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diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..6833f05 --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,3 @@ +* text=auto +*.txt text +*.md text diff --git a/7323-8.txt b/7323-8.txt new file mode 100644 index 0000000..b76cb90 --- /dev/null +++ b/7323-8.txt @@ -0,0 +1,4354 @@ +The Project Gutenberg EBook of Leben und Tod Konigs Richard des zweyten +by William Shakespeare +#15 in our series by William Shakespeare + +Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the +copyright laws for your country before downloading or redistributing +this or any other Project Gutenberg eBook. + +This header should be the first thing seen when viewing this Project +Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the +header without written permission. + +Please read the "legal small print," and other information about the +eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. 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Das Projekt ist unter der Internet-Adresse +http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. + + + + +Leben und Tod Königs Richard des zweyten. + +William Shakespeare + +Ein Trauerspiel. + +Übersetzt von Christoph Martin Wieland + + +Personen. + +König Richard der Zweyte. +Herzog von York. +Johann von Gaunt, Herzog von Lancaster. +Bolingbroke, Sohn des Johann von Gaunt, und nachmals König +Heinrich der Vierte. +Aumerle, Sohn des Herzogs von York. +Mowbray, Herzog von Norfolk. +Graf von Salisbury. +Lord Berkley. +Buschy, Bagot und Green, Diener des Königs Richard. +Graf von Northumberland, Lord Percy, dessen Sohn, Roß und +Willougby, Bolingbroks Freunde. +Bischoff von Carlisle und Sir Stephan Scroop, Freunde des Königs +Richard. +Fizwater, Surry, Abbt von Westminster und Sir Pierce von Exton, +Herren vom Parlament. +Die Königin, König Richards Gemalin. +Die Herzogin von Glocester. +Die Herzogin von York. +Hofdamen der Königin. +Herolde, zween Gärtner, ein Kammerdiener, ein Hüter, ein Bote, und +andre stumme Personen. + +Der Schauplaz ist in verschiednen Theilen von England. + + + + +Erster Aufzug. + + + +Erste Scene. +(Der Hof.) +(König Richard, Johann von Gaunt, Lords und Gefolge treten auf.) + + +König Richard. +Johann von Gaunt, Herzog von Lancaster, ehrenvoller Greis; hast du, +deinem Eid und deiner Pflicht gemäß, Heinrichen von Herford, deinen +kühnen Sohn anhergebracht, um jene Anklage zu behaupten, die er +unlängst gegen Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk angebracht, und +die wir damals anzuhören keine Musse hatten? + +Gaunt. +Ich habe ihn hieher gebracht, Gnädigster Herr. + +König Richard. +So sage mir dann ferner: Hast du nicht von ihm erforscht, ob es nur +ein alter eingewurzelter Groll gegen seine Person ist, was ihn zu +dieser Klage angetrieben; oder die pflichtmäßige Treue eines guten +Unterthanen, um einen geheimen Verräther in Mowbray zu entlarven? + +Gaunt. +So viel als ich von ihm über diese Sache herausbringen konnte, so +ist es kein Privat-Groll, sondern die vermeynte Entdekung einer +über Eurer Hoheit schwebenden Gefahr. + +König Richard. +So ruffe man sie dann vor unsre Gegenwart; wirs selbst wollen, +Stirne gegen Stirne, den Kläger und den Beklagten reden hören: Sie +sind beyde von sehr feuriger Gemüths-Art, beyde voll Grimms; in +ihrer Wuth beyde taub wie die See, und rasch wie Feuer. + + + +Zweyte Scene. +(Bolingbroke und Mowbray zu den Vorigen.) + + +Bolingbroke. +Möge eine lange Reyhe von Jahren, voll glüklicher Tage, meinem +gnädigsten und geliebtesten Oberherrn bestimmt seyn! + +Mowbray. +Und jeder Tag die Glükseligkeit des vorigen vermehren, bis der +Himmel, der Erde soviel Glük mißgönnend, das Vorrecht der +Unsterblichkeit zu eurer Crone hinzuthut. + +König Richard. +Wir danken euch beyden; obgleich die Sache selbst, weßwegen ihr vor +uns erschienen seyd, ein Beweis ist, daß uns einer von beyden +schmeichelt. Vetter von Hereford, sage, was für Vorwürfe gegen den +Herzog von Norfolk, Thomas Mowbray, hast du anzubringen? + +Bolingbroke. +So wisset dann vor allen Dingen, Gnädigster König, und der Herr sey +meiner Reden Zeuge! daß ich aus Antrieb der pflichtmäßigen Liebe +eines getreuen Unterthanen, aus zärtlicher Sorge für die Erhaltung +meines Fürsten, frey von Groll, Rachgier oder andrer unächter +Absicht, als Ankläger hieher in seine königliche Gegenwart gekommen +bin. Nun, Thomas Mowbray, wend' ich mich zu dir, und horche wol +auf meinen Gruß; denn was ich reden werde, wird entweder dieser Arm +auf Erden erproben, oder meine unsterbliche Seele im Himmel +verantworten. So sag' ich dann: Du bist ein Verräther und Rebell, +zu gut, ein solcher zu seyn, und zu schlimm, beym Leben zu bleiben; +denn je schöner und crystallner der Himmel ist, desto häßlicher +sehen die Wolken aus, die ihn befleken. Noch einmal, das Gewicht +meiner Anklage zu verdoppeln, stopf ich dir mit dem schändlichen +Namen eines Verräthers den Rachen, und wünsche, daß mir von meinem +Gnädigsten Oberherrn erlaubt werde, an eben diesem Plaz und in +diesem Augenblik, was meine Zunge gesprochen hat, durch mein recht- +gezognes Schwerdt zu beweisen. + +Mowbray. +Laßt nicht hier die Kälte meiner Worte meinen Eifer verdächtig +machen; diese unsre Sache kan nicht mit den Waffen eines +Weiberkriegs, dem bittern Geschrey zwoer scharfen Zungen, unter uns +entschieden werden. Das Blut ist heiß, das für diß erkalten muß. +Jedoch kan ich mich keiner so zahmen Geduld rühmen, mich stossen zu +lassen, und gar nichts dazu zu sagen; und würde mich nicht die +Ehrfurcht vor Eu. Hoheit zurük halten, meiner freyen Rede Zügel +und Sporren zu geben, sie sollte schnell genug seyn, diese +Beschuldigungen von Verrätherey zweyfach in seinen Rachen zurük zu +stossen. Sezet aber das hohe Vorrecht seines königlichen Geblüts +bey Seite, und laßt ihn nicht den Vetter meines Königs seyn, so +biet ich ihm troz, und verschmähe ihn, nenne ihn eine +verläumderische Memme, und einen nichtswürdigen Schurken, und bin +bereit, ihm zu beweisen daß er's ist, an welchem Ort er will mit +ihm zusammen zu kommen, und wenn ich gleich mit naktem Fuß auf die +befrornen Gipfel der Alpen rennen müßte, oder in welche andre +unbewohnbare Gegend es seyn mag, wohin nie kein Engländer es wagte +seinen Fuß zu sezen. Indeß laßt diß meine Treue rechtfertigen: Bey +allen meinen Hoffnungen, er hat die lügenhafteste Unwahrheit gesagt. + +Bolingbroke. +Blasser, zitternder Verräther, hier zieh ich meinen Handschuh, lege +die Vorrechte meines königlichen Geblüts bey Seite, und begebe mich +des Vortheils, der Blutsverwandte eines Königs zu seyn, (worauf du +aus Zagheit, nicht aus Ehrfurcht dich beruffen hast.) Wenn das +bebende Bewußtseyn deiner Schuld dir noch so viel Stärke übrig +gelassen hat, dieses Pfand meines Ehrenworts anzunehmen, so büke +dich. Bey diesem, und bey allen andern Gesezen der Ritterschaft +mach' ich mich anheischig, das was ich gesprochen habe, Arm gegen +Arm, dir zu beweisen. + +Mowbray. +Ich heb' ihn auf, und bey diesem Schwerdt schwör' ich, dessen +sanfter Schlag die Ritterschaft auf meine Schulter legte; daß ich +dir mit Speer und Schwerdt, nach ritterlichem Brauch und Sitte +antworten will, und wenn ich mein Pferd besteige, möge ich nicht +gesund wieder absteigen, wofern ich ein Verräther bin, oder für +eine ungerechte Sache kämpfe! + +König Richard. +Was ist es dann, was unser Vetter den Mowbray bezüchtiget? Es muß +etwas Grosses seyn, was uns vermögen kan, dem blossen Gedanken +einer bösen Gesinnung von seiner Seite Plaz zu geben. + +Bolingbroke. +Höret was ich sage, mein Leben soll beweisen, daß es Wahrheit ist; +dieser Mowbray, sage ich, hat achttausend Nobels* aufgenommen, +unter dem Vorwand Eu. Hoheit Kriegs-Völker damit zu unterhalten, +solche aber wie ein Verräther und schelmischer Bube zurük behalten, +und für sich selbst zu lüderlichem Gebrauch angewandt. Überdas +sag' ich, und will es durch einen Zweykampf beweisen, entweder hier, +oder anderswo, sey es bis auf dem äussersten Stük Landes, das +jemals ein Engländisches Aug' übersehen hat, daß alle Verräthereyen, +die seit achtzehn Jahren in diesem Königreich angezettelt worden, +von diesem treulosen Mowbray ihren ersten Ursprung genommen haben. +Ferner sag' ich, und will es auf seinen ehrlosen Kopf beweisen, daß +er Ursächer der Ermordung des Herzogs von Glocester war; daß er es +war, der seine leichtgläubige Feinde aufstiftete, und daß er +folglich es war, der wie ein feiger schelmischer Meuchelmörder sein +unschuldiges Blut vergoß, welches izt, gleich Abels Blut, aus den +stummen Gewölben der Erde zu mir um gerechte und strenge Rache +schreyt. Und, bey dem glorreichen Werth dieses Bluts, das in +meinen eignen Adern fließt, dieser Arm soll es vollziehen, oder +dieses Leben soll aufgeopfert werden. + +{ed.-* Eine alte Münze, die an Werth etwas über sechs Englische +Schillings betragen haben soll.} + +König Richard. +Was sagst du hiezu, Thomas von Norfolk? + +Mowbray. +O möchte mein Gebietender Herr sein Angesicht wenden, und seinem +Ohr einen Augenblik taub zu seyn befehlen, bis ich diesem +Schandflek seines Bluts gesagt habe, wie sehr Gott und Menschen +einen so schändlichen Lügner hassen. + +König Richard. +Mowbray, unsre Augen und Ohren sind ohne Partheylichkeit; wär' er +unser Bruder, ja wär' er der Erbe unsers Reichs, wie er nur unsers +Vaters Bruders-Sohn ist, dennoch sollte, ich schwör' es bey der +Majestät meines Scepters, eine so nahe Verwandtschaft mit unserm +geheiligten Blut ihm nicht das geringste Vorrecht geben, noch die +unbiegsam Festigkeit unsrer aufrichtigen Seele partheyisch machen. +Er ist unser Unterthan, Mowbray, wie du; rede frey und ungescheut, +ich erlaub' es dir. + +Mowbray. +So sag ich dann, Bolingbroke, in deinen verläumdrischen Hals hinein, +du lügst! Drey Theile von der Summe, die ich für Calais erhielt, +bezahlte ich an Sr. Hoheit Kriegs-Völker; das übrige behielt ich +mit Einwilligung, für eine Schuld zurük, die ich an meinen König zu +fordern hatte, den Rest der beträchtlichen Auslagen die ich machte, +da ich lezthin nach Frankreich reißte, die Königin abzuholen. Nun, +schluke diese Lüge hinab--Was Glocesters Tod betrift, so war ich's +nicht, der ihn erschlug. Wofern jemand berechtigt seyn sollte, mit +einer solchen Beschuldigung wieder mich aufzutreten, so wär' es der +ehrenvolle Vater meines Feindes, ihr mein edler Lord von Lancaster; +euch stellt' ich einst hinterlistig nach dem Leben, ein Verbrechen, +das noch immer meine reuvolle Seele foltert; aber ich beichtete es, +eh ich leztmals das Sacrament empfieng, und ich bat euch so +aufrichtig um Verzeihung, daß ich sie erhalten zu haben hoffe. Diß +ist mein Vergehen; alles übrige, dessen er mich anklagt, ist der +Geifer eines grollsüchtigen, lügenhaften und höchst ausgearteten +Verräthers; und zum Zeichen daß ich Muth habe, dieses mit meinem +Leben zu beweisen, werf ich gleichfalls mein Pfand vor dieses +übermüthigen Verräthers Füsse hin; in dem besten Blut, das in +seinem Herzen wallt, will ich beweisen, daß ich ein rechtschaffner +Edelmann bin; und damit ich nicht lange verziehen müsse, bitte ich +Eu. Hoheit herzlichst, den Tag zu unserm Zweykampf anzusezen. + +König Richard. +Ergrimmte Edle, laßt euch von euerm Fürsten zähmen; laßt uns diese +Galle ohne blutvergiessen ausführen; Eure Wuth würde zu tiefe +Einschnitte machen, und unsre Ärzte sagen, es sey izt nicht Zeit +zum Bluten. Vergeßt, vergebt, vergleicht euch, und werdet +zufrieden; mein lieber Oheim, helft mir diesen Zwist in seiner +Geburt erstiken; wir wollen den Norfolk besänftigen, ihr euern Sohn. + +Gaunt. +Es kan meinen Jahren nicht übel anstehen, wenn ich ein +Friedensstifter bin. Sohn, wirf des Herzogs von Norfolk Pfand +wieder hin. + +König Richard. +Und ihr, Norfolk, werfet seines hin. + +Gaunt. +Wie, Harry, du zögerst? Muß ich zweymal Gehorsam verlangen? + +Mowbray. +Mich selbst, mein Gnädigster Souverain, werf' ich zu deinen Füssen; +mein Leben kanst du fordern, aber nicht meine Ehre. Jenes ist +meine Lehens-Pflicht dir schuldig; aber an meinen unbeflekten Namen +hast du (troz dem Tode, der auf meinem Grabe lebt **) kein Recht, +und nimmermehr werd' ich zugeben, daß er zur Schande mißbraucht +werde. Ich bin hier angegriffen und beschimpft worden, bis in die +Seele mit der Verläumdung vergiftetem Speer durchstochen, und diese +tödtliche Wunde kan kein andrer Balsam heilen, als das Blut aus dem +Herzen, welches diesen Gift ausgeathmet hat. + +{ed.-** Die Reime, womit dieses Stük hie und da verbrämt ist, sind +nach Pope's Anmerkung, meist ausserordentlich schlecht, so schlecht, +daß dieser scharfsinnige Criticus vermuthet, sie seyen von einer +fremden Hand. Dieser jämmerliche Einfall, der in ( ) eingeschlossen +ist, und alle andre von dieser Art durch dieses ganze Stük, sind +dergleichen Reime, an die der Übersezer sich dann auch nicht +gebunden halten wird.} + +König Richard. +Wuth muß Widerstand finden; gieb mir sein Pfand: Löwen machen +Leoparden zahm. + +Mowbray. +Ja, aber sie löschen ihre Fleken nicht aus; nehmt nur meine +Beschimpfung von mir, so will ich mein Pfand abtreten. Mein +theurer, theurer Gebieter, der ächteste Schaz eines Mannes ist +unbeflekte Ehre; ist diese verlohren, so sind Menschen nur +übergüldeter Leim oder gemahlter Koth. Meine Ehre ist mein Leben, +sie sind in eins verwachsen; nehmt mir meine Ehre, so habt ihr mein +Leben genommen. So laßt mich dann meine Ehre bewähren, mein +theurer Oberherr; in ihr leb' ich, und für sie will ich sterben. + +König Richard. +Vetter, werft euer Pfand hin, macht ihr den Anfang. + +Bolingbroke. +Der Himmel bewahre meine Seele vor einer so schändlichen +Niederträchtigkeit. Wie, ich sollte mich vor meines Vaters Augen +überwunden geben, oder mit einem blassen Bettler-Gesicht mich +selbst vor diesem ausgeschämten Bastard anklagen? Eh meine Zunge +einen solchen Laut von sich geben soll, eh sollen meine Zähne das +sclavische Werkzeug der wiederruffenden Feigheit durchschneiden und +sie blutend in Mowbrays schändliches Antliz speyen. + +(Gaunt geht ab.) + +König Richard. +Wir sind nicht gebohren zu bitten, sondern zu befehlen; und da wir +dieses nicht können, um euch auszusöhnen, so haltet euch, so gewiß +als euer Leben dafür antworten soll, bereit, auf Sct. Lamberts Tag +zu Coventry zu erscheinen. Dort sollen eure Lanzen und Schwerdter +den schwellenden Zwist eures tiefgewurzelten Hasses entscheiden: +Lord Marschall, ertheilt euern Herolden und Officieren Befehl, +alles zu dieser feyerlichen Handlung zuzurüsten. + +(Sie gehen alle ab.) + + + +Dritte Scene. +(Der Schauplaz verwandelt sich in des Herzog von Lancaster Palast.) +(Gaunt und Herzogin von Glocester treten auf.) + + +Gaunt. +Ach, Schwester! Denkt ihr, daß eure Ausruffungen mich stärker als +der Bruder-Name treiben können, gegen die Mörder von Gloster's +Leben zu entbrennen? Aber da die Bestraffung dieser Übelthat in +den nemlichen Händen ligt, welche die Übelthat begangen haben, so +laßt uns unsre Sache dem Himmel anheim stellen, der, wenn er die +Stunde dazu auf Erden gereift sieht, heisse Rache auf der +Verbrecher Haupt regnen wird. + +Herzogin. +Ist das alles, wozu der Name deines ermordeten Bruders dich treiben +kan! Hat die Liebe nicht mehr Wärme in deinem alten Blut? Edwards +sieben Söhne, wovon du selbst einer bist, waren wie sieben Phiolen +mit seinem geheiligten Blut angefüllt, oder wie sieben schöne +Zweige, aus einem Stamm entsprossen; einige von diesen sieben +Phiolen sind durch den Lauf der Natur ausgetroknet, einige von +diesen Ästen durch das Schiksal abgeschnitten; aber Thomas, mein +theurer Gemal, mein Gloster, (eine Phiole voll von Edwards +geheiligtem Blut, ein blühender Zweig aus seinem königlichen Stamm) +ist gewaltthätig zerbrochen, und all sein kostbarer Saft +verschüttet, ist umgehauen und alles sein Sommerlaub verwelkt, +durch die Hand des Neids zerbrochen, durch des Meuchelmords blutige +Axt umgefällt--Und du kanst gelassen bleiben? O, Gaunt, sein Blut +war auch deines; eben dieses Ehebett, eben dieser Mutterleib, +dieser Stoff, diese nemliche Form, so dich bildeten, machten ihn +zum Menschen; in ihm, ob du gleich lebst und athmest, bist auch du +erschlagen, ja du willigst gewisser Maassen in deines Vaters Tod +ein, indem du deinen unglükseligen Bruder, ihn, der ein Theil von +deines Vaters Leben war, so gleichgültig sterben siehst. Nenn' es +nicht Geduld, Gaunt, es ist Muthlosigkeit; indem du so gelassen +duldest, daß dein Bruder erschlagen worden, zeigst du den nakten +Pfad zu deinem eignen Leben, und lehrst den unerbittlichen Mord +dich auch zu mezeln. Das, was wir an gemeinen Menschen Geduld +nennen, ist blasse, kalte Feigheit in einer edeln Brust. Was soll +ich noch mehr sagen? Du kanst dein eignes Leben nicht besser +sicher stellen, als wenn du Glosters Tod rächest. + +Gaunt. +Diese Sache ist Gottes Sache; denn Gottes Substitut, sein gesalbter +Statthalter, hat seinen Tod verursacht; geschah es unrechtmäßig, so +überlaßt Gott die Rache; ich werde niemals einen feindseligen Arm +gegen seinen Diener aufheben. + +Herzogin. +Gegen wen, ach! gegen wen mag ich dann, ich Unglükselige, über +mein Unrecht mich beklagen? + +Gaunt. +Gegen den Himmel, den Beschüzer der Wittwe. + +Herzogin. +Nun dann, so will ich; lebe wohl, alter Gaunt, lebe wohl. Du gehst +nach Coventry, ein Zuschauer des Kampfs zwischen unserm Bruder +Herford und dem lasterhaften Mowbray zu seyn. O, Himmel, lege +meines Gemals erlidtnes Unrecht auf Herfords Speer, damit er des +mördrischen Mowbrays Brust durchbohre; oder wenn unglüklicher Weise +sein Speer ihn verfehlt, o! so laß Mowbrays Verbrechen so schwer +in seinem Busen werden, daß es seinem schäumenden Rosse den Naken +breche, und der Reuter, so lang er ist, in die Schranken falle, ein +dem Tod verfluchtes Opfer, wiewol unwürdig von Herfords edler Hand +zu sterben. Lebe wohl, alter Gaunt; die Unglükliche, die einst +deines Bruders Weib war, hat nun keinen andern Gespielen als einen +Jammer, der nur mit ihrem Leben enden kan. + +Gaunt. +Schwester, lebet wohl; ich muß nach Coventry. + +Herzogin. +Nur noch ein Wort; der Schmerz wird nie fertig; empfiehl mich +meinem Bruder Edmund von York; sieh', das ist alles--Nein, geh' +noch nicht--Ob diß gleich alles ist, so geh' nicht so schnell, es +wird mir noch mehr beyfallen. Sag' ihm--O was? Sag' ihm, er solle +mich, so bald als möglich, zu Plaschie besuchen. Aber, ach, was +wird der gute alte York dort sehen, als leere Gemächer und öde +Wände, unbevölkerte Nebenzimmer und unbetretne Steine? Was für +einen andern Willkomm wird er hören, als meine Klagen? Sag' ihm +also--Nein, laß ihn nicht hinkommen. Was kan sein Mitleiden mir +helfen. Auf allen Seiten trostlos, will ich geh'n und sterben; diß +lezte Lebewohl nimmt mein weinendes Auge von dir! + +(Sie gehen ab.) + + + +Vierte Scene. +(Die Schranken zu Coventry.) +(Der Lord Marschall, und der Herzog von Aumerle treten auf.) + + +Marschall. +Milord Aumerle, ist Harry Herford bewaffnet? + +Aumerle. +Ja, vom Fuß bis zum Kopf, und wartet ungeduldig hereingelassen zu +werden. + +Marschall. +Auch der Herzog von Norfolk wartet voll ungeduldigen Feuers auf die +Trompete des Appellanten. + +Aumerle. +Die Kämpfer sind also gerüstet, und erwarten nur die Ankunft seiner +Majestät. + +(Die Trompeten erschallen; und der König erscheint mit seinen Edeln; +nachdem sie sich gesezt haben, tritt der Herzog von Norfolk, als +Appellat, in voller Rüstung auf.) + + + +König Richard. +Marschall, erforsche von jenem Ritter die Ursache, warum er hier in +Waffen erscheint; frag' ihn nach seinem Namen, und lege ihm den +gesezmäßigen Eid zu schwören auf. + +Marschall. +In Gottes und des Königs Namen, sage wer bist, und warum erscheinst +du hier in dieser ritterlichen Rüstung? Gegen wen kommst du, und +was ist deine Sache? Antworte bey