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diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..6833f05 --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,3 @@ +* text=auto +*.txt text +*.md text diff --git a/8568-8.txt b/8568-8.txt new file mode 100644 index 0000000..a6dc34e --- /dev/null +++ b/8568-8.txt @@ -0,0 +1,4718 @@ +The Project Gutenberg EBook of Des Meeres Und Der Liebe Wellen +by Franz Grillparzer + +Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the +copyright laws for your country before downloading or redistributing +this or any other Project Gutenberg eBook. + +This header should be the first thing seen when viewing this Project +Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the +header without written permission. + +Please read the "legal small print," and other information about the +eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is +important information about your specific rights and restrictions in +how the file may be used. You can also find out about how to make a +donation to Project Gutenberg, and how to get involved. + + +**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** + +**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** + +*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** + + +Title: Des Meeres Und Der Liebe Wellen + +Author: Franz Grillparzer + +Release Date: July, 2005 [EBook #8568] +[This file was first posted on July 23, 2003] + +Edition: 10 + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DES MEERES UND DER LIEBE WELLEN *** + + + + +This Etext is in German. + +This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt- +DE. +That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/. + +Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" +zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse +http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. + + + + +Des Meeres und der Liebe Wellen + +Franz Grillparzer + +Trauerspiel in fünf Aufzügen + + +Personen: + +Hero +Der Oberpriester, ihr Oheim +Leander +Naukleros +Janthe +Der Hüter des Tempels +Heros Eltern +Diener, Fischer, Volk + + + + +Erster Aufzug + + +(Vorhof im Tempel der Aphrodite zu Sestos. Den Mittelgrund bilden +Säulen mit weiten Zwischenräumen, das Peristyl bezeichnend. Im +Hintergrunde der Tempel, zu dem mehrere Stufen emporführen. Nach +vorne, rechts die Statue Amors, links Hymenäus' Bildsäule. Früher +Morgen.) + +Hero + +(ein Körbchen mit Blumen im Arme haltend tritt aus dem Tempel und +steigt die Stufen herab). +Nun, so weit wär's getan. Geschmückt der Tempel, +Mit Myrt' und Rosen ist er rings bestreut +Und harret auf das Kommende, das Fest. Und ich bin dieses Festes +Gegenstand. +Mir wird vergönnt, die unbemerkten Tage, +Die fernhin rollen ohne Richt und Ziel, +Dem Dienst der hohen Himmlischen zu weihn; +Die einzelnen, die Wiesenblümchen gleich, +Der Fuß des Wanderers zertritt und knickt, +Zum Kranz gewunden um der Göttin Haupt, +Zu weihen und verklären. Sie und mich. Wie bin ich glücklich, daß +nun heut der Tag; +Und daß der Tag so schön, so still, so lieblich! +Kein Wölkchen trübt das blaue Firmament, +Und Phöbus blickt, dem hellen Meer entstiegen, +Schon über jene Zinnen segnend her. +Schaust du mich schon als eine von den Euren? +Ward es dir kund, daß jene muntre Hero, +Die du wohl spielen sahst an Tempels Stufen, +Daß sie, ergreifend ihrer Ahnen Recht, +Die Priester gaben von Urväterzeit +Dem hehren Heiligtum--daß sie's ergreifend +Das schöne Vorrecht, Priesterin nun selbst; +Und heute, heut; an diesem, diesem Tage. +Auf jenen Stufen wird das Volk sie sehn +Den Himmlischen der Opfer Gaben spendend. +Von jeder Lippe ringt sich Jubel los, +Und in dem Glanz, der Göttin dargebracht, +Strahlt auf der Priestrin Haupt-- +Allein, wie nur? +Beginn ich mit Versäumen meinen Dienst? +Hier sind noch Kränze, Blumen hab ich noch, +Und jene Bilder stehen ungeschmückt? Hier, Hymenäus, der die +Menschen bindet, +Nimm diesen Kranz von einer, die gern frei. +Die Seelen tauschest du? Ei, gute Götter, +Ich will die meine nur für mich behalten, +Wer weiß, ob eine andre mir so nütz'? Dir Amor sei der zweite +meiner Kränze. +Bist du der Göttin Sohn, und ich ihr Kind, +Sind wir verwandt; und redliche Geschwister +Beschädigen sich nicht und halten Ruh'. +So sei's mit uns, und ehren will ich dich, +Wie man verehrt, was man auch nicht erkennt. Nun noch die Blumen +auf den Estrich.--Doch +Wie liegt nur das Geräte rings am Boden? +Der Sprengkrug und der Wedel, Bast und Binden. +Saumsel'ge Dienerinnen dieses Hauses +Euch stand es zu. Übt so ihr eure Pflicht? +Lieg immer denn, und gib ein kundbar Zeugnis-- +Und doch, es martert mein erglühend Auge. +Fort, Niedriges, und laß mich dich nicht schaun. + +(Sich mit Zurechtstellen beschäftigend.) + +Dort kommt der Schwarm, von lautem Spiel erhitzt, +Nunmehr zu tun, was ohne sie vollendet. + +(Janthe und mehrere Dienerinnen kommen.) + +Janthe. +Ei, schöne Hero, schon so früh beschäftigt? + +Hero. +So früh, weil's andre nicht, wenn noch so spät. + +(Die Dienerinnen stellen das übrige zurecht.) + +Janthe. +Ei seht, sie tadelt uns, weil wir die Kanne, +Das wenige Gerät nicht weggeschafft. + +Hero. +Viel oder wenig, du hast's nicht getan. + +Janthe. +Wir waren früh am Werk und sprengten, fegten. +Da kam die Lust, im Grünen uns zu jagen. + +Hero. +Drauf gingt ihr hin und--Nun, beim hohen Himmel! +Als du den leichten Fuß erhobst und senktest, +Kam dir der Vorhof deiner Göttin nicht, +Dein unvollendet Werk dir nicht vors Auge? +Genug, ich faß euch nicht, wir wollen schweigen. + +Janthe. +Weil du so grämlich bist und einsam schmollst, +Beneidest du dem Frohen jede Lust. + +Hero. +Ich bin nicht grämlich, froher leicht als ihr, +Und oft hab ich zur Abendzeit beklagt, +Wo Spiel vergönnt, daß ihr des Spielens müde, +Doch nehm ich nicht dem Ernste seine Lust, +Indem ich mit des Scherzes Lust sie menge. + +Janthe. +Verzeih, wir sind gemeines, niedres Volk. +Du freilich, aus der Priester Stamm entsprossen-- + +Hero. +Du sagst es. + +Janthe. Und zu Höherem bestimmt. + +Hero. +Mit Stolz entgegn' ich: ja. + +Janthe. Ganz andre Freuden, +Erhabnere Genüsse sind für dich. + +Hero. +Du weißt, ich kann nicht spotten; spotte nur! + +Janthe. +Und doch, gingst du mit uns, und sahst die beiden, +Die fremden Jünglinge am Gittertor-- + +Hero. +Nun schweig! + +Janthe. Was gilt's? du blinzeltest wohl selber +Ein wenig durch die Stäbe. + +Hero. Schweige, sag ich. +Ich habe deiner Torheit Raum gegeben, +Leichtfertigem verschließt sich dieses Ohr. +Sprich nicht und reg dich nicht! denn bei den Göttern! +Dem Priester, meinem Oheim sag ich's an, +Und er bestraft dich, wie du's wohl verdienst. +Ich bin mir gram, daß mich der Zorn bemeistert, +Und doch kann ich nicht anders, hör ich dies. +Du sollst nicht reden, sag ich, nicht ein Wort! + +(Der Priester, von dem Tempelhüter begleitet, ist von der rechten +Seite her aufgetreten.) + +Hero (ihm entgegen). +O wohl mir, daß du kömmst, mein edler Ohm. +Dein Kind war im Begriff zu zürnen, heut, +Am Morgen dieses feierlichen Tags, +Der sie auf immer--O verzeih, mein Ohm! + +Priester. +Was aber war der heißen Regung Grund? + +Hero. +Die argen Worte dieser Leichtgesinnten; +Der frevle Hohn, der was er selbst nicht achtet, +So gern als unwert aller Achtung malte. +O daß die Weisheit halb so eifrig wäre +Nach Schülern und Bekehrten, als der Spott! + +Priester. +Und welche war's, die vor den andern kühn, +Die Sitte unsers Hauses so verletzt? + +Hero (nach einer Pause). +Genau besehn, will ich sie dir nicht nennen, +Ob ihr die Rüge gleich gar wohl verdient. +Schilt sie nur alle, Herr, und heiß sie gehn, +Die Schuld'ge nimmt sich selbst wohl ihren Teil. + +(Zum Tempelhüter.) + +Du aber sieh zum äußern Gittertor, +Damit nicht Fremde-- + +Priester. +Hätte denn--? + +Hero. +Ich bitte! + +Priester. +So geh!--Und ihr! und meidet zu begegnen +Dem Zorne, der sein Recht und seine Mittel kennt. + +(Der Tempelhüter nach der linken, die Mädchen nach der rechten +Seite ab.) + +Hero. +Nun ist mir leicht! Ich könnte sie bedauern, +Wenn ihre Torheit an sich selber zehrte, +Nicht um Genossen würb' und Billigung. + +Priester. +Sosehr mich freut, daß du den Schwarm vermeidest, +Und aus der Menge nicht die Freundin wählst, +So sehr befremdet mich, ja ich beklag es, +Daß dich zu keiner unter deinesgleichen +Des Herzens Zug, ein still Bedürfnis führte. +Ein einsam Leben harrt der Priesterin, +Zu zweien trägt und wirkt sich's noch so leicht. + +Hero. +Ich kann nicht finden, daß Gesellschaft fördert; +Was einem obliegt muß man selber tun. +Dann, nennst du einsam einer Priestrin Leben? +Wann war es einsam hier im Tempel je? +Vom frühen Morgen drängt die laute Menge, +Aus Ost und Westen strömt herbei das Volk. +Von Weihgeschenken und von Opfergaben, +Von Festeszügen, fremden Beterscharen +War nimmer dieses Hauses Schwelle leer. +Dann fehlt's ja nicht an mancherlei zu tun: +Der Wasserkrug, der Opferherd, die Kränze, +Und Säul' und Sockel, Estrich und Altar +Zu reinigen, zu schmücken, zu bewahren. +Wo bliebe da zum Schwätzen wohl die Zeit, +Zum Kosen mit der Freundin, wie du meinst. + +Priester. +Du hast mich nicht gefaßt. + +Hero. Wohl denn, es sei! +Was man nicht faßt, erregt auch kein Verlangen. +Laß mich so wie ich bin, ich bin es gern. + +Priester. +Doch kommt die Zeit und ändert Wunsch und Neigung. + +Hero. +Man klagt ja täglich, daß der Unverständ'ge +Beharrt und bleibt, man tadl' ihn wie man will; +Weshalb nun den Verständ'gen unverständ'ger +Und unbeständ'ger glauben als den Tor? +Ich weiß ja was ich will und was wir wählten, +Wenn wählen heißen kann, wo keine Wahl. +Vielmehr ein glücklich Ungefähr hat mich +Nur halb bewußt an diesen Ort gebracht, +Wo--wie der Mensch, der müd' am Sommerabend +Vom Ufer steigt ins weiche Wellenbad, +Und, von dem lauen Strome rings umfangen, +In gleiche Wärme seine Glieder breitet, +So daß er, prüfend, kaum vermag zu sagen: +Hier fühl ich mich und hier fühl ich ein Fremdes-- +Mein Wesen sich hindangibt und besitzt. +Aus langer Kindheit träumerischem Staunen +Bin hier ich zum Bewußtsein erst erwacht; +Im Tempel, an der Göttin Fußgestelle +Ward mir ein Dasein erst, ein Ziel, ein Zweck. +Wer, wenn er mühsam nur das Land gewonnen, +Sehnt sich ins Meer zurück, wo's wüst und schwindelnd? +Ja, diese Bilder, diese Säulengänge, +Sie sind ein Äußeres mir nicht, ein Totes; +Mein Wesen rankt sich auf an diesen Stützen, +Getrennt von ihnen, wär' ich tot wie sie. + +Priester. +Nur hüte dich, daß so beschränktes Streben +Ein Billiger nicht möge selbstisch nennen! +Es hält der Mensch mit Recht von seinem Wesen +Jegliche Störung fern; allein sein Leben, +Ablehnend alles andre, nur auf sich, +Des eignen Sinns Bewahrung zu beschränken, +Scheint widrig, unerlaubt, ja ungeheuer, +Und doch auch wieder eng und schwach und klein. +Du weißt, es war seit undenkbaren Zeiten +Begnadet von den Göttern unser Stamm +Mit Priesterehren, Zeichen und Orakeln, +Zu sprechen liebten sie durch unsern Mund: +Lockt's dich nun nicht zurück es zu gewinnen +Das schöne Vorrecht, dir zum höchsten Ruhm +Und allem Volk zu segensreichem Frommen? +Ich riet dir oft, in still verborgner Nacht +Zu nahen unsrer Göttin Heiligtum +Und dort zu lauschen auf die leisen Stimmen, +Mit denen wohl das Überird'sche spricht. + +Hero. +Verschiednes geben Götter an Verschiedne; +Mich haben sie zur Sehrin nicht bestimmt. +Auch ist die Nacht, zu ruhn; der Tag, zu wirken, +Ich kann mich freuen nur am Strahl des Lichts. + +Priester. +Vor allem sollte heut-- + +Hero. Ich war ja dort, +Noch eh' die Sonne kam, in unserm Tempel +Und setzte mich bei meiner Göttin Thron +Und sann. Doch keine Stimme kam von oben. +Da griff ich zu den Blumen, die du siehst, +Und wand ihr Kränze meiner hohen Herrin, +Erst ihr, dann jenen beiden Himmlischen, +Und war vergnügt. + +Priester. Und dachtest? + +Hero. An mein Werk. + +Priester. +An andres nicht? + +Hero. +Was sonst? + +Priester. +An deine Eltern. + +Hero. +Was nützt es auch? sie denken nicht an mich. + +Priester. +Sie denken dein und sehnen sich nach dir. + +Hero. +Ich weiß das anders, doch du glaubst es nicht. +War ihnen ich doch immer eine Last, +Und fort und fort ging Sturm in ihrem Hause. +Mein Vater wollte was kein andres wollte, +Und drängte mich, und zürnte ohne Grund. +Die Mutter duldete und schwieg. +Mein Bruder--Von den Menschen all, die leben, +Bin ich nur einem gram, es ist mein Bruder. +Als Älterer, und weil ich nur ein Weib, +Ersah er mich zum Spielwerk seiner Launen. +Doch hielt ich gut, und grollte still und tief. + +Priester. +So zürnst du deinen Eltern? + +Hero. Zürnen? Oh! +Vergaß ich sie, geschah's um sie zu lieben. +Auch ist mein Wesen umgekehrt und eben, +Seit mich die Göttin nahm in ihren Schutz. + +Priester. +Wenn sie nun kämen? + +Hero. Ach, sie werden's nicht. + +Priester. +Dich heimzuholen. + +Hero. Mich? Von hier? Vergebens! + +Priester. +Die Mutter mit dem Bräut'gam an der Hand. + +Hero (zum Gehen gewendet). +Du scherzest, Herr, und ich, ich scherzte nicht. + +Priester. +Bleib nur! Auch ist es Scherz. Doch deine Eltern +Sind hier. + +Hero. Nein! Hier? + +Priester. Seit gestern abends. + +Hero. Oh! +Und du verhehltest mir's? + +Priester. Sie wollten's selbst, +Die Weihe nicht zu stören dieser Nacht, +Die dir ein Morgen ist für viele Tage. +Doch bist du stark, und mögen sie denn nahn. +Sieh dort den Kommenden. Er wandelt, steht, +Holt tiefer Atem, nähert sich. + +Hero. Mein Vater? + +Priester. +Er selber, ja. + +Hero. Und ist der Mann so alt? + +Priester. +Die Frau an seiner Seite-- + +Hero. Mutter! Mutter! + +Priester. +Erbleichst du? Eilst den Lieben nicht entgegen +In froher Hast? + +Hero. O laß mich sie betrachten! +Hab ich sie doch so lange nicht gesehn! + +(Heros Eltern kommen.) + +Vater. +Mein Kind! Hero, mein Kind! + +Hero (auf ihre Mutter zueilend). +O meine Mutter! + +Vater. +Sieh nur, wir kommen her, den weiten Weg-- +Mein Atem wird schon kurz!--So fern vom Hause, +Als Zeugen deines götternahen Glücks. +Zu schauen, wie du in der Ahnen Spur +Antrittst das Recht, um das sie uns beneiden, +Die andern alle rings umher im Land; +Wie um das Amt, mit dem seit manchem Jahr +Bekleidet das Vertraun mich unsrer Stadt, +Und das--Die böse Brust!--Was wollt' ich sagen? +Nun ebendeshalb kamen wir hierher. +Ei, guten Morgen, Bruder! + +Hero. Meine Mutter! + +Vater. +Sie auch! Auch sie! Ob kränkelnd schon und schwach, +Es duldete sie nicht im leeren Hause. +Teilnehmen wollte sie an deinem Glück. +Der Wagen faßt wohl zwei, so kam sie mit. +Erfreuten Sinns. Und wer, wenn noch so stumpf, +Erfreute sich an seinem Kinde nicht, +Wenn es einhergeht auf der Hoheit Spuren? +Wer horchte da auf kleinlich dunkle Zweifel, +Auf, was weiß ich? Nu, wie gesagt, erfreut. + +Hero. +Allein sie spricht nicht. + +Vater. Nicht? Frag sie: warum? +Sie spricht wohl sonst, wenn's auch nicht an der Zeit, +Im Haus, den langen Tag. Frag sie: warum? +Und wieder ist's auch besser, spricht sie nicht. +Wer Förderliches nicht vermag zu sagen, +Tut klüger schweigt er völlig. Bruder, nicht? + +Hero. +O guter Ohm, heiß deinen Bruder schweigen, +Daß meine Mutter rede. + +Priester. Bruder, laß sie! + +Vater. +So sprich; allein-- + +Hero. Nicht so! Nach ihrem Herzen. +Wie's ihr gefällt. + +Mutter + +(halblaut). Mein gutes Kind! + +Hero. +Hörst du? Sie sprach. O süßer, süßer Klang, +So lange nicht gehört. O meine Mutter! + +Priester (in den Hintergrund tretend, zu einem Diener). +Komm hier! + +Vater. +Nun weint sie gar. Daß doch!--Was schaffst du, Bruder? + +(Er geht nach rückwärts, die Hand dem gleichfalls dort stehenden +Tempelhüter auf die Schulter legend.) + +Ah, du mein Ehrenmann?