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+The Project Gutenberg EBook of Timon von Athen, by William Shakespeare
+#37 in our series by William Shakespeare
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+this or any other Project Gutenberg eBook.
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+**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts**
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+**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971**
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+*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****
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+Title: Timon von Athen
+
+Author: William Shakespeare
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+Release Date: January, 2005 [EBook #7226]
+[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
+[This file was first posted on March 28, 2003]
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+Edition: 10
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+Language: German
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+Character set encoding: ISO-Latin-1
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+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK TIMON VON ATHEN ***
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+This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
+That project is reachable at the web site http://gutenberg2000.de.
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+Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE"
+zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
+http://gutenberg2000.de erreichbar.
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+Timon von Athen.
+
+William Shakespeare
+
+Übersetzt von Christoph Martin Wieland
+
+
+Personen.
+
+Timon, ein edler Athenienser.
+Lucius, Lucullus, Sempronius und Ventidius, Schmeichler und falsche
+Freunde des Timon.
+Alcibiades, ein General der Athenienser.
+Apemanthus, ein Cynischer Philosoph.
+Flavius, Timons Verwalter.
+Flaminius, Lucilius und Servilius, Bediente des Timon.
+Caphis, Varro, Philo, Titus, Lucius und Hortensius, Bediente von
+den Gläubigern des Timon.
+Ein Poet.
+Ein Mahler.
+Ein Juweelen-Händler.
+Ein Galanterien-Krämer.
+Ein Kauffmann.
+Drey Diebe.
+Etliche Senatoren.
+Cupido und Masken.
+Phrynia und Timandra, Maitressen des Alcibiades.
+Verschiedne Bediente, Soldaten, und andre als stumme Personen.
+Die Scene, Athen, und ein nicht weit davon gelegner Wald.
+
+
+
+
+Erster Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+(Eine Halle in Timons Hause.)
+(Der Poet, der Mahler, der Juweelen-Händler, der Kauffmann, und
+ der Galanterie-Krämer treten durch verschiedne Thüren auf.)
+
+
+Poet.
+Guten Tag, mein Herr.
+
+Mahler.
+Ich erfreue mich über euer Wohlbefinden.
+
+Poet.
+Ich hab' euch lange nicht gesehen; wie geht's in der Welt?
+
+Mahler.
+So daß es besser seyn könnte, mein Herr.
+
+Poet.
+Nun, das ist etwas bekanntes. Aber was giebt es vor besondere
+Seltenheiten?* Was ist so ausserordentlich, wovon wir nicht in den
+Urkunden der Welt mehr als ein Beyspiel finden?--Seht, o Zauberey
+der Freygebigkeit! Alle diese Geister hat deine Macht
+zusammenbeschworen, dir aufzuwarten--Ich kenne den Kauffmann.
+
+Mahler.
+Ich kenne beyde; der andere ist ein Juweelen-Händler.
+
+Kauffmann.
+O! es ist ein würdiger Edelmann!
+
+Juweelen-Händler.
+Das ist ausgemacht.
+
+Kauffmann.
+Ein recht unvergleichlicher Mann, von einer unerschöpflichen und
+immerwährenden Gütigkeit beseelt. Er übertrift --
+
+
+Juweelen-Händler.
+Ich habe hier ein Juweel--
+
+Kauffmann.
+O ich bitte euch, laßt mich's sehen--Für den Lord Timon, mein Herr?
+
+Juweelen-Händler.
+Wenn er es so hoch bezahlt als es geschäzt ist; doch was das
+betrift --
+
+Poet.
+Wenn wir um Lohn den Lasterhaften singen,
+So wird auch des Gerechten Lobes Glanz
+Dadurch beflekt, das wir der Tugend bringen--
+
+Kauffmann
+
+(indem er das Juweel betrachtet.)
+
+
+Es ist schön geschnitten.
+
+Juweelen-Händler.
+Und reich; was das für ein Wasser ist! Seht ihr?
+
+Mahler (zum Poeten.)
+Mein Herr, ihr seyd, däucht mich, im Enthusiasmus, über irgend
+einem Werk, das diesem grossen Mann gewidmet werden soll.
+
+Poet.
+Es ist eine Kleinigkeit, die mir in einer müssigen Stund' entgangen
+ist. Unsre Poesie ist wie ein Gummi, das daher entspringt, woher es
+genährt wird. Das Feuer in dem Kiesel zeigt sich nicht eher bis es
+herausgeschlagen wird; unsre anmuthige Flamme entzündet sich von
+selbst, und überströmt wie ein reissendes Wasser jeden Damm, der
+sie einzwängen will. Was habt ihr hier?
+
+Mahler.
+Ein Gemählde, mein Herr--Wenn kommt euer Werk ans Licht?
+
+Poet.
+An den Fersen meiner Gegenwart, mein Herr. Laßt mich euer Stük
+sehen.
+
+Mahler.
+Es ist ein gutes Stük.
+
+Poet.
+Das ist es; das reicht an vortrefflich.
+
+Mahler.
+Erträglich.
+
+Poet.
+Bewundernswürdig! Was für eine Wahrheit, welch ein Anstand in
+dieser Stellung! Was für eine geistige Kraft schießt aus diesem
+Auge! Was für eine schwangre Einbildungskraft bewegt sich in diesen
+Lippen! Selbst die stumme Gebehrde wird hier zum Ausdruk --
+
+
+Mahler.
+Es ist eine ganz artige Nachäffung der Natur; hier ist ein Strich--
+Was sagt ihr davon?
+
+Poet.
+Ich will nichts sagen, als, er meistert die Natur selbst; eine
+künstliche Bewegung lebt in diesen Strichen, die lebhafter ist als
+das Leben selbst. (Einige Senatoren zu den Vorigen.)
+
+Mahler.
+Wie viel Aufwart dieser Herr hat!
+
+Poet.
+Die Senatoren von Athen! Glüklicher Mann!
+
+Mahler.
+Seht, noch etliche.
+
+Poet.
+Ihr seht diesen Zusammenfluß, diese grosse Fluth von Besuchern--Ich
+habe in diesem rohen Werk einen Mann entworffen, den diese
+Unterwelt mit überschwenglicher Hochachtung umfaßt, und in die Arme
+schließt. Meine freye Absicht hält keinen besondern Lauf, sondern
+bewegt sich selbst in einer weiten See von Wachs; keine gesäurte
+Bosheit vergiftet ein einziges Comma in dem Lauf den ich halte:
+sondern er fliegt einen Adler-Flug, kühn, in einem fort, und läßt
+keine Spur zurük.
+
+Mahler.
+Wie soll ich euch verstehen?
+
+Poet.
+Ich will es euch aufrigeln. Ihr seht wie alle Stände, wie alle
+Arten von Leute, sowohl die von glatter und schlüpfriger als die
+von spröder und herber Beschaffenheit, ihre Dienste zu den Füssen
+des Lord Timon legen: Sein grosser Reichthum, der an seiner
+leutseligen und gütigen Gemüthsart hängt, überwältigt alle Arten
+von Herzen, und macht sie zu seinen freywilligen Unterthanen; ja,
+von dem Spiegelartigen Schmeichler bis zum Apemanthus, der wenige
+Dinge so sehr liebt als sich selbst zu verabscheuen; aber auch
+dieser gießt sich auf die Knie vor ihm hin, und kehrt vergnügt, und
+durch ein Kopfniken des Timons, in seinen Gedanken, höchst glüklich
+von ihm zurük.
+
+Mahler.
+Ich sah sie mit einander reden.
+
+Poet.
+Ich dichte also das Glük, auf einem hohen und anmuthigen Hügel
+gethront. Der Fuß des Berges ist mit allen Arten von Personen und
+Verdiensten dicht umgeben, die sich bestreben sich auf dem Busen
+dieser Sphäre festzusezen. Unter allen diesen Wesen, deren Augen
+auf diese allgewaltige Beherrscherin geheftet sind, personificire
+ich einen in Timons Gestalt, den Fortuna mit ihrer elfenbeinernen
+Hand zu sich winkt, und durch diese Gunst in ebendemselben
+Augenblik alle seine Nebenbuhler zu seinen Dienern und Sclaven
+macht.
+
+Mahler.
+Eine mahlerische Idee! Dieser Thron, diese Fortuna und dieser Hügel,
+mit einem Manne, dem aus den übrigen untenstehenden emporgewinkt
+wird, und der sein Haupt gegen den schrofen Berg beugt, um zu
+seinem Glük hinaufzuklettern, würde, nach unsrer Kunst, wohl
+ausgesonnen seyn.
+
+Poet.
+Nein, hört mich nur weiter: Alle diese, die so kürzlich erst seines
+gleichen waren, einige besser als er, folgen in diesem Augenblik
+seinen Schritten, drängen sich aufwartsam um ihn her, regnen
+flüsternde Schmeichlereyen in sein Ohr, machen sogar seine
+Schuhriemen zu einem Heiligthum, und trinken die freye Luft durch
+ihn.
+
+Mahler.
+Zum Henker, was wollt ihr mit diesen?
+
+Poet.
+Sobald nun Fortuna, in einem Anstoß von Wankelmuth den, der kaum
+ihr Liebling war, mit Füssen tritt; so seht ihr, wie alle seine
+Verehrer, die mit Knien und Händen sich auf den Gipfel des Berges
+hinaufarbeiteten, ihn hinunter schlüpfen lassen, ohne daß nur ein
+einziger seinen ausglitschenden Fuß begleiten wollte.
+
+Mahler.
+Das ist gemein; ich kan euch tausend moralische Gemählde zeigen,
+die dergleichen plözliche Glüks-Streiche weit lebhafter vorstellen
+sollen, als Worte. Doch thut ihr wohl, dem Lord Timon zu zeigen,
+daß es schon begegnet ist, daß erniedrigte Augen den Fuß über dem
+Kopf gesehen haben. * Unser Autor hat, wie der Augenschein zeigt,
+seinen Poeten in diesem Stüke zu einem schlechten Kerl gemacht.
+Damit sein Charakter aber nicht der Profeßion selbst nachtheilig
+sey, so hat er ihn zu einem eben so schlechten Poeten gemacht, als
+er ein schlechter Mann ist. Ein untrügliches Kennzeichen von dem
+falschen Geschmak und unreiffen Urtheil, so er ihm beylegt, ist
+seine Liebe zu allem was seltsam, erstaunlich und abentheurlich,
+und eine Verachtung alles dessen, was gewöhnlich oder der Natur
+gemäß ist. Warbürton.
+
+(Inspicere tanquam in speculum jubeo)-- (Terent.)
+
+
+
+Zweyte Scene.
+(Trompeten. Timon tritt auf, und wendet sich auf eine leutselige
+ Art an die verschiednen Personen, die ihm die Aufwartung machen.)
+
+
+Timon (zu einem Boten.)
+Er sizt im Gefängniß, sagt ihr?
+
+Bote.
+Ja, gnädiger Herr; Seine Schulden belauffen sich auf fünf Talente,
+seine Mittel sind sehr knapp, seine Glaubiger sehr dringend; er
+bittet euch, an diejenige, die ihn eingesezt haben, zu seinem Behuf
+zu schreiben, und würde ohne allen Trost seyn, wenn ihr ihm diese
+Gunst versagen würdet.
+
+Timon.
+Der edle Ventidius! Gut! Ich bin nicht von der Art, meinen Freund
+zu verlassen, wenn er meiner am meisten nöthig hat. Ich weiß, er
+ist ein Edelmann, der wohl verdient, daß man ihm aushelfe; ich will
+es thun, ich will die Schuld bezahlen, und ihn befreyen.
+
+Bote.
+Euer Gnaden verpflichtet sich ihn auf ewig.
+
+Timon.
+Empfehlt mich ihm; ich will ihm seine Ranzion schiken, und ihn,
+wenn er wieder frey seyn wird, zu mir einladen. Es ist nicht genug,
+dem Schwachen aufzuhelfen, man muß ihm auch den Arm zum Gehen
+leyhen. Lebt wohl.
+
+Bote.
+Ich wünsche Euer Gnaden tausend Wohlergehen.
+
+(Geht ab.)
+
+
+(Ein alter Athenienser tritt auf.)
+
+Alter Athenienser.
+Lord Timon, hört mich reden.
+
+Timon.
+Rede frey, mein guter alter Vater.
+
+Alter Athenienser.
+Du hast einen Diener, namens Lucilius.
+
+Timon.
+So ist's; was soll er dann?
+
+Alter Athenienser.
+Sehr edler Timon, laß diesen Mann sogleich vor dich kommen.
+
+Timon.
+Ist er hier oder nicht?--Lucilius!--(Lucilius tritt auf.)
+
+Lucilius.
+Hier, was befehlen Euer Gnaden?
+
+Alter Athenienser.
+Dieser Bursche hier, Lord Timon, dieser dein Diener besucht des
+Nachts mein Haus. Ich bin ein Mann, der von der Jugend an sich Müh
+gegeben hat, etwas zu erwerben, und mein Vermögen erheischt einen
+gewichtigern Erben, als einen der auf einem hölzernen Teller ißt.
+
+Timon.
+Gut; was weiter?
+
+Alter Athenienser.
+Ich hab' eine einzige Tochter, und sonst keinen Anverwandten, dem
+ich vermachen könnte was ich erworben habe. Das Mädchen ist hübsch,
+so jung als eine Braut seyn kan, und ich habe keine Kosten gespart,
+sie zu den besten Eigenschaften zu erziehen. Dieser dein Diener
+bewirbt sich um ihre Liebe; ich bitte dich, edler Lord, vereinige
+dich mit mir, ihm ihren Umgang zu untersagen; ich selbst hab' es
+fruchtlos gethan.
+
+Timon.
+Der Mann ist ein ehrlicher Mann.
+
+Alter Athenienser.
+So wird er's auch hierinn seyn, Timon. Seine Ehrlichkeit belohnt
+ihn durch sich selbst, sie soll ihm nicht meine Tochter kuppeln.
+
+Timon.
+Liebt sie ihn?
+
+Alter Athenienser.
+Sie ist jung und mannbar; unsre eigene ehmalige Leidenschaften
+lehren uns, wie leichtsinnig die Jugend ist.
+
+Timon (zu Lucilius.)
+Liebt ihr das Mädchen?
+
+Lucilius.
+Ja, mein Gnädiger Herr, und sie ist es zufrieden.
+
+Alter Athenienser.
+Wenn sie einander ohne meine Einwilligung heurathen, so rufe ich
+die Götter zu Zeugen, daß ich meinen Erben aus den Bettlern auf der
+Strasse wählen, und ihnen alles entziehen will.
+
+Timon.
+Wieviel soll sie zum Brautschaz haben, wenn sie einen Mann
+heurathete, der ihr an Vermögen gleich wäre?
+
+Alter Athenienser.
+Drey Talente fürs Gegenwärtige, und künftig alles.
+
+Timon.
+Dieser wakere Mann hat mir lange gedient; um sein Glük zu machen,
+will ich mich ein wenig angreiffen; es ist eine Pflicht der
+Menschlichkeit. Gieb ihm deine Tochter; so viel du ihr giebst, will
+ich ihm auch geben, um zu machen, daß er so viel wägen soll als sie.
+
+Alter Athenienser.
+Sehr edler Lord, verspreche mir das auf euer Ehrenwort, so soll er
+sie haben.
+
+Timon.
+Hier hast du meine Hand, mein Ehrenwort ist mein Versprechen.
+
+Lucilius.
+Ich danke Euer Gnaden demüthigst; nimmer möge mir das Glük gedeyhen,
+welches ich nicht eurer Güte schuldig zu seyn erkenne.
+
+(Lucilius und der Alte Athenienser gehen ab.)
+
+
+
+Poet.
+Nehmet diese Arbeit so gütig auf, als die Wünsche, die ich für Euer
+Gnaden langes Leben thue.
+
+Timon.
+Ich danke euch, ihr sollt gleich mehr von mir hören; geht nicht weg--
+Was habt ihr hier, mein Freund?
+
+Mahler.
+Ein Gemählde, welches ich Euer Gnaden bitte anzunehmen.
+
+Timon.
+Mahlerey ist mir allezeit willkommen. Seitdem die Falschheit mit
+der Natur des Menschen ein Gewerbe treibt, ist ein gemahlter Mensch
+soviel als ein natürlicher; gemahlte Figuren sind gerade das, wofür
+sie sich geben. Euer Werk gefällt mir, und ihr sollt finden, daß es
+mir gefällt; wartet, bis ihr wieder von mir hört.
+
+Mahler.
+Die Götter erhalten euch!
+
+Timon.
+Lebt wol, mein Herr; gebt mir eure Hand, wir müssen heute mit
+einander zu mittagessen. Mein Herr, euer Juweel hat von
+allzugrossem Lob gelitten.
+
+Juweelen-Händler.
+Wie, Milord? Ist es mißfällig?
+
+Timon.
+Es ist mir bis zum Ekel angepriesen worden. Wenn ich es bezahlen
+sollte, wie es geschäzt wird, so müßte ich mich zu Grunde richten.
+
+Juweelen-Händler.
+Gnädiger Herr, es ist so geschäzt wie diejenige, die es verkauffen,
+es gerne gäben; ihr wißt aber wol, daß Dinge von gleichem Werth,
+wenn sie ungleiche Eigenthümer haben, nach ihren Besizern geschäzt
+werden; glaubt mir, Gnädiger Herr, das Juweel würde einen noch
+grössern Werth erhalten, wenn ihr es trüget.
+
+Timon.
+Ihr scherzet mit mir, mein guter Mann.
+
+Kauffmann.
+Nein, Gnädiger Herr, er redt nur die gemeine Sprache, die alle
+Leute mit ihm reden.
+
+Timon.
+Seht, wer hier kommt--Wollt ihr ausgescholten seyn?
+
+
+
+Dritte Scene.
+(Apemanthus)* (zu den Vorigen.)
+
+{ed.-* Sehet diesen Character eines Cynikers, sehr fein vom Lucian in
+seinem Ausruf der Philosophen gezeichnet, und wie gut Shakespear
+ihn copirt hat. Warbürton.}
+
+
+Juweelen-Händler.
+Wir wollen's mit Euer Gnaden theilen.
+
+Kauffmann.
+Er wird keinen verschonen.
+
+Timon.
+Guten Morgen, mein angenehmster Apemanthus.
+
+Apemanthus.
+Warte du auf einen Gegengruß, bis ich angenehm werde.
+
+Poet.
+Wenn werden wir das Glük haben, das zu erleben?
+
+Apemanthus.
+Wenn du Timons Hund seyn wirst, und diese Schelmen ehrlich.
+
+Timon.
+Warum nennst du sie Schelme? Du kennst sie nicht.
+
+Apemanthus.
+Sind sie nicht Athenienser?
+
+Timon.
+Ja.
+
+Apemanthus.
+So nehm' ich mein Wort nicht zurük.
+
+Juweelen-Händler.
+Ihr kennt mich, Apemanthus.
+
+Apemanthus.
+Du weißst daß ich dich kenne, ich nannte dich bey deinem Namen.
+
+Timon.
+Du bist stolz, Apemanthus.
+
+Apemanthus.
+Auf nichts so sehr, als das ich dem Timon nicht ähnlich bin.
+
+Timon.
+Wo willt du hin?
+
+Apemanthus.
+Einem ehrlichen Athenienser das Hirn ausschlagen.
+
+Timon.
+Das wär' eine That, wofür du sterben müßtest.
+
+Apemanthus.
+Richtig, wenn das Gesez eine Todesstrafe auf nichts thun sezt.
+
+Timon.
+Wie gefällt dir dieses Gemählde, Apemanthus?
+
+Apemanthus.
+Am besten, weil es nichts böses thut.
+
+Timon.
+Arbeitete der nicht gut, der es mahlte?
+
+Apemanthus.
+Der arbeitete noch besser, der den Mahler machte; und doch ist er
+nur ein schlechtes Stük Arbeit.
+
+Mahler.
+Ihr seyd ein Hund.
+
+Apemanthus.
+Deine Mutter ist von meinem Stamme; was war sie, wenn ich ein Hund
+bin?
+
+Timon.
+Apemanthus, willt du mit mir zu mittagessen?
+
+Apemanthus.
+Nein, ich esse keine grosse Herren.
+
+Timon.
+Wenn du es thätest, würden die Damen über dich böse werden.
+
+Apemanthus.
+O! die verschlingen gar die grossen Herren, und kriegen dike Bäuche
+davon.
+
+Timon.
+Das ist ein unzüchtiger Einfall.
+
+Apemanthus.
+So nimmst du ihn auf; nimm ihn für deine Mühe.
+
+Timon.
+Wie gefällt dir dieses Juweel, Apemanthus?
+
+Apemanthus.
+Nicht so wol wie Aufrichtigkeit, die doch einen keinen Heller
+kostet.
+
+Timon.
+Wie viel meynst du, daß es werth sey?
+
+Apemanthus.
+Nicht werth daß ich darauf denke. Wie steht's, Poet?
+
+Poet.
+Wie steht's Philosoph?
+
+Apemanthus.
+Du lügst.
+
+Poet.
+Bist du keiner.
+
+Apemanthus.
+Ja.
+
+Poet.
+So lüg' ich nicht.
+
+Apemanthus.
+Bist du nicht ein Poet?
+
+Poet.
+Ja.
+
+Apemanthus.
+So lügst du also: schau in dein leztes Werk; worinn du dichtest,
+daß er ein würdiger Mann sey.
+
+Poet.
+Das ist nicht gedichtet, er ist es.
+
+Apemanthus.
+Ja, er ist deiner würdig, und würdig dich für deine Arbeit zu
+bezahlen. Wer sich gerne schmeicheln läßt, ist seines Schmeichlers
+würdig. Götter! möcht' ich nur ein grosser Herr seyn!
+
+Timon.
+Was wolltest du denn thun, Apemanthus?
+
+Apemanthus.
+Eben das was Apemanthus izt thut, einen grossen Herrn hassen.
+
+Timon.
+Wie, dich selbst?
+
+Apemanthus.
+Ja.
+
+Timon.
+Warum denn?
+
+Apemanthus.
+Das ich nicht mehr Verstand hätte, als ein grosser Herr zu seyn--
+Bist du nicht ein Kauffmann?
+
+Kauffmann.
+Ja, Apemanthus.
+
+Apemanthus.
+Die Handelschaft verderbe dich, wenn es die Götter nicht thun
+wollen!
+
+Kauffmann.
+Wenn es die Handelschaft thut, so thun es die Götter.
+
+Apemanthus.
+Die Handelschaft ist dein Gott, und dein Gott verderbe dich! (Man
+hört Trompeten. Ein Bote tritt auf.)
+
+Timon.
+Was für Trompeten sind das?
+
+Bote.
+Es ist Alcibiades mit etlichen zwanzig Reitern, die ihn begleiten.
+
+Timon.
+Ich bitte euch, geht ihnen entgegen, ladet sie zu mir ein--ihr müßt
+schlechterdings mit mir zu mittagessen--Geht nicht von hier bis ich
+euch gedankt habe, und nach dem Essen, zeigt mir dieses Stük; ich
+erfreue mich euch zu sehen. (Alcibiades und seine Begleiter treten
+auf.) Sehr willkommen, mein Herr.
+
+(Sie büken sich, und umarmen einander.)
+
+Apemanthus.
+So, so! daß euch die Gicht lähme und ausdörre, ihr biegsamen
+Gelenke! Warum sollten auch diese artigen süssen Schelmen einander
+nicht lieb haben! Wahrhaftig das menschliche Geschlecht wird zu
+lauter Affen und Meerkazen.
+
+Alcibiades.
+Ich sehnte mich so sehr euch zu sehen, daß ich es nicht satt werden
+kan.
+
+Timon.
+Sehr willkommen, mein Herr; ehe wir scheiden, wollen wir einige
+Tage mit allerhand Lustbarkeiten zubringen. Ich bitte euch, laßt
+uns hinein gehen.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Vierte Scene.
+(Apemanthus bleibt; zu ihm Lucius und Lucullus.)
