerls? Schaft mir die Frau weg.
+
+Olivia.
+O, geh; du bist ein trokner Narr; ich habe deiner genug; zu allem
+Überfluß wirst du zu deiner Albernheit noch ungesittet.
+
+Narr.
+Das sind zween Fehler, die sich durch guten Rath und einen Krug
+Halb-Bier verbessern lassen. Denn, gebt dem troknen Narren zu
+trinken, so ist der Narr nicht mehr troken: Sagt dem ungesitteten
+Menschen, wie er sich verbessern soll, so wird er nicht länger
+ungesittet seyn. Alle Dinge in der Welt, die man ausbessert, werden
+geflikt; Tugend, die sich vergeht, ist nur mit Sünde geflikt; und
+Sünde, die sich bessert, ist nur mit Tugend geflikt. Wenn dieser
+einfältige Syllogismus die Sache ausmacht, wol gut; wo nicht, was
+ist zu thun? Gleichwie kein andrer wahrer Hahnrey ist als Elend; so
+ist Schönheit eine vergängliche Blume: Die Gnädige Frau sagte, man
+solle den Narren wegschaffen, also sag ich noch einmal, schafft sie
+weg.
+
+Olivia.
+Sir, ich befahl daß man euch wegschaffen sollte.
+
+Narr.
+Mißverstand im höchsten Grade Gnädiges Fräulein, (cucullus non
+facit monachum;) das ist auf Deutsch: Mein Hirn sieht nicht so
+buntschekicht aus als mein Rok: Liebe Madonna, wollt ihr mir
+erlauben, euch zu beweisen, daß ihr eine Närrin seyd?
+
+Olivia.
+Wie willt du das machen?
+
+Narr.
+Gar geschikt, gute Madonna.
+
+Olivia.
+Nun, so beweise dann.
+
+Narr.
+Ich muß euch vorher catechisieren, Madonna, wenn ihr mir antworten
+wollt.
+
+Olivia.
+Gut, Sir, so schlecht der Zeitvertrieb ist, so wollen wir doch
+euern Beweis hören.
+
+Narr.
+Gute Madonna, warum traurest du?
+
+Olivia.
+Um meinen Bruder, guter Narr.
+
+Narr.
+Ich denke, seine Seele ist also in der Hölle, Madonna?
+
+Olivia.
+Ich weiß, seine Seele ist im Himmel, Narr.
+
+Narr.
+Eine desto grössere Närrin seyd ihr, Madonna, dafür zu trauern, daß
+euer Bruder im Himmel ist; schaft mir die Närrin weg, meine Herren.
+
+Olivia.
+Was denkt ihr von diesem Narren, Malvolio? Verbessert er sich nicht?
+
+Malvolio.
+Ja, und wird sich verbessern bis ihm die Seele ausgehen wird.
+Zunehmende Jahre machen den vernünftigen Mann abnehmen, und
+verbessern hingegen den Narren, weil er je älter je närrischer wird.
+
+Narr.
+Gott send' euch ein frühzeitiges Alter, Herr, um eure Narrheit
+desto bälder zu ihrer Vollkommenheit zu bringen! Sir Tobias würde
+schwören wenn man's verlangte, daß ich kein Fuchs sey; aber er
+würde sich nicht für zwey Pfenninge verbürgen, daß ihr kein Narr
+seyd.
+
+Olivia.
+Was sagt ihr hiezu, Malvolio?
+
+Malvolio.
+Mich wundert, wie Eu. Gnaden an einem so abgeschmakten Schurken ein
+Belieben finden kan; ich sah ihn erst gestern von einem
+alltäglichen Narren, der nicht mehr Hirn hatte als ein Stein, zu
+Boden gelegt. Seht nur, er weiß sich schon nicht mehr zu helfen;
+wenn ihr nicht vorher schon lacht, und ihm die Einfälle die er
+haben soll auf die Zunge legt, so steht er da, als ob er geknebelt
+wäre. Ich versichre, diese gescheidte Leute, die über die albernen
+Frazen dieser Art von gedungenen Narren so krähen können, sind in
+meinen Augen die Narren der Narren.
+
+Olivia.
+O, ihr seyd am Eigendünkel krank, Malvolio, und habt einen
+ungesunden Geschmak. Edelmüthige, schuldlose und aufgeräumte Leute
+sehen diese Dinge für Vögel-Schrot an, die euch Canon-Kugeln
+scheinen; ein Narr von Profeßion kan niemand beschimpfen, wenn er
+gleich nichts anders thut als spotten; so wie ein Mann von
+bekannter Klugheit niemals spottet, wenn er gleich nichts anders
+thäte als tadeln. (Maria zu den Vorigen.)
+
+Maria.
+Gnädige Frau, es ist ein junger Herr vor der Thüre, der ein grosses
+Verlangen trägt, mit Euer Gnaden zu sprechen.
+
+Olivia.
+Von dem Grafen Orsino, nicht wahr?
+
+Maria.
+Ich weiß es nicht, Gnädige Frau, er ist ein hübscher junger Mann,
+und er macht Figur.
+
+Olivia.
+Wer von meinen Leuten unterhält ihn?
+
+Maria.
+Sir Tobias, Gnädige Frau, euer Öhm.
+
+Olivia.
+Macht daß ihr ihn auf die Seite bringt, ich bitte euch; er spricht
+nichts als tolles Zeug; der garstige Mann! Geht ihr, Malvolio; wenn
+es eine Gesandschaft vom Grafen ist, so bin ich krank oder nicht
+bey Hause: Sagt was ihr wollt, um seiner los zu werden.
+
+(Malvolio geht ab.)
+
+Ihr seht also, Sir, eure Narrheit wird alt und gefällt den Leuten
+nicht mehr.
+
+Narr.
+Du hast unsre Parthey genommen, Madonna, als ob dein ältester Sohn
+zu einem Narren bestimmt wäre; Jupiter füll' ihm seinen Schedel mit
+Hirn aus! Hier kommt einer von deiner Familie, der eine sehr
+schwache (pia mater) hat--
+
+
+
+Achte Scene.
+(Sir Tobias zu den Vorigen.)
+
+
+Olivia.
+Auf meine Ehre, halb betrunken. Wer ist vor der Thür, Onkel?
+
+Sir Tobias.
+Ein Edelmann.
+
+Olivia.
+Ein Edelmann? Was für ein Edelmann?
+
+Sir Tobias.
+Ein Mutter-Söhnchen, dem Ansehen nach--der Henker hole diese
+Pikelhäringe! Was machst du hier, Dumkopf?
+
+Narr.
+Guter Sir Toby--
+
+Olivia.
+Onkel, Onkel, wie kommt ihr schon so früh zu dieser Lethargie?
+
+Sir Tobias.
+Es ist einer vor der Pforte, sag ich.
+
+Olivia.
+Nun, wer ist er denn?
+
+Sir Tobias.
+Er kan meinethalb der Teufel selber seyn, wenn er will, was
+bekümmert mich's; glaubt mir was ich sage. Gut, es ist all eins.
+
+(Er geht ab.)
+
+Olivia.
+Wem ist ein berauschter Mann gleich, Narr?
+
+Narr.
+Einem Narren, einem Ertrunknen und einem Rasenden. Das erste Glas
+über das was genug ist macht ihn närrisch; das zweyte macht ihn
+rasend; und das dritte ertränkt ihn gar.
+
+Olivia.
+So kanst du nur gehen und ein (visum repertum) über meinen Öhm
+machen lassen; er ist würklich im dritten Grade der Trunkenheit; er
+ist ertrunken; geh, sieh zu ihm.
+
+Narr.
+Er ist dermalen erst toll, Madonna, und der Narr wird gehn und zu
+dem Tollhäusler sehen.
+
+(Er geht ab.)
+
+(Malvolio zu den Vorigen.)
+
+Malvolio.
+Gnädige Frau, der junge Bursche schwört, daß er mit euch reden
+wolle. Ich sagte ihm, ihr befändet euch nicht wohl; er antwortet,
+so komme er eben recht, denn er habe ein vortrefliches Arcanum
+gegen dergleichen Unpäßlichkeiten. Ich sagte ihm, ihr schliefet,
+aber es scheint er habe das auch vorher gewußt, und will deßwegen
+mit euch sprechen. Was soll man ihm sagen, Gnädige Frau? Er will
+sich schlechterdings nicht abweisen lassen.
+
+Olivia.
+Sagt ihm, er solle mich nicht zu sprechen kriegen.
+
+Malvolio.
+Das hat man ihm gesagt; und seine Antwort ist, er wolle vor eurer
+Pforte stehen bleiben wie eine Säule, er wolle das Fußgestell zu
+einer Bank abgeben; aber er wolle mit euch sprechen.
+
+Olivia.
+Von was für einer Gattung Menschen-Kindern ist er?
+
+Malvolio.
+Wie, von der männlichen.
+
+Olivia.
+Aber was für eine Art von einem Mann?
+
+Malvolio.
+Von einer sehr unartigen; er will mit euch reden, ihr mögt wollen
+oder nicht.
+
+Olivia.
+Wie sieht er aus, und wie alt mag er seyn?
+
+Malvolio.
+Nicht alt genug, einen Mann und nicht jung genug, einen Knaben
+vorzustellen; mit einem Wort, ein Mittelding zwischen beyden, ein
+hübsches, wohlgemachtes Bürschgen, und er spricht ziemlich
+nasenweise; man dächte, er habe noch was von seiner Mutter Milch im
+Leibe.
+
+Olivia.
+Laßt ihn kommen; ruft mir mein Mädchen.
+
+Malvolio.
+Jungfer, die Gnädige Frau ruft.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Neunte Scene.
+(Maria tritt auf.)
+
+
+Olivia.
+Gieb mir meinen Schleyer: Komm, zieh ihn über mein Gesicht: Wir
+wollen doch noch einmal hören, was Orsino's Gesandtschaft
+anzubringen haben wird. (Viola zu den Vorigen.)
+
+Viola.
+Wo ist die Gnädige Frau von diesem Hause?
+
+Olivia.
+Redet mit mir, ich will für sie antworten; was wollt ihr?
+
+Viola.
+Allerglänzendste, auserlesenste und unvergleichlichste Schönheit--
+ich bitte euch, sagt mir, ob das die Frau vom Hause ist, denn ich
+sah sie noch niemals. Es wäre mir leid, wenn ich meine Rede umsonst
+gehalten hätte; denn ausserdem daß sie über die maassen wol gesezt
+ist, so hab ich mir grosse Mühe gegeben, sie auswendig zu lernen.
+Meine Schönen, eine deutliche Antwort; ich bin sehr kurz angebunden,
+wenn mir nur im geringsten mißbeliebig begegnet wird.
+
+Olivia.
+Woher kommt ihr, mein Herr?
+
+Viola.
+Ich kan nicht viel mehr sagen als ich studiert habe und diese Frage
+ist nicht in meiner Rolle. Mein gutes junges Frauenzimmer, gebt mir
+hinlängliche Versicherung daß ihr die Frau von diesem Hause seyd,
+damit ich in meiner Rede fortfahren kan.
+
+Olivia.
+Seyd ihr ein Comödiant?
+
+Viola.
+Nein, vom innersten meines Herzens wegzureden; und doch schwör' ich
+bey den Klauen der Bosheit, ich bin nicht was ich vorstelle. Seyd
+ihr die Frau vom Hause?
+
+Olivia.
+Wenn ich mich selbst nicht usurpiere, so bin ich's.
+
+Viola.