--Was schafft ihr da? + +Priester. Ein Ringeltauber flog in diesen Busch, +Wohl gar zu Nest. Das darf nicht sein. He, Sklave, +Durchforsche du das Laub und nimm es aus! + +Vater. +Wie nur? warum? + +Priester. So will's des Tempels Übung. + +Vater. +Doch jene-- + +Priester. Laß sie nur! + +Vater. Sie reden. + +Priester. Laß sie! + +Hero (mit ihrer Mutter im Vorgrunde rechts). +Nun aber Mutter hemme deine Tränen, +Vielmehr sag deutlich was du fühlst und denkst. +Ich höre dich und folge leicht und gern; +Denn nicht mehr jenes wilde Mädchen bin ich, +Das du gekannt in deines Gatten Hause, +Die Göttin hat das Herz mir umgewandelt, +Und ruhig kann ich denken nun und schaun. +Auch-- + +Mutter. Kind! + +Hero. Was ist? + +Mutter. Sie sehn nach uns. + +Hero. Ei, immer! +Im Tempel hier hat auch die Frau ein Recht, +Und die Gekränkten haben freie Sprache. +Doch ängstet dich ihr Aug', wohlan, so tret ich +Hin zwischen dich und sie. Kein Blick erreicht dich. +Nun aber sag, ob ich dich recht erriet: +Nicht gleichen Sinns mit deinem Gatten kamst du, +Und wäre dir der freie Wunsch gewährt, +Du führtest gar die Tochter mit dir heim +Aus ihres Glückes sturmbeschützter Ruh' +In deiner dunkeln Sorgen niedre Hütte? +Ist's also? Ist es wahr? Sprich nein, o Mutter! + +Mutter. +Kind, ich bin alt und bin allein. + +Hero. Allein? +Dir ist dein Gatte ja. Zwar er--? Ein reiches Haus; +Sind Dienerinnen, die dein sorglich warten. +Dann--Gute Götter, so vergaß ich denn +Das Beste bis zuletzt. Dir ist mein Bruder, +Der bringt die Braut ins Haus und dehnt sich breit, +Und gibt dir Enkel mit der Väter Namen. + +Mutter. +Dein Bruder, Kind-- + +Vater (im Hintergrunde zum Sklaven). +Greif herzhaft immer zu! + +Mutter. +Dein Bruder, Kind, ist nicht mehr unter uns! + +Hero. +Wie, nicht? + +Mutter. Nach manchem herben Leid, +Den Eltern doppelt schwer, verließ er uns, +Verließ die Braut, die sein in Tränen dachte, +Und zog dahin mit gleichgesinnten Männern +Auf kühne Wagnis in entferntes Land. +Zu Schiff, zu Roß? Wer weiß? wer kann es wissen? + +Hero. +So ist er nicht mehr da? Nun doppelt gerne +Kehrt' ich mit dir nach Haus, seit kund mir solches. +Doch ist nicht er, sind da noch hundert andre, +Von gleichem Sinn und störrisch wildem Wesen. +Das ehrne Band der Roheit um die Stirn, +Je minder denkend, um so heft'ger wollend. +Gewohnt zu greifen mit der starren Hand +Ins stille Reich geordneter Gedanken, +Wo die Entschlüsse keimen, wachsen, reifen +Am milden Strahl des gottentsprungnen Lichts. +Hineinzugreifen da und zu zerstören, +Hier zu entwurzeln, dort zu treiben, fördern +Mit blindem Sinn und ungeschlachter Hand. +Und unter solchen wünschest du dein Kind? +Vielleicht wohl gar--? + +Mutter. Was soll ich dir's verhehlen? +Das Weib ist glücklich nur an Gattenhand. + +Hero. +Das darfst du sagen, ohne zu erröten? +Wie? und mußt hüten jenes Mannes Blick, +Des Herren, deines Gatten? Darfst nicht reden, +Mußt schweigen, flüstern, ob du gleich im Recht, +Ob du die Weisre gleich, stillwaltend Beßre? +Und wagst zu sprechen mir ein solches Wort? + +Vater (im Hintergrunde). +Die Mutter flattert auf. + +Mutter. O wehe, weh! +Sie haben mir mein frommes Kind entwendet, +Ihr Herz geraubt mit selbstisch eitlen Lehren, +Daß meiner nicht mehr denkend, harten Sinns, +Sie achtlos hört der Nahverwandten Worte! + +Hero (von ihr wegtretend). +Ich aber will mit heiterm Sinne wandeln +Hier an der Göttin Altar, meiner Frau. +Das Rechte tun, nicht weil man mir's befahl, +Nein, weil es recht, weil ich es so erkannt. +Und niemand soll mir's rauben und entziehn. + +(Mit starker Betonung.) + +Wahrhaftig! + +Der Sklave (der im Hintergrunde auf einem Schemmel +stehend, den Busch durchsucht, strauchelnd). +Ah! + +Hero (umschauend). Was ist? + +Mutter. So siehst du nicht? +Unschuldig fromme Vögel stören sie +Und nehmen aus ihr Nest. So reißen sie +Das Kind auch von der Mutter, Herz vom Herzen, +Und haben des ihr Spiel. O weh mir, weh! + +Hero. +Du zitterst, du bist bleich. + +Mutter. O seh ich doch +Mein eignes Los. + +Priester (zu dem Diener, der das Nest in ein Körbchen +gelegt, auf dem oben die brütende Taube sichtbar ist). +Geh nur und trag es fort! + +(Der Diener geht.) + +Hero. +Halt du' und setz es ab, wenn's jene kränkt. +Gib sag ich! + +(Sie hat dem Diener das Körbchen abgenommen.) + +Armes Tier, was zitterst du? +Sieh, Mutter, es ist heil. + +(Die Taube streichelnd.) + +Bist du erschrocken? + +(Sie setzt sich auf den Stufen der Bildsäule links im Vorgrunde +nieder, das Körbchen in den Händen; indem sie bald durch Emporheben +die Taube zum Fortfliegen anlockt, bald betrachtend und +untersuchend sich mit ihr beschäftigt.) + +Priester (zum Diener). +Was ist? Befahl ich nicht? + +(Der Diener weist entschuldigend auf Hero.) + +Priester (zu ihr tretend). Bist du so neu im Dienst, +Daß du nicht weißt was Brauches hier und Sitte? + +Mutter (rechts im Vorgrunde stehend). +Mein Herz vergeht. O jammervoller Anblick! + +Priester (zu ihr hinübersprechend). +Nun also denn zu dir. Schwachmütig Weib, +Was kommst du her, zu stören diese Stunde? +Und staunst ob dem was du doch längst gewußt, +Der heil'gen Ordnung dieses Götterhauses. +Kein Vogel baut beim Tempel hier sein Nest, +Nicht girren ungestraft im Hain die Tauben, +Die Rebe kriecht um Ulmen nicht hinan, +All was sich paart bleibt ferne diesem Hause, +Und jene dort fügt heut sich gleichem Los. + +Hero (die Taube streichelnd). +Du armes Tier, wie streiten sie um uns! + +Priester. +Scheint dir das schwer, und zitterst du darob? +Was willst du? soll sie heim? Komm hier, und nimm sie! +Was braucht die Göttin dein und deines Kinds? +Nicht ehrt man hier die ird'sche Aphrodite, +Die Mensch an Menschen knüpft wie Tier an Tier, +Die Himmlische, dem Meeresschaum entstiegen, +Einend den Sinn, allein die Sinne nicht, +Der Eintracht alles Wesens hohe Mutter, +Geschlechtlos, weil sie selber das Geschlecht, +Und himmlisch, weil sie stammt vom Himmel oben. +Was braucht die Göttin dein und deines Kinds? +Geh hin und bette sie in Niedrigkeit, +In der du selbst, dir selbst zur Qual, dich abmühst. +Sie sei die Magd des Knechtes der sie freit, +Statt hier auf lichter Bahn, nach eignem Ziel, +Die einz'ge sie des dürftigen Geschlechts, +Ein Selbst zu sein, ein Wesen, eine Welt. +Allein du willst es, sie ist frei, hier nimm sie! +Bist du die Mutter doch! Du, Hero, folge! +Die Torheit ruft. Folg ihr als Mensch, als Weib! + +Hero (aufstehend, zur Taube). +Da gilt es denn zu reden, kleines Ding! + +(Das Körbchen dem Diener gebend.) + +Du nimm's und trag es hin, und gib ihm Freiheit, +Die Freiheit wie das Tier sie kennt und wünscht. + +(Diener ab.) + +Du aber Ohm, schilt meine Mutter nicht, +Denn fromm ist ihre Meinung und sie liebt mich. +Uns andre laß nur schweigen, Stille, Gute! +Hat er doch recht und tut nur was ihm Pflicht. +Ich soll mit dir? Bleib du bei mir! O Mutter! +Wenn dich die Deinen quälen, komm zu mir. +Hier ist kein Krieg, hier schlägt man keine Wunden, +Die Göttin grollet nicht, und dieser Tempel +Sieht immerdar mich an mit gleichem Blick. +Kennst du das Glück des stillen Selbstbesitzes? +Du hast es nie gekannt; drum sei nicht neidisch! +Nein frohen Mutes folge mir zum Fest! +Heut stolz im Siegerschritt, und kommt der Morgen, +Einförmig still, den Wasserkrug zur Hand, +Beschäftigt, wie bisher, an den Altären; +Und fort so Tag um Tag. Willst du, so komm! +Sieh nur: sonst trag ich dich, denn ich bin stark. +Allein sie weicht. Sie lächelt. Siehst du Ohm? + +(Halblaut.) + +Gib nur das Zeichen nun. Du aber folge, +Die Zeit verrinnt, man rüstet schon das Fest. + +(Im Gehen, tändelnd.) + +Und siehst du erst den Schmuck, die reichen Kleider, +Und was man all mir Herrliches bereitet, +Du sollst wohl selbst-- + +(Ein paar Schritte voraus und dann zurückkehrend.) + +Und eile mir ein wenig! + +(Beide nach der rechten Seite ab.) + +Vater. +Nun Bruder aber rasch-- + +Priester. Rasch, und warum? +Was lange dauern soll sei lang erwogen. +Wüßt' ich sie schwach, noch jetzt entließ' ich sie. + +Vater. +Allein bedenk! + +Priester. Zugleich bedenk ich wirklich, +Daß heilsam feste Nötigung der Abschluß +Von jedem irdisch wankem, wirrem Tun. +Du wähltest ewig unter Möglichkeiten +Wär' nicht die Wirklichkeit als Grenzstein hingesetzt. +Die freie Wahl ist schwacher Toren Spielzeug. +Der Tücht'ge sieht in jedem Soll ein Muß +Und Zwang, als erste Pflicht, ist ihm die Wahrheit. + +(Zu den Dienern gewendet.) + +Das Fest beginnt. + +Naukleros' Stimme (hinter der Szene). +Hierher nur, hier! + +Priester. Was ist? + +Tempelhüter. +Zwei Fremdlinge, des langen Harrens müde, +Sie bahnen selbst durch Büsche sich den Weg. +- Kehrt ihr zurück?--Dieselben sind es, Herr, +Die heute morgens schon am Gittertor-- +Auch dort von rückwärts wächst des Volkes Drang, +Das murrend nur erträgt die Zögerung. + +Priester. +Weis jene dort zurück. + +(Der Tempelhüter nach der linken Seite ab.) + +Ihr andern öffnet + +(Zu mehreren Dienern, die nach und nach vom Hintergrunde her +eingetreten sind.) + +Die äußern Pforten nach dem Weg zur Stadt. + +(Zu seinem Bruder.) + +Gönn nur indes ein Wort des Danks den Göttern, +Die Nachruhm dir in deinem Kind erweckt. + +(Der Alte steht an seinem Stabe gegen den Tempel geneigt.) + +Laßt ein das Volk und haltet Ordnung, hört ihr? +Daß Roheit nicht die schöne Feier störe. +Auch über euch wacht sorglich, eben heut; +Die Lust hat ihren Tag, so wie die Sonne, +Doch auch wie jene einen Abend: Reue. + +Tempelhüter (hinter der Szene). +Nein, sag ich, nein. + +Naukleros (ebenso). +So hört doch, lieber Herr! + +Priester. Tut eure Pflicht, du Bruder aber komm! + +(Beide nach der rechten Seite ab.) + +Der Tempelhüter (auftretend). + +Hier steh ich, hier. Und wagst du's, kühner Knabe, +Und setzest über mich hin deinen Fuß? + +Naukleros (der gleichfalls sichtbar geworden ist). +Nicht über euch, doch, seht ihr, neben euch. +Und also bin ich hier. Leander komm! + +(Leander tritt auf.) + +Tempelhüter +O Jugendübermut! Ward euch nicht kund--? + +Naukleros. +Nichts ward uns kund; denn Fremde sind wir, Herr, +Und kommen von Abydos' naher Küste +Nach Sestos her, um euer Fest zu schaun. + +Tempelhüter. +Doch lehrt man Sittsamkeit nicht auch bei euch? + +Naukleros. +Wohl lehrt man sie, zugleich mit andern Sprüchen, +Als: sei nicht blöd! sonst kehrst du hungrig heim. + +Tempelhüter. +Ich aber-- + +Naukleros. Seht, indes ihr hier euch abmüht +Um uns, die zwei, strömt dort das Volk in Haufen. + +Tempelhüter. +Zurück da! Hört ihr wohl? + +(Er wendet sich nach dem Hintergrunde und ordnet das Volk, das von +der linken Seite, nahe den Stufen des Tempels, hereindringt.) + +Naukleros (zu Leander). Was zerrst du mich? +Wir sind nun einmal da. Wer wagt gewinnt. +Hier ist der beste Platz. Fest auf den Sockel +Setz ich den Fuß. Laß sehn, wer mich vertreibt. +Und sieh mir um nach all der Herrlichkeit! +Das Gotteshäuslein dort, das Tor, die Säulen; +So was erblickst du nimmermehr daheim. +Schau! einen Altar setzt man in die Mitte, +Wohl um zu opfern drauf.--Doch wornach schaust du? +Blickt er zu Boden nicht! Nu, bei den Göttern! +Befällt er hier dich auch, der alte Trübsinn? +Ich aber sage dir-- + +(Das Volk hat sich nach und nach, der linken Seite entlang, +geordnet, bis dahin wo die beiden Freunde stehen.) + +Naukleros (umschauend). Nun guter Freund, +Ihr drängt gar scharf. + +(Zu Leander.) + +Hörst du? ich sage dir: +Weißt du nicht heute abend klein und groß +Mir zu erzählen was sich hier begab, +Und trinkst nicht einen großen Becher Wein +Lautjubelnd drauf, sind wir geschiedne Leute. +Denn all der düstre Sinn--Allein, sieh dort! +Die beiden Mädchen. Schau! es sind dieselben +Die heute früh wir sahn am Gittertor. +Sie blinzeln her. Gefällt dir eine? Sprich! + +(Janthe und eine zweite Dienerin haben einen tragbaren Altar +gebracht und stellen ihn, rechts im Vorgrunde, vor der Bildsäule +Amors nieder.) + +Janthe (während des Zurechtstellens ihrer Gefährtin zuflüsternd). +Dort sind sie. Rechts der Blonde, Größere. +Der Braune scheint betrübt. Was fehlt ihm nur? + +Naukleros. +Absichtlich zögern sie. Hui, welch ein Blick! + +Tempelhüter (nach vorn kommend, zu den Mädchen). +Ei ja, und nun auch ihr! Das findet sich. + +(Die Mädchen gehen.) + +(Zu den Jünglingen.) + +Ihr scheint mir rasch zu allem was verwehrt. + +Naukleros. +Je, wie's nun kommt. Wer zweifelt, der verliert. + +(Man hat einen zweiten Altar gebracht, der links vor Hymenäus' +Bildsäule hingestellt wird. Ein dritter stand schon früher an den +Stufen in der Mitte.) + +Tempelhüter. +Ihr gebt nur Raum! Der Altar soll dort hin. + +Naukleros. +Hab ich erst Raum, so teil ich gerne mit. + +Tempelhüter. +Und seid nur sittig und vermeßt euch nichts. + +(Musik von Flöten beginnt.) + +Der Zug beginnt. Zurück! Laßt frei die Mitte! + +(Das Volk ordnend, das auf der linken Seite sich in Reihen stellt.) + +Naukleros. +Sie kommen, schau! Betrachte mir's mit Fleiß! +Und naht die Priesterin, streif an ihr Kleid, +Das soll den Trübsinn heilen, sagt man. Hörst du? + +(Unter Musik von Flöten kommt der Zug von der rechten Seite her auf +die Bühne. Opferknaben mit Gefäßen. Die Oberhäupter von Sestos. +Tempeldienerinnen, darunter Janthe. Priester. Hero mit Mantel und +Kopfbinde an der Seite ihres Oheims. Ihre Eltern folgen.) + +Gesang. +Mutter der Sterblichen, +Himmelsbewohnerin, +Neig uns ein günstiges, +Schirmendes Aug'! + +(Die Begleiter des Zuges stellen sich zur rechten Seite auf, den +Reihen des Volkes gegenüber. Der mittlere Teil der Bühne ist leer.) + +Die Priester (indem sie sich aufstellen). +Den Göttern Ehrfurcht! + +Das Volk (antwortend). Glück mit uns! + +Naukleros. +Dort kommt die Priesterin. Ein schönes Weib. +Komm, laß uns knien. Doch nein, vorher noch schau mir +Querüber hier dem Fußgestell nach rückwärts, +Wie sie die Weihen üben, was sie tun. + +Hero (im Hintergrunde, bei dem dort stehenden tragbaren Altare stehend. +Vor ihr knien zwei Opferknaben, Rauchwerk in reichen Gefäßen +haltend). +Ein neuer Sprößling deines alten Hauses. +Sei ihm geneigt, und mehr als er verdient. + +(Sie gießt Rauchwerk in die Flamme und geht dann nach vorn, der +Priester zu ihrer Linken, hinter ihm die Eltern. Der Tempelhüter +in einiger Entfernung.) + +Die Priester. +Den Göttern Ehrfurcht! + +Das Volk. Glück mit uns! + +Naukleros. +Sie kommen näher. Nun, Leander, knie! + +(Sie knien. Leander hart an der Bildsäule des Hymenäus, Naukleros +etwas zurück. Auch das übrige Volk kniet.) + +(Hero ist zu Amors Bildsäule gekommen und gießt Rauchwerk in die +Flamme des danebenstehenden Altars, der Priester ihr zur Seite.) + +Hero. +Der du die Liebe gibst, nimm all die meine. +Dich grüßend nehm ich Abschied auch von dir. + +(Sie entfernt sich.) + +Die Priester. +Den Göttern Ehrfurcht! + +Das Volk. Glück mit uns! + +Hero (an der Bildsäule des Hymenäus stehend). +Dein Bruder sendet mich-- + +Naukleros (leise zu Leander). Siehst du nicht auf? + +Leander (der gerade vor sich hin auf den Boden gesehen hat, hebt jetzt +das +Haupt empor). + +Priester. +Was ist? Du stockst. + +Hero. Herr, ich vergaß die Zange. + +Priester. +Du hältst sie in der Hand. + +Hero. Der du die Liebe-- + +Priester. +So hieß der erste Spruch. Laß nur! Zum Opfer! + +(Hero gießt Rauchwerk ins Feuer. Eine lebhaftere Flamme zuckt +empor) + +Zuviel!--Doch gut!