+
+
+Lucius.
+Wie viel ist die Zeit, Apemanthus?
+
+Apemanthus.
+Zeit ehrlich zu seyn.
+
+Lucius.
+Diese Zeit ist immer.
+
+Apemanthus.
+Ein desto schlimmerer Bube bist du, daß du sie immer vorbeylässest.
+
+Lucullus.
+Gehst du zu des Lord Timons Gastmahl?
+
+Apemanthus.
+Ja, um zu sehen, wie Speisen Schelme fällen, und Wein Narren erhizt.
+
+Lucius.
+Lebe wohl, lebe wohl.
+
+Apemanthus.
+Du bist ein Narr, daß du mir zweymal lebe wohl sagst.
+
+Lucullus.
+Warum, Apemanthus?
+
+Apemanthus.
+Du hättest eines für dich selbst behalten sollen, denn von mir
+kriegst du keines.
+
+Lucius.
+Häng' dich auf!
+
+Apemanthus.
+Nein, ich will nichts thun, das du mir sagst; mache deine
+Fordrungen an deinen Freund.
+
+Lucius.
+Hinweg du unverträglicher Hund, oder--ich stosse dich mit den
+Füssen hinaus.
+
+Apemanthus.
+Ich will fliehen, wie ein Hund vor den Hinterfüssen eines Esels.
+
+Lucius.
+Er ist ein Antipode der Menschlichkeit. Kommt, wollen wir
+hineingehen, und an Lord Timons Freygebigkeit Antheil nehmen? In
+der That er übertrift die Güte selbst.
+
+Lucullus.
+Das thut er. Plutus, der Gott des Reichthums ist nur sein Haus-
+Hofmeister: Das kleinste Verdienst, das sich jemand um ihn macht,
+bezahlt er siebenfältig über seinen Werth; und das kleinste
+Geschenk das er annimmt, zieht dem Geber eine Erstattung zu, die
+alle gewöhnliche Erkenntlichkeit übertrift.
+
+Lucius.
+Er hat das edelste Gemüth, das jemals einen Mann regiert hat.
+
+Lucullus.
+Mög' er lang' in diesem glüklichen Stande leben, wollen wir hinein?
+
+Lucius.
+Ich will euch Gesellschaft leisten.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Fünfte Scene.
+(Ein grosser Saal in Timons Hause.)
+(Eine Musik mit Hautbois; Es wird ein grosses Banquet aufgetragen;
+ Timon, Lucius, Lucullus, Sempronius und andre Atheniensische
+ Senatoren, treten mit Ventidius auf. Wenn alle herein gekommen sind,
+ schlendert auch Apemanthus, mit mißvergnügtem Gesicht, hinter
+ ihnen drein.)
+
+
+Ventidius.
+Höchstgeehrter Timon! es hat den Göttern gefallen, meinen alten
+Vater in seine Ruhe eingehen zu lassen. Er ist glüklich vom
+Schauplaz gegangen, und hat mich reich hinterlassen. Ich gebe euch
+also, wie die Dankbarkeit gegen euer großmüthiges Herz mich
+verpflichtet, diese Talente, durch deren Hülf ich meine Freyheit
+wieder erlangt, mit verdoppeltem Dank und Erbietung meiner
+Gegendienste zurük.
+
+Timon.
+O, das kan nicht seyn, mein rechtschaffner Ventidius; ihr mißkennet
+meine Freundschaft: Ich gab sie mit willigem Herzen hin; und wer
+kan mit Wahrheit sagen, daß er gebe, wenn er wieder empfängt? Wenn
+höhere als wir sind es thun, so steht es doch uns nicht an.
+
+Apemanthus.
+Ahme ihnen kühnlich nach; nüzliche Laster sind schön.
+
+Ventidius.
+Welch eine edle Denkungsart!
+
+Timon,
+
+(indem er sieht, daß seine Gäste viele Complimente und Umstände
+machen, eh sie sich sezen.)
+
+
+Ceremonien sind nur erfunden worden, um falschen Thaten, holen
+Bewillkommungen, und erzwungner Gutthätigkeit eine Glasur zu geben;
+aber, wo wahre Freundschaft ist, bedarf es nichts dergleichen. Ich
+bitte euch, nehmet Plaz; ihr seyd mir willkommner zu meinem
+Wohlstand, als er mir selbst ist.
+
+(Sie sezen sich.)
+
+Lucius.
+Wir sind immer davon überzeugt gewesen.
+
+Apemanthus.
+Ho, ho, überzeugt gewesen? Daß ihr gehangen wär't!
+
+Timon.
+Ha, Apemanthus! Ihr seyd willkommen.
+
+Apemanthus.
+Ich will es aber nicht seyn; ich komme nur, daß du mich zur Thüre
+hinausstossest.
+
+Timon.
+Pfui, wie grob du bist! Ihr habt da einen Humor angenommen, der
+einem Mann nicht gut läßt; es ist gar nicht hübsch. Man sagt sonst,
+meine Herren, (ira furor brevis est), aber dieser Mann dort ist
+immer entrüstet.
+
+Apemanthus.
+Laß mich auf deine Gefahr da bleiben, Timon; ich komme,
+Beobachtungen zu machen, ich will dich gewarnt haben.
+
+Timon.
+Und ich gebe dir keine Acht; du bist ein Athenienser, und also
+willkommen; ich möchte für mich selbst kein Vermögen haben--Ich
+bitte dich, laß meine Schüsseln dich zum Stillschweigen bringen.
+
+Apemanthus.
+Ich verschmähe deine Schüsseln; ich wollt' eher dran erworgen, eh
+ich dir jemals schmeicheln wollte. O ihr Götter, wieviel Leute
+essen den Timon, und er sieht sie nicht! Es schmerzt mich, ihrer so
+viele zu sehen, die ihren Bissen in eines einzigen Mannes Blut
+tauchen; und das unsinnigste ist, daß er sie noch dazu aufmuntert.
+Mich wundert nur, daß es Menschen giebt, die sich bey andern
+Menschen sicher halten. Sie sollten einander ohne Messer einladen,
+es wäre gut für ihre Schüsseln, und sichrer für ihr Leben. An
+Beyspielen fehlt es nicht; der Bursche, zum Exempel, der hier zu
+nächst an ihm sizt, das Brodt mit ihm theilt, und thut als ob er
+auch den Athem mit ihm theilen wollte, ist alle Augenblike
+bereitwillig, ihm einen Dolch in das Herz zu stossen. Es sind
+Beweise davon da. Wär' ich ein grosser Herr, ich hätte das Herz
+nicht zu trinken, aus Furcht, sie möchten ausspähen, wo sie meiner
+Luftröhre am besten beykommen könnten; grosse Herren sollten nicht
+anders trinken, als mit einem Harnisch um ihre Gurgel.
+
+Timon (indem er dem Lucullus zutrinkt.)
+Milord, von Herzen; laßt die Gesundheit herumgehen.
+
+Lucullus.
+Laßt sie diesen Weg gehen, mein werthester Lord.
+
+Apemanthus.
+Diesen Weg gehen--Ein braver Kerl; er weiß die Zeit wol in Acht zu
+nehmen; diese Gesundheiten werden noch machen, daß du und dein
+Vermögen die Schwindsucht kriegen werden, Timon.
+
+(Er langt ein Stük Brodt und einen Krug mit Wasser aus seiner
+Tasche.)
+
+Hier ist etwas, das zu schwach ist, ein Sünder zu seyn, ehrliches
+Wasser, das noch niemand in den Schuld-Thurm gebracht hat. Mein
+Essen schikt sich zu meinem Trank--
+
+(Er stellt sich hin, das Tisch-Gebett zu sprechen.)
+
+Gastmähler sind zu stolz, den Göttern Dank zu sagen.
+
+Apemanthus (betet:)
+(Ihr Götter, ich spreche euch um keine Reichthümer an, denn ich
+achte sie für Quark; ich bitte für niemand, als mich selbst.
+Verleihet, daß ich niemals so ein guter Narr werde, einem Mann auf
+seinen Eyd zu trauen, oder einer Hure auf ihre Thränen, oder einem
+Hund, der zu schlafen scheint, oder meinen Freunden, wenn ich ihrer
+nöthig habe; Amen, Amen.) Izt zugegriffen! Reiche Leute sündigen,
+und ich esse Wurzeln.
+
+Timon.
+General Alcibiades, mich däucht, euer Herz ist diesen Augenblik im
+Felde.
+
+Alcibiades.
+Mein Herz ist allenthalben zu euern Diensten, Milord.
+
+Timon.
+Ihr wäret lieber bey einem Frühstük von Feinden, als bey einem
+Mittag-Essen von Freunden gewesen.
+
+Alcibiades.
+Wenn sie so frisch bluten, so ist kein besseres Gericht als sie;
+ich wollte meinen Freund zu einem solchen Schmaus wünschen.*
+
+Apemanthus.
+Ich wollte also, daß alle diese Schmarozer deine Feinde wären,
+damit du sie umbrächtest, und mich darauf zu Gaste bätest.
+
+Lucullus.
+Möchten wir nur das Glük haben, Milord, daß ihr uns einmal durch
+etwas auf die Probe sezen wolltet, wobey wir euch unsre Ergebenheit
+in etwas zeigen könnten; es würde uns nichts mehr zu wünschen übrig
+bleiben.
+
+Timon.
+O, meine guten Freunde, ich zweifle keinen Augenblik, daß die
+Götter für Gelegenheiten gesorgt haben, wo ich eben so viel Hülfe
+von euch erhalten werde; wie wäret ihr sonst meine Freunde gewesen?
+Warum trüget ihr diesen herzrührenden Namen, vor tausenden, wenn
+ihr mein Herz nicht näher angienget? Ich habe über diesen Punct
+mehr von euch zu mir selbst gesagt, als ihr mit Bescheidenheit zu
+euerm eignen Behuf sagen könntet. Ihr Götter, denke ich, wozu
+brauchten wir Freunde zu haben, wenn wir sie niemals nöthig hätten;
+sie würden wie liebliche Instrumente seyn, die in Futteralen
+aufgehangen sind, und ihre Töne für sich selbst behalten. Mein
+Vertrauen zu euch geht so weit, daß ich mich oft ärmer gewünscht
+habe, damit ich euch näher kommen möchte; wir sind dazu gebohren,
+Gutes zu thun. Und was können wir gewisser und eigentlicher unser
+eigen nennen, als die Reichthümer unsrer Freunde? O! was für ein
+unschäzbarer Trost ist das, so viele zu haben, die, wie Brüder,
+einer über des andern Glük und Vermögen schalten können! O Freude,
+die schon eine Freude ist, eh sie gebohren werden kan! Meine Augen
+können nicht Wasser halten, däucht mich; ihren Fehler zu verbessern,
+trink ich euch zu!
+
+Apemanthus.
+Du weinst nur, um zu machen, daß sie dich trinken.
+
+Lucullus.
+Das Vergnügen ward auf die nemliche Art in unsern Augen empfangen,
+und kam in demselben Augenblik wie ein neugebohrnes Kind hervor.
+
+Apemanthus.
+Ho, ho! ich muß lachen, wenn ich denke, daß dieses Kind ein Bastard
+ist.
+
+Ein andrer von den Gästen.
+Ich versichre euch, ihr habt mich ausserordentlich gerührt.
+
+Apemanthus.
+Ausserordentlich!
+
+(Man hört einen Trompeten-Stoß.)
+
+Timon.
+Was will diese Trompete? was giebt's? (Ein Bedienter kommt herein.)
+
+Bedienter.
+Gnädiger Herr, es sind etliche Frauenzimmer draussen, welche gerne
+vorgelassen werden möchten.
+
+Timon.
+Frauenzimmer? Was wollen sie?
+
+Bedienter.
+Sie bringen einen Vorredner mit, der das Amt trägt, ihr Gewerb
+anzubringen.
+
+Timon.
+Ich bitte, laßt sie hereinkommen. * Diese Scytische Art zu reden,
+ist nicht im Character eines Atheniensers, noch des Alcibiades. Der
+Alcibiades unsere Autors in diesem Stük gleicht dem Alcibiades, den
+Plutarch schildert, wie ein Affe einem Menschen; er ist ein Held in
+Ostadens Geschmak gemahlt, oder wie--(Dieu le Pere dans sa gloire
+éternelle, peint galamment dans le gout de Wateau.)
+
+
+
+Sechste Scene.
+(Cupido mit etlichen Weibspersonen, die als Amazonen gekleidet
+ sind, und ein Balletformiren.)
+
+
+Cupido.
+Heil dir, würdiger Timon, und euch allen, die seine Gütigkeiten
+schmeken! Die fünf vorzüglichsten Sinnen erkennen dich für ihren
+Gutthäter, und kommen, deiner überfliessenden Großmuth Dank zu
+erstatten. Das Ohr, der Geschmak, der Geruch und das Gefühl stehen
+befriedigt von deiner Tafel auf, diese hier kommen nun, deinen
+Augen einen Schmaus zu geben.
+
+Timon.
+Sie sind alle willkommen; laßt ihnen freundlich begegnet werden;
+laßt Musik ihren Willkomm machen.
+
+Lucius.
+Ihr sehet, Milord, wie ausserordentlich ihr geliebt werdet.
+
+Apemanthus.
+Heyda! Was für ein Geschweif von Eitelkeit zieht daher! Sie tanzen,
+sie sind dem Tollhaus entloffen, glaub' ich.*
+
+{ed.-* Apemanthus fährt hier im Original in etlichen Zeilen fort, über
+die Weltfreuden und die Schmeichler loszuziehen; es ist aber,
+ungeachtet der Bemühung des Hrn. Warbürton, so wenig Zusammenhang
+in dieser corrupten Rede, daß man sie lieber gar weggelassen; da es
+ohnehin weiter nichts als eine ganz alltägliche Capucinade ist, an
+der man wenig verliehrt.}
+
+(Nach geendigtem Tanz stehen die Gäste von der Tafel auf, und
+machen dem Timon eine Menge feyrlicher Ehrenbezeugungen: Ein jeder
+ließt sich sodann eine Amazonin aus, und so tanzen sie paarweise
+einen oder Zween muntre Tänze, und hören auf.)
+
+Timon.
+Meine schönen Damen, ihr habt unserer Lustbarkeit einen Reiz
+gegeben, ohne den sie nicht halb so schön und anmuthig war. Eure
+Gegenwart hat ihr erst einen Werth und lebhaften Glanz gegeben, und
+das Vergnügen vollkommen gemacht, das ich meinen Gästen zu
+verschaffen gewünscht habe. Ich bin euch sehr dafür verbunden.
+
+Lucius.
+Milord, ihr nehmt sie uns gerade wie es am besten gegangen wäre.
+
+Timon.
+Mesdames, es ist hier in dem Nebenzimmer eine kleine Tafel für euch
+gedekt. Nehmet einige Erfrischungen, wenn es euch beliebt.
+
+Alle Frauenzimmer.
+Mit vielem Dank, Milord.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+Timon.
+Flavius--
+
+Flavius.
+Gnädiger Herr--
+
+Timon.
+Bringt mir das kleine Kästchen her.
+
+Flavius.
+Ja, Gnädiger Herr.
+
+(Bey Seite.)
+
+Noch mehr Juweelen? Man darf ihm nicht einreden, wenn er in einer
+Laune ist, sonst sollt ich ihm sagen--Gut!--In der That ich sollte;
+wenn es zu späte seyn wird, wird er selbst wünschen, daß man ihm
+eingeredet hätte. Es ist zu bedauren, daß die Freygebigkeit hinten
+am Kopf keine Augen hat, damit ein ehrlicher Mann nicht durch ein
+allzu gutes Herz unglüklich werden könnte.
+
+Lucullus.
+Wo sind unsre Leute?
+
+Bedienter.
+Hier, Gnädiger Herr.
+
+Lucullus.
+Unsre Pferde!
+
+Timon.
+O meine guten Freunde!
+
+(zu Lucullus.)
+
+Ich hab' euch nur ein Wort zu sagen: Sehet hier Mylord; ich bitte
+euch, erweißt mir die Ehre, dieses Kleinod anzunehmen und zu tragen,
+mein gütiger Lord!
+
+Lucullus.
+Ich bin schon so sehr euer Schuldner--
+
+Alle.
+Das sind wir alle.
+
+(Lucius, Lucullus, und die übrigen gehen ab.)
+
+
+
+Siebende Scene.
+(Ein Bedienter zu Timon.)
+
+
+Bedienter.
+Gnädiger Herr, etliche Edelleute, die kürzlich in den Senat
+befördert worden, wollen euch ihren Besuch machen.
+
+Timon.
+Sie sind höchstens willkommen. (Flavius kommt wieder zurük.)
+
+Flavius.
+Ich bitte Euer Gnaden, erlaubet mir ein Wort; es geht euch sehr nah
+an.
+
+Timon. Mich? Nun, so will ich dich ein andermal anhören. Ich bitte,
+sorge davor, daß wir ihnen mit etwas aufwarten können.
+
+Flavius (vor sich.)
+Ich weiß kaum womit. (Ein andrer Bedienter.)
+
+2. Bedienter.
+Mit Euer Gnaden Erlaubniß, Lord Lucius macht euch aus Freundschaft
+und Erkenntlichkeit ein Geschenk von vier milchweissen Pferden, mit
+Silber angeschirrt.
+
+Timon.
+Ich werde sie auf eine edle Art annehmen;
+
+(zu Flavius.)
+
+Sorget davor, daß ihnen wohl gewartet werde. (Ein dritter
+Bedienter.) Was giebt's? was neues?
+
+3. Bedienter.
+Mit Euer Gnaden Erlaubniß, der hochgebohrne Lord Lucullus bittet
+sich Euere Gesellschaft morgen auf eine Jagd aus, und hat Euer
+Gnaden zwo Kuppeln Windhunde hergeschikt.
+
+Timon.
+Ich will mit ihm jagen; ich will sie annehmen, und nicht vergessen,
+ihm einen schönen Ersaz zu thun.
+
+Flavius (vor sich.)
+Wo will das hinkommen? Er befiehlt uns immer Provisionen zu machen,
+und macht grosse Präsente, und alles aus einer leeren Kiste. Und
+doch will er nicht leiden, daß ich ihm zeige, was für ein Bettler
+seine Freygebigkeit ist; seine Versprechungen fliegen soweit über
+sein Vermögen hinaus, daß er für alles was er spricht, für jedes
+Wort, schuldig werden müßte. Er ist so gut, daß er Intressen
+bezahlt, um Andern Freygebigkeiten zu erzeigen. Alle seine Güter
+stehen in den Schuldbüchern seiner Gläubiger. Gut! ich wollte ich
+würde mit einer guten Art meines Diensts entsezt, eh ich gezwungen
+werde ihn zu verlassen. Glüklicher ist wer gar keine Freunde zu
+füttern hat, als solche, die noch schlimmer sind als seine
+erklärten Feinde selbst. Mein Herz blutet mir vor meinen Herren.
+
+(Er geht ab.)
+
+Timon.
+Ihr thut euch selbst unrecht, ihr verringert eure Verdienste zu
+sehr. Hier, Milord, ein kleines Merkmal unsrer Freundschaft.
+
+1. Lord.
+Ich nehm' es mit höchstem Dank an.
+
+2. Lord.
+Er hat das großmüthigste Herz von der Welt.
+
+Timon.
+Ah, ich erinnere mich erst izt, Milord, daß euch neulich das
+Castanien-braune Pferd, worauf ich ritt, wohl zu gefallen schien:
+Es ist euer, weil es euch gefällt.
+
+3. Lord.
+O ich bitte euch um Verzeihung, Milord, was das betrift.
+
+Timon.
+Nehmt mein Wort dafür, Milord; ich weiß, niemand kan etwas nach
+Verdienst loben, als was er liebt. Ich schäze meines Freundes
+Geschmak nach meinem eignen! ich spreche in vollem Ernst--Meine
+Herren, ich werde mich bey euch melden lassen.
+
+Alle Lords.
+O! niemand wird uns so willkommen seyn.
+
+Timon.
+Alle Besuche, und besonders die eurigen, sind mir so werth und
+angenehm, daß es nicht genug ist, wenn ich euch davor danke; ich
+könnte Königreiche unter meine Freunde austheilen, und es nie müde
+werden. Alcibiades, du bist ein Soldat, und also selten reich;
+deine Einkünfte sind unter den Todten, und deine Ländereyen ligen
+in einem Schlachtfeld --
+
+Alcibiades.
+Es ist noch Land's genug einzunehmen, Milord.
+
+1. Lord.
+Wir sind euch so gänzlich verpflichtet--
+
+Timon.
+Das bin ich euch.
+
+2. Lord.
+So unendlich verbunden--
+
+Timon.
+Alles auf meiner Seite. Lichter, mehr Lichter!
+
+3. Lord.
+Wir wünschen euch eine beständige Dauer der vollkommensten
+Glükseligkeit, Lord Timon.
+
+Timon.
+Zum Dienst meiner Freunde.
+
+(Die Lords gehen ab.)
+
+
+
+Achte Scene.
+
+
+Apemanthus.
+Was das für ein Gelerm ist, für ein Geschnäbel, und für Scharr-
+Füsse! Ich zweifle, ob ihre Beine das Geld werth sind, das man für
+sie ausgegeben hat. Freundschaft ist voller Hefen; mich däucht,
+falsche Herzen sollten niemals gesunde Beine haben. So tauschen
+ehrliche Narren ihr Geld an Complimente.*
+
+{ed.-* Wenn in dieser Rede wenig Sinn und Zusammenhang ist, so muß man
+wissen, daß sie im Original in Reimen geschrieben ist, wie viele
+andre in diesem Stüke. Die Reime scheinen dem Shakespear viel zu
+schaffen gemacht zu haben; sein freyer und feuriger Genie geht
+darinn wie ein Läuffer in Courier-Stiefeln.}
+
+Timon.
+Nun, Apemanthus, wenn du nicht mürrisch wärest, so wollt' ich gut
+gegen dich seyn.
+
+Apemanthus.
+Nein, ich will nichts; denn wenn ich auch noch bestochen würde, so
+bliebe niemand übrig, der dich durch die Hechel ziehen würde, und
+denn würdest du noch mehr sündigen. Du verschenkst so lange, Timon,
+besorg' ich, daß du in kurzem dich selbst weggeben wirst. Wozu
+sollen alle diese Gastmähler, dieser Prunk und dieser eitle Aufwand?
+
+Timon.
+O wenn du anfängst über alle Geselligkeit loszuziehen, so schwör
+ich, ich will dir keinen Blik mehr gönnen. Lebe wohl, und komme mit
+einer bessern Musik wieder.
+
+Apemanthus.
+So--du willt mich izt nicht hören, du sollst auch nicht! Ich will
+dir das einzige Mittel entziehen, was dich noch retten könnte. O,
+daß die Ohren der Leute nur für guten Rath taub sind, und nicht für
+Schmeicheley.
+
+(Geht ab.)
+
+
+
+
+Zweyter Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+(Ein öffentlicher Plaz in der Stadt.)
+(Ein Senator tritt auf.)
+
+
+Senator.
+Und unlängst, fünf tausend; dem Varro und dem Isidorus ist er
+neuntausend schuldig, und dann meine vorhergehende Schuld; das
+macht zusammen fünf und zwanzig--Nimmt denn die Wuth der
+Verschwendung kein Ende bey ihm? Es kan nicht dauern, es kan nicht.
+Wenn ich Geld brauche, so darf ich nur einen Bettler-Hund stehlen,
+und ihn dem Timon geben; der Hund münzt mir Geld. Wenn ich gern
+mein Pferd verkaufte, um zehen bessere dafür zu kauffen, gut, so
+geb ich mein Pferd dem Timon; ich verlange nichts, ich schenk es
+ihm, gleich wirft es mir zehen tüchtige Pferde. Er hat keinen
+Thürhüter an seiner Pforte, sondern einen Kerl der immer lächelt
+und alles einlädt, was vorbey geht. Das kan nicht dauern; es ist
+vernünftigerweise unmöglich, daß eine solche Wirthschaft dauern
+könnte. Caphis, he! Caphis, sag ich. (Caphis tritt auf.)