deiner ritterlichen Ehre, und +auf deinen Eid, und so beschüze dich der Himmel und deine +Tapferkeit! + +Mowbray. +Mein Nam' ist Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk, und ich erscheine +hier bey meinem Wort, das einem Ritter unverlezlich heilig seyn +soll, beydes meine Treue und ritterliche Ehre zu Gott, meinem König +und meinen Nachkommen, wider den Herzog von Hereford, meinen +Ankläger, zu behaupten, und mit Gottes Gnade und der Stärke meines +Arms ihm durch meine Vertheidigung zu beweisen, daß er ein +Verräther gegen Gott, meinen König und mich ist; und so wie ich für +eine gerechte Sache fechte, so schüze mich der Himmel! (Die +Trompeten erschallen; Bolingbroke, als ein Appellant, tritt in +vollen Rüstung auf.) + +König Richard. +Marschall, frage jenen bewaffneten Ritter wer er ist, warum er hier +in diesem kriegrischen Aufzug erscheint? Und laß ihn, unsern +Gesezen gemäß, förmlich auf die Gerechtigkeit seiner Sache schwören. + +Marschall. +Wie ist dein Nahme, und warum kommst du vor König Richards +Gegenwart, in seine königliche Schranken? Gegen wen kommst du und +was hast du für eine Sache? Rede, wie ein rechtschaffner Ritter, +und so beschüze dich der Himmel! + +Bolingbroke. +Ich bin Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby, und stehe hier +in dieser Waffenrüstung, durch Gottes Gnade und meine Tapferkeit +gegen Thomas Mowbray Herzog von Norfolk zu beweisen, daß er ein +schändlicher und verderblicher Verräther an Gott im Himmel, dem +König Richard und an mir ist, und so wie ich für Recht und Wahrheit +kämpfe, beschüze mich der Himmel! + +Marschall. +Bey Strafe des Todes erfreche sich niemand, diese Schranken zu +berühren, als der Marschall, und diejenigen Officiers, welche zu +Anordnung des Kampfs bestellt sind. + +Bolingbroke. +Lord Marschall, laßt mich meines Königs Hand küssen und meine Knie +vor seiner Majestät beugen; Mowbray und ich sind wie zween Männer, +die eine lange und gefährliche Pilgrimschaft geloben; es sey uns +also vergönnt einen feyrlichen Abschied von unsern Freunden zu +nehmen. + +Marschall. +Der Kläger bittet sich die Gnade aus, Euer Majestät seine +Schuldigkeit zu bezeugen, und seinen Abschied zu nehmen. + +König Richard. +Wir wollen herabsteigen, und ihn in unsre Arme schliessen. Vetter +von Hereford, so wie deine Sache gerecht ist, so sey dein Glük in +diesem königlichen Kampfe! Fahre wohl, mein Blut; und wenn dein +Verhängniß ist, es an diesem Tag zu vergiessen, so werden wir +trauren, aber keine Rache an dem Thäter nehmen. + +Bolingbroke. +O laßt kein edles Aug' eine Thräne für mich entweihen, wenn ich +durch Mowbrays Lanze falle! Aber so muthig wie ein Falke auf einen +Vogel schießt, geh' ich mit Mowbray zu fechten. Mein theurer Herr, +ich nehme meinen Abschied von euch, und von euch, mein edler Vetter, +Lord Aumerle--nicht niedergeschlagen, ob ich gleich eine tödtliche +Arbeit vor mir habe, sondern munter, jugendlich, und frölich +athmend--O du, der irdische Schöpfer meines Wesens, + +(zu Gaunt.) + +dessen ehmaliger Jugend-Geist in mir wiedergebohren, mich mit +zwiefacher Stärke emporhebt, den Sieg zu erreichen, der über meinem +Haupte schwebt; stähle meine Rüstung durch dein Gebet, und schärfe +durch deinen Segen die Spize meiner Lanze, daß sie Mowbrays +gewichstes Wamms durchdringen und dem Namen Johann von Gaunt durch +das edle Betragen seines Sohns einen neuen Glanz gebe! + +Gaunt. +Der Himmel begünstige dich in deiner gerechten Sache! Sey behend +im Streit wie der Bliz, und laß deine Streiche, zweymal verdoppelt, +wie betäubende Donnerschläge auf den Helm deines verderblichen +Gegners herab stürzen. Feure dein jugendliches Blut an, sey tapfer, +und lebe! + +Bolingbroke. +So helfen mir meine Unschuld, Gott, und St. George! + +Mowbray. +Was für ein Loos auch der Himmel oder das Glük für mich ziehen mag, +so leb' oder sterb' ich hier, getreu an König Richards Thron, ein +pflichtmäßiger, redlicher und rechtschaffner Edelmann! Nie hat ein +Gefangner mit einem frohern Herzen seine Ketten abgeworfen, und +seine goldne unabhängige Befreyung umfaßt, als womit meine tanzende +Seele an diesem Kampf mit meinem Feind, wie an einem Freuden-Fest +sich erlustiget. Großmächtigster Oberherr, und ihr meine edlen +Freunde, empfangt aus meinem Munde den Wunsch glüklicher Jahre! So +freudig und guten Muths wie zu einem Ritterspiel, geh' ich zu +diesem Kampf; Redlichkeit hat ein ruhiges Herz. + +König Richard. +Fahre wohl, Milord; ich sehe Tugend und Muth ruhig in deinen Augen +ligen. Ordnet den Kampf an, Marschall, und beginnt! + +Marschall. +Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby, empfange diese Lanze, +und der Himmel schüze dein Recht! + +Bolingbroke. +Fest in Hoffnung wie ein Thurm, ruf ich Amen! + +Marschall. +Geh, bringe diese Lanze Thomas, Herzogen von Norfolk. + +1. Herold. +Heinrich von Hereford, Lancaster und Derbey, steht hier für Gott, +seinen Lehnsherrn und ihn selbst, bey Straffe falsch und meineidig +erfunden zu werden, zu beweisen, daß Thomas Mowbray, Herzog von +Norfolk ein Verräther an seinem Gott, seinem König und ihm sey, +muthig steht er hier und fordert ihm zum Kampf auf! + +2. Herold. +Hier steht Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk, bey Straffe falsch +und meineidig erfunden zu werden, beydes sich selbst zu +vertheidigen, und zu beweisen, daß Heinrich von Hereford, Lancaster +und Derbey ein Verräther an Gott, seinem Lehnsherrn, und ihm sey; +und er wartet muthvoll und mit Verlangen auf das Zeichen zum Anfang. + +(Man blaßt zum Angriff.) + +Marschall. +Blaset Trompeten, und ihr Kämpfer, rüket aus--Doch halt! Der König +hat seinen Stab hingeworffen. + +König Richard. +Laßt sie ihre Helme und Lanzen bey Seite legen, und beyde zu ihren +Stühlen zurük kehren; entfernt euch mit uns, und laßt die Trompeten +schallen, bevor wir diesen Herzogen unsern Willen kund thun. + +(Trompeten.) + +König Richard (Zu den Kämpfern:) +Kommt näher herbey, und höret, was wir mit unserm Rath gethan haben. +Damit die Erde unsers Königreichs nicht mit diesem kostbaren +Blute besudelt werde, dessen Mutter sie ist, und weil unsre Augen +den gräßlichen Anblik bürgerlicher Wunden hassen, die von +nachbarlichen Schwerdtern gegraben werden, und weil wir denken, daß +nichts anders als der Adlerbeschwingte Stolz ehrsüchtiger und +himmelan-strebender Gedanken euch mit eifersüchtigem Haß erfüllt +und aufgereizt hat, den Frieden, der gleich einem +sanftschlummernden neugebohrnen Kind, in der Wiege unsers +mütterlichen Landes zu schlafen angefangen, wieder aufzuweken. Aus +diesen Ursachen verbannen wir euch, Vetter von Hereford, bey +Straffe des Todes aus unsern Gebieten; bis zehen Sommer unsre +Felder bereichert haben, sollt ihr unsre blühenden Herrschaften +nicht wieder grüssen, sondern die fremden Pfade der Verbannung +betreten. + +Bolingbroke. +Euer Wille geschehe! Mein Trost muß seyn, daß die nemliche Sonne, +die euch hier erwärmt, mich bescheinen wird, und daß eben diese +goldnen Stralen, die sie euch hier leiht, meine Verbannung +vergülden werden. + +König Richard. +Norfolk, auf dich wartet ein strengeres Urtheil, wiewol ich es +nicht ohne Widerwillen anspreche. Die schnellgeflügelten Stunden +werden deiner Verbannung kein Ziel bestimmen; das hoffnunglose Wort, +nicht wiederzukehren, athme ich gegen dich bey Straffe des Todes. + +Mowbray. +Ein hartes Urtheil, mein gebietender Oberherr, und aus Eurer Hoheit +Mund gar zu unerwartet! Ich habe eine bessere Belohnung von Eurer +Hand verdient, als so verstümmelt an die freye Luft hingeworfen zu +werden. Die Sprache, die ich nun vierzig Jahre gelernt habe, mein +angebohrnes Englisch, muß ich nun vergessen, und meine Zunge wird +mir künftig nicht mehr nüzen, als eine unbesaitete Harfe, oder als +ein feines Instrument in der Hand dessen, der es nicht zu spielen +weiß. Ihr habt meine Zunge in meinen Mund eingekerkert, und stumme, +gefühllose, unfruchtbare Unwissenheit ist der Kerkermeister, der +mich bewachen soll. Ich bin zu alt, mich an den Busen einer neuen +Säugamme zu schmiegen, oder wieder ein Lehrknabe zu werden. Was +ist also Euer Urtheil, als die Verdammung zu einem sprachlosen Tod, +der meiner Zunge das Leben nimmt? + +König Richard. +Vergebens bemühst du dich unser Mitleiden zu erweken; Nachdem unser +Urtheil ausgesprochen ist, kommen Klagen zu spät. + +Mowbray. +So entweich ich dann aus dem Tag meines Vaterlands, um mein Leben +in den traurigen Schatten einer hoffnunglosen Nacht zu enden. + +König Richard. +Kommt wieder zurük und nehmt einen Eid mit euch. Legt eure +verbannten Hände auf eure königlichen Schwerdter, und schweert bey +eurer Pflicht zum Himmel, (den Antheil, den wir daran haben, +verbannen wir mit euch selbst*) daß ihr den Eid halten wollet, den +wir euch auferlegen. Nimmer sollt ihr während eurer Verbannung +euch mit einander aussöhnen, keiner soll des andern Angesicht sehen, +keiner auf welche Art es sey, einige Gemeinschaft mit dem andern +unterhalten, vielweniger durch verabredete Entwürfe irgend etwas +böses gegen uns, unsern Staat, unsre Unterthanen, und unser Land +anzuspinnen oder auszuführen suchen; schwört diß, so wahr euch der +Himmel helfe! + +{ed.-* Es ist eine Frage, worüber unter den Lehrern des Völker-Rechts +viel gestritten worden, ob ein Verwiesener dem Staat, der ihn +verbannt hat, dem ungeachtet mit der Pflicht der Treue zugethan sey. +Cicero und der Lord Canzler Clarendon bejahen sie; Hobbes und +Puffendorf behaupten das Gegentheil. Unser Autor scheint in dieser +Zeile der leztern Meynung zu seyn. Warburton.} + +Bolingbroke. +Ich schwöre. + +Mowbray. +Und ich; alles diß zu halten. + +Bolingbroke. +Norfolk, hätte der König es uns zugelassen, so wanderte izt die +Seele von einem unter uns beyden in der Luft, verbannt aus unserm +Leibe, wie izt unser Leib aus diesem Lande verbannt ist. Bekenne +deine Verräthereyen, eh du aus diesem Reiche fliehst; schleppe +nicht auf eine so weite Reise die hemmende Bürde einer schuldigen +Seele mit dir. + +Mowbray. +Nein, Bolingbroke; wann ich jemals ein Verräther war, so werde mein +Nam' aus dem Buch des Lebens ausgelöscht, und ich vom Himmel wie +von hinnen verbannt! Aber was du bist, das ist dem Himmel, dir und +mir bekannt, und nur allzu bald, besorg' ich, wird es der König mit +Reue erfahren. Lebet wohl, mein gebietender Herr; da ich England +den Rüken kehren muß, ist jeder Weg mir gleich. + +(Er geht ab.) + + + +Fünfte Scene. + + +König Richard (Zu Gaunt.) +Oheim, ich sehe den Gram deines Herzens in den Spiegeln deiner +Augen; dein kummervolles Aussehen hat von der Zahl seiner +verbannten Jahre viere abgerissen; wenn sechs Winter verflossen +sind, Bolingbrok, so kehre, mir willkommen, von deiner Verbannung +heim. + +Bolingbroke. +Welch eine lange Zeit ligt in einem einzigen kleinen Wort! Vier +langsame Winter und vier muntre Frühlinge verliehren sich in einem +Wort, so mächtig ist der Athem der Könige. + +Gaunt. +Ich danke meinem gebietenden Herrn, daß er, in Ansehung meiner, +meines Sohnes Verbannung um vier Jahre abkürzt; aber was wird diese +Mildigkeit mir helfen, da eh die sechs, die er verliehren muß, +verflossen sind, meine vom Alter aufgezehrte Lampe verloschen seyn +kan? + +König Richard. +Wie, Oheim, du hast noch viele Jahre zu leben. + +Gaunt. +Aber keine Minute, König, die du geben kanst; du kanst meine Tage +durch Gram abkürzen, du kanst Nächte von meinem Leben abreissen, +aber du kanst mir keinen Morgen leihen; du, du kanst der Zeit +helfen mich früher alt zu machen, aber keine einzige Falte von +meiner Stirne nehmen; du kanst durch ein Wort meinen Tod gebieten, +aber wenn ich todt bin, ist dein Königreich zu wenig, mir nur einen +Athemzug zu kauffen. + +König Richard. +Dein Sohn ist auf Einrathen unsers Staats-Rathes verbannt, und du +selbst hast deine Stimme dazu gegeben; warum rümpfest du izt die +Stirne über unsre Gerechtigkeit? + +Gaunt. +Dinge, die im Münde süß sind, werden in der Verdauung sauer; ihr +dranget in mich, daß ich als ein Richter reden sollte; aber ich +wollte lieber ihr hättet mir befohlen als ein Vater zu reden. O! +wär' es ein Fremder gewesen, und nicht mein Sohn, ich würde ein +gelinderes Urtheil ausgesprochen haben. Weh mir! ich besorgte, +man möchte mir eine übertriebne Nachsicht gegen die meinigen Schuld +geben, und den Vorwurf der Partheylichkeit zu vermeiden, hab' ich +durch meine Stimme mir selbst das Leben abgesprochen. + +König Richard. +Vetter, lebe wohl; und ihr, Oheim, nehmt euern Abschied von ihm; +wir verbannen ihn auf sechs Jahre, und er soll gehen. + +(Geht ab.) + + + +Sechste Scene. + + +Aumerle. +Vetter, leb wohl! Was wir uns gegenwärtig nicht sagen können, das +laßt aus dem Ort eures Aufenthalts, eure Briefe sagen. + +Marschall. +Milord, ich beurlaube mich nicht von euch; denn ich will an eurer +Seite reiten, so weit mich das Land tragen wird. + +Gaunt. +Warum bist du so sparsam mit deinen Worten, daß du die verbindliche +Reden deiner Freunde nicht beantwortest? + +Bolingbroke. +Ich habe ihrer zu wenige, zum Abschied nehmen, da meine Zunge +verschwendrisch seyn sollte, den überströmenden Schmerz meines +Herzens auszuathmen. + +Gaunt. +Du hast keinen andern Schmerz als deine Abwesenheit; was sind sechs +Winter? sie sind schnell vorüber. + +Bolingbroke. +Für die Glüklichen; der Kummer macht aus einer Stunde zehen. + +Gaunt. +Nenn es eine Reise, die du für dein Vergnügen machst. + +Bolingbroke. +Mein seufzendes Herz würde mich lügen heissen, wenn ich eine +Lustreise nennen wollte, was ihm eine gezwungne Pilgrimschaft ist. + +Gaunt. +Alle Örter die des Himmels Auge besucht, sind für den weisen Mann +sichre Porte, und Himmel voll Wonne. Lehre die Nothwendigkeit so +denken, es ist keine Tugend über die Nothwendigkeit. Denke nicht, +der König habe dich verbannt, sondern du den König. Ein Ungemach +drükt uns nur heftig, wenn wir es unmännlich tragen. Geh, sage, +ich habe dich weggeschikt, Ruhm zu erwerben; nicht, der König habe +dich verbannt. Oder bilde dir ein, es hange fressende Pestilenz in +unsrer Luft, und du fliehest unter einen reinen Himmel. Sieh, +alles was deiner Seele theuer ist, davon bilde dir ein, es lig' in +dem Weg den du gehst, nicht in dem, so du verlässest; bilde dir ein, +die Vögel seyen Musicanten; das Gras worauf du trittst, der +Fußboden eines grossen Saals; die Blumen, schöne Damen; und deine +Schritte, ein frölicher Tanz. Der Kummer beißt nur schwach, sobald +man einen Scherz daraus macht. + +Bolingbroke. +O, wer kan Feuer in seiner Hand tragen, und an den befrornen +Caucasus denken? Wer kan den nagenden Hunger durch die blosse +Erinnrung an ein Gastmahl stillen; oder, wenn er nakend im December- +Schnee gienge, sich durch die Vorstellung eines phantastischen +Sommers erwärmen? O nein, die Vorstellungen des Guten schärfen nur +das schmerzhafte Gefühl des Bösen, und der Zahn des giftigen +Kummers-- + +Gaunt. +Komm, komm, mein Sohn, ich will dich ein Stük Weges begleiten; +hätt' ich deine Jugend und deine Sache, ich wollte keinen Augenblik +zögern. + +Bolingbroke. +So gehabe dich dann wohl, Engländischer Boden! Gehabe dich wohl, +mein mütterliches Land, meine Säugerin, die noch diese kurzen +Augenblike mich trägt. Wohin ich auch wandre, kan ich doch, +obgleich verbannt, mich rühmen, daß ich ein echter Engländer bin. + +(Sie gehen ab.) + + + +Siebende Scene. +(Der Hof.) +(König Richard, Bagott, Green, u.s.w. treten zu einer, und +Lord Aumerle zu der andern Thür herein.) + + +König Richard (zu Bagott.) +In der That, wir bemerkten es auch--Vetter Aumerle, wie weit habt +ihr den hohen Hereford begleitet? + +Aumerle. +Ich begleitete den hohen Hereford, wenn ihr ihn so nennen wollt, +nicht weiter als bis an die nächste Landstrasse, und dort verließ +ich ihn. + +König Richard. +Und saget, sind viele Thränen beym Abschied vergossen worden? + +Aumerle. +Meiner Treue, von mir keine, ausser daß der Nord-Ostwind, der uns +sehr scharf ins Gesicht blies, mir ein wenig Wasser aus den Augen +preßte, und dadurch von ungefehr unsern kalten Abschied mit einer +Thräne zierte. + +König Richard. +Was sagte euer Vetter, wie ihr Abschied nahmt? + +Aumerle. +Leb wohl!--und weil sich mein Herz nicht überwinden konnte, meine +Zunge dieses Wort so entheiligen zu lassen, so stellte ich mich, +als ob ich so betrübt sey, daß ich vor Schmerz nicht reden könne. +Auf meine Ehre, wenn das Wort Lebwohl die Stunden hätte verlängern +und Jahre zu seiner Verbannungs-Zeit hinzu thun können, er sollte +eine ganze Last Lebewohl bekommen haben; aber weil das nicht war, +so kriegte er keines von mir. + +König Richard. +Er ist unser Anverwandter, Vetter, aber es ist zweifelhaft, ob er, +wenn ihn die Zeit aus seiner Verbannung einst zurük beruft, als +unser Freund wieder kommen wird. Wir selbst, und Bagot hier, und +Buschy, und Green, haben beobachtet, wie er dem gemeinen Volke den +Hof machte; wie er mit demüthiger und vertraulicher Höflichkeit +sich in ihren Herzen unterzutauchen schien; was für Reverenze er +auf der Strasse vor Sclaven hinwarf; wie er das Mitleiden der +ärmsten Handwerksleute durch die Zauberey seines Lächelns und die +scheinbare Geduld, womit er sich seinem Unglük unterzog, zu +erschleichen suchte. Als ob er verlangte, daß sie ihre Liebe und +ihre Wünsche mit ihm verbannen sollten. Er zog seinen Hut vor +einem Austern-Mensch ab, und ein paar Karrenzieher, die ihm +zurieffen: Gott geleit ihn! empfiengen den Tribut seiner biegsamen +Knie mit--grossen Dank, meine Landsleute, meine lieben Freunde; +gleich als wäre England sein künftiges Erbtheil, und er die nächste +Hoffnung unsrer Unterthanen. + +Green. +Gut, er ist nun fort, und diese Gedanken mögen mit ihm gehen; eine +wichtigere Sorge ist izt, Gnädigster Herr, wie den Aufrührern in +Irland zu begegnen sey, eh ein längerer Aufschub ihnen mehr Mittel +zu ihrem Vortheil und Eurer Majestät Schaden darbietet. + +König Richard. +Wir wollen diesem Krieg in Person beywohnen; und weil unsre Kisten +durch den Aufwand eines zu grossen Hofes, und durch unsparsame +Freygebigkeit in etwas leicht worden sind, so sehen wir uns +genöthiget, unsre Cron-Einkünfte zu verpachten; die Summen die uns +dadurch eingehen, werden für die gegenwärtigen Angelegenheiten +zureichen; und wenn sie auch ausgehen, so wollen wir unsern +Substituten in England Vollmachten geben, alle reichen Leute, die +ihnen bekannt werden, nach Proportion um beträchtliche Summen Gelds +zu taxieren, und uns selbige nachzuschiken; denn wir wollen uns +ungesäumt nach Irland erheben. (Buschy zu den Vorigen.) + +König Richard. +Buschy, was giebt's? + +Buschy. +Der alte Johann von Gaunt ist krank, Gnädigster Herr, hat einen +plötzlichen Anstoß bekommen, und sendet einen Boten in gröster Eil +hieher, Euer Majestät zu bitten, ihn mit einem Besuch zu begnadigen. + +König Richard. +Wo ligt er? + +Buschy. +Zu Ely-House. + +König Richard. +Nun gieb doch, gütiger Himmel, seinen Ärzten in den Sinn, ihm +ungesäumt in sein Grab zu helfen; das Futter von seinen Kisten +schikt sich vortreflich, unsern Soldaten für diesen Irländischen +Krieg Röke daraus zu machen. Kommt, meine Herren, wir wollen ihn +besuchen; Gott gebe, daß wir eilen und zu späte kommen! + +(Sie gehen ab.) + + + + +Zweyter Aufzug. + + + +Erste Scene. +(Ely-House.) +(Gaunt, der krank herein getragen wird; mit dem Herzog von York.) + + +Gaunt. +Will der König kommen, daß ich meinen lezten Athem in heilsamem +Rath für seine noch verbesserliche Jugend aushauchen kan? + +York. +Plaget euch selbst nicht, und verschwendet nicht so die wenige +Kräfte, die ihr noch übrig habt; sein Ohr ist vor allem guten Rath +verschlossen. + +Gaunt. +Aber man sagt doch, daß die Zungen sterbender Menschen, gleich der +zauberischen Harmonie zur Aufmerksamkeit nöthigen; sparsame Worte +werden selten vergebens aufgewandt, denn diejenigen sagen die +Wahrheit, die ihre Worte mit