diff options
161 files changed, 17211 insertions, 0 deletions
diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..6833f05 --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,3 @@ +* text=auto +*.txt text +*.md text diff --git a/27775-0.txt b/27775-0.txt new file mode 100644 index 0000000..1d29e36 --- /dev/null +++ b/27775-0.txt @@ -0,0 +1,2897 @@ +The Project Gutenberg eBook of Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz mit fortgehenden Noten, by Jean Paul + +This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and +most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions +whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms +of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at +www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you +will have to check the laws of the country where you are located before +using this eBook. + +Title: Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz mit fortgehenden Noten + +Author: Jean Paul + +Illustrator: Karl Thylmann + +Release Date: January 12, 2009 [eBook #27775] +[Most recently updated: March 19, 2021] + +Language: German + +Character set encoding: UTF-8 + +Produced by: Norbert H. Langkau, Itay Perl, Jana Srna and the Online Distributed Proofreading Team + +*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DES FELDPREDIGERS SCHMELZLE REISE *** + + + + + [ Anmerkungen zur Transkription: + + Im Original gesperrt gedruckter Text wurde mit = markiert. + Im Original nicht in Fraktur gedruckter Text wurde mit _ markiert. + + Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen; + lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Eine Liste + der vorgenommenen Änderungen findet sich am Ende des Textes. + + Die »fortgehenden Noten« (siehe die Vorrede des Verfassers, Punkt 2) + wurden an ihren ursprünglichen Stellen im Text belassen. Um sie vom + Haupttext abzusetzen und damit die Lesbarkeit zu erhöhen, wurden sie + vier Zeichen eingerückt. + ] + + + + + [Illustration: Attila Schmelzle] + + + + + Des + Feldpredigers Schmelzle + Reise nach Flätz + mit fortgehenden Noten; + von + Jean Paul. + + + + Leipzig + Kurt Wolff Verlag + 1917. + + + + Mit acht Kupfern + von + Karl Thylmann + + + 2. Abdruck + + + + +Vorrede des Verfassers. + + +Ich glaube, mit drei Worten ist sie gemacht, so wie der Mensch und seine +Buße aus ebenso vielen Teilen. + +1) Das erste Wort ist über den Zirkelbrief des Feldpredigers Schmelzle +zu sagen, worin er seinen Freunden seine Reise nach der Hauptstadt +Flätz beschreibt, nachdem er in einer Einleitung einige Beweise und +Versicherungen seines Mutes vorausgeschickt. Eigentlich ist selber die +Reise nur dazu bestimmt, seine vom Gerüchte angefochtene Herzhaftigkeit +durch lauter Tatsachen zu bewähren, die er darin erzählt. Ob es nicht +inzwischen feine Nasen von Lesern geben dürfte, welche aus einigen +darunter gerade umgekehrt schließen, seine Brust sei nicht überall +bombenfest, wenigstens auf der linken Seite, darüber lass' ich mein +Urteil schweben. + +Übrigens bitte ich die Kunstkenner sowie ihren Nachtrab, die +Kunstrichter, diese Reise, für deren Kunstgehalt ich als Herausgeber +verantwortlich werde, bloß für ein Porträt (im französischen Sinne), +für ein Charakterstück zu halten. Es ist ein will- oder unwillkürliches +Luststück, bei dem ich so oft gelacht, daß ich mir für die Zukunft +ähnliche Charaktergemälde zu machen vorgesetzt. -- Wann könnte indes ein +solches Luststückchen schicklicher der Welt ausgestellt und beschert +werden, als eben in Zeiten, wo schweres Geld und leichtes Gelächter +fast ausgeklungen haben, zumal da wir jetzt wie Türken bloß mit Beuteln +rechnen und zahlen (der Inhalt ist heraus) und mit Herzbeuteln (der +Inhalt ist darin)? -- + +Verächtlich würde mir's vorkommen, wenn irgendein roher Tintenknecht +rügend und öffentlich anfragte, auf welchen Wegen ich zu diesem +Selbst-Kabinetts-Stücke Schmelzles gekommen sei. Ich weiß sie gut und +sage sie nicht. Dieses fremde Luststück, wofür ich allerdings (mein +Verleger bezeugt's) den Ehrensold selber beziehe, überkam ich so +rechtlich, daß ich unbeschreiblich ruhig erwarte, was der Feldprediger +gegen die Herausgabe sagt, falls er nicht schweigt. Mein Gewissen bürgt +mir, daß ich wenigstens auf ehrlicheren Wegen zu diesem Besitztume +gekommen, als die sind, auf denen Gelehrte mit den Ohren stehlen, welche +als geistige Hörsaalshausdiebe und Kathederschnapphähne und Kreuzer die +erbeuteten Vorlesungen in den Buchdruckereien ausschiffen, um sie im +Lande als eigene Erzeugnisse zu verhandeln. Noch hab' ich wenig mehr in +meinem Leben gestohlen, als jugendlich zuweilen -- Blicke. + +2) Das zweite Wort soll die auffallende, mit einem Notensouterrain +durchbrochene Gestalt des Werkleins entschuldigen. Sie gefällt mir +selber nicht. Die Welt schlage auf und schaue hinein und entscheide +ebenfalls. Aber folgender Zufall zog diese durch das ganze Buch +streichende Teilungslinie: ich hatte meine eigenen Gedanken (oder +Digressionen), womit ich die des Feldpredigers nicht stören durfte, und +die bloß als Noten hinter der Linie fechten konnten, aus Bequemlichkeit +in ein besonderes Manuskript zusammengeschrieben, und jede Note +ordentlich, wie man sieht, mit ihrer Nummer versehen, die sich bloß auf +die Seitenzahl des fremden Hauptmanuskripts bezog; ich hatte aber bei +dem Kopieren des letzteren vergessen, in den Text selber die +entsprechende einzuschreiben. Daher werfe niemand, sowenig als ich, +einen Stein auf den guten Setzer, daß dieser -- vielleicht in der +Meinung, es gehöre zu meiner Manier, worin ich etwas suchte -- die Noten +geradeso, wie sie ohne Rangordnung der Zahlen untereinander standen, +unter den Text hinsetzte, jedoch durch ein sehr lobenswürdiges +künstliches Ausrechnen wenigstens dafür sorgte, daß unter jede Textseite +etwas von solchem glänzenden Notenniederschlag käme. -- -- Nun, die +Sache ist einmal geschehen, ja verewigt, nämlich gedruckt. Am Ende +sollte ich mich eigentlich darüber erfreuen. In der Tat -- und hätt' +ich jahrelang darauf gesonnen (wie ich's bisher seit zwanzigen getan), +um für meine Digressionskometenkerne neue Lichthülsen, wenn nicht +Zugsonnen, für meine Episoden neue Epopöen zu erdenken: schwerlich +hätt' ich für solche Sünden einen besseren und geräumigeren Sündenbalg +erfunden, als hier Zufall und Setzer fertig gemacht darreichen. Ich habe +nur zu beklagen, daß die Sache gedruckt worden, eh' ich Gebrauch davon +machen können. Himmel! welche fernsten Anspielungen (hätt' ich's vor +dem Drucke gewußt) wären nicht in jeder Textseite und Notennummer zu +verstecken gewesen, und welche scheinbare Unangemessenheit in die +wirkliche Gemessenheit und ins Notenuntere der Karten; wie empfindlich +und boshaft wäre nicht die Höhe und auf die Seite herauszuhauen gewesen, +aus den sicheren Kasematten und Miniergängen unten, und welche _laesio +ultradimidium_ (Verletzung über die Hälfte des Textes) wäre nicht mit +satirischen Verletzungen zu erfüllen und zu ergänzen gewesen! + +Aber das Schicksal wollte mir nicht so gut; ich sollte von diesem +goldenen Handwerksboden für Satiren erst etwas erfahren drei Tage vor +der Vorrede. + +Vielleicht aber holt die Schreibwelt -- bei dem Flämmchen dieses Zufalls +-- eine wichtigere Ausbeute, einen größeren unterirdischen Schatz +herauf, als leider ich gehoben; denn nun ist dem Schriftsteller ein Weg +gezeigt, in einem Marmorbande ganz verschiedene Werke zu geben, auf +einem Blatte zugleich für zwei Geschlechter, ohne deren Vermischung, ja +für fünf Fakultäten zugleich, ohne deren Grenzverrückung, zu schreiben, +indem er, statt ein ekles, gärendes Allerlei für niemand zu brauen, bloß +dahin arbeitet, daß er Notenlinien oder Demarkationslinien zieht und so +auf dem nämlichen fünfstöckigen Blatte die unähnlichsten Köpfe behauset +und bewirtet. Vielleicht läse dann mancher ein Buch zum vierten Male, +bloß, weil er jedesmal nur ein Viertel gelesen. + +Wenigstens den Wert hat dieses Werk, daß es ein Werkchen ist, und klein +genug; so daß es, hoff' ich, jeder Leser fast schon im Buchladen schnell +durchlaufen und auslesen kann, ohne es, wie ein dickes, erst deshalb +kaufen zu müssen. -- Und warum soll denn überhaupt auf der Körperwelt +etwas anderes groß sein, als nur das, was nicht zu ihr gehört, die +Geisterwelt? -- + + =Baireuth=, + im Heu- und Friedensmonat 1807. + + =Jean Paul Fr. Richter.= + + +[Illustration: Der Blitzschirm ist nämlich ganz der Reimarus'sche] + + + + +Zirkelbrief des vermutlichen katechetischen Professors =Attila +Schmelzle= an seine Freunde, eine Ferienreise nach Flätz enthaltend, +samt einer Einleitung, sein Davonlaufen und seinen Mut als voriger +Feldprediger betreffend. + + +Nichts ist wohl lächerlicher, meine werten Freunde, als wenn man +einen Mann für einen Hasen ausgibt, der vielleicht gerade mit den +entgegengesetzten Fehlern eines Löwen kämpft, wiewohl nun auch der +afrikanische Leu seit Sparrmanns Reise als ein Feigling zirkuliert. +Ich bin indes in diesem Falle, Freunde, wovon ich später reden werde, +ehe ich meine + + [103] Gute Fürsten bekommen leicht gute Untertanen (nicht so leicht + diese jene); so wie Adam im Stande der Unschuld die Herrschaft über + die Tiere hatte, die alle zahm waren und blieben, bis sie bloß mit + ihm verwilderten und fielen. + +Reise beschreibe. Ihr freilich wißt alle, daß ich gerade umgekehrt den +Mut und den Waghals (ist er nur sonst kein Grobian) vergöttere, zum +Beispiel meinen Schwager, den Dragoner, der wohl nie in seinem Leben +einen Menschen allein ausgeprügelt; sondern immer einen ganzen geselligen +Zirkel zugleich. Wie furchtbar war nicht meine Phantasie schon in der +Kindheit, wo ich, wenn der Pfarrer die stumme Kirche in einem fort +anredete, mir oft den Gedanken: »wie, wenn du jetzt geradezu aus dem +Kirchenstuhle hinauf schrieest: ich bin auch da, Herr Pfarrer!« so +glühend ausmalte, daß ich vor Grausen hinaus mußte! -- So etwas wie +Rugendas' Schlachtstücke -- entsetzliches Mordgetümmel -- Seetreffen und +Landstürme bei Toulon -- auffliegende Flotten -- und in der Kindheit +Prager Schlachten auf Klavieren -- und kurz, jede Karte von einem +reichen Kriegsschauplatz; dies sind vielleicht zu sehr meine +Liebhabereien und ich lese -- und kaufe nichts lieber; es könnte + + [5] Denn ein guter Arzt rettet, wenn nicht immer von der Krankheit, + doch von einem schlechten Arzt. + +mich oft zu manchem versuchen, hielt mich nicht meine Lage aufrecht. +Soll indes rechter Mut etwas Höheres sein, als bloßes Denken und Wollen: +so genehmigt ihr es am ersten, Werteste, wenn auch der meinige einst +dadurch in tätige Worte ausbrechen will, daß ich meinen künftigen +Katecheten, so gut es in Vorlesungen möglich, zu christlichen Heroen +stähle. -- Es ist bekannt, daß ich immer, wenigstens zehn Acker weit, +von jedem Ufer voll Badegäste und Wasserschwimmer fern spazieren gehe, +um für mein Leben zu sorgen, bloß weil ich voraussehe, daß ich, falls +einer davon ertrinken wollte, ohne weiteres (denn das Herz überflügelt +den Kopf) ihm, dem Narren, rettend nachspringen würde, in irgendeine +bodenlose Tiefe hinein, wo wir beide ersöffen. -- Und wenn das Träumen +der Widerschein des Wachens ist, so frag' ich euch, Treue, erinnert ihr +euch nicht mehr, daß ich euch Träume von mir erzählt habe, deren sich +kein Cäsar, Alexander und + + [100] Die Bücher liegen voll Phönixasche eines tausendjährigen + Reichs und Paradieses; aber der Krieg weht und viel Asche verstäubt. + +Luther schämen darf? Hab' ich nicht -- um nur an einige zu erinnern -- +Rom gestürmt und mich mit dem Papste und dem Elefantenorden des +Kardinalkollegiums zugleich duelliert? Bin ich nicht zu Pferde, worauf +ich als Revuezuschauer gesessen, in ein _bataillon quarré_ eingebrochen +und habe in Aachen die Perücke Karls des Großen, wofür die Stadt +jährlich zehn Rtlr. Frisiergeld zahlt, und darauf in Halberstadt von +Gleim Friedrichs Hut erobert, und beide aufeinander aufgesetzt und habe +mich doch noch umgekehrt, nachdem ich vorher auf einem erstürmten Walle +die Kanone gegen den Kanonier selber umgekehrt? -- habe ich nicht mich +beschneiden und doch als Jude mich zählen lassen, und mit Schinken +bewirten, wiewohl's Affenschinken am Orinoko waren (nach Humboldt)? Und +tausend dergleichen; denn zum Beispiel den Flätzer Konsistorialpräsidenten +hab' ich aus dem Schloßfenster geworfen -- Knall- oder Allarmfidibus von + + [102] Lieber politischer und religiöser Inquisitor! Die Turiner + Lichtchen leuchten ja erst recht, wenn du sie zerbrichst, und zünden + dann sogar. + +Heinrich Backofen in Gotha, das Dutzend zu 6 Gr., und jeder wie eine +Kanone knallschlagend, hab' ich so ruhig angehört, daß die Fidibus mich +nicht einmal aufweckten -- und mehr. + +Doch genug! Es ist Zeit, mit wenigem die Verleumdung meines +Feldpredigeramtes, die leider auch in Flätz umläuft, bloß dadurch, wie +ein Cäsar den Alexander zu zerstäuben, daß ich sie berühre. Es sei daran +wahr was wolle, es ist immer wenig oder gar nichts. Euer großer Minister +und General in Flätz -- vielleicht der größte überall -- denn es gibt +nicht viele Schabacker -- konnte allerdings wie jeder große Mann gegen +mich eingenommen werden, doch nicht mit dem Geschütz der Wahrheit; denn +letzteres stell' ich euch hierher, ihr Herzen, und drückt ihr's nur zu +meinem Besten ab! Es laufen nämlich im Flätzischen unsinnige Gerüchte +um, daß ich aus bedeutenden Schlachten Reißaus genommen + + [86] So wahr! In der Jugend liebt und genießt man unähnliche Freunde + fast mehr, als im Alter die ähnlichsten. + +(so pöbelhaft spricht man), und daß nachher, als man Feldprediger +zu Dank- und Siegespredigten gesucht, nichts zu haben gewesen. Das +Lächerliche davon erhellt wohl am besten, wenn ich sage, daß ich in gar +keinem Treffen gewesen bin, sondern mehrere Stunden vor demselben mich +so viele Meilen rückwärts dahin gezogen habe, wo mich unsere Leute, +sobald sie geschlagen worden, notwendig treffen mußten. Zu keiner Zeit, +ist der Rückzug wohl so gut -- ein guter aber wird für das Meisterstück +der Kriegskunst gehalten -- und mit solcher Ordnung, Stärke und Sicherheit +zu machen, als eben vor dem Treffen, wo man ja nicht geschlagen ist. + +Ich könnte zwar als hoffentlicher Professor der Katechetik zu solchen +Verumfeiungen meines Mutes still sitzen und lächeln -- denn schmied' ich +meine künftigen Katecheten durch sokratisches Fragen zum Weiterfragen +zu: so hab' ich sie zu Helden gehärtet, da nichts gegen sie zu Felde +zieht als Kinder -- Katecheten + + [128] In der Liebe gibt's Sommerferien; aber in der Ehe gibt's auch + Winterferien, hoff' ich. + +dürfen ohnehin Feuer fürchten, nur Licht nicht, da in unseren Tagen wie +in London die Fenster eingeworfen werden, wenn sie nicht erleuchtet +sind, anstatt daß es sonst den Völkern mit dem Lichte ging wie den +Hunden mit dem Wasser, die, wenn man ihnen lange keins gibt, endlich die +Scheu vor dem Wasser bekommen -- und überhaupt säuselt für Katecheten +jeder Park lieblicher und wohlriechender als ein schwefelhafter +Artilleriepark, und der Kriegsfuß, worauf die Zeit gesetzt wird, ist +ihnen der wahre teuflische Pferdefuß der Menschheit. -- -- + +Aber ich denke anders -- ordentlich als wäre der Patengeist des +Taufnamen Attila mehr, als sich's gehört, in mich gefahren, ist + + [143] Die Weiber haben wöchentlich wenigstens einen aktiven und + passiven =Neids=tag, den heiligen, den Sonntag; -- nur die höhern + Stände haben mehr Sonn- als Werkeltage, so wie man in großen Städten + seinen Sonntag schon Freitags mit einem Türken feiern kann, Sonnabends + mit einem Juden, Sonntags mit sich selbst. Weiber gleichen köstlichen + Arbeiten aus Elfenbein, nichts ist weißer und glätter und nichts wird + leichter gelb. + +mir daran gelegen, immer nur meinen Mut zu beweisen, was ich denn hier +wieder mit einigen Zeilen tun will, teuerste Freunde! Ich könnte diese +Beweise schon durch bloße Schlüsse und gelehrte Zitate führen. Zum +Beispiel wenn Galen bemerkt, daß Tiere mit großen Hinterbacken +schüchtern sind: so brauch' ich bloß mich umzuwenden und dem Feinde nur +den Rücken -- und was darunter ist -- zu zeigen, wenn er sehen soll, +daß es mir nicht an Tapferkeit fehlt, sondern an Fleisch. -- Wenn nach +bekannten Erfahrungen Fleischspeisen herzhaft machen: so kann ich +dartun, daß ich hierin keinem Offizier nachstehe, welcher bei seinem +Speisewirt große Bratenrechnungen nicht nur machen, sondern auch +unsaldiert bestehen läßt, um zu jeder Stunde, sogar bei seinem Feinde +selber (dem Wirte), ein offenes Dokument zu haben, daß er das Seinige +(und Fremdes dazu) gegessen, und gemeines Fleisch auf den Kriegsfuß +gesetzt, + + [34] Nur die kleinen Tapeten- und Hintertüren sind die Gnadentüren; + das große Tor ist die Ungnadentüre, die Flügeltüren sind halbe + Januspforten. + +lebend nicht, wie ein anderer, von Tapferkeit, sondern für Tapferkeit. +Ebensowenig hab' ich je als Feldprediger hinter irgendeinem Offizier +unter dem Regimente zurückstehen wollen, der ein Löwe ist und mithin +jeden Raub angreift, nur daß er, wie dieser König der Tiere, das Feuer +fürchtet -- oder der, wie König Jakob von England, welcher davonlaufend +vor nackten Degen, desto kühner vor ganz Europa dem stürmenden Luther +mit Buch und Feder entgegenschritt, gleichfalls bei ähnlicher +Idiosynkrasie sowohl mündlich als schriftlich mit jedem Kriegsheer +anbindet. Hier entsinn' ich mich vergnügt eines wackeren Sous-Lieutenants, +der mir beichtete -- wiewohl er mir noch das Beichtgeld schuldig ist, +sowie, noch besser, seinen Wirtinnen das Sündengeld -- welcher in +Rücksicht der Herzhaftigkeit vielleicht etwas von jenem indischen Hunde +hatte, den Alexander geschenkt bekommen + + [21] Schiller und Klopstock sind poetische Spiegel vor dem + Sonnengotte; die Spiegel werfen so blendend die Sonne zurück, daß + man in ihnen die Gemälde der Welt nicht gespiegelt sehen kann. + +als einen Hundsalexander. Der Makedonier ließ zur Probe auf den +Wunderhund andere Helden- oder Wappentiere anlaufen -- erstlich einen +Hirschen -- aber der Hund ruhte; -- dann eine Sau -- er ruhte; -- sogar +einen Bären -- er ruhte: jetzt wollt' ihn Alexander verurteilen, als +man endlich einen Löwen einließ; da stand der Hund auf und zerriß den +Löwen. Ebenso der Sous-Lieutenant. Ein Duellant, ein Auswärtsfeind, ein +Franzose ist ihm nur Hirsch und Sau und Bär, und er bleibt liegen; aber +nun komme und klopfe an sein ältester, stärkster Feind, sein Gläubiger, +und fordere ihm für verjährte Freuden jetziges Schmerzensgeld ab, und +wollt' ihm so Vergangenheit und Zukunft zugleich abrauben: der Leutnant +fährt auf und wirft den Gläubiger die Treppe hinab. Leider steh' ich +auch erst bei der Sau und werde natürlich verkannt. + +_Quo_ -- sagt Livius XII. 5. mit Recht -- + + [72] Den Halbgelehrten betet der Viertelsgelehrte an -- diesen der + Sechzehnteilsgelehrte -- und so fort; -- aber nicht den Ganzgelehrten + der Halbgelehrte. + +_quo timoris minus est, eo minus ferme periculi est_, oder zu deutsch +-- je weniger man Furcht hat, desto weniger Gefahr ist fast dabei; ich +kehre den Satz ebenso richtig um, je weniger Gefahr, desto kleiner die +Furcht, ja es kann Lagen geben, wo man ganz und gar von Furcht nichts +weiß -- worunter meine gehört. Um desto verhaßter muß mir jede Afterrede +über Hasenherzigkeit erscheinen. + +Ich schicke meiner Ferienreise noch einige Tatsachen voraus, welche +beweisen, wie leicht Vorsicht -- das heißt wenn ein Mensch nicht dem +dummen Hamster gleichen will, der sich sogar gegen einen Mann zu Pferde +auflehnt -- für Feigheit gelte. Ich wünschte übrigens nur, ich könnte +ebenso glücklich einen ganz anderen Vorwurf, den eines Waghalses, +ablehnen, wiewohl ich doch im folgenden gute Fakta beizubringen gedenke, +die ihn entkräften. + + [35] _Bien écouter c'est presque répondre_ sagt Marivaux mit Recht + von geselligen Zirkeln; ich dehn' es aber auch auf runde Sessions- + und Kabinettstische aus, wo man referiert und der Fürst zuhört. + +Was hilft der Heldenarm ohne ein Heldenauge? Jener wächst leicht stärker +und nerviger, dieses aber schleift sich nicht so bald wie Gläser +schärfer. Indes aber, die Verdienste der Vorsicht fallen weniger ins +Auge (ja mehr ins Lächerliche) als die des Mutes. Wer mich zum Beispiel +bei ganz heiterem Himmel mit einem wachstuchenen Regenschirm gehen +sieht: dem komm' ich wahrscheinlich so lange lächerlich vor, als er +nicht weiß, daß ich ihn als Blitzschirm führe, um nicht von einem +Wetterstrahl aus blauem Himmel (wovon in der mittleren Geschichte mehr +als ein Beispiel steht) getroffen zu werden. Der Blitzschirm ist nämlich +ganz der Reimarussche; ich trage auf einem langen Spazierstocke das +wachstuchene Sturmdach, von dessen Giebel sich eine Goldtresse als +Ableitungskette niederzieht, die durch einen Schlüssel, den sie auf dem +Fußsteig nachschleift, jeden möglichen + + [17] Das Bette der Ehren sollte man doch, da oft ganze Regimenter + darauf liegen, und die letzte Ölung und vorletzte Ehre empfangen von + Zeit zu Zeit weichfüllen, ausklopfen und sömmern. + +Blitz leicht über die ganze Erdfläche ableitet und verteilt. Mit diesem +Paradonner (_paratonnerre portatif_) in der Hand will ich mich wochenlang +ohne die geringste Gefahr unter dem blauen Himmel herumtreiben. Indes +deckt diese Taucherglocke noch gegen etwas anderes -- gegen Kugeln. Denn +wer gibt mir im Herbste schwarz auf weiß, daß kein versteckter Narr von +Jäger irgendwo, wenn ich die Natur genieße und durchstreife, seine +Kugelbüchse in einem Winkel von 45 Grad so abdrückt, daß sie im +Herunterfallen bloß auf meinem Scheitel aufzuschlagen braucht, damit +es so gut ist, als würd' ich seitwärts ins Gehirn geschossen? + +Es ist ohnehin schlimm genug, daß wir nichts gegen den Mond haben, uns +zu wehren -- der uns gegenwärtig beschießt mit Gestein, wie ein halber +türkischer; denn dieser elende, + + [112] Gewisse Weltweiber benutzen in gewissen Fällen ihre körperliche + Ohnmacht, wie Mohammed seine =fallende= Sucht -- auch ist jene diese + -- bloß um Offenbarungen, Himmel, Eingebungen, Heiligkeit und + Proselyten zu erhalten. + +kleine Erdtrabant und Läufer und _valet de Fantaisie_ glaubt in diesen +rebellierenden Zeiten auch anfangen zu müssen, seiner großen Landesmutter +etwas zuzuschleudern aus der Davidshirtentasche. Wahrhaftig, jetzt kann +ja ein junger Katechet von Gefühl nachts mit geraden Gliedern in den +Mondschein hinauswandeln, um manches zu empfinden oder zu bedenken, +und kann (mitten im Gefühl erwirft ihn der absurde Satellit) als +zerquetschter Brei wieder nach Hause gehen. -- -- Bei Gott! überall +Klingenproben des Muts! Hat man mühsam Donnerkeile eingeschmolzen und +Kometenschwänze anglisiert: so führt der Feind neues Geschütz im Mond +auf oder sonst wo im Blau! + +Noch eine Geschichte sei genug, um zu beweisen, wie lächerlich gerade +die ernsthafteste + + [120] Mancher wird ein freier Diogenes, nicht wenn er in dem Fasse, + sondern wenn dieses in ihm wohnt; und die gewaltige Hebkraft des + =Flaschenzugs= in der Mechanik spürt er fast von einem Flaschenzuge + anderer Art beim Flaschenkeller wiederholt und gut bewährt. + +Vorsicht bei allem inneren Mute oft außen dem Pöbel erscheint. Reiter +kennen die Gefahren auf einem durchgehenden Pferde längst. Mein Unstern +wollte, daß ich in Wien auf ein Mietspferd zu sitzen kam, das zwar ein +schöner Honigschimmel war, aber alt und hartmäulig wie der Satan, so daß +die Bestie in der nächsten Gasse mit mir durchging und zwar -- leider +bloß im Schritte. Kein Halten, kein Lenken schlug an; ich tat endlich +auf dem Selbststreitroß Notschuß nach Notschuß und schrie: »Haltet auf, +ihr Leute, um Gottes Willen aufgehalten, mein Gaul geht durch!« Aber da +die einfältigen Menschen das Pferd so langsam gehen sahen wie den +Reichshofratsprozeß und den ordinären Postwagen: so konnten sie sich +durchaus nicht in die Sache finden, bis ich in heftigster Bewegung wie +besessen schrie: »Haltet doch auf, ihr Pinsel und Pensel, seht ihr denn +nicht, daß ich die Mähre nicht mehr halten kann?