+
+Caphis.
+Hier, mein Herr, was habt ihr zu befehlen?
+
+Senator.
+Zieh deinen Rok an, und geh in Eile zu dem Lord Timon; treib ihn
+für die Bezahlung der Gelder, die er mir schuldig ist; laß dich
+durch keine schlechte Weigerung abweisen, oder durch ein: Mein
+Compliment an euern Herrn, zum Schweigen bringen, und dir mit der
+Müze in der rechten Hand die Thüre weisen, so--sondern sag ihm, ich
+hab es unumgänglich nöthig; der Termin sey verstrichen, und die
+Frist die ich ihm gegeben, habe schon meinen Credit geschwächt; Ich
+liebe und ehre ihn, aber es sey mir nicht zuzumuthen, daß ich den
+Hals breche, um seinen Finger zu heilen; Meine Bedürfnisse seyen
+dringend, und können durch Vertröstungen nicht befriediget werden,
+sondern erheischen unmittelbare Hülfe. Geh; nimm eine ungestüme
+Mine an, mach' ein Anforderungs-Gesicht; denn ich besorge, wenn
+jede Feder in ihrem eignen Flügel steken wird, so wird Lord Timon,
+der izt wie ein Phönix schimmert, nur eine nakte Möwe übrig bleiben--
+Geh, sag ich.
+
+Caphis.
+Ich gehe, Herr.
+
+Senator.
+Ich gehe, Herr?--Nehmt die Verschreibungen mit euch, und gebt wohl
+auf die Datums Acht.
+
+Caphis.
+Ich will, Herr.
+
+Senator.
+Geh.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Zweyte Scene.
+(Verwandelt sich in Timons Halle.)
+(Flavius tritt mit verschiednen Obligationen in der Hand auf.)
+
+
+Flavius.
+Keine Sorge, kein Maaß noch Ziel! Er bekümmert sich so wenig um
+seine Ausgaben, daß er weder darauf denkt wie er sie bestreiten,
+noch wie er diesem Strom von Verschwendung Einhalt thun wolle.
+Niemals ist so viel Güte mit so viel Thorheit in einem Menschen
+beysammen gewesen--Was ist zu thun?--Er wird nicht hören, bis er
+fühlt; ich muß freymüthig mit ihm sprechen, wenn er von der Jagd
+heimkommt! O! weh! weh! weh! (Caphis, Isidor und Varro treten auf.)
+
+Caphis.
+Guten Abend, Varro; wie, kommt ihr auch um Geld zu fordern?
+
+Varro.
+Das wird vermuthlich euer Geschäft auch seyn?
+
+Caphis.
+Es ist nicht anders, und euers auch, Isidor?
+
+Isidor.
+So ist es.
+
+Caphis.
+Ich wollte, wir wären alle bezahlt.
+
+Varro.
+Mir ist nicht wohl bey der Sache.
+
+Caphis.
+Hier kommt der Lord. (Timon und sein Gefolge treten auf.)
+
+Timon.
+Sobald wir zu Mittag gegessen haben, wollen wir wieder fort. Mein
+Alcibiades--Nun, was ist euer Begehren.
+
+(Sie bieten ihm ihre Handschriften hin.)
+
+Caphis.
+Gnädiger Herr, hier ist eine Rechnung von gewissen Schulden --
+
+Timon.
+Schulden? Woher seyd ihr?
+
+Caphis.
+Von Athen, hier, Gnädiger Herr.
+
+Timon.
+Geht zu meinem Verwalter.
+
+Caphis.
+Euer Gnaden wollen mir's zu gut halten, er hat mich diesen ganzen
+Monat durch von einem Tag auf den andern vertröstet; mein Herr wird
+durch eine dringende Veranlassung genöthiget, das Seinige
+einzufordern, und bittet demüthig, Euer Gnaden möchte, nach dero
+bekannten Großmuth ihm sein Recht angedeyhen lassen.
+
+Timon.
+Mein ehrlicher Freund, komm den nächsten Morgen wieder.
+
+Caphis.
+Nein, Gnädiger Herr--
+
+Timon.
+Mäßige dich, guter Freund.
+
+Varro.
+Eines gewissen Varro's Bedienter, gnädiger Herr.
+
+Isidor.
+Von Isidor, er bittet um schleunige Bezahlung.
+
+Caphis.
+Wenn Euer Gnaden die Noth wüßte, worinn mein Herr stekt. --
+
+
+Varro.
+Die Verschreibung, gnädiger Herr, ist schon vor sechs Wochen
+verfallen --
+
+
+Isidor.
+Euer Haushofmeister weißt mich ab, und ich bin ausdrüklich zu Euer
+Gnaden geschikt worden.
+
+Timon.
+Laßt mich nur zu Athem kommen,--
+
+(zu seinen Begleitern)
+
+Ich bitte euch, meine werthesten Herren, gehet hinein, ich werde
+euch in einem Augenblik aufwarten--
+
+(Die Lords gehen ab.)
+
+Kommt hieher;
+
+(zu Flavius)
+
+Wie geht das zu, daß ich auf eine so schimpfliche Art mit
+ungestümen Anfordrungen wegen Schulden, verfallnen Handschriften,
+und Vorenthaltung längst richtig zumachender Zahlungen angefallen
+werde?
+
+Flavius.
+Mit eurer Erlaubniß, meine Herren; es ist izt keine gelegne Zeit
+für euer Geschäfte; wartet bis nach Mittag, damit ich Seiner Gnaden
+inzwischen begreiflich machen kan, warum ihr noch nicht bezahlt
+seyd.
+
+Timon.
+Thut das, meine Freunde.
+
+(zu Flavius.)
+
+Seht, daß ihnen wohl begegnet werde.
+
+(Timon geht ab.)
+
+Flavius.
+Ich bitte euch, kommt herein.
+
+(Flavius geht ab.)
+
+
+
+Dritte Scene.
+(Apemanthus und ein Harlequin zu den Vorigen.)
+
+
+Caphis.
+Wartet, wartet, hier kommt der Narr mit Apemanthus, wir wollen ein
+wenig Spaß mit ihnen haben.
+
+Varro.
+An den Galgen mit ihm, er wird uns eins anhängen.
+
+Isidor.
+Daß ihn die Pest,--den Hund!
+
+Varro.
+Wie geht's, Narr?
+
+Apemanthus.
+Redst du mit deinem Schatten?
+
+Varro.
+Ich rede nicht mit dir.
+
+Apemanthus.
+Das ist wahr, du redst mit dir selbst. Komm, laß uns gehn.
+
+(Zum Narren.)
+
+Isidor.
+Der Narr hangt schon an deinem Rüken.
+
+Apemanthus.
+Nein, du stehst einzeln.
+
+Caphis.
+Weil du noch nicht an ihm bist. Wo ist der Narr hingekommen?
+
+Apemanthus.
+Er hat die lezte Frage gethan. Arme Schelme und Wucherers Sclaven!
+Kuppler zwischen Geld und Mangel!
+
+Alle.
+Was sind wir, Apemanthus?
+
+Apemanthus.
+Esel.
+
+Alle.
+Was?
+
+Apemanthus.
+Wenn ihr euch selbst kenntet, so brauchtet ihr mich nicht zu fragen.
+Rede du mit ihnen, Narr.
+
+Harlequin.
+Was lebt ihr gutes, meine Herren?
+
+Alle.
+Grossen Dank, Narr; was macht eure Frau?
+
+Narr.
+Sie sezt eben Wasser über, um solche Hühnchen abzubrühen, wie ihr
+seyd. Ich wünschte wir könnten das Vergnügen haben, euch zu
+Corinth* zu sehen.
+
+{ed.-* Ein unter gewissen Leuten übliches Wort anstatt Bordell,
+vermuthlich von der Ausgelassenheit dieser alten Griechischen Stadt
+hergenommen; wovon (Alexander ab Alexandro) sagt:(Corinthi super
+mille Prostitutae in templo Veneris assiduae degere &
+inflammata libidine quaestui meretricio operam dare & velut
+Sacrorum ministrae Deae famulari solebant.) Warbürton.}
+
+Apemanthus.
+Grossen Dank für den guten Wunsch! (Ein Page zu den Vorigen.)
+
+Narr.
+Seht, hier kommt meiner Frauen Page.
+
+Page.
+Wie geht's, Capitain, Was macht ihr in dieser weisen Gesellschaft?
+Wie befindst du dich, Apemanthus?
+
+Apemanthus.
+Ich wollt', ich hätte eine Ruthe in meinem Maul, um dir eine
+heilsame Antwort geben zu können.
+
+Page.
+Ich bitte dich Apemanthus, lies mir die Aufschrift auf diesen
+Briefen; ich weiß nicht, wem jeder gehört.
+
+Apemanthus.
+Kanst du nicht lesen?
+
+Page.
+Nein.
+
+Apemanthus.
+Es wird also an dem Tag, da du gehängt werden wirst, nicht viel
+Gelehrtheit sterben--Dieser ist an Lord Timon, dieser an Alcibiades.
+Geh, du wardst ein Huren-Sohn gebohren, und wirst als ein Huren-
+Wirth sterben.
+
+Page.
+Und du wardst als ein Hund geworffen, und wirst verhungern, wie ein
+Hund. Antworte mir nicht, ich gehe.
+
+(Er geht ab.)
+
+Apemanthus.
+Narr, ich will mit euch zum Lord Timon gehn.
+
+Harlequin.
+Wollt ihr mich dort verlassen?
+
+Apemanthus.
+Wenn Timon bey Hause ist--Ihr drey dient bey drey Wucherern?
+
+Alle.
+Ich wollte, sie dienten uns.
+
+Apemanthus.
+Das wollt' ich auch--Ein so feiner Streich, als jemals ein Henker
+einem Dieb gespielt hat!
+
+Harlequin.
+Seyd ihr Drey Wucherers-Leute?
+
+Alle.
+Ja, Narr.
+
+Harlequin.
+Ich glaub', es giebt in der ganzen Welt keinen Wucherer, der nicht
+einen Narren zum Diener hat. Meine Frau gehört auch in diese Zunft,
+und ich bin ihr Narr; wenn die Leute zu euern Herren gehn um Geld
+zu borgen, so kommen sie traurig, und gehn lustig fort; aber in
+meiner Frauen Haus gehn sie lustig hinein, und traurig wieder fort.
+Wißt ihr die Ursach?
+
+Varro.
+Ich könnte wol eine sagen.
+
+Harlequin.
+So thue es dann, damit wir sehen, daß du ein Hurenjäger und ein
+Lumpenhund bist; wofür du aber, auch ohne das, nichts desto minder
+gehalten werden sollst.
+
+Varro.
+Was ist ein Hurenjäger, Narr?
+
+Harlequin.
+Ein Narr in hübschen Kleidern, und dir in etwas ähnlich. Es ist ein
+Geist; zuweilen läßt er sich in Gestalt eines Edelmanns sehen,
+zuweilen in Gestalt eines Advocaten, zuweilen in Gestalt eines
+Philosophen, mit zwey Steinen, ohne den Stein der Weisen zu rechnen.
+Sehr oft nimmt er die Gestalt eines Soldaten an, und überhaupt ist
+keine Gestalt, worinn der Mensch von achtzig Jahren bis zu dreyzehn,
+nur immer gesehen werden mag, in welcher dieser Geist nicht spüke.
+
+Varro.
+Du bist nicht ganz ein Narr.
+
+Harlequin.
+Und du nicht ganz gescheidt; ich habe gerade so viel Narrheit, als
+dir an Gescheidtheit mangelt.
+
+Apemanthus.
+Das ist eine Antwort, deren Apemanthus sich nicht zu schämen hätte.
+
+Alle.
+Auf die Seite, auf die Seite, der Lord Timon kommt. (Timon und
+Flavius treten auf.)
+
+Apemanthus.
+Komm mit mir, Narr, komm mit.
+
+Harlequin.
+Einem Liebhaber, einem ältern Bruder, und einem Weibsbild folg' ich
+nicht allemal; izt will ich einmal einem Philosophen folgen.
+
+Flavius
+
+(zu den Vorigen.)
+
+
+Seyd so gut, und spaziert ein wenig dort, ich will gleich mit euch
+reden.
+
+(Die Gläubiger, Apemanthus und Harlequin, treten ab.)
+
+
+
+Vierte Scene.
+(Timon. Flavius.)
+
+
+Timon.
+Ihr sezt mich in Erstaunen: Warum habt ihr mir denn meine Umstände
+nicht eher vollständig vorgelegt, damit ich meine Ausgaben nach dem
+Ertrag meiner Mittel hätte einrichten können?
+
+Flavius.
+Ich hab euch in manchen müßigen Stunden daran erinnert, aber ihr
+wolltet mich nicht anhören.
+
+Timon.
+Ausflüchte! Ihr habt vielleicht gerade die Augenblike ausgesucht,
+da ich nicht bey guter Laune war; und izt bedient ihr euch dessen,
+euch selbst auf meine Unkosten zu entschuldigen.
+
+Flavius.
+O! mein gnädiger Herr, ich brachte meine Rechnungen manchmal, und
+legte sie euch vor; ihr warfet sie weg, und sagtet, ihr verlasset
+euch auf meine Ehrlichkeit. Wenn ihr, für irgend ein nichtswürdiges
+Geschenk von euern Freunden, mir so oder so viel dagegen zu geben
+befahlet, schüttelt' ich den Kopf und weinte; ja, ich übertrat oft
+die Geseze des Wohlstands und bat euch, ein wenig sparsamer im
+Austheilen zu seyn: Ich bekam nicht selten und nicht kleine
+Verweise, wenn ich Euch die Ebbe euers Vermögens, und die grosse
+Fluth eurer Schulden vorstellte. Mein allerliebstes Herr, ob ihr
+gleich izt zu spät höret, so ist doch noch izt eine Zeit; die Summe
+alles dessen, was ihr habt, mangelt nur eine Helfte, um alle eure
+Schulden zu bezahlen.
+
+Timon.
+Laßt alle meine ligende Güter verkauft werden.
+
+Flavius.
+Sie sind meistens versezt, einige gar schon verfallen, oder sonst
+veräussert; und der Rest wird kümmerlich zureichen, die
+dringendsten Schulden zu verstopfen; die künftige Zeit rükt heran;
+wovon sollen wir unterdessen leben, und wie werden wir zulezt mit
+unsrer Rechnung bestehen können?
+
+Timon.
+Meine Ländereyen erstrekten sich bis nach Lacedämon.
+
+Flavius.
+Ach, mein Gnädiger Herr, die Welt ist nur ein Wort; wäre sie ganz
+euer, so daß ihr sie in einem Athemzug weggeben könntet, wie
+schnell würde sie weg seyn!
+
+Timon.
+Ihr habt recht.
+
+Flavius.
+Wofern ihr einigen Verdacht in meine Wirthschaft oder Treue sezet,
+so fordert mich vor die schärfesten Richter, und stellt mich auf
+die Probe. Die Götter seyen mir gnädig, so wie ich die Wahrheit
+sage! Wenn alle eure Vorraths-Kammern von schwelgerischen Prassern
+erschöpft wurden; wenn die Gewölbe und Deken in euern Sälen von
+Wein träuffelten, der in trunknem Muthwillen versprizt wurde; wenn
+jedes Zimmer von Lichtern funkelte, und von Spielleuten zertrappt
+wurde; zog ich mich oft in einen dunkeln Winkel unter dem Dach
+zurük, um meinen Thränen freyen Lauf zu lassen.
+
+Timon.
+Ich bitte dich, nichts mehr,
+
+Flavius.
+Himmel! rief ich aus! wie gütig dieser Herr ist! Wie manche
+verschwenderische Bissen haben in dieser Nacht Sclaven und Bauren
+verschlukt! Wer ist izt nicht Timons? Welches Herz, welcher Kopf,
+welches Schwerdt, welches Vermögen und Ansehen steht nicht zu
+Timons Diensten? des grossen, des edeln, würdigen, königlichen
+Timons? Aber wenn die Mittel hin sind, die diese Lobsprüche
+erkauften, so ist auch der Athem hin, woraus diese Lobsprüche
+gemacht waren--Laßt nur eine einzige Winterwolke schaudern, so
+ligen alle diese Fliegen.
+
+Timon.
+Komm, es ist genug geprediget! Mein Herz kan mir doch wegen meiner
+Gütigkeit keinen Vorwurf machen. Unweislich, nicht unedel hab' ich
+weggegeben; warum weinst du? Kanst du fähig seyn, dir einzubilden,
+es werde mir jemals an Freunden fehlen? Beruhige dich! Wenn ich die
+Gefässe meiner Liebe anzapfen, und den Inhalt ihrer Herzen durch
+Borgen auf die Probe sezen wollte, ich könnte mich ihrer Personen
+und ihres Vermögens so frey bedienen, als ich dir befehlen kan zu
+reden.
+
+Flavius.
+Die Götter geben daß die Erfahrung eure Hoffnung erfülle!
+
+Timon.
+Und gewisser Maassen leisten mir diese Bedürfnisse einen Dienst,
+der sie in meinen Augen zu grossen Vortheilen macht; denn durch sie
+werd' ich Freunde bewähren. Ihr werdet sehen, wie sehr ihr euch
+über meine Glüks-Umstände betrügt; ich bin an Freunden reich.
+Herein, he! Flaminius, Servilius!
+
+
+
+Fünfte Scene.
+(Flaminius, Servilius, und andre Bediente treten auf.)
+
+
+Servilius.
+Gnädiger Herr--
+
+Timon.
+Ich will euch an verschiedne Orte schiken; Ihr zu Milord Lucius--
+ihr zu Lord Lucullus, mit dem ich heut auf der Jagd war--ihr zu
+Sempronius; empfehlt mich ihrer Freundschaft; sagt ihnen, ich sey
+stolz darauf, daß ich endlich Gelegenheit finde, ihre Beyhülfe in
+einem mir zugestoßnen Geldmangel gebrauchen zu können; begehrt
+fünfzig Talente.
+
+Flaminius.
+Nach Euer Gnaden Befehl.
+
+(Flaminius und Bediente gehen ab.)
+
+Flavius (bey seite.)
+Lord Lucius und Lucullus! Hum!
+
+Timon.
+Ihr, mein Herr, geht zu den Senatoren, von denen ich, mit des
+Staats gröstem Vortheil, eine solche Gefälligkeit wohl verdient
+habe: Sagt ihnen, sie möchten mir augenbliklich tausend Talente
+schiken.
+
+Flavius.
+Ich bin so kühn gewesen, (weil ich wußte, daß dieses der
+gewöhnlichste Weg ist) euern Namen und euer Sigel zu einem solchen
+Ansuchen bereits zu gebrauchen; allein, sie schüttelten die Köpfe,
+und ich kam nicht reicher zurük.
+
+Timon.
+Was sagst du? Ist das wahr? Ist's möglich?
+
+Flavius.
+Sie antworteten alle aus einem Mund und mit einer vereinigten
+Stimme, sie seyen eben nicht versehen, sie brauchten Geld, könnten
+nicht thun was sie wollten; es sey ihnen leid--Ihr seyt ein Mann
+von Verdiensten--Aber doch möchten sie gewünscht haben--Sie wissen
+nicht--Es hätte etwas anders seyn mögen--ein edles Naturell könne
+sich verschlimmern--Wäre zu wünschen es wär' alles gut--Sey zu
+bedauren--Und hiemit geriethen sie über andre ernsthafte Materien,
+nachdem sie mich durch unfreundliche Blike und diese harten Brüche,
+mit gewissen halben Winken, und einem kaltsinnigen Kopfniken, zu
+erstarrendem Stillschweigen gebracht hatten.
+
+Timon.
+Ihr Götter, vergeltet's ihnen!--Ich bitte dich, Mann, sey ruhig!
+Die Undankbarkeit ist bey diesen alten Gesellen etwas natürliches.
+Ihr Blut ist geronnen, es ist kalt, es fließt selten; der Mangel an
+freundlicher Wärme macht sie unfreundlich; die Natur, so wie sie
+nach und nach zur Erde herab sinkt, nimmt auch ihre Eigenschaften
+an, und wird schwer und unempfindlich. Geh zum Ventidius--Ich bitte
+dich, sey nicht traurig, du bist redlich und ohne Falsch; ich
+spreche von Herzen: Es ist nichts an dir auszusezen--Ventidius hat
+kürzlich seinen Vater begraben, durch dessen Tod er zu einem
+grossen Vermögen gekommen ist; wie er arm, im Gefängniß, und von
+jedermann verlassen war, half ich ihm mit fünf Talenten aus der
+Noth. Grüß' ihn in meinem Namen; sag ihm, irgend ein dringendes
+Bedürfniß sey seinem guten Freunde zugestossen, welches ihn nöthige
+sich dieser fünf Talente zu erinnern. Wenn du sie hast, so gieb sie
+diesen Leuten, die diesen Augenblik ihre Bezahlung fordern. Sage
+nur niemals, und denk' es auch nicht, daß Timons Glüksstand mitten
+unter seinen Freunden, einsinken könne.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Flavius.
+Wollte Gott, ich könnt' es nicht denken! Wie geneigt ist ein edles
+und gütiges Herz, alle andern auch dafür zu halten.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+
+Dritter Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+(Des Lucullus Haus in Athen.)
+(Flaminius wartet auf Antwort, um vorgelassen zu werden; ein
+ Bedienter kommt zu ihm.)
+
+
+Bedienter.
+Ich hab euch bey meinem gnädigen Herrn angemeldt; er kommt eben
+selbst herab.
+
+Flaminius.
+Ich danke euch. (Lucullus tritt auf.)
+
+Bedienter.
+Hier ist Milord.
+
+Lucullus.
+Einer von Lord Timons Leuten? ein Präsent, denk' ich; nun, es trift
+recht artig zu; ich träumte diese Nacht von einem silbernen
+Handbeken und einer Gießkannen. Flaminius, ehrlicher Flaminius, ihr
+seyd recht besonders willkommen, mein Herr;--(bringt mir einen
+Becher mit Wein)--Und wie befindet sich dann der würdigste,
+vollkommenste, großmüthigste Edelmann in ganz Athen, dein sehr
+gütiger lieber Herr und Meister?
+
+Flaminius.
+Er ist ganz wohl auf, was seine Gesundheit betrift.
+
+Lucullus.
+Nun das freut mich ja recht, daß er wohl auf ist--und was hast du
+hier unter deinem Mantel, mein lieber Flaminius?
+
+Flaminius.
+Mein Treue, nichts als einen leeren Beutel, Gnädiger Herr, Euer
+Gnaden zu bitten, daß ihr ihn aus Freundschaft für meinen Herrn
+füllen möchtet; der, da ihm eben eine dringende Noth zugestossen,
+mich zu Euer Gnaden geschikt hat, mit Bitte, ihm mit fünfzig
+Talenten auszuhelfen; nicht zweiflend, daß ihr ihm eure schleunige
+Beyhülfe nicht versagen werdet.
+
+Lucullus.
+La, la, la, la,--Nicht zweiflend, sagt ihr? Ach, leider! der gute
+Herr, er ist ein wakrer Edelmann, das ist wahr; wenn er nur nicht
+eine so kostbare Haushaltung führte. Ich hab' oft und viel mit ihm
+zu Mittag gegessen, und es ihm gesagt, und bin wieder zum
+Nachtessen zu ihm gekommen, um es zu wiederholen, daß er seine
+Ausgaben einschränken sollte: Allein er wollte nie keinen guten
+Rath annehmen, und ließ sich meine Besuche nicht zur Warnung dienen.
+Jedermann hat seine Fehler, der seinige ist zuviel Ehrlichkeit.
+Ich hab' es ihm oft gesagt, aber ich konnte nie was über ihn
+erhalten. (Ein Bedienter kommt mit Wein.)
+
+Bedienter.
+Gnädiger Herr, hier ist der Wein.
+
+Lucullus.