--Nun noch zum Tempel! Komm! + +(Sie entfernen sich. In die Mitte der Bühne gekommen, sieht Hero, +als nach etwas Fehlendem an ihrem Schuh, über die rechte Schulter +zurück. Ihr Blick trifft dabei auf die beiden Jünglinge. Die +Eltern kommen ihr entgegen. Die Musik ertönt von neuem.) + +(Der Vorhang fällt.) + + + + + +Zweiter Aufzug + + +(Tempelhain zu Sestos. Auf der linken Seite nach rückwärts eine +Ruhebank von Gebüsch umgeben.) + +Naukleros (von der linken Seite auftretend). +Leander komm! und eile mir doch nur! + +Leander (der von derselben Seite sichtbar wird). +Hier bin ich, sieh! + +Naukleros. So rasch? Ei doch! Man denke! +Wie lange noch, sag an! führ ich, zur Strafe +Für ein Vergehn, derzeit noch unbekannt +Und unbegangen auch, dem Knaben gleich +Der seinen blinden Herrn die Straße leitet, +Ringsum dich durch der Menschen laute Städte, +Von Fest zu Fest, vom Markte zum Altar, +Den Ort ausforschend, der dir Frohsinn brächte? +Wie lang sitz ich, von Sprechen müd', dir gegenüber +Und forsch in deinem Aug', dem leid'gen Blick, +Ob's angeglommen, ob erwacht die Lust? +Und les ein ewig neues: nein, nein, nein! +Wenn deine Mutter starb, wer kann da helfen? +War's gut und recht, daß du, ein wackrer Sohn, +Und ihr, der Tiefbekümmerten zu Willen, +Am Strand des Meeres wohntest, fern der Stadt +Und Menschen fern, nur Kindespflichten übend; +Nun, da sie tot, was hält dich länger ab +Den Gleichen als ein Gleicher zu gehören +Mitfühlend ihre Sorgen, ihre Lust? +Wein um die Gute, rauf dein braunes Haar, +Allein dann kehre zu den Freuden wieder, +Die sie dir gönnt, die du ihr länger gönntest. +Sag ich nicht recht? und was ist deine Meinung? +Nun? + +Leander. Ich bin müd'. + +Naukleros. Ei ja, der großen Plage! +Den ganzen Tag, am fremden Ort, umgeben +Von fremden Menschen, fröhlichen Gesichtern, +Sich durchzuhelfen und zu schaun, zu hören, +Einmal zu sprechen gar. Ei, gute Götter, +Wer hielte das wohl aus? + +Leander (der sich gesetzt hat). Und krank dazu. + +Naukleros. +Krank? Sei du unbesorgt! Das gibt sich wohl. +Sei du erst heim in deiner dumpfen Hütte, +Vom Meer bespült, wo rings nur Sand und Wellen +Und trübe Wolken, die mit Regen dräun. +Hab erst das gute Kleid da von den Schultern, +Und umgehüllt dein derbes Schifferwams. +Dann sitz am Strand, den langen Tag verangelnd, +Tauch dich ins Meer, der Fische Neid im Schwimmen, +Lieg abends erst--so fand ich dich ja einst-- +Im Ruderkahn, das Antlitz über dir, +Des Körpers Last vertraut den breiten Schultern, +Indes das Fahrzeug auf den Wellen schaukelt; +So lieg gestreckt und schau mir nach den Sternen, +Und denk--an deine Mutter, die noch eben +Zur rechten Zeit dich, sterbend, frei gemacht; +An sie; an Geister, die dort oben wohnen; +An--denk ans Denken; denk vielmehr an nichts! +Sei nur erst dort; und Freund, was gilt die Wette? +Du fühlst dich wohl, fühlst wieder dich gesund. +Nun aber komm, denn fernab liegt die Heimat, +Die Zeit verrinnt, die Freunde kehren heim. + +Leander. +Es ist so schattig hier. Laß uns noch weilen! +Leicht findet sich ein Kahn. Ich rudre dich. + +Naukleros. +Ei rudern, ja! Wie glänzt ihm da das Auge! +Am Steuer sitzend, ausgestreckt die Hand, +Die prallen Arme vor und rückwärts führend, +Jetzt so, dann so, und fort auf feuchtem Pfad! +Da fühlst du dich ein Held, ein Gott, ein Mann; +Für andres mag man einen andern suchen. +Doch, schöner Freund, nicht nur ums Rudern bloß, +Hier frägt es sich um andre, ernstre Dinge. +Wir stehen, wiß es, auf verbotnem Grund, +Im Tempelhain, der jedem sich verschließt, +Als nur am Tag des Fests, von dem wir kehren. +Sonst streifen Wächter durch die grünen Büsche, +Die fahen jeden, den ihr Auge trifft, +Und stellen ihn dem Priester ihres Tempels, +Der ihn bestraft, leicht mit dem Äußersten. +Sprichst du? + +Leander. Ich sagte nichts. + +Naukleros. Drum also komm! +Um Mittag endet sie des Festes Freiheit +Und fast schon senkrecht trifft der Sonne Pfeil. +Mich lüstet nicht, ob deines trägen Zauderns, +Den Kerkern einzuwohnen dieser Stadt. +Hörst du?--Noch immer nicht!--Nun, gute Götter! +Kehrt euch von ihm, wie er von euch sich wendet! Da lehnt er, +weich, mit mattgesenkten Gliedern. +Ein Junge, schön, wenngleich nicht groß, und braun. +Die finstern Locken ringeln um die Stirn; +Das Auge, wenn's die Wimper nicht verwehrt, +Sprüht heiß wie Kohle, frisch nur angefacht; +Die Schultern weit; die Arme derb und tüchtig, +Von prallen Muskeln ründlich überragt; +Kein Amor mehr, doch Hymens treues Bild. +Die Mädchen sehn nach ihm; doch er--Ihr Götter! +Wo blieb die Seele für so art'gen Leib? +Er ist--wie nenn ich's--furchtsam, töricht, blöd! +Ich bin doch auch ein rüstiger Gesell, +Mein gelbes Haar gilt mehr als noch so dunkles, +Und, statt der Inderfarbe die ihn bräunt, +Lacht helles Weiß um diese derben Knochen, +Bin größer, wie's dem Meister wohl geziemt. +Und doch, gehn wir zusammen unters Volk, +In Mädchenkreis, beim Fest, bei Spiel, bei Tanz; +Mich trifft kein Aug', und ihn verschlingen sie. +Das winkt, das nickt, das lacht, das schielt, das kichert. +Und ihm gilt's, ihm. Sie sind nun mal vernarrt +In derlei dumpfe Träumer, blöde Schlucker. +Er aber--Ei, er merkt nun eben nichts. +Und merkt er's endlich: Hei, was wird er rot! +Sag, guter Freund, ist das nur Zufall bloß, +Wie, oder weißt du, daß du zehnmal hübscher +Mit solcher Erdbeerfarbe auf den Wangen? +Nur heut im Tempel. Gute Götter, war's nicht, +Als ob die Erde aller Wesen Fülle +Zurückgeschlungen in den reichen Schoß +Und Mädchen draus gebildet, nichts als Mädchen? +Aus Thrazien, dem reichen Hellespont +Vermengten sich die Scharen; bunte Blumen, +So Ros' als Nelke, Tulpe, Veilchen, Lilie, +- Ein Gänseblümchen auch wohl ab und zu-- +Im ganzen ein begeisternd froher Anblick: +Ein wallend Meer, mit Häuptern, weißen Schultern +Und runden Hüften an der Wellen Statt. +Nun frag' ihn aber einer, was er sah, +Ob's Mädchen waren oder wilde Schwäne; +Er weiß es nicht, er ging nur eben hin. +Und doch war er's, nach dem sie alle blickten. +Die Priestrin selbst. Ein herrlich prangend Weib! +Die besser tat, am heutigen frohen Tag +Der Liebe Treu' zu schwören ewiglich, +Als ihr sich zu entziehn, so arm als karg. +Der Anmut holder Zögling und der Hoheit. +Des Adlers Aug', der Taube süßes Girren, +Die Stirn so ernst, der Mund ein holdes Lächeln, +Fast anzuschauen wie ein fürstlich Kind, +Dem man die Krone aufgesetzt, noch in der Wiege. +Und dann; was Schönheit sei, das frag du mich. +Was weißt du von des Nackens stolzem Bau, +Der breit sich anschließt reichgewundnen Flechten; +Den Schultern, die beschämt nach rückwärts sinkend, +Platz räumen den begabtern, reichen Schwestern, +Den feinen Knöcheln und dem leichten Fuß, +Und all den Schätzen so beglückten Leibes? +Was weißt du? sag ich, und du sahst es nicht. +Doch sie sah dich. Ich hab es wohl bemerkt. +Wie wir da knieten, rückwärts ich, du vorn, +Am Standbild Hymens, des gewalt'gen Gottes, +Und sie nun kam, des Opferrauchs zu streun. +Da stockte sie, die Hand hing in der Luft; +Nach dir hinschauend stand sie zögernd da, +Ein, zwei, drei kurze, ew'ge Augenblicke. +Zuletzt vollbrachte sie ihr heilig Werk. +Allein noch scheidend sprach ein tiefer Blick, +Im herben Widerspruch des frost'gen Tages, +Der sie auf ewiglich verschließt der Liebe: +"Es ist doch schad'" und: "Den da möcht' ich wohl!" Gelt, lächelst +doch? und schmeichelt dir, du Schlucker. +Verbirgst du dein Gesicht? Fort mit den Fingern! +Und heuchle nicht, und sag nur: ja. + +(Er hat ihm die Hand von den Augen weggezogen.) + +Doch, Götter! +Das sind ja Tränen. Wie? Leander! Weinst? + +Leander (der aufgestanden ist). +Laß mich und quäl mich nicht! Und sprich nicht ohne Achtung +Von ihrem Hals und Wuchs.--O ich bin dreifach elend! + +Naukleros. +Leander! elend? Glücklich! Bist verliebt. + +Leander. +Was sprachst du? Ich bin krank. Es schmerzt die Brust. +Nicht etwa innerlich. Von außen. Hier! +Hart an den Knochen. Ich bin krank, zum Tod. + +Naukleros. +Ein Tor bist du, doch ein beglückter Tor! +Nun, Götter, Dank, daß ihr ihn heimgesucht! +Nun schont ihn nicht mit euern heißen Pfeilen, +Bis er mir ruft: Halt ein! es ist genug; +Ich will erdulden was die Menschen leiden! +Nun Freund, gib mir die Hand! Nun erst mein Freund; +Zu spät bekehrt durch allzu süße Wonnen. +Du Neugeborner, Glücklicher!--Doch halt! +Ein garstiger Fleck auf unsers Jubels Kleide.-- +Komm mit zurück zur Stadt! dort sind die Mädchen, +Die wir beim Fest gesehn, noch all versammelt. +Dort sieh dich um, verlieb dich wie du magst. +Denn Freund, die Jungfrau, die dich jetzt erfüllt, +Ist Priesterin und hat an diesem Tag +Gelobt dem Manne sich auf ewig zu entziehn. +Und streng ist was ihr droht, wenn sie's vergaß, +Und was dem Manne, der's mit ihr vergessen. + +Leander. +Ich wußt' es ja. Komm Nacht! Und so ist's aus. + +Naukleros. +Aus? Wieder aus? Und eh' es noch begann? +Warum und wie? Friedfertiger Gesell, +Wagst du so wenig an die höchste Wonne? +Und sagst mir das mit zuckend fahlen Wangen +Und schlotterndem Gebein, und meinst ich glaub's? +Nun sollst du bleiben. Hier! Und sollst sie sprechen. +Wer weiß ist ihr Gelübd' so eng und fest +Und läßt sich lösen, folgt alsbald die Reue; +Wer weiß ist deine Liebe selbst so heiß, +Als jetzt sie scheint. Doch was es immer sei: +Du sollst nicht zagen, wo zu handeln not. +Zum mindsten kenne dein Geschick, und trag's, +Und lerne scheiden von den Knabenjahren. +Wir sind hier fremd. Komm mit! Wer darf uns tadeln, +Wenn wir des Wegs verfehlen, fragen, gehn? +Zuletzt gelangen wir ins Haus, zum Tempel, +Und stehn vor ihr, und hören was sie spricht. +Dort kommt ein Mädchen mit dem Wasserkrug +In ein und andrer Hand. Die laß uns fragen. +Sie weiß wohl-- +Doch! Leander! Sohn des Glücks! +Was zerrst du mich? Bleib hier! Sie selber ist's, +Die Jungfrau, sie, die neue Priesterin. +Nach Wasser geht sie aus der heiligen Quelle, +Das liegt ihr ob. Ergreif den Augenblick +Und sprich! Nicht allzukühn, nicht furchtsam. Hörst du? +Ich will indes rings forschen durch die Büsche, +Ob alles ruhig, und kein Lauscher nah. +Komm hier! Und sag ich: jetzt! so tritt hervor +Und sprich.--Doch nun vor allem still.--Komm hier! + +(Sie ziehen sich zurück.) + +Hero (ohne Mantel, ungefähr wie zu Anfang des ersten Aufzuges +gekleidet, +kommt mit zwei leeren Wasserkrügen von der linken Seite des +Vorgrundes. Sie geht quer aber die Bühne und singt). +Da sprach der Gott: +Komm her zu mir, +In meine Wolken, +Neben mir. + +(Leander ist, von Naukleros leicht angestoßen, einige Schritte +vorgetreten. Dort bleibt er, gesenkten Hauptes, stehen.) + +(Hero geht auf der rechten Seite des Vorgrundes ab.) + +Naukleros (nach vorn kommend). +Nun denn, es sei! Du hast es selbst gewollt. +Kannst du das Glück nicht fassen und erringen, +So lern entbehren es. Und besser ist's. +Heißt sie nicht gottgeweiht? und ihr zu nahn +Droht Untergang. Auch war's halb Scherz nur, +Daß ich dir riet ein Äußerstes zu tun. +Doch macht mich's toll, den Menschen anzusehn, +Der wünscht und hofft, und dem nicht Muts genug, +Die Hand zu strecken nach des Sieges Krone. +Doch ist es besser so. Glück auf, mein Freund! +Dein zaghaft Herz, es führte diesmal sichrer, +Als Nestors Klugheit und Achillens Mut. +Nun aber komm und laß uns heim. Doch niemals +Vermiß dich mehr-- + +Leander. Sie kehrt zurück. + +Naukleros. Ei doch! +Folg du! + +Leander. Ich nicht. + +Naukleros. Was sonst? + +Leander. Ihr nahen. Sprechen. Oh! + +(Sie treten wieder zurück.) + +Hero (kommt zurück, einen Krug auf dem Kopfe tragend, den zweiten am +Henkel in der herabhängenden rechten Hand). + +(Sie singt.) + +Sie aber streichelt +Den weichen Flaum. + +(Stehenbleibend und sprechend.) + +Mein Oheim meint ich soll das Lied nicht singen +Von Leda und dem Schwan. + +(Weitergehend.) + +Was schadet's nur? + +(Wie sie in die Mitte der Bühne gekommen, stürzt Leander plötzlich +hervor, sich, gesenkten Hauptes, vor ihren Füßen niederwerfend.) + +Hero. +Ihr Götter, was ist das? Bin ich erschrocken! +Die Kniee beben, kaum halt ich den Krug. + +(Sie setzt die Krüge ab.) + +Ein Mann. Ein zweiter. Fremdlinge was wollt ihr +Von mir, der Priestrin, in der Göttin Hain? +Nicht unbewacht bin ich und unbeschützt. +Erheb ich meine Stimme, nahen Wächter +Und lassen euch den Übermut bereun. +So geht weil es noch Zeit, und nehmt als Strafe +Bewußtsein mit, und daß es euch mißlang. + +Naukleros. +O Jungfrau, nicht zu schäd'gen kamen wir, +Vielmehr um Heilung tiefverborgnen Schadens, +Der mir den Freund ergriff, ihn, den du siehst. +Der Mann ist krank. + +Hero. Was sagst du mir's? +Geht zu den Priestern in Apollens Tempel, +Die heilen Kranke. + +Naukleros. Solche Krankheit nicht. +Denn wie sie ihn befiel, beim Fest, in eurem Tempel, +Verläßt sie ihn auch nur am selben Ort. + +Hero. +Beim heut'gen Fest? + +Naukleros. Beim Fest. Aus deinen Augen. + +Hero. +Meint ihr es also, und erkühnt euch des? +Doch wußt' ich's ja: frech ist der Menge Sinn, +Und ehrfurchtslos, und ohne Scheu und Sitte. +Ich geh, und dienstbar nahe Männer send ich +Nach meinen Krügen dort, die, weilt ihr noch, +Euch sagen werden, daß ihr euch vergingt. + +Naukleros. +Nicht also geh! Betracht ihn erst den Jüngling, +Den du so schwer mit harten Worten schiltst. + +Leander (zu ihr emporblickend). +O bleib! + +Hero. Du bist derselbe, seh ich wohl, +Der heut beim Fest an Hymens Altar kniete. +Doch schienst du damals sittig mir und fromm, +Mir tut es leid, daß ich dich anders finde. + +Leander (der aufgestanden ist, mit abhaltender Gebärde). +O anders nicht! O bleib! + +Hero (zu Naukleros). Was will er denn? + +Naukleros. +Ich sagt' es ja: er hängt an deinem Blick, +Und Tod und Leben sind ihm deine Worte. + +Hero. +Du hast dich schlimm beraten, guter Jüngling, +Und nicht die richt'gen Pfade ging dein Herz. +Denn deut ich deine Meinung noch so mild, +So scheint es, daß du mein mit Neigung denkst. +Ich aber bin der Göttin Priesterin, +Und ehelos zu sein heißt mein Gelübd'. +Auch nicht gefahrlos ist's um mich zu frein, +Dem drohet Tod, der des sich unterwunden. +Drum laßt mir meinen Krug und geht nur fort; +Mich sollt' es reun, wenn Übles ihr erführt. + +(Sie greift nach den Krügen.) + +Leander. +Nun denn, so senkt in Meersgrund mich hinab! + +Hero. +Du armer Mann, du dauerst mich, wie sehr. + +Naukleros. +Bei Mitleid nicht, o Priestrin, bleibe stehn! +Sei hilfreich ihm, dem Jüngling, der dich liebt. + +Hero. +Was kann ich tun? Du weißt ja alles nun. + +Naukleros. +So gib ein Wort ihm mindstens, das ihn heilt. +Komm hier! Die Büsche halten ab des Spähers Auge. +Ich setze dir in Schatten deinen Krug; +Und so komm her und gönn uns nur ein Wort. +Willst du nicht sitzen hier? + +Hero. Es ziemt sich nicht. + +Naukleros. +Tu's aus Erbarmen mit des Jünglings Leiden! + +Hero (zu Leander). +So setz dich auch! + +Naukleros. Ja hier. Und du zur Seite. + +(Leander sitzt in der Mitte, den Leib an einen Baumstamm +zurückgelehnt, die Hände im Schoß, gerade vor sich niedersehend. +Hero und Naukleros zu beiden Seiten, etwas vorgerückt, so daß sie +sich wechselseitig im Auge haben.) + +Hero (zu Naukleros). +Ich sagt' es schon und wiederhol es nun: +Niemand der lebt begehr' um mich zu werben, +Denn gattenlos zu sein heißt mich mein Dienst. +Noch gestern, wenn ihr kamt, da war ich frei, +Doch heut versprach ich's, und ich halt es auch. + +(Zu Leander.) + +Birg nicht das Aug' in deine Hand, o Jüngling! +Nein, frischen Mutes geh aus diesem Hain. +Gönn einem andern Weibe deinen Blick, +Und freu dich dessen, was uns hier versagt. + +Leander (aufspringend). +So möge denn die Erde mich verschlingen, +Sich mir verschließen all was schön und gut, +Wenn je ein andres Weib und ihre Liebe-- + +Hero (zu Naukleros). +Sag ihm, er soll es nicht. Was nützt es ihm? +Was nützt es mir? Wer mag sich selber quälen? +Er ist so schön, so jugendlich, so gut, +Ich gönn ihm jede Freude, jedes Glück. +Er kehre heim-- + +Leander. Ich heim? Hier will ich wurzeln, +Mit diesen Bäumen stehen Tag und Nacht +Und immer schaun nach jenes Tempels Zinnen. + +Hero. +Des Ortes Wächter fangen, schäd'gen ihn. +Sag ihm's!