+Unfehlbar, wenn ihr sie seyd, usurpiert ihr euch selbst; denn was
+euer ist um es wegzugeben, das kömmt euch nicht zu, für euch selbst
+zurük zu behalten; doch das ist aus meiner Commißion. Ich will den
+Eingang meiner Rede mit euerm Lobe machen, und euch dann das Herz
+meines Auftrags entdeken.
+
+Olivia.
+Kommt nur gleich zur Hauptsache; ich schenke euch das Lob.
+
+Viola.
+Desto schlimmer für mich; ich gab mir so viele Müh es zu studieren,
+und es ist so poetisch!
+
+Olivia.
+Desto mehr ist zu vermuthen, daß es übertrieben und voller Dichtung
+ist. Ich bitte euch, behaltet es zurük. Ich hörte, ihr machtet euch
+sehr unnüze vor meiner Thüre, und ich erlaubte euch den Zutritt
+mehr aus Fürwiz euch zu sehen, als euch anzuhören. Wenn ihr nicht
+toll seyd, so geht; wenn ihr Verstand habt, so macht's kurz; es ist
+gerade nicht die Monds-Zeit bey mir, da ich Lust habe in einem so
+hüpfenden Dialog' eine Person zu machen.
+
+Maria.
+Wollt ihr eure Segel aufziehen, junger Herr, hier ligt euer Weg.
+
+Viola.
+Nein, ehrlicher Schiffs-Junge, ich werde hier noch ein wenig Flott
+machen.
+
+Olivia.
+Was habt ihr dann anzubringen?
+
+Viola.
+Ich bin ein Deputierter.
+
+Olivia.
+Wahrhaftig, ihr müßt etwas sehr gräßliches zu sagen haben, da eure
+Vorrede so fürchterlich ist. Redet was ihr zu reden habt.
+
+Viola.
+Es bezieht sich allein auf euer eignes Ohr. Ich bringe keine Kriegs-
+Erklärung; ich trage den Ölzweig in meiner Hand, und meine Worte
+sind eben so friedsam als gewichtig.
+
+Olivia.
+Und doch fienget ihr unfreundlich genug an. Wer seyd ihr? Was wollt
+ihr?
+
+Viola.
+Wenn ich unfreundlich geschienen habe, so ist es der Art wie ich
+empfangen wurde, zuzuschreiben. Was ich bin und was ich will, das
+sind Dinge, die so geheim sind wie eine Jungferschaft; für euer Ohr,
+Theologie; für jedes andre, Profanationen.
+
+Olivia.
+Laßt uns allein.
+
+(Maria geht ab.)
+
+Wir wollen diese Theologie hören. Nun, mein Herr, was ist euer
+Text?
+
+Viola.
+Allerliebstes Fräulein--
+
+Olivia.
+Eine trostreiche Materie, und worüber sich viel sagen läßt. Wo
+steht euer Text?
+
+Viola.
+In Orsino's Busen.
+
+Olivia.
+In seinem Busen? In was für einem Capitel seines Busens?
+
+Viola.
+Um in der nemlichen Methode zu antworten, im ersten Capitel seines
+Herzens.
+
+Olivia.
+O, das hab' ich gelesen; es ist Kezerey. Ist das alles was ihr zu
+sagen habt?
+
+Viola.
+Liebe Madam, laßt mich euer Gesicht sehen.
+
+Olivia.
+Habt ihr Commission von euerm Herrn, mit meinem Gesicht
+Unterhandlungen zu pflegen? Ihr geht izt zwar über euern Text
+hinaus; aber wir wollen doch den Vorhang wegziehen, und euch das
+Gemählde zeigen. Seht ihr, mein Herr; so eines trag' ich dermahlen;
+ist's nicht wohl gemacht?
+
+(Sie enthüllt ihr Gesicht.)
+
+Viola.
+Vortrefflich, wenn Gott alles gemacht hat.
+
+Olivia.
+Davor steh ich euch; es ist von der guten Farbe; es hält Wind und
+Wetter aus.
+
+Viola.
+O, gewiß kan nur die schlaue und anmuthreiche Hand der Natur weiß
+und roth auf eine so reizende Art auftragen, und in einander
+mischen--Gnädiges Fräulein, ihr seyd die grausamste Sie in der
+ganzen Welt, wenn ihr solche Reizungen ins Grab tragen wollt, ohne
+der Welt eine Copey davon zu lassen.
+
+Olivia.
+O, mein Herr, so hartherzig will ich nicht seyn; ich will
+verschiedene Vermächtnisse von meiner Schönheit machen. Es soll ein
+genaues Inventarium davon gezogen, und jedes besondre Stük meinem
+Testament angehängt werden. Als, item, zwo erträglich rothe Lippen.
+Item, zwey blaue Augen, mit Augliedern dazu. Item, ein Hals, ein
+Kinn, und so weiter. Seyd ihr hieher geschikt worden, mir eine
+Lobrede zu halten?
+
+Viola.
+Ich sehe nun, was ihr seyd; ihr seyd zu spröde; aber wenn ihr der
+Teufel selbst wäret, so muß ich gestehen, daß ihr schön seyd. Mein
+Gebieter und Herr liebt euch: O! eine Liebe, wie die seinige,
+könnte mit der eurigen, mehr nicht als nur belohnt werden, und wenn
+ihr zur Schönsten unter allen Schönen des Erdbodens gekrönt worden
+wäret.
+
+Olivia.
+Wie liebt er mich dann?
+
+Viola.
+Mit einer Liebe, die bis zur Abgötterey geht, mit immer fliessenden
+Thränen, mit liebe-donnerndem Ächzen und Seufzern von Feuer.
+
+Olivia.
+Euer Herr weiß meine Gesinnung schon, er weiß daß ich ihn nicht
+lieben kan. Ich zweifle nicht daß er tugendhaft, und ich weiß daß
+er edel, von grossem Vermögen, von frischer und unverderbter Jugend
+ist; er hat den allgemeinen Beyfall vor sich, und ist reizend von
+Gestalt; aber ich kan ihn nicht lieben; ich hab es ihm schon gesagt,
+und er hätte sich meine Antwort auf diesen neuen Antrag selbst
+geben können.
+
+Viola.
+Wenn ich euch liebte wie mein Herr, mit einer so quälenden, so
+verzehrenden Liebe, so würd' ich mich durch eine solche Antwort
+nicht abweisen lassen; ich würde gar keinen Sinn in ihr finden.
+
+Olivia.
+Wie, was thätet ihr denn?
+
+Viola.
+Ich würde Tag und Nacht vor eurer Thüre ligen, und so lange hinein
+ruffen bis mir der Athem ausgienge: ich würde klägliche Elegien
+über meine unglükliche Liebe machen, und sie selbst in der
+Todesstille der Nacht laut vor euerm Fenster singen; euern Namen
+den zurükschlagenden Hügeln entgegen ruffen, und die schwazhafte
+Gevatterin der Luft
+
+(die Echo)
+
+an Olivia sich heiser schreyen machen! O ich wolte euch nirgends
+Ruhe lassen, bis ihr Mitleiden mit mir hättet.
+
+Olivia.
+Ihr könntet es vielleicht weit genug bringen. Was ist euer Stand?
+
+Viola.
+Über meine Glüks-Umstände, doch bin ich zufrieden; ich bin ein
+Edelmann.
+
+Olivia.
+Kehrt zu euerm Herrn zurük; ich kan ihn nicht lieben; er soll mich
+mit seinen Gesandtschaften verschonen; ausser ihr wolltet noch
+einmal zu mir kommen, um mir zu sagen, wie er meine Erklärung
+aufgenommen hat; lebt wohl; ich dank' euch für eure Mühe: nemmt diß
+zu meinem Andenken--
+
+Viola.
+Ich bin kein Bote der sich bezahlen läßt; Gnädiges Fräulein,
+behaltet euern Beutel: Mein Herr, nicht ich, bedarf eurer Gütigkeit.
+Möchte sein Herz von Kieselstein seyn, und ihr so heftig in ihn
+verliebt werden, als er's ist, damit ihr die ganze Qual einer
+verschmähten Liebe fühltet! Lebt wohl, schöne Unbarmherzige!
+
+(Sie geht ab.)
+
+Olivia (allein.)
+Was ist euer Stand? Über meine Glüks-Umstände, doch bin ich
+zufrieden; ich bin ein Edelmann--Ich wollte schwören daß du es bist!
+Deine Sprache, dein Gesicht, deine Gestalt, deine Gebehrden und
+dein Geist machen eine fünffache Ahnen-Probe für dich--nicht zu
+hastig--sachte! Sachte!--Es müßte dann bestimmt seyn--wie, was für
+Gedanken sind das? Kan man so plözlich angestekt werden? Es ist mir
+nicht anders, als fühlt' ich die Annehmlichkeiten dieses jungen
+Menschen, mit unsichtbarem leisem Tritt zu meinen Augen
+hineinkriechen. Gut, laßt es gehn--He, Malvolio! --
+(Malvolio tritt auf.)
+
+Malvolio.
+Hier, Gnädige Frau, zu euerm Befehl.
+
+Olivia.
+Lauffe diesem nemlichen wunderlichen Abgesandten, des Herzogs
+seinem Diener, nach; er ließ diesen Ring zurük, ich wollte oder
+wollte nicht; sag ihm, ich woll' ihn schlechterdings nicht. Ersuch
+ihn, seinem Herrn nicht zu schmeicheln, und ihn nicht mit falschen
+Hoffnungen aufzuziehen; ich sey nicht für ihn: wenn der junge
+Mensch morgen dieser Wege kommt, will ich ihm Ursachen dafür geben.
+Eile, Malvolio. (Malvolio geht ab.)
+
+Olivia.
+Ich thue etwas, und weiß selbst nicht was; ich besorge, ich besorge,
+meine Augen haben mein Herz überrascht! Schiksal, zeige deine
+Macht: Wir sind nicht Herren über uns selbst; was beschlossen ist,
+muß seyn, und so sey es dann!
+
+(Sie geht ab.)
+
+
+
+
+Zweyter Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+(Die Strasse.)
+(Antonio und Sebastiano treten auf.)
+
+
+Antonio.
+Ihr wollt also nicht länger bleiben? Und ihr wollt auch nicht
+erlauben, daß ich mit euch gehe?
+
+Sebastiano.
+Nein, verzeiht mir's; meine Sterne scheinen dunkel über mir; der
+mißgünstige Einfluß meines Schiksals möchte auch das eurige
+ansteken; erlaubt mir also, daß ich mich von euch beurlaube, um
+mein Unglük allein zu tragen. Es würde eine schlechte Belohnung für
+eure Freundschaft seyn, wenn ich euch auch nur den kleinsten Theil
+davon auflegen wollte.
+
+Antonio.
+Laßt mich wenigstens nur wissen, wohin ihr gehen wollt.
+
+Sebastiano.
+Meine Reise ist in der That nichts anders, mein Herr, als ein
+wunderlicher Einfall, ohne besondere Absicht--Doch diese edle
+Bescheidenheit, womit ihr euch zurükhaltet, mir abzunöthigen, was
+ich, wie ihr merket, gerne bey mir behalten wollte, verbindet mich,
+von selbst näher gegen euch heraus zu gehen. Wisset also, Antonio,
+daß mein Name Sebastiano und nicht Rodrigo ist, wie ich vorgab;
+mein Vater war dieser Sebastiano von Messaline, von dem ihr ohne
+Zweifel gehört haben müßt. Er hat mich mit einer Schwester
+hinterlassen, die in der nemlichen Stunde mit mir gebohren worden;
+möcht' es dem Himmel gefallen haben, daß wir auch ein solches Ende
+genommen hätten. Aber ihr, mein Herr, verhindertet das; denn
+ungefehr eine Stunde, eh ihr mich aus dem Schiffbruch aufnahmet,
+war meine Schwester ertrunken.