+Flaminius, ich habe dich allezeit für einen verständigen jungen
+Menschen gehalten;--Auf deine Gesundheit!
+
+Flaminius.
+Ich danke Euer Gnaden.
+
+Lucullus.
+Ich hab immer bemerkt, daß du einen muntern fertigen Kopf hast, und
+daß du gescheidt genug bist, dich selbst nicht zu vergessen, und
+dich der Zeit zu bedienen, wenn sie dir Gelegenheit dazu giebt. Du
+hast hübsche Gaben--
+
+(Zu seinem Bedienten)
+
+Geh deines Weges, Schurke--Komm näher, ehrlicher Flaminius; dein
+Herr ist ein gütiger Edelmann, aber du bist verständig, und
+begreifst wol, (ob du gleich zu mir gekommen bist,) daß es izt
+keine Zeit ist Geld auszuleihen, zumal auf blosse Freundschaft,
+ohne Sicherheit. Hier hast du drey Goldgulden, mein guter Junge;
+verstehe mich wol, und sage deinem Herrn, du habest mich nicht
+gesehen. Lebe wohl.
+
+Flaminius.
+Ist's möglich, daß die Welt sich in so kurzer Zeit so verändert
+hat? Weg, verdammte Niederträchtigkeit,
+
+(er schmeißt das Geld weg)
+
+geh' zu dem, dessen Abgott du bist.
+
+Lucullus.
+Ha! Nun seh' ich daß du auch ein Narr bist, und wol zu deinem Herrn
+taugst.
+
+(Lucullus geht ab.)
+
+Flaminius.
+Möge geschmolznes Geld deine Strafe in der Hölle seyn, und diese
+Goldstüke zu den übrigen kommen, die dir glühend in den Rachen
+gegossen werden sollen, du verfluchter Heuchler von einem Freund--
+Hat Freundschaft ein so schwaches milchichtes Herz, das in weniger
+als zwo Nächten gerinnt? O ihr Götter, ich fühle den Zorn, worinn
+dieses meinen Herrn sezen wird. Dieser Nichtswürdige hat in diesem
+Augenblik noch meines Herren Mahlzeit im Leibe! Laßt es, anstatt
+ihn zu nähren, sich in Gall und Gift verwandeln! Laßt es nichts als
+Krankheiten in ihm zeugen, und wenn er auf den Tod darnieder ligt,
+o! so laßt jedes Theilchen von Nahrungssaft, wofür mein Herr
+bezahlt hat, aller seiner heilsamen Kraft beraubt, zu nichts anderm
+dienen als durch langsame Pein seine lezte Stunde zu verzögern!
+
+(Geht ab.)
+
+
+
+Zweyte Scene.
+(Eine öffentliche Strasse.)
+(Lucius tritt mit dreyen Fremden auf.)
+
+
+Lucius.
+Wer? der Lord Timon? Er ist mein sehr guter Freund, und ein
+würdiger Edelmann.
+
+1. Fremder.
+Wir kennen ihn nicht anders, ob wir ihm gleich unbekannt sind. Aber
+ich kan euch soviel sagen, Milord, und ich hab' es von dem
+allgemeinen Gerüchte, daß Lord Timons glükliche Tage vorbey sind,
+und daß er sich in schlimmen Umständen befindet.
+
+Lucius.
+Ey, nein, glaubt das nicht! Es kan ihm nicht an Gelde fehlen.
+
+2. Fremder.
+Seyd versichert, Milord, es ist noch nicht lange, so war einer von
+seinen Leuten bey dem Lord Lucullus, und wollte fünfzig Talente von
+ihm entlehnen; er betrieb es ungemein, und machte die Noth sehr
+dringend, und doch wurd' es ihm abgeschlagen.
+
+Lucius.
+Wie?
+
+2. Fremder.
+Was ich euch sage, abgeschlagen, Milord!
+
+Lucius.
+Das ist ein seltsamer Zufall! Nun, bey den Göttern! ich schäme mich
+für den Lucullus. Einem so angesehnen wakern Mann abzuschlagen! Er
+hat sehr wenig Ehre davon, wahrhaftig. Was mich betrift so muß ich
+bekennen, ich habe einige kleine Höflichkeiten von ihm empfangen,
+Geld, Silbergeschirr, Juweelen und dergleichen Kleinigkeiten, die
+in der That in keinen Vergleich mit demjenigen kommen, was Lucullus
+von ihm hat; aber hätt er ihn vorbeygegangen und zu mir geschikt,
+ich wollt ihm gewiß fünfzig Talente nicht abgeschlagen haben, ob
+die Summe gleich nicht gering ist. (Servilius zu den Vorigen.)
+
+Servilius.
+Zu gutem Glük, find' ich hier den Lord Lucius; ich sucht' ihn schon
+in der ganzen Stadt--Gnädiger Herr!
+
+Lucius.
+Servilius! Es freut mich euch zu sehen. Lebt wohl, empfehlt mich
+euerm würdigen, tugendhaften Herrn, meinem sehr werthen Freund.
+
+Servilius.
+Mit Euer Gnaden Erlaubniß, mein Herr schikte--
+
+Lucius.
+Ha! was schikt er? Ich bin euerm Herrn schon so viel verpflichtet,
+er schikt immer: Wie kan ich ihm meine Erkenntlichkeit bezeugen,
+meynst du? Und was schikt er mir dann?
+
+Servilius.
+Er schikt Euer Gnaden nur seinen Gruß, mit Bitte, ihm wegen einem
+dringenden Anlas der ihm zugestossen, mit fünfzig Talenten
+auszuhelfen.
+
+Lucius.
+Ich weiß, daß Se. Gnaden nur Scherz mit mir treibt; es kan ihm
+nicht an fünfzigmal fünfhundert Talenten fehlen.
+
+Servilius.
+Indessen fehlt es ihm doch dißmal an einer viel kleinern Summe,
+Gnädiger Herr. Wenn er sie nicht so nothwendig brauchte, würd' ich
+nicht halb so eifrig mich darum bewerben.
+
+Lucius.
+Sprichst du im Ernst, Servilius?
+
+Servilius.
+Bey meiner Seele, Milord, es ist Ernst.
+
+Lucius.
+Was für ein verwünschtes dummes Thier war ich, daß ich mich auf
+eine so gute Gelegenheit so sehr an Geld entblößt habe, wo ich
+hätte zeigen können, daß ich ein Mann bin, der auf Ehre hält! Wie
+unglüklich es doch zutreffen muß, daß er mich gerad in einer Zeit
+auf die Probe sezt, da ich ausser Stand bin--In der That, Servilius,
+bey den Göttern, ich bin ausser Stand--(ein desto dummeres Vieh,
+sag ich) Ich wollte diesen Augenblik selbst zum Lord Timon schiken,
+und ihn um eine Summe Gelds ansprechen, diese Herren können
+Zeugschaft geben: Aber izt wollt' ich nicht um alles Geld in Athen,
+daß ich es gethan hätte. Empfehlt mich Sr. Gnaden zu geneigtem
+Wohlwollen, und ich hoffe, Se. Gnaden werde keine schlimmere
+Meynung deßwegen von mir fassen, weil ich nicht im Stande bin, ihm
+meine Dienstwilligkeit zu zeigen. Und sagt ihm in meinem Namen, ich
+rechne es unter meine grösten Widerwärtigkeiten, daß ich einem so
+würdigen Edelmann nicht zu Gefallen seyn könne. Mein guter
+Servilius, wollt ihr so viel Freundschaft für mich haben, und ihm
+meine eignen Worte hinterbringen?
+
+Servilius.
+Ja, Herr, ich will.
+
+(Servilius geht ab.)
+
+Lucius.
+Ich will euch eine ziemliche Streke nachsehen, Servilius--Es ist,
+wie ihr sagtet; Timon ist hin, in der That; wer kan helfen? Euer
+Diener, meine Herren.
+
+(Er geht ab.)
+
+1. Fremder.
+Merkt ihr das, Hostilius?
+
+2. Fremder.
+Nur gar zu wohl.
+
+1. Fremder.
+Das ist der Lauf der Welt; so denken alle Schmeichler: Wer kan den
+seinen Freund nennen, der in Eine Schüssel mit ihm taucht? Denn,
+wie mir bekannt ist, war Lord Timon wie ein Vater zu diesem Herrn;
+er unterhielt seinen Credit und seine Haushaltung aus seinem Beutel,
+und bezahlte sogar seinen Bedienten ihren Lohn. Er trinkt nie,
+ohne daß Timons Silber seine Lippen drükt; und dennoch--o! was für
+ein Ungeheuer ist der Mensch, wenn er aus einer undankbaren Gestalt
+hervorgukt! Er schlägt ihm ab, was gutthätige Leute Bettlern nicht
+versagen.
+
+3. Fremder.
+Die Menschlichkeit schauert vor einer solchen Gefühllosigkeit.
+
+1. Fremder.
+Was mich betrift, so hab' ich in meinem Leben niemals die geringste
+Gutthat von Timon genossen, die mich vor andern verbände, sein
+Freund zu seyn; und doch versichre ich, um seines edeln und
+wohlthätigen Gemüths willen, und aus Hochachtung für seine Tugend,
+wollt' ich ihm die Helfte meines Vermögens geschenkt haben, wenn er
+sich in seinem Bedürfniß an mich gewendet hätte, so sehr lieb' ich
+sein Herz; allein, so wie die Welt geht, muß man sein Mitleiden
+zurükhalten lernen; denn Klugheit geht über Gewissen.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+Dritte Scene.
+(Ein dritter Bedienter des Timon mit Sempronius.)
+
+
+Sempronius.
+Mußt' er denn gerade mich damit beunruhigen? Vor allen andern? Er
+hätt' es bey Lord Lucius oder Lucullus versuchen können, und nun
+ist auch Ventidius reich, den er aus dem Gefängniß erledigt hat;
+alle diese drey haben ihm ihr Vermögen zu danken.
+
+Bedienter.
+O Gnädiger Herr, sie sind alle auf die Probe gesezt und falsch
+befunden worden; sie haben ihn alle abgewiesen.
+
+Sempronius.
+Wie? Abgewiesen? Ventidius und Lucullus, beyde ihn abgewiesen? Und
+nun schikt er zu mir? Drey! hum--Es zeigt wenig Freundschaft oder
+Vernunft auf seiner Seite an. Muß ich seine lezte Zuflucht seyn?
+Seine Freunde, die gleich Aerzten sich auf seine Unkosten
+bereichert haben, geben ihn au? Muß ich nun die Cur übernehmen? er
+hat mir eine schlechte Ehre damit angethan; es verdrießt mich, er
+hätte wol wissen können, wer ich bin; ich kan keinen Grund erdenken,
+warum er nicht zuerst an mich gekommen ist, wenn er jemands Hülfe
+nöthig hatte. Auf mein Gewissen, ich war der erste unter allen die
+iemals Gutes von ihm genossen haben; und denkt er denn so unbillig
+von mir, daß ich der lezte seyn werde, es wett zu machen? Es wird
+allen übrigen eine Materie zum Lachen geben, und ich werde der Narr
+unter dem Atheniensischen Adel seyn. Ich wollte dreymal so viel als
+er von mir verlangt darum geben, er hätte zu mir zuerst geschikt,
+wenn es auch nur gewesen wäre, um meiner Gemüthsart Gerechtigkeit
+wiederfahren zu lassen; ich wäre so geneigt gewesen ihm Gutes zu
+thun. Aber so geh' nur wieder heim, und seze zu den abschlägigen
+Antworten der übrigen, in meinem Namen, noch dieses hinzu: Wer
+meiner Ehre zu nahe tritt, soll nimmermehr mein Geld zu sehen
+kriegen.
+
+(Er geht ab.)
+
+Bedienter.
+Vortreflich! Euer Gnaden ist ein feiner Spizbube. Der Teufel wußte
+gewiß nicht was er that, wie er die Leute politisch machte; er
+schadete sich selbst dadurch; und ich kan nichts anders als glauben,
+am Ende werden sie ihn selbst mit ihren Schelmenstreichen zum
+Narren machen.--Das waren nun diejenigen, auf die mein Herr seine
+besten Hoffnungen gesezt hatte; nun sind alle zurükgetreten, und
+ausser den Göttern bleibt ihm niemand übrig. Seine Freunde sind
+todt. Thüren, die so manches glükliche Jahr her nie mit ihren
+Schlössern bekannt worden, müssen nun gebraucht werden, ihren Herrn
+vor dem Ungestüm seiner Glaubiger sicher zu stellen. Das ist alles,
+was er von seiner Freygebigkeit davon trägt!
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Vierte Scene.
+(Verwandelt sich in Timons Vorhaus.)
+(Varro, Titus, Hortensius, Caphis, und andre Bediente von Timons
+ Gläubigern treten auf, um auf sein Ausgehen zu warten.)
+
+
+Varro.
+Treffen wir uns hier an? Guten Morgen, Titus und Hortensius.
+
+Titus.
+Ebenmässig, mein werther Varro.
+
+Hortensius.
+Caphis, sehen wir einander auch hier?
+
+Caphis.
+Ich denke wir haben alle einerley Verrichtung. Die meinige ist,
+Geld zu fordern.
+
+Titus.
+Das ist die unsrige auch. (Philo zu den Vorigen.)
+
+Caphis.
+Da kommt auch Herr Philo.
+
+Philo.
+Guten Tag allerseits.
+
+Caphis.
+Willkommen, Bruder. Wie viel, denkt ihr, ist es an der Zeit?
+
+Philo.
+Nicht weit von neun Uhr.
+
+Caphis.
+Schon so viel?
+
+Philo.
+Hat sich Milord noch nicht sehen lassen?
+
+Caphis.
+Noch nicht.
+
+Philo.
+Das wundert mich, er pflegte sonst um sieben Uhr schon zu scheinen.
+
+Caphis.
+Ja, aber die Tage haben bey ihm abgenommen; ihr müßt bedenken, daß
+der Lauf eines Verschwenders dem Sonnenlauf gleich ist, aber ich
+fürchte mit dem Unterscheid, daß er nicht wieder von vornen anfangt.
+Es ist tiefster Winter in Timons Sekel; das ist, es mag einer tief
+genug hinunter langen, und doch nicht viel finden.
+
+Philo.
+Das besorg' ich auch.
+
+Titus.
+Ihr könnt bey dieser Gelegenheit eine feine Beobachtung machen:
+Euer Herr hat euch geschikt, den Timon um Geld anzufodern.
+
+Hortensius.
+So ist's.
+
+Titus.
+Und er trägt in diesem Augenblik Juweelen, die ihm Timon geschenkt
+hat, wofür ich die Bezahlung fordern soll.
+
+Hortensius.
+Ich thue es ungern genug.
+
+Caphis.
+Das ist seltsam, daß Timon mehr bezahlen soll, als er schuldig ist;
+und es kommt eben so heraus, als ob euer Herr kostbare Kleinode
+trüge, und schikte um Geld dafür.
+
+Hortensius.
+Die Götter sind meine Zeugen, daß mich diese Verrichtung recht
+sauer ankommt; ich weiß, mein Herr hat dem Timon geholfen, sein
+Vermögen durchzubringen; seine Undankbarkeit macht, daß es izt
+ärger ist, als wenn er's ihm gestohlen hätte.
+
+Varro.
+Meine Forderung ist dreytausend Cronen; wie viel ist die eurige?
+
+Caphis.
+Fünftausend.
+
+Varro.
+Das ist viel; aus der Summe sollte man schliessen, euer Herr habe
+mehr Confidenz gehabt als der meinige, sonst hätt' dieser gewiß
+seine Fordrung eben so groß gemacht.* (Flaminius zu den Vorigen.)
+
+Titus.
+Hier kommt einer von Timons Leuten.
+
+Caphis.
+Flaminius! Herr, ein Wort; ich bitte euch, ist Milord noch nicht
+fertig heraus zu kommen?
+
+Flaminius.
+Nein, in der That, er ist nicht.
+
+Titus.
+Wir warten auf Se. Gnaden, seyd so gut und sagt ihm das.
+
+Flaminius.
+Das hab ich nicht nöthig ihm zu sagen, er kennt eure Aufwartsamkeit.
+(Flavius, in einen Mantel eingehüllt.)
+
+Caphis.
+Ha! Ist das nicht der Verwalter, der so vermummt ist? Er lauft wie
+in einem Sturm davon; ruft ihn, ruft ihn.
+
+Titus.
+Hört ihr, Herr--
+
+Varro.
+Mit eurer Erlaubniß, Herr.
+
+Flavius.
+Was wollt ihr von mir, mein Freund?
+
+Titus.
+Wir warten hier wegen gewissen Geld-Summen, Herr.
+
+Flavius.
+Wenn euer Geld so gewiß wäre als euer Warten, so wär' es sicher
+genug. Warum wieset ihr denn eure Rechnungen und Schuld-
+Verschreibungen nicht damals vor, als eure verräthrischen Herren
+aus meines Herrn Schüsseln assen? Damals konnten sie seine Schulden
+anlächeln, und die Interessen in ihren heißhungrigen Rachen
+hinunter schluken. Ihr thut euch nur selbst Schaden, wenn ihr mich
+aufreizet; laßt mich in Ruhe meines Wegs gehen. Glaubt mir, Milord
+und ich sind fertig; ich habe nichts mehr zu rechnen, und er nichts
+mehr auszugeben.
+
+Caphis.
+Schon recht, aber die Antwort dient nicht--
+
+Flavius.
+Wenn sie nicht dienen mag, so ist sie nicht so niederträchtig als
+ihr; denn ihr dient Schelmen.
+
+(Er geht ab.)
+
+Varro.
+Wie? was brummt seine verwalterische Herrlichkeit?
+
+Titus.
+Laßt es gehen--er ist arm, und das ist Straffe genug. Wer darf sich
+breiter machen, als einer der kein Haus hat, wo er seinen Kopf
+hinein steken kan? Solche Leute dürfen sich wol über Paläste
+aufhalten. (Servilius zu den Vorigen.)
+
+Titus.
+O, hier ist Servilius; nun werden wir doch eine Antwort kriegen.
+
+Servilius.
+Wenn ich euch bitten dürfte, meine Herren, zu einer andern Zeit
+wieder zu kommen, so würdet ihr mir einen Gefallen thun. Denn bey
+meiner Seele, Milord ist auf eine seltsame Art unmuthig; sein
+leutseliges Wesen hat ihn ganz verlassen, er ist gar nicht wohl auf,
+er hütet das Zimmer.
+
+Caphis.
+Manche hüten das Zimmer, die nicht krank sind; und wenn es so übel
+mit seiner Gesundheit steht, so däucht mich, sollt' er seine
+Schulden nur desto eher bezahlen, und sich einen offnen Weg zu den
+Göttern machen.
+
+Servilius.
+Ihr gütigen Götter!
+
+Titus.
+Das können wir für keine Antwort nehmen.
+
+Flaminius (hinter der Bühne.)
+Servilius, helft--Milord, Milord! * Ein Wortspiel mit (Confidence),
+welches im Englischen Zutrauen und Unverschämtheit heissen kan.
+
+
+
+Fünfte Scene.
+(Timon lauft in der Wuth heraus.)
+
+
+Timon.
+Wie, ist mir nicht mehr erlaubt zu meiner Thür heraus zu gehen? Ich
+bin immer frey gewesen, und soll nun mein Haus mein Kerker werden?
+Muß mich die eisenherzige Grausamkeit der Menschen bis in den Plaz
+verfolgen, wo ich ihnen Bankette gab?
+
+Caphis.
+Bring dein Gewerb' izt an, Titus.
+
+Titus.
+Gnädiger Herr, hier ist meine Obligation.
+
+Caphis.
+Hier ist die meinige.
+
+Varro.
+Und hier die meinige, Milord.
+
+Philo und die Übrigen.
+Und hier die unsrige.
+
+Timon.
+Schlagt mich damit zu Boden--Spaltet mich bis an den Gürtel.
+
+Caphis.
+Aber, Milord--
+
+Timon.
+Schneid mein Herz in Stüke.
+
+Titus.
+Meine ist fünfzig Talente.
+
+Timon.
+Rechne sie an meinem Blut ab.
+
+Caphis.
+Fünftausend Cronen, Milord.
+
+Timon.
+Fünftausend Tropfen zahlen das. Wie viel ist eure--und eure?
+
+Varro.
+Milord!--
+
+Philo.
+Milord!--
+
+Timon.
+Hier nehmt mich, zerreißt mich, und die Götter zerschmettern euch,
+und die so euch geschikt haben!
+
+(Er geht ab.)
+
+Hortensius.
+Bey meiner Treue, ich sehe, unsre Herren können ihre Kappen nach
+ihrem Gelde werfen; diese Schulden können wohl verzweifelt genennt
+werden, denn der sie bezahlen soll, ist wahnwizig.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+(Timon und Flavius kommen zurük.)
+
+Timon.
+Sie haben mich ganz ausser Athem gebracht, die Sclaven! Gläubiger!--
+Teufel!
+
+Flavius.
+Mein theurer Herr--
+
+Timon.
+Wie, wenn ich es so machte?
+
+Flavius.
+Mein theurer Herr--
+
+Timon.
+So soll es seyn!--Mein Verwalter!
+
+Flavius.
+Hier, Milord.
+
+Timon.
+Du bist schnell da--Geh, lade alle meine Freunde ein, Lucius,
+Lucullus, Sempronius, Alle! Ich will diesen Galgenschwengeln noch
+einmal zu schmausen geben.
+
+Flavius.
+Ach, mein gütiger Herr, ihr sprecht in der Zerstreuung euers
+Gemüths; es ist nicht einmal so viel übrig, als zu einer mässigen
+Mahlzeit nöthig ist.
+
+Timon.
+Bekümmre dich nicht um das; geh' und lade sie alle ein, laß die
+Fluth von Schelmen noch einmal herein; mein Koch und ich wollen
+schon davor sorgen.
+
+
+
+Sechste Scene.
+(Verwandelt sich in das Rath-Haus.)
+(Die Senatoren und Alcibiades.)
+
+
+1. Senator.
+Milord, ihr habt meine Stimme dazu, das Verbrechen ist blutig, er
+muß dafür sterben; nichts muntert die Sünden mehr auf als
+Barmherzigkeit.
+
+2. Senator.
+Sehr richtig; das Gesez muß sie zerschmettern.
+
+Alcibiades.
+Heil, Ehre und Mitleiden dem Senat!
+
+1. Senator.
+Nun, Feldherr--
+
+Alcibiades.
+Ich komme, Euern Herrlichkeiten eine demüthige Bitte vorzutragen.
+Mitleiden ist der echte Geist der Geseze, und nur Tyrannen machen
+einen grausamen Gebrauch davon. Zeit und Unglük verfolgen einen von
+meinen Freunden, der in der Hize seines Blutes in das Gesez
+gefallen ist, welches für diejenige, die unvorsichtiger Weise
+hineinplätschern, eine bodenlose Tieffe zu seyn pflegt. Er ist,
+dieses Vergehen bey Seite gesezt, ein Mann von Ehre und Tugend, und
+dieses kauft seinen Fehler los. Auch ist seine That mit keiner
+Niederträchtigkeit beflekt; sondern mit einer edeln Wuth und einem
+ruhmwürdigen Stolz sezt' er sich seinem Feind, der seiner Ehre eine
+tödtliche Wunde beygebracht hatte, entgegen; nachdem er lange genug
+seinen Zorn zurük gehalten, und sich mit einem so gemässigten Eifer
+vertheidigt hatte, als ob er nur einen academischen Saz behauptete.
+
+1. Senator.