Schmerzen athmen müssen. Einer, der +bald aufhören wird zu reden, wird eher gehört, als diejenigen, +denen Jugend und Wohlaufseyn erlauben, sich in Worte zu ergiessen. +Man giebt mehr auf der Menschen Ende acht, als auf ihr Leben; wie +die Sonne nie mit mehr Vergnügen beschaut wird, als wenn sie +untergeht, und an einer Musik nichts aufmerksamer macht als der +Schluß. Ob Richard gleich die Räthe nicht hören wollte, die ich +ihm in meinem Leben gab, so mag vielleicht der ernste Ton des Todes +sein taubes Ohr durchdringen. + +York. +Sein Ohr wird noch von andern Zaubertönen verstopft, als von dem +schmeichelnden Lobe seiner Regierung; überdas giebt es +ausschweiffende Gesellschafter, deren vergiftete Reden das +ungewahrsame Ohr der Jugend immer offen finden; Erzählungen von +Moden in dem stolzen Italien, dessen Sitten unsre blöde, +affenmäßige Nation, beständig auf eine plumpe Art nachahmet. Wo +treibt die Welt irgend eine Eitelkeit hervor, (wenn sie nur neu ist, +sie mag so nichtswürdig seyn als sie will,) die nicht +augenbliklich in seine Ohren gesumset wird? Wo der Wille, vom Wiz +unterstüzt, sich wider die Vernunft empört, da kommt guter Rath +allezeit zu spät; versuch' es nicht, denjenigen leiten zu wollen, +der sein eigner Wegweiser seyn will; du würdest deinen Athem +verliehren, und das ist gerade was dir mangelt. + +Gaunt. +Mich däucht, ich bin ein neubegeisterter Prophet, und sterbend +weissage ich so von ihm. Seine rasche, ausgelassene, unbezähmte +Jugendhize, kan nicht von langer Dauer seyn; ein heftiges Feuer +brennt sich bald selbst aus. Sanfte Regen dauren lange, plözliche +Stürme gehen bald vorüber; der wird bald müde, der anfangs die +Sporren zu stark gebraucht; und wer allzugierig ißt, hat am +bäldesten genug. Leichtsinnige Eitelkeit, nachdem sie wie ein +unersättlicher Vielfraß alle ihre Mittel verzehrt hat, wird bald +gezwungen, sich selbst aufzuzehren. Dieser glorreiche Königs-Thron, +diese bezepterte Insel, dieses majestätische Land, dieser Siz des +Kriegs-Gottes, dieses andre Eden, dieses feste Castell, das die +Natur für sich selbst aufgeworfen hat, um sich vor fremder +Anstekung und feindseligem Anfall zu sichern, dieser edle Stamm von +Menschen, dieser in die Silber-See eingefaßte Edelstein, dieser +kleine Inbegriff der Welt, dem der umgebende Ocean für eine Mauer, +oder für einen beschüzenden Graben gegen den Neid nicht so +glükseliger Länder dient; diese Mutter und Sängerin königlicher +Helden, welche ihr Vaterland furchtbar, ihre Geburt erlaucht, und +ihre Thaten ruhmwürdig machen, wegen ihres christlichen Eifers und +ihrer ritterlichen Tapferkeit so weit berühmt, als das Grab des +Welt-Erlösers, in dem verstokten Judenlande von uns entfernt ist; +dieses edle, würdige, theure Land, von dem glänzenden Ruhm seiner +Söhne über alle andre emporgehoben, ist nun ausgemiethet, (ich +sterbe, da ich es ausspreche) wie ein Pachthof oder Baurengut +ausgepachtet! England, von der triumphierenden See umwunden, deren +felsichtes Ufer den neidischen Siz des wäßrichten Neptuns +zurükschlägt, ist auf eine schändliche Art in Fesseln von Pergament +geworfen, und die Besiegerin andrer Völker hat eine schaamvolle +Eroberung von sich selbst gemacht.* O! möchte diese Schmach mit +meinem Leben sich enden, wie glüklich wäre mein Tod! + +{ed.-* Was für eine Rede in dem Mund eines alten sterbenden Prinzen, +der sich über Engbrüstigkeit und kurzen Athem beklagt! Indessen +war dieses schülerhafte rhetorische Gewäsche, diese auf einander +gehäuften, übel zusammenpassenden Metaphern, und diese abmattenden +Tautologien, die allgemeine Mode in unsere Autors Zeit.} + + + +Zweyte Scene. +(König Richard, die Königin, Aumerle, Buschy, Green, Bagot, Roß +und Willoughby zu den Vorigen.) + + +York. +Der König ist gekommen; gehet sanft mit seiner Jugend zu Werke; +junge feurige Füllen, wenn sie aufgebracht werden, rasen nur desto +mehr. + +Königin. +Wie steht es um unsern edeln Oheim Lancaster? + +König Richard. +Wie steht's Mann? Was macht der alte Gaunt? + +Gaunt. +O dieser Name schikt sich für meinen Zustand!* Ja wohl der alte +Gaunt, und nichts als Haut und Knochen (Gaunt) vor Alter! Der +Kummer in mir, hat eine verdrießliche Fasten gehalten, und wer wird +nicht mager, der sich des Fleisches enthalten muß? Lange hab' ich +für das schlafende England gewacht, und Wachen zehrt ab und macht +mager. Das Vergnügen wovon einige Väter sich nähren, der Anblik +meiner Kinder ist mir gänzlich untersagt; und die Fasten, die du +mir hierinn auferlegt hast, hat mich ganz mager gemacht, mager für +das Grab, mager wie ein Grab, dessen holer Leib nichts als Knochen +enthält. + +{ed.-* Alle diese Wortspiele, die in dem Mund eines Tertianers +kindisch wären, und in dem Mund eines Sterbenden unerträglich sind, +gründen sich auf die Bedeutung des Namens Gaunt, der im Englischen +so viel heißt als mager, abgezehrt, der nur noch Haut und Knochen +hat.} + +König Richard. +Können kranke Leute so spizfündig mit Worten spielen? + +Gaunt. +Nein, aber Elend hat keine andre Kurzweile, als über sich selbst zu +spotten. [Weil du meinen Namen in mir zu tödten suchst, so spotte +ich meines Namens, Grosser König, um dir zu schmeicheln.** + +{ed.-** Die Zeilen, die hier und in der Folge in [ ] eingeschlossen +sind, sind im Original in Reimen.} + +König Richard. +Sollen sterbende Leute den lebenden schmeicheln? + +Gaunt. +Nein, nein, die lebenden Leute schmeicheln den Sterbenden. + +König Richard. +Du, ein Sterbender, sagst ja, du schmeichelst mir. + +Gaunt. +O nein, du stirbst, ob ich gleich kränker bin. + +König Richard. +Ich bin gesund, ich athme, und sehe daß du übel bist. + +Gaunt. +O! der, der mich erschuf, weiß es, daß ich Dich übel sehe.] Mir +ist für mich selbst übel, aber gar zu übel, indem ich dich ansehe. +Dein Todbette ist nichts geringers als dein Land, worinn du an +deinem Ruhm krank ligst; und du, allzunachläßiger Patient, +übergiebst deine gesalbte Person den nemlichen Ärzten zu heilen, +die dich krank gemacht haben. Tausend Schmeichler sizen um den +Cirkel deiner Crone herum, und ob dieser Cirkel gleich nicht +grösser ist als dein Haupt, so verliehrst du doch mit ihm dein +ganzes Land, welches er umspannt. O hätte dein Großvater mit dem +Aug' eines Propheten vorhersehen können, daß seines Sohns Sohn +seine Söhne zu Grund richten würde, er würde dir's unmöglich +gemacht haben, dich selbst so zu entehren, indem er dich vor deiner +Einsezung entsezt hätte, dich, der izt eingesezt ist, um sich +selbst zu entsezen. Wie? Vetter! wärest du Herr der ganzen Welt, +so wär' es dir doch schimpflich dein Land zu verpachten; aber da +deine ganze Welt in diesem einzigen Lande besteht, ist es nicht +mehr als Schande, es so zu entehren? Landsaß von England bist du, +nicht König. Deine gesezmäßige Oberherrlichkeit ist eine Leibeigne +des Gesezes, und du-- + +König Richard. +Und du, ein mondsüchtiger aberwiziger Narr, der auf das Privilegium +eines Fiebers hin, sich erfrecht, mit deinen kalten Erinnerungen +unsre Wange blaß zu machen, und das königliche Blut mit Ungestüm +von seinem natürlichen Siz zu treiben. Nun, bey der Majestät +meines angestammten Throns, wärst du nicht ein Bruder von dem Sohne +des grossen Eduard, die Zunge, die so frey in deinem Kopf herum +rennt, sollte deinen Kopf von deinen unehrwürdigen Schultern +herunter rennen. + +Gaunt. +O schone meiner nicht, meines Bruder Edward's Sohn, weil ich seines +Vater Edwards Sohn war. Das Blut das ich von ihm habe, hast du +längst wie ein Pelican, ausgezapft, und in trunknem Muth +verschmaußt. Mein Bruder Glocester, eine aufrichtige, wohlgesinnte +Seele, (glüklich möge sie unter des Himmels seligen Geistern seyn!) +hat schon zum Beyspiel dienen müssen, wie wenig du Bedenken trägst, +Edwards Blut zu vergiessen. Vereinige dich immerhin mit meiner +Krankheit, und brich durch deine Hartherzigkeit eine vorhin schon +welke Blume ab! Leb' in deiner Schande, aber deine Schande sterbe +nicht mit dir! Und mögen diese meine lezten Worte künftig deine +Peiniger seyn! Tragt mich in mein Bette, und dann in mein Grab. +Die mögen leben, die Liebe und Ehre haben! + +(Er wird hinweg getragen.) + +König Richard. +Und laßt die sterben, die Alter und Launen haben; du hast beydes, +und beydes gehört in ein Grab. + +York. +Ich bitte euer Majestät, seine Reden der verdrießlichmachenden +Krankheit und dem hohen Alter zu gut zu halten; er liebt euch, bey +meinem Leben, so sehr als Heinrich von Hereford, wenn er hier wäre. + +König Richard. +Recht, ihr sagt die Wahrheit, wie Herefords Liebe, so ist seine, +und wie die ihrige so ist meine; und alles mag seyn wie es ist. + + + +Dritte Scene. +(Northumberland zu den Vorigen.) + + +Northumberland. +Gnädigster Herr, der alte Gaunt empfiehlt sich Eurer Majestät. + +König Richard. +Was sagt der alte Gaunt? + +Northumberland. +Nichts mehr; er hat alles gesagt, was er zu sagen hatte; seine +Zunge ist nun ein Instrument ohne Saiten; Sprache, Leben und alles +hat den alten Lancaster verlassen. + +York. +Möge York der nächste seyn, den dieses Schiksal trift. So arm der +Tod ist, so endet er doch alles sterbliche Weh. + +König Richard. +Die reiffeste Frucht fällt zuerst; seine Zeit ist abgelauffen, und +die unsrige lauft noch; so viel hievon!--Nun müssen wir unsre +Aufmerksamkeit auf die Irländischen Unruhen richten; wir müssen +diese rohen zottelköpfichten Kernen* unterdrüken, eh die anstekende +Empörung weiter um sich frißt; und da diese grossen Geschäfte einen +ziemlichen Aufwand erfordern, so bemächtigen wir uns hiemit, zu +unsrer Unterstüzung alles baaren Gelds, Gold- und Silbergeschirrs, +aller Einkünfte, und aller beweglichen und unbeweglichen Güter, die +der alte Gaunt verlassen hat. + +{ed.-* Nahme einer Art von leichtbewaffnetem Irländischem Fußvolk.} + +York. +Wie lange werd' ich noch Geduld behalten? O wie lange wird noch +eine, vielleicht zu schüchterne Empfindung meiner Pflicht, mich +jede Ungerechtigkeit geduldig leiden machen? Nicht Glosters Tod, +noch Herefords Verbannung, nicht Gaunts erlidtne Kränkungen, noch +Englands einheimische Wunden, noch meine eigne Verachtung, haben +mich jemals meine geduldige Stirne gegen meinen König rümpfen +gemacht. Ich bin der lezte von des grossen Edwards Söhnen, von +denen der Prinz von Wales, dein Vater der erste war. Im Krieg war +kein Löwe kühner, im Frieden kein Lamm sanftmüthiger, als dieser +edle junge Prinz. Du hast seine Gesichtsbildung, so sah er aus; +aber wenn er die Stirne runzelte, so war es gegen die Franzosen, +nicht gegen seine Freunde: Seine edle Hand gewann erst das was sie +ausgab, und verthat nicht, was sein siegreicher Vater gewonnen +hatte. Seine Hand wurde oft mit dem Blut der Feinde seines Hauses, +niemals mit dem Blut der Seinigen besudelt. O Richard! York muß +noch mehr sagen, oder er hat schon zu viel gesagt. + +König Richard. +Wie, mein Oheim, was wollt ihr dann sagen? + +York. +O mein Gnädigster Herr, vergebet mir, wenn es euch gefällt; wo +nicht, so laß ich mir auch gefallen, daß ihr mir nicht vergebt. +Ihr sucht euch der Ländereyen, Güter und Rechte des verbannten +Hereford zu bemächtigen? Wenn Gaunt todt ist, lebt nicht Hereford? +War Gaunt nicht redlich, und ist Heinrich nicht getreu? Verdiente +jener nicht, einen Erben zu haben? Ist nicht sein Erbe ein +verdienstvoller Sohn? Kanst du Herefords Rechte, kanst du seine +Titel, Urkunden und wohlhergebrachte Gerechtsame aufheben, und +gewiß seyn, ob du morgen noch seyn wirst, was du bist? Denn woher +bist du ein König, als durch das Recht der Erbfolge? Wenn ihr +gewaltthätiger Weise die Erbschaft Herefords an euch reissen, die +Vollmacht seines General-Procurators, in seinem Namen davon Besiz +zu nehmen, vernichten, und ihm die angebotne Huldigung versagen +wollt; so häuft ihr tausend Gefahren über euer Haupt, verliehrt +tausend wohlgesinnte Herzen, und reizet selbst meine sanftmüthige +Geduld zu Gedanken, welche Pflicht und Ehre nicht denken können. + +König Richard. +Denkt was ihr wollt; wir nehmen alle seine Güter, Mobilien, +Baarschaften und Ländereyen, zu unsern Händen. + +York. +Wenigstens will ich kein Augenzeuge davon seyn; lebet wohl, mein +gebietender Herr; was hieraus entstehen wird, kan niemand sagen. +Aber aus schlimmen Handlungen läßt sich ohne Mühe weissagen, daß +ihre Folgen nicht gut seyn können. + +(Er geht ab.) + +König Richard. +Geh, Buschy, ungesäumt zu dem Grafen von Wiltschire, und ersuch ihn +zu uns nach Ely-House zu kommen, und der Vollziehung dieses +Geschäftes vorzustehen. Morgen wollen wir nach Irland, es ist Zeit. +Indessen ernennen wir, während unsrer Abwesenheit, unsern Oheim +York zum Lord-Statthalter von England, denn er ist rechtschaffen, +und war uns jederzeit zugethan. Kommet, meine Königin; morgen +müssen wir uns scheiden; beruhigt euch, wir werden nicht lange +abwesend seyn. + +(König Richard, Königin und Gefolge gehen ab.) + + + +Vierte Scene. +(Northumberland, Willoughby und Roß bleiben.) + + +Northumberland. +Nun, Milords, der Herzog von Lancaster ist todt. + +Ross. +Und lebt wieder in seinem Sohn, der nun Herzog von Lancaster ist. + +Willoughby. +Dem Namen, nicht den Einkünften nach. + +Northumberland. +Beyden nach, wenn Gerechtigkeit ihr Recht erhält. + +Ross. +Mein Herz ist voll; aber es muß von Schweigen brechen, eh ihm eine +freymüthige Zunge leichter machen kan. + +Northumberland. +Bezieht sich das, was ihr reden möchtet, auf den Herzog von +Hereford, so sagt es kühnlich heraus, Mann; mein Ohr horcht mit +Freuden allem Guten entgegen, was von ihm gesagt wird. + +Ross. +Alles Gute, was ich für ihn thun kan, ist, Mitleiden mit ihm zu +haben, daß er seines Erbguts so beraubt worden ist. + +Northumberland. +Nun, beym Himmel, Schande ist es, daß solche Kränkungen, solche +Ungerechtigkeiten gegen ihn, einen königlichen Prinzen, und manche +andre von edlem Blut, in diesem dem Umsturz nähernden Lande +niederträchtig ertragen werden sollen! Der König ist nicht er +selbst, unköniglich läßt er von Schmeichlern sich leiten; und was +sie aus Raubsucht oder aus Haß gegen irgend einen aus uns anzetteln +möchten, das wird der König nach der Schärfe gegen uns, unser Leben, +unsre Kinder und Erben ausführen. + +Ross. +Die Gemeinen hat er durch übermäßige Auflagen ausgesogen, und +dadurch ihre Herzen verlohren; die Edeln hat er wegen abgestorbner +Händel gebüßt, und ihre Herzen verlohren. + +Willoughby. +Nichts destoweniger werden unter allerley Namen täglich neue +Erpressungen ausgesonnen; aber, was um Gottes willen! soll endlich +daraus werden? + +Northumberland. +Kriege haben alle diese Summen nicht verzehrt; denn er hatte nie +keinen Krieg, sondern gab vielmehr durch einen schimpflichen +Verglich hin, was seine Vorältern durch Siege gewonnen hatten; er +hat mehr Aufwand im Frieden gemacht, als sie in allen ihren Kriegen. + +Ross. +Der Graf von Wiltschire hat das Königreich im Pacht. + +Willoughby. +Der König ist Bankrutt worden. + +Ross. +Und ungeachtet aller seiner schweren Auflagen, muß er den +vertriebnen Herzog berauben, um Geld für diese Irländischen Unruhen +zu haben. + +Northumberland. +Seinen edeln Blutsverwandten!--Höchst ausgearteter König! Aber, +Milords, wir hören dieses fürchterliche Gewitter singen, und suchen +doch keinen Schirm gegen den Sturm; wir sehen den Wind unsern +Segeln zusezen, und doch ziehen wir sie nicht ein, sondern gehen +unbesorgt unter. + +Ross. +Wir sehen den Schiffbruch vorher, und es ist noch keine Anstalt +gegen die Gefahr gemacht, weil wir so geduldig die Ursachen unsers +Schiffbruchs leiden. + +Northumberland. +Nicht so; selbst durch die hohlen Augen des Todes, sehe ich Leben +hervorschauen; aber ich darf es nicht sagen, wie nah' uns unsre +Hülfe ist. + +Willoughby. +Wir haben unsre Gedanken nicht vor dir verborgen; laß uns auch die +deinigen theilen. + +Ross. +Rede zuversichtlich, Northumberland; wir drey sind nur du selbst, +und wenn du mit uns sprichst, sind deine Worte nur wie Gedanken; +also rede kühnlich! + +Northumberland. +So höret dann, meine Freunde, was für geheime Nachrichten ich von +(Port le blanc), einem Hafen in Bretagne, habe. Heinrich von +Hereford, Rainald, Lord Cobham, der unlängst mit dem Herzog von +Exeter gebrochen hat; sein Bruder, der neue Erzbischoff von +Canterbury, Sir Thomas Erpingham, Sir John Ramston, Sir John +Norbrew--, Sir Robert Waterton, und Franz Coines; alle diese, +von dem Herzog von Bretagne mit allen Nothwendigkeiten versehen, +sind würklich im Begriff, mit acht langen Schiffen und dreytausend +streitbaren Männern, eine Landung an unsern Nordischen Küsten zu +wagen; vielleicht haben sie schon gelandet, und warten nur bis der +König nach Irland abgegangen ist. Wann wir nun entschlossen sind, +unser sclavisches Joch abzuschütteln, die gebrochnen Schwingen +unsers sinkenden Vaterlandes wieder neu zu befiedern, die entehrte +Crone von einem schimpflichen Versaz wieder einzulösen; den Staub +abzuwischen, der unsers Scepters reines Gold verbirgt, und der +Majestät ihre eigne Gestalt wieder zu geben: So folget mir +schleunig nach Ravenspurg. Zaudert ihr aber, oder fürchtet ihr +euch, so zu thun, so bleibet zurük, und seyd verschwiegen; so will +ich allein gehen. + +Ross. +Zu Pferd, zu Pferd! Laßt die zaudern die sich fürchten. + +Willoughby. +Wenn anders mein Pferd aushält, so will ich der erste dort seyn. + +(Sie gehen ab.) + + + +Fünfte Scene. +(Der Hof.) +(Die Königin, Buschy und Bagot treten auf.) + + +Buschy. +Gnädigste Frau, Eure Majestät ist viel zu niedergeschlagen. Ihr +versprachst dem König beym Abschied, alle sich selbsthärmende +Gedanken zu entfernen, und eine frohe Gemüthsfassung zu unterhalten. + +Königin. +Dem Könige zu gefallen, that ich's; mir selbst zu gefallen kan +ich's nicht thun; und doch weiß ich keine Ursache, warum ich einen +solchen Gast, wie der Kummer ist, willkommen heissen sollte, als +diese, weil ich einem so werthen Gast, wie mein Richard ist, leb' +wohl sagen mußte; und doch ist mir, als ob irgend ein noch +ungebohrner Kummer, im Schooß des Schiksals reiffend, mir +bevorstehe; meine innerste Seele zittert über etwas, ohne zu wissen +was es ist; ausgenommen, daß es nicht die Trennung von dem König +meinem Gemal ist. + +Buschy. +Ein jeder würklicher Schmerz hat zwanzig Schatten die ihm gleich +sehen, und es doch nicht sind; durch den Crystall blendender +Thränen, sieht das Auge der Traurigkeit einen einzigen Gegenstand +in viele gespalten. Gleich gewissen perspectivischen Figuren, die, +wenn man sie geradezu anschaut, nichts als verworrene Striche +zeigen, aber aus einem gewissen schiefen Sehpunct eine regelmäßige +Gestalt darstellen, zeigen sich euch, indem ihr euers Gemals +Abwesenheit seitwärts anseht, Gestalten von Kummer, welche, wenn +sie angesehen werden, wie sie sind, nichts als blosse Schatten von +dem was nicht ist, sind. Trauret also über nichts mehr als die +Abreise euers Gemals; mehr ist nicht sichtbar, oder ist es doch nur +aus dem falschen Gesichtspunct der Traurigkeit, die oft über +eingebildete Übel, wie über wahre, weint. + +Königin. +Es mag so seyn; und doch sagt meine innerste Seele mir etwas anders; +dem sey wie ihm wolle, ich kann mich nicht erwehren traurig zu +seyn, auf eine so bange Art traurig, daß wenn die Überlegung mir +gleich sagt, es sey nichts, dieses ängstigende Nichts mich doch +nichts desto minder schmachten und welken macht. + +Buschy. +Es ist blosse Einbildung, meine gnädigste Königin. + +Königin. +Nichts weniger als Einbildung; Einbildung entspringt allemal aus +irgend einem vorhergegangenen Schmerz; so ist der meinige nicht. +Denn Nichts hat das Etwas gebohren das mich ängstiget; aber was es +ist, das ist noch unbekannt.* + +{ed.-* Im Original ist dieses viel spizfündiger gesagt: + +(For nothing hath begot my something-grief, +Or something hath, the nothing that I grieve. +But what it is, that is not yet Known, what +I cannot name, 'tis nameless Woe, I wot.)