+
+Antonio.
+Ich bedaur' euch von Herzen.
+
+Sebastiano.
+Eine junge Dame, mein Herr, welche, ob man gleich eine sonderbare
+Ähnlichkeit zwischen ihr und mir finden wollte, doch von vielen
+für schön gehalten wurde; und wenn ich gleich über diesen Punkt
+nicht zu leichtgläubig seyn möchte, so darf ich hingegen kühnlich
+von ihr behaupten, daß sie ein Gemüthe hatte, das der Neid selbst
+nicht anders als schön nennen könnte: Nun ist sie ertrunken, mein
+Herr, und ihr Andenken preßt mir Thränen aus, die ich nicht
+zurükhalten kan.
+
+Antonio.
+Vergebet mir, mein Herr, daß ihr nicht besser bedient worden seyd.
+
+Sebastiano.
+O mein allzugütiger Antonio; vergebet mir die Unruhe die ich euch
+gemacht habe.
+
+Antonio.
+Wenn ihr mich für meinen guten Willen nicht ermorden wollt, so laßt
+mich euer Diener seyn.
+
+Sebastiano.
+Wenn ihr eure Wohlthat nicht wieder vernichten, und ein Leben
+wieder nehmen wollt, das ihr erhalten habt, so muthet mir das nicht
+zu. Lebt wohl auf immer; mein Herz ist zu sehr gerührt, als daß ich
+mehr sagen könnte; meine Augen reden für mich--Ich muß an des
+Herzogs Orsino Hof; Lebet wohl.
+
+(Er geht ab.)
+
+Antonio.
+Die Huld aller Götter begleite dich! Ich habe mir Feinde an
+Orsino's Hofe gemacht, sonst solltest du mich dort bald in deinem
+Wege finden: Und doch, es entstehe daraus was immer will, ich liebe
+dich so sehr daß mich keine Gefahr abschreken kan; ich will gehen.
+
+(Geht ab.)
+
+
+
+Zweyte Scene.
+(Malvolio trift Viola, in ihrer Verkleidung als Cäsario an, und
+richtet den Auftrag bey ihr aus, den ihm Olivia vorhin gegeben, und
+da Viola den Ring nicht annehmen will, wirft er ihn endlich vor
+ihre Füsse und geht ab.)
+
+
+Viola (allein.)
+Ich ließ keinen Ring bey ihr ligen; was meynt diese Dame damit? Das
+Unglük wird doch nicht wollen, daß ihr meine Gestalt in dieser
+Verkleidung gefährlich gewesen! Sie schien mich mit günstigen Augen
+anzusehen, in der That, so sehr, daß ihre Augen ihre Zunge verhext
+und gelähmt zu haben schienen; denn sie sprach sehr zerstreut und
+ohne Zusammenhang--Sie liebt mich, so ist es; und der Auftrag den
+sie diesem plumpen Abgesandten gemacht, ist ein Kunstgriff, mir
+ihre Liebe auf eine feine Art zu erkennen zu geben--Sie will keinen
+Ring von meinem Herrn; wie? er schikte ihr ja keinen; ich bin der
+Mann--Wenn es so ist, (und es ist so) das arme Fräulein! so wär es
+noch besser für sie, in ein blosses Phantom verliebt zu seyn.
+Verkleidungen sind, wie ich sehe, eine Gelegenheit, deren Satan
+sich wol zu bedienen weiß. Wie wenig es braucht, um in ein
+wächsernes Weiber-Herz Eindruk zu machen! Himmel! daran hat unsre
+Gebrechlichkeit Schuld, nicht wir; wenn wir so gemacht sind, was
+können wir dafür, daß wir so sind?--Aber wie wird sich das zusammen
+schiken? Mein Herr liebt sie aufs äusserste; ich, arme Mißgestalt,
+bin eben so stark von ihm bethört; und sie, durch den Schein
+betrogen, seufzt um mich. Was wird aus diesem allem werden? In so
+fern ich ein Mann bin, könnte meine Liebe zu Orsino in keinem
+verzweifeltern Zustand seyn; in so fern ich ein Mädchen bin, wie
+viele vergebliche Seufzer wird die arme Olivia aushauchen! Hier ist
+lauter Hoffnunglose Liebe, auf allen Seiten. O Zeit, du must diß
+entwikeln, nicht ich; es ist ein Knoten, der zu hart verschlungen
+ist, als daß ich ihn auflösen könnte.
+
+(Sie geht ab.)
+
+
+
+Dritte Scene.
+(Verwandelt sich in Olivias Haus.)
+(Sir Tobias und Sir Andreas, nebst dem Narren.)
+
+
+
+Vierte Scene.
+(Maria, und endlich auch Malvolio zu den Vorigen.)
+(Diese beyden Zwischen-Scenen sind der Übersezung unwürdig, und
+eines Aufzugs unfähig.)
+
+
+
+Fünfte Scene.
+(Verwandelt sich in den Pallast.)
+(Der Herzog, Viola, Curio, und andre.)
+
+
+Herzog.
+Macht mir ein wenig Musik; nun guten Morgen, meine Freunde: Wie,
+mein wakrer Cäsario, in der That, das Stükchen, das alte ehrliche
+Gassen-Liedchen, das wir lezte Nacht hörten, machte mir leichter
+ums Herz als diese flüchtigen Läuffe, diese studierten Säze einer
+rauschenden und schwindlicht sich im Kreise herumdrehenden
+Symphonie--Kommt, nur eine Strophe--
+
+
+Curio.
+Gnädigster Herr, es ist niemand da, der es singen könnte.
+
+Herzog.
+Wer sang es denn gestern?
+
+Curio.
+Fest, der Pikelhäring, der Narr, mit dem der Gräfin Olivia Vater
+soviel Kurzweil hatte. Er ist ausgegangen.
+
+Herzog.
+Sucht ihn auf, und spielt indessen die Melodie. Komm hieher, Junge:
+wenn du jemals erfahren wirst was Liebe ist, so denk' in ihren
+süssen Beklemmungen an mich; so wie ich bin, sind alle Liebhaber:
+unstät und launisch in allen andern Vorstellungen, als allein in
+dem Bilde des Geliebten, das immer vor ihren Augen schwebt--wie
+gefällt dir dieser Ton?
+
+Viola.
+Er giebt ein wahres Echo von dem Siz, wo die Liebe thront.
+
+Herzog.
+Du sprichst meisterlich. Ich seze mein Leben dran, dein Herz ist
+nicht so unerfahren als du jung bist; du hast geliebt, nicht wahr,
+Junge?
+
+Viola.
+Ein wenig, Gnädigster Herr.
+
+Herzog.
+Von was für einer Gattung Weibsbilder ist sie?
+
+Viola.
+Sie sieht Eu. Gnaden gleich.
+
+Herzog.
+So ist sie deiner nicht werth. Wie alt, ernsthafter Weise?
+
+Viola.
+Von euerm Alter, Gnädigster Herr.
+
+Herzog.
+So ist sie zu alt; ein Weibsbild soll immer einen ältern nehmen als
+sie ist, so daurt sie ihn aus, und ist sicher, ihren Plaz in ihres
+Mannes Herzen immer zu behalten. Denn, glaube mir, Junge, wir mögen
+uns so schön machen als wir wollen, so sind doch unsre Zuneigungen
+immer weit schwindlichter, unsteter, schwankender, und leichter
+abgenuzt und verlohren, als der Weiber ihre.
+
+Viola.
+Das denk' ich selbst, Gnädigster Herr.
+
+Herzog.
+Wähle dir also eine Liebste die jünger als du bist, oder deine
+Liebe wird von keiner Dauer seyn: Denn Weiber sind wie Rosen; in
+der nemlichen Stunde, da ihre schöne Blume sich völlig entfaltet,
+fällt sie ab.
+
+Viola.
+Und so sind sie; wie schade, daß sie so sind! daß sie in dem
+Augenblik sterben, worinn sie den Punkt ihrer Vollkommenheit
+erreicht haben. (Curio und der Narr zu den Vorigen.)
+
+Herzog.
+O, komm du, guter Freund--Das Lied von gestern Nachts--Gieb Acht
+darauf, Cäsario, es ist alt und einfältig; die Spinnerinnen und
+Strikerinnen, wenn sie an der Sonne bey ihrer Arbeit sizen, und die
+muntern Webers-Mädchen, wenn sie zetteln, pflegen es zu singen; es
+ist ein läppisches, kindisches Ding, aber es sympathisiert mit der
+Unschuld der Liebe, wie man vor Alters liebte.
+
+Narr.
+Seyd ihr fertig, Herr?
+
+Herzog.
+Ja; sing, ich bitte dich. (Ein Lied.*)
+
+Herzog.
+Hier ist was für deine Mühe.
+
+Narr.
+Keine Mühe, Herr; singen ist ein Vergnügen für mich, Herr.
+
+Herzog.
+So will ich dir dein Vergnügen bezahlen.
+
+Narr.
+Das ist ein anders, Herr; Vergnügen will über kurz oder lange
+bezahlt seyn.
+
+Herzog.
+Du kanst nun wieder gehen, so schnell du willst.
+
+Narr.
+Nun, der melancholische Gott der Liebe behüte dich, und der
+Schneider mache dir ein Wamms von schielichtem Taft; denn dein
+Gemüth ist ein wahrer Opal. Leute von solcher Standhaftigkeit müßte
+man mir über Meer schiken, damit ihr Geschäfte allenthalben und ihr
+Ziel nirgends wäre; denn das ist gerade was man braucht, um von
+einer langen Reise nichts nach Hause zu bringen. Lebt wohl.
+
+(Er geht ab.)
+
+* Der Verfasser der Beurtheilung des ersten Theils dieser
+Übersezung, in der Bibliothek der schönen Wissenschaften hat eine
+so glükliche Probe mit einem Liede des Narren im König Lear gemacht,
+daß wir ihm auch dieses Gassenhauerchen überlassen wollen. Es ist
+in der That alles was Orsino davon sagt, aber es müßte, um nicht
+alles zu verliehren in der Sprache Sebastian Brands oder einer noch
+ältern, in der nemlichen oder einer ganz ähnlichen Versart, mit der
+nemlichen Wahrheit der Erfindung, und tändelnden Einfalt des
+Ausdruks, übersezt werden--eine Arbeit, welche vielleicht schwerer
+ist, als das feinste Sonnet von einem Zappi, in Reime zu übersezen.
+
+
+
+Sechste Scene.
+
+
+Herzog.
+Macht uns Plaz ihr andern--Versuch es noch zum leztenmal, Cäsario;
+geh noch einmal zu dieser schönen Unerbittlichen; sag ihr, meine
+Liebe lege einer Menge von ausgebreiteten Erdschollen die man
+Ländereyen heißt, keinen Werth bey; sag ihr, die Güter die das Glük
+ihr zugelegt habe, seyen in meinen Augen so eitel als das Glük
+selbst; ihr Gemüth allein, dieses Wunder, dieses unvergleichliche
+Kleinod, das die Natur so schön gefaßt hat, ziehe meine Seele an,
+und wenn sie die ganze Welt zum Brautschaz hätte, so würde sie in
+meinen Augen nicht reizender seyn.
+
+Viola.
+Aber wenn sie euch nun nicht lieben kan, Gn. Herr?
+
+Herzog.
+Ich will keine solche Antwort haben.
+
+Viola.
+Aber wie dann, wenn ihr müßt? Sezet den Fall, es gäbe eine junge
+Dame, wie es vielleicht eine giebt, die aus Liebe zu euch diese
+nemliche Quaal in ihrem Herzen fühlte, die ihr für Olivia fühlt;
+und ihr könntet sie nicht lieben, und ihr sagtet ihr das; müßte sie
+sich diese Antwort nicht gefallen lassen?