-- + +(Zu Leander.) + +Und, guter Jüngling, kehrst du heim, +So laß des Lebens Müh' und buntes Treiben +So viel verwischen dir als allzuviel, +Das andere bewahr! So will ich auch. +Und kehrt ums Jahr und jedes nächste Jahr +Zurück das heut'ge Fest, so komm du wieder. +Stell dich im Tempel, daß ich dich mag sehn. +Mich soll es freun, wenn ich dich ruhig finde. + +Leander (zu ihren Füßen stürzend). +O himmlisch Weib! + +Hero. Nicht so. Das ziemt uns nicht. +Und sieh! Mein Oheim kommt. Er wird mich schelten, +Und zwar mit Recht, warum gab ich euch nach. + +Naukleros. +Nimm deinen Krug und laß daraus mich trinken, +Am besten deutet so sich unser Tun. + +Leander (ihn wegstoßend). +Nicht du; ich, ich! + +Hero (ihm den Krug hinhaltend, aus dem er kniend trinkt). +So trink! und jeder Tropfen +Sei Trost, und all dies Naß bedeute Glück. + +(Der Priester kommt.) + +Priester. +Was schaffst du dort? + +Hero. Sieh nur, ein kranker Mann! + +Priester. +Nicht deines Amtes ist der Kranken Heilung. +Sie mögen gehen in Apollens Tempel, +Dort heilt der Priester Schar. + +Hero. So sagt' ich auch. + +Priester. +Allein vor allem, ob nun krank, gesund +Der Göttin Hain, der Priesterwohnung Nähe +Betritt kein Mann, kein Fremder ungestraft. +Entlaß ich euch, verdankt es meiner Huld. +Ein zweites Mal verfielt ihr dem Gesetz. + +Naukleros. +Doch sah ich erst nur viele dort versammelt +Im Tempel und im Hain, so Mann als Frauen. + +Priester. +Die Zeit des Fests gibt solchem Einlaß Raum, +Vom Morgen bis zum Mittag währt die Freiheit. + +Naukleros. +Nun denn, die Sonne steht noch nicht so hoch; +Sie brennt und blitzt, doch lange nicht im Scheitel. + +Priester. Des sei du froh und nütze diese Frist. +Denn wenn die Sonn' auf ihres Wandels Zinne +Mit durst'gen Zügen auf die Schatten trinkt, +Dann tönen her vom Tempel krumme Hörner +Dem Feste Schluß, dir kündigend Gefahr. +Auch seid ihr aus Abydos sagt man mir, +Und wenig wohlgesinnt das Volk uns jener Stadt. +Beim Fischzug, und wo irgend sonst im Meer +Erhebt es Streit mit Sestos' frommen Bürgern. +Auch das bedenkt, und daß der oft Gekränkte +Sich doppelt rächt, wenn lang er es verschob. + +Naukleros. +Ich aber denke: Mann, Herr, gegen Mann! +So hielt ich's gegen Sestos' frommes Volk. +Auch: stellen sie uns nach auf diesen Küsten, +Wir zahlen's ihnen jenseits, dort, bei uns. + +Priester. +Nicht ziemt es mir, dir Wort zu stehn und Rede. +Was not tut ward gesagt, von anderm schweig! + +(Zu Hero.) + +Du aber nimm den Krug und komm! + +(Da die Jünglinge ihr helfen wollen.) + +Laß nur! +Dort gehen Dienerinnen. + +(Er winkt nach links in die Szene.) + +Und so folg! +Im Tempel harrt noch mancherlei zu tun. + +(Hero an der Hand führend, nach der linken Seite ab.) + +Janthe (die indessen gekommen ist). +Was habt ihr angerichtet, schöne Fremde? +Ich sah euch wohl von fern. Nun aber eilt! +Wer hieß euch auch mit euerm raschen Werben +Der Priestrin nahn, die schon dem Dienst geweiht? +Wär' ich ein Mann, ich suchte gleich für gleich. + +(Mit den Krügen ab.) + +Naukleros (dem Priester nachsprechend). +Selbstsücht'ger, Eigenmächt'ger, Strenger, Herber! +So schließest du die holde Schönheit ein, +Entziehst der Welt das Glück der warmen Strahlen +Und schmückst mit heil'gem Vorwand deine Tat? +Seit wann sind Götter neidisch mißgesinnt? +Daheim auch ehrt man Himmlische, bei uns; +Doch heiter tritt Zeus' Priester unters Volk, +Umgeben von der Seinen frohen Scharen, +Und segnet andre, ein Gesegneter. +Ihr aber habt's ererbt von Morgen her, +Den schnöden Dienst mißgünst'ger Indusknechte +Und hüllet euch in Greuel und in Nacht. +Doch ist's nun so. Drum komm, Unglücklicher! + +Leander. +Unglücklich! Meinst du mich? + +Naukleros. Wen sonst?--Nun, mindstens +Genügsam denn! Komm mit! + +Leander. Hier bin ich. + +Naukleros. Wie? +Betrachtest dir nicht einmal noch den Ort, +Von dem du nun auf immer-- + +Leander. Immer? + +Naukleros. Nicht? +So wolltest du--? Wie meinst du das? Sag an! + +Leander. +Horch! Tönt das Zeichen nicht? Wir müssen fort! + +Naukleros. +Rückhält'ger, was verbirgst du deinen Sinn? +Du willst doch nicht an diesen Ort zurück, +Wo Kerker, Unheil, Tod-- + +Leander. Fürwahr, das Zeichen! +Die Freunde kehren heim. Komm, laß uns mit! +Mein Leben sei nur ärmlich, sprachst du selbst; +Wenn's nun so wenig, gäb' ich's nicht um viel? +Was noch geschieht; wer weiß es?--Und wer sagt's? + +(Schnell ab.) + +Naukleros. +Leander! Höre doch!--Befasse sich nur eins +Mit derlei frost'gen Jungen! Frostig? Ei, +Das Beispiel lehrt's. Doch will ich dich wohl hüten! +Und kehrst du mir zurück, eh' ich's gebilligt, +Soll man--So warte doch!--Hörst du?--Leander! + +(Unter Händewinken und Gebärden des Zurückhaltens ihm folgend.) + +(Der Vorhang fällt.) + + + + + +Dritter Aufzug + + +(Gemach im Innern von Heros Turm. Auf der rechten Seite des +Hintergrundes in einer weiten Brüstung das hoch angebrachte +Bogenfenster, zu dem einige breite Stufen emporführen. Daneben ein +hohes Lampengestell. Gegen die linke Seite des Hintergrundes die +schmale Türe des Haupteinganges. Eine zweite, durch einen Vorhang +geschlossene Tür auf der rechten Seite des Mittelgrundes. Auf +derselben Seite nach vorn ein Tisch, daneben ein Stuhl mit niedrer +Rücklehne.) + +(Nach dem Aufziehen des Vorhanges kommt ein Diener, hoch in der +Hand eine Lampe tragend, die er auf den Kandelaber stellt und dann +geht.) + +(Unmittelbar hinter ihm der Oberpriester mit Hero. Sie hat den +Mantel um die Schultern wie zu Ende des ersten Aufzuges.) + +Priester. +Des Dienstes heil'ge Pflichten sind vollbracht, +Der Abend sinkt; so komm denn in dein Haus, +Von heut an dein, der Priestrin stille Wohnung. + +Hero (um sich blickend). +Hier also, hier! + +Priester. So ist's. Und wie der Turm, +In dessen Innern sich dein Wohnsitz wölbt, +Am Ufer steht des Meers, getrennt, allein, +Durch Gänge nur mit unserm Haus verbunden-- +Auf festen Mauern senkt er sich hinab, +Bis wo die See an seinen Füßen brandet, +Indes sein Haupt die Wolken Nachbar nennt, +Weit schauend über Meer und Luft und Land-- +So wirst du fürder stehn, getrennt, vereint, +Den Menschen wie den Himmlischen verbündet; +Dein selber Herr und somit auch der andern, +Ein doppel-lebend, auserkornes Wesen, +Und glücklich sein. + +Hero. Hier, also hier! + +Priester. Sie haben, +Ich seh es, die Geräte dir versammelt, +Mit denen man der Priester Wohnung schmückt. +Hier Rollen reich mit weisem Wort beschrieben, +Dort Brett und Griffel, haltend Selbst-gedachtes. +Dies Saitenspiel sogar, ein altes Erbstück +Von deines Vaters Schwester und der meinen, +Einst Priesterin wie du an diesem Ort. +An Blumen fehlt es nicht. Hier liegt der Kranz, +Den du getragen bei der heut'gen Weihe. +Du findest alles was den Sinn erhebt, +Nicht Wünsche weckt und Wünsche doch befriedigt, +Den Göttern dienend, ihnen ähnlich macht. + +(Auf die Seitentüre zeigend.) + +Dies andere Gemach, es birgt dein Lager. +Dasselbe das die Kommende empfing +Am ersten Tag, vor sieben langen Jahren. +Das wachsen dich gesehn und reifen, blühn, +Und weise werden, still und fromm und gut. +Dasselbe das um rotgeschlafne Wangen +Die Träume spielen sah von einem Glück, +Das nun verwirklicht--doch du träumst auch jetzt. + +Hero. +Ich höre guter Ohm. + +Priester. Gesteh ich dir's? +Ich dachte dich erfreuter mir am Abend +Des sel'gen Tags, der unser Wünschen krönt. +Was wir gestrebt, gehofft, du hast, du bist es; +Und statt entzückt, find ich dich stumm und kalt. + +Hero. +Du weißt, mein Ohm, wir sind nicht immer Herr +Von Stimmungen, die kommen, wandeln, gehn, +Sich selbst erzeugend und von nichts gefolgt. +Das Höchste, Schönste, wenn es nun erscheint, +Indem es anders kommt, als wir's gedacht, +Erschreckt beinah, wie alles Große schreckt. +Doch gönne mir nur eine Nacht der Ruh', +Des Sinnens, der Erholung, und, mein Ohm, +Du wirst mich finden, die du sonst gekannt. +Der Ort ist still, die Lüfte atmen kaum; +Hier ebben leichter der Gedanken Wogen, +Der Störung Kreise fliehn dem Ufer zu, +Und Sammlung wird mir werden, glaube mir. + +Priester. +Sammlung? Mein Kind, sprach das der Zufall bloß? +Wie, oder fühltest du des Wortes Inhalt, +Das du gesprochen, Wonne meinem Ohr? +Du hast genannt den mächt'gen Weltenhebel +Der alles Große tausendfach erhöht, +Und selbst das Kleine näher rückt den Sternen. +Des Helden Tat, des Sängers heilig Lied, +Des Sehers Schaun, der Gottheit Spur und Walten, +Die Sammlung hat's getan und hat's erkannt, +Und die Zerstreuung nur verkennt's und spottet. +Spricht's so in dir? Dann, Kind, Glück auf! +Dann wirst du wandeln hier, ein selig Wesen. +Des Staubes Wünsche weichen scheu zurück; +Und wie der Mann, der abends blickt gen Himmel, +Im Zwielicht noch, und nichts ersieht als Grau, +Farbloses Grau, nicht Nacht und nicht erleuchtet; +Doch schauend unverwandt, blinkt dort ein Stern +Und dort ein zweiter, dritter, hundert, tausend, +Die Ahnung einer reichen, gotterhellten Nacht, +Ihm nieder in die feuchten, sel'gen Augen. +Gestalten bilden sich und Nebel schwinden, +Der Hintergrund der Wesen tut sich auf, +Und Götterstimmen, halb aus eigner Brust +Und halb aus Höhn, die noch kein Blick ermaß-- + +Hero. +Du weißt, mein Ohm, nicht also kühnen Flugs +Erhebt sich mir der Geist. So viel nicht hoffe! +Allein was not, und was mir auferlegt, +Gedenk ich wohl zu tun. Des sei gewiß. + +Priester. +Wohlan auch das. Ist's gleich nicht gut und recht, +Beim Anfang einer Bahn das Ziel so nah, +So ärmlich nahe sich das Ziel zu setzen. +Doch sei's, für jetzt. Nur noch dies eine merk: +Bei allem was dir bringt die Flucht der Tage, +Den ersten Anlaß meid! Wer taten-kräftig +Ins rege Leben stürzt, wo Mensch den Menschen drängt, +Er mag Gefahr mit blankem Schwerte suchen, +Je härtrer Kampf, so rühmlicher der Sieg. +Doch wessen Streben auf das Innre führt, +Wo Ganzheit nur des Wirkens Fülle fördert, +Der halte fern vom Streite seinen Sinn, +Denn ohne Wunde kehrt man nicht zurück, +Die noch als Narbe mahnt in trüben Tagen. +Der Strom, der Schiffe trägt und Wiesen wässert, +Er mag durch Felsen sich und Klippen drängen, +Vermischen sich mit seiner Ufer Grund, +Er fördert, nützt, ob klar, ob trüb verbreitet: +Allein der Quell, der Mond und Sterne spiegelt, +Zu dem der Pilger naht mit durst'gem Mund, +Die Priesterin, zu sprengen am Altar; +Der wahre rein die ewig lautern Wellen, +Und nur bewegt, ist ihm auch schon getrübt. Und so schlaf wohl! +Bedarfst du irgend Rat, +Such ihn bei mir, bei deinem zweiten Vater. +Doch stießest du des Freundes Rat zurück, +Du fändest auch in mir den Mann, der willig, +Das eigne Blut aus diesen Adern gösse, + +(Mit ausgestrecktem Arm.) + +Wüßt' er nur einen Tropfen in der Mischung, +Der Unrecht birgt und Unerlaubtes hegt. + +(Er geht nach der Mitteltüre.) + +Hero (nach einer Pause). +Ich merke wohl, der Vorfall in dem Hain +Mit jenen Fremden hat mir ihn verstimmt. +Und, wahrlich, er hat recht. Gesteh ich's nur! +Wenn ich nicht Hero war, nicht Priesterin, +Den Himmlischen zu frommen Dienst geweiht, +Der Jüngere, der Braungelockte, Kleinre, +Vielleicht gefiel er mir.--Vielleicht?--Je nun! +Ich weiß nunmehr, daß, was sie Neigung nennen, +Ein Wirkliches, ein zu Vermeidendes, +Und meiden will ich's wohl.--Ihr guten Götter! +Wie vieles lehrt ein Tag, und ach, wie wenig +Gibt und vergißt ein Jahr.--Nun, er ist fern, +Im ganzen Leben seh ich kaum ihn wieder, +Und so ist's abgetan.--Wohl gut! + +(Sie nimmt den Mantel ab.) + +Hier liege du! Mit wie verschiednem Sinn, +Nahm morgens ich, leg ich dich abends hin. +Ein Leben hüllst du ein in deine Falten. +Bewahre was du weißt, ich leg es ab mit dir. Doch was beginnen +nun? Ich kann nicht schlafen. + +(Die Lampe ergreifend und in die Höhe haltend.) + +Beseh ich mir den Ort?--Wie weit!--wie leer! +Genug werd ich dich schaun manch langes Jahr, +Gern spar ich was du beutst für künft'ge Neugier. +Horch!--Es war nichts.--Allein, allein, allein! + +(Sie hat die Lampe seitwärts aufs Fenster gestellt und steht dabei.) + +Wie ruhig ist die Nacht! Der Hellespont +Läßt Kindern gleich die frommen Wellen spielen; +Sie flüstern kaum, so still sind sie vergnügt. +Kein Laut, kein Schimmer rings. Nur meine Lampe +Wirft bleiche Lichter durch die dunkle Luft. +Laß mich dich rücken hier an diese Stäbe! +Der späte Wanderer erquicke sich +An dem Gedanken, daß noch jemand wacht, +Und bis zu fernen Ufern jenseits hin +Sei du ein Stern und strahle durch die Nacht. Doch würdest du +bemerkt. Drum komm nur schlafen, +Du bleiche Freundin mit dem stillen Licht. + +(Sie trägt die Lampe.) + +Und wie ich lösche deinen sanften Strahl, +So möge löschen auch was hier noch flimmert, +Und nie mehr zünd' es neu ein neuer Abend an. + +(Sie hat die Lampe auf den Tisch gesetzt.) + +So spät noch wach?--Ei Mutter, bitte, bitte! +Nein, Kinder schlafen früh!--Nun denn, es sei! + +(Sie nimmt das Geschmeide aus dem Haar und singt dabei mit halber +Stimme.) + +Und Leda streichelt +Den weichen Flaum. Das ew'ge Lied! Wie kommt's mir nur in Sinn? +Nicht Götter steigen mehr zu wüsten Türmen, +Kein Schwan, kein Adler bringt Verlaßnen Trost. +Die Einsamkeit bleibt einsam und sie selbst. + +(Sie hat sich gesetzt.) + +Auch eine Leier legten sie hierher. +Ich habe nie gelernt darauf zu spielen. +Ich wollte wohl, ich hätt's!--Gedanken, bunt +Und wirr durchkreuzen meinen Sinn, +In Tönen lösten leichter sie sich auf. Ja denn, du schöner +Jüngling, still und fromm! +Ich denke dein in dieser späten Stunde, +Und mit so glatt verbreitetem Gefühl, +Daß kein Vergehn sich birgt in seine Falten. +Ich will dir wohl, erfreut doch, daß du fern; +Und reichte meine Stimme bis zu dir, +Ich riefe grüßend: Gute Nacht! + +Leander (im Hintergrunde von außen am Fenster erscheinend). +Gut Nacht! + +Hero. +Ha, was ist das?--Bist, Echo, du's, die spricht? +Suchst du mich heim in meiner Einsamkeit? +Sei mir gegrüßt, o schöne Nymphe! + +Leander. Nymphe, +Sei mir gegrüßt! + +Hero. Das ist kein Widerhall! +Ein Haupt!--Zwei Arme!--Ha, ein Mann im Fenster! +Er hebt sich, kommt! Schon kniet er in der Brüstung. +Zurück! Du bist verloren, wenn ich rufe. + +Leander. +Nur einen Augenblick vergönne mir! +Die Steine bröckeln unter meinen Füßen; +Erlaubst du nicht, so stürz ich wohl hinab. +Ein Weilchen nur, dann klimm ich gern zurück. + +(Er läßt sich ins Gemach herein.) + +Hero. +Dort steh und reg dich nicht!--Unsel'ger, +Was führte dich hierher? + +Leander (im Hintergrunde nahe beim Eingange stehenbleibend). +Ich sah dein Licht +Mit hellem Glanze strahlen durch die Nacht. +Auch hier war's Nacht und sehnte sich nach Licht. +Da klomm ich denn herauf. + +Hero. Wer dein Genosse? +Wer hielt die Leiter dir, bot Arm und Hilfe? + +Leander. +Nicht Leiter führte mich, noch äußre Hilfe. +Den Fuß setzt' ich in lockrer Steine Fugen, +An Ginst und Efeu hielt sich meine Hand. +So kam ich her. + +Hero. Und wenn du, gleitend, stürztest? + +Leander. +So war mir wohl. + +Hero. Und wenn man dich erblickt? + +Leander. +Man hat wohl nicht. + +Hero. Des heil'gen Ortes Hüter +Die Wache gehen sie zu dieser Zeit. +Unseliger! Ward dir denn nicht geboten, +Bat ich nicht selbst? du solltest kehren heim. + +Leander. +Ich war daheim, doch ließ mir's keine Ruh'; +Da warf ich mich ins Meer und schwamm herüber. + +Hero. +Wie? Von Abydos' weitentlegner Küste? +Zwei Ruderer ermüdeten der Fahrt. + +Leander. +Du siehst, ich hab's vermocht. Und wenn ich starb, +Der ersten Welle Raub, erliegend, sank; +War's eine Spanne näher doch bei dir, +Und also süßrer Tod. + +Hero. Dein Haar ist naß +Und naß ist dein Gewand. Du zitterst auch. + +Leander. +Doch zittr' ich nicht vor Frost; mich schüttert Glut. + +(Im Begriff, immer im Hintergrunde bleibend, sich auf ein Knie +niederzulassen.) + +Hero. +Laß das, und bleib! Ruh dich ein Weilchen aus, +Denn bald, und du mußt fort. So war's mein Licht, +Die Lampe, die dir Richtung gab und Ziel? +Du mahnst mich recht, sie künftig zu verbergen. + +Leander. +O tu es nicht! O Herrin, tu es nicht! +Ich will ja nicht mehr kommen, wenn du zürnst, +Doch dieser Lampe Schein versag mir nicht! Als diese Nacht ich +schlaflos stieg vom Lager, +Und, öffnend meiner Hütte niedre Tür, +Aus jenem Dunkel trat in neues Dunkel, +Da lag das Meer vor mir mit seinen Küsten, +Ein schwarzer Teppich, ungeteilt, zu schaun, +Wie eingehüllt in Trauer und in Gram. +Schon gab ich mich dem wilden Zuge hin! +Da, am Gesichtskreis flackert hell empor +Ein kleiner Stern, wie eine letzte Hoffnung +Zu goldnen Fäden tausendfach gesponnen, +Umzog der Schein, ein Netz, die trübe Welt: +Das war dein Licht, war dieses Turmes Lampe. +In mächt'gen Schlägen schwoll empor mein Herz, +Nicht halten wollt' es mehr in seinen Banden; +Ans Ufer eilt' ich, stürzte mich ins Meer, +Als Leitstern jenen Schimmer stets im Auge. +So kam ich her, erreichte diese Küste. +Ich will nicht wiederkommen, wenn du zürnst, +Doch raube nicht den Stern mir meiner Hoffnung, +Verhülle nicht den Trost mir dieses Lichts. + +Hero. +Du guter Jüngling, halt mich nicht für hart, +Weil ich nur schwach erwidre deine Meinung. +Doch kann's nicht sein, ich sagt' es dir ja schon. +Ich bin verlobt zu einem strengen Dienst, +Und liebeleer heischt man die Priesterin. +Ehgestern, wenn du kamst, war ich noch frei, +Nun ist's zu spät. Drum geh und kehr nicht wieder! + +Leander. +Man nennt ja mild die Sitten deines Volks, +Sind sie so streng, und drohen sie so viel? + +Hero. +Die Meder und die Baktrer, fern im Osten, +Sie töten jene, die, der Sonne Priestrin, +Das Aug' auf den geliebten Jüngling warf. +Mein Volk, nicht also mordbegier'gen Sinns, +Es schonet zwar das Leben der Verirrten, +Allein stößt aus sie, und verachtet sie, +Zugleich ihr ganzes Haus und all die Ihren. +Das kann nicht sein mit Hero, fühlst du wohl. +Drum also geh, und trage was du mußt. + +Leander. +So soll ich fort? + +Hero. Du sollst. Doch nicht denselben Pfad, +Der dich hierhergeführt, er scheint gefährlich. +Durch jene Pforte geh, und folg dem Gang, +Der dich ins Freie führt. + +(Mit erregter Aufmerksamkeit einen Augenblick innehaltend.) + +Doch hab mir acht, +Denn--Horch!