+Ihr übernehmt etwas allzu anstößiges, indem ihr euch so viele Mühe
+gebt, einer häßlichen That einen schönen Anstrich zu geben; ihr
+habt nicht anders gesprochen, als ob ihr im Sinn hättet, den
+Menschen-Mord in Schwang zu bringen, und Schlägereyen auf Rechnung
+der Dapferkeit zu sezen, die doch bloß von einer unächten
+Dapferkeit ihren Ursprung haben, und in die Welt kamen, eh noch
+bürgerliche Geseze den neugebohrnen Factionen und Zerrüttungen
+Einhalt gethan hatten. Der ist wahrhaftig dapfer, der das ärgste,
+was ein Mensch athmen kan, weislich erträgt; und, anstatt
+Beleidigungen bis zu seinem Herzen dringen, und es in gefährliches
+Feuer sezen zu lassen, sie für Kletten ansieht, die nur an seinen
+Kleidern hangen bleiben --
+
+Alcibiades.
+Milord--
+
+1. Senator.
+Ihr könnt schwarze Verbrechen nicht weiß waschen; Nicht Rache,
+sondern Geduld ist Tapferkeit.
+
+Alcibiades.
+So vergebet mir dann, gnädige Herren, wenn ich wie ein Soldat
+spreche. Warum sind denn die Leute so albern und wagen ihr Leben in
+einem Treffen? Und warum erdulden sie nicht lieber alle Drohungen
+des Feindes, schlaffen ruhig dabey ein, und lassen sich von den
+Feinden, ohne Wiederstand, die Hälse abschneiden? Wenn im Erdulden
+eine so grosse Tapferkeit ist, was machen wir im Felde? So sind
+also unleugbar die Weiber, die zu Hause bleiben, tapfrer als wir;
+so ist der Esel dapfrer als der Löwe; ja ein Kerl der eine Last von
+Eisen auf dem Rüken trägt, ist weiser dann ein Rathsherr, wenn im
+Tragen Weisheit ligt. O, Milords, wie ihr groß seyd, so seyd auch
+gütig und mitleidig; wer kan nicht bey kaltem Blut das Vergehen
+eines heissen Bluts verdammen? Morden, ich gesteh es, ist das
+schwerste Verbrechen; aber zu seiner Vertheidigung--Bey allem was
+billig ist, dieses macht es gerecht. Sich seinem Zorn überlassen,
+ist Sünde; aber wo ist der Mann, der nicht zornig werden kan? Wägt
+das Verbrechen nur nach diesem ab.
+
+2. Senator.
+Du verschwendest deinen Athem umsonst.
+
+Alcibiades.
+Umsonst? Die Dienste, die er zu Byzanz und Lacedämon geleistet,
+sollten allein vermögend seyn, seine Begnadigung zu erbitten.
+
+1. Senator.
+Was ist das?
+
+Alcibiades.
+Ich sage, Milords, er hat gute Dienste gethan, und in der Schlacht
+manchen von euern Feinden erschlagen. Wie dapfer hielt er sich nur
+in dem lezten Treffen, und was für ergiebige Wunden macht' er nicht!
+
+2. Senator.
+Er ist ein vollkommen lüderlicher Mensch; er hat noch eine andre
+böse Gewohnheit, die seine Dapferkeit oft in Wein ertränkt; wenn
+gleich keine Feinde wären, so wäre das allein genug, ihn zu
+übermannen. Man weiß, daß er in dergleichen viehischer Raserey die
+grösten Ausschweiffungen begangen, und Tumult angefangen hat. Es
+ist uns geklagt worden, seine Tage seyen unnüze, und seine im Trunk
+verbrausende Nächte gefährlich.
+
+1. Senator.
+Er muß sterben.
+
+Alcibiades.
+Hartes Schiksal! Er hätt' im Kriege sterben können. Milords, wenn
+euch seine eigne Verdienste nicht bewegen können, (obgleich sein
+rechter Arm seine Sache gut machen sollte, ohne jemand anderm etwas
+schuldig zu werden) so nehmt meine Verdienste zu den seinigen; und
+da ich weiß, daß euer ehrwürdiges Alter Sicherheit liebt, will ich
+euch meine Siege, meine Ehrenzeichen zum Pfand seiner Besserung
+geben. Wenn er dieses Verbrechens halben sein Leben dem Gesez
+schuldig ist, so laßt ihn's im Krieg auf eine dapfre Art in Wunden
+ausströmen; wenn das Gesez scharf ist, so ist es der Krieg nicht
+weniger.
+
+1. Senator.
+Wir sind um des Gesezes willen da, er stirbt, treib es nicht weiter,
+bey den strengsten Folgen unsers Mißvergnügens; Freund oder Bruder,
+wer eines andern Blut vergießt, macht sich seines eignen verlustig.
+
+Alcibiades.
+Muß es denn seyn? Es muß nicht seyn; Milords, ich bitte euch,
+mißkennt mich nicht.
+
+2. Senator.
+Wie?
+
+Alcibiades.
+Erinnert euch meiner!
+
+3. Senator.
+Was?--
+
+Alcibiades.
+Ich kan nicht anders als denken, euer Alter muß mich vergessen
+haben; es wäre sonst unmöglich, daß ich so verächtlich in euern
+Augen seyn sollte, um eine so gemeine Gnade zu bitten, und
+abgewiesen zu werden. Meine Wunden schmerzen mich um euertwillen.
+
+1. Senator.
+Trozt ihr unserm Zorn--er braucht wenig Worte, aber die Würkung
+reicht weit--Wir verbannen dich auf ewig.
+
+Alcibiades.
+Mich verbannen? Verbannt euern Aberwiz, verbannt den Wucher, die
+den Senat verachtenswürdig machen!
+
+1. Senator.
+Wenn nach zween Tagen Athen dich noch enthält, so erwart' unser
+strengeres Urtheil. Und damit dein unmächtiger Stolz noch mehr
+aufschwelle, soll er diesen Augenblik hingerichtet werden.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+Alcibiades.
+Die Götter lassen euch alt genug werden, daß ihr nur noch in
+Knochen lebet, und euer Anblik alle Welt verscheuche! Ich bin mehr
+als unsinnig; ich habe ihre Feinde von ihnen entfernt gehalten,
+indessen daß sie ihr Geld gezählt, und auf Wucher ausgeliehen haben;
+Wunden sind mein ganzer Gewinn dabey--Und alles das für diß? Ist
+das der Balsam, den der filzichte Senat in eines Feldherrn Wunden
+gießt? Ha! Verbannung! Doch es kommt nicht ungelegen; ich bin es
+zufrieden, verbannt zu seyn; es ist mir eine gerechte Ursache,
+Athen meine Wuth empfinden zu lassen. Ich will meine mißvergnügten
+Truppen aufmuntern, und alles aufs Spiel sezen. Es ist Ehre
+einzulegen, wenn man es mit einer überlegnen Anzahl aufnimmt.
+Soldaten schluken so wenig eine Beleidigung ein, als die Götter.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Siebende Scene.
+(Verwandelt sich in Timons Haus.)
+(Verschiedene Senatoren treten durch verschiedne Thüren auf.)
+
+
+1. Senator.
+Guten Tag, mein Herr.
+
+2. Senator.
+Ebenfalls; ich denke dieser würdige Edelmann sezte uns lezthin nur
+auf die Probe.
+
+1. Senator.
+Ich dachte nur eben auch daran. Ich hoffe, es steht nicht so
+schlimm mit ihm, als er vorgab, wie er seine Freunde auf die Probe
+sezte.
+
+2. Senator.
+Es sollte nicht seyn, wenn man von diesem neuen Banket schliessen
+darf.
+
+1. Senator.
+Ich kan nicht anders denken; er hat mir eine ernstliche Einladung
+zugesandt, die ich wegen vieler nothwendiger Geschäfte gerne
+abgelehnt hätte; allein, er hat mich so anhaltend bitten lassen,
+daß ich kommen mußte.
+
+2. Senator.
+Ich befand mich in gleichen Umständen, allein er wollte keine
+Entschuldigung gelten lassen. Es ist mir leid, daß ich nicht
+versehen war, wie er um Geld zu mir schikte.
+
+1. Senator.
+Es verdrießt mich für meinen Theil nicht weniger, da ich nun merke,
+wie die Sachen stehen.
+
+2. Senator.
+Es ist keiner hier, dem es nicht eben so ist, wie uns. Wie viel
+wollt' er von euch entlehnen?
+
+1. Senator.
+Fünfzig Talente.
+
+2. Senator.
+Fünfzig Talente?
+
+1. Senator.
+Wie viel von euch?
+
+2. Senator.
+Er schikte zu mir--Hier kommt er. (Timon tritt mit seinem Gefolg
+auf.)
+
+Timon.
+Von Herzen willkommen, meine Herren beyderseits--und wie steht es?
+
+1. Senator.
+Aufs allerbeste, da wir gute Zeitungen von Eu. Gnaden hören.
+
+2. Senator.
+Die Schwalbe folgt dem Sommer nicht williger, als wir Eu. Gnaden.
+
+Timon (bey Seite.)
+Und verläßt den Winter nicht lieber; solche Sommer-Vögel sind die
+Menschen--Meine Herren, unsre Mahlzeit wird nicht werth seyn, daß
+wir so lange drauf warten; Tractirt indessen eure Ohren mit der
+Musik, wenn Trompeten-Schall nicht eine zu harte Speise für sie ist;
+wir werden uns gleich sezen können.
+
+1. Senator.
+Ich hoffe Euer Gnaden werde keinen Unwillen gefaßt haben, daß ich
+euch einen leeren Boten zurükgeschikt habe.
+
+Timon.
+O mein Herr, laßt euch das nicht beunruhigen.
+
+2. Senator.
+Mein edler Lord--
+
+Timon.
+Ah, mein guter Freund, wie gehts?
+
+(Das Essen wird aufgetragen.)
+
+2. Senator.
+Mein hochgeehrtester Herr, ich bin ganz krank vor Schaam, daß ich
+so ein unglüklicher Bettler war, als Euer Gnaden neulich zu mir
+schikte.
+
+Timon.
+Denkt nicht an das, mein Herr.
+
+2. Senator.
+Hättet ihr nur zwo Stunden eher geschikt--
+
+Timon.
+Laßt euch das nicht von angenehmern Erinnerungen abhalten--He,
+stellt alles zugleich auf!
+
+2. Senator (zum Ersten.)
+Lauter bedekte Schüsseln?
+
+1. Senator.
+Ein Königliches Tractament, ich steh' euch dafür.
+
+3. Senator.
+Daran ist kein Zweifel, was Geld und die Jahrszeit aufbringen
+können.
+
+1. Senator.
+Wie befindet ihr euch? Was giebt's Neues?
+
+2. Senator.
+Alcibiades ist aus der Stadt verwiesen worden.
+
+1. Senator.
+Alcibiades verwiesen?
+
+3. Senator.
+Es ist nichts gewissers.
+
+1. Senator.
+Wie das? wie das?
+
+2. Senator.
+Ich bitte euch, weswegen?
+
+Timon.
+Meine würdigen Freunde, wollt ihr nicht näher kommen?
+
+3. Senator.
+Ich will's euch sogleich sagen--Wir haben ein prächtiges Gastmahl
+vor uns.
+
+2. Senator.
+Er ist noch immer der vorige Mann.
+
+3. Senator.
+Wird es dauern? wird es dauern?
+
+2. Senator.
+Es wird, wenn Zeit und Glük will, und so--
+
+3. Senator.
+Ich versteh euch.
+
+Timon.
+Ein jeder nehme seinen Plaz, so begierig, als ob er an die Lippen
+seiner Liebsten wollte; ihr werdet an allen Pläzen gleich gehalten
+werden. Macht nicht eine Stadt-Gasterey daraus, und laßt das Essen
+kalt werden, eh man einig werden kan, wer zu oberst sizen soll.
+Sezt euch, sezt euch! Die Götter fordern unsern Dank: "Ihr grossen
+Wohlthäter, besprengt unsre Gesellschaft mit Dankbarkeit. Macht,
+daß ihr für eure Gaben gepriesen werdet; aber behaltet immer etwas,
+das ihr geben könnt, sonst möchten Eure Gottheiten in Verachtung
+gerathen. Leihet einem jeden genug, damit keiner nöthig habe dem
+andern zu leihen; denn wenn Eure Gottheiten selbst dazu kämen, daß
+sie von Menschen entlehnen müßten, so würden die Menschen Atheisten
+seyn. Macht die Mahlzeit beliebter, als den der sie giebt. Laßt
+keine Versammlung von fünfzehn ohne eine Mandel Bösewichter seyn.
+Wenn zwölf Weiber an einem Tisch sizen, so laßt ein Duzend von
+ihnen seyn--was sie sind--den Rest eurer Feinde, o ihr Götter, die
+Senatoren von Athen, nebst der Grund-Suppe des übrigen Volks,
+zählet, ihr Götter, dem Verderben zu. Was diese meine Freunde
+betrift--So, wie sie für mich Nichts sind, so segnet sie auch mit
+Nichts, und zu Nichts sind sie mir willkommen."
+
+(Man dekt auf, und alle Schüsseln sind mit Hunden von verschiedner
+Gattung angefüllt.)
+
+Etliche von den Gästen.
+Was meynen Se. Gnaden damit?
+
+Andre.
+Das weiß ich nicht.
+
+Timon.
+Daß ihr nie keine bessere Mahlzeit sehet, ihr Maul-Freunde; Dampf
+und laues Wasser ist euer vollkommnes Ebenbild. Das ist Timons Leze.
+Lebt lang, und von aller Welt verabscheut, ihr glatten, lächelnden,
+verwünschten Schmarozer, ihr liebkosenden Zerstörer,
+schmeichlerische Wölfe, zahme Bären, ihr Glüks-Narren, Teller-Leker,
+und Fleisch-Fliegen, ihr Kopf- und Kniebeugenden Sclaven, daß alle
+ungezählten Krankheiten von Menschen und Vieh euch in diesem
+Augenblik überdeken! Wo gehst du hin! Sachte, nimm erst deine
+Arzney ein--du auch--und du --
+
+(Er wirft die Teller nach ihnen, und jagt sie hinaus.)
+
+Halt, ich will dir Geld leihen, ich will keines borgen. Wie? Alle
+in Bewegung? Von nun an sey kein Gastmahl, wo ein Bösewicht nicht
+willkommen sey! Brenn' auf den Grund ab, Haus; sink', Athen; und
+Timon hasse von nun an den Menschen, und alles was menschlich ist!
+
+(Geht ab.)
+
+(Die Senatoren kommen zurük.)
+
+1. Senator.
+Wie gefällt euch das, Milords?
+
+2. Senator.
+Kennt ihr die Beschaffenheit von Lord Timons Wuth?
+
+3. Senator.
+Zum Henker, habt ihr meine Müze nicht gesehen?
+
+4. Senator.
+Ich habe meinen Oberrok verlohren.
+
+1. Senator.
+Lord Timon ist nichts bessers als ein Narr, er läßt sich lediglich
+durch die Laune regieren. Lezthin schenkt' er mir ein Kleinod, und
+nun hat er mir's von meiner Müze abgeworfen. Seht ihr mein Kleinod
+nicht?
+
+2. Senator.
+Habt ihr meine Müze nicht gesehen?
+
+3. Senator.
+Hier ist sie.
+
+4. Senator.
+Hier ligt mein Rok.
+
+1. Senator.
+Wir wollen uns nicht länger aufhalten.
+
+2. Senator.
+Lord Timon ist verrükt.
+
+3. Senator.
+Das fühl ich an meinen Beinen.
+
+4. Senator.
+Den einen Tag giebt er uns Diamanten, und den andern Steine.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+
+Vierter Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+(Ein Plaz ausser den Mauern von Athen.)
+(Timon tritt auf.)
+
+
+Timon.
+Laßt mich noch einmal nach euch zurüksehen, o ihr Mauern, die diese
+Wölfe umzingeln! Versink' in den Erdboden, Athen! ihr vermählten
+Frauen, werdet unkeusch! ihr Kinder empört euch wider eure Eltern,
+und Sclaven und wahnwizige mögen den ehrwürdigen grauen Senat von
+seinen Bänken reissen, und an ihrer Stelle den Staat regieren! Gieb
+dich der allgemeinen Unzucht Preiß, unreiffe Jungferschaft, thut es
+vor euerer Eltern Augen! haltet fest, ihr Bankerotierer; eh ihr den
+Rüken kehret, die Messer heraus, und schneidet euern Gläubigern die
+Kehlen ab! Stehlt, ihr Sclaven; euere ehrsamen Herren sind nur
+Diebe mit längern Händen, und stehlen unter dem Schuz der Geseze.
+In deines Herrn Bette, Mädchen; deine Frau ist im Bordell.
+Sechszehnjähriger Sohn, reiß deinem alten hinkenden Vater die Krüke
+aus der Hand, und schlag ihm damit das Hirn aus! Furcht und
+Mitleiden, Scheu vor den Göttern, Friede, Gerechtigkeit, Wahrheit,
+häusliche Zucht, Nacht-Ruhe, Nachbarschaft, Unterricht, Sitten,
+Religions-Gebräuche, Unterschied der Stände, Herkommen,
+Gewohnheiten und Geseze, artet in euer zerrüttendes Gegentheil aus,
+und nichts als die Zerrüttung bestehe!--Ihr Plagen alle, deren der
+Mensch fähig ist, häuffet eure gährenden anstekenden Fieber über
+Athen zusammen; es ist reif zum Untergang! Du kalte Gicht, mach'
+unsre Rathsherren zu Krüppeln, damit ihre Glieder so lahm seyn
+mögen als ihre Aufführung! Zaumlose Ueppigkeit und wilde Frechheit
+kriech in die Herzen und in das Mark unsrer Jugend, daß sie dem
+Strom der Tugend entgegen arbeiten, und sich selbst in
+Ruchlosigkeit ertränken! Kräze und Eyterbeulen überdeken jeden
+Atheniensischen Busen, und ihr Kropf sey lauter Aussaz; ein Athem
+steke den andern an, damit ihre Gesellschaft (wie ihre
+Freundschaft) durch und durch vergiftet sey. Nichts will ich aus
+dir hinaustragen als Naktheit, du abscheuliche Stadt! Nimm noch,
+mit vervielfachten Flüchen, diese Versicherung: Timon will in den
+Wald, wo er die wildesten Thiere milder als den Menschen finden
+wird. Die Götter verderben (o hört mich, ihr guten Götter alle!)
+die Athenienser inner- und ausserhalb ihrer Mauern, und verleihen,
+daß mit jedem Tage seines Lebens Timons Haß gegen das ganze
+Geschlecht der Menschen wachse!
+
+(Geht ab.)
+
+
+
+Zweyte Scene.
+(Verwandelt sich in Timons Haus.)
+(Flavius mit zween oder dreyen Bedienten.)
+
+
+1. Bedienter.
+Hört ihr, guter Herr Verwalter, wo ist unser Herr? Sind wir
+verdorben, ist alles aus, ist nichts übrig?
+
+Flavius.
+Ach, meine lieben Cameraden, was soll ich euch sagen? So wahr als
+ich wünsche, daß die wohlthätigen Götter sich meiner erinnern, ich
+bin so arm als ihr.
+
+1. Bedienter.
+Daß ein solches Haus gebrochen, ein so edler Herr gefallen seyn
+soll! Alles hin! und nicht ein einziger Freund, der ihm in seinem
+Unglük unter die Arme greiffe?
+
+2. Bedienter.
+Wie wir uns von einem Bekannten wegwenden, der in sein Grab gesenkt
+worden, so schleichen seine Freunde von seinem begrabnen Glüksstand
+alle hinweg, hinterlassen ihm ihre treulosen Schwüre und
+Versprechungen; und er selbst, ein dem freyen Himmel preißgegebner
+Bettler, mit einem Uebel das alle Welt von ihm scheucht, mit
+Dürftigkeit behaftet, geht, bleibt, gleich der Verachtung, allein.--
+Noch mehr von unsern Cameraden. (Es treten noch einige Bediente auf.)
+
+Flavius.
+Lauter zerbrochnes Geräthe eines zerstörten Hauses!
+
+3. Bedienter.
+Doch tragen unsre Herzen noch Timons Liverey, das seh' ich in euer
+aller Gesicht. Wir sind noch alle Cameraden, die, da sie ihrem
+Herrn sonst nichts mehr dienen können, ihre Treu durch ihren Kummer
+zeigen. Unsre Barke ist lek, und wir armen Tropfen stehen auf dem
+sinkenden Verdek, und hören die Wellen dräuen; wir müssen alle in
+dem Meer der weiten Luft, jeder so gut er kan, seine Rettung suchen.
+
+Flavius.
+Meine guten Cameraden, ich will das äusserste meines Vermögens mit
+euch theilen. Wo wir uns jemals wieder antreffen, wollen wir, um
+Timons willen, immer gute Freunde seyn, unsre Köpfe schütteln, und
+sagen: Wir haben bessere Tage gesehen. Jeder nehme seinen Antheil;
+nein, streket alle eure Hände aus--Kein Wort mehr --
+
+(Er giebt ihnen Geld, sie umarmen einander und scheiden, der eine
+diesen, der andre einen andern Weg.)
+
+Wer wollte sich Reichthum wünschen, wenn Reichthum in Elend und
+Verachtung aufhört? Wer wollte (nach diesem Beyspiel,) sich durch
+einen Traum von schimmerndem Glük und Freundschaft täuschen lassen?
+Durch ein Gepränge von Herrlichkeit und Wohlleben, aber alles nur
+gemahlt, wie diese gefirnißten Freunde! Mein armer redlicher Herr!
+durch sein eignes gutes Herz so weit herunter gebracht! Durch Güte
+zu Grunde gerichtet! Wie seltsam, daß zuviel Güte eines Menschen
+gröste Sünde seyn soll! Unbegränzte Güte macht Götter, und verderbt
+Menschen--Mein theurester Herr, einst so glüklich um desto elender,
+so reich um desto dürftiger zu seyn; dein grosser Wohlstand ist die
+Gelegenheit zu deinen grösten Widerwärtigkeiten worden! Ach! der
+gütige Herr! Er ist in Wuth aus dem undankbaren Siz unnatürlicher
+Freunde geflohen, und hat nichts mit sich genommen, was sein Leben
+unterhalten, oder diesen Unterhalt verschaffen kan. Ich will ihm
+folgen und ihn aufsuchen; ich will ihm um seines Herzens willen
+immer mit bestem Willen dienen, und, so lang ich Gold habe, immer
+sein Verwalter bleiben.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Dritte Scene.
+(Der Wald.)
+(Timon tritt auf.)
+
+
+Timon.
+O Sonne, Quelle der segensvollesten Einflüsse, ziehe faule Dünste
+aus der Erde, und vergifte die Luft unter deiner Schwester Kreis--
+Zwillings-Brüder, zugleich gezeugt, von einer Mutter gebohren und
+gesäugt, sind im Glüke getheilt. Der Grössere verschmäht den
+Kleinern. Die menschliche Natur selbst, sie, die von so unzählbaren
+Uebeln belagert wird, kan zu keinem grossen Glüke kommen, ohne sich
+ihrer selbst zu schämen. Erhebt mir diesen Bettler und zieht mir
+diesen Lord aus, so wird der Lord so verachtet seyn, als ob er zum
+Bettler gebohren worden wäre, und der Bettler geehrt werden, als ob
+er kein gebohrner Bettler wäre. Es ist die Weide, die des Widders
+Seiten spikt, und der Mangel, der ihn mager macht. Wo ist der, dem
+die Aufrichtigkeit seiner eignen unverfälschten Seele den Muth
+giebt aufzustehen, und zu sagen: Dieser Mann ist ein Schmeichler?
+Wenn einer es ist, sind es alle; denn jede Stuffe des Glüks findt
+ihre Schmeichler eine Stuffe niedriger; der gelehrte Kopf bükt sich
+vor dem goldnen Narren; alles ist krumm, es ist nichts gerades in
+unsrer verfluchten Natur, als unverbesserliche Büberey. So sey dann
+alle Gesellschaft und alle Gemeinschaft mit Menschen von mir
+verabscheut! Alle von seiner Gattung, ja sich selbst hasset Timon.
+Verderben über das ganze Menschen-Geschlecht!--Erde, gieb mir
+Wurzeln.
+
+(Er gräbt die Erde auf.)