+
+Herzog.
+Es giebt kein weibliches Herz das stark genug wäre, den Sturm einer
+so heftigen Leidenschaft auszuhalten, wie die meinige ist--es giebt
+keines, das groß genug wäre, eine solche Liebe zu fassen. Ihre
+Liebe verdient mehr den Namen eines flüchtigen Gelusts, sie reizt
+nur ihren Gaumen, nicht ihre Leber, und endigt sich bald durch
+Überfüllungen Ekel und Abscheu; da die meinige hingegen so hungrig
+ist wie die See, und eben so viel verdauen kan. Mache keine
+Vergleichung zwischen der Liebe die ein Weibsbild für mich haben
+kan, und der meinigen für Olivia.
+
+Viola.
+Gut, und doch weiß ich--
+
+Herzog.
+Was weißst du?
+
+Viola.
+Nur zuwohl was für einer Liebe die Weibsbilder zu den Mannsleuten
+fähig sind. Aufrichtig zu reden, sie haben so getreue Herzen als
+wir immer. Mein Vater hatte eine Tochter die jemand so sehr liebte,
+als ich vielleicht, wenn ich ein Weibsbild wäre, Euer Gnaden lieben
+würde.
+
+Herzog.
+Und was ist ihre Geschichte?
+
+Viola.
+Ein weisses Blatt Papier: Nie entdekte sie ihre Liebe sondern ließ
+ihr Geheimniß, gleich einem Wurm in der Knospe, an ihrer Rosenwange
+nagen: Sie verschloß ihre Quaal in ihr Herz, und, in blasser
+hinwelkender Schwermuth, saß sie wie die Geduld auf einem Grabmal,
+und lächelte ihren Kummer an. War das nicht Liebe, wahre Liebe? Wir
+Männer mögen mehr reden, mehr schwören, aber daß wir besser lieben,
+daran läßt sich zweiffeln, ohne uns Unrecht zu thun; wir zeigen
+immer mehr als wir fühlen--und unsre Liebe ist oft desto schwächer,
+je stärker wir sie ausdruken.
+
+Herzog.
+Aber starb deine Schwester an ihrer Liebe, Junge?
+
+Viola.
+Ich bin alle Töchter die von meines Vaters übrig sind, und alle
+Brüder dazu--und doch weiß ich nicht--Gnädigster Herr, soll ich zu
+dieser Dame gehen?
+
+Herzog.
+Ja, das ist die Sache. Eile zu ihr; gieb ihr dieses Kleinod; sag
+ihr, meine Liebe könne und werde sich nicht abtreiben lassen.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Siebende, achte und neunte Scene.
+(Jungfer Maria hatte mit den beyden würdigen Junkern Sir Tobias
+und Sir Andreas, in der vierten Scene den Plan zu einem kleinen
+Streich angelegt, den sie, zu ihrer allerseitigen Belustigung, dem
+Malvolio, einem einbildischen, in sich selbst verliebten, dummen
+und dabey sehr feyrlichen Gesellen, spielen wollten. Dieses
+Complott wird nun in diesen dreyen Scenen ausgeführt. Maria
+schreibt in ihrer Gebieterinn Namen einen Brief worinn Oliviens
+Hand so gut als möglich nachgeahmt ist, und legt ihn an einen Ort,
+wo ihn Malvolio finden muß. Man kan sich vorstellen, was für
+närrisches Zeug ein solcher Bursche anzugeben fähig ist, da er
+Oliviens eigne Hand dafür zu haben glaubt, daß sie sterblich in ihn
+verliebt sey. Alles was wir aus diesem Intermezzo der Übersezung
+würdig halten, ist das Gespräch des Malvolio das er mit sich selbst
+hält, eh und da er den unterschobnen Brief findet, und aus welchem
+wir nur die abgeschmakten Ausruffungen, Schwüre und Parenthesen
+weglassen, welche die beyden Junkers a parte machen.)
+
+(Die Scene ist in Olivias Garten.)
+(Maria zu Sir Tobias, Sir Andreas und Fabian.)
+
+Maria.
+Geht, verbergt euch alle drey in die Laube dort; Malvolio kommt
+diesen Gang herauf; er stuhnd schon diese halbe Stunde lang dort in
+der Sonne, und gesticulirte gegen seinem eignen Schatten--gebt auf
+ihn acht, ich bitte euch, ihr werdet Spaß davon haben: Denn ich bin
+sicher, dieser Brief wird ihn in die lächerlichste Betrachtungen
+versenken--Haltet euch still, wenn ihr euch nicht selbst einen Spaß
+verderben wollt--lieg du da--
+
+(Sie wirft den Brief hin, und entfernt sich.)
+
+(Malvolio tritt auf; mit sich selbst redend.)
+
+Malvolio.
+Es kommt alles aufs Glük an, alles aufs Glük! Maria sagte mir
+neulich, sie könne mich überaus wohl leiden, und ich habe selbst
+gehört, daß sie sich herausgelassen hat, wenn sie sich verlieben
+wollte, so müßt' es in einen von meiner Figur seyn. Überdem
+begegnet sie mir immer mit einer gewissen Achtung, das sie sonst
+für keinen von ihren Bedienten thut. Was soll ich von der Sache
+denken--das wäre mir eins, Graf Malvolio--Man hat doch dergleichen
+Exempel--Die Princessin von Thracien heurathete einen Bedienten von
+der Garderobe--Wenn ich dann drey Monate mit ihr verheurathet wäre,
+und sässe da auf meinem Guthe--und rieffe meine Officianten um mich
+herum, in meinem ausgeschnittnen Samtnen Rok--nachmittags, vom
+Ruhbette aufgestanden, wo ich Olivia schlafend gelassen hätte--und
+dann nähm ich den Humor an den mein Stand erforderte; gienge, die
+Hände kreuzweis auf den Rüken gelegt, ganz ernsthaft auf und ab,
+schaute sie dann mit einem kalten, überhinfahrenden Blik an, und
+sagte ihnen, ich wisse wer ich sey, und wünschte, sie möchten auch
+wissen wer sie seyen--fragte nach meinem Onkel Tobias--Sechs oder
+Sieben von meinen Leuten führen dann plözlich auf, und rennten
+einander nieder vor Eilfertigkeit ihn aufzusuchen; indessen mach
+ich eine weil' ein finstres Gesicht, ziehe vielleicht meine Uhr auf,
+oder tändle mit dem Schaupfenning an der goldnen Kette, die ich um
+die Schultern hängen habe--Dann kommt Tobias herbey, macht seine
+Verbeugungen sobald er mich erblikt--ich streke meine Hand so gegen
+ihn aus, und lösche mein vertrauliches Lächeln mit einem strengen
+herrischen Blik--sag ihm, Onkel Tobias, da mein Schiksal mich eurer
+Nichte zugeworfen hat, so hoff ich das Recht zu haben zu reden--ihr
+müßt euer starkes Trinken lassen--und zudem verderbt ihr eure
+kostbare Zeit mit einem närrischen Junker--einem gewissen Sir
+Andreas--He? was giebts hier zu thun?--
+
+(Er hebt den Brief auf.)
+
+Bey meinem Leben, das ist der Gnädigen Frau ihre Hand: Das sind
+ihre natürlichen C., ihre U., und ihre T., und so macht sie ihre
+grosse P. Es ist ihre Hand, da ist nicht dawider einzuwenden--(Dem
+Geliebten Ungenannten dieses und meine Zärtlichsten Wünsche:) Das
+ist ihre Schreib-Art: Mit Erlaubniß, Wachs. Sachte! Und das Sigel
+ihre Lucretia, mit der sie alle ihre Briefe zu sigeln pflegt: An
+wen mag das seyn?
+
+(Das ich lieb', ist euch, ihr Götter, kund;
+aber wen, verschweige stets, mein Mund) Das soll also ein Geheimniß
+seyn?--Seltsam! was folgt weiter? Aber wen, verschweige stets mein
+Mund--wie wenn du das wärest, Malvolio?--Sachte, hier haben wir
+auch Prosa--"Wenn dieses in deine Hände kommt, so liese es mehr als
+ein mal. Mein Gestirn hat mich über dich gesezt, aber fürchte dich
+nicht vor Grösse; einige werden groß gebohren, andre arbeiten sich
+zu Grösse empor, andern wird sie zugeworffen. Dein glükliches
+Schiksal öffnet seine Arme gegen dich; habe den Muth ihm entgegen
+zu eilen; und um dich bey Zeiten an das zu gewöhnen, was du
+wahrscheinlicher Weise werden wirst, so wirf dein allzu demüthiges
+Betragen von dir, und zeige dich in einem vortheilhaftern Lichte.
+Begegne meinem Vetter zuversichtlich, und den Bedienten trozig;
+rede von Staats-Sachen; nimm in allen Stüken etwas sonderliches an.
+Das ist der Rath derjenigen, die für dich seufzet. Erinnre dich,
+wer dir rieth gelbe Strümpfe zu tragen und sie unter dem Knie zu
+binden. Ich sag', erinnre dich daran; (Geh, geh, du bist ein
+gemachter Mann, wenn du nur willst: Wo nicht, so bleibe dann dein
+Lebenlang ein Hausmeister, der Camerad von Bedienten und unwürdig
+Fortunens Finger zu berühren. Adieu. Sie, die geneigter ist, deine
+Sclavin zu seyn, als dir zu gebieten, o glüklicher Sterblicher)"--
+Sonnenlicht kan nichts klärer machen als das ist--Das heiß' ich
+klar. Ja, ich will stolz seyn, ich will politische Bücher lesen,
+ich will Sir Tobiesen scheeren, ich will mit meinen vorigen
+Bekannten thun, als kennt' ich sie nicht, kurz, ich will thun, wie
+mein Herr selbst. Es ist offenbar, daß ich mir nicht zu viel
+schmeichle, daß es keine blosse Einbildung ist; alles überzeugt
+mich, daß die Gnädige Frau verliebt in mich ist. Sie ermahnte mich
+lezthin gelbe Strümpfe zu tragen, sie lobte meine Beine--und hier
+haben wir's wiederum, und auf eine Art, als ob sie es für eine
+Gefälligkeit aufnehmen wolle, wenn ich mich nach ihrem Geschmak
+puze. Dank sey meinen Sternen, ich bin glüklich: Ich will so fremde
+thun, daß man mich nicht mehr kennen soll, gelbe Strümpfe tragen,
+und sie unter den Knien binden, und das gleich diesen Augenblik.
+Jupiter und mein Gestirn sey gepriesen!--Hier ist noch ein
+Postscript--(Es ist unmöglich daß du nicht errathen solltest wer
+ich bin--wenn dir meine Liebe angenehm ist, so zeig es durch dein
+Lächeln; das Lächeln läßt dir gar zu gut. Lächle also immer in
+meiner Gegenwart, mein Allerliebster, ich bitte dich darum)--
+Jupiter! ich danke dir! Ich will lächeln, ich will alles thun, was
+du von mir verlangst.
+
+(ab.)
+
+
+
+
+Dritter Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+(Olivia's Garten.)
+(Ein wiziger Wett-Kampf zwischen Viola und dem Narren.)
+
+
+
+Zweyte Scene.
+(Sir Tobias mit seinem Freund, zu den Vorigen.)
+(Bald darauf auch Olivia und Maria.)
+
+
+
+Dritte Scene.
+(Olivia und Viola allein.)
+
+
+Olivia.
+Gebt mir eure Hand, mein Herr.
+
+Viola.