« Jetzt kam + + [2] Die Kultur machte ganze Länder, z. B. Deutschland, Gallien usw. + physisch wärmer, aber geistig kälter. + +den Faulpelzen ein hartmäuliges, schrittlings ausziehendes Pferd +lächerlich vor. -- Halb Wien bekam ich dadurch wie einen Bartsternschwanz +hinter meinem Roßschweif und Zopf nach. -- Fürst Kaunitz, sonst der beste +Reiter des Jahrhunderts (des vorigen), hielt an, um mir zu folgen. -- +Ich selber saß und schwamm als aufrechtes Treibeis auf dem Honigschimmel, +der in einem fort Schritt für Stritt durchging. -- Ein vieleckiger, +rockschößiger Briefträger gab rechts und links seine Briefe in den +Stockwerken ab und kam mir stets mit satirischen Gesichtszügen wieder +nach, weil der Schimmel zu langsam auszog. -- Der Schwanzschleuderer +(bekanntlich der Mann, der mit einer zweispännigen Wassertonne + + [99] Gleichwohl hab' ich bei allem meinen Grimm über Nachdruck doch + nie den Ankauf eines Privilegiums gegen Nachdruck für etwas anderes + oder schlechteres gehalten als für die Abgabe, die bisher alle + christlichen Seemächte an die barbarischen Staaten erlegten, damit + sie nicht beraubt wurden. Nur Frankreich hat eben der Ähnlichkeit + wegen sowohl das Nachdrucks-Privilegium als die barbarische Abgabe + abgeschafft. + +über die Straßen fährt und sie mit einem drei Ellen langen Schlauch aus +einem blechernen Trichter benetzt) fuhr ungemein bequem den Hinterbacken +meines Pferdes nach und feuchtete während seiner Pflicht jene und mich +selber kühlend an, ob ich gleich kalten Schweiß genug hatte, um keines +frischeren zu bedürfen. -- Ich geriet auf meinem höllischen, trojanischen +Pferd (nur war ich selber das untergehende Troja, das ritt) nach +Matzleinsdorf (einer Wiener Vorstadt), oder waren's für meine gepeinigten +Sinne ganz andere Gassen. -- Endlich mußte ich abends spät nach dem +Reträteschuß des Praters im letzteren zu meinem Abscheu und gegen alle +Polizeigesetze auf dem gesetzlosen Honigschimmel noch herumreiten, und +ich hätte vielleicht gar auf ihm übernachtet, wenn nicht mein Schwager, +der Dragoner, mich gesehen und noch fest auf dem durchgegangenen Gaule +gefunden hätte. Er machte keine Umstände -- fing das Vieh + + [1] Je mehr Schwäche, je mehr Lüge; die Kraft geht gerade; jede + Kanonenkugel, die Höhlen oder Gruben hat, geht krumm. + +-- tat die lustige Frage: warum ich nicht voltigiert hätte, ob er gleich +recht gut weiß, daß dazu ein hölzerner Gaul gehört, der steht -- und +holte mich herab -- und so kamen alle berittenen Wesen unberitten und +unbeschädigt nach Hause. + +Aber nun endlich einmal an meine Reise! + + + + +Reise nach Flätz. + + +Ihr wißt, Freunde, daß ich die Reise nach Flätz gerade unter den Ferien +machen mußte, nicht nur, weil Viehmarkt und folglich der Minister und +General von Schabacker da war, sondern vornehmlich, weil er (wie ich von +geheimer Hand sicher hatte) jährlich den 23. Juli am Abend vor dem +Markttage um fünf Uhr + + [32] Unser Zeitalter -- von einigen papiernes genannt, als sei es + aus Lumpen eines besser Bekleideten gemacht -- bessert sich schon + halb, da es die Lumpen jetzt mehr zu Scharpien als zu Papieren + zerzupft, wiewohl oder weil der Lumpenhacker (oder auch der + Holländer) eben nicht ausruht; indes, wenn gelehrte Köpfe sich in + Bücher verwandeln, so können sich auch gekrönte in Staatspapiere + verwandeln und ummünzen; -- in Norwegen hat man nach dem Allg. + +soviel Gaudium und Gnade sich ausließ, daß er die meisten Menschen +weniger anschnauzte als anhörte und -- erhörte. Die Gaudiumsursache +vertrau ich ungern dem Papier. Kurz, ich konnte ihm meine Bittschrift, +mich als unschuldig vertriebener Feldprediger durch eine katechetische +Professur zu entschädigen und zu besolden in keiner besseren Jahres- und +Tageszeit überreichen, als abends um fünf Uhr Hundstagsanfang. Ich +setzte mein Bittschreiben in drei Tagen auf. Da ich weder Konzepte, noch +Abschriften desselben schonte und zählte: so war ich bald so weit, daß +ich das relativ Beste ganz vollendet vor mir hatte, als ich erschrocken +bemerkte, daß ich darin über dreißig Gedankenstriche in Gedanken +hingeschrieben + + Anzeiger sogar Häuser von Papier, und in manchen guten deutschen + Staaten -- hält das Kammerkollegium (das Justizkollegium ohnehin) + seine eigenen Papiermühlen, um Düten genug für das Mehl seiner + Windmühlen zu haben. Ich wünschte aber, unsere Kollegien nähmen sich + jene Glasschneiderei in Madrid zum Muster, in welcher (nach + Baumgärtner) zwar neunzehn Schreiber angestellt waren, aber doch + auch eilf Arbeiter. + +hatte. Leider schießen diese Stacheln heutzutage wie aus Wespensteißen, +unwillkürlich aus gebildeten Federn hervor. Ich warf es zwar lange +in mir hin und her, ob ein Privatgelehrter sich einem Minister mit +Gedankenstrichen nähern dürfe -- so sehr auch dieses ebene Unterstreichen +der Gedanken, diese wagerechten Taktstriche poetischer Tonstücke und +diese Treppenstricke oder Achillessehnen philosophischer Sehstücke jetzt +ebenso allgemein als nötig sind -- allein ich mußte doch am Ende (da +Ausschaben Standespersonen beleidigt) das beste Probstück wieder +umschreiben und mich wieder eine halbe Stunde am Namen Attila Schmelzle +quälen, weil ich immer + + [39] Epiktet rät an zu reisen, weil die alten Bekanntschaften uns + durch Scham und Einfluß vom Übergange zur hohen Tugend abhalten -- + so wie man etwa seine Provinzialmundart schamhaft lieber außer Lands + ablegt und dann völlig geläutert zu seinen Landsleuten zurückkommt; + noch jetzt befolgen Leute von Stand und Tugend diesen Rat, obwohl + umgekehrt, und reisen, weil die alten Bekanntschaften sie durch + Scham zu sehr von neuen Sünden abschrecken. + +[Illustration: ... es tue ihm bloss sanft / sagt' er / wie eine gute +Frostsalbe ...] + +glaube, diesen sowie die Briefadresse, die beiden Kardinalgegenden und +Punkte der Briefe, nie leserlich genug zu schreiben. + + + + +Erste Station, von Neusattel nach Vierstädten. + + +Der 22. Juli, oder Mittwochs nachmittag um fünf Uhr, war von der +Postkarte der ordentlichen fahrenden Post selber zu meiner Abreise +unwiderruflich anberaumt. Ich hatte also etwa einen halben Tag Zeit, +mein Haus zu bestellen, welchem jetzt zwei Nächte und drittehalb Tage +hindurch meine Brust als Brustwehr, der Verhack mit meinem Ich abgehen +sollte. Sogar mein gutes Weib Bergelchen, wie ich meine Teutoberga +nenne, reiste mir unaufhaltsam den 24. oder Freitags darauf nach, um den +Jahrmarkt zu beschauen und zu benutzen; ja sie wollte schon sogleich mit +mir ausreisen, die treue Gattin. Ich versammelte daher meine kleine +Bedientenstube + + [2] Ein Soldat huldigt und gehorcht in seinem Fürsten zugleich + seinem Fürsten und seinem Generalissimus; der Zivilist bloß seinem + Fürsten. + +und publizierte ihr die Hausgesetze und Reichsabschiede, die sie nach +meinem Abschiede den Tag und die Nacht erstlich vor der Abreise meiner +Frau und zweitens nach derselben auf das pünktlichste zu befolgen hatten, +und alles, was ihnen besonders bei Feuersbrünsten, Diebeseinbrüchen, +Donnerwettern und Durchmärschen vorzukehren oblag. Meiner Frau übergab +ich ein Sachregister des Besten in unserem kleinen Registerschiffe, was +sie, im Falle es in Rauch aufginge, zu retten hätte. -- Ich befahl ihr, +in stürmischer Nacht (dem eigentlichen Diebswetter) unsere Windharfe ans +Fenster zu stellen, damit jeder schlechte Strauchdieb sich einbildete, +ich phantasierte harmonisch und wachte; desgleichen den Kettenhund am +Tage ins Zimmer zu nehmen, damit er ausschliefe, um nachts munterer zu +sein. Ich riet ferner, auf jeden Brennpunkt der Glasscheiben im Stalle, +ja auf jedes hingestellte Glas Wasser ihr Auge zu haben, da ich ihr +schon öfter die Beispiele erzählt, daß + + [29] Und wieviel ist nicht in der Jurisprudenz Jurisimprudenz, + ausgenommen bei Unrechtsgelehrten. + +durch solche zufällige Brenngläser die Sonne ganze Häuser in Brand +gesteckt. -- Auch gab ich ihr die Morgenstunde, wo sie Freitags ab- und +mir nachreisen sollte, sowie die Haustafeln schärfer an, die sie vorher +dem Gesinde einzuschärfen hätte. Meine liebe, kerngesunde, blühende +Honigwöchnerin Berga antwortete ihrem Flitterwöchner, wie es schien, +sehr ernsthaft: »Geh nur Alterchen, es soll alles ganz scharmant +geschehen. -- Wärest du nur erst voraus, so könnte man doch nach! Das +währt ja aber Ewigkeiten.« -- Ihr Bruder, mein Schwager, der Dragoner, +für den ich aus Gefälligkeit das Passagiergeld trug, um auf dem +Postkissen einen an sich tapferen Degen und Hauinsfeld, sozusagen als +körperlichen und geistigen Verwandten und Spillmagen vor mir zu haben, +dieser zog über meine Verordnungen (was ich leicht dem Hage- und +Kriegsstolzen vergab) sein braunes Gesicht + + [39] »=Die größere Hälfte=« ist ein so meßwidriger Ausdruck, daß ihn + kein Meßkünstler anders als von der Ehe, ja sogar nur von der + seinigen gebrauchen könnte. + +ansehnlich ins Spöttische und sagte zuletzt: »Schwester, an deiner +Stelle täte ich, was mir beliebte; und dann guckte ich nach, was er auf +seinem Reglementszettel hätte haben wollen.« -- »O,« versetzte ich, +»Unglück kann sich wie ein Skorpion in jede Ecke verkriechen; ich möchte +sagen, wir sind den Kindern gleich, die am schön bemalten Kästchen +schnell den Schieber aufreißen und -- heraus fährt eine Maus, die hackt« +-- »Maus, Maus, Raus, Raus!«, versetzte er auf- und niedertrabend. »Herr +Schwager, aber es ist fünf Uhr; und Sie werden schon finden, wenn Sie +wiederkommen, daß alles so aussieht wie heute, die Hunde wie die Hunde, +und meine Schwester wie eine hübsche Frau: _allons donc!_« -- Er war +eigentlich schuld, daß ich aus Besorgnis seines Mißdeutens nicht vorher +eine Art von Testament gemacht. + +Ich packte noch entgegengesetzte Arzneien, sowohl temperierende als +erhitzende, gegen + + [45] Die jetzigen Schriftsteller zucken die Achseln am meisten über + die, auf deren Achseln sie stehen; und erheben die am meisten, die + an ihnen hinaufkriechen. + +zwei Möglichkeiten ein -- ferner meine alten Schienen gegen Arm- und +Beinbrüche bei Wagenumstürzen -- und (aus Vorsicht) noch einmal so +viel Geldwechsel, als ich eigentlich nötig hatte. Nur wünschte ich +dabei wegen der Mißlichkeit des Aufbewahrens, ich wär' ein Affe mit +Backentaschen, oder ein Beuteltier, damit ich in mehr sichere und +empfindungsvolle Taschen und Beutel solche Lebenspreziosen verschanzte. +Rasieren lasse ich mich sonst stets vor Abreisen aus Mißtrauen gegen +fremde, mordsüchtige Bartputzer; aber diesmal behielt ich den Bart bei, +weil er doch unterwegs, auch geschoren, so reich wieder getrieben hätte, +daß mit ihm vor keinem Minister wäre zu erscheinen gewesen. + +Ich warf mich heftig ans Kraftherz meiner Berga an und riß mich noch +heftiger ab, aber sie schien über unsere erste Ehetrennung weniger in +Jammer als in Jubel zu sein, + + [14] Manche Dichter geraten unter dem Malen schlechter Charaktere + oft so ins Nachahmen derselben hinein, wie Kinder, wenn sie so + träumen, wirklich ihr Wasser lassen. + +viel weniger bestürzt als seelenvergnügt, bloß weil sie auf das Scheiden +nicht halb so sehr als auf das Wiedersehen und Nachreisen, und die +Jahrmarktsschau ihr Augenmerk hatte; doch warf und hing sie sich an +meinen etwas dünnen und langen Hals und Körper fast schmerzhaft als +eine zu fleischige, derbe Last und sagte: »Fege nur frisch davon, mein +scharmanter Attel (Attila) -- und mache dir unterwegs keine Gedanken, +du aparter Mensch! -- Haben wir denn zu klagen? Einen oder ein paar +Püffe halten wir mit Gottes Hilfe schon aus, solange mein Vater kein +Bettelmann ist. -- Und dir aber, Franz,« fuhr sie gegen ihren Bruder +ordentlich zornig fort, »bind' ich meinen Attel auf die Seele, du weißt +recht gut, du wüste Fliege, was ich tue, wenn du ein Narr bist und ihn +wo im Stiche lässest.« Ich verzieh ihr hier manches Gutgemeinte; + + [103] Die Großen sorgen vielleicht so emsig für ihre Nachkommen wie + die Ameisen; sind die Eier gelegt, so fliegen die männlichen und + weiblichen Ameisen davon und vertrauen sie den treuen + =Arbeitsameisen= an. + +und euch, Freunden, ist ihr Reichtum und ihre Freigebigkeit auch nichts +Neues. + +Gerührt sagt' ich: »Nun, Berga, gibt's ein Wiedersehen für uns, so +ist's gewiß entweder im Himmel oder in Flätz; und ich hoffe zu Gott, +das letztere.« -- Stracks ging's rüstig davon. Ich sah mich durch das +Kutschenrückfenster um nach meinem guten Städtchen Neusattel; und es kam +mir gerührt vor, als richte sich dessen Sturmspitze ordentlich als ein +Epitaphium über meinem Leben oder meinem vielleicht tot zurückreisenden +Leichnam in die Höhe: -- »wie wird alles sein,« dacht' ich, »wenn du nun +endlich nach zwei oder drei Tagen wiederkommst?