} + + + +Sechste Scene. +(Green zu den Vorigen.) + + +Green. +Der Himmel erhalte Euer Majestät!--Ich erfreue mich, euch zu sehen, +meine Herren--Ich hoffe, der König hat sich noch nicht nach Irland +eingeschift. + +Königin. +Warum hoffst du das; es ist mehr Ursache zu hoffen, daß er's gethan +habe; denn seine Absichten erfordern Behendigkeit, und seine +Behendigkeit giebt gute Hoffnung; warum sagst du also, du hoffest +er sey noch nicht zu Schiffe? + +Green. +Damit Er, auf welchem alle unsre Hoffnung beruht, seine Macht zurük +behalten hätte, um die Hoffnung eines Feindes zur Verzweiflung zu +bringen, der trozig seinen Fuß in dieses Land gesezt hat. Der +verbannte Bolingbroke hat sich selbst zurük beruffen, und ist mit +emporgestrekten Waffen glüklich zu Ravenspurg angelangt. + +Königin. +Das verhüte der Himmel! + +Green. +O Gnädigste Frau, es ist nur allzuwahr; und was noch schlimmer ist, +der Lord Northumberland, der junge Percy, sein Sohn, die Lords von +Roß, Beaumond und Willoughby mit allen ihren mächtigen Freunden +sind zu ihm übergegangen. + +Buschy. +Wie? Habt ihr denn den Northumberland und alle von dieser +rebellischen Rotte nicht für Verräther erklärt? + +Green. +Das haben wir, und darauf hat der Graf von Worcester seinen Stab +zerbrochen, seine Oberhofmeister-Stelle niedergelegt, und sich mit +allen königlichen Haus-Bedienten zum Bolingbroke geflüchtet. + +Königin. +O Green, du bist die Wehmutter meines Kummers. Nun hat meine Seele +ihr Ungeheuer zur Welt gebracht. Bolingbroke ist die unglükliche +Geburt meines ahnenden Weh's, und ich eine keuchende neu-entbundne +Mutter, sinke aus einer Angst, einem Schmerz, in den andern. + +Buschy. +Lasset den Muth noch nicht sinken, Gnädigste Frau. + +Königin. +Und warum soll ich nicht? Ich will verzweifeln, ich will mit der +betrügerischen Hoffnung in Feindschaft stehen; sie ist eine +Schmeichlerin, die den Tod nur zurük hält, um durch ihre +täuschenden Eingebungen das Gefühl seiner Streiche zu übertäuben. + + + +Siebende Scene. +(York zu den Vorigen.) + + +Green. +Hier kommt der Herzog von York. + +Königin. +Mit Zeichen des Kriegs um seinen bejahrten Naken. O, seine Blike +sind von sorgenvollen Geschäften verdüstert! Guter Oheim, um des +Himmels willen, eine tröstliche Zeitung! + +York. +So müßte ich meine Gedanken belügen; der Trost ist im Himmel, und +wir sind auf einer Welt, wo nichts als Kreuz, Sorge und Kummer lebt. +Euer Gemal ist gegangen, um in der Ferne zu retten, was ihm andre +indeß daheim entreissen. Ich ward hier zurük gelassen, um dieses +Land zu unterstüzen; ich, der vom Alter gedrükt, kaum mich selbst +tragen kan. Nun kommen die kranken Tage, die seine +Ausschweiffungen nach sich gezogen haben; nun wird er seine Freunde, +die ihm schmeichelten, kennen lernen. (Ein Bedienter kommt herein.) + +Bedienter. +Milord, euer Sohn war schon abgereist, wie ich ankam. + +York. +Schon abgereist; Nun, so geh alles, welchen Weg es will. Die Edeln +sind übergegangen, die Gemeinen kalt, und wanken schon wie ich +besorge, auf Herefords Seite--Geh du nach Plaschie, zu meiner +Schwester von Glocester; bitte sie, daß sie mir unverzüglich +tausend Pfund schike; halt, hier ist mein Ring. + +Bedienter. +Milord, ich habe vergessen zu sagen, daß an dem nemlichen Tag da +ich hinkam, und anfragte--Aber ich werde euch betrüben, wenn ich es +sage. + +York. +Was ist es dann? + +Bedienter. +Eine Stunde eh ich kam, starb die Herzogin. + +York. +Gerechter Himmel! Was für eine Fluth von Plagen stürzt sich auf +einmal über dieses unglükselige Land! Ich weiß nicht, was ich thun +soll; wollte Gott! der König hätte (ohne daß eine Untreue von mir +ihn dazu aufgefordert hätte) meinen Kopf mit meines Bruders +Gloster's seinem abschlagen lassen. Wie, sind schon Jacht-Schiffe +nach Irland abgegangen? Wo sollen wir Geld zu diesem Krieg +hernehmen? Kommt, Schwester; (Base, wollt' ich sagen,) ich bitte +euch um Vergebung.-- + +(Zum Bedienten.) + +Geh' du heim, Bursche, bestelle einige Wagen, und belade sie mit +den Waffen, die du finden wirst--Meine Herren, wollt ihr gehen, und +die Truppen mustern? Ich versichre euch, daß ich nicht weiß, wie +ich die Sachen, in der Unordnung, worinn sie mir in die Hände +gegeben worden, ordnen soll.--Beyde sind meine Bruders-Söhne; der +eine ist mein Souverain, beydes mein Eid und meine Pflicht befiehlt +mir, ihn zu schüzen; der andre, gleichfalls mein Neffe, hat Unrecht +vom König erlidten; Gewissen und Natur befehlen mir seinem Recht +beyzustehen. Nun, etwas muß gethan seyn: Kommt, Base, ich will für +eure Sicherheit sorgen. Geht, mustert eure Leute, und erwartet +mich zu Berkley-Castle; ich will auch nach Plaschie--Aber die Zeit +wird es nicht zulassen. Alles ist uneben, alles in der äussersten +Unordnung. + +(York und die Königin gehen ab.) + + + +Achte Scene. + + +Buschy. +Der Wind ist günstig, neue Zeitungen nach Irland zu schiken, aber +bringt keine zurük. Wir werden nimmermehr eine hinlängliche Macht, +um dem Feind Widerstand zu thun, aufbringen können. + +Green. +Ausserdem sind wir dem Haß derer, die den König hassen, desto näher, +je näher wir der Liebe des Königs sind. + +Bagot. +Und das sind die unbeständigen Gemeinen; ihre Liebe ligt in ihrem +Beutel; wer ihren Beutel ausleert, füllt ihre Herzen mit tödtlichem +Haß. + +Buschy. +Wenn dieses ist, so ist der König mit allen Stimmen verurtheilt. + +Bagot. +Und so ist uns unser Urtheil auch gesprochen. + +Green. +Gut; ich will zu meiner Sicherheit nach Bristol, der Graf von +Wiltschire ist schon da. + +Buschy. +Ich will mit euch; denn von den erbitterten Gemeinen haben wir +nicht viel bessere Dienste zu gewarten, als daß sie uns in Stüken +zerreissen werden. Wollt ihr mit uns, Bagot? + +Bagot. +Nein; ich will zu Sr. Majestät nach Irland. Lebet wohl; wenn mir +mein Herz die Wahrheit sagt, so werden wir Drey nimmer wieder +zusammen kommen. + +Buschy. +Das kommt darauf an, ob York den Bolingbroke zurükschlagen wird. + +Green. +Der arme York! Das Geschäfte, das er übernommen hat, ist nicht +leichter, als wenn er den Sand zählen, und das Meer austrinken +wollte. Wenn einer an seiner Seite ficht, so werden tausend +fliehen. + +Buschy. +Lebet wohl für ein und allemal. + +Green. +Wir können einander wol wieder sehen. + +Bagot. +Ich besorge, nimmer. + +(Sie gehen ab.) + + + +Neunte Scene. +(Verwandelt sich in eine wilde Gegend, in Glocester-Schire.) +(Bolingbroke und Northumberland treten auf.) + + +Bolingbroke. +Wie weit ist es noch, Milord, von hier nach Berkley? + +Northumberland. +Ich bin hier fremde in Glocester-Schire; diese hohen wilden Hügel, +und diese rauhen unebnen Wege, machen unsern Marsch langsam und +sehr beschwerlich; und doch hat eure angenehmste Gesellschaft mich +beydes vergessen gemacht. Ich bedaure nur Roß und Willoughby, die +auf ihrem Weg von Ravenspurg nach Cotschold das Glük ermangeln +müssen, so ich izt geniesse; doch die Hoffnung erleichtert ihnen +den ihrigen, und die Hoffnung des Genusses genießt beynahe schon so +viel, als der Genuß selbst. + +Bolingbroke. +Eure Freundschaft treibt den Werth meiner Gesellschaft viel zu hoch, +aber wer kommt hier? (Percy zu den Vorigen.) + +Northumberland. +Es ist mein Sohn, der junge Heinrich Percy, von meinem Bruder +Worcester abgeschikt: Woher, Harry, was macht dein Oheim? + +Percy. +Ich hoffte, Milord, bey euch Nachricht von ihm zu holen. + +Northumberland. +Wie, ist er nicht bey der Königin? + +Percy. +Nein, Milord, er hat den Hof verlassen, seinen Stab zerbrochen, und +die Königliche Hofstatt zerstreut. + +Northumberland. +Wie? Aus was Ursache? Er war nicht so gesinnt, da ich ihn das +leztemal sprach. + +Percy. +Weil Euer Gnaden als ein Verräther ausgeruffen worden ist. Er ist +nach Ravenspurg abgegangen, um dem Herzog von Hereford seine +Dienste anzubieten; und mich hat er nach Berkley geschikt, um die +Stärke der Kriegs-Völker zu erkundigen, die der Herzog von York +daselbst zusammengebracht hat, mit dem Befehl von da gerade nach +Ravenspurg zu eilen. + +Northumberland. +Hast du den Herzog von Hereford vergessen? + +Percy. +Nein, Milord, man kan nicht vergessen, wessen man sich nie erinnert +hat; meines Wissens hab' ich ihn in meinem Leben nie gesehen. + +Northumberland. +So lern' ihn dann izt kennen; diß ist der Herzog. + +Percy. +Gnädigster Herr, ich erbiete euch meine Dienste, so wie sie sind, +schwach, roh und jugendlich; zunehmende Jahre werden sie reiffer, +und euers Beyfalls würdiger machen. + +Bolingbroke. +Ich danke dir, edler Percy; sey versichert, daß ich mich in nichts +anderm so glüklich schäze, als in einem Herzen, das seiner guten +Freunde nicht vergessen kan; und so, wie mein Glük mit deiner Liebe +reiffen wird, soll es jederzeit die Belohnung deiner treuen Liebe +seyn. Mein Herz macht diesen Vertrag, und hier siegelt ihn meine +Hand. + +Northumberland. +Wie weit ist es von hier nach Berkley? und was für Bewegungen +macht der gute alte York mit seinen Truppen dort? + +Percy. +Das Schloß steht dort hinter jenem Gebüsche, und ist, wie ich hörte, +mit dreyhundert Mann besezt; die Lords, York, Berkley und Seymour +sind darinn, sonst niemand von Namen und Ansehn. (Roß und +Willoughby zu den Vorigen.) + +Northumberland. +Hier kommen die Lords von Roß und Willoughby, blutig vom Spornen, +und feuerroth von Eile. + +Bolingbroke. +Willkommen, Milords; ich weiß, eure Liebe verfolgt einen verbannten +Verräther; alle meine Schäze bestehen noch in leerem Dank, der, +wenn er reicher geworden ist, die Vergeltung eurer Liebe und eurer +Dienste seyn soll. + +Ross. +Eure Gegenwart macht uns reich genug, Milord; + +Willoughby. +Und ersezt uns die Arbeit überflüßig, wodurch wir sie erhalten +haben. + +Bolingbroke. +Immer mehr Dank!--(die Wiedervergeltung der Armen,) bis mein noch +unmündiges Glük zu Jahren kommt, müssen Worte für mein +erkenntliches Herz Bürge seyn. Aber wer kommt hier? (Berkley zu +den Vorigen.) + +Northumberland. +Es ist Milord von Berkley, däucht mich. + +Berkley. +Milord von Hereford, mein Auftrag geht an euch. + +Bolingbroke. +Milord, meine Antwort ist zu Lancaster; ich bin gekommen, diesen +Namen in England zu suchen, und ich muß diesen Titel in eurer Zunge +finden, eh ich auf etwas antworten kan, das ihr sagt. + +Berkley. +Meine Absicht, Milord, ist gar nicht, einen Titel von euern Würden +wegzunehmen; ich komme zu euch, Milord, (Lord wovon ihr nur wollt) +von demjenigen der izt der Erste in diesem Land ist, von dem Herzog +von York, um zu erfahren, was euch antreibt, den Vortheil der +Abwesenheit des Königs zu nehmen, und unsern angebohrnen Frieden +durch einheimische Waffen zu schreken? + + + +Zehnte Scene. +(York zu den Vorigen.) + + +Bolingbroke. +Ich werde nicht nöthig haben, meine Antwort durch euch zu versenden; +hier kommt Se. Gnaden selbst. Mein edler Oheim! + +(Er kniet vor ihm nieder.) + +York. +Zeige mir, statt diesen betrüglich demüthigen Knien ein aufrichtig +unterwürfiges Herz. + +Bolingbroke. +Mein gnädigster Oheim! + +York. +Stille, stille; ich will nichts von deinen Titeln; ich bin keines +Verräthers Oheim, und das Wort Gnade wird in einem verbrecherischen +Mund entweiht. Warum haben deine geächteten, verbannten Füsse sich +erfrecht, den Staub von Englands Boden zu betreten? Und, was noch +ärger ist, wie haben sie sich erfrecht, so viele Meilen über ihren +friedsamen Busen einher zu ziehen, und ihre erblassenden Einwohner +mit dem Gepränge einer kriegrischen Schlacht-Ordnung zu schreken? +Kommst du, weil der gesalbte König abwesend ist? Wie, unbesonnener +Jüngling, der König ist noch da, seine Gewalt ligt in einem +treuvollen Busen. Wär' ich nur noch Herr von jener jugendlichen +Stärke wie damals, da der brave Gaunt, dein Vater, und ich, den +schwarzen Prinzen, diesen jungen Kriegsgott, mitten aus den Linien +von zehntausend Franzosen erledigten; o! wie schnell sollte dieser +izt entnervte Arm, deinen Übermuth züchtigen! + +Bolingbroke. +Mein gnädigster Oheim, laßt mich nur erst wissen, von was für einer +Art mein Verbrechen ist. + +York. +Von der schlimmsten Art, Aufruhr und fluchwürdiger Hochverrath. Du +bist ein Landsverwiesener, und kommst hier, bevor deine Zeit +verflossen ist, in herausfordernden Waffen deinem Oberherrn Troz zu +bieten. + +Bolingbroke. +Wie ich verwiesen wurde, war ich Hereford; nun, da ich komme, komme +ich für Lancaster. Ich bitte Euer Gnaden, betrachtet das Unrecht, +das mir zugefügt worden, mit einem unpartheyischen Auge. Ihr seyd +mein Vater, denn mich däucht, in euch sehe ich den bejahrten Gaunt +wieder lebend. O! denn, mein Vater! Könnt ihr gestatten, daß ich +verurtheilt seyn soll, ein herumschweifenden Flüchtling zu seyn, +und aller meiner Rechte und Regalien beraubt, gleichgültig +zuzusehen, wie sie unter lumpichte Taugenichts ausgetheilt werden, +die gestern noch Bettler waren? Wozu war ich gebohren? Wenn der +König mein Vetter, König von England ist, so muß es unstreitig seyn, +daß ich Herzog von Lancaster bin. Ihr habt einen Sohn, den +Aumerle, mein edler Vetter; wäret ihr zuerst gestorben, und er wäre +so niedergetreten worden, er würde in seinem Oheim Gaunt einen +Vater, einen eifrigen Verfechter seines Rechts, gefunden haben. +Man versagt mir die Besiznehmung von meinen angeerbten Titeln und +Gütern, wozu mir doch meine Patenten die Befügniß geben. Meines +Vaters Güter werden zerstreut und verkauft, und wie alles übrige +unnüzer Weise durchgebracht. Was wollt ihr, daß ich in solchen +Umständen thun soll? Ich bin ein Unterthan, und reclamire das +Gesez; man versagt mir Anwalde, ich bin also genöthigt, in eigner +Person die Ansprüche an mein angestammtes Erbgut gelten zu machen. + +Northumberland. +Der edle Herzog ist zu sehr gekränkt worden. + +Ross. +Es ligt nur bey euer Gnaden, ihm Recht wiederfahren zu lassen. + +Willoughby. +Schlechte Leute sind durch seine Erbgüter groß gemacht worden. + +York. +Milords von England, laßt mich euch sagen, daß ich gegen die +Kränkungen meines Neffen nicht unempfindlich gewesen bin, und mich +so sehr ich konnte bemühet habe, ihm sein Recht zu verschaffen. +Aber auf eine solche Art zu kommen, in trozigen Waffen zu kommen, +und sein Recht durch unerlaubte Gewalt zu suchen, das geht nicht an; +und ihr, die ihr ihm hierinn beysteht, begünstiget die Empörung, +und seyd alle Rebellen. + +Northumberland. +Der Herzog hat geschworen, daß er nur gekommen sey, sein Recht zu +suchen; und ihm zu diesem zu verhelfen, haben wir alle durch einen +theuren Eid uns anheischig gemacht; und mög' auf ewig den die +Freude meiden, der seinen Eid bricht! + +York. +Gut, gut, ich sehe den Ausgang dieser Waffen; ich muß es bekennen, +es ist nicht in meiner Macht, ihn zu verhindern; aber könnte ich's, +bey dem der mich erschaffen hat! ihr solltet mir alle gebunden und +in den Staub gebükt, euer verwürktes Leben von der königlichen +Gnade erflehen! Nun, da ich ohne Kräfte bin, so wisset, daß ich +soviel als neutral bleiben werde. Und hiemit gehabt euch wohl; es +wäre dann, daß es euch beliebte, in dieses Schloß zu kommen, und +die Nacht da auszuruhen. + +Bolingbroke. +Ein Anerbieten, mein Oheim, das wir annehmen wollen; aber wir +müssen Euer Gnaden erbitten, mit uns nach Bristol-Castle zu gehen, +worinn, wie man sagt, Buschy, Bagot, und ihre Mitschuldigen sich +halten, diese Raupen des gemeinen Wesens, die ich auszureuten +geschworen habe. + +York. +Es mag seyn, ich will gehen--Doch nein, laßt mich ruhig bleiben; +ich will nicht von denen seyn, die die Geseze meines Vaterlands +brechen. Weder Feinde noch Freunde, seyd ihr mir willkommen; und +Dinge, denen nicht mehr zu helfen ist, sollen mich auch nicht mehr +bekümmern. + +(Sie gehen ab.) + + + +Eilfte Scene. +(In Wales.) +(Salisbury und ein Officier treten auf.) + + +Officier. +Milord von Salisbury, wir haben zehen Tage gewartet, und die gröste +Mühe gehabt, unsre Landleute bey einander zu behalten; da wir aber +noch immer keine Nachrichten von dem König erhalten, so wollen wir +wieder auseinander gehen. Lebet wohl! + +Salisbury. +Gedulde dich nur noch einen einzigen Tag, du rechtschaffner +Welschmann; der König sezt all sein Vertrauen in dich. + +Officier. +Man glaubt, der König sey todt; wir warten nicht länger. Die +Lorbeer-Bäume in unserm Lande sind alle verdorben, Wunderzeichen +schreken die Fix-Sterne vom Himmel; der bleiche Mond schaut blutig +auf die Erde herab, und hagre Propheten lispeln furchtbare +Veränderung. Reiche Leute sehen traurig aus, und Bettler und +Spizbuben tanzen und springen; die eine, aus Furcht zu verliehren +was sie gewonnen haben, die andre, in Hoffnung durch Krieg und +Zerrüttung zu gewinnen. Alles dieses sind Zeichen, die den Tod der +Könige ankündigen--Lebet wohl; unsre Landleute sind alle wieder +auseinander gegangen, und lassen sich nicht benehmen, daß König +Richard todt sey. + +(Er geht ab.) + +Salisbury. +Ach! Richard! ach! mit thränenbeladnen Augen seh' ich deinen +Glanz, gleich einem fallenden Stern, vom Firmament zur Erde sinken. +Die Sonne sizt weinend im niedrigen West, und propheceyt Stürme, +Unruhen und Unglük. Deine Freunde sind zu deinen Feinden +übergegangen, und alle Umstände vereinigen sich zu deinem Verderben. + +(Er geht ab.) + + + + +Dritter Aufzug. + + + +Erste Scene. +(Bolingbroks Lager zu Bristoll.) +(Bolingbroke, York, Northumberland, Roß, Percy, Willoughby, mit + Buschy, und Green, als Gefangnen treten auf.) + + +Bolingbroke. +Bringt diese Männer näher herbey--Buschy, und Green, ich will eure +Seelen da es nun an dem ist, daß sie von ihren Leibern scheiden +müssen, nicht mit so harten Vorwürfen ängstigen, als euer +verderbliches Leben verdient hat, denn das wäre Unbarmherzigkeit; +aber um euer Blut von meinen Händen zu waschen, will ich hier, vor +dieser Versammlung, einige Ursachen eures Todes entfalten. Ihr +habt einen Fürsten, den seine Geburt und sein angebohrner Edelmuth +zu einem grossen und glüklichen Könige bestimmte, mißgeleitet, +verderbt und unglüklich gemacht. Ihr habt ihn durch die +Ausschweiffungen, wozu ihr ihn reiztet, in gewissem Sinn von seiner +Königin geschieden, die geheiligten Rechte eines königlichen +Ehbettes geschmälert, und die schönen Wangen einer liebenswürdigen +Fürstin durch die Thränen beflekt, die eure Beleidigungen aus ihren +Augen erpreßten. Ich selbst, durch das Glük meiner Geburt, ein +Prinz vom königlichen Geblüte, und von dem König, meinem +Blutsverwandten, werth gehalten, bis ihr durch giftige Eingebungen +mich ihm verdächtig gemacht; ich selbst habe meinen Naken unter +euern Verfolgungen beugen müssen, und, das bittre Brodt der +Verbannung essend, meinen Engländischen Athem in ausländische +Wolken verseufzt; indeß, daß ihr meine Herrschaften aufgezehrt, +meine Waldungen und Lusthayne ausgehauen, mein Wappen von meinen +Thoren abgerissen, und mir kein andres Zeichen übrig gelassen habt, +wodurch ich der Welt zeigen kan, daß ich ein Edelmann bin, als die +Meynung der Leute und das Blut in meinen Adern: Dieses und viel +mehr, viel mehr als zweymal so viel, verurtheilt euch zum Tode. +Sehet, daß ihr Urtheil an ihnen vollzogen werde. + +Buschy. +Willkommner ist mir der Streich des Todes, als Bolingbroke England +ist--Milords, gehabt euch wohl. + +Green. +Mein Trost ist, daß der Himmel unsre Seelen aufnehmen, und die +Ungerechtigkeit mit den Qualen der Hölle straffen wird. + +Bolingbroke. +Milord von Northumberland, sehet, daß sie abgethan werden--Mein +Oheim, ihr sagtet, die Königin befinde sich in ihrem Hause; um des +Himmels willen, sorget davor, daß ihr geziemend begegnet werde; +sagt ihr, daß ich sie meiner Ehrfurcht und Ergebenheit versichre; +traget ja Sorge dafür, daß ihr mein Gruß überbracht werde. + +York. +Ich habe einen von meinen Edelleuten mit Briefen abgeschikt, worinn +eure freundschaftliche Gesinnungen ausführlich erklärt sind. + +Bolingbroke. +Ich danke euch, mein gütiger