--Bei aller Götter Namen! +Ich höre Tritte hierwärts durch den Gang. +Man kommt! Sie nahn! Unsel'ge Stunde! Weh! + +Leander. +Ist hier kein Ort, der schützend mich verbirgt? +Ha, dort hinein. + +(Auf die Seitentüre zugehend.) + +Hero. Beträtst du mein Gemach? +Hier bleib! Hast du's gewagt, laß sie dich finden, stirb! +Ich selber will hinein. + +Leander. Sie nahen. + +Hero (nach der Seitentüre hinzeigend). Hier! +Geh nur hinein! Und nimm die Lampe mit! +Laß es hier dunkel sein! Hörst du? Nur schnell! +Allein nicht vorwärts dring, bleib nah der Tür! +Schnell, sag ich, schnell! + +Leander. Du aber? + +Hero. Still! und fort! + +(Leander hat die Lampe ergriffen und geht durch die Seitentüre ab. +Das Gemach ist dunkel.) + +Hero. +Nun, Götter, waltet ihr in eurer Milde! + +(Sie senkt sich in den Stuhl, mit halbem Leibe sitzend, so daß das +linke herabgesenkte Knie beinahe den Boden berührt, die Augen mit +der Hand verhüllt, die Stirne gegen den Tisch gelernt.) + +Des Tempelhüters Stimme (von außen). +Ist hier noch jemand wach? + +Janthe (ebenso). Du siehst ja, alles dunkel. + +(Die Türe wird halb geöffnet.) + +Tempelhüter. +Doch sah ich Licht. + +Janthe. Das schien dir wohl nur so. +Auch wohnt die Priestrin hier, du weißt es selbst. + +Tempelhüter. +Doch was ich sah laß ich mir nicht bestreiten + +(Die Türe schließt sich.) + +Und kommt der Tag, soll es sich weisen, ob-- + +(Die Worte verhallen, die Tritte entfernen sich.) + +Hero. +O Scham und Schmach! + +Leander (aus der Seitentüre tretend). +So sind sie fort?--Wo weilst du? +Bist, Jungfrau, du noch hier? + +(Er berührt, suchend, ihre Schulter.) + +Hero (emporfahrend). Wo ist das Licht? +Die Lampe, wo? Bring erst die Lampe sag ich! + +(Leander geht zurück.) + +O alles Unheil auf mein schuldig Haupt! + +Leander (der mit der Lampe zurückkommt). +Hier ist dein Licht. + +(Er setzt es hin.) + +Und dank mit mir den Göttern--! + +Hero (rasch aufstehend). +Dank, sagst du? Dank? Wofür? Daß du noch lebst? +Das all dein Glück? Entsetzlicher! Verruchter! +Was kamst du her? nichts denkend als dich selbst, +Und störst den Frieden meiner stillen Tage, +Vergiftest mir den Einklang dieser Brust? +O hätte doch verschlungen dich das Meer, +Als du den Leib in seine Wogen senktest! +Wär', abgelöst, entglitten dir der Stein, +An dem du dich, den Turm erklimmend, hieltst, +Und du--Entsetzlich Bild!--Leander, oh--! + +Leander. +Was ist? Was schiltst du nicht? + +Hero. Leander, hörst du? +Kehr nicht den Weg zurück, auf dem du kamst, +Gefahrvoll ist der Pfad.--Entsetzlich, greulich! +Was ist es, das den Menschen so umnachtet, +Und ihn entfremdet sich, dem eignen Selbst +Und fremdem dienstbar macht?--Als sie nun kamen, +Drei Schritte fern, und nun mich fanden, sahn; +Ich zitterte,--doch nicht um mich!--Verkehrtheit! +Ich zitterte für ihn! + +Leander. Und darf ich's glauben? + +Hero. +Laß das! Berühr mich nicht!--Das ist nicht gut, +Was so verkehrt die innerste Natur, +Auslöscht das Licht, das uns die Götter gaben, +Daß es uns leite, wie der Stern des Pols +Den Schiffer führt. + +Leander. Das nennst du schlimm? +Und alle Menschen preisen's hochbeglückt, + +(Er kniet vor ihr.) + +Und Liebe nennen sie's. + +Hero. Du armer Jüngling! +So kam denn bis zu dir das bunte Wort, +Und du, du sprichst es nach und nennst dich glücklich? + +(Sein Haupt berührend.) + +Und mußt doch schwimmen durch das wilde Meer, +Wo jede Spanne Tod; und kommst du an, +Erwarten Späher dich und wilde Mörder + +(Mit einem Blick nach rückwärts zusammenfahrend.) + +Leander (der aufspringt). +Was ist? + +Hero. O jeder Laut dünkt mich ein Häschertritt! +Die Kniee zittern. + +Leander. Hero, Hero, Hero! + +Hero. +Laß das! Berühr mich nicht! Du mußt nun fort! +Ich selber leite dich den sichern Pfad. +Denn, wenn sie kämen, dich hier fänden, fingen-- + +(Sich an der Lehne des Stuhles festhaltend.) + +Leander (nach einer kleinen Pause). +Und darf ich, Jungfrau, wiederkommen? + +Hero. Du!? + +Leander. +So meinst du: nie? in aller Zukunft nie? +Kennst du das Wort und seinen grausen Umfang? +Dann auch: Du warst um mich besorgt. Weißt du? +Ich muß zurück durchs brausend wilde Meer, +Wirst du nicht glauben, daß ich sank und starb, +Bleibt kundlos dir mein Weg? + +Hero. Send einen Boten mir! + +Leander. +Ich habe keinen Boten als mich selbst. + +Hero. +Nun denn, du holder Bote; komm denn, komm! +Allein nicht hier an diesen Todesort. Am Ufer +Streckt eine Zunge sandig sich ins Meer. +Dort komm nur hin, verbirg dich in den Büschen; +Vorübergehend hör ich was du sprichst. + +Leander. +Die Lampe aber hier, laß sie mir leuchten, +Die Wege sie mir zeigen meines Glücks. +Wann aber komm ich wieder? Jungfrau sprich! + +Hero. +Am Tag des nächsten Fests. + +Leander. Du scherzest wohl! +Sag, wann? + +Hero. Wenn neu der Mond sich füllt. + +Leander. +Bis dahin schleichen zehen lange Tage! +Trägst du die Ungewißheit bis dahin? Ich nicht! +Ich werde fürchten, daß man uns bemerkt, +Du wirst mich tot in deinem Sinne schaun; +Und zwar mit Recht! Denn raubt mich nicht das Meer, +So tötet Sorge mich, die Angst, der Schmerz. +Sag: übermorgen; sag: nach dreien Tagen. +Die nächste Woche sag! + +Hero. Komm morgen denn! + +Leander. +O Seligkeit! o Glück! + +Hero. Und kehrst du heim, Leander, +Das Meer durchschwimmend, nächtig, wie du kamst; +So wahre dieses Haupt, und diesen Mund, +Und diese meine Augen. Hörst du wohl? +Versprich es mir! + +(Da er sie umfassen will, zurücktretend.) + +Nein, nein!--Nun aber folge! +Ich leite dich! + +(Sie geht nach dem Tische, die Lampe zu holen.) + +Leander (ihr mit den Augen folgend). +O herrlich, himmlisch Weib! + +Hero. +Was kommst du nicht? + +Leander. Und soll ich also darbend +Verlassen diesen sel'gen Götterort? +Kein Zeichen deiner Huld, kein armes Pfand +Fort mit mir tragen, meiner Sehnsucht Labung? + +Hero. Wie meinst du das? + +Leander. Nicht mindestens die Hand?-- +Und dann!--Sie legen Lipp' an Lippe, +Ich sah es wohl, und flüstern so sich zu, +Was zu geheim für die geschwätz'ge Luft. +Mein Mund sei Mund, der deine sei dein Ohr! +Leih mir dein Ohr für meine stumme Sprache! + +Hero. +Das soll nicht sein! + +Leander. Muß ich so viel? du nichts? +Ich in Gefahr und Tod, du immer weigernd? + +(Kindisch trotzend.) + +Ich werde sinken, kehr ich trauernd heim. + +Hero. +Du, frevle nicht! + +Leander. Und du gewähr! + +Hero. +Wenn du dann gehst. + +Leander (auf ein Knie niedersinkend.) + +Gewiß! + +Hero. Und mir nicht streitest, +Daß ich zu leicht die Wange dir berührt; +Nein, dankbar bist vielmehr und fromm dich fügst. + +Leander. +Du zögerst noch! + +Hero. Die Arme falte rückwärts, +Wie ein Gefangener, der Liebe, mein Gefangner. + +Leander. +Sieh, es geschah. + +Hero + +(das Licht auf den Boden stellend). +Die Lampe soll's nicht sehn. + +Leander. +Du kommst ja nicht! + +Hero. Bist du so ungeduldig? +So soll auch nie--Und doch, wenn's dich beglückt. +So nimm und gib! + +(Sie küßt ihn rasch.) + +Nun aber mußt du fort! + +Leander (aufspringend). +Hero! + +Hero. Nein, Nein! + +(Zur Türe hinauseilend.) + +Leander. Wenn ich dir flehe. Hero! +Verwünscht! neidisches Glück! + +(An der Türe horchend.) + +Doch hör ich Tritte, +Es sind die ihren, nähern sich der Tür, +Leis auf den Zehn.--So kommt sie wieder?--Götter! + +(Der Vorhang fällt.) + + + + + +Vierter Aufzug + + +(Offner Platz, im Hintergrunde das Meer. Rückwärts auf der linken +Seite Heros Turm mit einem halb gegen das Meer gerichteten Fenster +und einem schmalen Eingange, zu dem einige Stufen emporführen. +Daneben am Ufer einige hochgewachsene Sträucher. Nach vorn auf +derselben Seite laufen Schwibbögen und Säulen, die Nähe von +Wohnungen bezeichnend. Die rechte Seite frei mit Bäumen. Quer in +die Bühne hineinstehend eine steinerne Ruhebank.) + +(Nach dem Aufziehen des Vorhanges hört man hinter der Szene) + +Die Stimme des Tempelhüters. +Hierher, hierher, ihr Diener dieses Hauses! + +(Dann tritt Hero ganz vorne rechts auf.) + +Hero. Er ist hinüber. Allen Göttern Dank! +War's doch, als hätte sich das All verschworen +Ihn hier zu halten bis zum lichten Tag. +Ein Gehen war und Kommen ohne Ruh'. +Und er stand da, im Winkel still geduckt. +Da endlich kam der günst'ge Augenblick.-- +Nun, er ist fort, und ich bin wieder ruhig. + +(Auf derselben Seite, mehr nach rückwärts, kommt der Tempelhüter, +ein Horn am Bande um den Leib, und einen Spieß auf der linken +Schulter, ihr bei jeder Bewegung folgend.) + +Tempelhüter. +Du sahst ihn wohl? + +Hero. Wen doch? + +Tempelhüter. Den fremden Mann. +Er sprang nur jetzt ins Meer. + +Hero. Nur jetzt? so rasch? + +Tempelhüter. +Drei Schritte kaum von dir. + +Hero. Und sah ihn nicht? + +(Sie geht auf den Turm zu.) + +Tempelhüter. +Wohl sahst du ihn, und mußtest wohl ihn sehn! + +Hero (weitergehend). +Muß ich? Bin ich denn Wächter so wie du? + +Tempelhüter. +Nicht Wächter.--Zwar, wenn Wächter ist, wer wacht: +Du wachtest ziemlich lang bei deiner Lampe. + +Hero. +Ei, daß du alles siehst! + +Tempelhüter. Wohl seh ich, wohl! + +(Der Priester kommt von der linken Seite.) + +Priester. +Find ich hier Streit? + +Hero (auf den Stufen des Turms). +Der Mann da ist nicht klug. + +Tempelhüter. +Wollt' ich nur reden, ei! + +Hero. Er spricht und spricht! +Ich geh! + +Priester. Wohin? + +Hero. In Turm. + +Priester. Was dort? + +Hero. Zu schlafen. + +(Ab in den Turm.) + +Tempelhüter. +Zu schlafen, ja! nachdem sie lang gewacht! + +Priester. +Was war denn hier? + +Tempelhüter + +(Heron nachsprechend). +Und nennst du mich nicht klug? +Weil ich ein Diener nur, ihr hohen Stamms? +Meinst du, die Klugheit erbe eben fort +Vom Vater auf den Sohn, wie Geld und Gut? +Ei, klug genug, und schlau genug, und wachsam! + +(Er stößt den Spieß in den Boden.) + +Priester. +Soll ich erfahren denn? + +Tempelhüter (noch immer Heron nachsprechend). +Ei ja, ja doch! + +Priester. +Du leistest, merk ich, selber dir Gesellschaft. +Ich gönne sie, und überlaß dich ihr. + +Tempelhüter. +Herr! Eben sprang ein Mann vom Ufer in die Flut. + +Priester. +Das also war's? + +Tempelhüter. Und Hero stand nicht fern. + +Priester. +Er sprang wohl auch, stand ich in seiner Nähe. + +Tempelhüter. +Und dort in jenem Turme brannte Licht +Die ganze Nacht. + +Priester. Das sollte freilich nicht. +Doch Hero weiß wohl kaum, daß wir vermeiden, +Durch Licht und Flamme, Bösgesinnten, Feinden, +Den Weg zu zeigen selber durch die Klippen, +Mit denen sich die Küste gürtend schützt. +Drum warne sie! + +Tempelhüter. Ei, daß sie meiner spottet! +Sie wußt' es wohl, und dennoch brannte Licht, +Das macht: sie wachte, Herr. + +Priester. So? + +Tempelhüter. Bis zum Morgen. +Und oben war's so laut und doch so heimlich, +Ein Flüstern und ein Rauschen hier und dort; +Die ganze Gegend schien erwacht, bewegt. +Im dichtsten Laub ein sonderbares Regen, +Wie Windeswehn, und wehte doch kein Wind. +Die Luft gab Schall, der Boden tönte wider +Und was getönt und widerklang war: nichts. +Das Meer stieg rauschend höher an die Ufer, +Die Sterne blinkten, wie mit Augen winkend, +Ein halbenthüllt Geheimnis schien die Nacht. +Und dieser Turm war all des dumpfen Treibens +Und leisen Regens Mittelpunkt und Ziel. +Wohl zwanzigmal eilt' ich an seinen Fuß, +Nun, meinend, nun das Rätsel zu enthüllen, +Und sah hinan; nichts schaut' ich, als das Licht, +Das fort und fort aus Heros Fenster schien. +Ein einzig Mal lief wie ein Mannesschatten +Vom Meeresufer nach dem Turme zu; +Ich folg und, angelangt, war wieder nichts, +Nur Rauschen rings und Regen, wie zuvor. + +Priester. +Scheint's doch, des ganzen Wunders voller Inhalt, +Mit Ursach' und mit Wirkung, lag in dir. + +Tempelhüter. +Ei, Herr, und warum brannte denn das Licht, +Die ganze Nacht, bis kurz, wie ich berichtet? +Als mich der Spuk zum Rasen halb gebracht, +Trat ich ins Innre des Gebäudes, jenseits, +Wo an den Turm der Diener Wohnung schließt. +Da fällt Janthe mir zuerst ins Auge, +Gekleidet und geschmückt, als wär's am Tag. + +Priester. +Des Rätsels Lösung bietet sich von selbst. +Frag du das Mädchen. Ruf sie her! Du kennst sie, +Und weißt, wie oft sie Störung schon gebracht. + +Tempelhüter. +So dacht' ich auch, und schalt sie tüchtig aus. +Allein das Licht an jenem, jenem Fenster. +Und dann: als kurz ich vor im Haine ging, +Springt, hup! ein Mann ins brausend schäum'ge Meer. +Und in demselben Augenblick tritt Hero, +Drei Schritte kaum entfernt, aus dem Gebüsch. + +Priester. +Wenn du vermuten willst, such andern Stützpunkt, +Nur was dir ähnlich treffe dein Verdacht. + +Tempelhüter. +Nur was mir ähnlich? Ei, ich seh es kommen! +Dem Diener sei nicht Urteil, noch Verstand. + +Priester. +Ruf mir Janthen! + +Tempelhüter. Aber, Herr, das Licht! + +Priester. +Janthen, sag ich dir! + +Tempelhüter. Und jener Mann, +Der sprang ins Meer, und gen Abydos schwamm? + +Priester. +Wie sagst du? Gen Abydos? + +Tempelhüter. Wohl! + +Priester. Abydos? +Ruf mir Janthen! + +Tempelhüter. Wohl! + +Priester. Und Heron sage-- + +(Eine Rolle aus dem Busen ziehend.) + +Gib ihr dies Schreiben, das von ihren Eltern +Nur eben kam, und das--Vielmehr, laß nur!-- +Sag ihr, daß ich die Dienerin beschied. + +(Der Tempelhüter ab in den Turm.) + +Priester. Abydos! +Was ist's, daß dieser Name mich durchfährt? +War aus Abydos nicht das Fremdenpaar, +Das jüngst im Hain--Wahnsinn, es nur zu denken! +Und doch! Ist nicht das Jünglingsalter kühn, +Und bleibt nicht gern auf halbem Wege stehn, +Vor allem wo Verbotnes lockt. Wenn sie +Versucht, das Abenteuer zu bestehn, +Das mein Dazwischentritt gestört, und Hero, +Unwissend trüge sie des Wissens Schuld, +Nebstdem, daß sie noch jung und neu im Leben, +Noch unbelehrt zu meiden die Gefahr, +Ja zu erkennen sie.--Genug, genug! +In meinem Innern reget sich ein Gott, +Und warnt mich, zu verhüten, eh's zu spät! + +(Der Tempelhüter ist zurückgekommen.) + +Priester. +Nun? + +Tempelhüter. Hero hält Janthen noch bei sich. +Die Priestrin ruht, gelehnt auf weichen Pfühl, +Das Mädchen kniet vor ihr, und spricht und tändelt. +Man läßt dich bitten, Herr-- + +Priester. Sie zögern, wie? +Heiß du Janthen Augenblicks mir nahn. + +Tempelhüter (sich nach rückwärts bewegend). +Nur aber-- + +Priester. Und wenn still auch sonst und klug! +Der Wahnsinn der das kluge Weib befällt, +Tobt heft'ger als der Torheit wildstes Rasen. + +(Janthe kommt.) + +Tempelhüter. +Ei komm nur immer, komm nur, du Geschmückte! +Hier frägt man dich, warum so spät du wachst. + +Priester. +Von allem was sich Schlimmes je begab +In diesem Haus, fand ich dich immer wissend, +Belehrt durch Mitschuld, oder Neugier mindstens. +Nun meldet man, daß sich in dieser Nacht +Verdächtig Treiben hier am Turm geregt, +Auch fand dich dieser Mann, da alles schlief, +Noch wachend und gekleidet in den Gängen. +Drum steh ihm Red' und sage was du weißt. + +(Er entfernt sich.) + +Janthe. +Bei allen Göttern, Herr-- + +Priester (zurücksprechend). Laß du die Götter! +Und sorg erst wie den Menschen du genügst. + +Janthe. +Nichts weiß ich ja; ich hörte nur Bewegung, +Ein Kommen und ein Gehn. Die Nacht war schwül; +Da lauscht' ich vor der Tür, und ging dann schlafen. + +Tempelhüter. +So nennst du: vor der Tür, zwei Treppen hoch? +Ich fand dich in dem Gang vor Heros Kammer. + +Janthe. +Ich war so bang, allein; da wollt' ich Hero fragen, +Ob sie gehört, und ob ihr bang wie mir? + +Priester (sich wieder nähernd). +Ich aber sage dir: du sollst gestehn! +Denn daß du weißt, zeigt mir dein ängstlich Zagen. + +(Hero kommt.) + +Hero. +Was ist denn nur? Warum berief man uns? + +Priester. +Hier ist Janthe, die du kennst, gleich mir. +Sie wird beschuldigt, daß bei nächt'gem Dunkel-- + +Hero. Man tut ihr wohl zuviel! + +Priester. So weißt du--? + +Hero. Herr! +Ich weiß nur, daß der Mensch gar gern beschuldigt, +Und vollends dieser Mann ist wirren Sinns. + +Priester. +Doch ist's gewiß. ein Fremder war am Turm. + +Hero (nach einer Pause). +Nun Herr, vielleicht der überird'schen einer! +Du sprachst ja selbst: in altergrauer Zeit +Stieg oft ein Gott zu sel'gen Menschen nieder. +Zu Leda kam, zum fürstlichen Admet, +Zur strengverwahrten Danae ein Gott: +Warum nicht heut? Zu ihr; zu uns, zu wem du willst. + +(Sie geht auf die Ruhebank zu.) + +Priester. +Sprach das der Spott? und dünkt das Heil'ge dir--? + +(Zu Janthen.) + +Nun Törin, oder Schuldige, gesteh! + +Janthe. +Frag doch nur Hero selbst. Sie wohnt im Turm; +War dort Geräusch, vernahm sie es wohl auch. + +Priester (sich Hero nähernd). +Hörst du? + +Hero (die sich gesetzt hat, halb singend, den Kopf in die Hand +gestützt). +Sie war so schön, +Ein Königskind. + +(Sprechend.) + +Nun lichter Schwan, flogst du zu lichten Sternen? + +Priester. +Hero! + +Hero (emporfahrend). +Was ist? Wer faßt mich an? Was willst du? + +Priester. +Hast du vergessen schon? + +Hero. Nicht doch! ich weiß +Was man beschuldigt jene, ohne Grund. +Sei du nicht bange, Janthe, frohen Muts! +Wenn alle dich verließen, alle sie, +In meiner Brust lebt dir ein warmer Anwalt. + +(Sie küssend.) + +Wenn sie dich quälen, Gute, komm zu mir! +Nun aber geh, sie spotten dein und meiner. + +Priester. +Bleib noch! + +(Janthe zieht sich zurück.) + +Priester (zu Hero). +Du liebtest nie das Mädchen sonst. +Woher der Anteil nun? + +Hero (die aufgestanden ist). +Was frägst du mich? +Sie ist gekränkt, braucht's da noch andern Grund? + +Priester. +Doch wem galt jene nächtig dunkle Störung? + +Hero. +Warum denn ihr? + +Priester. Wem sonst? + +Hero. Die Lüfte wissen's; +Doch sie verschweigen's auch. + +Priester. Nun denn, zu dir. Man sah +In deinem Turme Licht die ganze Nacht. +Tu das nicht mehr. + +Hero. Wir haben Öl genug. + +Priester. +Doch sieht's das Volk und deutet's wie es mag. + +Hero. +Mag's denn! + +Priester. Auch riet ich dir den Schein zu meiden, +Den Schein sogar; viel mehr noch wahren Anlaß. + +Hero. +Wir meiden ihn, doch meidet er auch uns? + +Priester. +Sprichst aus Erfahrung du? + +Hero. Was ist die Zeit? +Wie lang ist noch bis Abend? + +Priester. Und warum? + +Hero. +Gesteh ich's, ich bin müd'. + +Priester. Weil du gewacht? + +Hero. +So ist's. Der Wind kommt uns von Osten denk ich, +Und ruhig ist die See. Nun, gute Nacht! + +Priester. +Am hohen Tage? Hero, Hero, Hero! + +Hero. +Was willst du, Ohm? + +Priester. Hab Mitleid mit dir selbst! + +Hero. +Ich sehe wohl, um mich geht manches vor, +Das mich betrifft, und nah vielleicht und nächst, +Doch faß ich's nicht und düster ist mein Sinn. +Ich will darüber denken. + +Priester. Halt vorerst!! +--Du kannst noch nicht zurück in deine Wohnung! +Erst harrt noch--ein und anderes Geschäft. + +Hero. +Geschäft? + +Priester (streng). Geschäft!