« Jetzt sah ich mein +Bergelchen uns aus dem Mansardenfenster nachschauen; ich legte mich +weit aus dem Kutschenschlage hinaus, und ihr Falkenauge erkannte sofort +meinen Kopf; Küsse über Küsse warf sie mir mit beiden Händen herab, dem +ins Tal rollenden Wagen nach. »Du + + [10] Und liefert das Leben von unsern idealen Hoffnungen und + Vorsätzen etwas anderes als eine prosaische, unmetrische, ungereimte + Übersetzung? + +herziges Weib,« dacht' ich, »wie machst du deine niedrige Geburt durch +die geistige Wiedergeburt vergeßlich, ja merkwürdig!« + +Freilich, das Postkutschengelag' und Picknick wollte mir weniger +schmecken; lauter verdächtiges, unbekanntes Gesindel, welches (wie +gewöhnlich die Märkte tun) der Flätzer durch seine Witterung einlockte. +Ungern werd' ich Unbekannten ein Bekannter; aber mein Schwager, +der Dragoner, war wie immer schon mit allem, mit Himmel und Hölle +herausgeplatzt. Neben mir saß eine höchstwahrscheinliche Hure. -- Auf +ihrem Schoße ein Zwerg, der sich auf dem Jahrmarkte wollte sehen lassen. +-- Mir gegenüber blickte ein Kammerjäger mich an -- und unten im Tale +stieg noch ein blinder Passagier mit einem roten Mantel ein. Mir gefiel +gar niemand, ausgenommen mein Schwager. Ob nicht die Hure meine +Bekanntschaft zu einer + + [78] Die Weiber halten alles Weißzeug weiß, =nur= kein Buch, ob + sie gleich vielleicht manchen polemischen Folianten, eh' er in die + Papiermühle gekommen, als Brauthemde am Leibe mögen getragen haben. + Die Männer kehren es nur um. + +eidlichen Angabe benützen, ob nicht Spitzbuben unter den Passagieren +mich und meine Eigenheiten und Zufälle studieren würden, um auf der +Tortur mich in ihre Bande zu flechten -- dafür konnte sich mir niemand +verpfänden. An fremden Orten schau ich schon ungern -- und aus Vorsicht +-- an irgendein Kerkergitter lange empor, weil ein schlechter Kerl +dahinter sitzen kann, der eilig herunterschreit aus bloßer Bosheit: +»Drunten steht mein Spießkamerad, der Schmelzle!« -- oder auch weil ein +vernagelter Scherge sich denken kann, ich suchte meinen Konföderierten +oben zu entsetzen. Aus einer wenig davon verschiedenen Vorsicht dreh' +ich mich daher niemals um, wenn ein Star mir nachruft: Dieb! + +Was den Zwerg selber anlangt, so konnt' er meinetwegen mitfahren, wohin +er wollte; aber er glaubte ein besonderes Frohleben in + + [7] Der geharnischte deutsche Reichskörper konnte sich darum schwer + bewegen, weshalb die Käfer nicht fliegen können, deren =Flügel= + recht gut durch =Flügeldecken= -- und zwar durch zusammengewachsene + -- verschanzt sind. + +uns zu bringen, wenn er uns verhieße, daß sein Pollux und Amtsbruder, +ein seltener Riese, der ebenfalls der Messe zur Anschau zuzog, gegen +Mitternacht uns unfehlbar mit seinem Elefantenschritte nachkommen und +sich einsetzen oder hinten aufstellen würde. Beide Narren beziehen +nämlich gemeinschaftlich die Messen als gegenseitige Meßhelfer zu +entgegengesetzten Größen; der Zwerg ist das erhabene Vergrößerungsglas +des Riesen, der Riese das hohle Verkleinerungsglas des Zwergs. Niemand +bezeugte große Freude an der Aussicht der Nachkunft des Maßkopisten des +Zwergs, ausgenommen mein Schwager, der (ist das Wortspiel erlaubt) wie +eine Uhr bloß zum Schlagen gemacht zu sein glaubt, und mir wirklich +sagte: »Könn' er einmal oben in der ewigen Seligkeit keine Seele +zuweilen wamsen + + [8] Mit Staatseinrichtungen ist's wie mit Kunststraßen; auf einer + ganz neuen, unbefahrenen, wo jeder Wagen am Straßenbau mitarbeiten + und zerklopfen hilft, man wird ebenso gestoßen und geworfen, als auf + einer ganz alten, ausgefahrenen voll Löcher. Was ist also hier zu + tun? Man fahre fort. + +und koram nehmen, so fahr' er lieber in die Hölle, wo gewiß des Guten +und der Händel eher zu viel sein werden.« -- Der Kammerjäger im +Postwagen hatte, außerdem schon, daß uns niemand sehr einnimmt, der +bloß vom Vergiften lebt, wie dieser Freund Hain der Ratten und die +Mäuseparze, und daß ein solcher Kerl, was noch schlimmer, sogleich ein +Mehrer des Ungezieferreiches zu werden droht, sobald er nicht dessen +Minderer sein darf -- dieser hatte überhaupt soviel Fatales an sich, +zuerst den Stechblick wie eines Stiletts -- dann das hagere, scharfe +Knochengesicht in Verbindung mit seinem Vorrechnen seines ansehnlichen +Giftsortiments -- dann (denn ich haßte ihn immer heißer) seine geheime +Stille, sein geheimes Lächeln, als seh' er in irgendeiner Schlupfecke +eine Maus, ähnlich einem Menschen. -- Wahrlich, mir, der ich sonst ganz +anderen Leuten stehe, kam endlich sein Rachen als eine Hundsgrotte vor, +seine + + [3] Vor Gericht werden oft ermordete Geburten für totgeborene + ausgegeben, in Antikritiken totgeborene für ermordete. + +Backenknochen als Untiefen und Klippen, sein heißer Atem als +Kalzinierofen und die schwarzhaarige Brust als Welk- und Darrofen -- -- + +Ich hatte mich auch -- glaub' ich -- nicht viel versehen; denn bald +darauf fing er an, der Gesellschaft, worin ein Zwerg und ein Mädchen +war, ganz kalt zu berichten, er habe schon zehn Leiber mit dem Dolch +nicht ohne Lust durchstoßen -- habe gemächlich ein Dutzend Menschenarme +abgehauen, vier Köpfe langsam gespalten, zwei Herzen ausgerissen und +mehr dergleichen -- und keiner davon, sonst Leute von Mut, hab' ihm im +geringsten widerstanden -- »aber warum?« setzt' er giftig hinzu, und +nahm den Hut vom häßlichen Glatzkopf -- »ich bin unverwundbar. -- Wer +von der Gesellschaft will, lege auf meiner Glatze soviel Feuer an, als +er will, ich lass' es ausbrennen.« + +Mein Schwager, der Dragoner, setzte sogleich einen brennenden +Tabaksschwamm auf + + [101] Nicht nur die Rhodier hießen von ihrem Koloß Kolosser, sondern + auch unzählige Deutsche heißen von Luther Lutheraner. + +den Schädel, aber der Jäger stand es so ruhig aus, als wär' es ein +kalter Brand, und er und der Dragoner sahen einander wartend an, und +jeder lächelte sehr närrisch -- es tue ihm bloß sanft, sagt' er, wie +eine gute Frostsalbe, denn dies sei überhaupt die Winterseite an seinem +Leibe. Hier griff mein Schwager ein wenig auf dem nackten Schädel umher +und rief verwundert: er fühle sich so kalt an wie eine Kniescheibe. Nun +hob der Kerl auf einmal nach einigen Vorrüstungen zu unserem Entsetzen +den Viertelsschädel ab und hielt ihn uns hin, sagend, er habe ihn einem +Mörder abgesägt, als ihm zufällig der eigene eingeschlagen gewesen; und +erklärte nun, daß man + + [88] Bis hierher hab' ich immer die Streitschriften der jetzigen + philosophischen und ästhetischen idealen Streitflegel, worin + allerdings einige Schimpfworte und Trug- und Lugschlüsse vorkommen, + mehr von der schönen Seite genommen, indem ich sie bloß als eine + Nachahmung des klassischen Altertums, und zwar der Ringer desselben + angesehen, welche (nach Schöttchen) ihren Leib mit =Kot= bestrichen, + um nicht gefaßt zu werden, und ihre Hände mit =Staub= anfüllten, um + den fremden zu fassen. + +das erzählte Durchstechen und Armabhauen mehr als Scherz zu nehmen habe, +indem er's lediglich getan als Famulus auf dem anatomischen Theater. -- +Inzwischen wollte der Scherztreiber doch keinem von uns sehr schmecken und +zu Hals, so daß ich, als er den Kapselkopf, den Repräsentationsschädel, +wieder aufsetzte, schweigend dachte: diese Mistbeetglocke hat gewiß nur +den Ort, nicht die Giftzwiebel verändert, die sie zudeckt. + +Am Ende wurde mir's überhaupt verdächtig, daß er, sowie sämtliche +Gesellschaft (auch der blinde Passagier), gerade demselben Flätz +zuschifften, wohin ich selber gedachte; besonderes Glück brauchte ich +mir davon nicht zu versprechen; und mir wäre in der Tat das Umkehren so +lieb gewesen als das Fortfahren, hätt' ich nicht lieber der Zukunft +getrotzt. + +Ich komme endlich auch auf den rot gemantelten blinden Passagier, +wahrscheinlich + + [103] Oder sind alle Moscheen, Episkopalkirchen, Pagoden, + Filialkirchen, Stiftshütten und Panthea etwas anderes als der + Heidenvorhof zum unsichtbaren Tempel und zu dessen Allerheiligsten? + +ein _Emigré_ oder ein _Refugié_ (denn er spricht das deutsche nicht +schlechter als das Französische), entweder namens Jean Pierre oder Jean +Paul ungefähr, oder ganz namenlos. Sein roter Mantel wäre mir ungeachtet +dieser Farbenverschmelzung mit dem Scharfrichter -- der in vielen +Gegenden trefflich Angstmann heißt -- an sich herzlich gleichgültig +geblieben, wäre nicht der besondere Umstand eingetreten, daß er mir +schon fünfmal in fünf Städten (im großen Berlin, im kleinen Hof, Koburg, +Meiningen und Baireuth) wider alle Wahrscheinlichkeit aufgestoßen, wobei +er mich jedesmal bedeutend genug angesehen, und dann seines Weges +gegangen. Ob er mir feindlich nachsetzt oder nicht, weiß ich nicht; nur +ist auf alle Fälle der Phantasie kein Objekt erfreulich, das mit +Observationskorps oder aus + + [40] Das Volk ist nur im Erzählen, nicht im Räsonieren weitläufig; + der Gelehrte ist nur in jenem, nicht in diesem kurz; eben weil das + Volk seine Gründe nur als Empfindungen so wie die Gegenwart bloß + anschauet, der Gelehrte hingegen beide mehr nur denkt. + +Schießscharten vielleicht mit Flinten hält und zielt, die es jahrelang +bewegt, ohne daß man weiß, in welchem es abdrückt. -- Noch anstößiger +wurde mir der Rotmantel dadurch, daß er auffallend seine weiche +Seelenmilde pries; dies schien beinah' auf Ausholen oder Sichermachen +zu deuten. Ich erwiderte: »Mein Herr, ich komme eben, wie hier mein +Schwager, vom Schlachtfeld her (die letzte Affäre war bei Pimpelstadt), +und stimme vielleicht deshalb zu stark für Markkraft, Bruststurm, +Stoßglut, und es mag für manchen, der eine brausende Wasserhose, +eigentlich Landhose von Herz hat, gut sein, wenn seine geistliche Lage +(ich bin darin) ihn mehr mildert als wildert. Indes gehört jeder Milde +ihr eisernes Schrankengitter. Fällt mich irgendein unbesonnener Hund +bedeutend an, so tret' ich ihn freilich im ersten Zorn entzwei, und +nachher hinter + + [9] Die Ägypter nahmen bei einem Landesunglück dadurch am Gott + Typhon, dem sie es zuschrieben, Rache, daß sie seine Lieblinge von + Felsen stürzten, die Esel. Ähnlicherweise haben sich in der + Geschichte auch Staaten anderer Religion gerächt. + +mir treibt's mein guter Schwager vielleicht noch zweimal weiter, denn +er ist der Mann dazu. Vielleicht ist's Eigenliebe, aber ich beklag's +(gesteh' ich) noch heute, daß ich als Knabe einmal einem anderen Knaben +drei erhaltene Ohrfeigen nicht derb zurückgereicht, und mir ist oft, +als müßt' ich sie seinen Enkeln nachzahlen. Wahrlich, wenn ich auch +nur einen Jungen vor den schwachen Kräften eines ähnlichen Jungen +feig entlaufen sehe, so kann ich das Laufen nicht lassen und will ihn +ordentlich durch einen Machtschlag erretten.« Der Passagier lächelte +indes nicht zum besten. Er gab sich zwar für einen Legationsrat aus und +schien Fuchs genug zu sein, aber ein tollgewordener Fuchs beißt mich am +Ende so wasserscheu als ein toller Wolf. Übrigens fuhr ich unbekümmert +mit meinem + + [70] In die Philosophie verhülle sich die Dichtkunst nur so, wie + in diese sich jene; Philosophie aber in poetischer Prosa gleicht + jenen Trinkgläsern in Schenken, welche mit bunten Bilderschnörkeln + umzogen, zugleich im Genusse des Getränks und des Bildwerks, die oft + widrig sich decken, stören. + +Anpreisen des Mutes fort, nur daß ich absichtlich statt des lächerlichen +Bramarbasierens, welches gerade den Feigen recht verrät, fest, still, +klar sprach. »Ich bin«, sagt' ich, »bloß für Montaignes Rat: man trage +nur Furcht vor der Furcht.« + +»Ich würde,« versetzte der Legationsrat unnütz spitzfindig, »wieder +fürchten, daß ich mich nicht genug vor der Furcht fürchtete, sondern zu +feig bliebe.« + +»Auch dieser Furcht«, erwidert' ich kalt, »steck' ich Grenzen. Ein Mann +kann zum Beispiel nicht im geringsten Gespenster glauben und fürchten; +gleichwohl kann er nachts sich in Todesschweiß baden, und zwar bloß vor +Angst, wie sehr er sich entsetzen würde (besonders mit welchen Nachwehen +von Schlagflüssen, + + [158] Der Staat sollte öfter die Maul- und Kindertrommeln der + Dichter nicht mit Regiments- und Feuertrommeln verwechseln; wieder + umgekehrt sollte der Bürger manche fürstliche Trommelsucht nur für + eine Krankheit nehmen, worin der Patient bloß durch die unter die + Haut eingedrungene Luft sehr aufgeschwollen ist. + +fallenden Suchten und so weiter), falls nichts als bloß seine so +lebhafte Phantasie irgendein Fieber und Vexierbild vor ihn in die Lüfte +hineinhinge.