+Mit meinen unterthänigsten Diensten, Gnädige Frau.
+
+Olivia.
+Wie ist euer Name?
+
+Viola.
+Cäsario ist euers Dieners Name, schöne Princessin.
+
+Olivia.
+Meines Dieners, mein Herr? Die Welt hat ihre beste Anmuth verlohren,
+seitdem man erdichtete Gesinnungen Complimente nennt: Ihr seyd des
+Herzogs Orsino Diener, junger Mensch--
+
+
+Viola.
+Und also der eurige, Gnädige Frau. Der Diener euers Dieners, muß
+nothwendig auch euer Diener seyn.
+
+Olivia.
+An ihn denk' ich nun gar nicht; ich wollte, seine Gedanken wären
+lieber gar leer als mit mir angefüllt.
+
+Viola.
+Gnädige Frau, ich komme in der Absicht, eure schönen Gedanken zu
+seinem Vortheil zu wenden.
+
+Olivia.
+O, mit eurer Erlaubniß, ich bitte euch--Ich sagt' euch ja, ihr
+möchtet mir nichts mehr von ihm sagen. Ihr könntet eine andre Sayte
+rühren, wo ich euch lieber hören wollte als Musik aus dem Himmel.
+
+Viola.
+Gnädige Frau--
+
+Olivia.
+Mit Erlaubniß, wenn ich bitten darf. Ich schikte euch, nach der
+lezten zaubrischen Erscheinung, die ihr hier machtet, einen Ring
+nach. Es war ein Schritt, dessen Bedeutung ihr nicht mißverstehen
+konntet, und der mich vielleicht in euern Augen herabgesezt hat.
+Was konntet ihr davon denken? Habt ihr deßwegen so nachtheilig von
+meiner Ehre gedacht als ein unempfindliches Herz denken kan? Einem
+von euerm Verstand, ist genug gesagt; ein Cypern, nicht ein Busen
+dekt mein armes Herz. Und nun laßt hören, was ihr zu sagen habt.
+
+Viola.
+Ich bedaure euch.
+
+Olivia.
+Das ist eine Stuffe zur Liebe.
+
+Viola.
+Nicht allemal; wir bedauren oft sogar unsre Feinde.
+
+Olivia.
+Wie dann, so ist es Zeit wieder zu lächeln. O Welt, wie geneigt die
+Armen sind stolz zu seyn! Wenn man ja zum Raube werden muß, so ist
+es doch besser durch einen Löwen zu fallen als durch einen Wolf.
+
+(Die Gloke schlägt.)
+
+Die Gloke wirft mir vor daß ich die Zeit verderbe. Fürchtet euch
+nicht, guter junger Mensch, ich mache keine Ansprüche an euch; und
+doch wenn Verstand und Jugend bey euch zur Reiffe gekommen seyn
+werden, so wird eure Frau, allem Ansehen nach, einen feinen Mann
+haben: Hier ligt euer Weg, westwärts.
+
+Viola.
+So wünsch' ich Euer Gnaden Vergnügen und guten Humor; habt ihr mir
+nichts an meinen Herrn aufzugeben, Madam?
+
+Olivia.
+Warte noch; ich bitte dich, sage mir was du von mir denkst?
+
+Viola.
+Ich denke, ihr denkt ihr seyd nicht was ihr seyd.
+
+Olivia.
+Wenn ich so denke, so denk ich das nemliche von euch.
+
+Viola.
+Und so denkt ihr recht, ich bin nicht was ich bin.
+
+Olivia.
+Ich wollt' ihr wäret wie ich euch wünschte.
+
+Viola.
+Würd' ich besser seyn, Madam, als wie ich bin? Ich wollt es wäre so,
+denn izt bin ich euer Narr.
+
+Olivia.
+Wie anmuthig selbst Verachtung und Zorn auf seinen schönen Lippen
+sizt.* Mördrische Schuld verräth sich nicht schneller, als Liebe
+die sich verbergen will: Die Nacht der Liebe ist Mittag. Cäsario,
+bey den Rosen des Frühlings, bey meiner jungfräulichen Ehre und
+Treue, und bey allem in der Welt, ich liebe dich so sehr, daß, troz
+allem deinem spröden Wesen, weder Wiz noch Vernunft meine
+Leidenschaft verbergen kan. Erzwinge dir daher, daß ich dir mein
+Herz selbst antrage, keinen Grund es zu verschmähen; denke lieber
+so, (du wirst so richtiger denken) gesuchte Liebe ist gut; aber
+ungesucht geschenkt, ist sie noch besser.
+
+Viola.
+Ich schwöre bey meiner Unschuld und Jugend, ich habe Ein Herz,
+Einen Busen, und Eine Treue, und diese hat kein Weibsbild; noch
+wird jemals Eine Meisterin davon seyn als ich selbst. Und hiemit,
+adieu, Gnädiges Fräulein; niemals werd' ich mich wieder gebrauchen
+lassen, euch meines Herrn Thränen vorzuweinen.
+
+Olivia.
+Komm nichts desto minder wieder; vielleicht mag es dir endlich
+gelingen, dieses Herz, das izt seine Liebe verabscheut, zu einer
+zärtlichern Gesinnung zu bewegen.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Vierte Scene.
+(Verwandelt sich in ein Zimmer in Olivias Haus.)
+(Sir Tobias, Sir Andreas und Fabian.)
+
+(Sir Tobias und Fabian bemühen sich den Sir Andreas zur Eifersucht
+gegen den Cäsario oder die verkleidete Viola zu reizen, und bereden
+ihn, Olivia habe dem Cäsario nur darum so gut begegnet, um zu sehen,
+ob er, Andreas, so geduldig dazu seyn werde; Sir Tobias sezt hinzu,
+sie habe ohnfehlbar erwartet, daß er irgend einen tapfern Ausfall
+gegen seinen Nebenbuhler wagen würde, und da dieses nicht geschehen,
+so sey er nun ganz gewiß sehr tief in ihrer guten Meynung gefallen.
+Du bist nun, sagt er, in den Norden, von meiner Nichte guter
+Meynung hineingesegelt, wo du hangen wirst wie ein Eiszapfe an
+eines Holländers Bart, wofern du dich nicht durch irgend eine kühne
+That wieder losmachst--Kurz, sie bereden ihn endlich, daß er sich
+schlechterdings mit Cäsario schlagen müsse, und Sir Tobias erbietet
+sich, diesem die Ausforderung zu überbringen; welche zu schreiben
+dann Sir Andreas abgeht.)
+
+
+
+Fünfte Scene.
+(Fabian und Sir Tobias machen sich zum voraus über die Kurzweile
+lustig, die sie von diesem Zweykampf erwarten. Sir Tobias gesteht
+von seinem Freund daß er eine Memme sey; wenn man ihn öfnete, sagt
+er, und ihr findet nur soviel Blut in seiner Leber, daß eine Floh
+die Füsse darinn naß machen könnte, so will ich den Rest der
+Anatomie aufessen. Indem kommt Maria zu ihnen, und bittet sie mit
+ihr zu gehen und zu sehen, wie seltsam sich Malvolio in seinen
+gelben, unter den Knien gebundnen Strümpfen gebehrde, und wie
+pünctlich er der Vorschrift des von ihr unterschobnen Briefs
+nachlebe. Er lächelt (sagt sie) sein breites Gesicht in mehr Linien
+als auf der neuen Land-Carte sind, die mit den beyden Indien
+vermehrt ist; ihr habt euere Tage nichts so gesehen; ich bin gewiß,
+mein Fräulein wird ihm eine Ohrfeige geben; wenn sie's thut, so
+wird er lächeln und es für eine grosse Gunstbezeugung aufnemen.)
+
+
+
+Sechste Scene.
+(Verwandelt sich in die Strasse.)
+(Sebastian und Antonio treten auf.)
+
+(Sie freuen sich einander wieder zufinden; Sebastian bittet seinen
+Freund mit ihm zu gehen, um die Merkwürdigkeiten der Stadt zu sehen;
+Antonio antwortet, er getraue sich, weil er ehedem gegen den
+Herzog gedient und ihm einen namhaften Schaden gethan habe, nicht,
+sich so öffentlich sehen zu lassen, er bestellt also den Sebastian
+auf den Abend ins Wirthshaus zum Elephanten, giebt ihm, auf den
+Fall, wenn er etwann Lust hätte etwas einzukauffen, seinen Beutel,
+und verläßt ihn, um ihm das Nacht-Quartier zu bestellen.)
+
+* Von hier an bis zu Ende dieser Scene, ist im Original alles in
+Reimen.
+
+
+
+Siebende Scene.
+(Verwandelt sich in Olivias Haus.)
+(Olivia und Maria.)
+
+
+Olivia.
+Ich habe nach Cäsario geschikt; er sagt, er will kommen; was soll
+ich ihm für Ehre anthun? Was soll ich ihm geben? Denn Jugend wird
+öfters erkauft als erbettelt oder entlehnt--Ich rede zu laut--Wo
+ist Malvolio? Er ist ernsthaft und höflich, er schikt sich gut zu
+einem Bedienten für eine Person von meinen Umständen; wo ist
+Malvolio?
+
+Maria.
+Er kommt sogleich, Gnädiges Fräulein, aber in einem seltsamen
+Aufzug. Er ist ganz unfehlbar besessen, Gnädiges Fräulein.
+
+Olivia.
+Wie, wo fehlt es ihm? Raßt er denn?
+
+Maria.
+Nein, Gnädiges Fräulein, er thut nichts als lächeln; Euer Gnaden
+wird wohlthun, jemand zur Sicherheit bey sich zu haben: denn, ganz
+gewiß, der Mann ist nicht recht richtig unterm Hut.
+
+Olivia.
+Geh, ruf ihm.--(Malvolio tritt auf.)--Ich bin so närrisch als er
+immer, wenn traurige und lustige Narrheit auf eins hinauslauffen--
+Nun, wie gehts, Malvolio?
+
+Malvolio.
+Liebstes Fräulein, ha, ha.
+
+(Er lächelt auf eine abgeschmakte Art.)
+
+Olivia.
+Lächelst du? Ich schikte nach dir, um dich zu einem ernsthaften
+Geschäfte zu gebrauchen.
+
+Malvolio.
+Ernsthaft? Ich könnte wol ernsthaft aussehen, dieses starke Binden
+unter den Knien macht einige Obstruction im Geblüt; aber was thut
+das? Wenn es nur Einer gefällt, so geht mir's vollkommen wie es in
+dem Sonnet heißt: Gefall ich Einer, so gefall ich Allen.
+
+Olivia.
+Wie, was bedeutet das, Mann? Was fehlt dir?
+
+Malvolio.
+Es ist in meinem Kopf nicht so schwarz als meine Beine gelb sind:
+Es ist mir richtig zu Handen gekommen, und Befehle sollen vollzogen
+werden. Ich denke, wir kennen diese schöne Römische Hand.
+
+Olivia.
+Willt du nicht zu Bette gehen, Malvolio?
+
+Malvolio (leise.)
+Zu Bette? Ja, Liebchen, und mit dir.
+
+Olivia.
+Gott behüte dich! Warum lächelst du so, und küssest deine Hand so
+oft?
+
+Maria.
+Was fehlt euch, Malvolio?
+
+Malvolio.
+Habt ihr zu fragen? Wahrhaftig! Nachtigallen antworten gleich
+Krähen!
+
+Maria.
+Wie untersteht ihr euch mit einer so lächerlichen Kühnheit vor
+meiner Gnäd. Fräulein zu erscheinen?
+
+Malvolio.
+Fürchte dich nicht vor Grösse;--Das war wol gegeben.
+
+Olivia.