-- + +(Gemildert.) + +Des neuen Amtes Bürde. +Im Tempel ist--Und doch--Vergaß ich's denn? +Von deinen Eltern kam ein Brief--Vielmehr: +Man meldet mir, ein Bote deiner Eltern, +Von ihnen scheidend noch zu uns gesendet, +Sei angelangt am östlich äußern Tor, +Das abschließt unsern heiligen Bezirk. +Allein die Fischer, die am Meere wohnen, +Mißtrauisch jedem Fremden, und vielleicht +Der Störungen schon kundig dieser Nacht, +Sie wehren ihm den Eintritt bis zu uns. +Ich gönne dir die Freude, geh du hin, +Und sprich den Mann und höre was er bringt. + +Hero. +So muß ich selbst--? + +Priester. Treibt dich Verlangen nicht? +Botschaft von deinen Eltern, dann-- + +Hero. Ich gehe. + +Priester. +Du findest wohl den Mann bei jenen Hütten, +Doch wär' es nicht, und hätt' er sich entfernt, +So wirst du mir schon weiter wandeln müssen, +Bis du-- + +Hero. Es soll geschehn. + +Priester. Tritt nur indes +Bei unsers Hauses wackerm Schaffer ein, +Von dort aus sende Diener, die ihn suchen. +Und--einmal da, laß dir den Vorrat zeigen, +Den man dort sammelt für der Göttin Dienst. +Das letzte Fest ließ unsern Tempel nackt. +Es fehlt an Weihrauch, Opfergerste, Linnen; +Kannst du davon mir bringen, dank ich dir's. + +Hero. +Dann aber kehr ich heim. + +Priester. Gewiß! Wenn du +Der Pilgerruh' erst einen Blick gegönnt, +Die dort ganz nah auf schlanken Säulen steht. +Vielleicht birgt unser Mann sich dort zumeist. +Auch haben Waller sich, so heißt's versammelt, +Die ferne her zu unserm Tempel ziehn. +Tritt unter sie und sprich ein nützlich Wort. +Den Opfern die sie bringen wohne bei. +Und hast du so dein heilig Amt vollbracht-- +Es wäre denn, der Rückweg gönnte Zeit-- + +Hero. +Genug, o Herr! Beinah sagt' ich: zuviel. + +(Einschmeichelnd.) + +Gesteh ich dir's; ich bliebe lieber hier. + +Priester (ruhig). +Doch muß es sein. + +Hero. Muß es? Nun so gescheh's. + +Priester. +Nimm nur die neue Freundin mit, Janthen, +Die dir so sehr gefällt. Das kürzt den Weg. + +Hero. +Hast du doch recht, und also will ich tun. +Janthe komm, und leite mich den Pfad. +Dein froh Gespräch laß uns den Weg verkürzen. +Und werd ich müd', so leih mir deinen Arm. +Du aber stille Wohnung lebe wohl! +Eh' noch der Abend graut, seh ich dich wieder! +Wo bist du? Ah!--Sei heute Hero du +Und denke, sprich für mich. Ein andermal +Bin ich Janthe gern! Und sei nicht grämlich. Hörst du? + +(Janthens Nacken umschlingend ab.) + +Priester. +Zähm ich den Grimm in meiner tiefsten Brust? +Kein Zweifel mehr, die Zeichen treffen ein!-- +Ein Mann dem Tempel nah, und Hero weiß es. +Und einer war's von jenen Jünglingen, +Leander und Naukleros hießen sie, +Die, aus Abydos, ich im Haine traf. +Ob aber schon seit lang mit Heuchlerkunst, +Sie mir's verbirgt; ob nun erst, heute, jetzt erst?--Naukleros und +Leander! Welcher war's? + +(Die flachen Hände vor sich hingestreckt.) + +In gleichen Schalen wäg ich euer Los. +Die Namen beide ähnlichen Gehalts, +Die Zahl der Laute gleich in ein und anderm, +Desselben Anspruchs jeder auf das Glück: +Indes der eine doch ein Lebender, Beseelter, +Sein Freund ein Toter ist, schon jetzo tot. +Denn weil sie fern, leg ich die Schlingen aus, +Die ihn verderben, kehrt der Kühne wieder. +Unseliger, was strecktest du die Hand +Nach meinem Kind, nach meiner Götter Eigen? + +(Nach rückwärts gewendet.) + +Ha Alter du noch hier? Laß uns hinauf. +Erforschen jedes Zeichen, das der Tat +Der noch verhüllten, dunkeln Fußtritt zeigt. +Kommt dann die Nacht und siehst du wieder Licht-- +Und doch wer weiß, ob wir uns nicht getäuscht? +Ist Zutraun blind, sieht Argwohn leicht zuviel: +Zum mindesten befehl ich dir zu zweifeln, +Bis ich dir sage: glaub's! Erschrick nicht, Alter! +Geh nur voran und öffne jene Tür. + +(Der Alte geht dem Turme zu.) + +Priester (im Begriff ihm zu folgen). +Fortan sei Ruh'! Der Torheit Werk vergeh'! +Der Morgen find' es nicht. Es sei gewesen. + +(Mit dem Diener in den Turm ab.) + +(Kurze Gegend. Rechts im Vorgrunde Leanders Hütte. Daneben ein +Baum mit einem Votivbilde.) + +Naukleros (kommt und bleibt vor der Hütte stehen, mit dem Fuß auf den +Boden +stampfend). +Leander, hör! Machst du nicht auf?--Leander! Bis jetzt hat meine +Sorgfalt ihn bewahrt. +Ich ließ ihn gestern abends in der Hütte +Und heute tat, die Nachbarn sagen's, +Sich noch nicht auf die festverschloßne Tür. +Doch gilt's zu wachen noch, zu hüten, sorgen. +Was aber zögert er? Es ist schon spät. +Hat allzu großer Schmerz--? Wie, oder gar? +Vergaß vielleicht den Gram und seine Leiden? +Und träumt nun langgestreckt? Leander! Ho! +Langschläfer, Ohnesorg! Beim Sonnengott! +Machst du nicht auf, so spreng ich dir die Tür! Mit alle dem +dünkt's mich doch sonderbar. + +(Er sieht durch die Spalte.) + +(Leander tritt links im Hintergrunde auf.) + +Leander. +Huhup! + +(Er zieht sich wieder zurück.) + +Naukleros (rasch umgewendet). +Wer da?--Freund oder Feind? + +Leander (vortretend). Ha, ha! +Erschreckt? + +(Er trägt einen Stab in der Hand und unter dem Arm ein Schleiertuch, +dessen eines Ende er während des Folgenden in eine Schleife bindet.) + +Naukleros. Du selbst? und also spöttisch +Genüber deinem Meister deinem Herrn? +Und dann?--Was dünkt mir denn?--Wo kommst du her? +Verließ ich dich nicht abends in der Hütte? +Und heute,--sieh, ich weiß, die Nachbarn sagen's-- +Ging noch nicht auf die festverschloßne Tür. +Wo kommst du her? und wie? + +(Er greift mit der Hand hin um Leanders Beschäftigung zu +unterbrechen.) + +Leander (zurückziehend). +Mein Stab! Mein Wimpel, ei! + +Naukleros. +Dein Haar ist feucht, die schweren Kleider kleben. +Du warst im Meer. + +Leander. Wie bündig schließt der Mann! + +(Er geht während des Folgenden nach rückwärts zum Baume und legt +Stab und Schleier auf einer Erderhöhung unter dem Götterbilde +nieder.) + +Naukleros (seinen Bewegungen folgend). +Im Meer!--Weshalb?--Du warst doch nicht?--Leander! +Weißt du? Sie senden Späher aus von Sestos, +An unserm Ufer hat man ihrer schon gesehn. +Wenn nun so weit, bis über Meeresgrenze +Ihr Argwohn reicht, um wieviel strenger denkst du +Das jenseits dir bewacht, uns feind von je? +Der wär' ein Tor, der irgend es versuchte, +Zu stürzen sich ins aufgespannte Netz. +Dann aber: wie? + +Leander (der wieder zurückgekommen ist, nach rückwärts sprechend). +Bewahre mir's, du Gott! + +Naukleros. +Noch einmal: wie? Du weißt, ich brach das Steuer +Von deinem Kahn, und alle Nachbarn hielten +Auf mein Gesuch die Nachen unterm Schloß. +Wenn nun zu Schiffe nicht, wie sonst? Denn schwimmend, +Leander schwimmend--Kennst du auch den Raum, +Der trennt Abydos' Strand von Sestos' Küste? +Kein Lebender kommt lebend drüben an, +Denn hielte auch die Kraft, so starren Klippen, +Die reichen rings, soweit das Ufer reicht, +Kein Ruheplatz, noch Anfurt, keine Stelle, +Die sichre Landung beut. + +Leander. Sieh nur! so schroff? + +Naukleros. +Nun ja, ein Ort ist zwischen scharfen Klippen, +Dort mag ein Glückskind, das ihn nicht verfehlt, +In finstrer Nacht, dort mag dem Land er nahn. +Ein Turm steht da, voreinst zum Schutz gebaut; +Jetzt wohnt die Priesterjungfrau drin, die einst wir +Im Haine sahn. Du wohl seitdem--Leander! +Birg nicht dein Aug'! Zu spät! Denn es gestand. Nun, du warst +dort heut nacht, statt hier zu ruhn, +Fandst glücklich aus den einz'gen Platz der Landung, +Und standst am Turm, den feuchten Blick empor, +Liebäugelnd mit dem Licht in ihrer Kammer. +Sahst ihre Schatten an den Wänden fliehn, +Beglückt, um höhern Preis nicht, als den Tod, +Im Übermaß von so viel Glück zu schwelgen. + +Leander. +Armseliger! + +Naukleros. Auch das! Die Schildrung war zu schwach. +Du sahst sie, sprachst mit ihr, fandst Haus und Pforte +Geöffnet, unbewacht, tratst ein-- + +Leander (sich in seine Arme werfend). +Naukleros! +Fühlst du den Kuß? Und weißt du, wer ihn gab? + +Naukleros. +Laß ab! Dein Kuß ist Tod. + +Leander. So furchtsam? +Naukleros feig? + +Naukleros. Nun ja, ich seh es wohl, wir haben, +Die Plätze haben wir getauscht. Ich furchtsam, +Du kühn; Leander frohen Muts, Naukleros-- +Ich werde doch nicht gar noch weinen sollen? +Wohlan, geh in den Tod! Nur eines, +Ein einziges versprich mir: Dieses Mal, +Diesmal such mir ihn nicht. Bleib fern von Sestos. +Damit, wenn du nun daliegst bleich und kalt, +Ich mir nicht sagen müsse: Du warst's, du, +Der treulos seine Freundespflicht versäumt, +Ihm selber wies die todgeschwellten Früchte, +Selbst wob das Netz, das klammernd ihn umfing. + +(Ein Knie zur Erde gebeugt.) + +Leander! + +Leander. Bist du krank? Was kommt dir an? + +Naukleros. +Hast du doch recht, und fürder auch kein Wort! +Wer spräch' auch wohl zum brandend tauben Meer, +Zum lauten Sturm, dem wilden Tier der Wüste, +Das achtlos folgt der angebornen Gier. +Darum kein Wort! Nur, denkst du irgend noch +Der Freundschaft, die uns einst-- + +Leander. Naukleros, einst? + +Naukleros. +Laß das! Es spricht die Tat. Schein ich dir irgend +Noch eines kleinen, armen Dienstes wert: +Tu mir die Lieb' und öffne jene Tür. + +Leander. +Wozu? + +Naukleros. Ich bitte dich! + +Leander. Der Schlüssel, weißt du, +Liegt unterm Stein. + +Naukleros. Tu's selbst! + +Leander (der die Türe der Hütte geöffnet hat). +Es ist geschehn. + +Naukleros. +Wohlan! Und daß ich dankbar mich erweise: +Geh dort hinein! + +Leander. Ich nicht! + +Naukleros. Du sollst! Du mußt! +Der Stärkre war ich stets, der Ältre bin ich, +Und jetzt stählt Sorge dreifach meinen Arm. + +(Leander anfassend.) + +So faß ich dich, so halt ich dich, so drück ich +Dich an den Grund. Gehorchst du wohl? + +Leander (mit gebrochenen Knien). +Halt ein! + +Naukleros (ihn loslassend). +Armseliger! von Lieb' und Wellen matt! +Und nun hinein! + +Leander (zurückweichend). +Fürwahr! ich werde nicht! + +Naukleros (ihn anfassend und zurückdrängend). +Du wirst, du sollst, du mußt! + +Leander. Laß ab! + +Naukleros. Vergebens! + +(Er hat ihn in die Türe gedrängt, die er jetzt rasch an sich zieht.) + +Nun zu die Tür! + +(Er dreht den Schlüssel.) + +Und schwimm du künftig wieder! +Ich will als Schließer selbst dir Nahrung bringen. +Doch daß du nicht entkommst, bin ich dir gut. + +Leander (von innen). +Naukleros! + +Naukleros. Nein! + +Leander. Ein Wörtchen nur! + +Naukleros. Nicht eins! + +Leander. +Doch wenn mein Heil, mein Leben dran geknüpft, +Daß du mich hörst? + +Naukleros. Was also wär' es denn? + +Leander. +Nur eine Spanne weit mach auf die Tür! +Mein Dasein ist bedroht, wenn du's verweigerst. + +Naukleros. +Nun, Handbreit öffn' ich denn. + +(Zurückprallend.) + +Ha, was ist das? + +(Leander stürzt aus der Hütte, das Haupt mit einem Helme bedeckt, +den Schild am Arme, ein bloßes Schwert in der Hand.) + +Leander. +Komm an! komm an! Warum nicht hältst du mich? +Noch ist mir meines Vaters Helm und Schwert, +Und Tod dräut jedem, der sich widersetzt. Tor, der du bist! und +denkst du den zu halten, +Den alle Götter schützen, leitet ihre Macht? +Was mir bestimmt, ich will's, ich werd's erfüllen: +Kein Sterblicher hält Götterwalten auf. Ihr aber, die ihr rettend +mich beschirmt +Durch Wellennacht: + +(Er kniet.) + +Poseidon, mächtiger Gott! +Der du die Wasser legtest an die Zügel, +Den Tod mir scheuchtest von dem feuchten Mund. +Zeus, mächtig über allen, hehr und groß! +Und Liebesgöttin, du, die mich berief, +Den kundlos Neuen, lernend zu belehren +Die Unberichteten was dein Gebot. +Steht ihr mir bei und leitet wie bisher! + +(Aufstehend und Schild und Schwert von sich werfend, den Helm noch +immer auf dem Haupte.) + +Drum keine Waffen! Euer Schutz genügt. +Mit ihm geharnischt, wie mit ehrner Wehr, +Stürz ich mich kühn in Mitte der Gefahren. + +(Schnell den Stab mit dem Schleiertuche aufnehmend und die +dareingeknüpfte Schleife an die Spitze des Stabes befestigend, +indes er das andere Ende mit der Hand daran festhält.) + +Und dieses Tuch, geraubt von heil'ger Stelle, +Schwing ich als Wimpel in vermeßner Hand. +Es weist den Weg mir durch die Wasserwüste, +Und läßt ein Gott erreichen mich die Küste, +Pflanz ich, ein Sieger, es auf den erstiegnen Strand. +Erlieg ich, sei's durch Euch! und also fort! + +(Das Tuch flaggenartig schwingend.) + +Amor und Hymen, ziehet ihr voran, +Ich komm, ich folg, und wäre Tod der Dritte! + +(Er eilt fort.) + +Naukleros. +Er ist von Sinnen! Hörst du nicht? Leander! + +(Die Waffen aufnehmend.) + +Noch geb ich ihn nicht auf. Die Freunde samml' ich. +Wir halten ihn, und wär' es mit Gewalt. Dort schleicht ein Mann, +gehüllt in dunkeln Mantel, +Ein Späher jenes Tempels schon vielleicht. +Ich meid ihn, folge jenem. O mein Freund! + +(Er zieht sich ausweichend nach der entgegengesetzten Seite zurück.) + +(Platz vor Heros Turm wie zu Anfang dieses Aufzuges.) + +(Hero kommt, die Hand auf Janthens Schulter gelegt. Diener mit +Gefäßen folgen.) + +Hero. +Tragt die Gefäße nur hinauf zu meinem Ohm! +Sagt ihm!--Ihr wißt ja selbst.--Ich bleibe hier. + +(Sie setzt sich.) + +War dieser Mann doch, meiner Eltern Bote, +Wie Hoffnung, wie das Glück. Man sucht's, es flieht, +Und läßt uns so zurück. + +Janthe. Du gingst so rasch. + +Hero. +Nun, ich bin wieder da. + +Janthe. Willst du nicht lieber +Hinauf in dein Gemach? + +Hero. Nein, nein, nur hier. +Ist's noch nicht Abend? + +Janthe. Kaum. + +Hero (den Kopf in die Hand gestützt). +Nu, nu! Ei nu! + +(Der Tempelhüter kommt von der linken Seite.) + +Tempelhüter. +So bist du hier? Wir harrten deiner längst. + +Hero. +Längst also, längst? Ich glaub ihr spottet mein! +Ging ich nicht unverweilt, den Boten suchend, +Der ewig mir entschwand, jetzt hier nun dort. +Mit Absicht tatet ihr's. Weiß ich warum? + +Tempelhüter. +Der Bote kam auf andern Wegen her, +Du warst kaum fort. Er ist bei deinem Ohm. + +Hero. +Und ihr ließt unberichtet mich? Doch immer! +Ein andermal will ich wohl klüger sein. + +Tempelhüter. +Dein Oheim harrt im Tempel. + +Hero. So? +Er wird noch harren, denn ich bleibe hier. + +Tempelhüter. +Doch er befahl-- + +Hero. Befahl er dir, so tu's! +Ich denke künftig selbst mir zu gebieten. +Geh nur! + +(Zu Janthen.) + +Du immer auch. + +Janthe. Befiehlst du irgend sonst? + +Hero. +Ich nicht. Und doch! wenn's selber dir gefällt. +Geh nur hinauf, bereite mir die Lampe, +Gieß Öl noch zu, genug für viele Zeit. +Und kommt die Nacht.