« -- -- »Man sollte daher«, fiel mein Schwager, wider +Gewohnheit moralisierend, ein, »das so arme Schaf von Mann auch gar mit +keinem Geisterspuk foppen, der Hase kann ja auf der Stelle auf dem +Platze bleiben.« + +Ein lautes Gewitter, das dem Postwagen nachfuhr, veränderte den Diskurs. +Ihr, Freunde, erratet wohl alle -- da ihr mich nicht als einen Mann ohne +alle Physik kennen lernen -- meine Maßregeln gegen Gewitter: + + [89] In großen Städten lebt der Fremde die ersten Tage nach seiner + Ankunft bloß von seinem Gelde im Gasthofe, erst darauf in den + Häusern seiner Freunde umsonst; langt man hingegen auf der Erde an, + wie z. B. ich, so wird man gerade die ersten Jahre hindurch höflich + freigehalten, in den andern und längern aber -- denn man bleibt oft + sechzig Jahre -- muß man wahrhaftig (ich habe die Dokumente in + Händen) jeden Tropfen und Bissen bezahlen, als wäre man im großen + Gasthofe zur Erde, was noch dazu wahr ist. + +ich setze mich nämlich auf einen Sessel mitten in der Stube (oft bleib' +ich bei bedenklichem Gewölk ganze Nächte auf ihm), und decke mich durch +mein Reinigen von allen Leitern, Ringen, Schnallen und so weiter und +durch mein Absitzen von allen Blitzabsprüngen immer so, daß ich +kaltblütig die Sphärenmusik der Donnerpauke vernehme. -- Diese Vorsicht +hat mir nie geschadet, da ich ja dato noch lebe; und ich wünsche mir +noch heute Glück, daß ich einmal aus der Stadtkirche, ob ich gleich tags +vorher gebeichtet hatte, ohne weiteres und ohne vorher das Abendmahl zu +nehmen, ins Gebeinhaus hinausgelaufen, weil ein schweres Gewitter (was +wirklich in die Kirchhofslinde einschlug) darüber stand; -- ich kam auch +sogleich nach der Entladung der Wolke aus dem Gebeinhaus in die Kirche +zurück und war so glücklich, noch hinter dem + + [112] Ich sage aber nein. Der Mensch stelle sich so wie seinen Hut + -- wenn er sich und diesen nicht gerade gebraucht -- beide, um sie + zu schonen, so lange auf den =Kopf=, bis er wieder getragen wird. + +[Illustration: und floh dann mit vollen Segeln auf geradewohl und +geradeaus den Kürzesten Weg hindurch ...] + +Henker (als dem letzten) zu kommen und das Liebesmahl zu genießen. + +So denk' ich für meine Person; aber leider, im vollen Postwagen traf ich +Menschen, denen Physik wahre Narretei ist. Denn als die Gewitter sich +fürchterlich über unsern Kutschenhimmel versammelten und prasselnde +Feuerklumpen, als wären's Johanniswürmchen, im Himmel umherspielten; und +als ich endlich ersuchen mußte, das schwitzende Postkonklave möchte nur +wenigstens Uhren, Ringe, Gelder und dergleichen zusammenwerfen, etwa in +die Wagentaschen, damit kein Mensch einen Leiter am Leibe hätte: so +tat's nicht nur keiner, sondern mein eigener Schwager, der Dragoner, +stieg gar mit gezogenem nackten Degen auf den Bock hinaus und schwur, er +leite ab. Ich weiß nicht, war der desperate Mensch ein gescheiter oder +keiner; kurz, unsere Lage + + [10] Die Weltepochen feiern -- wie die spanischen Könige -- + Regierungsantritt, Volljährigkeit, Vermählung -- gern mit + Scheiterhaufen (Autodafés, Tressenausbrennungen der Weisen oder auch + der Irrgläubigen). + +war fürchterlich, und jeder konnte ein gelieferter Mann sein. Zuletzt +bekam ich gar einen halben Zank mit zweien von der rohen Menschenfracht +der Kutsche, dem Vergifter und der Hure, weil sie fragend fast +zu verstehen gaben, ich hätte vielleicht bei dem angepriesenen +Preziosenpicknick nicht die ehrlichsten Anschläge gehabt. So etwas +verwundet die Ehre mit Gewalt, und in mir donnerte es nun stärker als +oben; dennoch mußt' ich den ganzen nötigen Erbitterungswortwechsel so +leise und langsam als möglich führen und haderte sanft, damit nicht am +Ende eine ganz in Harnisch gebrachte Kutsche in Hitze und Schweiß +geriete, und in unsere Mitte so den nahen Donnerkeil auf Ausdünstungen +durch den Kutschenhimmel herabfahren + + [144] Der Rezensent gebraucht seine Feder eigentlich nicht zum + Schreiben, sondern er weckt mit deren Brandgeruch Ohnmächtige auf, + kitzelt mit ihr den Schlund des Plagarius zum Wiedergeben, und + stochert mit ihr seine Zähne aus. Er ist der einzige im ganzen + gelehrten Lexikon, der sich nie ausschreiben und ausschöpfen kann, + er mag ein Jahrhundert oder ein Jahrtausend vor dem Tintenfasse + sitzen. Denn + +ließe. Zuletzt setzt' ich der Gesellschaft das ganze elektrische Kapitel +deutlich, aber leise und langsam -- ich wollte nicht ausdampfen -- +auseinander und suchte besonders von der Furcht abzuschrecken. Denn, in +der Tat, vor Furcht konnte jeden der Schlag -- ja ein doppelter, mit dem +elektrischen ein apoplektischer -- treffen, da aus Erxleben und Reimarus +genug bewiesen ist, daß starkes Fürchten durch Dünsten den Strahl +zulockt; ich stellte daher in ordentlicher Angst vor meiner und fremder +Furcht den Passagieren vor, daß sie jetzt durchaus bei unserer schwülen +Menge, bei dem die Blitze spießenden Degen auf dem Kutschbock, und bei +dem Überhang der Wetterwolke, und selber bei so vielen Ausdünstungen +anfangender Furcht, kurz, bei + + indes der Gelehrte, der Philosoph und der Dichter das neue Buch nur + aus neuem Stoff und Zuwachs schaffen, legt der Rezensent bloß sein + altes Maß von Einsicht und Geschmack an tausend neue Werke an, + und sein altes Licht bricht sich an der vorbeiziehenden, stets + verschieden geschliffenen Gläserwelt, die er beleuchtet, in neue + Farben. + +so augenscheinlicher Gefahr nichts fürchten dürften, wollten sie nicht +samt und sonders erschlagen sein. »O, Gott,« rief ich, »nur Mut! Keine +Furcht! Nicht einmal Furcht vor der Furcht! -- Wollen wir denn als +zusammengetriebene Hasen hier seßhaft, von unserem Herrgott erschossen +sein? -- Fürchte sich meinetwegen jeder, wenn er aus der Kutsche heraus +ist, nach Belieben an anderen Orten, wo weniger zu besorgen ist, nur +aber nicht hier.« + +Ich kann nicht entscheiden -- da unter Millionen kaum ein Mensch an der +Gewitterwolke stirbt, aber vielleicht Millionen an Schnee- und Regenwolken +und dünnen Nebeln -- ob meine Kutschenpredigt auf Menschenrettungspreise +Anspruch zu machen hatte, als wir sämtlich unbeschädigt, einem Regenbogen +entgegen, in das Städtchen Vierstädten einfuhren, wo ein Posthalter in +der einzigen Gasse wohnte, die der Ort hatte. + + [107] Deutschland ist ein langes, erhabenes Gebirge -- unter dem + Meer. + +[Illustration: Aus der hohen Posthauspforte trat / tief sich bückend / +der Riese heraus] + + + + +Zweite Station, von Vierstädten nach Niederschöna. + + +Der Posthalter war ein grober Patron und ein Schläger; eine Gattung von +Menschen, die ich unaussprechlich hasse, weil meine Phantasie mir immer +vorspiegelt, ich könnte vielleicht aus Zufall oder Widerwillen ihnen ein +recht höhnisches und impertinentes Gesicht schneiden, und mir solche +Gesellen auf den Hals hetzen, und darauf spür' ich schon Ziehen von +Mienen. Zum Glück konnt' ich diesmal (gesetzt, ich hätte ein Fehlgesicht +geschnitten) mich mit meinem Schwager, dem Dragoner, bewaffnen, für +dessen Riesenmacht dergleichen ein Leckerbissen ist. Denn er kann zum +Beispiel vor keinem Wirtshause, worin eine Schlägerei laut wird, +vorbeigehen, ohne hineinzutreten und sogleich unter der Türe zu +schreien: »Macht Friede, ihr Hunde!« darauf unter + + [18] Unter Selbststillen versteht man nicht, wie beim + tatzensaugenden Bären, daß man sich selber an die eigene Brust lege, + sondern daß man andere nicht durch andere säugen lasse: so aber + sollte auch das Wort Selbstliebe im Gebrauche sein. + +seinem Schein von Friedensdeputation nimmt er ohne Verzug, als wär' es +eine amerikanische Friedenspfeife, das nächste Stuhlbein in die Hand und +deckt damit das schlagende Personal hinüber und herüber zu, oder er +nähert die harten Köpfe der Parteien (er schlägt sich zu keiner) +einander mit Gewalt, indem er in jede Hand einen am Hinterkopfe faßt; +dann ist der Kauz im Himmel. + +Ich für meine Person vermeide diskrepante Zirkel mehr, als daß ich sie +aufsuche, sowie auch jeden toten oder totgemachten Menschen; -- der +vorsichtige Mann sieht leicht voraus, was davon zu holen ist, entweder +verdrießliches und mißliches Zeugschaftgeben, oder oft gar (wenn die +Umstände sich verschwören) peinliches Nachfragen über Mitschuld. + + [97] Daher schließ' ich, daß Schmelzle gut predigt, schon aus seinen + vielen Kenntnissen und Wortspielen. Die theologische Welt auf + Kathedern, noch mehr die auf Kanzeln, verdient das Lob, daß sie + gleichsam der Lichtsammler oder Lichtfang oder Lichtmagnet der + besten Strahlen und Entdeckungen ist, die aus andern Wissenschaften + ausgehen, besonders derer aus der Philosophie und Dichtkunst: + +In Vierstädten stieß mir nichts von Wichtigkeit auf als -- zu meinem +Grausen -- ein Hund ohne Schwanz, der durch die Stadt oder Gasse lief. +Ich zeigte erbittert im ersten Feuer den Passagieren den Hund und legte +ihnen die Frage vor, ob sie denn eine medizinische Polizei für trefflich +bestellt ansähen, welche, wie die Vierstädter es zuließe, daß Hunde +öffentlich herumsprängen, denen der Schwanz fehlte. »An was«, sagt' ich, +»halt' ich mich denn, wenn dieser weggeschnitten, und mir jede solche +Bestie entgegenrennen, und ich weder aus dem eingezogenen noch +aufgerichteten Schwanze, da der ganze weggehackt ist, einen Schluß +ziehen kann, ob das Vieh toll ist oder nicht. So wird der gescheiteste + + sie selber entdeckt eigentlich nichts als eben die passiven + Diebsinseln, wo sie ihre Gewürze abholt. So findet man in Predigten, + z. B. in Marezolls Kanzelstücken einen reichen Fund fremder + Erfindungen; und überhaupt gibt's wenige Entdeckungen in der + Philosophie und Moral, welche ein Jahrfünft oder Jahrzehnt später, + nachdem sie ihren Schöpfer berühmt gemacht, nicht den Nachschöpfer + in der theologischen Welt -- diese Erbin ihrer + +Mann wütig und gebissen und scheitert bloß aus Mangel eines +Schweifkompasses.« Der nachkommende blinde Passagier (er ließ sich +jetzt als sehender einschreiben, Gott weiß zu welchen Endzwecken) spann +vor mir meinen eigenen Satz, dem er zugehört, fast bis ins Komische aus, +und erregte zuletzt in mir den Verdacht, er mache durch eine, aber sehr +starke Schmeichelnachahmung meines Sprechstils Jagd auf mich. »Der +Hundeschwanz«, sagt' er, »ist wohl für uns Alarmstange und Irrenanstalt, +damit man in keine komme, gleichsam die äußeren Vorposten der Wut -- man +schneide den Kometen den Schwanz, den Bassen den Roßschweif, den Krebsen +den ihrigen (denn ausgestreckter bedeutet krepierte) ab: so ist man + + Magd, der Philosophie -- noch zehnmal größer und reicher gemacht + hätten, sobald er nur Kanzelwasser genug zum Einflößen der fremden + Bissen (_boli_) aufgegossen hatte. Aber hier möcht' ich gern auf + einen Unterschied der meisten lutherischen Prediger von den Mönchen + zeigen, der nicht ganz zum Nachteil der ersteren ausschlägt. Der + Mönch darf (_C. Q. X. de stat. monach._) nichts Eigenes haben, bei + Strafe unehrlichen Begräbnisses, und jedes + +in den gefährlichen Angelegenheiten des Lebens ohne Leitseil, ohne +Avertisseur, ohne Hand in _margine_ -- und man kommt um, ohne vorher zu +wissen wie.