+
+Wer etwas bessers von dir begehrt, dem würze den Rachen mit deinem
+würksamsten Gifte!--Was ist hier! Gold! gelbes, blinkendes, feines
+Gold? Nein, ihr Götter, das verlangt' ich nicht von euch; Wurzeln,
+gütiger Himmel! Nur so viel von diesem hier ist genug, weiß,
+schwarz; schön, häßlich; unrecht, recht; niederträchtig, edel; ein
+altes Gesicht, jung; und eine feige Memme, tapfer zu machen. Ihr
+Götter, wozu das? warum das? Ihr Götter! wie, das kan eure Priester
+von eurer Seite loken, und Leute mit frischem Herzen ins Grab
+befördern; dieser gelbe Sclave kan geheiligte Bündnisse
+zusammenkütten und auflösen; dem Verfluchten Segnungen, und dem
+grindigen Aussaz Anbetung zuziehen; Diebe zu Ehrenstellen erheben
+und ihnen neben den Senatoren, Titel, Kniebeugungen und Beyfall
+geben: Diß ist's, was die bekümmerte Wittwe wieder freyen macht,
+und was einer von Geschwüren und Krebsschäden zerfressenen
+Candidatin des Siechenhauses, durch seine balsamische Kraft die
+frische Anmuth der Jugendblüthe wieder giebt. Komm, du verdammte
+Erde, du gemeine Meze des menschlichen Geschlechts, die so viel
+Lermens unter der Rotte der Nationen macht--
+
+(Man hört von fern einen Marsch.)
+
+Ha, eine Trummel--Du bist sehr lebendig, aber ich will dich doch
+begraben; wenn deine podagrische Besizer nicht mehr stehen, kanst
+du noch davon lauffen--Doch nein, bleib noch ein wenig da, ich will
+dich für Handgeld gebrauchen.
+
+(Er stekt eine Anzahl Goldstüke zu sich.)
+
+
+
+Vierte Scene.
+(Alcibiades zieht auf eine kriegrische Weise mit Trummel und
+ Pfeiffen auf; und Phrynia und Timandra.)
+
+
+Alcibiades.
+Wer bist du hier? Sprich!
+
+Timon.
+Eine Bestie, wie du bist. Daß der Krebs dein Herz dafür durchfresse,
+daß du mir wieder ein menschliches Gesicht zu sehen giebst!
+
+Alcibiades.
+Wie ist dein Name? Ist der Mensch dir so verhaßt, und du bist
+selbst ein Mensch?
+
+Timon.
+Ich bin Misanthropos, und hasse das menschliche Geschlecht. Was
+dich betrift, so wünscht' ich, du wär'st ein Hund, damit ich dich
+ein wenig lieben könnte.
+
+Alcibiades.
+Ich kenne dich wol; aber was für Unfälle dir zugestossen seyn
+müssen, davon weiß ich nichts.
+
+Timon.
+Ich kenne dich auch, und verlange nicht mehr von dir zu wissen, als
+ich weiß; zieh deiner Trummel nach, färbe den Boden mit Menschen-
+Blut; roth, roth;--Religions-Gebräuche, bürgerliche Geseze sind
+grausam, was soll dann der Krieg seyn? Diese faule Meze hier hat
+mit allen ihren Cherubin-Bliken mehr Zerstörung in sich als dein
+Schwerdt.
+
+Phrynia.
+Daß dir die Lippen verfaulen!
+
+Timon.
+Das könnte nur begegnen wenn ich dich küßte, und das will ich nicht.
+
+Alcibiades.
+Wie kam der edle Timon zu diesem Wechsel?
+
+Timon.
+Wie der Mond, weil er kein Licht mehr zu geben hatte; aber ich
+konnte mich nicht wieder erneuern wie der Mond, denn es waren keine
+Sonnen da, von denen ich hätte borgen können.
+
+Alcibiades.
+Edler Timon, was für Freundschaft kan ich dir erweisen?
+
+Timon.
+Keine, als mich in meiner Meynung zu bestärken.
+
+Alcibiades.
+Was ist diese, Timon?
+
+Timon.
+Mir Freundschaft zu versprechen, und keine zu halten. Wenn du mir
+keine versprechen willst, so verderben dich die Götter! denn du
+bist ein Mensch; und wenn du sie hältst, so sollen sie dich
+gleichfalls verderben, denn du bist ein Mensch.
+
+Alcibiades.
+Es sind mir einige verworrne Nachrichten von deinen Unglüksfällen
+zu Ohren gekommen.
+
+Timon.
+Du sahst sie, wie ich im Wohlstand saß.
+
+Alcibiades.
+Ich seh sie izt, damals war eine glükliche Zeit.
+
+Timon.
+Wie die deinige izt ist, zwischen einem Paar Mezen.
+
+Timandra.
+Ist das der allgemeine Liebling von Athen, von dem die Welt so viel
+rühmliches sagte?
+
+Timon.
+Bist du Timandra?
+
+Timandra.
+Ja.
+
+Timon.
+Bleib immer eine Hure; die lieben dich nicht, die dich gebrauchen;
+häng ihnen Krankheiten an, wenn sie ihre Lust mit dir gebüßt haben;
+mach einen guten Gebrauch von deinen bittern Stunden, bringe die
+Sclaven zu Schwiz-Kästen und Bädern, bring die rosenwangichte
+Jugend zur Hunger-Cur*, und zur Diät.
+
+{ed.-* (Tub-Fast), (Tonne-Fasten) im Englischen. Der Autor zielt auf
+die Venerische Seuche und ihre Würkungen. Die Cur derselben wurde
+in damaligen Zeiten entweder durch (Guaiacum), oder Mercurialische
+Salben gemacht; und in beyden Fällen wurde der Patient sehr warm
+und eingesperrt gehalten; das erste, damit der Schweiß befördert
+werde; und das andre, damit er sich nicht wieder erkälte, welches
+gefährlich war. Das Regimen beym Gebrauch des (Guaiacum), oder
+(Lignum Sanctum) (sagt Dr. Friend in seiner Geschichte der Arzney-
+Kunst, 2. Theil, S. 380.) war anfangs mit ausserordentlichen
+Umständen begleitet, und so strenge, daß der Patient in ein enges
+dunkles Loch gesperrt wurde, damit er desto besser schwizen möchte;
+und durch diese Veranstaltung wurde, wie sich Fallopius ausdrukt,
+der ganze Mensch bis auf die Knochen selbst durchgebeizt. Wisemann
+sagt, in England habe man sich zu diesem Zwek, anstatt der
+anderwärts üblichen Keller, Bak-Ofen, u. d. gl. einer Tonne bedient.
+Was die Unction betrift, so wurde sie zuweilen sieben und dreyßig
+Tage fortgesezt, wie er S. 375. bemerkt, und während dieser ganzen
+Zeit war eine ausserordentliche Abstinenz nothwendig. Daher dann
+das Wort (Tub-Fast.) Warbürton. ** Ein Provinzial-Wort für das
+Englische (Slut), für welches dem Uebersezer kein hochdeutsches
+Wort bekannt ist.}
+
+Timandra.
+An den Galgen, du Ungeheuer.
+
+Alcibiades.
+Vergieb, meine liebe Timandra, seine Wiederwärtigkeiten haben
+seinen Verstand überwältiget. Ich habe nur wenig Geld übrig, wakrer
+Timon, und der Mangel daran verursacht täglichen Aufruhr unter
+meiner abgemergelten Kriegs-Schaar. Ich hörte mit Bekümmerniß, wie
+das verfluchte Athen, deiner Verdienste uneingedenk, und
+undankbarlich der Zeit vergessend, da sie ohne dein Schwerdt und
+deine Reichthümer, von ihren Nachbarn mit Füssen zertreten worden
+wären --
+
+Timon.
+Ich bitte dich, laß deine Trummel rühren, und geh' deines Wegs.
+
+Alcibiades.
+Ich bin dein Freund, und habe Mitleiden mit dir, mein liebster
+Timon.
+
+Timon.
+Wie kanst du Mitleiden mit dem haben, den du beunruhigest; ich
+wollte lieber allein seyn.
+
+Alcibiades.
+Nun, so fahr wohl; hier hast du Gold.
+
+Timon.
+Behalt es, ich kan es nicht essen.
+
+Alcibiades.
+Wenn ich das stolze Athen in einen Steinhauffen umgekehrt habe --
+
+
+Timon.
+Ziehst du gegen Athen?
+
+Alcibiades.
+Ja, Timon, und aus einer gerechten Ursache.
+
+Timon.
+Die Götter verderben sie alle durch deine Hand, und wenn du sie
+vernichtet hast, dich auch!
+
+Alcibiades.
+Warum mich, Timon?
+
+Timon.
+Weil du gebohren wardst, durch Ermordung von Bösewichtern mein
+Vaterland zu Grunde zu richten. Ließ dein Gold wieder auf. Geh
+weiter, hier ist noch mehr Gold, geh; sey wie eine Planetarische
+Seuche, wenn Jupiter über irgendeine lastervolle Stadt sein Gift in
+die sieche Luft aushängt; laß dein Schwerdt nicht einen einzigen
+überspringen; schone dem ehrwürdigen Greis nicht um seines weissen
+Barts willen, er ist ein Wucherer; schlage die Ehefrau nieder, ihr
+Kleid allein ist ehrlich, sie ist eine Kupplerin. Laß nicht die
+jungfräuliche Wange dein schneidendes Schwerdt stumpf machen;
+schone dieses milchweissen Busens nicht, der unter dem gläsernen
+Flor zu den Augen der Männer emporschwillt, er ist ein schändlicher
+Verräther. Schone nicht des Säuglings, dessen kindisches Lächeln
+Narren zur Erbarmung zwingt; denk es ist ein Bastard, von dem ein
+dunkles Orakel vorhergesagt hat, daß er dir die Kehle abschneiden
+soll, und zerhak' ihn ohne Bedenklichkeit. Verschwöre dich wider
+jeden Gegenstand, der dein Herz erweichen könnte; leg' eine Rüstung
+um deine Ohren und deine Augen, deren Stählung weder das Heulen der
+Mütter, das Geschrey der Jungfrauen, und das Wimmern der Kinder;
+noch der Anblik von Priestern, deren Blut über ihre heiligen
+Kleider herab strömt, nur um eine Nadelspize durchdringen möge.
+Hier ist Gold, deine Soldaten zu bezahlen. Verbreite Verderben um
+dich her, geh', und wenn du deine Wuth ausgelassen hast, so verdirb
+selbst! Antworte nicht, geh!
+
+Alcibiades.
+Hast du noch Gold? Ich nehme das Gold an, das du mir giebst, und
+lasse dir deinen Rath.
+
+Timon.
+Du folgest ihm oder nicht, so falle der Fluch des Himmels auf dich!
+
+Timandra, Phrynia.
+Gieb uns auch etwas Gold, guter Timon; hast du noch mehr?
+
+Timon.
+Genug, um zu machen daß eine Hure ihr Handwerk verschwöre und eine--
+Kupplerin werde. Hebt auf, ihr Schlütten**, die Schürze auf! Ihr
+seyd nicht eydfähig, ob ich gleich weiß, daß ihr schwören würdet;
+schwören, daß die unsterblichen Götter die euch hören, vor Entsezen
+schaudern müßten. Spart eure Schwüre, ich will euerm blossen
+Versprechen glauben. Bleibt immer Huren, und dem, dessen frommer
+Zuspruch euch bekehren will, dem macht es dreymal ärger als den
+übrigen; ködert ihn an, brennt ihn bis auf die Knochen; laßt nicht
+eher von ihm ab, biß euer Feuer über seinem Rauch Meister wird;
+doch sollt ihr dafür alle Jahre sechs Monate eine ganz
+entgegengesezte Mühe haben. Sezt euch falsche Haare an, und dekt
+eure arme dünne Schädel mit Aufsäzen von Todten (wenn schon einige
+davon gehangen sind, das hindert nichts); tragt sie, betrügt damit,
+und h** immer auf ihren Credit hin; schminkt euch, bis ein Pferd in
+euerm Gesicht steken bleiben möchte; der Henker hole die Runzeln!
+
+Beyde.
+Gut, gut, nur mehr Gold; glaubt uns, um Gold thun wir was ihr nur
+wollt.
+
+Timon.
+Säet Auszehrung in ihre marklosen Knochen, lähmet ihre dünnen Beine,
+und dämpfet den männlichen Trieb. Brecht die Stimme des Advocaten,
+daß er untüchtig werde schlimme Sachen zu führen, und Rabulisten-
+Streiche durch sein Geschrey gut zu machen; stekt den Priester an,
+der wider die Triebe des Fleisches eifert und sich selbst nicht
+glaubt; herab mit der Nase, platt ab, nehmt ihm den Nasenknörpel
+ohne Verschonen, der, seinen Privat-Nuzen ausser Gefahr zu sezen,
+das gemeine Beste aufopfert. Macht krausköpfichte Spizbuben kahl,
+und laßt auch die jungen Eisenfresser nicht leer ausgehen, die mit
+ihren grossen Thaten pralen, und nur nicht eine Narbe davon
+aufzuweisen haben. Verpestet alle Welt, und ruhet nicht, bis ihr
+die Quelle der Vermehrung selbst gänzlich verstopft und
+ausgetroknet habt.--Hier ist mehr Gold für euch, bringt alle andre
+ins Verderben, dann verfaulet selbst und Misthauffen mögen euer
+aller Grab seyn.
+
+Beyde.
+Mehr Rath und mehr Geld, guter Timon.
+
+Timon.
+Ihr müßtet es erst besser verdienen; ihr habt nun euer Handgeld.
+
+Alcibiades.
+Rührt die Trummel, und gegen Athen zu. Lebe wohl, Timon, wenn es
+mir gelungen seyn wird, will ich dich wieder besuchen.
+
+Timon.
+Wenn mich die Hoffnung nicht betrügt, werd ich dich nicht mehr
+sehen.
+
+Alcibiades.
+Ich that dir nie was zu leide.
+
+Timon.
+Ja, du redtest Gutes von mir.
+
+Alcibiades.
+Nennst du das beleidigen?
+
+Timon.
+Die Menschen erfahren es alle Tage. Geh deines Weges, pake dich,
+und nimm deine Dachshunde mit.
+
+Alcibiades.
+Wir sind ihm nur beschwerlich; rührt die Trummel!
+
+(Alcibiades, Timandra und Phrynia gehen ab.)
+
+
+
+Fünfte Scene.
+
+
+Timon.
+Daß die Natur noch zu eben der Zeit hungern soll, da der Unmuth
+über des Menschen Unbarmherzigkeit sie des Lebens überdrüßig macht!--
+Allgemeine Mutter, du deren unermeßliche Schoos und unbegrenzte
+Brust alles gebiehrt und säuget; o du, deren nemliche Zeugungs-Hize,
+woraus der stolze Mensch aufdunset, die schwarze Kröte zeugt, und
+die blaue Schlange, die goldflekichte Eidechs und den blinden
+vergifteten Wurm mit allem andern verabscheuten Ungeziefer, das
+Hyperions Feuer belebt: Gieb dem der alle deine menschlichen Söhne
+hasset, gieb ihm aus deinem unerschöpflichen Busen eine einzige
+arme Wurzel. Verstopfe deine fruchtbare gern empfangende Schooß;
+laß sie nichts mehr für den undankbaren Menschen hervorbringen. Geh
+nur mit Tygern, Drachen, Wölfen und Bären schwanger; schwill von
+neuen Ungeheuern auf, die dein emporgerichtetes Antliz dem
+umwölbenden Himmel nie gezeigt hat!--O! eine Wurzel--habet Dank,
+ihr Götter!--trokne deine lokern Adern auf, und deine vom Pflug
+zerrißne Schollen, aus denen der undankbare Mensch diese geistigen
+Säfte und diese niedlichen Bissen zieht, die sein reines Gemüth mit
+einem Fett umgeben, woran alle Betrachtung abglitscht.
+
+
+
+Sechste Scene.
+
+
+Timon (zu Apemanthus.)
+Wieder ein Mensch? Pest! Pest!
+
+Apemanthus.
+Ich bin hieher gewiesen worden. Die Leute sagen, du massest dich an,
+meine Lebensart nachzuahmen.
+
+Timon.
+So muß es deßwegen seyn, weil du keinen Hund hältst, den ich
+nachahmen könnte. Daß du die Schwindsucht kriegtest!
+
+Apemanthus.
+Es ist an dir nur etwas erzwungnes, eine arme unmännliche
+Melancholey, die bloß aus dem Wechsel deines Glüks entsprungen ist.
+Wozu dieses Grabscheit? Warum in diesem Walde? Warum dieser
+sclavenmässige Aufzug? Und diese kummervolle Blike? Deine
+Schmeichler tragen indessen Seide, trinken Wein, ligen weich,
+schwimmen in lieblichen Gerüchen, und haben vergessen, daß jemals
+ein Timon war. Entehre diese Kleidung nicht, die dir das Ansehen
+und die Vorrechte eines Censors geben soll. Sey du izt ein
+Schmeichler, versuch' es, dich nun durch eben dieses fortzubringen,
+was dich zu Grunde gerichtet hat; beuge deine Knie, und laß den
+blossen Athem dessen, dem du aufwartest, deine Müze vom Kopf
+herabwehen; erhebe seine lasterhaftesten Ausschweiffungen, und
+nenne sie vortreflich. So redte man mit dir; und du gabst deine
+Ohren dazu her, den Bierwirthen ähnlich, die Schelmen und alles was
+zu ihnen kommt willkommen heissen. Es ist höchst billig, daß du ein
+Spizbube werdest; hättest du noch Vermögen, so würden Spizbuben es
+haben. Affectire keine Gleichheit mit mir, sag ich dir!
+
+Timon.
+Wenn ich dir gleich wäre, ich wollte mich selbst wegwerfen.
+
+Apemanthus.
+Du hast dich selbst weggeworffen, da du dir selbst gleich warst; so
+lang' ein Unsinniger, izt ein Narr! Wie? denkst du, die kalte Luft,
+dein ungestümer Kammerherr, werde dir ein warmes Hemde reichen?
+Meynst du, diese bemooßten Bäume, die den Adler überlebt haben,
+werden wie Pagen hinter dir hertreten, und dir auf einen Wink
+zulauffen? Wird der kalte, mit Eis candirte Bach dir ein Cordial
+zum Frühstük geben, um die Unverdaulichkeit der gestrigen
+Nachtmahlzeit zu verbessern? Ruffe den nakten Geschöpfen, die der
+rauhen Witterung, und den kämpfenden Elementen ihre unverwahrten
+Rümpfe entgegen bieten; befiehl ihnen, dir zu schmeicheln; o, du
+wirst finden --
+
+Timon.
+Daß du ein Narr bist; zieh' ab.
+
+Apemanthus.
+Du bist mir izt lieber als jemals.
+
+Timon.
+Und du mir desto verhaßter.
+
+Apemanthus.
+Warum?
+
+Timon.
+Du schmeichelst der Dürftigkeit.
+
+Apemanthus.
+Ich schmeichle nicht; ich sage nur, daß du ein elender Tropf bist.
+
+Timon.
+Warum suchst du mich auf?
+
+Apemanthus.
+Um dich zu scheeren.
+
+Timon.
+Das ist immer die Verrichtung eines Bösewichts, oder eines Narren.
+Däucht sie dir kurzweilig?
+
+Apemanthus.
+Ja.
+
+Timon.
+Was für ein Schurke du bist!
+
+Apemanthus.
+Wenn du diesen schwermüthigen kalten Habit angezogen hättest,
+deinen Stolz zu züchtigen, so hättest du wol daran gethan; aber du
+thust es aus Noth; du würdest ein Stuzer seyn, wenn du nicht ein
+Bettler wärest. Freywillige Armuth überlebt ungewisses Wohlleben;
+dieses wird immer gefüllt und doch nie voll, jene erreicht ihren
+höchsten Wunsch auf einmal; der glüklichste Stand ist mißvergnügt,
+der elendeste zufrieden. (Du) solltest zu sterben wünschen, weil du
+in einem so armseligen Zustand bist.
+
+Timon.
+Nicht weil mir's einer sagt, der noch armseliger ist. Du bist ein
+Sclave, den das Glük nie mit zärtlichen Armen an ihre Brust drükte;
+sondern zu einem Hund gebohren. Wärest du wie wir, von der ersten
+Stuffe des Lebens an, durch alle die angenehmen Grade von
+Glükseligkeit fortgeschritten, die diese kurze Welt denjenigen
+gewährt, die sich nur besinnen dürfen, was sie von allen ihren
+Waaren haben wollen: Du hättest dich in dem diksten Schlamm der
+Lüderlichkeit herumgewälzt, deine Jugend in den schändlichsten
+Ausschweiffungen verschwendet, und nimmermehr die kalten
+Vorschriften der Mässigung und des Wohlstands beobachten gelernt,
+sondern würdest dem verzükerten Spiel vor dir her blindlings
+nachgeloffen seyn. Aber daß ich, für dessen Vergnügen die ganze
+Welt arbeitete, der die Zungen, die Augen, die Herzen der Menschen
+zu seinem Gebot hatte, mehr als ich ihnen Verrichtungen erdenken
+konnte, an dem unzähliche hiengen, wie die Blätter an einer Eiche;
+die aber alle, von einem einzigen Winter-Anstoß, von ihren Zweigen
+abgefallen sind, und mich entblößt und unbedekt jedem Sturm
+ausgesezt gelassen haben: Daß ich, der nie etwas anders als bessers
+gekannt hat, diß ertragen soll, ist etwas schwer. Dein Wesen fieng
+mit Elend an, und die Zeit hat dich dazu abgehärtet. Warum solltest
+du die Menschen hassen? Sie haben dir nie geschmeichelt. Was hast
+du ihnen geben können? Wenn du fluchen willt, so muß dein Vater,
+der arme Lumpenhund, der Gegenstand seyn, der, in einem Anstoß von
+Brunst, irgend eine Bettlerin überfallen, und dich armseligen Erb-
+Lumpenhund zusammgeflikt hat--Hinweg, pake dich!--Wärest du nicht
+zum untersten unter allen Menschen gebohren, so würdest du ein
+Spizbube und Schmeichler gewesen seyn.
+
+Apemanthus.
+Bist du noch stolz?
+
+Timon.
+Ja, daß ich nicht du bin.
+
+Apemanthus.
+Und ich, daß ich kein Verschwender gewesen bin.
+
+Timon.
+Und ich, daß ich izt noch einer bin. Wär' aller Reichthum, den ich
+hatte, in dir aufgeschüttet, so wollt' ich dir Erlaubniß geben, ihn
+aufzuhängen. Geh deines Weges--O! daß das Leben von ganz Athen in
+dieser Wurzel wäre! So wollt' ich es essen.
+
+(Er ißt eine Wurzel.)
+
+Apemanthus.
+Hier, ich will deine Mahlzeit verbessern.
+
+Timon.
+Verbeßre erst meine Gesellschaft, und pake dich fort!
+
+Apemanthus.
+Was hättest du gern zu Athen--
+
+Timon.
+Dich, in einem Wirbelwind; wenn du willt, so sag ihnen, ich habe
+Gold; siehst du, daß ich habe.
+
+Apemanthus.
+Hier hat es keinen Nuzen.
+
+Timon.
+Den besten und sichersten; denn hier schläft es, und thut keinen
+gedungnen Schaden.
+
+Apemanthus.
+Wo ligst du des Nachts, Timon?
+
+Timon.
+Unter dem was über mir ist. Wo futterst du des Tags, Apemanthus?
+
+Apemanthus.
+Wo mein Magen Speise findet, oder vielmehr wo ich sie esse.
+
+Timon.
+Ich wollte, das Gift müßte mir gehorchen, und wüßte meine Gedanken.
+
+Apemanthus.
+Wo wolltest du es hinschiken?
+
+Timon.
+Deine Schüsseln zu würzen.
+
+Apemanthus.