--Allein das tu ich selbst. + +(Die beiden gehen.) + +Hero. +Und kommt die Nacht--Sie bricht ja wirklich ein. +Da ist mein Turm, dort flüstern leise Wellen; +Und gestern war er da, und heut versprach er. +War's gestern auch? Mich deucht es wär' so lang. +Mein Haupt ist schwer, die wirren Bilder schwimmen. +Des Tages Glut, die Sorge jener Nacht, +Die keine Nacht, ein Tag in Angst und Wachen-- +Das liegt wie Blei auf meinem trüben Sinn. +Und doch ein lichter Punkt in all dem Dunkel: +Er kommt. Gewiß? Nur noch dies eine Mal! +Dann bleibt er fern.--Wer weiß? Auf lange Zeit. +Und spät erst, spät--Ich muß nur wachsam sein! + +(Den Kopf in die Hand lehnend.) + +(Der Priester kommt mit dem Tempelhüter.) + +Priester. +So kommt sie nicht? + +(Der Tempelhüter zeigt schweigend auf die Ruhende.) + +Priester (zu ihr tretend). Hero! + +Hero (aufschreckend). Bist du's, mein Freund? + +Priester. +Ich bin's, und bin dein Freund. + +Hero (aufstehend). Sei mir gegrüßt! + +Priester. +Der Bote deiner Eltern weißt du wohl-- + +Hero. +Ich weiß. + +Priester. Er brachte Briefe mit, sie liegen +In deinem Turmgemach. Holst du sie nicht? + +Hero. +Auf Morgen les ich sie. + +Priester. Nicht heut? + +Hero. Nicht jetzt. + +Priester. +Zu wissen wie sie leben, reizt dich nicht? + +Hero. +Nur kurz ist's, daß sie schieden, sie sind wohl. + +Priester. +Bist du so sicher des? + +Hero. Ich bin es, Herr! +Aufs Zeugnis einer seligen Empfindung, +Die mich durchströmt, mein Wesen still verklärt, +Daß alle, die mir teuer, froh und wohl. + +Priester. +Wie oft täuscht ein Gefühl! + +Hero. Was täuschte nie? +Bleibt mir die Wahl, wähl ich die süßre Täuschung. + +Priester. +Wo ist Janthe? + +Hero. Eben ging sie hin. + +Priester. +Nach den Ereignissen der letzten Zeit, +Kann sie nicht weilen mehr in unserm Hause. + +Hero. +Ich sagte dir, du tust dem Mädchen unrecht. + +Priester. +Doch wie erweisest du's? + +Hero. Ich glaub es so. + +Priester. +Auf ein Gefühl auch? + +Hero. Auch auf ein Gefühl. + +Priester. +Doch ich will Klarheit, und Janthe scheide. + +Hero. +Verzeih! Du weißt, das kann nicht ohne mich, +Die Mädchen sind der Priesterin befohlen, +Und meine Rechte kenn ich so wie meine-- +Ich kenne, Herr, mein Recht. + +Priester. Wie meine Pflichten; +Du wolltest sagen so. + +Hero. Ich wollte, Herr; +Und sag es jetzt: auch meine Pflichten kenn ich, +Wenn Pflicht das alles, was ein ruhig Herz, +Im Einklang mit sich selbst und mit der Welt, +Dem Recht genüber stellt der andern Menschen. + +Priester. +Dem Recht der Götter nicht? + +Hero. Laß uns nicht klügeln! +Gib deinem Bruder und dir selbst sein Teil: +Die Götter sind zu hoch für unsre Rechte. + +Priester. +Du bist gereift. + +Hero. Nun, Herr, die Sonne scheint, +Und auch der Mond läßt wachsen Gras und Kraut. + +Priester. +Da du so streng ob deinen Rechten hältst, +So muß ich bitten dich, mir zu verzeihn, +Daß ich erbrochen deiner Mutter Schreiben. + +Hero. +Was mein ist, ist auch dein. + +Priester. Ich wollte wohl, +Du läsest diesen Brief, ob einer Warnung +Die er enthält. + +Hero. Gewiß, ich werde: Morgen. + +Priester. +Nein, heut. Wär's nicht zuviel, ich bäte dich, +Ihn jetzt zu holen, gleich. + +Hero. Du quälst mich, Ohm. +Allein damit du siehst--Ist's noch nicht Abend? + +Priester. +Beinah. + +Hero. Ich hole denn das Schreiben, + +(Mit verbindlichem Ausdruck.) + +Damit du siehst, wie sehr ich dir zu Dienst. + +(Ab in den Turm.) + +Priester. +Mein Innerstes bewegt sich, schau ich sie. +So still, so klug, so Ebenmaß in jedem; +Und immer deucht es mir, ich müßt' ihr sagen: +Blick auf! Das Unheil gähnt, ein Abgrund neben dir! +Und doch ist sie zu sicher und zu fest. +Gönn ich ihr Zeit, und taucht ihr heller Sinn +Auf aus den Fluten, die ihn jetzt umnachten, +Denkt sie auf Mittel nur ihn zu erretten, +Entzieht den Strafbarn unsrer Schlingen Haft, +Und ist so mehr und sichrer denn verloren. Zwar, muß sie schuldig +sein? Wenn ein Verwegner +Das Unerlaubte tollkühn unternahm-- +Sei's auch, daß sie berührt nach Jugendart-- +Muß im Verständnis sie ihm selbst die Zeichen, +Die Mittel selbst ihm bieten seiner Tat? + +(Am Fenster des Turmes erscheint die Lampe.) + +Was dort? Die Lampe strahlt. Unselig Mädchen! +Sie leuchtet deiner Strafe, deiner Schuld. + +(Der Tempelhüter kommt.) + +Tempelhüter. +Siehst du das Licht? + +Priester. Ich seh's. Sprachst du die Fischer? + +Tempelhüter. +Ja Herr. Sie rudern nicht, wie du befahlst, +Heut nacht ins Meer, das hoch geht ohnehin. + +Priester. +So besser denn! Du folge nun! Sie kommt. + +(Sie entfernen sich nach der linken Seite.) + +(Hero kommt zurück mit einer Rolle.) + +Hero. +Hier ist dein Brief. Nimmst du ihn nicht?--Ei ja! +Wo ging' er mir nur hin?--Er kommt wohl wieder. + +(Sie steckt den Brief in den Gürtel.) + +Wie schön du brennst, o Lampe, meine Freundin! +Noch ist's nicht Nacht, und doch geht alles Licht, +Das rings umher die laute Welt erleuchtet, +Von dir aus, dir, du Sonne meiner Nacht. +Wie an der Mutter Brust hängt alles Wesen +An deinem Umkreis, saugend deinen Strahl. Hier will ich sitzen, +will dein Licht bewahren, +Daß es der Wind nicht neidisch mir verlöscht. +Hier ist es kühl, im Turme schwül und schläfrig, +Die dumpfe Luft drückt dort die Augen zu. +Das aber soll nicht sein, es gilt zu wachen. + +(Sie sitzt.) + +Sie haben mich geplagt den langen Tag +Mit Kommen und mit Gehn. Nicht absichtslos! +Allein weshalb? warum? Ich weiß es nicht. + +(Den Kopf in die Hand gesenkt.) + +Doch immerhin! Drückt erst nicht mehr die Stirn, +Erkenn ich's wohl. Und dann--soll auch--wenn nur-- + +(Emporfahrend.) + +Was ist? Wer kommt?--Ich bin allein. Der Wind nur +Weht schärfer von der See.--So besser denn, +Treibst du den Holden früher ans Gestade. +Die Lampe brennt noch hell. Pfui, wer wird träumen? +Hellauf und frisch! Der Liebe süße Wacht. + +(Den Kopf wieder in die Hand gestützt.) + +Genau besehn, wollt' ich, er käme nicht. +Ihr Argwohn ist geweckt, sie lauern, spähn. +Wenn sie ihn träfen--Mitleidsvolle Götter! +Drum wär' es besser wohl, er käme nicht. +Allein er wünscht's, er flehte, bat. Er will's. +Komm immer denn, du guter Jüngling, komm! +Ich will dich hüten, wie der jungen Schar +Die Glucke schützt, und niemand soll dir nahn, +Niemand, als ich allein; und nicht zu schäd'gen; +Bewahr! bewahr!--Ich bin doch müd'. +Es schmerzt der Fuß. Löst niemand mir die Schuh? + +(Sie zieht einen Fuß auf die Ruhebank.) + +Hier drückt es, hier. Hat mich ein Stein verletzt? + +(Auch den zweiten Fuß an sich ziehend, in halbliegender Stellung.) + +Wie süß, wie wohl!--Komm Wind der Nacht +Und kühle mir das Aug', die heißen Wangen! +Kommst du doch übers Meer, von ihm. +Und, oh, dein Rauschen und der Blätter Lispeln, +Wie Worte klingt es mir: von ihm mir, ihm, von ihm. +Breit aus die Schwingen, hülle sie um mich, +Um Stirn und Haupt, den Hals, die müden Arme, +Umfaß, umfang! Ich öffne dir die Brust.-- +Und kommt er, sag es an!--Leander--du?-- + +(Pause.) + +(Der Tempelhüter kommt lauschend auf den Zehen, hinter ihm der +Priester, der am Eingange des Turmes stehenbleibt.) + +Tempelhüter (sich der Ruhebank nähernd, mit gedämpfter Stimme). +Hero!--Sie schläft!-- + +Priester. Vom Turme strahlt das Licht. +Der Götter Sturm verlösche deine Flamme. + +(Er geht in den Turm.) + +Tempelhüter. +Was sinnt er nur? Mir wird so bang und schwer. +Wenn ich nicht sprach; und doch, wie konnt' ich anders? +Dort gehen Männer mit des Fischzugs Netzen. + +(Sich der rechten Seite nähernd.) + +Was schafft ihr dort? Ward euch denn nicht geboten, +Zu bleiben heute nacht dem Meere fern +In eurer Hütten festverschloßnen Räumen? + +(Zurückkommend.) + +Sie meinen, es gibt Sturm. Nun, Götter, waltet! + +(Zum Turm emporblickend.) + +Die Lampe wird bewegt. Er selbst!--Unselig Mädchen! +Erwacht sie? Nein. So warnet dich kein Traum? + +(Hero macht aufatmend eine Bewegung und sinkt dann tiefer in Schlaf. +Das Haupt gleitet aus der unterstützenden Hand und ruht auf dem +Oberarm, indes der untere Teil schlaff hinabhängt. Es ist dunkel +geworden.) + +Tempelhüter. +Mich schaudert. Weh! Hätt' ich mein Oberkleid! + +(Der Priester kommt zurück.) + +Priester. +Wer spricht? Bist du's?--Komm mit, es sinkt die Nacht, +Und brütet über ungeschehnen Dingen. + +(Zu Hero hintretend.) + +Nun, Himmlische, nun waltet eures Amts! +Die Schuldigen hält Meer und Schlaf gebunden, +Und so ist eures Priesters Werk vollbracht: +Das Holz geschichtet und das Beil gezückt, +Wend ich mich ab. Trefft Götter selbst das Opfer. + +(Indem er sich zum Fortgehen wendet fällt der Vorhang.) + + + + + +Fünfter Aufzug + + +(Platz vor Heros Turm, wie zum Schluß des vorigen Aufzuges. Es ist +Morgen.) + +(Beim Aufziehen des Vorhanges steht Hero in der Mitte der Bühne, +den herabgesunkenen Kopf in die Hand gestützt, vor sich hinstarrend. +Janthe kommt.) + +Janthe. +Stehst du noch immer da, gleich unbewegt, +Und starrst auf (einen) Punkt? Komm mit ins Wäldchen! +Die Luft hat ausgetobt, die See geht ruhig. +Doch hörtest du den Aufruhr heute nacht? + +Hero. +Ob ich gehört? + +Janthe. Du warst so lang hier außen. +Zwar endlich hört' ich Tritte über mir. +Doch leuchtete kein Licht aus deiner Kammer. + +Hero. +Kein Licht! Kein Licht! + +Janthe. Dich martert ein Geheimnis. +Wenn du's vertrautest, leichter trügest du's. + +Hero. +Errietst du's etwa schon und frägst mich doch? +Ich sollte wachen hier, doch schlief ich ein. +Es war schon Nacht, da weckte mich der Sturm. +Schwarz hing es um mich her; verlöscht die Lampe. +Mit losgerißnem Haar, vom Wind durchweht, +Flog ich hinan. Kein Licht! nicht Trost und Hilfe, +Lautjammernd, auf den Knien fand mich der Tag.-- +Und doch, und dennoch! + +Janthe. Arme Freundin! + +Hero. Arm? +Und dennoch! Sieh! die Götter sind so gut! +Ich schlief kaum ein, da löschten sie das Licht. +Beim ersten Strahl des Tags hab ich's besehn, +Mit heißem, trocknen Aug' durchforscht' die Lampe: +Kein Hundertteil des Öles war verbrannt, +Der Docht nur kaum geschwärzt. Klar war es, klar: +Kaum schlief ich ein, verlöschte schon das Licht. +Die Götter sind so gut! Geschah es später, + +(Von ihr wegtretend, vor sich hin.) + +So gab der Freund sich hin dem wilden Meer, +Der Sturm ereilte ihn, und er war tot. +So aber blieb er heim, gelockt von keinem Zeichen, +Und ist gerettet, lebt. + +Janthe. Du scheinst so sicher. + +Hero. +Ich bin es, denn ich bin. Die Götter sind so gut! +Und was wir fehlten, ob wir uns versehn, +Sie löschen es mit feuchtem Finger aus, +Und wehren dem Verderben seine Freude. +Ich aber will so jetzt, als künft'ge Zeit +Auch ihnen kindlich dankbar sein dafür; +Und manches was nicht recht vielleicht und gut +Und ihnen nicht genehm, es sei verbessert; +Zum mindesten entschieden, denn die Götter, +Sie sind dem festen, dem entschiednen hold. +Nun aber, Mädchen, tritt dort an die Anfurt. +Sieh, ob dein Aug' die Küste mir erreicht, +Das sel'ge Jenseits, wo--Schau gen Abydos! +Ich hab's aus meinem Turm nur erst versucht, +Doch lagen Nebel drauf. Nun ist's wohl hell. +Willst du? + +(Sie setzt sich.) + +Janthe (nach dem Hintergrunde gehend). +Doch sieh! es brach der Sturm den Strauch, +Der dort am Fuße wächst des Turms, und, liegend, +Verwehren seine Zweige mir den Tritt. + +Hero. +Erheb die Zweige nur! Bist du so träg? + +Janthe. +Noch Tropfen hängen dran. + +(Mit dem Fuße am Boden hinstreifend.) + +Auch Tang und Meergras +Warf aus die See.--Ei, Muscheln, buntes Spielzeug! +Es pflegt der Sturm die Trümmer seines Zorns +Hierherzustreun.--Das Ende eines Tuchs. +Es ist so schwer. Ein Lastendes von rückwärts +Hält es am Boden fest.--Fürwahr ein Schleier! +Fast gleicht es jenen, die du selber trägst, +Zu Schleifen eingebunden beide Enden, +Nach Wimpelart. Sieh zu! vielleicht erkennst du's. +Doch ist es feucht, sonst würf' ich dir's als Ball. + +Hero. +Laß das Getändel, laß! Erheb die Zweige. + +Janthe. +Sie sind so schwer. O weh, mein gutes Kleid! +Nun, denk ich, halt ich sie. Ei ja! sie weichen. +Tritt selber nur herzu! Ich halte. Schau! + +(Sie hat die auf den Boden herabhängenden Zweige zusammengefaßt und +emporgehoben. Leander liegt tot auf der Anfurt.) + +Hero (aufstehend). +Ich komme denn!--Ein Mann!--Leander!--Weh! + +(Nach vorn zurückeilend.) + +Betrogne und Betrüger, meine Augen! +Ist's wirklich? wahr? + +Janthe (die mit Mühe über die Zweige nach rückwärts geblickt). +O mitleidsvolle Götter! + +(Der Priester kommt von der rechten Seite.) + +Priester. +Welch Jammerlaut tönt durch die stille Luft? + +Hero (zu Janthen). +Laß los die Zweige, laß! + +(Janthe läßt die Zweige fallen, die Leiche ist bedeckt.) + +Hero (dem Priester entgegen, und bemüht ihm die Aussicht nach rückwärts +zu benehmen). +Mein Oheim, du?-- +So früh im Freien?--Doch der Tag ist schön. +Wir wollten eben beide--Freudig--froh!-- + +(Sie sinkt von Janthen unterstützt zu Boden.) + +Priester. +Was war? Was ist geschehn? + +Janthe (mit Hero beschäftigt, nach dem Strauche zeigend). +O Herr! mein Herr! +Priester. +Erheb die Zweige! Schnell! + +(Es geschieht.) + +Gerechte Götter! +Ihr nahmt ihn an. Er fiel von eurer Hand! + +Janthe (noch immer die Zweige haltend). +Erbarmt sich niemand? Nirgends Beistand, Hilfe? + +Priester. +Laß dort und komm! + +(Indem er sie anfaßt.) + +Hörst du? und schweig! Entfällt +Ein einzig Wort von dem was du vernahmst + +(Sich von ihr entfernend, laut.) + +Ein Fremder ist der Mann, ein Unbekannter, +Den aus das Meer an diese Küste warf, +Und jene Priestrin sank bei seiner Leiche, +Weil es ein Mensch, und weil ein Mensch erblich. + +(Der Tempelhüter und mehrere Diener sind von der rechten Seite +gekommen.) + +Priester. +Am Strande liegt ein Toter. Geht, erhebt ihn! +Daß seine Freunde kommen und ihn sehn. + +(Diener gehen auf den Strauch zu.) + +Priester. +Nicht hier. Den Turm herum. Rechts an der Anfurt. + +(Diener auf der linken Seite ab. In der Folge sieht man durch die +Blätter Anzeichen ihrer Beschäftigung. Endlich wird der Strauch +emporgehoben und befestigt, wo dann der Platz leer erscheint.) + +Tempelhüter (leise). +So ist's denn--? + +Priester. Schweig! + +Tempelhüter. Nur, Herr, um dir zu melden: +Der ältre jener beiden Jünglinge, +Die du wohl kennst; wir fanden ihn am Strand, +Trostlosen Jammers, suchend seinen Freund. +Die Diener halten ihn. + +Priester. Führt ihn herbei. +Hat er die Freiheit gleich verwirkt, und mehr, +Sei's ihm erlassen, bringt er jenen heim. + +(Tempelhüter nach der rechten Seite ab.) + +Priester (zu Hero, die sich mit Janthens Hilfe aufgerichtet und einige +Schritte nach vorn gemacht hat). +Hero! + +Hero. Wer ruft? + +Priester. Ich bin's. Du höre mich! + +Hero (scheu nach rückwärts blickend, zu Janthe). +Wo ist er hin? Janthe, wo? + +Janthe. O mir! + +Priester. +Da's nun geschehn. + +Hero. Geschehen? Nein! + +Priester. Es ist! +Die Götter laut das blut'ge Zeugnis gaben, +Wie sehr sie zürnen, und wie groß dein Fehl; +So laß in Demut uns die Strafe nehmen; +Das Heiligtum, es teile nicht die Makel, +Und ew'ges Schweigen decke was geschehn. + +Hero. +Verschweigen ich, mein Glück und mein Verderben, +Und frevelnd unter Frevlern mich ergehn? +Ausschreien will ich's durch die weite Welt, +Was ich erlitt, was ich besaß, verloren, +Was mir geschehn, und wie sie mich betrübt. +Verwünschen dich, daß es die Winde hören +Und hin es tragen vor der Götter Thron. +Du warst's, du legtest tückisch ihm das Netz, +Ich zog es zu, und da war er verloren. +Wo brachtet ihr ihn hin? ich will zu ihm! + +(Der Tempelhüter und mehrere Diener führen Naukleros herbei. Der +Hüter geht gleich darauf nach der linken Seite ab.) + +Hero. +Ha du! o Jüngling! Suchst du deinen Freund? +Dort lag er, tot! Sie tragen ihn von dannen. + +Naukleros. +O Schmerz! + +Hero. Ringst du die Hände, da's zu spät? +Du staunst? Du klagst? Ja, läss'ger Freund! +Er gab sich hin dem wildbewegten Meer, +Beschützt von keinem Helfer, keinem Gott, +Und tot fand ich ihn dort am Strande liegen. +Und fragst du wer's getan? Sieh! dieser hier, +Und ich, die Priesterin, die Jungfrau--So?