« + +Übrigens lief diese Station ohne Zank und Not vorüber. Alles schlief +gegen zehn Uhr ein, sogar der Postillion, außer ich. Ich stellte mich +zwar schlafend, um zu beobachten, wer sich etwa aus guten Gründen nur +schlafend stelle; aber alles schnarchte fort, der Mond warf seine +verklärenden Strahlen nur auf herabgesunkene Augenlider. + +Herrlich konnt' ich jetzt Lavaters Rat befolgen, an Schlafende +vorzüglich die physiognomische Elle anzusetzen, weil der Schlaf wie der +Tod die echte Form gröber ausprägt. + + Eigentum wird ihm als Kirchenraub angerechnet. Mich dünkt aber, der + lutherische Kanzelredner demütigt und entäußert sich weit mehr, wenn + er auch, im höheren Geistigen, wo er noch schön und frei zu wählen + hat -- da über das Eigentum des körperlichen ohnehin in seinem Namen + das Kammerkollegium das Armutsgelübde ablegt -- kurz, wenn er, was + Gedanken anlangt, gar nichts Eigenes hat und haben will. + +Andere Schläfer außerhalb der Postkutsche würd' ich mit gedachter Elle +weniger auszumessen raten, immer in einiger Besorgnis bleibend, daß etwa +ein Kerl, der sich nur schlafend stellte, sogleich, als ich nahe genug +stände, wie im Traume aufspränge, und dem physiognomischen Meßkünstler +in die eigene Gesichtsbildung einen so hinterlistigen Fauststreich +versetzte, daß sie in keinem physiognomischen Fragmente, weil sie selber +eines geworden, mehr florieren könnte, weder in punktierter Manier, noch +in geschabter. Und kann denn nicht der ehrlichste Schläfer von der Welt, +eben während ihr über dessen physiognomische Leichenöffnung her seid, +losschlagen, von der Ehre in einem Prügeltraume angehetzt, und euch +vielleicht mit wenigen Handgriffen und Fußtritten in einen viel ewigeren +Schlaf einwiegen, als der gewesen, woraus er aufgefahren? + +In meinem sogenannten silhouettierenden + + [71] Der Jüngling ist aus Willkür sonderbar und freuet sich; der + Mann ist's unabsichtlich und gezwungen und ärgert sich. + +Schattenspiele kommt der Gesichterinhalt der schlafenden Postkutsche +selber vor; erst darin werde ich euch breit belegen, warum mir der +Giftträger mit der Mordkuppel teuflisch erschienen -- der Zwerg +altkindisch -- die Hure matt- und schlafffrech -- mein Schwager +ruhiggesättigt von Rache oder von Essen -- der Legationsrat Jean Pierre +aber, Gott weiß warum, als ein halber Engel, wiewohl er sich denken +läßt, der halbe Engel, da nur der schöne Körper, nicht die andere im +Schlaf vergangene Hälfte, die Seele, vor mir wirkte. + +Beinahe vergäß' ich's, daß ich doch in meinem Dörfchen, während beide +Schwäger, der Dragoner und der Postillion, tranken, eine kleine Furcht +glücklich bestanden, weil das Schicksal zweimal auf meiner Seite +gewesen. Ich sah unweit eines Jagdschlosses neben einem schönen +Baumklumpen eine weiße Tafel mit schwarzer Inschrift schimmern. Dies +ließ mich hoffen, daß mich dort ein kleines Sargkunstwerk, ein +Ehrenpfahl, irgendein + + [198] Der Pöchel und das Vieh schwindeln auf keinem Abgrundsabhang, + aber wohl der Mensch. + +Treff-, Zier- und Spießdank für einen Toten erwarte. Auf einem +unbetretenen blumigen Gewinde lang' ich vor dem Schwarz auf Weiß an +und lese im Mondschein mit Entsetzen: »Jedermann wird hier vor dem +Selbstschuß gewarnt!« So stand ich also vielleicht einen Fußzehennagel +breit von dem Büchsenhahn, womit ich, wenn ich die Ferse rückte, mich +selber als einen verblüfften Stocknarren und Ladstock in die andere +Welt, unter die Seligen hineinschoß. Ich suchte vor allen Dingen mich +mit den Fußnägeln in den Boden wie einzubeißen und einzufressen -- weil +ich wenigstens so lange am holden Leben bleiben konnte, als ich mich +fest pflöckte neben der daliegenden Atroposschere und Henkersbühne; -- +darauf wünscht' ich mich zu entsinnen, auf welchen Steigen der Teufel +mich unerschossen herbeigeführt. Aber vor Angst hatt' ich alles +ausgeschwitzt und wußte gar nichts, -- im nahen Höllendorf war kein + + [11] Das goldene Kalb der Selbstsucht wächst bald zum glühenden + Phalarisochsen, der seinen Vater und Anbeter einäschert. + +Hund zu ersehen und zu erschreien, der mich etwa aus dem Wasser hätte +holen können, und die beiden Schwäger soffen selig. Indes, ich faßte Mut +und Entschluß -- schrieb auf einem Pergamentblatte meinen letzten Willen +sowie meine zufällige Sterbart nieder, und meinen Todesdank ans +Bergelchen -- und flog dann mit vollen Segeln auf Geratewohl und +geradeaus den kürzesten Weg hindurch, unter der Voraussetzung, mich bei +jedem Schritte niederzuschießen und mir so mit eigener Hand auf mein +noch langes Lebenslicht den _Bonsoir_ oder Lichttöter zu setzen. Aber +ohne Schuß kam ich an. In der Schenke lachte freilich mehr als ein Narr +über mich, weil, was nur ein Narr wissen konnte, die Warnungstafel schon +seit zehn Jahren ohne Schüsse dageblieben, wie oft diese ohne jene. + + [103] Das männliche Schmarotzergewächs an den weiblichen Rosen und + Lilien muß (wenn ich dessen Schmeicheln recht fasse) wahrscheinlich + bei den Schönen die Sitte der Italiener und Spanier voraussetzen, + welche jede Kostbarkeit dem zum Geschenk anbieten, der solche sehr + lobt. + +So aber steht's, ihr Freunde, mit unserer Jagdpolizei, die gegen alles +warnt, nur nicht gegen Warnungstafeln. + +Übrigens hatt' ich auf der ganzen Station leichte Händel mit dem +Postillion, weil er nicht von Viertelstunde zu Viertelstunde halten +wollte, wenn ich ausstieg, um zu ...... Leider sind freilich von +Postknechten keine Urinpropheten zu erwarten, da so selten Gelehrte aus +Hallers großer Physiologie es wissen, daß Aufschieben der gedachten +Sache teuflisches Steingut niederschlägt und zuletzt den Inhaber selber, +weil diese Steingrube seltener der Blasenschneider als der Tod mit einem +Grabe schließt. Hätten Postknechte gelesen, daß Tycho de Brahe wie eine +Bombe am Zerspringen starb: sie hielten lieber an; sie fänden bei +solchen, mir so unerwarteten Kenntnissen es vernünftig, daß ein Mann + + [199] Aber wenige gegenwärtige Staaten, glaub' ich, köpfen unter + dem Vorwande, zu trepanieren -- oder heften (in einer gesuchtern + Allegorie) die Lippen zusammen unter dem Vorwand, deren Hasenscharten + zuzunähen. + +seinen Leichenstein zwar einmal auf sich, aber nicht in sich tragen +will. Bin ich denn nicht sogar in Weimar oft aus den längsten +Abschiedsauftritten Schillers mit Tränen in den Augen hinausgelaufen, +bloß um (während seine Minerva mich im ganzen erweichte) nicht von deren +Medusenkopf auf der Brust partiell versteinert zu werden? Und kam ich +nicht ins weinende Komödienhaus zurück und viel munterer in die +allgemeine Rührung ein, weil ich dann nichts mehr zu erleichtern +brauchte als mein Herz? + +Sehr im Finstern kamen wir in Niederschöna an. + + + + +Dritte Station, von Niederschöna nach Flätz. + + +Als ich am Posthause, mit den Augen auf meinen Mantelsack geheftet, in +Gedanken dastehe: schmettert und schnaubt ein Vieh von Nachtwächter mir +so nahe und unversehens + + [12] Die Einzelwesen haben Lehrjahre, die Staaten Lehrjahrhunderte; + -- aber sind beide freigesprochen, so sind doch wieder Lehrstunden + und Sonntagsschulen nachzuholen. + +mit seiner Nachttuba ins Ohr, daß ich ordentlich zurückspringe, ich, +den schon jede heftig-schnelle Anrede verdrießt. Gibt's denn keine +medizinische Polizei gegen solche geblasene Stundenlärmfidibus und +-Lärmkanonen, durch welche doch keine knallenden entbehrlich werden? +Eigentlich sollte niemand mit dem Nachtwächterhorne investieret werden +als ein vernünftiger Mann, der sich schon einen Bruch geblasen oder +gehoben hätte und der imstande wäre, seinen Stundenvers so leise +abzusingen, daß man gar nichts hörte. + +Was ich längst erwartet und der Zwerg vorausgesagt, traf jetzt ein: aus +der hohen Posthauspforte trat tief sich bückend der Riese heraus und hob +im Freien eine unvernünftig große Statur und dito Kopf mit der +ellenhohen + + [67] Gastfreiheitswirt, willst du deinen Gast erforschen? Begleite + ihn zu einem andern Wirte und höre zu! -- Ebenso: willst du deine + Geliebte in einer Stunde besser kennen lernen als in einem Monat + Zusammenlebens? Sieh ihr eine Stunde lang unter Freundinnen und + Feindinnen (wenn dies kein Pleonasmus ist) zu! + +Mütze und Feder empor; mein Schwager ihm zur Seite schien nur sein +vierzehnjähriger Sohn zu sein, und der Zwerg gar sein auf zwei Beinen +aufwartendes Schoßhündchen. »Lieber Freund,« sagte mein neckender +Schwager, der ihn an mich und die Postkutsche geleitete, »steig' Er +ruhig ein, wir machen Ihm sämtlich gern Platz. Kremp' Er sich nur recht +zusammen, und leg' Er den Kopf aufs Knie; so geht's.« Der unnütze Necker +hätte so gern den fast einfältigen Giganten -- dem er's bald abgemerkt, +daß dessen Gehirn kein schlauer Gast, sondern die negative Größe seines +Rumpfes war -- unter uns im bangen Postschrank und Notstall vor sich +gesehen zu einem Giespuckel eingeknüllt und krumm geschlossen. »Giht +doch nit! Giht gar nit!« sagte der Riese, als er hineinsah. »Der Herr +Soldat wissen vielleicht nicht,« versetzte der Zwerg, »wie groß ein +Riese ist; und Er denken, weil + + [80] Im Sommer des Lebens graben und statten die Menschen Eisgruben + so gut als möglich aus, um sich doch für ihren Winter etwas + aufzuheben, was fortkühlt. + +ich hineingehe. -- Aber das ist ein anderes Loch. -- Ich will überall +hineinpassen, man sage mir nur wo.« -- + +Kurz, es war kein Ausweg für den Postmeister und den Riesen, als daß +sich dieser hinten auf das Passagierwarenlager stellte und setzte, sich +als eine Tränenweide herüberbeugend über den ganzen Kutschkasten. Mich +selber konnte ein solcher Rückenwind und Rückhalt nicht außerordentlich +ergötzen; und ich traue (hoff' ich) jedem von euch, ihr Freunde, zu, daß +er hinter einem Rückendekret so gut und so hell wie ich überschlagen +hätte, was ein Kerl und Riese hinter ihm, ein Nachfahrer in allerlei +Sinne, etwa Mordendes, probieren könne, es sei nun, daß er durch das +Rückenfenster des Wagens einbräche und angreife oder sich überhaupt mit +Titanenmacht oben über den Kutschenhimmel hermache. Indessen fing der +oben mit gekreuzten + + [28] Es ist mir unmöglich, sogleich auf der Stelle unter dem + Wasserästen-Wald von Anspielungen in meinen Werken -- sogar diese + ist wieder ein Ast -- herauszubringen und darauf zu fallen, ob ich + je + +Armen auf dem Kasten liegende Elefant -- der aber von seinem Gleichnis +mehr die drückende Masse als das fliegende Geisteslicht zu haben schien +-- bald zu schlafen und zu schnarchen an; ein Elefant, wovon (wie ich +immer froher einsah) mein Schwager, der Dragoner, leicht der Kornak und +Bändiger sein konnte, ja schon gewesen war. + +Da jetzt mehr als eine Person schlafen wollte, aber (mit Recht) ich +hingegen wachen: so bot ich gern meinen Fahrehrensitz, den Vordersitz +(auch um manchen Neid der Passagiere zu tilgen), solchen Personen an, +die auf ihm ein wenig schlummern wollten. Der Legationsmann ergriff das +Anerbieten und den Lehnpolster mit Hast und entschlief an der Rücklehne +des Titans hinter ihm. Etwas unbegreiflich blieb mir dergleichen +Postschlaf von einem diplomatischen _Chargé d'affaires_. Ein Mann, der +so mitten unter einer blutfremden, + + die sämtlichen Höfe oder Höhen die (Bouguersche) Schneelinie Europas + genannt habe oder nicht, ich wünschte aber Belehrung darüber, um es + im widrigen Falle etwa noch zu tun. + +oft blutdürstigen Genossenschaft entschläft, kann ja, wenn er im +Schlummer und Wagen spricht (denkt nur alle an den sächsischen Minister +vor dem Siebenjährigen Kriege!) hundert Geheimnisse, tausend Schandtaten +herausstoßen, die er kaum verübt hat. Sollte nicht jedem Minister, +Gesandten oder anderen Mann von Ehre oder Stand ordentlich grausen vor +Tollwerden oder hitzigen Fiebern, da ihm kein Mensch dafür steht, daß er +nicht darin mit den größten Skandalen herausfährt, wovon vielleicht die +Hälfte Lügen sind? + +Endlich, nach der langen Juliusnacht, kamen wir Passagiere samt der +Aurora vor Flätz an. Ich sah scharf und weich nach den Turmspitzen; ich +glaube, daß jeder Mensch, der in einer Stadt etwas Entscheidendes zu +suchen + + [36] Und so wünscht' ich überall der erste zu sein, besonders im + Betteln; der erste Kriegsgefangene, der erste Krüppel, der erste + Abgebrannte (ähnlich dem, der die erste Feuerspritze anführt) + erbeutet die Hauptsumme und das Herz; der Nachkömmling spricht die + Pflicht nur an; und endlich geht es mit dem melodischen Mancando des + Mitleids soweit + +hat, und dem sie entweder ein Richtplatz seiner Hoffnungen oder deren +Ankerplatz, entweder Schlacht- oder Zuckerfeld wird, sein Auge am ersten +und längsten auf die Türme der Stadt als auf die Zeigefinger und +Züngelchen seiner Zukunftswage heftet; gleichsam architektonische Berge, +welche wie die natürlichen die Thronen unserer Zukunft sind. Als ich +mich damit zu dichterisch gegen Jean Pierre herausließ, so antwortete er +geschmacklos genug: »Die Türme solcher Städte sind ja die Alpenspitzen, +worauf wir den Alpenkäse unserer Zukunft suchen und melken.