+Das Mittel der Menschlichkeit hast du nie gekannt, sondern nur das
+äusserste von beyden Enden. Wie du in deinen vergoldeten Zimmern,
+und von ausgesuchten Specereyen umduftet warst, da trieben sie ihr
+Gespötte über deine ausschweiffende Zärtlichkeit des Geschmaks; izt
+da du in Lumpen bist, hast du gar keine, sondern wirst des
+Gegentheils halben verabscheut. Hier ist eine Mespel für dich, iß
+sie.
+
+Timon.
+Ich esse von nichts, was ich nicht leiden kan.
+
+Apemanthus.
+Kanst du die Mespeln nicht leiden?
+
+Timon.
+Nein, ob sie schon dir gleich sehen.
+
+Apemanthus.
+Hättest du sie früher nicht leiden können, so würdest du izt besser
+mit dir selbst zufrieden seyn. Hast du jemals einen Verschwender
+gekannt, den man noch geliebt hat, nachdem er um seine Mittel
+gekommen ist?
+
+Timon.
+Wen hast du jemals ohne diese Mittel, wovon du redst, beliebt
+gesehen?
+
+Apemanthus.
+Mich selbst.
+
+Timon.
+Ich verstehe dich, du hast einige Mittel, einen Hund zu halten.
+
+Apemanthus.
+Was für Dinge in der Welt findst du deinen Schmeichlern am
+ähnlichsten?
+
+Timon.
+Weiber--Was wolltest du mit der Welt thun, Apemanthus, wenn sie in
+deiner Gewalt wäre?
+
+Apemanthus.
+Sie den wilden Thieren vorwerfen, damit ich der Menschen los würde.
+
+Timon.
+Wolltest du selbst auch das Schiksal der Menschen haben, oder unter
+den wilden Thieren ein wildes Thier werden?
+
+Apemanthus.
+Das lezte, Timon.
+
+Timon.
+Ein bestialischer Wunsch, den die Götter dir gewähren mögen! Wenn
+du ein Löwe wärst, so würde dich der Fuchs betrügen; wärst du ein
+Lamm, so würde der Fuchs dich fressen; wärst du der Fuchs, so
+würdest du dem Löwen verdächtig werden, wenn dich zufallsweis ein
+Esel anklagte; wärst du der Esel, so würde dich deine Dummheit
+plagen, und du lebtest immer als ein Frühstük für den Wolf. Wärst
+du der Wolf, so würde dir deine Gefressigkeit zur Quaal werden, und
+du würdest oft dein Leben für dein Mittagessen wagen. Wärst du das
+Einhorn, so würde dich Stolz und Grimm verderben, und in Ermanglung
+eines andern würdest du die Beute deiner eignen Wuth werden. Wärst
+du ein Bär, so würde dich das Roß tödten; wärst du ein Roß, so
+würde dich der Leopard ergreiffen; wärst du ein Leopard, so wärst
+du des Löwen Vetter, und deine Fleken würden deine eigne Verwandten
+gegen dein Leben aufhezen. Alle deine Sicherheit wär' in Entfernung,
+und dein Schuz in der Abwesenheit eines Feindes. Was für ein Thier
+könntest du seyn, das nicht einem Thier unterworffen wäre? Und was
+für ein Stük Vieh bist du izt schon, daß du nicht siehst, wie viel
+du bey der Verwandlung verliehren würdest?
+
+Apemanthus.
+Wenn du mir durch irgend ein Gespräch gefallen könntest, so hättest
+du es izt getroffen. Das gemeine Wesen von Athen ist ein Wald von
+Thieren worden.
+
+Timon.
+Wie ist dann der Esel durch die Mauern gebrochen, daß du ausser der
+Stadt bist?
+
+Apemanthus.
+Dort kommt ein Poet und ein Mahler; die Pest der menschlichen
+Gesellschaft falle auf dich! Ich besorge, daß sie mich ansteken
+möchte, und will mich mit der Flucht retten. Wenn ich sonst nichts
+zu thun weiß, will ich dich wieder sehen.
+
+Timon.
+Wenn sonst nichts lebendiges mehr ist als du, sollt du mir
+willkommen seyn.
+
+Apemanthus.
+Du bist das Oberhaupt von allen iztlebenden Narren.
+
+Timon.
+Ich wollte, du wärest sauber genug, daß ich auf dich speyen könnte.
+Daß du die Kränke hättest!
+
+Apemanthus.
+Du bist ein zu schlechter Kerl, als daß du jemandem fluchen
+könntest.
+
+Timon.
+Alle Galgenschwengel werden rein, wenn sie neben dir stehen.
+
+Apemanthus.
+Es ist sonst kein Aussaz, als was du redst.
+
+Timon.
+Wenn ich dich nenne--Prügeln will ich dich; doch, ich würde nur
+meine Hände kräzicht machen.
+
+Apemanthus.
+Ich wollte, meine Zunge könnte machen, daß sie abfaulten.
+
+Timon.
+Weg, du Gezücht eines räudigen Hunds. Ich sterbe vor Zorn, daß du
+in der Welt bist; ich fall' in Unmacht, wenn ich dich ansehe.
+
+Apemanthus.
+Daß du bersten möchtest?
+
+Timon.
+Hinweg, du verabscheuter Raker; ich fürchte, du treibst mir einen
+H*d*n ab.
+
+Apemanthus.
+Vieh!
+
+Timon.
+Sclave!
+
+Apemanthus.
+Kröte!
+
+Timon.
+Lumpenhund, Lumpenhund, etc.
+
+(Apemanthus zieht sich zurük, als ob er gehe.)
+
+Ich bin dieser falschen Welt überdrüssig, und will nichts in ihr
+lieben, als ihre blossen Nothwendigkeiten. So zögre dann nicht,
+Timon, dir dein Grab zu machen, dort, wo der leichte Meerschaum
+deinen Grabstein täglich schlagen soll; mache deine Grabschrift,
+daß der Tod in mir über andrer Leben lache.
+
+(Er sieht auf das Gold, das zu seinen Füssen ligt.)
+
+O du angenehmer Königs-Mörder! du werthe Scheidung zwischen dem
+leiblichen Sohn und seinem Vater! du schimmernder Besudler von
+Hymens keuschestem Bette! du dapfrer Mars! du immer junger,
+frischer, beliebter, und reizender Buhler, dessen Röthe den
+geheiligten Schnee, der auf Dianens Schooß ligt, zerschmelzt! Du
+sichtbarer Gott, der Unmöglichkeiten zusammenfügt, und einander
+küssen macht! der jede Sprache zu jeder Absicht reden kan! O du
+Probstein der Herzen; denke, dein Sclave, der Mensch, empöre sich
+wider dich, und seze sie durch deine Macht in eine so zerrüttende
+Zwietracht, bis die Herrschaft über die Welt den Thieren bleibt.
+
+Apemanthus.
+Ich wollt' es wäre so, aber nicht eher, als bis ich todt bin! Ich
+will sagen, du habest Gold; was für einen Zulauff, du augenbliklich
+bekommen wirst!
+
+Timon.
+Einen Zulauf?
+
+Apemanthus.
+Ja.
+
+Timon.
+Deinen Rüken, ich bitte dich.
+
+Apemanthus.
+Leb' und liebe dein Elend!
+
+Timon.
+Leb lange so und stirb so! Ich bin quitt.
+
+Apemanthus.
+Schau, mehr Dinge die wie Menschen aussehen--iß, Timon, und
+verabscheue sie.
+
+(Apemanthus geht ab.)
+
+
+
+Siebende Scene.
+(Die Diebe treten auf.)
+
+
+1. Dieb.
+Wo mag er wol sein Geld haben? Es wird irgend ein armseliges
+Fragment, irgend ein übriges Bißchen sein, das er noch davon
+gebracht hat. Nichts anders, als der Mangel an Geld, und der Undank
+seiner Freunde, hat ihn zu dieser Melancholey gebracht.
+
+2. Dieb.
+Das Gerücht geht, er hab' einen Schaz gefunden.
+
+3. Dieb.
+Wir wollen einen Versuch machen; wenn er nichts darnach fragt; wird
+er's uns gutwillig geben; aber wenn er so geizig ist, daß er's für
+sich allein behalten will, was ist dann zu thun?
+
+2. Dieb.
+Er wird den Schaz nicht bey sich tragen; er wird ihn verstekt haben.
+
+1. Dieb.
+Ist der nicht Timon?
+
+Alle.
+Wo?
+
+2. Dieb.
+Der Beschreibung nach ist er's.
+
+3. Dieb.
+Er ists, ich kenn' ihn.
+
+Alle.
+Grüß dich Gott, Timon.
+
+Timon.
+He, Diebe.
+
+Alle.
+Soldaten, keine Diebe.
+
+Timon.
+Beydes, und von Weibern gebohren.
+
+Alle.
+Diebe sind wir nicht, aber Leute, die sehr viel Bedürfnisse haben.
+
+Timon.
+Euer gröstes Bedürfniß ist, was ihr aller Orten finden könnet: Was
+solltet ihr bedürfen? Seht, die Erde hat Wurzeln; innert einer
+Meile um uns her entspringen hundert Quellen; die Eichen tragen
+Eicheln, die Gesträuche, Hambutten; die gutthätige Hausmutter,
+Natur, legt auf jedem Busch ihren ganzen Kram vor euch aus--
+Bedürfnisse? Warum Bedürfnisse?
+
+1. Dieb.
+Wir können nicht von Gras, Beeren und Wasser leben; wie Thiere,
+Vögel und Fische.
+
+Timon.
+Auch nicht von den Thieren, Vögeln und Fischen selbst; ihr müßt
+Menschen essen. Doch muß ich euch Dank dafür sagen, daß ihr
+offenbare Diebe seyd, und euch nicht in heiligere Gestalten
+einhüllet; denn es herrscht grenzenlose Dieberey auch in
+gesezmässigen Lebensarten. Galgenschwengel, Diebe, hier ist Gold!
+
+(Er giebt ihnen Geld.)
+
+Geht, saugt das flüchtige Blut der Traube, bis das hizige Fieber
+euer Blut zu Schaum kocht, und entgeht dadurch dem Galgen. Vertraut
+euch keinem Arzt, seine Arzneyen sind Gift, er tödtet mehr Menschen
+als ihr beraubt, und nimmt ihnen ihr Geld mit samt dem Leben.
+Treibt eure Bubenstüke, treibt sie, weil ihr euch dazu bekennt, wie
+ein andres Handwerk; ich will euch Beyspiele genug von Dieberey
+geben. Die Sonn' ist ein Dieb, und beraubt durch ihre starke
+Anziehung das weite Welt-Meer. Der Mond ist ein ausgemachter Dieb,
+und maußt sein blasses Licht der Sonne. Das Meer ist ein Dieb,
+dessen schmelzende Wellen Dämme in salzichte Thränen auflösen. Die
+Erde ist ein Dieb, die uns das Futter, wovon sie lebt, aus dem
+Unrath aller Dinge zusammenstiehlt; ein jedes Ding ist ein Dieb.
+Die Geseze, die euch binden und mit Ruthen streichen, haben
+ungestraften Diebstahl in ihrer rauhen Gewalt. Liebt euch selbst
+nicht, hinweg, beraubt einander, hier habt ihr mehr Gold; schneidet
+Kehlen ab; alle die euch begegnen sind Diebe: Geht nach Athen,
+brecht in offne Buden ein, denn ihr könnt nichts stehlen; das nicht
+von Dieben verlohren wird; stehlt nichts desto minder, weil ich
+euch Gold gebe, und Gold verderbe euch, Amen!
+
+(Er geht ab.)
+
+3. Dieb.
+Er hat mir mein Handwerk schier erleidet, indem er mich dazu
+aufmunterte.
+
+1. Dieb.
+Das ist die allgemeine Bosheit der Menschen; er giebt uns einen
+Rath, in Hoffnung, daß er uns an den Galgen bringen werde.
+
+2. Dieb.
+So will ich ihm glauben wie einem Feind, und meine Profeßion
+aufgeben.
+
+1. Dieb.
+Wir wollen erst warten, bis zu Athen Fried' ist.
+
+2. Dieb.
+Es ist kein so schlimmer Zustand, worinn ein Mensch nicht noch gut
+werden kan.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+
+
+
+Fünfter Aufzug.
+
+
+
+Erste Scene.
+(Der Wald und Timons Höle.)
+(Flavius tritt auf.)
+
+
+Flavius.
+O ihr Götter, ist jener verworfne, zerstörte Mann mein Herr? So
+abgezehrt, so eingefallen! O! ein Denkmal, ein Wunder von
+übelangewandten Gutthaten! Was für eine Veränderung hat eine
+verzweiflungsvolle Dürftigkeit in seiner Gemüthsart gemacht! Was
+für ein schändlicheres Ding ist auf der Erde als Freunde, die das
+edelste Gemüth zu einem solchen Verfall bringen können! Wie wohl
+schikt sich das Gebott, daß wir unsre Feinde lieben sollen*, für
+unsre Zeiten! Wenn es mir auch frey stünde, wollt' ich sie doch
+eher lieben als Schmeichler.--Er hat mich wahrgenommen; ich will
+ihm meinen redlichen Kummer zeigen, und bis zum lezten Athemzug
+sein treuer Diener bleiben.
+
+{ed.-* Hier vergißt unser Autor, daß seine Personen keine Christen sind,
+noch seyn können; kein Wunder, da er durch das ganze Stük
+vergessen hat, daß sie Athenienser sind.}
+
+(Timon kommt aus seiner Höle hervor.)
+
+Mein theurester Herr.
+
+Timon.
+Weg! Wer bist du?
+
+Flavius.
+Habt ihr mich vergessen, mein Herr?
+
+Timon.
+Wie magst du fragen? Ich habe alle Menschen vergessen; wenn du also
+gestehen mußt, das du ein Mensch bist, so hab ich dich vergessen.
+
+Flavius.
+Ein ehrlicher Diener--
+
+Timon.
+So kenn ich dich nicht: ich habe niemals ehrliche Leute um mich
+gehabt; alle die ich hatte waren Spizbuben, um Galgenschwengeln
+beym Essen aufzuwarten.
+
+Flavius.
+Die Götter sind Zeugen, daß niemals ein armer Verwalter einen
+aufrichtigern Schmerz für seinen zu Grunde gerichteten Herrn
+gefühlt hat, als meine Augen für euch.
+
+(Er weint.)
+
+Timon.
+Wie? weinst du? Komm näher, so will ich dich denn lieben, weil du
+ein Weib bist; du kanst aus Mitleiden weinen; das kan das
+kieselsteinerne Herz des männlichen Geschlechts nicht; wenn ihre
+Augen übergehen, so geschieht es vor Lachen oder böser Lust.
+
+Flavius.
+Ich bitte euch, mein gütiger Herr, mich nicht abzuweisen, und mir
+zu verstatten, daß ich euern Kummer theile, und so lange dieser
+arme Reichthum daurt,
+
+(er zeigt ihm einen Beutel mit Geld,)
+
+euer Verwalter bleibe.
+
+Timon.
+Hatt' ich einen Verwalter, der so getreu, so redlich, und nun so
+hülfreich ist? Diß könnte mein verwildertes Gemüth beynahe zahm
+machen. Laß mich dein Gesicht sehen; wahrlich, dieser Mann ist von
+einem Weibe gebohren. Verzeihet mir mein allgemeines, keine
+Ausnahme machendes, zu rasches Urtheil, ihr unsterblichen, weisen
+Götter! Ich gestehe nun einen ehrlichen Mann zu; verstehet mich wol,
+nur Einen; keinen mehr, ich bitte euch; und der einzige ist ein
+Verwalter! Wie gerne wollt' ich das ganze Menschen-Geschlecht
+gehasset haben, und du kaufst dich los; doch alle andre, dich
+ausgenommen, mögen meine Flüche treffen! Mich däucht, du seyest
+mehr ehrlich als klug; denn, wenn du mich betrogen und verrathen
+hättest, so hättest du desto bälder eine andre Bedienstung erhalten
+können; viele kommen auf diese Art zu ihren zweyten Herren, auf
+ihres ersten Herrn Naken. Aber sage mir aufrichtig, (denn ich muß
+immer zweifeln, ob ich gleich niemals weniger Ursach dazu hatte;)
+ist nicht diese deine Zärtlichkeit listig und eigennüzig, eine
+wuchernde Zärtlichkeit, wie reiche Leute Geschenke machen, um
+zwanzig mal so viel dafür zurük zu bekommen?
+
+Flavius.
+Nein, mein würdiger Herr, (in dessen Brust Zweifel und Argwohn, ach
+leider! zu spät Plaz nehmen;) ihr hättet falsche Freundschafts-
+Versicherungen vermuthen sollen, da ihr Bankette gabt. Das was ich
+euch zeige, der Himmel weiß es, ist lauter Liebe, Pflicht und
+Ergebenheit gegen ein Herz, das seines gleichen nicht hat, Sorge
+für euern Unterhalt und euer Leben; und glaubt mir, es ist kein
+Vortheil weder gegenwärtig, noch den ich hoffen könnte, den ich
+nicht um diesen einzigen Wunsch vertauschen wollte, euch wieder in
+Glük und Wohlstand zu sehen.
+
+Timon.
+Gut, ich glaube dir, es ist so; du einzelner ehrlicher Mann, hier,
+nimm.
+
+(Er giebt ihm einen Sak mit Gold.)
+
+Die Götter haben dir aus meinem Elend einen Schaz zugeschikt. Geh,
+lebe reich und glüklich; aber mit dieser Bedingung, daß du von den
+Menschen abgesondert wohnen sollst. Haß' alle, verwünsch' alle,
+thue keinem Gutes; laß einem Bettler eh sein verhungertes Fleisch
+von den Knochen fallen, eh du ihm ein Almosen gäbest. Gieb den
+Hunden, was du den Menschen versagst. Daß Gefängnisse sie
+verschlingen, daß sie in Schulden verderben, daß die Menschen einem
+verdorrten Walde gleich sehen, und verpestete Krankheiten ihr
+falsches Blut aufleken! Und hiemit lebe wohl, und gedeyhe!
+
+Flavius.
+O laßt mich bey euch bleiben, mein gütiger Herr, und euch
+unterstüzen --
+
+Timon.
+Wenn du meinem Fluch ausweichen willst, so säume dich nicht, flieh;
+flieh, weil du noch gesegnet und frey bist. Sieh du keinen Menschen
+mehr, und laß dich nimmer vor mir sehen.
+
+(Sie gehen auf verschiedne Seiten ab.)
+
+
+
+Zweyte Scene.
+(Der Poet und der Makler treten auf.)
+
+
+Mahler.
+Nach der Erkundigung, die ich von dem Ort eingezogen habe, kan er
+nicht weit von hier sich aufhalten.
+
+Poet.
+Was soll man von ihm denken? bestättigt sich das Gerücht, daß er
+soviel Gold haben soll?
+
+Mahler.
+Er hat; Alcibiades erzählt es, Phrynia und Timandra haben Gold von
+ihm bekommen; er schenkt' auch etlichen armen verlaufenen Soldaten
+eine grosse Menge davon. Man sagt, er gab seinem Verwalter eine
+starke Summe.
+
+Poet.
+So war folglich diese Bankrutt nur eine Prüfung seiner Freunde.
+
+Mahler.
+Nichts anders; ihr werdet ihn bald in Athen unter den Ersten wieder
+glänzen sehen. Es wird also nicht übel gethan seyn, wenn wir ihm in
+dem Unglüks-Stand', worinn man ihn versunken glaubt, unsre
+Freundschaft bezeugen; es wird uns das Ansehen eines edelmüthigen
+Betragens geben; und es ist sehr wahrscheinlich, daß es uns zu
+unserm Zwek führen wird, wenn es wahr ist, daß er so reich seyn
+soll.
+
+Poet.
+Was habt ihr bey euch, womit ihr ihm aufwarten wollet?
+
+Mahler.
+Nichts für dißmal als meinen Besuch; allein ich will ihm ein
+vortrefliches Stük versprechen.
+
+Poet.
+Ich will ihn auf die nemliche Art bedienen.
+
+Mahler.
+So ist's am besten. Versprechen öffnet das Auge der Erwartung, und
+macht sich oft für etwas, das niemals gehalten wird, zum voraus
+bezahlt. Halten ist allemal der Narr in seinem eignen Spiel; sobald
+ein Versprechen gehalten ist, so nüzt es, ausser bey der
+einfältigern Art von Leuten, dem Geber nichts mehr. Versprechen ist
+hofmännisch, und ein Stük von der feinen Lebensart; Halten ist eine
+Art von leztem Willen oder Testament, welches bey dem, der es macht,
+eine grosse Krankheit--am Verstand anzeigt. (Timon kommt, ohne daß
+ihn die vorigen Personen gewahr werden, aus der Höle hervor.)
+
+Timon (vor sich.)
+Vortreflicher Künstler! du kanst keinen so schlechten Kerl mahlen
+als du selbst bist.
+
+Poet.
+Ich besann' mich, was ich sagen will, das ich für ihn in der Arbeit
+habe--Es muß eine Vorstellung von ihm selbst seyn; eine Satyre über
+die Weichlichkeit, die eine Folge des Wohlstands zu seyn pflegt;
+mit einer Entdekung der unendlichen Schmeicheleyen, die das Gefolge
+von Jugend und Reichthum sind.
+
+Timon.
+Must du dich dann in deinem eignen Werk als einen Nichtswürdigen
+abschildern? Willt du deine eigne Laster auf andrer Leute Rüken
+peitschen? Thue es, ich habe Gold für dich.
+
+Poet.
+Wir wollen ihn aufsuchen.
+
+Wer einen Vortheil einzuholen
+Zu spät kommt, hat sich selbst bestohlen.
+
+Mahler.
+Ihr habt recht.
+
+Poet.
+Such', was dir fehlt, bey Tag, der unbezahlt dir scheint;
+Die Nacht im schwarzen Flor ist niemands Freund.
+
+Kommt!
+
+Timon.
+Ich will euch beym Umkehren entgegen kommen--Was für ein Gott ist
+Gold, daß er in Tempeln verehrt wird, die verächtlicher sind als
+die Oerter, wo Schweine ihre Speise suchen. Du bist es der das
+Schiff ausrehdet, und die beschäumten Wellen pflügt; du verschaffst
+dem Sclaven Bewundrung und Ehrfurcht; niemals möge dein Dienst
+abnehmen, und verderbliche Plagen sollen deine Anbeter umkränzen!--
+Izt ist es Zeit, ihnen entgegen zu kommen.
+
+Poet.
+Heil dir, würdiger Timon.
+
+Mahler.
+Einst unser edler Gebieter.
+
+Timon.
+Wie, erleb' ich es, noch zween ehrliche Männer zu sehen?
+
+Poet.
+Mein Herr, da wir so viel Gutes von euch genossen haben, und
+vernehmen mußten, daß ihr euch entfernt, und daß alle eure Freunde
+abgefallen, für deren undankbare Gemüther--(oh,
+verabscheuungswürdige Seelen!) alle Ruthen des Himmels nicht
+hinreichend sind--Was? von euch? dessen Stern-gleiche Großmuth
+Leben und Einflüsse ihrem ganzen Wesen gab? Ich komme ganz ausser
+mich, und kan keine Worte groß genug finden, die ungeheure Grösse
+dieser Undankbarkeit darein zu kleiden.
+
+Timon.
+Laßt sie nakend gehen, so sehen die Leute sie desto besser; ihr,
+die ihr ehrliche Männer seyd, macht durch das, was ihr seyd, das
+was sie sind am besten sichtbar.
+
+Mahler.
+Er und ich haben in dem grossen Regen eurer Freygebigkeit gereißt,
+und ihn auf eine angenehme Art empfunden.
+
+Timon.
+Ja, ihr seyd ehrliche Männer.
+
+Mahler.
+Wir sind hieher gekommen, euch unsre Dienste anzubieten.
+
+Timon.
+Sehr ehrliche Männer! Wie kan ich's euch wett machen? Könnt ihr
+Wurzeln essen, und kaltes Wasser trinken? Nein.
+
+Beyde.