Oheim, kommt, Milords, kommt, zum +Gefecht mit Glendower und seinen Anhängern; noch eine Weile Arbeit, +und dann Feyer-Abend. + +(Sie gehen ab.) + + + +Zweyte Scene. +(Verwandelt sich in eine Küste von Wales.) +(Trummeln und Trompeten. + König Richard, Aumerle, der Bischoff von Carlisle, und Soldaten + treten auf.) + + +König Richard. +Barkloughly-Castle nennt ihr jenes dort? + +Aumerle. +Ja, Gnädigster Herr; wie findet Eure Majestät die Landluft, nach +den Beschwerlichkeiten der See? + +König Richard. +Sie muß mir wol angenehm seyn--Freuden-Thränen erfüllen meine Augen, +da ich noch einmal wieder den Boden meines Königreichs betrete. +Theure Erde, ich umarme dich, obgleich Aufrührer dich mit den Hufen +ihrer Pferde verwunden. Wie eine lang von ihrem Kinde getrennte +Mutter, beym Wiedersehn lächelnd in zärtliche Thränen zerfließt, so +grüß' ich dich, zugleich weinend und lächelnd, meine Erde, und +drüke dich an meine Königliche Brust. O, nähre nicht deines Königs +Feind, holde Erde, und labe nicht mit deinen Erquikungen seinen +raubgierigen Muth: Sende die Schlangen, die deinen Gift in sich +saugen, und schwellende Kröten in ihren Weg, ihre verräthrischen +Füsse zu verwunden, die mit gewaltthätigen Tritten dich stampfen; +und wenn sie eine Blume von deinem Busen pflüken wollen, so +bewaffne sie, ich bitte dich, mit einer laurenden Natter, deren +zweygespizte Zunge den Tod in die Adern der Feinde deines Herrn +sprize. Spottet nicht, Milords, daß ich leblose Dinge beschwöre; +diese Erde wird ein Gefühl haben, und diese Steine werden zu +bewaffneten Kriegern werden, eh ihr gebohrner König unter den +Waffen schändlicher Empörer fallen soll. + +Bischoff. +Fürchtet euch nicht, Gnädigster Herr; diese Gewalt, die euch zum +Könige schuf, hat Macht genug, euch troz aller Welt als König zu +erhalten. Aber wir müssen die Mittel ergreiffen, die uns der +Himmel anbietet. + +Aumerle. +Seine Meynung ist, daß wir zu schläfrig sind, Gnädigster Herr, und +dem Bolingbroke Zeit lassen, durch unsre Sicherheit immer stärker +zu werden. + +König Richard. +Untröstlicher Vetter, weißst du nicht, daß wenn das forschende Auge +des Himmels hinter unsrer Halbkugel verborgen ist und der Unterwelt +leuchtet, daß dann Diebe und Mörder ungesehn herumschleichen und +Räubereyen und blutige Gewalt verüben; aber sobald die +wiederkehrende Sonne die stolzen Gipfel der östlichen Hügel glühen +macht, und ihr Licht durch jede verbrecherische Gruft blizt, daß +dann Mord und Verrath und jede schändliche Sünde, aus der +Finsterniß schwarzem Mantel hervorgezogen, bloß und nakend da stehn, +und über sich selbst erzittern? So, wenn dieser Räuber, dieser +verräthrische Bolingbroke, der während dieser ganzen Nacht, da wir +unsern Lauf bey den Antipoden vollbrachten, ungestört +herumschwärmte, uns unsern Thron im Osten besteigen sehen wird, +werden seine Verräthereyen, in seinem schaamglühenden Angesicht +enthüllt, den Tag nicht ertragen können, der sie vor ihrer eignen +grauenvollen Gestalt erzittern machen wird. Alle Wasser der +ungestümen See sind nicht fähig, das geheiligte Öl von einem +gesalbten Könige wegzuwaschen; und der Athem sterblicher Menschen +kan denjenigen nicht entsezen, den der Herr zu seinem Statthalter +ernannt hat. Für einen jeden Mann, den Bolingbroke aufgetrieben +hat, sein Schwerdt gegen unsre Crone zu ziehen, hat der Himmel für +seinen Richard einen glorreichen Engel in himmlischem Sold, und wo +Engel fechten, da müssen schwache Menschen fallen.-- + + + +Dritte Scene. +(Salisbury zu den Vorigen.) + + +König Richard. +--Willkommen, Milord, wie weit ist eure Macht entfernt? + +Salisbury. +Weder näher noch ferner als dieser schwache Arm, mein Gnädigster +Herr. Ich habe trostlose Zeitungen zu bringen. Ein einziger Tag +zu spät, hat alle deine glüklichen Tage auf Erden umwölkt. O ruffe +den gestrigen Tag zurük, befiehl der Zeit zurük zu kehren, und du +wirst zwölftausend streitbare Männer haben. Dieser Tag, dieser +einzige unglükselige Tag zu spät, vernichtet deine Freuden, deine +Freunde, dein Glük und deinen Stand. Alle Welschen, haben, auf die +Zeitung von deinem Tode, sich zerstreut, oder sind zu Bolingbroke +übergegangen. + +Aumerle. +Fasset Muth, Gnädigster Herr, warum seht ihr so blaß aus? + +König Richard. +Nur noch vor einem Augenblik triumphierte das Blut von +zwanzigtausend Mann in meinem Gesicht, und nun sind sie +verschwunden; und bis wieder so viel Blut dahin zurük kommt, hab' +ich nicht Ursach bleich und todtenhaft auszusehen? Die Zeit hat +meinen Stolz zuschanden gemacht, und wer seine Seele retten will, +flieht von meiner Seite. + +Aumerle. +Beruhiget euch, Gnädigster Herr, erinnert euch, wer ihr seyd. + +König Richard. +Ich hatte mich selbst vergessen: Bin ich nicht ein König? Erwache, +du schüchterne Majestät, du schläfst! Ist nicht des Königs Name +soviel als vierzigtausend Namen? Rüste, rüste dich, mein Name; ein +elender Unterthan dräuet deiner glänzenden Majestät. Seht nicht so +auf den Boden, ihr Günstlinge eines Königs! Sind wir nicht hoch? +Laßt es uns wenigstens in Gedanken seyn. Ich weiß, mein Oheim York +hat ein ansehnliches Heer zu unserm Dienst aufgebracht. Aber wer +kommt hier? + + + +Vierte Scene. +(Scroop zu den Vorigen.) + + +Scroop. +Ein besseres Glük falle meinem Könige zu, als meine kummerbeladne +Zunge ihm ankündigen muß. + +König Richard. +Mein Ohr ist offen, und mein Herz gerüstet; das schlimmste was du +sagen kanst, ist nur zeitlicher Verlust. Sagst du, mein Königreich +sey verlohren? Nun dann, es war meine Sorge; was für ein Verlust +ist es, seiner Sorgen entlediget zu werden? Strebt Bolingbroke so +groß zu werden als wir? Grösser kan er nicht werden; und wenn er +doch immer ein Unterthan des Himmels bleibt, so bin ich das auch, +und so bleibt er meines gleichen. Empören sich unsre Unterthanen? +Das können wir nicht ändern; sie brechen ihre Treue gegen Gott eben +sowol als gegen uns. Ruffe immerhin Weh, Jammer, Verwüstung, Fall, +Untergang; das schlimmste ist der Tod, und der Tod hat seinen +unvermeidlichen Tag. + +Scroop. +Es erfreut mich, daß Eure Majestät so gerüstet ist, unglükliche +Nachrichten zu ertragen. Wie ein ungestümer stürmischer Tag, der +die Silberströme so hoch über ihre Ufer schwellen macht, als ob die +ganze Welt in Thränen zerflossen wäre: So hoch über alle Schranken +schwellt Bolingbroks Wuth, und bedekt euer geschrektes Land mit +hartem schimmerndem Stahl, und mehr als stählernen Herzen. Weisse +Bärte haben ihre nakten dünnbehaarten Schädel gegen deine Majestät +bewaffnet; Knaben mit Weiber-Stimmen bemühen sich grob zu reden, +und schmiegen ihre weiblichen Gelenke in unbiegsam Waffen gegen +deine Crone; ja selbst Kunkel-Weiber schwingen rostige Hellebarden. +Alte und Junge stehen gegen deinen Thron auf, und alles geht +schlimmer, als ich es auszusprechen vermag. + +König Richard. +O nur zu gut, zu gut erzählst du eine so böse Geschichte. Wo ist +der Graf von Wiltschire? Was ist aus Buschy worden? Wo ist Green? +Daß sie den Feind so ruhig sich über unsre Grenzen haben +ausbreiten lassen? Wenn wir die Oberhand erhalten, so sollen ihre +Köpfe davor bezahlen. Ich zweifle nicht, sie haben ihren Frieden +mit Bolingbroke gemacht. + +Scroop. +Sie haben Frieden mit ihm gemacht, in der That, Gnädigster Herr. + +König Richard. +O Bösewichter, Vipern, verdammte Verräther! Hunde, die sich leicht +gewinnen lassen, einem jeden liebzukosen! Schlangen, die ich in +meinem Busen erwärmte, und die nun mein Herz durchstechen! Drey +Judasse, jeder dreymal ärger als Judas! Haben sie Frieden gemacht? +Die flammende Hölle bekriege ihre beflekten Seelen für diese +Schandthat! + +Scroop. +Die süsseste Liebe wird, wie ich sehe, wenn sie ihre Natur ändert, +zu bitterstem und tödtlichstem Haß. Entlasset ihre Seelen wieder +euers Fluchs; sie haben ihren Frieden mit Köpfen gemacht, nicht mit +Händen; diejenigen, denen ihr fluchet, haben des Todes +gewaltthätige Hand gefühlt, und ligen tief in geweihtem Grund. + +Aumerle. +Ist Buschy, Green, und der Graf von Wiltschire todt? + +Scroop. +Ja, alle drey verlohren zu Bristol ihre Köpfe. + +Aumerle. +Wo ist denn der Herzog, mein Vater, mit seinen Völkern? + +König Richard. +O! Frage nicht wo er ist; und niemand rede mehr von Trost! Von +Gräbern laßt uns reden, von Würmern und Grabschriften; laßt uns den +Staub zu unserm Papier machen, und mit regnenden Augen unsern +Jammer auf den Busen der Erde schreiben. Laßt uns von Testamenten +reden, und unsre Ausrichter erwählen--doch nein--Was können wir +vermachen, als unsre abgelegte Leiber der Erde? Unsre Länder, +unser Leben, alles ist Bolingbroks, und wir können nichts unser +nennen als den Tod, und dieses Bißchen Erde, das unsre Gebeine +deken wird. Ums Himmels willen! laßt uns hier auf den Boden +niedersizen, und einander melancholische Geschichten vom Tod der +Könige erzählen; wie einige entsezt, andre im Krieg erschlagen +worden; andre von den Geistern derjenigen verfolgt, so sie aus dem +Wege geräumt hatten; andre von ihren Weibern vergiftet, andre im +Schlaf umgebracht, alle ermordet!--denn in der holen Crone, die +eines Königs sterbliche Schläfe umfaßt, hält der Tod seinen Hof; da +sizt das groteske Ungeheuer und spottet mit grinsendem Lächeln +seines Pomps, erlaubt ihm einen Athem-Zug, eine kleine Scene lang +zu herrschen, gefürchtet zu werden, und mit Bliken zu tödten, +lispelt ihm eitle schwülstige Gedanken ein, als ob das Fleisch, +worinn sein Leben eingeschlossen ist, unzerstörbares Metall sey; +und wann er ihn so bethört hat, kommt er zulezt, durchbort mit +einer kleinen Steknadel seine Schläfe, und gute Nacht König!-- +Bedekt eure Häupter, und verspottet nicht Fleisch und Blut mit +feyrlicher Ehrerbietung; werfet Ehrfurcht, Titel, Ceremoniel, und +alle diese Zeichen der Unterwürfigkeit weg; ihr habt mich diese +ganze Zeit her mißkannt. Ich lebe von Athem wie ihr, ich habe +Bedürfnisse wie ihr, fühle Schmerzen, habe Freunde vonnöthen, wie +ihr; so abhängig, wie ich also bin, wie könnt ihr mir sagen: ich +sey ein König? + +Bischoff. +Gnädigster Herr, weise Männer bejammern niemals ihre gegenwärtigen +Übel, sondern kommen gegenwärtig den Übeln zuvor, die sie künftig +bejammern müßten. Den Feind fürchten, giebt, da die Furcht die +Stärke schwächt, dem Feind einen Zuwachs von Stärke in unsrer +Schwäche, und so haben wir an unsrer eignen Thorheit einen Feind +mehr. Fürchtet euch, so seyd ihr geschlagen; kan es euch schlimmer +gehen, wenn ihr euch wehret? Fechtet ihr und kommt um, so sterbt +ihr doch edler, als wenn ihr aus Zagheit umkommt. + +Aumerle. +Mein Vater hat Truppen; schiket nach ihm, und lernet aus einem +Gliedmaß einen Leib machen. + +König Richard. +Du beschiltst mich mit Recht. Stolzer Bolingbroke, ich komme, um +durch Streiche deinen oder meinen lezten Tag zu entscheiden. +Dieser fiebrische Schauer von Furcht ist vorüber; es ist eine +leichte Arbeit zu gewinnen was unser eigen ist. Sage, Scroop, wo +ligt unser Oheim mit seiner Macht? Antworte etwas besseres, als +deine düstern Blike versprechen. + +Scroop. +Wol mögt ihr aus meinen düstern und kummerbeladnen Augen urtheilen, +daß meine Zunge noch eine bösere Zeitung zu erzählen hat, wie man +aus der Beschaffenheit des Himmels auf das heitre oder ungestüme +Ende eines Tages zu schliessen pflegt. Ich mache den Peiniger, +indem ich das ärgste was ich sagen muß, in die Länge ziehe. Euer +Oheim York hat sich mit Bolingbroke vereiniget, alle eure +Nordischen Schlösser sind übergeben, und aller euer südlicher Adel +ist in Waffen auf seiner Parthey. + +König Richard. +Du hast genug gesagt. Wehe dir, Vetter, daß du mich von diesem +guten Weg, worauf ich war, in Verzweiflung geführt hast. Was sagt +ihr izt? Was für Hoffnung haben wir nun? Beym Himmel! ich hasse +den auf ewig, der mir zumuthen will, noch etwas zu hoffen. Geht +nach Flint-Castle, dort will ich mich ungestört dem Gefühl meines +Jammers überlassen. Entlasset die Mannschaft die ich noch habe, +laßt sie zu demjenigen gehen, der Hoffnung hat zu steigen. Ich +habe keine mehr. Wende mir niemand etwas gegen diß ein; aller Rath +ist umsonst. + +Aumerle. +Nur ein Wort, Gnädigster Herr-- + +König Richard. +Schmeicheleyen in solchen Umständen worinn ich bin, machen meine +Wunden nur tiefer. Entlaßt meine Leute; laßt sie gehen, laßt sie +aus Richards Nacht in Bolingbroks aufgehenden Tag. + +(Sie gehen ab.) + + + +Fünfte Scene. +(Bolingbroks Lager bey Flint.) +(Ein Aufzug mit Trummeln und Fahnen, Bolingbroke, York, + Northumberland und Gefolge treten auf.) + + +Bolingbroke. +Diese Nachricht belehrt uns also, daß die Welschen zerstreut sind, +und daß Salisbury dem Könige entgegengegangen ist, der mit einer +kleinen Anzahl von Freunden kürzlich an dieser Küste angeländet ist. + +Northumberland. +Die Zeitung ist schön und gut, Milord; Richard hat sein Haupt nicht +weit von hier verborgen. + +York. +Es würde dem Lord Northumberland nicht übel anstehen, zu sagen, +König Richard. O! des unglüklichen Tags, da ein geheiligter König +sein Haupt verbergen muß! + +Northumberland. +Euer Gnaden nimmt mir's anders auf als es gemeynt war; ich ließ +seinen Titel nur aus, um kürzer zu seyn. + +York. +Es war eine Zeit, wo ich es euch nicht gerathen haben wollte, so +kurz mit ihm zu seyn, wenn es euch nicht gleichgültig gewesen, daß +er es so sehr mit euch sey, um euch eure ganze Kopfslänge kürzer zu +machen. + +Bolingbroke. +Nehmet seinen Ausdruk nicht übler auf als recht ist, mein Oheim. + +York. +Und nehmet ihr nicht mehr als recht ist, mein guter Neffe; oder ihr +vergeßt zulezt, daß der Himmel über euerm Haupt ist. + +Bolingbroke. +Ich weiß es, mein Oheim, und widerseze mich seinem Willen nicht. +Wer kommt hier? (Percy zu den Vorigen.) Willkommen, Harry! Wie? +Will sich dieses Schloß noch nicht ergeben? + +Percy. +Das Schloß ist gegen euern Einzug königlich bemannt, Milord. + +Bolingbroke. +Königlich? Wie, enthält es denn einen König? + +Percy. +Ja, Milord, es enthält einen König; König Richard ligt innert dem +Bezirk von jenem Leim und Stein, und bey ihm Lord Aumerle, Lord +Salisbury, Sir Stephan Scroop, und noch ein Geistlicher von +heiligem und ehrfurchtwürdigem Ansehn, dessen Name ich nicht +erfahren konnte. + +Northumberland. +Vermuthlich der Bischoff von Carlisle. + +Bolingbroke (zu Northumberland.) +Mein edler Lord, geht vor die Mauren dieses alten Schlosses, +fordert durch die eherne Stimme der Trompete eine Unterredung, und +sprecht so: Heinrich von Bolingbroke küsse auf seinen Knien König +Richards Hand, und sende ihm die Versicherung seiner +Unterthänigkeit und aufrichtigen Treue gegen seine Königliche +Person; sagt ihm, ich sey in dem nemlichen Augenblik bereit, meine +Waffen und Völker zu seinen Füssen niederzulegen, in welchem er mir +die Widerruffung meiner Landes-Verweisung und die Wieder-Einsezung +in meine Güter freywillig garantiren wolle; wo nicht, so werde ich +mich des Vortheils meiner Macht bedienen, und den Sommer-Staub mit +Regen von Blut legen, die aus den Wunden erschlagner Engländer sich +ergiessen sollen. Wie entfernt aber von Bolingbroks Herzen der +Gedanke sey, daß ein solch blutiges Ungewitter den frischen grünen +Schooß von König Richards Land überschwemmen solle, davon könne ihn +meine Mäßigung und Entfernung von allem pflichtwidrigen Gebrauch +meiner Obermacht überzeugen. Geht, erklärt ihm dieses, indessen +daß wir ohne das Getöse drohender Trummeln über diese Ebne +fortziehen, damit unser Betragen, von den zerfallnen Zinnen dieses +Schlosses beobachtet, die Wahrheit unsrer Erklärung bekräftige. +Mich däucht, König Richard und ich sollten uns mit nicht mindern +Schreknissen begegnen, als die Elemente des Feuers und des Wassers, +wenn ihr donnernder Zusammenstoß die bewölkten Wangen des Himmels +mit Thränen badet. Ist er das Feuer, so will ich das nachgiebige +Wasser seyn; er mag rasen, indeß daß ich meine Wasser auf die Erde +regne; auf die Erde, nicht auf ihn. Nähert euch den Mauren--Milord, +und beobachtet die Fassung des Königs genau. + + + +Sechste Scene. +(Aufforderung von aussen, Antwort von innen; Trompeten-Klang, + König Richard, Bischoff von Carlisle, Aumerle, Scroop und Salisbury + kommen auf die Mauren.) + + +York. +Seht, seht, der König tritt selbst hervor, gleich dem von Unmuth +erröthenden Phöbus, wenn er, aus der glühenden Pforte des Morgens +hervorgehend, neidische Wolken gewahr wird, die sich vereiniget +haben, seinen Glanz zu verhüllen, und die Pracht seines +schimmernden Zugs nach Westen zu verdunkeln. Und doch sieht er wie +ein König; seht, wie sein Auge, glänzend wie eines Adlers, +herrschende Majestät um sich her blizt. O beweinenswürdig, daß +eine so schöne Gestalt durch irgend einen Unfall entstellt werden +soll. + +König Richard (zu Northumberland.) +Wir befremden uns, und stehen schon lange hier, auf die +ehrfurchtvolle Beugung deiner Knie zu warten, indem wir uns selbst +für deinen gesezmäßigen König hielten; und sind wir's, wie dürfen +sich deine Gelenke vergessen, den schuldigen Tribut der +Unterthänigkeit unsrer Gegenwart zu bezahlen? Sind wir's aber +nicht, so zeige uns die Hand Gottes, die uns unsrer +Statthalterschaft entlassen hat. Denn das wissen wir, daß keine +Hand von Blut und Knochen, ohne Entweihung, Diebstal und Verrath, +nach unserm geheiligten Scepter greiffen kan. Und ob ihr gleich +denkt daß alle von uns abgefallen, und wir allein und von Freunden +entblößt gelassen seyen, so sollt ihr doch wissen, der Allmächtige, +mein Herr, mustert um euertwillen Heere von Plagen in seinen Wolken, +die euch treffen werden, euch, die ihre Vasallen-Hände gegen mich +aufgehoben und der Majestät meiner Crone gedräuet haben, euch, und +eure noch ungebohrnen Kinder. Sagt dem Bolingbroke, (denn dort, +däucht mich, ist er,) daß ein jeder Schritt den er in meinem Lande +macht, Hochverrath ist--Er ist gekommen, das purpurne Testament des +blutigen Kriegs zu öffnen; aber eh die Crone, nach der er strebt, +ruhig auf sein Haupt herabsteigen wird, sollen zehentausend blutige +Cronen von Mutter-Söhnen die Blume von Englands Antliz entstellen, +die Farbe ihres jungfräulich-blassen Friedens in feurigen Grimm +verwandeln, und ihre fetten Weiden mit getreuem Englischem Blut +bethauen. + +Northumberland. +Der König des Himmels verwehre, daß unser Herr, der König, so mit +bürgerlichen und unbürgerlichen Waffen angefallen werden solle! +Nein, dein edler Vetter, Heinrich von Bolingbroke, küßt voll +Ehrfurcht deine Hand, und schwört, bey dem ehrenvollen Grabmal, das +auf euers beydseitigen Ahnherrn königlichen Gebeinen ruht, bey der +geheiligten Quelle euers gemeinschaftlichen Bluts, und bey der +Helden-Hand seines verstorbnen Vaters, und bey seiner eignen Würde +und Ehre schwört er, daß seine Ankunft keinen andern Zwek hat, als +die Besiznehmung von seinen eignen Gerechtsamen und Gütern, deren +Zurükgab er auf seinen Knien erbittet. Wird bey euerm Königlichen +Wort ihm nur dieses zugestanden, so will er seine blinkenden Waffen +dem Rost überlassen, seine langmähnichten Rosse den Ställen, und +sein Herz dem getreuen Dienst Eurer Majestät. Diß schwört er, so +wahr er ein Prinz ist, und so wahr ich ein Edelmann bin, glaub' ich +seinen Schwur. + +König Richard. +Northumberland, sag' ihm, so antwortet der König: Sein edler Vetter +ist sehr willkommen, und alle seine Forderungen, so viel ihrer seyn +mögen, sollen ohne Widerspruch zugestanden seyn. Sag' ihm in +unserm Namen so viel verbindliches und freundschaftliches, als du +nur immer kanst.