« Mochte der +Legations-Peter mit diesem Stile mich lächerlich machen oder nur sich? +-- Entscheidet! + +»Hier ist der Ort, die Stadt,« sagt' ich heimlich zu mir, »wo heute viel +und über + + herunter, daß der letzte -- wenn der vorletzte wenigstens noch + mit einem reichen »Gotthelf« beschwert abzieht -- nichts von der + mildtätigen Hand mehr erhält als deren Faust. Wie nun im Betteln der + erste, so möcht' ich im Geben der letzte sein; einer löscht den + andern aus, besonders der letzte den ersten; so aber ist die Welt + bestellt. + +Zukünfte entschieden wird, wo du diesen Abend um fünf Uhr deine +Bittschrift und halb dich selber übergibst; -- geh' es doch gut! geh' es +herrlich! Werde Flätz, dieser Waffenplatz deiner kleinen Bestrebungen, +zugleich die Baustelle von Lust- und Luftschlössern zweier Herzen, des +deinigen und des weiblichen!« + +Im Gasthofe zum Tiger stieg ich ab. + + + + +Erster Tag in Flätz. + + +Kein Mensch wird sich anfangs in meiner Tigerhotelslage stark +enthusiasmieren über die nächsten Aussichten. Ich, als der einzige mir +bekannte Mensch, besonders von der Seite der Liebe (vom abgehenden +Dragoner nachher!), sah aus den Fenstern des mit Marktgästen sich +vollstopfenden Gasthofes heraus und auf das Nachströmen des Marktheeres + + + [136] Übersteigt ihr eure Zeit zu hoch, so geht es euren Ohren (von + seiten der Fama) nicht viel besser, als sinkt ihr unter solche zu + tief, wirklich ganz ähnlicherweise spürte =Charles= oben in der + Luftkugel, und =Halley= unten in der Taucherglocke gleichen + besonderen Schmerz in den Ohren. + +hernieder und konnte sehr bald bedenken, daß eigentlich niemand als Gott +und die Spitzbuben und Mörder genau wußten, wieviel von beiden letzteren +darunter mit einschwämmen, um vielleicht die unschuldigsten Marktgäste +teils zu enthülsen, teils zu enthalsen. Meine Lage hatte etwas gegen +sich -- mein Schwager hatte, weil er alles blind herausschlägt, es +fallen lassen, daß ich im Tiger abstiege -- (o Gott, wann lernen solche +Menschen geheimnisreich bleiben und auch den elendesten Bettel des +Lebens unter Deckmänteln und Schleiern bloß deshalb zu tragen, weil so +oft eine lausige Maus einen Eis- und Golgathaberg gebiert als ein Berg +eine Maus?). Sämtliches Postgesindel saß sämtlich im Tiger ab -- die +Hure -- der Kammerjäger -- Jean Pierre -- der Riese, der schon am +Stadttore ausstieg und den Großkopf des + + [25] In der Jugend sieht man eben wie ein operierter Blindgeborener + -- und was tut auch der Geburtshelfer oder die Geburtshelferin + anders als operieren -- die Ferne für die Nähe an, den Sternenhimmel + für greifbares Stubengeräte, die Gemälde für Gegenstände, + +Zwergs als eigenen Kopf durch Mantelbemäntelung über die Straßen trug, +damit er um einen halben Zwerg gratis riesenhafter erschiene, als er +eigentlich für Geld zu sehen war. -- -- + +Es kam nun auf jeden ausgestiegenen Passagier an, ob er zum Tiger, dem +Wappentiere des Gasthofs, den Prototypus machen, und welches Lamm er +dann fressen, aussaugen, abrupfen wollte. Auch mein Schwager verließ +mich, um einem Roßtäuscher nachzuziehen, behielt aber für seine +Schwester sein Zimmer neben meinem; dies sollte, wie es schien, +Aufmerksamkeit für sie verraten. Ich blieb einsam meiner Tatkraft +überlassen. + +Gleichwohl dacht' ich unter so vielen Spitzbuben, die mich umzingelten, +wenn nicht gar belagerten, warm an eine ferne, redliche Seele, an meine +Berga in Neusattel, ein Mark- und Kraftherz, das vielleicht manchem + + und die ganze Welt sitzt dem Jüngling auf der Nase, bis ihn, wie den + Blinden, mehrmaliges Auf- und Zubinden endlich Schein und Ferne + schätzen lehrt. + +[Illustration: ... so gab ich dem Feld- und Bartscheerer einen so +plötzlichen Stoss auf den Nabel ..] + +schwachen Ehebündner mehr Schutz gewähren, als verdanken würde. +»Erscheine nur morgen mittags recht bald, Berga,« sagte mein Herz, »und +womöglich noch vormittags, damit ich dein Jahrmarktsparadies um so viele +Stunden länger ausdehne, als du um frühere anlangst!« + +Ein Geistlicher läuft mitten im Weltsturm leicht in einen Freihafen +ein, in die Kirche; die Kirchenmauer ist seine Schießhausmauer und +Fortifikation; und dahinter sitzen gleichergestimmte und friedlichere +Seelen beisammen als auf dem Marktplatz -- kurz, ich ging in die +Hofkirche. Inzwischen wurde ich in meiner Liederandacht ein wenig +verrückt durch einen Heiducken, der einem wohlgekleideten, jungen Herrn +mir gegenüber die Doppellorgnette von der Nase abriß, weil in Flätz +sowie in Dresden + + [125] Am Ende muß man noch aus Angst und Not der wärmste Weltbürger + werden, den ich kenne; so sehr schießen die Schiffe als + Weberschiffchen hin und her und weben Weltteile und Inseln + aneinander. Denn es falle heute das politische Wetterglas in + Südamerika; so haben wir morgen in Europa Gewitter und Sturm. + +Gläser, die verkleinern und nähern, gegen den Hof verstoßen; ich hatte +zwar selber eins aufgesetzt, aber es vergrößerte. Ich konnte mich +unmöglich dahin bringen, die Brille abzunehmen, und ich werde hier, +fürcht' ich, wieder als Starrkopf und Waghals aussehen; bloß dies hielt +ich für schicklich, in einem fort mit ihr ins Gesangbuch zu blicken und +nicht einmal, da der Hof einrauschte, aufzuschauen, um Winke zu geben, +daß sie erhaben geschliffen. -- Die Predigt übrigens war gut, wenn auch +nicht immer fein bedacht für eine Hofkirche; denn sie mahnte von +unzähligen Lastern ab, zu deren Widerspielen, den Tugenden, ein anderer +Prediger zu leicht hätte ermahnen können! Unter dem ganzen Gottesdienste +trachtete ich, wahre, tiefe Ehrerbietung + + [19] Leichter, hat man bemerkt, ersteigt man einen Berg, wenn + man rückwärts hinaufgeht. Dies ließe sich vielleicht auch auf + Staatshöhen anwenden, wenn man ihnen immer nur das Glied wiese, + womit man sich darauf setzt, und das Gesicht gegen das Volk unten + gerichtet hielte, indes man in einem fort sich entfernte und höbe. + +an den Tag zu legen, sowohl gegen Gott als gegen meinen erhabenen +Landesherrn. Zur letzteren Ehrerbietung hatte ich noch meinen +Privatgrund; ich wollte solche nämlich recht öffentlich und stark mit +erhabenen Schriftpunzen auf meinem Gesicht ausprägen, um irgendeinen +eingefleischten Schadenfroh am Hofe Lügen zu strafen, der etwa meine +neuliche Widerlegung von Linguets Lob auf Nero und meine deutsche freie +Satire auf diesen wahren Tyrannen selber, die ich ins Flätzische +Wochenblatt eingeschickt, möchte zu einem heimlichen Charaktergemälde +meines Fürsten umzudrehen beliebt haben. Leider kann man jetzt kaum auf +den höllischen Teufel selber eine Stachelschrift abfassen, ohne daß +irgendein menschlicher sie auf einen Engel appliziert. + +Als endlich der Hof aus der Kirche in den + + [26] Wenige deutsche Gelehrte sind nicht originell, wenn man anders + (wenigstens aller Länder Sprachgebrauch ist) jedem Originalität + zusprechen darf, der bloß seine eignen Gedanken auftischt und keine + fremden. Denn da zwischen ihrem Gedächtnis, wo das Gelesene oder + Fremde wohnt, und zwischen + +Wagen stieg, hielt ich mich in solcher Entfernung, daß mein Gesicht +unmöglich wäre zu sehen gewesen, falls ich etwa in der Nähe kein +ehrerbietiges, sondern ein zu stolzes gezogen hätte. Gott weiß, wer mir +allein jene tollkecken Phantasien und Gelüste eingeknetet hat, die +vielleicht einem Helden Schabacker mehr anständen als einem Feldprediger +unter ihm. Ich kann hier nicht umhin, eine der frechsten, euch, meinen +Freunden, zu vertrauen, würfe sie auch anfangs ein zu grelles Licht auf +mich. Es war bei meiner Ordination zum Feldprediger, als ich zum +heiligen Abendmahle ging am ersten Ostertag. Während ich nun so dastand, +weich bewegt vor dem Altargeländer mit der ganzen Männergemeinde -- ja, +ich vielleicht stärker gerührt, als einer darunter, weil ich als ein in +den Krieg Ziehender + + ihrer Phantasie oder Erzeugungskraft, wo das Geschriebene und Eigene + entsteht, ein hinlänglicher Zwischenraum und die Grenzsteine so + gewissenhaft und fest gesetzet sind, daß nichts Fremde ins Eigne und + umgekehrt herüber kann, so daß sie wirklich hundert Werke lesen + können, ohne den Erdgeschmack + +mich ja halb als einen Sterbenden betrachten durfte, der nun wie ein zu +Henkender die letzte Seelenmahlzeit empfängt -- so warf in mir, mitten +in die Rührung von Orgel und Sang, etwas -- sei es nun der erste +Osterfeiertag gewesen, der mich auf das sogenannte alte christliche +Ostergelächter brachte, oder der bloße Abstich teuflischer Lagen gegen +die gerührtesten -- kurz, etwas in mir (weswegen ich seitdem jeden +Einfältigeren in Schutz nehme, der sonst dergleichen dem Teufel +anschrieb!) -- dies Etwas warf die Frage in mir auf: »gäb' es denn etwas +Höllischeres, als wenn du mitten im Empfange des heiligen Abendmahls +verrucht und spöttisch zu lachen anfingest?« Sogleich rang ich mich mit +diesem Höllenhund von Einfall herum -- versäumte die stärksten +Rührungen, + + des eignen einzubüßen oder dasselbe sonst zu ändern: so ist, glaub' + ich, ihre Eigenheit bewährt; und ihre geistigen Nahrungsmittel, ihre + Plinsen, Laibe, Krapfen, Kaviare und Suppenkugeln werden nicht, wie + nach Büffon die körperlichen, zu organischen Kügelchen der + Erzeugung, sondern erscheinen rein + +um nur den Hund im Gesichte zu behalten, und abzutreiben -- kam aber von +ihm abgemattet und begleitet vor dem Altarschemel mit der jammervollen +Gewißheit an, daß ich nun in kurzem ohne weiteres zu lachen anfangen +würde, ich möchte innen weinen und stöhnen, wie ich wollte. Als daher +ich und ein sehr würdiger alter Bürgermeister uns miteinander vor dem +langen Geistlichen verbeugten und letzterer mir (vielleicht kam er mir +auf dem niedrigen Kniepolster zu lang vor) die Oblate in den klemmen +Mund steckte: so spürt' ich schon, daß an den Mundwinkeln alle +Lachmuskeln sardonisch zu ziehen anfingen, die auch nicht lange an der +unschuldigen Gesichtshaut arbeiteten, als schon ein wirkliches Lächeln +darauf erschien -- und als wir uns gar zum zweiten Male verneigten, so +grinste + + und unverändert wieder. Oft denk' ich mir solche Gelehrte als + lebendige, aber tausendmal künstlichere Entriche von Vaukansons + Kunstente aus Holz. Denn in der Tat sind sie nicht weniger künstlich + zusammengefugt als diese, welche frißt und den Fraß hinten + wiederzugeben scheint -- zarte Nachspiele + +ich wie ein Affe. Mein Nebenmann, der Bürgermeister, redete ganz mit +Recht, als wir hinter den Altar umgingen, mich leise an: »Um Gottes +willen, sind Sie ein ordinierter Prediger oder ein Pritschenmeister? -- +Lacht denn der lebendige Gottseibeiuns aus Ihnen?« -- »Ach, Gott! wer +denn sonst?« sagt' ich; erst nachher bracht' ich meine Andacht +ernsthafter zu Ende. + +Aus der Kirche -- (ich komme wieder in die Flätzer) -- ging ich in den +Gasthof zum Tiger und aß an der Wirtstafel, weil ich nie menschenscheu +bin. Vor dem zweiten Gerichte reichte mir der Kellner einen leeren +Teller, worauf ich zu meinem Erstaunen einen französischen Vers mit der +Gabel eingekratzt erblickte, der nichts Geringeres enthielt als ein +Pasquill auf den Kommandanten von + + der Ente, welche unter dem Schein, die Kost in Blut und Saft + verwandelt zu haben, bloß einen, vom Künstler im Hinterleibe + trefflich vorgerüsteten Auswurf, der mit Speise und Verdauung gar + nicht zusammenhängt, illusorisch in die Welt setzt und drückt. + +Flätz. Ohne Umstände bot ich den Teller der Tischgesellschaft hin und +sagte, ich hätte das pasquillantische Geschirr, wie sie sähen, eben +bekommen, und bäte sie zu bezeugen, daß der Handel mich nichts angehe. +Ein Offizier wechselte sogleich mit mir Teller. Bei dem fünften Gericht +durft' ich mich über die chemisch-medizinischen Unkenntnisse der +Tischgesellschaft verwundern, indem ein Hase, aus welchem ein Herr +mehrere Schrotkörner, das heißt also ein mit Arsenik versetztes und +durch den warmen Essig nun aufgelöstes Blei, öffentlich herausgezogen +und vorgezeigt hatte, von den Zuschauern (mich ausgenommen) lustig +fortgespeist wurde. + +Unter den Tischgesprächen faßte mich eins gewaltig bei meiner schwachen +Seite, bei meiner Ehre. Es wurde nämlich der Gerichtsgebrauch der +Residenz erzählt, daß ein unzüchtiges Mädchen jeden, wen eine Dirne dazu +wähle, in den Vater ihres Wurms verkehren + + [15] Nach Ähnlichkeit der schön polierten englischen Einlegmesser + gibt's auch Einlegkriegsschwerter, oder -- mit andern Worten -- + Friedensschlüsse. + +könne bloß durch ihr Eidwort. »Schrecklich!