+Wir wollen thun, was wir nur immer können, um euch Dienste zu
+leisten.
+
+Timon.
+Ihr seyd ehrliche Männer; ihr habt gehört, daß ich Gold habe; ich
+bin versichert, ihr habt's gehört; sagt die Wahrheit, ihr seyd
+ehrliche Männer.
+
+Mahler.
+So sagt man, mein edler Lord; allein deßwegen kam ich und mein
+Freund nicht hieher.
+
+Timon.
+Guter ehrlicher Mann; du mahlst das beste Portrait unter allen
+Mahlern in Athen; du bist, in der That, der beste; du mahlst
+vortreflich nach dem Leben.
+
+Mahler.
+So, so, Gnädiger Herr.
+
+Timon.
+Eben so, mein Herr, wie ich sagte.
+
+(Zum Poet.)
+
+Und was deine Gedichte betrift, deine Verse fliessen so voll und
+lieblich, daß du in deiner Kunst eben so natürlich bist. Allein
+eben darum, meine ehrlich-gesinnten Freunde, muß ich euch sagen,
+ihr habt einen kleinen Fehler; der aber in der That euch nicht sehr
+entstellt; auch wünscht' ich nicht, daß ihr euch grosse Mühe gäbet,
+ihn zu verbessern.
+
+Beyde.
+Wir bitten Euer Gnaden ihn uns bekannt zu machen.
+
+Timon.
+Ihr möchtet es übel aufnehmen.
+
+Beyde.
+Mit höchstem Dank, Gnädiger Herr.
+
+Timon.
+Ist das euer Ernst?
+
+Beyde.
+Zweifelt nicht daran, Milord.
+
+Timon.
+Es ist niemals einer von euch allein, ohne sich einem Spizbuben
+anzuvertrauen, der euch gewaltig hinter's Licht führt.
+
+Beyde.
+Thun wir das, Gnädiger Herr?
+
+Timon.
+Das thut ihr, und ihr hört seine Schmeicheleyen; seht wie er sich
+verstellt, kennt seine groben Schelmstüke, und doch liebt ihr ihn,
+gebt ihm zu essen, und tragt ihn in euerm Busen; aber seyd
+versichert, er ist ein ausgemachter Spizbube.
+
+Mahler.
+Ich kenne keinen solchen, Gnädiger Herr.
+
+Poet.
+Noch ich.
+
+Timon.
+Schaut ihr, ihr seyd mir lieb, ich will euch Gold geben, wenn ihr
+mir diese Schelmen aus eurer Gesellschaft ausstossen wollt; hängt
+sie oder erstecht sie, gebt ihnen Gift ein, oder schaft sie sonst
+auf eine Art aus der Welt, und kommt wieder zu mir, so will ich
+euch Gold genug geben.
+
+Beyde.
+Nennet sie, Gnädiger Herr, wir möchten sie kennen.
+
+Timon.
+Geht ihr auf diese Seite, und ihr auf diese--Aber es sollte jeder
+allein seyn--wenn jeder von euch ganz allein und einzeln ist, so
+hält ihm doch ein Erz-Spizbube Gesellschaft.
+
+(Zum Mahler.)
+
+Wenn da wo du bist, nicht zween Spizbuben seyn sollen, so komm ihm
+nie zu nah--
+
+(Zum Poet.)
+
+Wenn du nirgends seyn willt, als wo nur ein Spizbube ist, so
+verlaß ihn. Fort, pakt euch, hier ist Gold;
+
+(Er giebt ihnen Schläge.)
+
+ihr kamet um Gold zu kriegen, ihr Sclaven; ihr habt Arbeit für
+mich;--hier ist eure Bezahlung--Fort--Ihr seyd ein Alchymist, macht
+Gold aus diesem; fort, ihr Lumpenhunde!
+
+(Er prügelt sie, und jagt sie fort.)
+
+
+
+Dritte Scene.
+(Flavius und zween Senatoren treten auf.)
+
+
+Flavius.
+Es ist umsonst, wenn ihr den Timon sprechen wollt; denn er ist so
+gänzlich auf sich allein eingeschränkt, daß er nichts was einem
+Menschen gleich sieht, ausser sich selbst, um sich leiden kan.
+
+1. Senator.
+Führt uns zu seiner Höle; es ist unser Auftrag, und wir haben uns
+den Atheniensern dazu verpflichtet, mit Timon zu reden.
+
+2. Senator.
+Die Menschen sind nicht zu allen Zeiten gleich; Umstände und Kummer
+haben ihm diesen Humor gegeben; die Zeit, die ihm nun die
+Glükseligkeiten seiner ehmaligen Tage wieder anbietet, kan ihn
+wieder zu dem vorigen Mann machen; führt uns zu ihm, es mag gehen
+wie es will.
+
+Flavius.
+Hier ist seine Höle! Fried' und Zufriedenheit wohne hier, Lord
+Timon! Timon, schaue heraus, und rede mit Freunden; die Athenienser
+grüssen dich durch zwey Mitglieder ihres höchst ehrwürdigen Senats;
+rede mit ihnen, edler Timon. (Timon kommt aus seiner Höle heraus.)
+
+Timon.
+Du Sonne, anstatt zu erquiken, brenne!--Redet, und dann geht an den
+Galgen! wenn ihr für jedes wahre Wort eine Blatter kriegtet, und
+für jedes falsche bis auf die Wurzel eurer Zunge gebrannt würdet,
+so würd' euer Vortrag nicht lange dauern.
+
+1. Senator.
+Würdiger Timon--
+
+Timon.
+Ja, solcher Leute würdig wie ihr seyd, und ihr des Timons.
+
+2. Senator.
+Die Senatoren von Athen grüssen dich, Timon.
+
+Timon.
+Ich dank' ihnen, und wollt' ihnen die Pest dafür zurük schiken,
+wenn ich sie kriegen könnte.
+
+1. Senator.
+O vergiß dessen, an was wir selbst ohne Schaam und Kummer nicht
+denken können; die Senatoren ruffen dich mit einhelliger
+Freundschaft nach Athen zurük, und sind darauf bedacht, dich mit
+den ansehnlichsten Ehrenstellen zu überhäuffen, die für dich
+erledigt ligen.
+
+2. Senator.
+Sie bekennen, daß ihre Unachtsamkeit auf deine Verdienste zu
+allgemein, zu groß gewesen; die ganze Republik, (die sonst selten
+Palinodien zu singen pflegt,) hat durch das Gefühl, wie sehr ihr
+Timon mangelt, eine lebhafte Empfindung von dem Unrecht bekommen,
+das sie sich selbst angethan, indem sie dem Timon ihren Beystand
+entzogen; und sendet uns nun, dir darüber ihre reuvolle Bekümmerniß
+zu bezeugen, und dir zugleich einen Ersaz anzubieten, den ihr
+Vergehen nicht um eine Drachme überwiegen soll; ja so überhäufte
+Summen von Liebe, Ansehn und Reichthum, daß sie jede Spur der
+vergangnen Kränkungen in deinem Andenken auslöschen, und die
+Figuren ihrer Liebe so tief in dich eindrüken sollen, daß sie auf
+ewig unauslöschlich dauern werden.
+
+Timon.
+Ihr bezaubert mich, überrascht mich durch eure Beredsamkeit beynahe
+zu Thränen; leiht mir eines Narren Herz, und die Augen eines Weibs,
+so will ich über diese tröstlichen Sachen weinen, würdige Senatoren.
+
+1. Senator.
+Laß dir also gefallen mit uns zurük zu kehren, und die Ober-
+Befehlhabers-Stelle über unser Athen, dein und unser Athen,
+anzunehmen: Du sollt mit allgemeinen Dankbezeugungen eingeholt, und
+mit dem völligen Ansehn der höchsten Gewalt bekleidet werden; so
+werden wir bald die wilden Anfälle des Alcibiades zurük getrieben
+haben, der izt, wie ein ergrimmter Bär, den Frieden seines
+Vaterlands aufwühlt,
+
+2. Senator.
+und sein dräuendes Schwerdt gegen die Mauern von Athen gezükt hält.
+
+1. Senator.
+Daher, Timon--
+
+Timon.
+Gut, mein Herr, ich will; daher will ich, mein Herr; so, nemlich--
+Wenn Alcibiades meine Landsleute umbringt, so laßt den Alcibiades
+vom Timon dieses wissen, daß Timon sich nichts darum bekümmert.
+Wenn er das schöne Athen zu einem Steinhauffen macht, wenn er eure
+wakern alten Männer bey den Bärten zieht, und eure keuschen
+Jungfrauen der Beflekung des schaamlosen, viehischen, wüthenden
+Kriegs Preiß giebt, so laßt ihn wissen--und sagt ihm, Timon hab' es
+gesagt--Aus Mitleiden mit euern Alten und mit eurer Jugend kan ich
+nicht anders als ihm sagen lassen, daß ich--nichts darnach frage.
+Und laßt es ihn im schlimmsten Sinn nehmen als er will, denn ihre
+Messer fragen auch nichts darnach, daß ihr Gurgeln zum Antworten
+habt. Was mich selbst betrift, so ist in seinem ganzen zaumlosen
+Lager kein so kleines Taschen-Messer, das ich nicht höher schäze
+und liebe, als die ehrwürdigste Gurgel in Athen. Und hiemit überlaß
+ich euch der Obhut der Götter, wie Diebe ihren Hütern.
+
+Flavius.
+Bleibet nicht länger, es ist alles umsonst.
+
+Timon.
+Wie, ich war eben im Begriff, meine Grabschrift zu schreiben;
+morgen wird man sie sehen können. Meine lange Krankheit an
+Gesundheit und Leben fängt an sich zu bessern, und Nichts bringt
+mir Alles.--Geht, lebt immerhin; Alcibiades sey eure Geissel, ihr
+die seinige; und so daurt einander aus, so lang es möglich ist!
+
+1. Senator.
+Alles, was wir reden könnten ist umsonst.
+
+Timon.
+Und doch lieb' ich mein Vaterland noch; und bin keiner, der an dem
+allgemeinen Schiffbruch seine Freude hat, wie die Sage von mir geht.
+
+1. Senator.
+Das ist wol gesprochen.
+
+Timon.
+Empfehlt mich meinen werthesten Mitbürgern.
+
+1. Senator.
+Das sind Worte, die euern Lippen wol anstehen!
+
+2. Senator.
+Und in unsre Ohren, wie triumphierende Sieger durch ihre
+zujauchzenden Thore, eingehen.
+
+Timon.
+Empfehlt mich ihnen, und sagt ihnen, um ihnen in ihren bekümmerten
+Umständen, ihrer Furcht vor feindlichen Streichen, ihren Drangsalen,
+ihrem grossen Verlust, ihren Liebes-Aengsten, und andern
+dergleichen zufälligen Wehen, die das zerbrechliche Gefäß der
+menschlichen Natur in der ungewissen Reise des Lebens auszustehen
+hat, einige Linderung zu verschaffen, woll' ich ihnen noch eine
+Probe von meiner gütigen Gemüthsart geben, und ihnen ein Mittel
+sagen, wodurch sie dem Grimm des Alcibiades zuvorkommen können.
+
+2. Senator (leise.)
+Das geht ganz gut; er wird mit uns zurük kommen.
+
+Timon.
+Ich habe einen Baum, der hier in meinem Einfang wächßt, und den ich
+zu meinem eignen Gebrauch nächstens fällen muß. Sagt meinen
+Freunden, den Atheniensern, allen ohne Ausnahm, von dem Höchsten
+bis zum Niedrigsten; daß ein jeder der Lust habe, allem seinem Leid
+ein Ende zu machen, unverzüglich hieher kommen, und eh noch mein
+Baum die Axt gefühlt hat, sich daran aufhängen soll--Ich bitte euch,
+richtet es wohl aus.
+
+Flavius.
+Beunruhigt ihn nicht länger, ihr werdet ihn nie anders finden.
+
+Timon.
+Kommt nicht wieder zu mir, sondern sagt den Atheniensern: Timon
+habe seine immerwährende Wohnung an dem äussersten Strande der
+gesalznen Fluth genommen, wo die ungestümen Wellen sie alle Tage
+einmal mit ihrem schwellenden Schaum bedeken werden. Dahin kommt,
+und laßt meinen Grabstein euer Orakel seyn. Schliesset euch nun,
+meine Lippen, und macht euern Verwünschungen ein Ende; Pest und
+Verderben vollende, was ihr vergessen habt; Gräber allein seyen der
+Menschen Arbeit, und Tod ihr Gewinn! Sonne, verbirg deine Stralen!
+Timon hat seinen Lauf vollbracht.
+
+(Timon geht ab.)
+
+1. Senator.
+Sein Unwille und Gram ist auf eine unzertrennliche Art mit seinem
+Wesen zusammengewachsen.
+
+2. Senator.
+Unsre Hoffnung auf ihn ist todt; laßt uns zurük kehren, und sehen,
+was für andre Mittel uns in dieser äussersten Gefahr noch übrig
+sind.
+
+1. Senator.
+Wir haben keinen Augenblik zu versäumen.
+
+
+
+Vierte Scene.
+(Die Mauern von Athen.)
+(Zween andre Senatoren mit einem Boten treten auf.)
+
+
+1. Senator (zum Bot.)
+Du hast grosse Mühe bey deiner Auskundschaftung gehabt; sind denn
+seine Linien so voll wie man sagt?
+
+Bote.
+Ich habe die geringste Zahl angegeben; zudem, so macht er Anstalten,
+unmittelbar vor die Stadt anzurüken.
+
+2. Senator.
+Wir sind in grosser Gefahr, wenn sie den Timon nicht mit sich
+bringen.
+
+Bote.
+Ich begegnete unterwegs einem Courier, einem alten guten Freund von
+mir; wir sind zwar von entgegenstehenden Partheyen; allein unsre
+alte Liebe hatte doch Stärke genug, zu machen, daß wir wie gute
+Freunde mit einander sprachen. Dieser Mann war in Eile von
+Alcibiades nach Timons Höle abgeschikt mit Briefen, worinn er ihn
+einlud, seine Parthey wider eure Stadt zu verstärken, um so mehr
+als das Unrecht, so dem Timon angethan worden, eine von den
+Ursachen sey, die ihn in Waffen gesezt habe. (Andre Senatoren zu
+den Vorigen.)
+
+1. Senator.
+Hier kommen unsre Brüder.
+
+3. Senator.
+Redet nicht von Timon, erwartet nichts von ihm; man hört schon die
+Trummeln der Feinde, und das fürchterliche Stampfen ihrer Tritte
+füllt die Luft mit Staub. Hinein, und macht euch gefaßt; ich
+besorge, unsre Gegenwehr werde wenig helfen.
+
+(Sie gehen ab.)
+
+(Ein Soldat geht in den Wald hinein, und sucht den Timon.)
+
+Soldat.
+Der Beschreibung nach muß dieses der Ort seyn. Wer ist hier?
+Antworte! he! Keine Antwort?--was ist diß?--ha! Timon todt
+ausgestrekt? Irgend ein wildes Thier muß dieses Grabmal aufgewühlt
+haben, denn hier lebt kein Mensch. Er ist todt, so ist's, und diß
+ist sein Grab--Was ist auf diesem Stein? Ich kan nicht lesen; aber
+ich will die Schrift in Wachs abdruken; unser General versteht
+alles, er ist alt an Wissenschaft, obgleich jung an Tagen; anstatt
+ihm seinen Freund zu bringen, bring ich ihm seine Grabschrift.
+
+(Er geht ab.)
+
+
+
+Fünfte Scene.
+(Vor den Mauern von Athen.)
+(Trompeten. Alcibiades zieht mit seinem Heer auf.)
+
+
+Alcibiades.
+Verkündigt dieser feigen und von Wollust aufgelösten Stadt unsre
+fürchterliche Ankunft.
+
+(Man hört Schamade schlagen.
+Die Senatoren lassen sich auf den Mauern sehen.)
+
+Bis izt habt ihr ohne Scheu euerm ausschweiffenden Uebermuth den
+Zügel gelassen, und eure Willkühr zum Zwek der Geseze gemacht.
+Lange genug sind ich und andre, die im Schatten eurer Gewalt
+schliefen, mit verkehrten Waffen, wie Nachtwandrer, herumgeirret,
+und haben unsre Bedrükung umsonst in Klagen ausgehaucht. Nun ist
+die Zeit gekommen, da das überladne Mark unter der übermässigen
+Last ausruft: Es ist genug*; nun soll die keuchende Beleidigung
+sich in eure grosse Lehnstühle werfen, und ausschnauben; und der
+aufgeschwollne Uebermuth vor Angst allen seinen Wind fahren lassen,
+und mit emporsträubenden Haaren davon lauffen.
+
+{ed.-* Das Mark wurde für die Quelle der Stärke gehalten. Das Bild ist
+von einem Cameel hergenommen, welches auf den Knien ligt, um seine
+Last aufzunehmen; und gleich aufsteht, wenn man ihm mehr auflegen
+will, als es tragen kan. Warbürton.}
+
+1. Senator.
+Edler Jüngling, da deine ersten Beschwerden nur noch Gedanken waren,
+eh du Macht hattest oder wir Ursache hatten dich zu fürchten;
+sandten wir zu dir, deinen Zorn zu besänftigen, und versprachen,
+unsre Undankbarkeit mit überschwänglicher Liebe auszulöschen.
+
+2. Senator.
+Wir hielten auch durch eine demüthige Gesandtschaft, und mit
+versprochner Besserung, bey dem verwandelten Timon an, unsrer Stadt
+seine Liebe wieder zu schenken; wir sind nicht alle undankbar, und
+verdienen nicht alle unter dem allgemeinen Streich des Krieges zu
+sinken.
+
+1. Senator.
+Diese unsre Mauern sind nicht von den Händen derjenigen aufgeführt
+worden, von denen ihr Beleidigungen empfangen habt; und es wäre
+nicht billig, daß diese schönen Thürme, diese Tropheen und diese
+Schulen, um der Missethat etlicher Privatleute willen fallen
+sollten.
+
+2. Senator.
+Diejenigen sind nicht einmal mehr am Leben, deren Bestraffung der
+erste Beweggrund euers Auszugs war. Schaam und Verdruß über die
+Folgen ihrer Unbesonnenheit hat ihnen das Herz gebrochen. Ziehe nur,
+o edler Lord, mit fliegenden Fahnen in unsre Stadt ein; laß, wenn
+deine Rache nach einer Nahrung hungert, wovor der Natur grauet, laß
+durch das fatale Loos den zehnten Mann sterben, und schone der
+übrigen.
+
+1. Senator.
+Nicht alle haben gesündiget; es ist nicht billig, an den
+Unschuldigen die Rache zu nehmen, die nur die Schuldigen verdient
+haben. Verbrechen werden nicht mit den Gütern geerbt. Führ' also,
+theurer Mitbürger, deine Schaaren herein, aber laß deinen Zorn
+voraussen; schone deiner Atheniensischen Wiege, und dieser
+Geschlechter, die in dem Ungestüm deines Grimms mit denen, so
+gesündigt haben, fallen müßten. Komm, gleich einem Schäfer, in die
+Hürden, um die angestekten auszusondern, nicht alle zusammen zu
+erwürgen.
+
+2. Senator.
+Wozu willst du dein Schwerdt wieder uns ziehen, da du uns durch
+dein Lächeln leichter zu allem was du willst, zwingen kanst?
+
+1. Senator.
+Seze nur deinen Fuß gegen unsre verrigelten Thore, und sie sollen
+sich öffnen, wenn du dein gütiges Herz vorausschiken willst, uns zu
+versichern, daß du als Freund einziehen werdest.
+
+2. Senator.
+Zieh deinen Handschuh, oder gieb uns ein andres Pfand deines
+Ehrenworts, daß du deine Macht nur zu deiner eignen
+Wiederherstellung, nicht zu unsrer Zerstörung, gebrauchen wollest;
+alle deine Kriegsschaaren sollen so lange in unsern Mauern ligen
+bleiben, biß deinen Fordrungen völlig genug geschehen seyn wird.
+
+Alcibiades.
+So ist dann hier mein Handschuh. Steigt herab, und öffnet eure
+wehrlosen Thore; diese Feinde des Timon und die meinige, deren
+Verurtheilung euch selbst übergeben seyn soll, diese allein sollen
+fallen; und euch zu zeigen, daß ihr von meinen edlern Gesinnungen
+nichts zu besorgen habt, so soll keiner von meinen Leuten sein
+angewiesenes Quartier überschreiten, oder den Lauf der bürgerlichen
+Ordnung in den Bezirken eurer Stadt stören, ohne von den
+öffentlichen Gesezen zur schärfsten Verantwortung gezogen zu werden.
+
+Beyde.
+Diß ist sehr edel gesprochen.
+
+Alcibiades.
+Kommet herab, und haltet euer Wort. (Ein Soldat tritt auf.)
+
+Soldat.
+Mein edler Obrister, Timon ist todt; an dem äussersten Ufer des
+Meers ist sein Grab, und auf dem Grabstein diese Aufschrift, die
+ich in Wachs mit mir genommen habe, damit dieser Abdruk der
+Dolmetscher meiner armen Unwissenheit sey.
+
+Alcibiades (ließt die Grabschrift:)
+
+Hier ligt ein unglüklicher Leichnam, von einer
+unglüklichen Seele verlassen; sucht meinen Namen nicht! Verderben
+über euch Bösewichter alle, die ich hinter mir lasse! Hier ligt
+Timon, der alle Menschen hassete; geh' vorbey, und fluch' ihm bis
+du genug hast, nur verweile dich nicht hier. Dieses drükt die
+lezten Bewegungen deiner Seele wohl aus; ob du gleich unser
+menschliches Mitleid verabscheuet, und die Thränen verschmähest,
+die der kargen Natur entfallen; so lehrte dich doch ein edler Stolz,
+den ungeheuern Neptun für ewig auf dein niedriges Grab weinen zu
+lassen--Wohlan--die Fehler sollen vergeben seyn--Der edle Timon ist
+todt; und sein Gedächtniß soll eine unsrer Sorgen seyn--Führt mich
+in eure Stadt, und ich will mein Schwerdt mit Oelzweigen umwinden!--
+Rührt die Trummeln, und rükt ein--
+
+(Sie ziehen ab.)
+
+
+Timon von Athen, von William Shakespeare
+(Übersetzt von Christoph Martin Wieland).
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Timon von Athen, by William Shakespeare
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK TIMON VON ATHEN ***
+
+This file should be named 7226-8.txt or 7226-8.zip
+
+Project Gutenberg eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US
+unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+We are now trying to release all our eBooks one year in advance
+of the official release dates, leaving time for better editing.
+Please be encouraged to tell us about any error or corrections,
+even years after the official publication date.
+
+Please note neither this listing nor its contents are final til
+midnight of the last day of the month of any such announcement.
+The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at
+Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A
+preliminary version may often be posted for suggestion, comment
+and editing by those who wish to do so.
+
+Most people start at our Web sites at:
+https://gutenberg.org or
+http://promo.net/pg
+
+These Web sites include award-winning information about Project
+Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new
+eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!).
+
+
+Those of you who want to download any eBook before announcement
+can get to them as follows, and just download by date. This is
+also a good way to get them instantly upon announcement, as the
+indexes our cataloguers produce obviously take a while after an
+announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter.
+
+http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or
+ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03
+
+Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90
+
+Just search by the first five letters of the filename you want,
+as it appears in our Newsletters.
+
+
+Information about Project Gutenberg (one page)
+
+We produce about two million dollars for each hour we work. The
+time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours
+to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright
+searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our
+projected audience is one hundred million readers. If the value
+per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2
+million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text
+files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+
+We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
+If they reach just 1-2% of the world's population then the total
+will reach over half a trillion eBooks given away by year's end.
+
+The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks!
+This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
+which is only about 4% of the present number of computer users.
+
+Here is the briefest record of our progress (* means estimated):
+
+eBooks Year Month
+
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+ 10 1991 January
+ 100 1994 January
+ 1000 1997 August
+ 1500 1998 October
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