+Was meynst du damit, Malvolio.
+
+Malvolio.
+Einige werden groß gebohren--
+
+Olivia.
+Ha?
+
+Malvolio.
+Andre arbeiten sich zur Grösse empor--
+
+Olivia.
+Was sagst du?
+
+Malvolio.
+Und andern wird sie zugeworfen.
+
+Olivia.
+Der Himmel helfe dir wieder zurechte!
+
+Malvolio.
+Erinnre dich, wer dir befahl gelbe Strümpfe zu tragen--
+
+Olivia.
+Deine gelbe Strümpfe?
+
+Malvolio.
+Und wünschte, daß du sie unterm Knie binden möchtest?
+
+Olivia.
+Unterm Knie binden?
+
+Malvolio.
+Geh, geh, du bist ein gemachter Mann, wenn du nur willst.
+
+Olivia.
+Was sagst du?
+
+Malvolio.
+Wo nicht, so bleibe dein Lebenlang ein Bedienter.
+
+Olivia.
+Wie, das ist ja eine wahre Hundstags-Tollheit.
+
+(Ein Bedienter meldet den Cäsario an, Olivia geht ab, nachdem sie
+Befehl ertheilt hat, daß man zu Malvolio Sorge trage.)
+
+
+
+Achte Scene.
+(Malvolio, der seine Sachen vortrefflich gemacht zu haben glaubt,
+bestärkt sich selbst, in einem kleinen Monologen, in seinem
+angenehmen Wahnwiz, und hält sich seines Glüks so gewiß, daß ihm
+nichts übrig bleibe, als den Göttern davor zu danken.)
+
+
+
+Neunte Scene.
+(Sir Tobias, Fabian und Maria zu Malvolio.)
+
+
+Sir Tobias.
+Wo ist er, wo ist er, im Namen alles dessen was gut ist? Und wenn
+alle Teufel in der Hölle sich ins Kleine zusammengezogen hätten und
+in ihn gefahren wären, so will ich mit ihm reden.
+
+Fabian.
+Hier ist er, hier ist er. Wie steht's um euch, Herr? Wie steht's um
+euch?
+
+Malvolio.
+Geht eurer Wege; ich entlaß euch; laßt mich bey mir selbst; geht
+eurer Wege.
+
+Maria.
+Seht, wie der böse Feind aus ihm heraus redt! Sagt ich's euch
+nicht? Sir Tobias, die Gnädige Fräulein bittet euch, Sorge zu ihm
+zu tragen.
+
+Malvolio.
+Ah, ha! Thut sie das?
+
+Sir Tobias.
+Geh, geh; still, still, wir müssen säuberlich mit ihm verfahren;
+laßt mich allein machen. Wie! Mann! Laß den Teufel nicht Meister
+seyn; bedenke, daß er ein Feind der Menschen ist.
+
+Malvolio (ernsthaft und stolz.)
+Wißt ihr auch was ihr sagt?
+
+Maria.
+Da seht ihr; wenn ihr was böses vom Teufel sagt, wie er's gleich zu
+Herzen nimmt--Gott gebe, daß er nicht besessen seyn möge!
+
+Fabian.
+Man muß sein Wasser zu der weisen Frauen tragen.
+
+Maria.
+Meiner Treue, das soll auch gleich morgen gethan werden, wenn ich
+das Leben habe. Mein Gnädiges Fräulein würd' ihn um mehr als ich
+sagen mag nicht verliehren wollen.
+
+Malvolio.
+Nun wie, Jungfer?
+
+Maria.
+O Himmel!
+
+Sir Tobias.
+Ich bitte dich, schweige; das ist nicht das rechte Mittel: Siehst
+du nicht, daß du ihn nur böse machst? Laßt mich allein mit ihm.
+
+Fabian.
+Nur keinen andern Weg als Freundlichkeit; nur sanft, nur sanft; der
+böse Feind ist gar kurz angebunden, er läßt nicht grob mit sich
+umgehen.
+
+Sir Tobias.
+Nun, wie, wie steht's, mein Truthähnchen? Wie geht's dir, mein
+Herzchen?
+
+Malvolio.
+Sir?--
+
+Sir Tobias.
+Ja, ich bitte dich, komm du mit mir. Wie, Mann, es schikt sich
+nicht für einen so weisen Mann wie du bist mit dem Teufel den
+Narren zu treiben. An den Galgen mit dem garstigen Kohlenbrenner!
+
+Maria.
+Laßt ihn sein Gebet hersagen, lieber Sir Tobias; laßt ihn beten.
+
+Malvolio.
+Beten, du Affen-Gesicht?
+
+Maria.
+Da, hört ihr's, er will von nichts gutem reden hören.
+
+Malvolio.
+Scheret euch alle an den Galgen: Ihr seyd ein einfältiges dummes
+Pak; ich bin nicht euers Gelichters; ihr werdet mich seiner Zeit
+schon kennen lernen.
+
+(Er geht ab.)
+
+Sir Tobias.
+Ist's möglich?
+
+Fabian.
+Wenn man das in einer Comödie spielen würde, wer würd' es nicht als
+eine unwahrscheinliche Erdichtung verurtheilen?
+
+(In dem Rest dieser Scene freuen sich Sir Tobias und seine
+Consorten, daß ihnen ihre Absicht so wol gelungen sey, und
+entschliessen sich nicht abzulassen, bis sie den armen Malvolio,
+zur Züchtigung seines Übermuths in ein finstres Gemach und an
+Bande gebracht haben würden.)
+
+
+
+Zehnte Scene.
+(Sir Andreas kommt mit der Ausforderung, die er indessen aufgesezt
+hat, zu den Vorigen, und ließt ihnen das abgeschmakteste Zeug vor,
+das man sich träumen lassen kan. Alle geben ihm ihren Beyfall, und
+muntern ihn auf, sich wohl zu halten. Sir Tobias nimmt auf sich,
+die Ausforderung dem Cäsario einzuhändigen und schikt den Sir
+Andreas in den Garten, wo er seinem Gegner, der sich würklich bey
+Fräulein Olivia befindet, aufpassen soll. Allein sobald er
+weggegangen ist, entdekt Tobias dem Fabian daß er weit entfernt sey,
+einem so feinen jungen Edelmann als Cäsario zu seyn scheine, ein
+so vollgültiges Document der verächtlichen Schwäche seines Gegners
+zu geben; denn so würde der Spaß gleich ein Ende haben: er finde
+also besser, seine Comission mündlich abzulegen, und dem jungen
+Cäsario einen ganz entsezlichen Begriff von Sir Andreassen
+Tapferkeit, und unbezwingbarer Wuth beyzubringen; auf diese Art,
+sezt er hinzu, werden beyde in eine solche Furcht gesezt werden,
+daß sie einander nur durch Blike tödten werden, wie die Basilisken.)
+
+
+
+Eilfte Scene.
+(Olivia und Viola treten auf.)
+
+
+Olivia.
+Zu einem Herzen von Stein hab' ich zuviel gesagt, und meine Ehre zu
+wohlfeil ausgelegt. Es ist etwas in mir, das mir meinen Fehler
+vorrükt; aber es ist ein so eigensinniger hartnäkiger Fehler, daß
+ihm Vorwürfe nichts abgewinnen können.
+
+Viola.
+Der Herzog, mein Herr befindet sich in dem nemlichen Falle.
+
+Olivia.
+Hier, tragt dieses Kleinod zu meinem Andenken; es enthält mein Bild;
+schlagt es nicht aus, es hat keine Zunge euch zu plagen; und ich
+bitte euch, kommt morgen wieder. Was könntet ihr von mir begehren,
+das mit Ehren gegeben werden kan, und ich euch abschlagen würde?
+
+Viola.
+Ich bitte um nichts als eure Liebe für meinen Herrn.
+
+Olivia.
+Wie kan ich ihm mit Ehren geben, was ich euch schon gegeben habe?
+
+Viola.
+Ich will euch dessen quitt halten.
+
+Olivia.
+Gut, komm morgen wieder; lebe wohl--
+
+(Sie geht ab--)
+
+Ein Teufel der deine Gestalt hätte, könnte meine Seele bis in die
+Hölle loken--
+
+
+
+Zwölfte und dreyzehnte Scene.
+(Sir Tobias kündigt den Zorn des furchtbaren Sir Andreas und seine
+Ausforderung dem verkappten Cäsario an, der Mühe genug hat seinen
+wenigen Muth zu einem solchen Zweykampf zu verbergen. Tobias
+verspricht ihm endlich seine guten Dienste, um wenigstens die
+Ursache der grausamen Ungnade zu erkundigen, welche Cäsario durch
+nichts verdient zu haben sich bewußt ist, und wo möglich den
+wüthenden Sir Andreas in etwas zu besänftigen. Tobias stellt sich
+als ob er zu diesem Ende abgehe, da indessen Fabian fortfährt der
+armen Viola Schreken einzujagen, und ihren Gegner als den besten
+Fechter und den fatalesten Widerpart den man in ganz Illyrien
+finden könne, abzumahlen. Sie gehen ab, um dem Sir Tobias Plaz zu
+geben, in der folgenden Scene, seinen Freund Andreas in eine eben
+so friedliebende Gemüths-Verfassung zu sezen. Er beschreibt ihm den
+Cäsario als einen eingefleischten Teufel, der des Sophi Hof-
+Fechtmeister gewesen sey, und keinen Stoß zu thun pflege, der nicht
+eine tödtliche Wunde mache. Andreas geräth darüber in solche Angst,
+daß er verspricht er wolle ihm sein bestes Pferd geben, wenn er die
+Sache auf sich beruhen lassen wolle. Indessen kommt Fabian mit
+Cäsario zurük, der, sobald er den Andreas erblikt, sich allen
+Heiligen zu empfehlen anfängt, ohne gewahr zu werden, daß Andreas
+wie eine Memme schlottert. Sir Tobias geht von dem einen zum andern,
+sagt einem jeden, sein Gegner wolle sich durch nichts in der Welt
+besänftigen lassen, und bringt sie endlich dahin, daß sie, ungern
+genug, die Degen zu ziehen anfangen; welches alles auf dem Theater
+eine äusserst lächerliche Scene machen muß.)
+
+
+
+Vierzehnte Scene.
+(Indem sie ziehen, und Viola mit weinerlicher Stimme protestiert,
+daß es wider ihren Willen geschehe, kommt Antonio dazu, der durch
+die vollkommne Ähnlichkeit zwischen ihr und ihrem Bruder und durch
+ihre Verkleidung betrogen, sie für seinen jungen Freund Sebastiano
+ansieht, sich ins Mittel schlägt, und sich erklärt, er möge nun der
+beleidigte Theil oder der Beleidiger seyn, so mache er seine Sache
+zu seiner eignen. Sir Tobias der es übel nimmt, daß ihm sein Spaß
+verdorben werden soll, erklärt sich, wenn der Neuangekommne sich zu
+Cäsarios Secundanten aufwerfe, so wolle er sein Mann seyn; allein
+kaum haben sie gezogen, so kommt die Wache, bey deren Erblikung
+Viola den Sir Andreas bittet seinen Degen wieder einzusteken,
+welches sich dieser nicht zweymal sagen läßt. Antonio, der sich,
+wie man weiß, des Herzogs Ungnade zugezogen hatte, war verrathen
+worden. Die Wache suchte ihn auf; und da sie, der gemachten
+Beschreibung nach, ihren Mann gefunden zu haben glaubt, wird er auf
+Befehl des Herzogs Orsino in Verhaft genommen.)
+
+
+Antonio (nachdem er sich vergeblich hatte verläugnen wollen.)
+Ich muß gehorchen.
+
+(Zu Cäsario.)