-- + +(zu Aumerle.) + +Wir erniedrigen uns, Vetter, nicht wahr, da wir so armselig +aussehen, und so gute Worte geben? Sollen wir Northumberland zurük +ruffen, den Verräther herausfordern lassen, und so sterben? + +Aumerle. +Nein, Gnädigster Herr, bis die Zeit uns Freunde leiht, und unsre +Freunde ihre Schwerdter, bleibt uns nichts übrig als mit Worten zu +fechten. + +König Richard. +O Gott! o Gott! daß diese meine Zunge, die das Urtheil der +Verbannung über jenen stolzen Mann ausgesprochen, dahingebracht +seyn soll, es mit liebkosenden Worten zurükzunehmen! o daß ich so +groß wäre als mein Schmerz, oder kleiner als mein Name; O daß ich +vergessen könnte was ich gewesen bin, oder nicht fühlte was ich izt +bin! Schwillst du auf, stolzes Herz? Ich gebe dir alle Freiheit, +schlage wie du willt, da meine Feinde die Freyheit haben, dich und +mich zu schlagen. + +Aumerle. +Northumberland kommt von Bolingbroke zurük. + +König Richard. +Was muß der König noch mehr thun? Muß er sich unterwerfen? Der +König soll es thun. Muß er abgesezt werden? Der König soll sich's +gefallen lassen. Muß er auch dem Namen eines Königs entsagen? In +Gottes Namen, es sey so. Ich will meine Juweelen für einen +Rosenkranz geben, meinen Palast für eine Einsiedeley, meine +schimmernden Kleider für einen Bettlers-Mantel, mein goldnes +Geschirr für einen hölzernen Teller; meinen Scepter für einen +Pilgrims-Stab, meine Unterthanen für ein Paar geschnizte Heilige, +und mein grosses Königreich für ein kleines Grab; ein kleines, +kleines Grab--ein dunkles Grab!--Oder ich will auf des Königs +Landstrasse begraben werden, auf einem ungangbaren Weg, wo meiner +Unterthanen Füsse stündlich auf ihres Königs Haupt trappen mögen; +denn auf mein Herz treten sie, da ich noch lebe; warum nicht auf +mein Haupt, wenn ich begraben bin?--Aumerle, du weinst? Mein +weichherziger Vetter! Wir wollen böses Wetter mit unsern +verachteten Thränen machen; unsre Seufzer und Thränen sollen das +Sommer-Korn legen, und eine Theurung in dieses rebellische Land +bringen. Oder wollen wir uns aus unserm Jammer eine Kurzweile +machen? Irgend ein artiges Spiel aus unsern fliessenden Thränen? +Als etwann, sie so lange an den nemlichen Ort tropfen zu lassen, +bis sie uns ein paar Gräber in die Erde eingefressen haben; und +wenn wir da ligen--Hier ligen zween Freunde, die sich ihr Grab mit +ihren Thränen gegraben haben. Würde uns das unser Elend nicht +versüssen? Wohl, wohl, ich sehe, ich rede phantastisch, und ihr +lachet über mich. Großmächtigster Prinz, Milord Northumberland, +was sagt der König Bolingbroke? Will seine Majestät dem Richard +erlauben zu leben, bis Richard stirbt? Ihr macht einen Scharr-Fuß, +und Bolingbroke sagt, ja. + +Northumberland. +Gnädigster Herr, er wartet in dem Hofe, mit euch zu reden; gefällt +es euch herunter zu kommen? + +König Richard. +Herunter, herunter komm ich, wie der schimmernde Phaeton, da er die +unbändigen Sonnen-Pferde nicht zu regieren wußte. In den Hof +herunter, ein König in den Hof herunter, auf den Ruf eines +Verräthers, um ihm seine Begnadigung zu geben. Herunter dann, +König, herunter! + +Bolingbroke. +Was sagt seine Majestät? + +Northumberland. +Kummer und Sorgen machen ihn wunderlich, und wie ein Mann der nicht +recht bey sich selbst ist, reden. Izt ist er da. + +Bolingbroke (kniend.) +Tretet alle zurük, und bezeuget Sr. Majestät eure schuldige +Ehrfurcht. Mein Gnädigster Herr-- + +König Richard. +Mein edler Vetter, ihr demüthiget eure fürstlichen Knie zu tief, +indem ihr die niedrige Erde stolz macht sie zu berühren. Mir wäre +lieber, wenn mein Herz eure Liebe fühlte, als daß mein +unbefriedigtes Aug' eure Höflichkeit sieht. Auf, Vetter, auf; euer +Herz ist zum wenigsten so hoch, + +(er deutet mit der Hand auf seine Crone) + +wenn eure Knie schon so niedrig sind. + +Bolingbroke. +Mein Gnädigster Herr, ich komme nur für das, was mein eigen ist. + +König Richard. +Euer Eigenthum ist euer, ich bin euer, alles ist euer. + +Bolingbroke. +In so fern möge Eure Majestät mein seyn, mein Gnädigster Souverain, +als meine getreuen Dienste eure Liebe verdienen werden. + +König Richard. +Ihr verdienet alles; wer verdient mehr zu haben, als wer den +sichersten und kürzesten Weg kennt, zu gewinnen? Oheim, gebt mir +eure Hand; nein, troknet eure Augen; Thränen sind nur hülflose +Zeichen der Liebe. Vetter, ich bin zu jung euer Vater zu seyn, ob +ihr gleich alt genug seyd, mein Erbe zu seyn. Ich will euch geben +was ihr haben wollt, und noch dazu mit Willen. Denn warum sollen +wir nicht wollen, was wir müssen? Ziehet fort nach London. Ist +das nicht eure Absicht, Vetter? + +Bolingbroke. +Ja, Gnädigster Herr. + +König Richard. +So darf ich nicht nein sagen. + +(Trompeten. Sie gehen ab.) + + + +Siebende Scene. +(Ein Garten im Hofe der Königin.) +(Die Königin tritt mit zwoen Damen auf.) + + +Königin. +Was für eine Kurzweil wollen wir uns in diesem Garten machen, um +unsre kummervolle Gedanken zu vertreiben? + +Lady. +Gnädigste Frau, wir wollen mit Kugeln spielen. + +Königin. +Das würde mich denken machen, daß die Welt voller Rauhigkeit und +Zaken ist, und daß mein Glük, wie eine Kugel, die ihre Kraft +verlohren hat, seitwärts rennt. + +Lady. +Madam, so wollen wir tanzen. + +Königin. +Meine Füsse können kein Maaß* im Vergnügen halten, wenn mein armes +Herz kein Maaß in seinem Kummer hält. Also nichts vom Tanzen, +Mädchen; irgend ein andres Spiel. + +{ed.-* Wortspiel mit dem Wort (measure), welches Cadenz, und Maaß +heißt.} + +Lady. +So wollen wir Mährchen erzählen, Gnädigste Frau. + +Königin. +Traurige oder lustige? + +Lady. +Von beyderley Gattung, Madam. + +Königin. +Von keiner von beyden, Mädchen. Die Frölichen würden nur die +Erinnerung meiner Schmerzen desto lebhafter machen, weil sie mir +die Freude zeigten, die mir fehlt; und die Traurigen würden noch +mehr Bekümmerniß zu derjenigen hinzuthun, die ich schon habe. + +Lady. +So wollen wir singen, Gnädigste Frau. + +Königin. +Es ist gut, wenn du Ursache dazu hast; aber du würdest mir besser +gefallen, wenn du weinen würdest. + +Lady. +Ich könnte wol weinen, Gnädigste Frau, wenn es euch besser machte. + +Königin. +Und ich könnte weinen, wenn mir weinen besser machte, ohne daß ich +eine Thräne von dir entlehnen müßte. Aber warte, hier kommen die +Gärtner. Wir wollen uns in den Schatten dieser Bäume verbergen-- +Sie werden vom Staat reden, wie alle Welt, wenn eine Veränderung im +Werk ist. (Ein Gärtner mit zween Garten-Jungen tritt auf; +die Königin und ihre Damen treten bey Seite.) + +Gärtner. +Geh, binde du jene hängenden Apricosen auf, die, wie ungerathene +Kinder, ihren Vater durch ihr verschwendrisches Gewicht zu Boden +ziehen; unterstüze ein wenig die neigenden Zweige. Geh du, und +haue, gleich einem Nachrichter, die Köpfe der zu +hochaufschiessenden Stauden-Gewächse ab, die zu übermüthig in +unserm gemeinen Wesen aussehen. In unsrer Regierung muß alles eben +seyn. Unterdessen daß ihr so beschäftigst seyd, will ich gehen, +und das unnüze Unkraut ausjäten, das den gesunden Pflanzen die +Nahrung entzieht. + +Junge. +Wie verlangt ihr von uns, daß wir in dem Bezirk eines Zauns, Geseze, +Form, und gehöriges Ebenmaaß beobachten, und wie in einem Model +einen wolgeordneten Staat zeigen? Indeß daß unser vom Meer +eingeschloßner Garten, das ganze Land voller Unkraut ist, seine +schönsten Blumen zerknikt, seine fruchtbaren Bäume alle ungepuzt, +seine Zäune eingerissen, seine Knoten alle verwirrt sind, und seine +heilsamen Gewächse von Raupen wimmeln? + +Gärtner. +Schweige du; derjenige, dessen Frühling so wild und zügellos war, +hat nun den Fall seiner Blätter erfahren. Der Epheu, der unter dem +Schirm seiner weitverbreiteten Zweige emporwuchs, und ihn zu +unterstüzen schien, indem er ihn aussog, ist aller bis auf die +Wurzeln, von Bolingbroke ausgereutet worden; ich meyne den Grafen +von Wiltschire, Buschy, und Green. + +Junge. +Was, sind sie todt? + +Gärtner. +Das sind sie, und Bolingbroke hat sich des verunglükten Königs +bemächtiget. Wie beklagenswerth ist es, daß er sein Land nicht so +gehalten hat, wie wir unsern Garten. Wir verwunden die Rinde +unsrer Frucht-Bäume, weil der zu grosse Überfluß von Saft sie geil +und üppig machen, und durch zuviel Reichthum zu grund richten würde. +Hätte er es mit den Menschen so gemacht, die zu groß und üppig +wuchsen, sie möchten die Zeit erlebt haben daß sie ihm nüzliche +Früchte getragen, und er, daß er sie gekostet hätte. Wir schneiden +alle überflüßigen Äste weg, damit die tragenden Zweige leben mögen; +hätt' er's auch so gemacht, so würd' er selbst die Crone getragen +haben, die ihm Verschwendung und Müßiggang so bald vom Haupte +gerissen. + +Junge. +Was? denkt ihr dann, der König werde abgesezt werden? + +Gärtner. +Unterdrükt ist er schon, und abgesezt wird er ohne Zweifel werden. +Es sind in verwichner Nacht Briefe von einem Freund des Herzogs von +York angekommen, welche schlimme Zeitungen erzählen. + +Königin. +O, ich werde zu todt gepreßt, wenn ich länger schweige--Du Ebenbild +Adams, in diesen Garten gesezt, seiner zu pflegen, wie untersteht +sich deine Zunge so leidige Zeitungen anzukündigen. Was für eine +Eva, was für eine Schlange hat dir eingegeben, einen zweyten Fall +des verfluchten Menschen zu machen? Wie, sagst du, König Richard +ist entsezt? Darfst du, kaum ein bessers Ding als die Erde die du +gräbst, seinen Fall weissagen? Sprich, wo, wenn und wie kamst du +zu dieser bösen Zeitung? Sprich, du Unglükseliger! + +Gärtner. +Verzeihet mir, Madam. Ich habe wenig Freude davon, diese +Neuigkeiten zu sagen, aber man versichert, daß sie wahr seyen. +König Richard ist in Bolingbroks mächtiger Gewalt. Ihr Glük wird +gegen einander abgewogen. In euers Herrn Waagschale ist nichts als +er selbst, und etliche wenige Eitelkeiten, die ihn leicht machen; +aber in der Schaale des grossen Bolingbroks ligen, ausser ihm +selbst, alle Pairs von England, und mit diesen wiegt er den König +Richard zu Boden. Eilet nur nach London, und ihr werdet es so +finden; ich sage nichts, als was jedermann weiß. + +Königin. +Du behendes Unglük, das so leicht auf den Füssen ist, geht deine +Gesandtschaft nicht mich an? Warum bin ich dann die lezte, die sie +erfährt? O du denkst mich auf die Lezte zu sparen, damit ich deine +Schmerzen desto länger fühle. [** Kommt, Lädies, wir wollen gehen, +um in London Londons König im Jammer aufzusuchen. Wie, ward ich +hiezu gebohren, daß mein gedemüthigter Blik den Triumph des stolzen +Bolingbroks vermehren soll? Gärtner, für diese Zeitung, die du mir +erzählt hast, wünsch' ich, daß die Pflanzen, die du pflanzest, +nimmer wachsen mögen. + +{ed.-** Was in [ ] eingeschlossen ist, sind Reime im Original.} + +(Sie geht ab.) + +Gärtner. +Arme Königin, möchte, wenn es dir helfen könnte, dein Fluch an +meinem Fleisse wahr werden!--Hier ließ sie eine Thräne fallen;-- +hier, an diesem Ort will ich einen Rautenstok sezen, zum Andenken, +daß eine Königin hier geweint hat.] + +(Geht ab.) + + + + +Vierter Aufzug. + + + +Erste Scene. +(Der Parlament-Saal in London.) +(Bolingbroke, Aumerle, Northumberland, Percy, Fizwater, Surrey, + der Bischoff von Carlisle, der Abbt von Westmünster, Herolde, + Officianten, Gerichtsdiener, und Bagot, treten auf.) + + +Bolingbroke. +Ruft den Bagot hervor--Sage nun ohne Scheu, was du von Glosters +Tode weißst; wer half dem Könige dazu, und wer vollbrachte diese +unglükselige That? + +Bagot. +Wenn ihr das wissen wollt, so stellt mir den Lord Aumerle vor die +Augen. + +Bolingbroke. +Vetter, tritt hervor, und sieh' diesem Mann in die Augen. + +Bagot. +Milord Aumerle, ich weiß eure edelmüthige Zunge verschmäht es, zu +läugnen was sie einmal gesagt hat. In jener Zeit, da Glosters Tod +angezettelt wurde, hörte ich euch sagen: Ist mein Arm nicht lang +genug, da er von dem ruhigen Englischen Hof bis nach Calais an +meines Oheims Kopf reicht? Unter vielen andern Reden, hört ich +euch damals auch dieses sagen: Ihr wolltet eher hunderttausend +angebotne Cronen ausschlagen, als daß Bolingbroke nach England +zurük komme; und ihr seztet hinzu, wie glüklich dieses euers +Vetters Tod dieses Land machen würde. + +Aumerle. +Prinzen und Milords, was für eine Antwort soll ich diesem +niederträchtigen Mann geben? Soll ich meine schönen Sterne so sehr +entehren, und ihm wie einem der meines gleichen ist, antworten. +Und doch muß ich, oder ich muß es leiden, meine Ehre von dem Geifer +seiner verläumderischen Zunge beflekt zu sehen. Hier ist mein +Pfand, + +(er wirft seinen Handschuh hin,) + +das Siegel des Todes, daß dich für die Hölle auszeichnet. Du +liegst, und ich will, daß es falsch ist was du sagst, mit deinem +Herzens-Blut beweisen, so unwürdig es auch ist, den Stahl meines +ritterlichen Schwerdts zu besudeln. + +Bolingbroke. +Bagot, nim dich in Acht; du sollt es nicht aufheben. + +Aumerle. +Einen einzigen ausgenommen, wollt' ich, der Beste in dieser +Versammlung hätte mich so herausgefordert. + +Fizwater. +Wenn du es zufrieden bist, daß ein andrer seinen Plaz nehme, so ist +hier mein Pfand gegen das Deinige. Bey dieser schönen Sonne, die +mir zeigt, wo du stehst, ich hörte dich sagen, und du sprachst es +mit einem pralerischen Ton, du seyest die Ursach von des edlen +Glosters Tod gewesen. Wenn du das läugnest, so lügst du eine +zwanzigfache Lüge, und mit diesem meinem Schwerdt will ich sie in +dein Herz zurük stossen, worinn sie ausgebrütet wurde. + +Aumerle. +Feige Memme, du hast das Herz nicht, so lange zu leben, daß du +diesen Tag sehest. + +Fizwater. +Bey meiner Seele, ich wollt' es wäre in dieser Stunde. + +Aumerle. +Fizwater, diß verdammt dich zur Hölle. + +Percy. +Aumerle, du lügst; o seine Ehre ist in dieser Anklage so rein, als +du ein Bösewicht bist. Und daß du es bist, das will ich, hier ist +mein Pfand dafür, bis zum lezten Lebens-Athem an dir beweisen. +Heb' es auf, wenn du Muth hast. + +Aumerle. +Und wenn ich es nicht thue, o dann verdorre meine Hand, und +schwinge niemals wieder den rächenden Stahl über den Helm meiner +Feinde! Wer beschuldigt mich noch mehr? Beym Himmel, ich nehm' es +mit allen auf Ich habe tausend Geister in meiner Brust, um +zwanzigtausend solchen wie ihr seyd, zu antworten. + +Surrey. +Milord Fizwater, ich erinnre mich der Zeit sehr wol, da Aumerle und +ihr euch mit einander sprachet. + +Fizwater. +Milord, es ist wahr; ihr waret dabey, und ihr könnt mir Zeugniß +geben, daß es wahr ist. + +Surrey. +So falsch, beym Himmel, als der Himmel selbst wahrhaft ist. + +Fizwater. +Surry, du lügst. + +Surrey. +Ehrloser Bube, diese Lüge soll so schwer auf meinem Schwerdte ligen, +daß es Rache über Rache nehmen soll, bis du, der mich lügen hieß, +und deine Lüge, so ruhig in der Erde ligen als deines Vaters +Schädel. Zu dessen Beweiß, ist hier das Pfand meiner Ehre; +verbinde dich zum Kampf, wenn du das Herz hast. + +Fizwater. +Wie unnöthig spornst du ein feuriges Roß! Wenn ich das Herz habe +zu essen, zu trinken, Athem zu holen, so hab' ich auch das Herz, +Surrey in einer Wildniß aufzusuchen, und ihn anzuspeyen, indem ich +ihm sage, daß er lügt, und lügt, und lügt: Hier ist mein Pfand, daß +ich dich zur Straffe ziehen will. So wahr ich in dieser neuen Welt +zu gedeyhen wünsche, Aumerle ist meiner wahrhaften Anklage schuldig. +Überdem hörte ich den verbannten Norfolk sagen, du Aumerle, +habest zween von deinen Leuten abgeschikt, den Herzog zu Calais zu +ermorden. + +Aumerle. +Ist kein ehrlicher Christ hier, der mir einen Handschuh leiht, +damit ich sagen kan, daß Norfolk lügt; hier zieh ich diesen ab, daß +ich es auf ihn beweisen will, wenn er zurükberuffen werden mag. + +Bolingbroke. +Alle diese Händel sollen zur Entscheidung ausgesezt bleiben, bis +Norfolk zurükberuffen ist; und das soll er werden, und, ob er +gleich mein Feind ist, in alle seine Herrschaften wieder eingesezt; +wenn er wieder da ist, soll er gegen Aumerle seinen Beweis machen. + +Carlile. +Dieser ehrenvolle Tag wird nie gesehen werden. Eine lange Zeit hat +der verwiesne Norfolk für Jesum Christum, in glorreichen blutigen +Kämpfen für die Ehre des heiligen Creuzes, mit schwarzen Heiden, +Türken und Saracenen gefochten; hernach, von der kriegrischen +Arbeit abgemattet, nach Italien sich zurükgezogen, und endlich zu +Venedig seinen Leib dieser anmuthsvollen Erde, seine reine Seele +aber Christo, seinem Feldherrn, gegeben, unter dessen Fahne er so +lange gestritten hatte. + +Bolingbroke. +Wie, Bischoff, ist Norfolk todt? + +Carlile. +So gewiß ich lebe, Milord. + +Bolingbroke. +Seliger Friede führe seine Seele in Abrahams Schooß!--Milords +Appellanten, eure Händel sollen alle auf den gewechselten Pfändern +beruhen, bis wir euch den Tag zu eurer Probe angesezt haben. + + + +Zweyte Scene. +(York zu den Vorigen.) + + +York. +Grosser Herzog von Lancaster, ich komme zu dir von dem berupften +Richard abgeschikt, der mit williger Seele dich zu seinem Erben +annimmt, und seinen hohen Scepter in deine königliche Hand +übergiebt. Besteige also seinen Thron, als nunmehr von ihm +abstammend, und lang lebe König Heinrich der vierte! + +Bolingbroke. +In Gottes Namen, will ich den königlichen Thron besteigen. + +Bischoff von Carlisle. +Das verhüte der Himmel! So schlimm das scheinen oder aufgenommen +werden mag, was ich in dieser königlichen Gegenwart reden werde, so +anständig ist es mir, die Wahrheit zu sagen. Wollte Gott, daß +einer in dieser edeln Versammlung edel genug wäre ein aufrichtiger +Richter des edeln Richards zu seyn; denn ein wahrer Edelmuth würde +ihn eine so ungerechte That verabscheuen lehren. Welcher Unterthan +kan ein Urtheil über seinen König sprechen? Und wer sizt hier, der +nicht Richards Unterthan ist? Diebe, so sehr auch die Umstände +wider sie zeugen, werden nicht gerichtet, ohne daß man sie gehört +hat. Und soll das Bild der Göttlichen Majestät, sein Hauptmann, +und selbsterwählter Statthalter, gesalbt, gekrönt, und eingethront, +von seinen Unterthanen verurtheilt werden, und er selbst nicht +dabey zugegen seyn? O verhüt' es, gerechter Himmel! daß in einem +Christlichen Lande, unter einem gesitteten Volk eine so scheußliche, +schwarze, unflätige That gesehen werde! Ich rede zu Unterthanen, +und als ein Unterthan; vom Himmel angetrieben red' ich so kühn, +denn ich rede für meinen König. Milord von Hereford hier, den ihr +König nennt, ist ein schändlicher Verräther an Herefords König. +Und wenn ihr ihn krönt, so laßt mich propheceyen, Englisches Blut +wird den Boden düngen, und künftige Zeitalter um dieser Schandthat +willen ächzen. Der Friede wird zu den Türken und Ungläubigen +schlafen gehen, und in diesem Siz des Friedens, aufrührischer Krieg, +Brüder gegen Brüder, und Bürger gegen Bürger erhizen. Unordnung, +ruchlose Gewalt, Mißtrauen und Aufruhr wird hier wohnen, und dieses +mit Menschen-Schädeln bedekte Land Golgatha genennt werden. O wenn +ihr das königliche Haus gegen das königliche Haus empört, so wird +die jammervolleste Zwietracht daraus entstehen, die jemals auf +diesem verfluchten Erdboden gewüthet hat. O! vermeidet sie, +widerstehet, laßt es nicht so seyn, oder die Kinder eurer Kinder +werden Weh über euch schreyen. + +Northumberland. +Ihr habt vortrefflich gesprochen, Herr, und für eure Mühe nehmen +wir euch hier wegen Hochverraths in Verhaft. Milord von +Westmünster, laßt es eure Sorge seyn, ihn bis zum Tag seines +Verhörs wol zu verwahren. Gefällt es euch, Milords, die Bitte der +Gemeinen zu bewilligen? + +Bolingbroke. +Bringet Richarden hieher, damit er vor allen Augen das Reich +übergebe: auf diese Art wird aller Verdacht gehoben. + +York. +Ich will sein Führer seyn. + +(Er geht ab.) + + + +Bolingbroke. +Diejenigen von euch, Milords, die hier unter unserm Arrest sind, +mögen für ihre Sicherheit auf den Tag ihrer Antwort besorgt seyn. +Wir sind ihrer Liebe wenig schuldig, und haben uns wenig Beystand +von ihnen zu versehen gehabt. + + + +Dritte Scene. +(König Richard und York zu den Vorigen.) + + +König Richard. +Himmel, warum werde ich vor einen König vorgefordert, eh ich die +königlichen Gedanken abgeschüttelt habe, womit ich regierte? Ich +habe noch nicht lernen können, mich einzuschwazen, zu schmeicheln, +zu büken und die Knie zu beugen. Lasset meinem Kummer noch Zeit +mich zu dieser Unterwürfigkeit anzugewöhnen. Und doch will ich +mich der Zeit erinnern, da mir diese Männer günstiger waren. Waren +sie nicht einmal mein? Rieffen sie mir nicht einmal lauter Heil +und Leben zu? Das that Judas auch gegen Christum: Aber Christus +fand unter zwölfen Treue bey allen bis auf einen, ich unter +zwölftausend gar keine. Gott erhalte den König!