-- +Menanders Hero, ich, wir beide taten's. +Mit schlauen Künsten ließ er mich nicht ruhn, +Versagte mir Besinnen und Erholung; +Ich aber trat in Bund mit ihm und schlief. +Da kam der Sturm, die Lampe löscht' er aus, +Das Meer erregt' er wild in seinen Tiefen, +Da jener schwamm, von keinem Licht geleitet. +Die schwarzen Wolken hingen in die See, +Das Meer erklomm, des Schadens froh, die Wolken, +Die Sterne löschten aus, ringsum die Nacht. +Und jener dort, der Schwimmer sel'ger Liebe +Nicht Liebe fand er, Mitleid nicht im All. +Die Augen hob er zu den Göttern auf, +Umsonst! Sie hörten nicht, wie? oder schliefen? +Da sank er, sank. Noch einmal ob den Wogen, +Und noch einmal, so stark war seine Glut. +Doch allzumächtig gegen ihn der Bund +Von Feind und Freund, von Hassern und Geliebten. +Das Meer tat auf den Schlund, da war er tot. +O ich will weinen, weinen, mir die Adern öffnen, +Bis Tränen mich und Blut, ein Meer, umgeben; +So tief wie seins, so grauenhaft wie seins, +So tödlich wie das Meer, das ihn verschlungen. + +Naukleros. +Leander, oh, mein mildgesinnter Freund! + +Hero. +Sag: er war alles! Was noch übrigblieb, +Es sind nur Schatten; es zerfällt; ein Nichts. +Sein Atem war die Luft, sein Aug' die Sonne, +Sein Leib die Kraft der sprossenden Natur, +Sein Leben war das Leben, deines, meins, +Des Weltalls Leben. Als wir's ließen sterben, +Da starben wir mit ihm. Komm, läss'ger Freund, +Komm, laß uns gehn mit unsrer eignen Leiche. +Du hast zwei Kleider und dein Freund hat keins, +Gib mir dein Kleid, wir wollen ihn bestatten. + +(Naukleros nimmt seinen Überwurf ab, Janthe empfängt ihn.) + +Hero. +Nur einmal noch berühren seinen Leib, +Den edlen Leib, so voll von warmem Leben. +Von seinem Munde saugen Rat und Trost. +Dann--ja, was dann?--Zu ihm! + +(Zum Tempelhüter, der zurückgekommen ist.) + +Verweigerst du's? +Ich will zu meinem Freund! Wer hindert's? du? + +(Sie macht eine heftige Bewegung, dann sinken Haupt und Arme +kraftlos herab. Janthe will ihr beistehen.) + +Hero. +Laß mich! Der Mord ist stark. Und ich hab ihn getötet. + +(Ab nach der linken Seite.) + +Priester (zu Janthen). +Folg ihr! + +(Janthe geht.) + +Priester (zu Naukleros). +Du bleib! Dein Leben ist verwirkt, +Doch schenk ich dir's, bringst heim du jenen Toten +Und schweigst dein Leben lang. Kamst du allein? + +Naukleros. +Mir folgten Freunde von der Küste jenseits. + +Priester. +Halt sie bereit.--Wo brachtet ihr ihn hin? + +Tempelhüter. +Zum Tempel, Herr. + +Priester. Warum zum Tempel, sprich! + +Tempelhüter. +So will's der Brauch. + +Priester. Will's so der Brauch, wohlan! +Die Bräuche muß man halten, sie sind gut. +Und nun zu ihr! Entfernt die Störung erst, +Legt mild die Zeit den Balsam auf die Wunde. +Ja, dies Gefühl, im ersten Keim erstickt, +Bewahrt vor jedem zweiten die Verlockte, +Und heilig fürderhin--Komm mit! Ihr folgt! + +(Alle ab.) + + + + + + + + +(Das Innere des Tempels. Der Mittelgrund durch einen zwischen +Säulen herabhängenden Vorhang geschlossen. Auf der rechten Seite +des Vorgrundes eine Bildsäule Amors, an deren Arm ein Blumenkranz +hängt.) + +(Mädchen kommen mit Zurechtstellen von Opfergefäßen und Abnehmen +von Blumengewinden beschäftigt. Zwei davon nähern sich dem +Vorhange.) + +(Janthe kommt.) + +Janthe. +O laßt sie, laßt! Gönnt ihr die kurze Ruh'! +Wie mag sie trauern um den Teuern, Guten. +Sie fand den Ort wo man ihn hingebracht +Blindfühlend aus, von niemanden belehrt, +Und stürzte auf die Knie und weinte laut, +Mit ihres Atems Wehn, mit ihren Tränen +Zum Leben ihn zu rufen ohne Furcht bemüht. +Doch als er des nicht achtet, weil er tot, +Da warf sie sich auf den Erblaßten hin, +Die teure Brust mit ihrer Brust bedeckend, +Den Mund auf seinem Mund, die Hand in ihrer. +Seitdem nun ist ihr Klagelaut verstummt, +Doch, fürcht ich, sammelt sie nur neue Kraft +Zu tieferm Jammer.--Nun, ich will auch nimmer +Ein Lieb mir wünschen, weder jetzt, noch sonst: +Besitzen ist wohl schön, allein verlieren! + +(Der Priester kommt mit dem Tempelhüter und Naukleros, dem mehrere +Freunde folgen, von der rechten Seite.) + +Priester. +Wo ist sie? + +Janthe. Dort! + +Priester. Zieht auf den Vorhang! + +Janthe. Herr--! + +Priester. +Auf! sag ich, auf! Und haltet fern das Volk. + +(Der Vorhang wird aufgezogen, die Cella erscheint, zu der viele +breite Stufen emporführen. Leander liegt querüber auf einem +niedern Tragbette. Hero in einiger Entfernung auf den Stufen, +halbliegend auf den rechten Arm gestützt, wie neugierig nach dem +Toten hinblickend.) + +Priester. +Hero! + +Hero. Wer ruft? + +Priester. Ich bin's. Komm hier! + +Hero. Warum? + +(Sie steht auf und tritt zu Füßen der Tragbahre, den Toten +immerfort betrachtend) + +Priester. +Genug ward nun geklagt ob jenem Fremden! +Was schaffst du dort? + +Hero. Ich sinne, Herr! + +Priester. Du sinnst? + +Hero. +Was nur das Leben sei? +Er war so jugendlich, so schön, +So überströmend von des Daseins Fülle, +Nun liegt er kalt und tot. Ich hab's versucht, +Ich legte seine Hand an meine Brust, +Da fühlt' ich Kälte strömen bis zum Sitz des Lebens; +Im starren Auge glühte keine Sehe. +Mich schaudert. Weh! + +Priester. Mein starkes, wackres Mädchen. +So wieder du mein Kind! + +(Zu Naukleros.) + +Du tritt hinzu! +Erkennst du deinen Freund? + +Naukleros. Er ist's, er war's. + +Priester. +Nun komm! + +Hero. Warum? + +Priester. Sie tragen ihn nun fort. + +Hero. +Schon jetzt? + +Priester. So ist's. + +Hero. Wohin? + +Priester. Nach seiner Heimat. + +Hero. +Gebt einen Mantel mir. + +Priester. Wozu? + +Hero. Ihm folgen. +Ist er gleich tot, so war er doch mein Freund. +Am Strande will ich wohnen wo er ruht. + +Priester. +Unmöglich! Du bleibst hier! + +Hero. Hier? + +Priester. Priestrin, hier. + +Hero. +So laßt an unserm Ufer ihn begraben, +Wo er verblieb, wo er, ein Toter, lag, +Am Fuße meines Turms. Und Rosen sollen +Und weiße Lilien, vom Tau befeuchtet, +Aufsprossen wo er liegt. + +Priester. Auch das soll nicht. + +Hero. +Wie? Nicht? + +Priester. Es darf nicht sein. + +Hero. Es darf nicht? + +Priester (stark). Nein. + +Hero. +Nun denn, ich hab gelernt Gewaltigem mich fügen! +Die Götter wollten's nicht, da rächten sie's. +Nehmt ihn denn hin. Leb wohl, du schöner Jüngling! +Ich möchte gern noch fassen deine Rechte, +Doch wag ich's nicht, du bist so eiseskalt. +Als Zeichen nur, als Pfand beim letzten Scheiden +Nimm diesen Kranz, den Gürtel lös ich ab, +Und leg ihn dir ins Grab. Du schönes Bild, +All was ich war, was ich besaß, du hast es, +Nimm auch das Zeichen, da das Wesen dein. +Und so geschmückt, leb wohl! + +(Einige nähern sich der Leiche.) + +Hero. Und dennoch, halt! +Seid ihr so rasch?--Und dennoch, dennoch, nicht! + +(Zur Bahre tretend.) + +Nie wieder dich zu sehn, im Leben nie! +Der du einhergingst im Gewand der Nacht +Und Licht mir strahltest in die dunkle Seele, +Aufblühen machtest all' was hold und gut; +Du fort von hier an einsam dunkeln Ort, +Und nimmer sieht mein lechzend Aug' dich wieder. +Der Tag wird kommen und die stille Nacht, +Der Lenz, der Herbst, des langen Sommers Freuden, +Du aber nie. Leander, hörst du? nie! +Nie, nimmer, nimmer, nie! + +(Sich an der Bahre niederwerfend und das Haupt in die Kissen +verbergend.) + +Naukleros. +Hab Mitleid, Herr! + +Priester. Ich (habe) Mitleid, +Deshalb errett ich sie. + +(Zu Hero tretend.) + +Es ist genug. + +Hero (mit Beistand sich aufrichtend). +Genug? +Meinst du? genug!--Was aber soll ich tun? +Er bleibt nicht hier, ich soll nicht mit. +Ich will mit meiner Göttin mich beraten. +Janthe, leite mich zu ihrem Thron. +So lang berührt ihn nicht. + +(Zu Naukleros.) + +Versprich es mir! +Gib mir die Hand darauf.--Ha, zuckst du? Gelt! +Das tat mir der, dein Freund!--Du bist so warm. +Wie wohl, wie gut!--Zu leben ist doch süß! +Nun aber laß!--Wer wärmt mir meine Hand? +Janthe komm!--Doch erst zieh mir den Schleier +Hinweg vom Aug'! + +Janthe. Kein Schleier deckt dein Haupt. + +Hero. +Ja so!--Komm denn!--Und ihr berührt ihn nicht! + +Janthe (die Heron angefaßt hat, zum Priester). +O Herr, der Frost des Todes ist mit ihr! + +Priester. +Ob Tod, ob Leben, weiß der Arzt allein. + +Janthe (Heron leitend). +Sieh hier!--Heb nur den Fuß!--Du wankst. Nur hier! + +(Hero besteigt von Janthen geführt, die Stufen. Ein Teil der +Jungfrauen folgt ihr, sich in einer herablaufenden Reihe auf der +rechten Seite aufstellend, die übrigen treten unten auf die linke +Seite, so daß die Tragbahre von ihnen verdeckt wird.) + +Priester (halblaut). +Ihr bringt indes ihn fort. + +Naukleros. Bedenk! + +Priester. Es muß! +Kehrt sie zurück, sei jede Spur verschwunden. +Dein Leben gilt's. + +Naukleros. Wohlan! + +(Seine Begleiter gehen von hinten herum und fassen die Tragbahre.) + +Hero (die von Janthen unterstützt, bereits die obern Stufen erstiegen, +ruft in demselben Augenblicke, das Gesicht noch immer gegen die +Cella gerichtet). +Leander! + +(Rasch umgewendet, Haupt und Arme in die Luft geworfen.) + +Leander! + +Janthe (sie umfassend zu den Trägern). +Halt! + +Priester. Nur fort! + +Janthe. Sie gleitet, sinkt! +Setzt ab! in Doppelschlägen pocht ihr Herz! + +Priester. +Des Herzens Schlag ist Leben, Doppelschlag +Verdoppelt Leben denn. Ihr tragt ihn fort! +Der ist kein Arzt, der Krankendrohung scheut. + +(Man hat die Leiche zu der links gegen den Hintergrund befindlichen +Pforte hinausgetragen. Der Priester folgt.) + +Janthe (bei Hero auf den Stufen kniend). +Ist hier nicht Hilfe, Rettung? Sie vergeht. + +(Den Trägern nachsehend.) + +Schon nimmt sie auf die Wölbung. Die sein warten, +Von jenseits kommen sie. Gedränge, Fackelglanz. +Die äußre Pforte tut sich auf. Weh uns +Sie donnert zu. Der Gang hüllt sich in Dunkel. +Sie haben, halten ihn. Er kommt nicht wieder. + +(Hero, die bisher halb sitzend an Janthes Knie gelehnt, gleitet +jetzt herab und liegt auf den Stufen.) + +Janthe. +Hero! O mir! Wer steht der Ärmsten bei? + +Priester (zurückkommend). +Sie führen ihn mit sich, sie rudern fort. +Bald trennt das Meer die unheilvoll Vereinten. + +Janthe (nach einer Pause aufstehend und herabkommend). +Es braucht kein Meer, der Tod hat gleiche Macht, +Zu trennen, zu vereinen. Komm und schau +So sehn die Toten aus in diesen Landen. + +Priester. +Spricht das der Wahnsinn? + +Janthe. Nein, er hört's. +Vorsicht'ger Tor, sieh deiner Klugheit Werke! + +Priester. +Und gält's ihr Leben! Gäb' ich doch auch meins, +Um Unrecht abzuhalten. Doch es ist nicht. + +(Er eilt die Stufen hinauf, vor der Hingesunkenen kniend.) + +Janthe. +Heißt nur die Männer, die den Jüngling tragen, +Drauß' harren, es bedarf noch ihres Amts. +Zwei Leichen und (ein) Grab. O gönnt es ihnen! + +(Zum Priester, der die Stufen herabkommt.) + +Nun, Mann, du gehst? So gibst du sie denn auf? +Bleib! Eine Dienerin begehrt der Freiheit, +Ich kehre heim zu meiner Eltern Herd. + +(Der Priester geht, sich verhüllend, ab.) + +Du gehst und schweigst? Sei Strafe dir dies Schweigen! +Ihr sorgt für sie, wie sonst ich selbst getan. +Mich duldet's länger nicht in eurem Hause. + +(Sie nimmt den Kranz von Amors Bildsäule.) + +Hier diesen Kranz tragt mit der Bleichen fort. + +(Den Kranz nach der mit Hero beschäftigten Gruppe hinwerfend, gegen +die Bildsäule sprechend.) + +Versprichst du viel, und hältst du also Wort? + +(Der Vorhang fällt.) + + +Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Des Meeres und der Liebe Wellen, +von Franz Grillparzer. + + + + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DES MEERES UND DER LIEBE WELLEN *** + +This file should be named 8568-8.txt or 8568-8.zip + +Project Gutenberg eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +We are now trying to release all our eBooks one year in advance +of the official release dates, leaving time for better editing. +Please be encouraged to tell us about any error or corrections, +even years after the official publication date. + +Please note neither this listing nor its contents are final til +midnight of the last day of the month of any such announcement. +The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at +Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A +preliminary version may often be posted for suggestion, comment +and editing by those who wish to do so. + +Most people start at our Web sites at: +https://gutenberg.org or +http://promo.net/pg + +These Web sites include award-winning information about Project +Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new +eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!). + + +Those of you who want to download any eBook before announcement +can get to them as follows, and just download by date. 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If the value +per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 +million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text +files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ +We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 +If they reach just 1-2% of the world's population then the total +will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. + +The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! +This is ten thousand titles each to one hundred million readers, +which is only about 4% of the present number of computer users. + +Here is the briefest record of our progress (* means estimated): + +eBooks Year Month + + 1 1971 July + 10 1991 January + 100 1994 January + 1000 1997 August + 1500 1998 October + 2000 1999 December + 2500 2000 December + 3000 2001 November + 4000 2001 October/November + 6000 2002 December* + 9000 2003 November* +10000 2004 January* + + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created +to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. + +We need your donations more than ever! + +As of February, 2002, contributions are being solicited from people +and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut, +Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois, +Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, +Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New +Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio, +Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South +Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West +Virginia, Wisconsin, and Wyoming. + +We have filed in all 50 states now, but these are the only ones +that have responded. + +As the requirements for other states are met, additions to this list +will be made and fund raising will begin in the additional states. +Please feel free to ask to check the status of your state. + +In answer to various questions we have received on this: + +We are constantly working on finishing the paperwork to legally +request donations in all 50 states. If your state is not listed and +you would like to know if we have added it since the list you have, +just ask. + +While we cannot solicit donations from people in states where we are +not yet registered, we know of no prohibition against accepting +donations from donors in these states who approach us with an offer to +donate. + +International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about +how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made +deductible, and don't have the staff to handle it even if there are +ways. + +Donations by check or money order may be sent to: + + PROJECT GUTENBERG LITERARY ARCHIVE FOUNDATION + 809 North 1500 West + Salt Lake City, UT 84116 + +Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment +method other than by check or money order. + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by +the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN +[Employee Identification Number] 64-622154. Donations are +tax-deductible to the maximum extent permitted by law. As fund-raising +requirements for other states are met, additions to this list will be +made and fund-raising will begin in the additional states. + +We need your donations more than ever! + +You can get up to date donation information online at: + +https://www.gutenberg.org/donation.html + + +*** + +If you can't reach Project Gutenberg, +you can always email directly to: + +Michael S. Hart <hart@pobox.com> + +Prof. Hart will answer or forward your message. + +We would prefer to send you information by email. + + +**The Legal Small Print** + + +(Three Pages) + +***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS**START*** +Why is this "Small Print!" statement here? You know: lawyers. +They tell us you might sue us if there is something wrong with +your copy of this eBook, even if you got it for free from +someone other than us, and even if what's wrong is not our +fault. 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