+
+Das begegnet mir, weil ich euch allenthalben aufsuchte. Aber dafür
+ist nun kein Mittel. Ich werde mich zu verantworten wissen. Was
+wollt ihr thun? Meine eigne Noth zwingt mich, daß ich meinen Beutel
+wieder abfordern muß. Dieser Zufall bekümmert mich viel weniger um
+meiner selbst willen, als weil ich euch unnüz werden muß: Ihr seyd
+betroffen, seh ich; aber laßt den Muth noch nicht sinken.
+
+1. Officier.
+Kommt, Herr, wir müssen fort.
+
+Antonio (Zu Cäsario.)
+Ich bin genöthigt euch um etwas Geld zu bitten.
+
+Viola.
+Was für Geld, mein Herr?--Um eures edeln Bezeugens gegen mich
+willen, und weil ich zum Theil durch den verdrieslichen Zufall, der
+euch hier zugestossen ist, aus der grösten Verlegenheit gezogen
+worden bin, will ich euch etwas vorstreken; was ich habe ist was
+weniges, aber ich will doch mit euch theilen was ich habe; nemmt,
+das ist die Hälfte meines Vermögens.
+
+Antonio.
+Und ihr seyd fähig, mich izt zu mißkennen? Ist's möglich daß meine
+guten Dienste--o sezt meine Noth nicht auf eine so harte Probe,
+oder ihr könntet mich zu der Niederträchtigkeit versuchen, euch die
+Freundschaft, die ich euch bewiesen habe, vorzurüken.
+
+Viola.
+Ich weiß von keiner, und kenne euch weder an eurer Stimme noch
+Gestalt. Ich hasse Undankbarkeit mehr an einem Mann als
+Aufschneiden, einbildisches Wesen, waschhafte Trunkenheit, oder
+irgend eine andre Untugend, wovon der anstekende Saame in unserm
+Blute stekt.
+
+Antonio.
+O Himmel!--
+
+Ein Officier.
+Kommt, mein Herr, ich bitte euch, geht.
+
+Antonio.
+Laßt mich nur noch ein Wort sagen. Diesen jungen Menschen, den ihr
+hier seht, zog ich aus dem Rachen des Todes; ich that alles was der
+zärtlichste Bruder thun könnte, ihn wieder herzustellen; ich liebte
+ihn, und ließ mich von seiner Gestalt, die mir die besten
+Eigenschaften anzukündigen schien, so sehr einnehmen, daß ich ihn
+fast abgöttisch verehrte.
+
+1. Officier.
+Was geht das uns an? Die Zeit verstreicht indessen; fort!
+
+Antonio.
+Aber, oh, was für ein häßlicher Göze ist aus diesem Gotte worden. O
+Sebastiano, du machst der Schönheit Unehre. Wahrhaftig, man sollte
+niemand häßlich nennen, als Leute die kein gutes Herz haben. Tugend
+ist Schönheit; böse Leute, welche schön aussehen, sind hohle Klöze
+die der Teufel angestrichen hat.
+
+1. Officier.
+Der Mann fangt an zu rasen: weg mit ihm. Kommt, kommt, Herr.
+
+Antonio.
+Führt mich wohin ihr wollt.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+Viola.
+Mich däucht es ist eine so wahre Leidenschaft in seinen Reden, daß
+er würklich glaubt was er sagt. Und doch ist gewiß daß ich ihn
+nicht kenne. O daß die Einbildung sich wahr befinden möge, o, daß
+es wahr sey, daß man, liebster Bruder, izt für dich mich angesehen
+habe--Er nannte mich Sebastian; Ich sehe meinen Bruder noch lebend
+so oft ich in den Spiegel sehe, er sah vollkommen so aus, und gieng
+auch eben so gekleidet, von solcher Farbe, und so ausstaffiert wie
+ich; denn ihn copiere ich in dieser Verkleidung--O, wenn es so ist,
+so werd' ich den Sturm und die Wellen liebreich statt grausam
+nennen.
+
+(Sie geht ab.)
+
+Sir Tobias.
+Ein recht schlechter armseliger Bube, und eine feigere Memme als
+eine Hindin; seine Schlechtigkeit zeigte sich in seiner Aufführung
+gegen seinen Freund, den er in der Noth verläugnete; und von seiner
+Feigheit kan euch Fabian erzählen.
+
+Fabian.
+Eine Memme ist er, eine recht fromme, friedfertiger feige Memme.
+
+Sir Andreas.
+Mein Seel! Ich will ihm nach und ihn prügeln.
+
+Sir Tobias.
+Thut das, gebt ihm Maulschellen, bis er genug hat, nur den Degen
+zieht nicht gegen ihn.
+
+Sir Andreas.
+Wenn ich's nicht thue--
+
+(Er läuft fort.)
+
+Fabian.
+Kommt, wir müssen doch sehen, wie er das machen wird.
+
+Sir Tobias.
+Ich wollte wetten was man will, es wird doch nichts daraus werden.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+
+Vierter Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+(Die Strasse.)
+(Hans Wurst, der von Olivia geschikt worden, den Cäsario zu ihr zu
+ruffen, trift den Sebastiano an, und richtet seinen Auftrag bey ihm
+aus, weil er ihn für den Cäsario ansieht; Sebastiano, der hier ganz
+fremd ist, und von der Verkleidung seiner Schwester, die er sogar
+für todt hält, nichts wissen kan, stellt sich zu diesem) qui pro
+quo (so befremdet an, als man sich vorstellen kan, und will
+schlechterdings derjenige nicht seyn, wofür ihn Hans Wurst ansieht:
+Indem sie nun mit einander streiten, kommen Sir Andreas und Sir
+Tobias dazu, von denen der Erste durch den nemlichen Optischen
+Betrug seinen Mann gefunden zu haben glaubt, und dem vermeynten
+Cäsario eine Ohrfeige appliciert, welche Sebastiano mit einer
+Tracht Schläge erwiedert. Sir Andreas hatte sich das nicht
+vermuthet, und appelliert an die Justiz; denn, sagt er, wenn ich
+ihm gleich den ersten Schlag gegeben habe, so ist es doch keine
+Manier, daß er mir soviele dagegen giebt. Indem nun Sir Tobias
+Friede machen will, wird er selbst mit Sebastiano handgemein; von
+der dazwischen kommenden Olivia aber in der)
+
+
+
+Zweyten Scene.
+(so gleich wieder geschieden, welche ihren ungesitteten Oheim
+unter den bittersten Vorwürfen aus ihren Augen gehen heißt, den
+vermeynten Cäsario aber aufs zärtlichste zu besänftigen sucht, und
+zu sich in ihr Haus nöthiget. Sebastiano weiß nun vollends nicht
+mehr, in was für einer Welt er ist. Was bedeutet alles diß, ruft er
+aus, entweder hab ich den Verstand verlohren, oder das alles ist
+ein Traum. O wenn es ein Traum ist, so laßt die Phantasie meine
+Sinnen immer in Lethe tauchen, so laßt mich nie von diesem Traum
+erwachen. Nun, sagt Olivia, komm, ich bitte dich; ich wollte du
+liessest dich von mir regieren; von Herzen gerne, antwortet
+Sebastian, und so gehen sie in bester Eintracht mit einander ab.)
+
+
+
+Dritte Scene.
+(Ein Zimmer in Olivias Haus.)
+(Maria und Hans Wurst.)
+
+Maria.
+Ich bitte dich, mache hurtig, zieh diesen Priesterrok an, und binde
+dir diesen Bart um; wir wollen ihn bereden du seyest Sir Topas der
+Pfarrer; beschleunige dich; ich will indeß den Sir Tobias ruffen.
+
+(Sie geht ab.)
+
+Hans Wurst.
+Gut, ich will's thun, ich will mich verkleiden, und ich wollte
+wünschen, ich wäre der erste der sich in einen solchen Rok
+verkleidete. Ich bin nicht lang genug, um eine ansehnliche Person
+in diesem Habit vorzustellen, noch mager genug, um die Meynung von
+mir zu erweken, daß ich zuviel studiere; allein, ein ehrlicher Mann
+und ein guter Haushälter seyn, klingt immer so gut als ein hübscher
+Mann und ein grosser Gelehrter seyn. (Sir Tobias und Maria.)
+
+Sir Tobias.
+Die Götter seyen mit dir, Herr Pfarrer.
+
+Hans Wurst.
+(Bonos Dies), Sir Tobias; denn wie der alte Einsiedler von Prag,
+der in seinem Leben weder Feder noch Dinte gesehen hatte, sehr
+sinnreich zu König Gorboduks Nichte sagte, daß nemlich alles was
+ist, ist: Also, da ich der Herr Pfarrer bin, bin ich der Herr
+Pfarrer; denn was ist was anders als was? Und ist anders als ist?
+
+Sir Tobias.
+Zu euerm Patienten, Herr Pfarrer.
+
+Hans Wurst.
+Wie, holla, sag ich--Stille da, in diesem Kerker!
+
+Malvolio (hinter der Bühne.)
+Wer ruft hier?
+
+Hans Wurst.
+Sir Topas der Pfarrer, welcher Malvolio den Mondsüchtigen besuchen
+will.
+
+Malvolio.
+Sir Topas, Sir Topas, guter Sir Topas, geht zur Gnädigen Fräulein--
+
+Hans Wurst.
+Fahre aus, du Hyperbolicalischer Teufel, warum quälst du diesen
+armen Menschen so? Redst du von nichts als von Fräulein?
+
+Sir Tobias.
+Wohl gegeben, Herr Pfarrer!
+
+Malvolio.
+Sir Topas, niemalen ist einem Menschen so übel mitgespielt worden
+als mir; lieber Sir Topas, bildet euch nicht ein daß ich rasend sey;
+sie haben mich hier in eine gräßliche Finsterniß gelegt.
+
+Hans Wurst.
+Fy, du unartiger Satan; ich bediene mich der gelindesten Ausdrüke
+gegen dich; denn ich bin einer von diesen manierlichen Leuten, die
+dem Teufel selbst nicht anders als höflich begegnen wollten: Sagst
+du, dieses Haus sey finster?
+
+Malvolio.
+Wie die Hölle, Sir Topas.
+
+Hans Wurst.
+Wie, es hat Bogen-Fenster die so durchsichtig sind wie Gitter, und
+die innwendigen Steine gegen die Sud-Seite sind so glänzend wie
+Eben-Holz; und du klagst über Dunkelheit?
+
+Malvolio.
+Ich bin nicht toll, Sir Topas; ich sag euch, es ist finster im
+Hause.
+
+Hans Wurst.
+Tollhäusler, du betrügst dich; ich sage dir, es giebt keine andre
+Finsterniß als Unwissenheit; und in dieser stekst du tiefer als die
+Egypter in ihrem Schlamme.
+
+Malvolio.
+Und ich sage, dieses Haus ist so finster als Unwissenheit, wenn
+gleich Unwissenheit so finster als die Hölle wäre; und ich sage,
+niemalen ist einem ehrlichen Manne so übel mitgespielt worden; ich
+bin nicht mehr rasend als ihr selbst; macht die Probe mit mir,
+fragt mich etwas gescheidtes was ihr wollt, und seht ob ich euch
+nicht antworten werde, wie sich's gehört.
+
+Hans Wurst.
+Was statuierte Pythagoras in Betreff des wilden Geflügels?
+
+Malvolio.
+Daß es leichtlich begegnen könne, daß die Seele unsrer Großmutter
+in einem Schnepfen wohne.
+
+Hans Wurst.
+Was hältst du von dieser Meynung?
+
+Malvolio.
+Ich denke edler von der Seele, und billige diese Meynung keineswegs.