--Will niemand +sagen, Amen? Bin ich Priester und Küster zugleich? Wol dann, Amen! +Gott erhalte den König, ob ich's gleich nicht bin, und auch Amen! +Wenn der Himmel mich dafür erkennt. Was für Dienste fordert man +von mir, daß man nach mir geschikt hat? + +York. +Eine Handlung deines eignen freyen Willens, wozu du, der Majestät +überdrüßig, dich selbst erboten hast, die Übergabe deines Staats +und deiner Crone. + +König Richard. +Gebt mir die Crone--hier, Vetter, nimm die Crone, hier auf dieser +Seite, meine Hand; und auf dieser deine. Izt ist diese goldne +Crone wie ein tiefer Brunnen mit zween Kübeln, wovon einer den +andern füllt; der leere tanzt immer in der Luft, indem der andre in +der Tiefe, ungesehn und voll Wassers ist; dieser erniedrigte und +mit Thränen angefüllte Kübel bin ich, der nun seinen Kummer wie +Wasser in sich schluken muß, indeß daß ihr in die Höhe steigt. + +Bolingbroke. +Ich dachte, ihr wäret willig, die Crone niederzulegen? + +König Richard. +Die Crone, ja; aber doch bleibt mein Schmerz mein, ihr könnt mich +meiner Majestät und meines Staats entsezen, aber nicht meiner +Schmerzen; darüber bleib ich immer König. + +Bolingbroke. +Seyd ihr's zufrieden, die Crone zu übergeben? + +König Richard. +Ja, nein--Nein, ja,--Denn ich muß nichts seyn--also nein, nein; +denn ich übergebe sie dir. Nun, gebt acht wie ich mich selbst +vernichte; ich gebe diese schwere Bürde von meinem Haupte weg, +diesen unbehülflichen Scepter aus meiner Hand, und den Stolz der +Königs-Würde aus meinem Herzen; mit meinen eignen Thränen wasch ich +meine Salbung weg; mit meinen eignen Händen geb ich meine Crone von +mir; mit meiner eignen Zunge verläugne ich meinen geheiligten Stand, +und mit meinem eignen Athem entlasse ich alle ihrer mir +geschwornen Pflichten. Ich verschwöre alle Majestät und Hoheit, +ich vergesse alle meine Domainen, Renten und Einkünfte, ich +vernichte alle meine Handlungen, Edicte und Verordnungen. Gott +verzeihe alle die Eidschwüre, die an mir gebrochen werden! Gott +erhalte alle diejenigen ungebrochen, die dir gethan werden. Mögest +du lange leben, um auf Richards Stuhl zu sizen, und Richard bald im +Grabe Ruhe finden. Gott erhalte den König Heinrich, sagt der +entkönigte Richard, und sende ihm viele Jahre von glüklichen Tagen!-- +Was ist noch mehr zu thun? + +Northumberland. +Nichts mehr, als daß ihr diese Anklagen und dieses Verzeichniß von +abscheulichen Verbrechen leset, die von euch selbst und euern +Anhängern gegen den Staat und das Beste dieses Landes begangen +worden; damit durch euer Geständniß alle Welt überzeugt werde, daß +ihr mit Recht entsezt worden seyd. + +König Richard. +Muß ich das thun? muß ich das Gewebe meiner Thorheiten Faden vor +Faden ausfäseln? Lieber Northumberland, wenn deine Sünden alle +aufgeschrieben wären, würdest du nicht beschämt seyn, sie in einer +so schönen Gesellschaft abzulesen? Thätest du es, du würdest einen +scheuslichen Artikel, die Absezung eines Königs, darinn finden, den +gewaltthätigen Bruch eines geheiligten Eides, mit einem Strich der +Verdammniß im Buch des Himmels bezeichnet. O, ihr alle die ihr +hier steht und mich anseht, wie mein Unglük mich nöthigt, mich +selbst aufzureiben, wenn gleich einige von euch wie Pilatus ihre +Hände mit heuchlerischen Thränen waschen; so seyd ihr's dennoch, +ihr Pilatusse, die mich hier zu meinem bittern Creuz ausliefern, +und Wasser kan eure Sünde nicht abwaschen. + +Northumberland. +Milord, beschleunigst euch, überleset diese Artikel. + +König Richard. +Meine Augen sind voll Thränen; ich kan nicht sehen, und doch +blendet ihr Salz-Wasser sie nicht so sehr daß ich nicht einen Pak +Verräther hier beysammen sehe. Doch was sag ich? ich bin selbst +ein Verräther wie die übrigen; denn ich habe die Einwilligung +meiner Seele zur Entsezung eines Königs gegeben; ich habe die +Majestät entweiht, und einen Monarchen zu einem Sclaven gemacht; +ich bin ein Verräther! + +Northumberland. +Milord-- + +König Richard. +Kein Lord von dir, du hohnsprechender Mann, niemands Lord; ich habe +keinen Namen, keinen Titel mehr; nein, sogar der Name der mir über +dem Taufstein gegeben wurde, ist usurpirt. O! des unglüklichen +Tags! daß ich so manche Winter überlebt haben, und meinen eignen +Namen nicht mehr wissen soll! O! daß ich ein zum Scherz aus +Schnee zusammengeballter König wäre, und hier, vor Bolingbroks +Sonne stehend, in Wassertropfen wegschmelzen möchte!--Guter König,-- +Grosser König--wenn anders mein Wort noch gangbare Münze in England +ist, so laßt es diesen Augenblik einen Spiegel hieher befehlen, +damit ich sehe, wie mein Gesicht aussieht, seitdem es seine +Majestät verlohren hat. + +Bolingbroke. +Gehe jemand, und hole einen Spiegel. + +Northumberland. +Überleset indessen dieses Papier, bis der Spiegel kommt. + +König Richard. +Teufel, du peinigst mich, eh ich noch in der Hölle bin. + +Bolingbroke. +Sezt ihm nicht weiter zu, Milord von Northumberland. + +Northumberland. +Die Gemeinen werden so nicht zufrieden seyn. + +König Richard. +Sie sollen es werden; ich will genug lesen, wenn ich das Buch sehe, +worinn, in der That, alle meine Sünden geschrieben sind, und das +bin ich selbst. + +(Man bringt einen Spiegel.) + +Gieb mir den Spiegel, hierinn will ich lesen--Noch keine tiefere +Runzeln! Hat der Kummer so manche Streiche auf dieses mein Gesicht +geführt, und keine tiefere Wunden gemacht? O! schmeichelndes Glas! +Du betrügst mich wie die Freunde meines glüklichen Zustands--War +dieses das Gesicht, das täglich zehntausend Menschen unter seinem +Haus-Dach hielt? War diß das Gesicht, das gleich der Sonne, +diejenigen die es ansahen, blinzen machte? und nun von Bolingbrok +überglänzt wird? Eine zerbrechliche Majestät leuchtet in diesem +Gesicht, + +(er schmeißt den Spiegel auf den Boden,) + +und so zerbrechlich wie die Majestät, ist auch das Gesicht; denn +hier ligt es, in hundert Scherben zerbrochen. Gieb Acht, +stillschweigender König, auf die Moral dieses Kinderspiels; wie +schnell mein Kummer mein Gesicht zerstört hat. + +Bolingbroke. +Der Schatten euers Kummers hat den Schatten euers Gesichts zerstört. + +König Richard. +Sagt das noch einmal. Der Schatten meines Kummers! Ha, laßt +einmal sehen--es ist in der That so, mein Schmerz ligt ganz in +meinem Innern, und alle diese äusserlichen Zeichen von Jammer sind +blosse Schatten des unsichtbaren Grams, der in geheim in der +gepeinigten Seele schwellt. Ich danke dir, König, daß du mir nicht +nur Ursache zum Wehklagen giebst, sondern mich auch noch lehrst, +wie ich die Ursache bejammern soll. Ich will nur noch um eine +einzige Gefälligkeit gebeten haben, und dann gehen und euch nicht +mehr beunruhigen. Werd' ich sie erhalten? + +Bolingbroke. +Nennet sie, geliebter Vetter. + +König Richard. +Geliebter Vetter! Ah! ich bin grösser als ein König; denn wie ich +ein König war, waren meine Schmeichler meine Unterthanen; nun da +ich ein Unterthan bin, hab ich einen König zum Schmeichler. Da ich +ein so grosser Mann bin, so hab ich nicht nöthig zu bitten. + +Bolingbroke. +So fordert. + +König Richard. +Und soll ich's haben? + +Bolingbroke. +Ihr sollt. + +König Richard. +So erlaubt mir wegzugehen. + +Bolingbroke. +Wohin? + +König Richard. +Wohin ihr wollt, wenn es nur aus euerm Gesicht ist. + +Bolingbroke. +Einige von euch sollen ihn nach dem Tower begleiten--Auf nächsten +Mitwoch sezen wir unsre Krönung fest: Milords, haltet euch dazu +gefaßt. + +(Alle gehen ab, bis auf den Abbt von Westmünster, den Bischoff und +Aumerle.) + + + +Vierte Scene. + + +Abbt. +Welch ein jammervolles Schauspiel, das wir hier gesehen haben! + +Bischoff. +Der Jammer wird erst kommen; die noch ungebohrne Nachwelt wird +diesen Tag so scharf wie einen Dorn in ihrem Fleische fühlen. + +Aumerle. +Ihr heiligen Priester, ist denn kein Mittel, das Reich vor diesem +verderblichen Unwesen zu retten? + +Abbt. +Eh ich euch hierüber mein Innerstes entdeke, sollt ihr das +Sacrament darauf empfangen, daß ihr nicht nur mein Vorhaben +verschwiegen halten, sondern auch alles vollziehen wollet, was ich +euch nur immer auftragen werde. Ich sehe eure Stirne voll +Mißvergnügen, euer Herz voll Gram, und eure Augen voll Thränen. +Kommt mit mir heim zum Nacht-Essen, und da wollen wir den Grund zu +einem Entwurf legen, der uns einen glüklichen Tag sehen lassen soll. + +(Sie gehen ab.) + + + + +Fünfter Aufzug. + + + +Erste Scene. +(Eine Strasse in London.) +(Die Königin mit ihren Damen tritt auf.) + + +Königin. +Diesen Weg wird der König kommen: Diß ist der Weg zu jenem fatalen +Thurm, den Julius Cäsar aufführte, und worein der stolze +Bolingbroke meinen Herrn zur Gefangenschaft verurtheilt hat. Hier +wollen wir ausruhen; wenn diese aufrührische Erde anders noch eine +Ruhe für ihres rechtmäßigen Königs Gemalin hat.-- +(König Richard tritt mit seiner Wache auf.) Aber stille! aber +seht, doch seht lieber nicht, wie verwelkt meine schöne Rose ist-- +Nein, seht auf, schaut und zerfließt aus Mitleiden in Thau, um ihn +mit den Thränen einer getreuen Liebe wieder frisch zu waschen. O +du, der Trümmer, wo das alte Troja stand, du Ruin der Majestät, du +Grabmal von König Richard, und nicht König Richard selbst! Du +schöner Gasthof, soll Gram und Jammer in dir herbergen, indeß daß +Triumph der Gast in einer Bierschenke worden ist? + +König Richard. +Vereinige dich nicht mit meinem Kummer, schönes Weib, mein Ende zu +sehr zu beschleunigen. Lerne, gute Seele! unsern vorigen Zustand +als einen glüklichen Traum ansehen, von dem wir nun erwacht sind, +und uns in der That in keinen bessern Umständen finden, als worinn +wir sind. Meine Liebe, ich bin ein geschworner Bruder der +unerbittlichen Nothwendigkeit, und wir beyde werden im Bündniß +stehen bis zum Tode. Eile du nach Frankreich, und verbirg dich in +irgend eine andächtige Freystätte. Es ist uns nichts übrig, als +durch ein heiliges Leben die Crone in einer bessern Welt wieder zu +gewinnen, die wir durch unheilige Stunden verlohren haben. + +Königin. +Wie? Ist mein Richard an Gestalt und Gemüth verwandelt? Hat +Bolingbroke auch deinen Geist abgesezt? Ist er bis in dein Herz +eingedrungen? Ein sterbender Löwe sträubt sich, und verwundet, aus +Wuth überwältigt zu seyn, wenigstens die Erde, wo er fiel; und du, +willt wie ein unmündiger Knabe deine Züchtigung mit Sanftmuth +empfangen, die Ruthe küssen, und deinem Feind mit schaamwürdiger +Demuth die Füsse lecken, du, der ein Löwe, ein König der Thiere war? + +König Richard. +Ein König von Thieren, in der That; und wenn es nichts als Thiere +gewesen wären, so wär' ich noch ein glüklicher König von Menschen. +Meine gute ehmalige Königin, mache dich reisefertig nach Frankreich. +Denk, ich sey todt, und daß du eben hier, als bey meinem Todbette, +den lezten Abschied von mir nimmst. In verdrieslichen +Winternächten size mit guten alten Leuten zum Feuer, und laß dir +Geschichten von Jammer und Unglük erzählen, die längst begegnet +sind; und ehe du ihnen gute Nacht giebst, erzähl' ihnen hinwieder +meinen kläglichen Fall, und schike die hörenden weinend zu Bette-- + + + +Zweyte Scene. +(Northumberland und Gefolge zu den Vorigen.) + + +Northumberland. +Milord, Bolingbrok hat seine Gedanken geändert, ihr sollt nach +Pomfret, nicht nach dem Tower--Madam, es sind schon Anstalten +euertwegen gemacht; ihr müßt in möglichstes Eile nach Frankreich. + +König Richard. +Northumberland, du Leiter, auf welcher Bolingbroke an meinen Thron +hinaufgestiegen ist; die Zeit wird nicht lange aussenbleiben, da +dein schwährendes Verbrechen von faulem Eyter aufbrechen wird. Du +wirst denken, wenn er gleich das Reich theilt, und dir die Hälfte +giebt, es sey zu wenig, weil du ihm alles gegeben habest; und er +wird denken, du, der den Weg kennt unrechtmäßige Könige zu sezen, +werdest, auf die kleinste Veranlassung, auch wissen, ihn wieder, so +lang er ist, von seinem angemaßten Thron herab zu stürzen. Die +Liebe lasterhafter Freunde verwandelt sich in Mißtrauen, und diß +Mißtrauen in Haß; und der Haß wird einen oder beyde dem verdienten +Untergang überliefern. + +Northumberland. +Mein Verbrechen sey über meinem Haupt, und soviel hievon! Nehmt +Abschied von einander, ihr müßt scheiden. + +König Richard. +Doppelt geschieden? Gottlose Leute, ihr entheiligt eine zweyfache +Ehe; zwischen mir und meiner Crone, und zwischen mir und meinem +vermählten Weib. Laß mich den Eid hinwegküssen, der dich und mich +vereinigt; und doch, nicht so, denn mit einem Kuß ward er gemacht. +Scheid' uns, Northumberland; ich, nach Norden, wo schauernde Kälte +das kranke Clima verzehrt; meine Königin nach Frankreich, von +wannen sie im Pomp herübergesandt wurde, geschmükt wie der holde +May, nun zurük geschikt, verdüstert und traurig wie der kürzeste +Tag. + +Königin. +Und müssen wir denn getrennt seyn? Müssen wir denn scheiden? + +König Richard. +Ja, Hand von Hand, meine Liebe, und Herz von Herz. + +Königin. +Verbannet uns beyde, und schikt den König mit mir. + +Northumberland. +Das wäre gütig, aber sehr unpolitisch. + +Königin. +So laßt mich mit ihm gehen. + +König Richard. +Weine du in Frankreich für mich, und ich will hier für dich weinen; +es ist besser entfernt, als näher geschieden zu seyn. Geh, zähle +deinen Weg mit Seufzern ab, ich mit Ächzen den meinigen. + +Königin. +So wird der längste Weg die meisten Seufzer haben. + +König Richard. +Ich will bey jedem Schritt zweymal ächzen, weil mein Weg der +kürzere ist. Komm, komm, ein Kuß soll uns den Mund schliessen, und +dann fahr' wohl; so geb' ich dir mein Herz, und so nehm' ich deines. + +(Sie küssen sich.) + +Königin. +Nein, gieb mir das meinige zurük; es wäre kein schöner Abschied, +wenn ich dein Herz mit mir nehmen wollte, um es zu tödten. + +(Sie küssen sich wieder.) + +So, nun hab' ich das Meinige wieder, damit ich mich bestreben kan, +es mit einem Seufzer zu tödten. + +König Richard. +Wir vermehren nur unsern Schmerz mit diesen zärtlichen +Verzögerungen; noch einmal, leb' wohl; das übrige laß unsre Thränen +sagen.-- + +(Sie gehen ab.) + + + +Dritte Scene. +(Des Herzogs von York Palast.) +(York und seine Herzogin treten auf.) + + +Herzogin. +Milord, ihr wolltet fortfahren, mir den Einzug unsrer beyden +Vettern in London zu erzählen, als ihr durch Thränen genöthigt +wurdet, eure Geschichte zu unterbrechen. + +York. +Wo blieb ich stehen? + +Herzogin. +Bey dem kläglichen Absaz, Milord, da ruchlose unmenschliche Hände +aus einem Fenster Staub und Auskehricht auf König Richard herunter +schütteten. + +York. +Der Herzog, der grosse Bolingbroke, von einem heissen feurigen +Hengst getragen, der, als ob er seinen emporstrebenden Reuter kenne, +mit langsamem aber stolzem Schritt dahergieng, sezte also, wie ich +sagte, seinen Zug fort, indem alle Zungen ihm entgegenriefen: Gott +erhalte dich, Bolingbroke! Unzähliche weitoffne Augen schossen +ihre verlangende Blike nach ihm, und das Zujauchzen war so groß, +daß ihr gedacht hättet, die Mauren selbst mit den Bildern womit sie +übermahlt sind, hätten auf einmal zu ruffen angefangen: Gott +erhalte dich, willkommen, Bolingbroke! Indeß daß er, sich immer +von einer Seite zur andern drehend, mit entblößtem Haupt, und alle +Augenblike bis unter seines stolzen Rosses Kopf sich bükend, ihnen +antwortete: Ich danke euch, meine Mitbürger; und so zog er langsam +die Strasse durch. + +Herzogin. +O Jammer! Armer Richard! Wie gieng es ihm indessen? + +York. +Wie in einem Schauspiel die Augen der Leute, wenn ein beliebter +Schauspieler die Scene verläßt, sich unachtsam von demjenigen +wegwenden, der zunächst auftritt, in der Einbildung, daß sie nichts +als ein langweiliges Gewäsche von ihm zu erwarten haben; eben so, +oder noch verächtlicher, runzelte sich jede Stirne, da Richard kam; +niemand rief. Gott erhalte ihn! Keine erfreute Zunge hieß ihn in +seiner Hauptstadt willkommen; sondern Staub wurde auf sein +geheiligtes Haupt geschüttet, den er mit einem so sanftmüthigen +Schmerz und mit einem Gesicht, worinn Thränen und Lächeln, auf eine +so herzrührende Art kämpften, von sich abschüttelte, daß, hätte +nicht Gott, aus irgend einer furchtbaren Ursache, die Herzen der +Menschen verhärtet, sie nothwendig hätten schmelzen, und Barbarey +selbst ihn hätte beweinen müssen. (Aber der Himmel hat seine Hand +in diesen Begebenheiten, und in seinen hohen Willen müssen wir den +unsrigen ergeben. Wir sind nun Bolingbroks Unterthanen, und ihm +hab' ich nun auf ewig meine Treue angelobt.) + + + +Vierte Scene. +(Aumerle zu den Vorigen.) + + +Herzogin. +Hier kommt mein Sohn, Aumerle. + +York. +Der Aumerle war, und es nicht mehr ist, weil er Richards Freund war. +Ihr müßt ihn nunmehr Rutland nennen, Madam; ich bin Bürge im +Parlament für seine Treue gegen den neuen König worden. + +Herzogin. +Willkommen, Sohn; wo sind nun die Veilchen, die den grünen Schooß +des jungen Frühlings bestreuen? + +Aumerle. +Madam, ich weiß es nicht, und bekümmre mich wenig darum. Gott weiß, +daß es mir gleichgültig ist, ob ich bin, oder ob ich nicht bin. + +York. +Gut, betragt euch wohl in diesem Frühling einer neuen Zeit, sonst +möchtet ihr abgeschnitten werden, eh ihr geblüht habt. Was giebts +neues von Oxford? Dauren diese Lustbarkeiten und Ritterspiele noch +immer fort? + +Aumerle. +So viel ich weiß, noch immer. + +York. +Geht ihr auch dahin? + +Aumerle. +Wenn Gott es nicht verhindert, so ist es mein Vorsaz. + +York. +Was für ein Siegel ist das, so aus deinem Busen heraushängt--Wie, +du erblassest? Laß mich die Schrift sehen. + +Aumerle. +Es ist nichts, Milord. + +York. +So ist auch nichts daran gelegen, daß ichs sehe. Ich will +befriedigt seyn, laß mich die Schrift sehen. + +Aumerle. +Ich bitte Euer Gnaden um Vergebung; es ist eine Kleinigkeit, die +ich aus gewissen Ursachen nicht gerne sehen lassen möchte. + +York. +Die ich aus gewissen Ursachen sehen will, Herr. Ich fürchte, ich +fürchte-- + + +Herzogin. +Was könnt ihr fürchten, Milord? Es wird nichts als irgend eine +Handschrift seyn, die er wegen seiner Equipage zum Einzug +ausgestellt haben wird. + +York. +Ich glaube du bist nicht klug, Weib--Jung, laß mich die Schrift +sehen. + +Aumerle. +Ich bitte euch, haltet mir's zu Gnaden; ich kan es nicht sehen +lassen. + +York. +Ich will es aber sehen, sag ich-- + +(Er reißt ihms weg und ließt es.) + +Verrath! Schändlicher Hochverrath! Nichtswürdiger! Verräther! +Sclave! + +Herzogin. +Was ist es dann, Milord? + +York. +He! wer ist da drinn? Sattlet mein Pferd. Himmel, was für eine +Verrätherey ist das! + +Herzogin. +Wie, was ist es, Milord? + +York. +Meine Stiefel her, sag ich; sattlet mein Pferd. Nun bey meiner +Ehre, bey meinem Leben, ich will dein Ankläger seyn, Bösewicht. + +Herzogin. +Was ist es dann? + +York. +Still, närrisches Weibsbild. + +Herzogin. +Ich will nicht still seyn; was ist es, Sohn? + +Aumerle. +Meine gute Mutter, gebt euch zufrieden, es ist nichts mehr, als +wovor mein armes Leben gut stehen muß. + +Herzogin. +Dein Leben! + + + + +Fünfte Scene +(Ein Bedienter kommt mit Stiefeln herein.) + + +York. +Gieb mir die Stiefel her; ich will zum Könige. + +Herzogin. +Schlag ihn zu Boden, Aumerle--(Armer Junge, du bist betäubt.) Weg, +Schurke, und komm mir nicht mehr vor die Augen. + +(Zum Bedienten.) + +York. +Meine Stiefel! + +Herzogin. +Wie, York, was willt du thun? Du willt den Tod deines eignen Kinds +befördern? Haben wir noch mehr Söhne? Oder können wir noch mehr +bekommen? Willt du meinen einzigen Sohn in meinem Alter von mir +reissen, und mich des glükseligen Namens einer Mutter berauben? +Ist er nicht dein eigen? + +York. +Du zärtliche Thörin! Wolltest du diese schwarze +Zusammenverschwörung verheeren? Ihrer Zwölfe haben das Sacrament +empfangen, und sich die Hände darauf gegeben, den König zu Oxford +zu ermorden. + +Herzogin. +Das soll er nicht; wir wollen ihn hier behalten. + +York. +Weg, närrisches Weib. Wär' er zwanzigmal mein Sohn, so wollt' ich +ihn angeben. + +Herzogin. +Hättest du seinetwegen ächzen müssen wie ich, du würdest +mitleidiger seyn. Aber nun merke ich deine Gedanken; du argwöhnest, +daß ich deinem Bette ungetreu gewesen sey, und daß er ein Bastard +sey, nicht dein Sohn; liebster York, liebster Gemal, denke nicht so; +er ist dir so gleich als man seyn kan; er ist weder mir noch +irgend jemand aus meiner Verwandtschaft ähnlich, und doch lieb ich +ihn. + +York. +Aus dem Weg, widerspenstiges Weibsbild. + +(Er geht ab.) + +Herzogin. +Geh ihm nach, Aumerle; besteig' sein Pferd, sporn' es so gut, daß +du vor ihm zum König kommst, und bitt' um Gnade, eh er dich +anklagen kan. Ich will nicht lange dahinten bleiben; wenn ich +schon alt bin, so will ich doch noch wol so schnell reiten als York; +und nimmer will ich vom Boden aufstehen, bis Bolingbroke dich +begnadigt hat. Hinweg. + +(Sie gehen ab.) + + + +Sechste Scene. +(Verwandelt sich in den Hof zu Windsor.) +(Bolingbroke, Percy, und andre Lords treten auf.) + + +Bolingbroke. +Kan mir niemand Nachricht von meinem ungerathnen Sohne geben? Es +sind volle drey Monate, seitdem ich ihn das leztemal sah. Wenn ja +eine Plage über uns hängt, so ist es er; ich wollte zu Gott, +Milords, daß er gefunden würde. Fragt zu London in den +Weinschenken nach ihm, denn dort sagt man, hält er sich täglich in +Gesellschaft zügelloser lüderlicher Leute auf, sogar mit solchen, +die in holen Wegen lauren und die Reisenden berauben, indeß daß der +junge ausgelassene Bube eine Ehre darinn sucht, eine so schändliche +Rotte zu beschüzen. + +Percy. +Gnädigster Herr, es sind etwann zween Tage, daß ich den Prinzen sah, +und ihm von den Ritterspielen zu Oxford erzählte. + +Bolingbroke. +Und was antwortete der Busch-Klöpfer? + +Percy. +Er sagte, er wolle in ein Bordel, und der gemeinsten Meze einen +Handschuh abziehen, ihn ihr zu Ehren auf den Hut steken, und damit +den herzhaftesten Ritter aus dem Sattel heben. + +Bolingbroke. +So lüderlich als wild; und doch seh' ich durch beydes einige Funken +von Hoffnung schimmern, welche mit zunehmenden Jahren glüklich +ausschlagen mögen. Aber wer kommt hier? (Aumerle zu den Vorigen.) + +Aumerle. +Wo ist der König? + +Bolingbroke. +Was hat unser Vetter, daß er so starr und wild aussieht? + +Aumerle. +Gott erhalte Euer Majestät. Ich bitte euch, etliche Augenblike mit +Euer Majestät allein sprechen zu dürfen. + +Bolingbroke. +Entfernet euch, und laßt uns hier allein; was ist dann nun die +Sache, Vetter? + +Aumerle (kniend.) +Auf ewig mögen meine Knie in die Erde wachsen, und meine Zunge an +meinen Gaumen, oder Euer Majestät ertheile mir Gnade, eh ich rede! + +Bolingbroke. +Was ist dein Fehler, vorgesezt, oder würklich begangen? Wenn nur +das erste, so groß er seyn mag, so vergeb' ich ihn dir, um deine +künftige Liebe zu gewinnen. + +Aumerle. +So erlaubet mir, Gnädigster Herr, daß ich den Schlüssel umdrehen +darf, damit niemand herein komme, bis meine Erzählung zu ende ist. + +Bolingbroke. +Das magst du. + +York (hinter der Scene.) +Gnädigster Herr, nehmt euch in Acht, seht euch vor, ihr habt einen +Verräther bey euch. + +Bolingbroke (zu Aumerle.) +Nichtswürdiger, ich will bald mit dir fertig seyn-- + +Aumerle. +Halt deine rächende Hand zurük, du hast keine Ursache zu fürchten. + +York. +Mach die Thür auf, sichrer, unbesonnener König; öffne die Thür, +oder ich werde sie einstossen. + + + +Siebende Scene. +(York zu den Vorigen.) + + +Bolingbroke. +Was giebt es, mein Oheim? Sprich, komm erst zu Athem; sag uns, wie +nah ist die Gefahr, damit wir uns waffnen können, ihr entgegen zu +gehen? + +York. +Überlies diese Schrift, so wirst du die Verrätherey kennen, von +der ich, athemloß wie ich bin, noch nicht reden kan. + +Aumerle. +Erinnre dich, indem du liesest, deines gegebnen Versprechens. Es +reuet mich, lies meinen Namen nicht, mein Herz ist kein +Bundsgenosse meiner Hand. + +York. +Nichtswürdiger, dein Herz war ein Verräther, eh deine Hand es war-- +ich riß es aus des Verräthers Busen, König. Furcht, nicht Liebe +zeugt seine Reue; habe kein Mitleiden mit ihm, oder dein Mitleiden +möchte eine Schlange werden, und dein Herz durchstechen. + +Bolingbroke. +O grauliche, verwegne und mächtige Verschwörung! O rechtschaffner +Vater eines verrätherischen Sohns, du reine, unbeflekte +Silberquelle, aus welcher dieser Strom durch sumpfige Örter +geflossen, und so sich selbst verunreinigt hat. Der Überfluß +deiner Verdienste soll diesen tödtlichen Fleken von deinem +verbrecherischen Sohn abwaschen. + +York. +So würde meine Tugend die Kupplerin seines Lasters seyn; und wie +verschwendrische Söhne ihrer kargen Väter Gold, so würde er durch +seine schändliche Thaten meine Ehre verprassen.* Meine Ehre lebt +nur, wenn seine Schande stirbt; du tödtest mich, du tödtest den +rechtschaffnen Mann, wenn du den Verräther leben lässest. + +{ed.-* Von hier bis zur 9ten Scene lauter Reime im Original.} + +Die Herzogin (hinter der Scene.) +O! Gnädigster Herr, um Gottes willen, laßt mich ein. + +Bolingbroke. +Was für ein hellstimmiger Supplicant macht dieses ängstliche +Geschrey? + +Herzogin. +Ein Weib, und deine Tante, grosser König, ich bin's. O lasset mich +vor, habet Mitleiden mit mir, laßt die Thür öffnen. Eine Bettlerin +bettelt, die zuvor noch nie gebettelt hat. + +Bolingbroke. +Unsre Scene hat ihre ernsthafte Gestalt verlohren, und hat sich in +den Bettler und den König verwandelt; mein gefährlicher Vetter, +laßt eure Mutter herein, sie kommt ohne Zweifel für euch zu bitten. + +York. +Wenn du vergiebst, wer es auch sey, der dich um Gnade bittet, so +wird deine Gnade die Aufmuntrung zu neuen Verbrechen seyn. +Schneide dieses eyternde Gelenk ab, so bleibt das übrige gesund; wo +nicht, so wird der ganze Leib angestekt werden. + + + +Achte Scene. +(Die Herzogin von York zu den Vorigen.) + + +Herzogin. +O König, glaube nicht diesem hartherzigen Mann; wer kan jemand +andern lieben, der sich selbst nicht liebt? + +York. +Du aberwiziges Weibsbild, was machst du hier?-- + +Herzogin. +Geduld, lieber York; höret mich, Gnädigster Herr. + +(Sie kniet.) + +Bolingbroke. +Steht auf, meine Tante. + +Herzogin. +Noch nicht, ich bitte euch; ewig will ich hier auf meinen Knien +ligen, bis du durch die Begnadigung meines armen Sohns mir das +Leben giebst. + +Aumerle. +Kniend füg' ich zu meiner Mutter Bitte die meinige. + +York. +Und kniend heißt mich meine Treue wider beyde bitten; nimmer wirst +du gedeyhen, wenn du Gnade widerfahren lässest. + +Herzogin. +Bittet er im Ernst? O betrachtet sein Gesicht; seine Augen lassen +keine Thränen fallen, sein Bitten ist nur Verstellung, seine Worte +kommen nur aus seinem Mund, unsre aus dem Herzen; er bittet nur, um +nicht erhört zu werden, wir bitten mit Herz und Seele; seine müden +Knie, ich weiß es, hoffen freudig aufzustehen; die unsrige sollen +knien, bis sie in den Boden wachsen. O so laßt dann unser +aufrichtiges Flehen seine heuchlerische Bitte überschreyen! + +Bolingbroke. +Meine liebe Tante, steht auf. + +Herzogin. +Nein, sagt nicht, daß ich aufstehen soll, ihr habt dann zuvor seine +Begnadigung ausgesprochen. O wär ich deine Amme, und sollte dich +reden lehren, Gnade sollte das erste Wort seyn, das deine Zunge +aussprechen lernte. Noch nie verlangte ich mit Ungeduld ein Wort +zu hören als izt, o König, sprich Gnade, so erhältst du zwey Leben +mit einem Wort. + +Bolingbroke. +Steht auf, meine gute Tante. + +Herzogin. +Ich bitte nicht, um Erlaubniß, zu stehen; Vergebung ist alles, +warum ich bitte. + +Bolingbroke. +Ich vergebe ihm, wie der Himmel mir vergeben soll! + +Herzogin. +O! du bist ein Gott auf Erden! Wo ist ein Wort, das aus einem +königlichen Munde schöner tönt? O! Sag es noch einmal, mein +ängstlich-zweifelndes Herz gewiß zu machen. + +Bolingbroke. +Von ganzem Herzen vergeb' ich ihm. Aber was unsern getreuen +Schwager, den Abbt, betrift--und alle übrige von dieser zusammen- +verschwornen Rotte, die soll unerbittliches Verderben an den Fersen +ereilen!--Mein geliebter Oheim, sorget dafür, daß eine hinlängliche +Anzahl von Truppen nach Oxford, oder wo diese Verräther immer seyn +mögen, abgeordnet werde. Ich will sie haben, sobald ich weiß wo +sie sind, und ich schwöre sie sollen in dieser Welt nicht leben! +Lebet wohl, Oheim; und ihr, Vetter, Adieu; eure Mutter hat euch +gute Dienste gethan; es ist nun an euch, einen guten Gebrauch davon +zu machen. + +Herzogin. +Komm, mein alter Sohn; ich bitte den Himmel, daß er dich neu mache. + +(Sie gehen ab.) + + + +Neunte Scene. +(Exton und ein Bedienter treten auf.) + + +Exton. +Hörtest du die Worte nicht, die dem König entfuhren: "Hab ich denn +keinen Freund, der mich von diesen unaufhörlichen Besorgnissen +befreyen mag?" Sagte er nicht so? + +Bedienter. +Das waren würklich seine Worte. + +Exton. +"Hab' ich keinen Freund?"--sagte er; er sagte es zweymal, und +zweymal mit einer gewissen Heftigkeit. That er's nicht? + +Bedienter. +Er that es. + +Exton. +Und indem er's sagte, sah' er mir starr ins Gesicht, als wollt' er +sagen--Ich wünsche, du wär'st der Mann, der mein Herz dieser +Besorgnisse erledigen möchte--er meynte den König zu Pomfret. Komm, +wir wollen gehen--Ich bin des Königs Freund, und will ihm von +seinem Feinde helfen. + +(Sie gehen ab.) + + + +Zehnte Scene. +(Verwandelt sich in das Gefängniß zu Pomfret-Castle.) +(König Richard tritt auf.) + + +König Richard. +Ich studiere schon lange, wie ich dieses Gefängniß, worinn ich lebe, +mit der Welt vergleichen wolle; und weil die Welt volkreich ist, +und hier kein anders Geschöpf als ich selbst, so kan ich nicht +damit zurecht kommen. Und doch will ich's versuchen--Mein Gehirn +soll das Weib meiner Seele werden, und meine Seele, der Vater; und +diese zwey sollen ein Geschlecht von Gedanken mit einander zeugen, +und diese Gedanken sollen diese kleine Welt bevölkern, humorisirt, +wie die Einwohner der grossen Welt, denn kein Gedank' ist zufrieden. +Sogar die besten (die Gedanken von göttlichen Dingen) sind mit +Zweifeln untermischt, und sezen das Wort selbst dem Wort entgegen; +zum Exempel: Kommt, ihr Kleinen; und dann wieder: Es ist so schwer +zu kommen, als einem Cameel durch ein Nadelöhr zu gehen.--Gedanken, +die nach Unabhänglichkeit streben, brüten unmögliche Wunder aus,-- +wie diese schwachen Nägel mir eine Öffnung durch die steinernen +Rippen dieser Kerker-Mauren krazen könnten, und weil sie es nicht +können, so zerplazen sie an ihrem eignen schwellenden Stolz. +Gedanken, die nach Vergnügen streben, schmeicheln sich selbst, "sie +seyen nicht die ersten Sclaven des Glüks, und werden nicht die +lezten seyn," (wie schelmisches Bettelvolk, wenn sie im Stok sizen, +sich damit trösten, daß schon viele da gesessen sind, und noch +viele sizen werden.) Und in diesem Gedanken finden sie eine Art von +Erleichterung, indem sie ihr eignes Elend auf dem Rüken derer +tragen, die ehmals das nemliche ausgestanden haben. So spiel ich, +in einem Gefängniß, mancherley Personen, wovon keine mit sich +selbst zufrieden ist. Zuweilen bin ich ein Fürst; dann macht +Verrätherey, daß ich mich zu einem Bettler wünsche, und das bin ich. +Alsdann überredet mich die Dürftigkeit, es sey mir besser gewesen, +da ich ein Fürst war, und dann werd' ich wieder gefürstet; und +unvermerkt besinn' ich mich, daß mich Bolingbroke entfürstet hat, +und da bin ich wieder nichts--Was ich aber seyn mag, so ist doch +dieses gewiß, weder ich noch irgend ein andrer, wer er seyn mag, +wird eher nicht zur Ruhe kommen, bis er nicht mehr ist--Hör' ich +nicht Musik? + +(Eine Musik.) + +Ha, ha! Haltet den Tact; wie widrig die anmuthigste Musik ist, +wenn das Zeitmaaß gebrochen, und die Proportion nicht gehalten wird! +So ist es auch mit der Musik des menschlichen Lebens--Wie kommt +es, daß ich ein so feines Ohr habe, von dem kleinsten Mißklang +einer verstimmten Sayte, oder eines verspäteten Tons beleidigt zu +werden; und daß ich kein Ohr hatte, die schlechte Zusammenstimmung +in meinem Staat, das gebrochne Zeitmaaß in meiner Regierung zu +bemerken? Ich verderbte die Zeit; nun verderbt die Zeit mich. Die +Zeit hat nun ihre Stunden-Uhr aus mir gemacht; meine Gedanken sind +die Minuten, und meine jammernden Seufzer die Töne, die an mein +Herz anschlagen, und so die Stunden anzeigen--Diese Musik macht +mich närrisch--laßt sie schweigen; wenn sie gleich schon öfters +närrischen Leuten wieder zu ihrem Verstand geholfen hat, so scheint +es doch an mir, daß sie kluge Leute närrisch mache. Und doch +gesegnet sey der, so sie mir giebt; es ist immer ein Zeichen seiner +Liebe, und Liebe zu Richard ist ein seltnes Kleinod in einer Welt, +wo der Haß allezeit den Fall begleitet. + + + +Eilfte Scene. +(Ein Stallknecht kommt herein.) + + +Stalknecht. +Heil, königlicher Herr! + +König Richard. +Grossen Dank, edler Pair. Der Wohlfeilste von uns beyden ist um +zehn Groschen zu theuer. Wer bist du? Wie kommst du hieher? +Wohin niemand kommt, als ein schwermüthiger Sclave, der mir zu +essen bringt; um mein Unglük zu verlängern. + +Stalknecht. +Ich war ein armer Stallknecht in deinem Marstall, König, wie du +noch ein König warst; und da ich unlängst nach York reisen mußte, +so hab' ich um die Erlaubniß angesucht, meinen ehmaligen Herrn +sehen zu dürfen. O wie weh that mir's im Herzen, wie ich in den +Strassen von London, an dem Krönungs-Tag zusehen mußte, wie +Bolingbroke auf dem weiß- und roth getüpfelten Barber, euerm +Leibpferd, ritt; auf diesem Pferd das ihr so oft geritten, und das +ich mit so grosser Sorgfalt abgerichtet hatte. + +König Richard. +Ritt er auf meinem Barber? Sag mir, mein guter Freund, wie gieng +er unter ihm? + +Stalknecht. +So stolz, als ob er den Boden aus Verachtung nicht berühren wolle. + +König Richard. +So stolz, weil er Bolingbrok auf seinem Rüken hatte? Die +Schindmähre hat Brodt aus meiner königlichen Hand gefressen; diese +Hand hat ihn so oft durch streicheln stolz gemacht. Und er +stolperte nicht? Er fiel nicht, und brach diesem übermüthigen Mann +den Hals, der seinen Rüken usurpirte? Um Vergebung, du gutes Pferd! +du verdienst mein Schelten nicht; du warst dazu geschaffen, dem +Menschen unterthan zu seyn, und zum Tragen gebohren. Ich war zu +keinem Pferd gemacht, und doch trag' ich die Last eines Esels, und +lasse mich von dem trottenden Bolingbroke mit Sporrn zerfleischen +und zuschanden reiten. + + + +Zwölfte Scene. +(Ein Hüter mit einer Schüssel, zu den Vorigen.) + + +Hüter. +Kerl, mach' Plaz, du darfst nicht länger bleiben. + +(Zum Stallknecht.) + +König Richard. +Wenn du mich liebst, so ist es Zeit, daß du gehst. + +Hüter. +Milord, beliebt es euch zu essen? + +König Richard. +Kost' es vorher, wie du gewohnt bist. + +Hüter. +Milord, ich darf nicht; Sir Pierce von Exton, der kürzlich auf des +Königs Befehl hieher gekommen ist, hat mir's verboten. + +König Richard. +Der Teufel hole Heinrichen von Lancaster und dich! Die Geduld geht +mir aus. + +(Er schlägt den Hüter.) + +Hüter. +Hülfe, Hülfe, Hülfe!--(Exton und Bediente zu den Vorigen.) + +König Richard. +Wie? was soll das bedeuten? Kommt ihr mich zu ermorden?-- +Unglükseliger, stirb durch dein eignes Schwerdt! + +(Er reißt einem sein Schwerdt aus der Hand und stoßt ihn nieder.) + +Geh du und füll' einen andern Plaz in der Hölle aus, + +(er tödtet noch einen; Exton schlägt ihn mit einem Streich zu Boden, +) + +diese Hand soll in unauslöschlichem Feuer brennen die mit des +Königs Blut des Königs eignes Land befleket hat!--Erheb' erhebe +dich, meine Seele, einen himmlischen Thron einzunehmen, indem mein +sterblicher Theil zur Erde sinkt. + +(Er stirbt.) + +Exton. +So voll von Tapferkeit als königlichem Blut! Und dieses hab' ich +nun vergossen! O wie wollt ich, daß diese That gut wäre! Aber der +Teufel, der mir sagte, ich thue recht, sagt izt, daß sie in die Tag- +Bücher der Hölle eingeschrieben ist. Ich will nun diesen todten +König zu dem lebenden tragen; ihr, schleppt die übrigen fort, und +sorgt, daß sie hier begraben werden. + +(Sie gehen ab.) + + + +Dreyzehnte Scene. +(Verwandelt sich in den Hof zu Windsor.) +(Trompeten; Bolingbroke, York, Lords und Gefolge treten auf.) + + +Bolingbroke. +Mein geliebter Oheim York, die neueste Nachricht die wir haben, ist, +das die Rebellen unsre Stadt Cicester in Glocesterschire in Brand +gestekt haben; aber wir hören nicht, ob sie geschlagen oder +gefangen worden-- +(Northumberland zu den Vorigen.) Willkommen, Milord, was bringt +ihr neues? + +Northumberland. +Zuerst wünsch' ich deiner geheiligten Person und Regierung +vollkommne Glükseligkeit; die nächste Zeitung ist, daß ich die +Köpfe von Salisbury, Spencer, Blunt und Kent nach London geschikt +habe. Die Umstände ihrer Gefangennehmung sind aus diesem Papier +ausführlich zu ersehen. + +Bolingbroke. +Wir danken dir, werther Percy, für deine Mühe, und werden deine +Verdienste nach Würden zu belohnen wissen. (Fizwater zu den +Vorigen.) + +Fizwater. +Gnädigster Herr, ich habe die Köpfe von Broccas und Sir Bennet +Seely von Oxford nach London geschikt, von zween jener zusammen- +verschwornen Verräther, die eure Majestät zu Oxford zu unterdrüken +suchten. + +Bolingbroke. +Deine Bemühungen und Verdienste sollen nicht vergessen werden, +Fizwater; ich weiß und schäze ihren Werth. (Percy und der Bischoff +von Carlisle zu den Vorigen.) + +Percy. +Das Haupt der Zusammen-Verschwornen, der Abbt von Westmünster, hat, +von Schwermuth und Gewissens-Bissen erdrükt, seinen Leib dem Grab +abgetreten; aber hier ist Carlisle, der euerm königlichen Urtheil +über sein Verbrechen sich unterwirft. + +Bolingbroke. +Carlile, diß ist dein Urtheil; wähle dir irgend eine stille +geheiligte Freystädte aus, und geniesse darinn deines Lebens; und +so wie du in Ruhe leben wirst, sollst du ruhig sterben: Ob du +gleich immer mein Feind warest, so ehr' ich doch deine Tugend. +(Exton tritt mit einem Sarg auf.) + +Exton. +Grosser König, in diesem Sarg überliefre ich dir deine begrabne +Besorgnisse. Hierin ligt athemlos der gröste von deinen Feinden, +Richard von Bourdeaux, von mir hieher gebracht. + +Bolingbroke. +Exton, ich danke dir nicht; deine fatale Hand hat Schmach und Fluch +über mein Haupt, und über dieses ganze ruhmvolle Land gebracht. + +Exton. +Aus euerm eignen Munde, Gnädigster Herr, that ich diese That. + +Bolingbroke. +Man kan Gift nöthig haben, aber man liebt es nicht, und ich dich +eben so wenig; ob ich ihn gleich todt wünschte, so haß ich doch den +Mörder, und liebe nun den Ermordeten. Nimm du die Schuld eines +bösen Gewissens für deine Mühe, aber weder meinen Beyfall noch +meine Gnade. Geh, wandre wie Cain durch den Schatten der Nacht, +und zeige nie dem Tag dein verabscheutes Antliz. Milords, ich +schwöre euch, meine Seele ist bekümmert, daß Blut mich besprengen +soll, damit ich wachsen möge. Kommt, leget die Farbe der +kummervollen Traurigkeit an. Ich will einen Zug in das gelobte +Land thun, um dieses Blut von meiner schuldigen Hand abzuwaschen. +Folget mir in stillschweigender Trauer, und weinet mit mir über +dieser unzeitigen Baare. + +(Sie gehen alle ab.) + + +Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Leben und Tod Königs Richard +des zweyten, von William Shakespeare (Übersetzt von Christoph +Martin Wieland). + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Leben und Tod Konigs Richard des +zweyten, by William Shakespeare + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK KONIGS RICHARD DES ZWEYTEN *** + +This file should be named 7323-8.txt or 7323-8.zip + +Produced by Delphine Lettau + +Project Gutenberg eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. 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