+
+Hans Wurst.
+Gehab du dich wohl: Bleib immer in der Finsterniß; du must die
+Meynung des Pythagoras halten, wenn ich dir zugestehen soll daß du
+deine fünf Sinne habest, und dich scheuen einen Schneppen zu
+schiessen, aus Besorgniß du möchtest die Seele deiner Großmutter
+aus ihrer Wohnung vertreiben. Leb wohl.
+
+Malvolio.
+Sir Topas, Sir Topas--
+
+Sir Tobias.
+Der allerliebste Sir Topas!
+
+Hans Wurst.
+Gelt, ich schike mich zu allen Rollen?
+
+Maria.
+Du hättest das alles ohne Bart und Priesterrok thun können; er
+sieht dich ja nicht. (Hierauf erklärt sich Sir Tobias, daß er
+dieses Spiels nach gerade überdrüssig sey, und demselben um so mehr
+ein anständiges Ende gemacht wünsche, da er mit seiner Nichte
+zerfallen sey. Er geht also mit Maria ab, um sich darüber auf
+seinem Zimmer mit ihr zu berathen, und läßt Hans Wursten bey
+Malvolio zurük, der hierauf in der)
+
+
+Vierten Scene
+(seine eigne Person wieder annimmt, und nachdem er eine Weile den
+Narren mit ihm getrieben, sich endlich erbitten läßt ihm Papier,
+Feder, Dinte und ein Licht zu bringen.)
+
+
+
+Fünfte Scene.
+(Ein andres Zimmer in Olivias Haus.)
+
+Sebastian (allein.)
+Diß ist die Luft, diß ist die strahlende Sonne; diese Perle gab sie
+mir, ich fühle sie und sehe sie, und obgleich alles um mich her
+lauter Wunder ist, so ist es doch nicht Wahnwiz. Wo ist denn
+Antonio? Ich konnt' ihn im Elephanten nicht finden; alles was ich
+erfahren konnte war daß er da gewesen und wieder ausgegangen sey,
+mich überall in der Stadt aufzusuchen. Sein Rath könnte mir izt den
+grössesten Dienst thun--Denn wenn gleich meine Vernunft gegen meine
+Sinnen behauptet, daß diß alles irgend ein Irrthum seyn könne, ohne
+daß es Einbildungen oder Tollheit seyn müsse; so geht doch dieser
+Zufall und ein so ausserordentliches Glük so weit über alles, was
+man sich vorstellen kan, oder was jemals erhört worden ist; daß ich
+bereit bin, ein Mißtrauen in meine eigne Augen zu sezen, und mit
+meiner Vernunft zu streiten, wenn sie mich bereden will, irgend
+etwas anders zu glauben, als daß ich toll sey oder daß es diese
+junge Dame sey; und doch, wenn das leztere wäre, würde sie ihr Haus
+regieren, ihren Bedienten Befehle geben, Geschäfte annehmen und
+auftragen, und das alles mit einer so guten Art, mit einem so
+sanften, vernünftigen, gesezten Wesen, wie ich sehe, daß sie thut?
+In der That, es ist etwas unbegreifliches in dieser Sache. Aber da
+kommt sie ja selbst. (Olivia mit einem Priester.)
+
+Olivia.
+Tadelt nicht, daß ich zu hastig sey; wenn eure Absicht ehrlich ist,
+so kommt mit mir und diesem heiligen Mann in die Capelle, und unter
+ihrer geweyhten Umwölbung schwöret mir da, vor ihm, das Gelübd
+eurer Treue zu, damit meine noch immer mißtrauische, noch immer
+zweifelnde Seele beruhigt werde. Er soll es geheim halten, bis es
+euch selbst gefallen wird, die Zeit zu einer öffentlichen Feyer,
+die meiner Geburt gemäß sey, zu bestimmen. Was sagt ihr hiezu?
+
+Sebastiano.
+Ich will diesem heiligen Manne folgen und euch begleiten; und die
+Treue, die ich euch schwören werde, will ich ewig halten.
+
+Olivia.
+So geht dann voran, ehrwürdiger Vater, und der Himmel schaue mit
+Beyfall auf mein Vorhaben herab!
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+
+Fünfter Aufzug.
+(Dieser ganze lezte Aufzug enthält nichts mehr
+als eine Entwiklung, welche leicht vorauszusehen ist. Man weiß
+schon, daß die Anlegung des Plans und die Entwiklung des Knotens
+diejenigen Theile nicht sind, worinn unser Autor vortrefflich ist.
+Hier scheint er, wie es ihm mehrmal in den fünften Aufzügen
+begegnet, begieriger gewesen zu seyn, sein Stük fertig zu machen,
+als von den Situationen, worein er seine Personen gesezt hat,
+Vortheil zu ziehen. Wir werden uns daher begnügen, den blossen
+Inhalt jeder Scene auszuziehen.)
+
+
+
+Erste Scene.
+(Die Strasse.)
+(Der Herzog kommt, mit Viola, Curio und seinem Gefolge, um in
+eigner Person den lezten Versuch auf das Herz seiner Unerbittlichen
+zu machen, und da er nicht gleich vorkommen kan, so unterhält er
+sich unterdessen mit Hans Wurst, den er vor der Porte antrift.)
+
+
+
+Zweyte Scene.
+(Antonio wird von dem Gerichts-Beamten, der sich seiner
+bemächtiget hatte, herbeygeführt, und dem Herzog als jener
+berüchtigte See-Räuber vorgestellt, gegen welchen er so viele
+Ursache habe erbittert zu seyn. Viola, die, wie wir wissen, eine
+gutherzige Art von Mädchen ist, rühmt sogleich den guten Dienst,
+den er ihr gethan, fügt aber hinzu, daß er zulezt aus einem so
+seltsamen Ton zu ihr gesprochen habe, daß sie nichts anders
+vermuthen könne, als er müsse im Kopf nicht gar zu richtig seyn.
+Antonio vertheidigt sich hierauf gegen den Vorwurf der Seeräuberey,
+und da er Viola für ihren Bruder ansieht, so erzählt er auf ihre
+Rechnung alles was wir bereits von seinen Verdiensten um Sebastian
+wissen, und beklagt sich bitterlich über ihre Undankbarkeit. Indem
+nun der Herzog der Zeit nachfrägt, und durch den Umstand, daß
+Cäsario die verflossenen drey Monate an seinem Hofe zugebracht, den
+Antonio der Unwahrheit überwiesen zu haben glaubt, kommt in der)
+
+
+
+Dritten Scene.
+(Olivia dazu, und befremdet sich sehr ihren Cäsario gegen sein
+gegebnes Wort, wieder an des Herzogs Seite zu sehen. Da nun Viola
+nicht begreiffen kan, was Olivia sagen will, so beginnt sich ein
+Wortwechsel unter ihnen, der aber sogleich durch die Händel worein
+diese Dame mit dem Herzog geräth, unterbrochen wird. Sie sagt ihm
+rund heraus daß ihr seine Standhaftigkeit unerträglich, und seine
+Liebes-Klagen so angenehm seyen als Heulen nach Musik. Der Herzog
+wird dadurch so aufgebracht, daß er schwört, die Unerbittlichkeit
+seiner marmorherzigen Tyrannin an ihrem jungen Liebling, an Cäsario
+zu rächen--Ich will ihn, sagt er, aus diesem grausamen Auge reissen,
+wo er siegreich und gekrönt dasizt und seines Herrn spottet; ich
+will das Lamm das ich liebe, opfern, um ein Raben-Herz in der Brust
+einer Daube zu durchboren. Mit diesen Worten, will er fortgehen und
+befiehlt dem Cäsario ihm zu folgen. Viola erklärt sich bereit
+tausend Tode zu sterben, wenn seine Zufriedenheit dadurch befördert
+werde, und will ihm folgen--Wohin wollt ihr, Cäsario, ruft Olivia--
+Dem folgen, antwortet Viola, den ich, der Himmel sey mein Zeuge,
+mehr als alle Weiber der ganzen Welt, mehr als meine Augen und mein
+Leben liebe. Izt fängt Olivia auch an aus dem tragischen Ton zu
+sprechen, und da ihr vermeynter Bräutigam so unverschämt ist, von
+allem was zwischen ihnen vorgegangen seyn soll, nichts wissen zu
+wollen, und der Herzog über den Namen eines Gemahls den sie der
+Viola giebt, wüthend wird, so sieht sie sich endlich genöthiget den
+Priester, der sie mit Sebastian getraut hat, herausruffen zu lassen,
+auf dessen vollgültiges Zeugniß hin der Herzog sich überzeugt hat,
+daß er von Cäsario betrogen worden, und unter bittern Vorwürfen
+über seine Falschheit das Verbannungs-Urtheil über beyde ausspricht.
+Indem nun Cäsario sich vergeblich auf seine Unschuld beruft, und
+Olivia, welche glaubt, daß es nur aus Furcht vor dem Herzog
+geschehe, ihm Muth einspricht, kommt in der)
+
+
+
+Vierten Scene.
+(Sir Andreas mit zerbrochnem Kopf heraus, und erhebt ein
+jämmerliches Geschrey über einen gewissen Kammer-Junker des Herzogs,
+Cäsario, der ihn und Sir Tobiesen jämmerlich abgeprügelt habe; wir
+hielten ihn anfangs für eine Memme, sagt er weinend, aber er ist
+der leibhafte Teufel selbst. Mein Kammer-Junker Cäsario? fragt der
+Herzog, Ja, Sapperment, (ruft Sir Andreas) hier ist er ja in Person:
+Ihr habt mir umsonst und um nichts ein Loch in den Kopf geschlagen;
+und wenn ich euch was gethan habe, so that ich's nur auf Anstiften
+des Sir Tobiesen--Viola, welche von dieser neuen Anklage eben so
+wenig als von einer Vermählung mit Olivia weiß, hat das
+Mißvergnügen sich von Sir Tobias und vom Hans Wurst überwiesen zu
+sehen; die Verwirrung nimmt zu, und steigt endlich auf den höchsten
+Grad, da in der)
+
+
+
+Fünften Scene.
+(Sebastian selbst erscheint und der erstaunten Versammlung den
+Cäsario gedoppelt sehen läßt. Dieser nemliche Augenblik der
+äussersten Verwirrung bey Orsino und Olivia zieht Antonio und Viola
+aus der ihrigen. Jener erkennt in Sebastian seinen jungen Freund
+und diese ihren Bruder: das Geheimniß entdekt sich, Olivia findet
+sich dem Schiksal mehr verbunden als sie gewußt hatte; Sebastian
+begreift, was er kurz vorher für einen Traum oder für Bezauberung
+halten mußte, und der Herzog ergiebt sich den ausserordentlichen
+Proben die ihm Viola von ihrer Zärtlichkeit gegeben und erklärt sie
+zur Königin seines Herzens. Damit alles sich entwikle und niemand
+unglüklich bleibe, so entdekt sich in der)
+
+
+
+Sechsten und siebenten Scene.
+(durch den Brief des Malvolio, welchen Hans Wurst überbringt, auch
+der unglükliche Irrthum dieses Bedienten, und der Betrug der ihm
+gespielt worden; welches dem Hans Wurst Gelegenheit, sich über ihn
+lustig zu machen, jenem aber, nach einer kleinen Demüthigung seiner
+Einbildung, die Freyheit verschaft.)
+
+
+Was ihr wollt, von William Shakespeare
+(Übersetzt von Christoph Martin Wieland)
+
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Was ihr wollt, by William Shakespeare
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK WAS IHR WOLLT ***
+
+This file should be named 7186-8.txt or 7186-8.zip
+
+Produced by Delphine Lettau
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