« sagt' ich, und mir stand +das Haar zu Berg. -- »Auf diese Weise kann sich ja der erste beste +Hausvater mit Frau und Kindern, oder ein Geistlicher, der im Tiger +logiert, von der ersten schlimmsten Aufwärterin, die er oder die ihn +leider abends zufällig kennen lernen, um Ehre und Unschuld gebracht +sehen?« Ein ältlicher Offizier fragte: »Soll denn aber das Mädchen sich +lieber zum Teufel schwören?« Welche Logik! -- »Oder gesetzt,« fuhr ich +ohne Antwort fort, »ein Mann reist mit jenem Wiener Schlossergesellen, +der nachher Mutter wurde und mit einem Söhnchen niederkam, oder mit +irgendeinem verkleideten Ritter d'Eon, mit dem er häufig übernachtet; +und der Schlossergeselle oder der Ritter dürfen dann ihre Beilager +beeidigen: so kann ja kein zarter Mann zuletzt mehr mit einem anderen +reiten und fahren, weil er nicht weiß, wann dieser die Stiefel auszieht +und die Weiberschuhe an, und ihn dann zum Vater schwört und sich zum +Teufel?« + +Aber einige von der Tischgesellschaft vergriffen sich in meinem +Kanzelfeuer so sehr, daß sie schafsmäßig zu glauben andeuteten: ich +selber sei in diesem Punkt nicht richtig, sondern lax. Beim Himmel! ich +wußte da nicht mehr, was ich fraß und sprach. Zum Glücke wurde mir +gegenüber eben die Lüge irgendeiner französischen Niederlage ausgesagt; +da ich nun an den Straßenecken die französische und deutsche +Proklamation angesehen, welche jeden, der Kriegsberichte -- nämlich +nachteilige -- anhört, ohne sie anzuzeigen, vor das Kriegsgericht +bestellt: so konnt' ich als ein Mann, der sich nie gern vergessen will, +wohl nichts Klügeres tun, als davongehen mit leeren Ohren und nur dem +Wirte rapportieren warum. + +Es war keine unrechte Zeit, denn absichtlich um viereinhalb Uhr wollt' +ich mir den Bart scheren lassen, um gegen fünf so recht mit einem vom +Balbiermesserglättzahn geleckten Kinn, wie glattes Velinpapier, ohne +Wurzelstöcke vom Kinnhaare (Barthaare ist Pleonasmus) auf- und +vorzutreten. Vorher goß ich, wie Pitt vor Parlamentssitzungen, verdammt +viel Pontak mit wahrem Ekel in meinen Magen hinunter gegen jede +Heillehre und Sperrordnung desselben, nicht sowohl um den leichten, +fremden Bartputzer zu bestehen, als den Ministergeneral Schabacker, mit +welchem ich eines und das andere Feuerwort zu wechseln vorhatte. + +Es kam der gewöhnliche Fremdenbalbier des Hotels, hatte aber sogleich in +seinem viellinigen ausgezackten Gesichte mehr von einem endlich toll +werdenden, als von einem weiser werdenden Manne an sich. Tolle nun hass' +ich unglaublich und bin daher in kein Tollhaus zu bringen, weil da der +erste beste Wütige mich mit Riesenfäusten erschnappt, wenn er mag, und +weil ich überhaupt der Ansteckung wegen nicht weiß, ob ich wieder mit +dem Verstande herauskomme, den ich hineintrage. -- Gewöhnlich sitz' ich +(bin ich eingeseift) dergestalt auf dem Stuhle, daß ich, beide Hände +(den Blick spann' ich scharf gegen das balbierende Gesicht) auf den +Schenkeln, dem Zwerchfell des Balbiers gegenüber schlagfertig liegen +habe, um ihn bei der kleinsten zweideutigen Bewegung wie wütig +umzustoßen. + +Ich weiß kaum recht, wie es zuging, aber indes ich mich ins +närrisch-gewundene Gesicht des Bartputzers vertiefe und da er eben das +lang' gewetzte Schlachtmesser etwas vorschnell gegen meine entblößte +Gurgel führte: so gab ich dem Feld- und Bartscherer einen so plötzlichen +Stoß auf den Nabel, daß der Mann sich im Fallen bald selber +selbstmörderisch die Gurgel abgeschnitten hätte. Mir blieb freilich +nichts davon als Gutmachungen und eine gegen meine sonstigen Grundsätze +umgebundene geschwollene Kravatte als Deckmantel dessen, was unbeschoren +geblieben. + +Jetzt brach ich denn endlich zum General auf und trank die Pontaksreste +noch unter der Schwelle aus. Ich hoffe, in mir lagen Pläne fertig, +richtig zu antworten, ja zu fragen. Das Bittschreiben hatt' ich in der +Tasche und in der rechten Hand. In der linken hatt' ich dessen Duplikat. +Mein Feuer half mir leicht über alle ministeriellen lebendigen Zäune +hinüber, und ich befand bald mich unverhofft im Vorzimmer unter seinen +vornehmsten Lakaien, die, soviel ich merkte, nichts verpassen sollten. +Ich überreichte dem Ansehnlichsten meine papierne Bitte mit der +mündlichen, sie seinerseits zu überreichen. Er nahm sie, aber +unverbindlich. Ich wartete tief in die Stunde sechs Uhr hinein +vergeblich, worin allein dem frohen Generale manches vorzutragen ist. +Endlich erseh' ich einen Stief- oder Duzbruder des vorigen Lakaien und +wiederhole mein Gesuch; dieser rennt umsonst umher, um Bruder oder +Schreiben zu suchen -- nichts war zu finden: -- wie glücklich war ich, +daß ich das Duplikat der Bittschrift mitten im Pontak vor dem Rasieren +mir wieder abgeschrieben, und also -- bloß aus dem Grundsatz, daß man +immer ein zweites hölzernes Bein im Mantelsack eingepackt haben müsse, +wenn man ein erstes am Leibe habe -- und aus der Furcht, daß, wenn mir +das Urschreiben auf dem Wege + + [13] _Omnibus una salus sanctis, sed gloria dispar_; das heißt -- + schreiben sonst die Gottesgelehrten -- nach Paulus haben wir im + Himmel alle dieselbe Seligkeit, aber verschiedene Ruhmstufen. Schon + auf der Erde finden wir im Himmel der Schriftstellerwelt + +vom Tiger zu Schabacker verloren ginge, meine ganze Reise und Hoffnung +zu Wasser müßte werden -- dies, sag' ich, war gut, daß ich das +Repetierwerk des Urschreibens eingesteckt hatte, und folglich in jedem +Falle etwas, und zwar ein detto, einzuhändigen vermochte. Ich händigte +dasselbe ein. + +Leider nur war schon sechs Uhr vorbei. Der Lakei aber blieb nicht lange +aus, sondern brachte mir bald -- ich möchte sagen den Predigttext dieses +Zirkelbriefes -- die fast rohe Antwort (die ihr, Freunde, aber aus +Achtung für mich und Schabacker geheim zu halten habt): falls ich der +Attila Schmelzle beim Schabackerschen Regiment wäre, so möcht' ich mich +nur mit meinem Hasenpanier wieder zum Teufel scheren, wie ich bei +Pimpelstadt getan. Ein anderer wäre auf dem Platze geblieben; ich aber +ging ganz derb davon und + + ein Vorbild davon. Nämlich die Seligkeit der von der Kritik + seliggesprochenen Autoren der genialen, der guten, der + mittelmäßigen, der geistesarmen, ist bei allen die nämliche, sie + machen sämtlich im ganzen fast einerlei Kameralglück, denselben + +versetzte dem Kerl: »Ich schere mich auch willig zum Teufel, und schere +mich den Teufel darum.« Unterwegs untersucht' ich mich selber, ob nicht +etwa der Pontak aus mir gesprochen -- wiewohl schon die Untersuchung +widerspricht, da kein Pontak untersucht; -- aber ich fand, daß nur ich, +mein Herz, vielleicht mein Mut etwas gesprochen: und wozu denn überhaupt +Kleinmut, da das Vermögen meiner guten Frau mich ja besser besoldet als +zehn katechetische Professuren, und da sie alle Ecken meines Buches des +Lebens mit so viel goldenen Beschlägen versieht, daß ich es, ohne es +abzunützen, immer aufschlagen kann? -- Schwangere mögen bei Schrecken an +den Hintern greifen, um das Muttermal des Versehens dorthin zu verstecken; +ich griff bei dem Mute ans Herz und sagte: »Schlage dich nur tapfer durch, +wer auch dabei geschlagen + + schwachen Profit. Aber Himmel, was hingegen Nachruhmsstaffeln + anlangt, wie tief wird nicht -- ungeachtet des nämlichen Honorars + und Absatzes -- schon bei Lebzeiten ein sogenannter Duns unter ein + Genie hinabgestellt! -- Wird nicht oft ein + +werde!« Ich fühlte mich ganz erhoben und erhitzt -- ich dachte mir +Republiken, wo ich als Held nach Hause kommen könnte -- ich sehnte mich +in jene heroischen Griechenzeiten hinein, wo ein Held vom andern Prügel +gern einsteckte und sagte: schlage nur, aber höre mich! und aus unseren +feigen heraus, wo man kaum Schimpfworte aushält, geschweige mehr -- ich +malte mir es aus, wie ich mich fühlen würde, wenn ich in glücklichere +Umgebungen Afterthronen umwürfe und vor ganzen Völkern auf Großtaten wie +auf Tempelstufen unsterblich aufstiege und in gigantischen Zeiten ganz +andere und größere Männer zu übermannen und zu übertreffen fände als +jetzt den Milbenpöbel um mich her und höchstens den einen und den +anderen Vulcanello. Ich dachte -- und machte mich immer wilder und ich +selber berauschte mich + + geistesarmer Autor in einer Messe vergessen, indes ein geistreicher + oder gar ein genialer durch fünfzig Messen durchblüht und so erst + sein 25 jähriges Jubiläum feiert, bevor er spät vergessen untergeht + und im deutschen Ruhmtempel eingesenkt wird, der + +(also kein Pontaksrausch, der bekanntlich mehr durch als ohne Trinken +wächst), und gestikulierte öffentlich -- als ich mich fragte: »Willst +du ein bloßer Staatsschoßhund werden -- ein Hunds-Hund -- ein _pium +desiderium_ eines _impii desiderii_ -- ein Ex-Ex -- ein Nichts-Nichts? +-- -- O Sackerment!« Darüber stieß ich mir aber meinen Hut in den +Marktkot. Da ich ihn aufhob und säuberte, sah ich überall, wie +verschossen er war, und entschloß mich sogleich, einen neuen zu kaufen +und anfangs selber zu tragen in der Hand. + +Ich vollzog's und erhandelte einen vom feinsten Kaliber. Sonderbar, +durch diesen Hut, als wär's ein Magisterhut, wurde in der Ziegengasse +ordentlich mein Kopf geprüft und examiniert. Da nämlich der General +Schabacker darin daherfuhr, und ich (wie sich wohl von selber versteht) +mich nicht durch + + die bekannte Eigenheit der Kirche des Ordens der Padri Lucchesi in + Neapel nachahmt, welche bekanntlich (nach Volkmann) unter ihrem + Dache eine Begräbnisstätte, aber kein Denkmal darauf verstatten. + +gemeine Grobheit, sondern durch Höflichkeit rächen wollte: so bekam ich +eine der kitzlichsten Aufgaben zu lösen vor. Schwenkt' ich nämlich bloß +den feinen Filz, den ich schon in der Hand trug, behielt aber den +verschossenen auf dem Kopfe: so konnt' ich einem Grobian von Haus aus +ähnlich sehen, der nichts abzieht; zog ich hingegen den alten vom Kopfe +und hofierte damit: so spielten zwei Filze auf einmal (ich mochte nun +den anderen mitbewegen oder nicht) die Sache ins Lächerliche. Nun, +stimmt doch ab, ihr Freunde, eh' ihr weiter leset, wie man sich hier +herauszuziehen hätte, ohne den Kopf zu verlieren!.... Ich glaube +vielleicht dadurch, daß man bloß den Hut verliert; kurz und gut, ich +ließ eben geradezu den Putzhut aus der Hand in den Kot fallen, um mich +in den Stand zu setzen, den Sudelhut einsam abzunehmen und mit nötiger +Höflichkeit zu schwenken ohne einen Anstrich von Lächerlichkeit. + +Im Tiger ließ ich -- um etwas schließen zu lassen -- den brillantierten +Fein-Fein-Fein-Filz + +[Illustration: ... und betete laut: Dir übergeb' ich mich ganz / Du +allein sorgtest ja bisher für mich schwachen Knecht] + +früher ausbürsten als den Kotsassen- oder Schartekenhut. + +Nun ging ich, meine wichtige Vergangenheit in der Adjustier- und +Probierwage tragend, feurig auf und nieder. Der Pontak mußte -- ich weiß +wohl, daß es hinieden nur unechten gibt -- ein noch unechterer gewesen +sein; so sehr jagte er meine Phantasie in ein Feuer nach dem anderen. +Ich sah jetzt in ein weites, glänzendes Leben hinein, wo ich ohne Amt +lebte, bloß von Geld; und das ich gleichsam mit den delphischen Höhlen +und Zenonischen Gängen und Musenbergen aller der Wissenschaften übersäet +sah, die ich ruhig treiben konnte. Besonders konnte ich mich mehr auf +Preisschriften bei Akademien legen, deren (nämlich der Schriften) sich +kein Urheber jemals zu schämen braucht, weil eine ganze krönende +Akademie in jedem Falle für den Koronanden steht und errötet. Schießt +auch der Preiswerber neben der Krone vorbei, so bleibt er doch stets +unbekannter und anonymer (da man seine Devise nicht entsiegelt) als ein +anderer Autor, der zwar namenlos ein Langohr von Buch ediert, den aber +doch bald ein literarisches Eselbegräbnis (_sepultura asinina_) +öffentlich vor der halben Welt einsenkt. + +Nur etwas dauerte mich voraus, das Leid meiner Berga, welcher ich morgen, +der lieben Müdegereisten, die Ankunft und die abgekürzte Marktschau mit +meiner abschlägigen Nachricht versalzen mußte. Sie wollte so gern in +Neusattel -- und wer verübelt's einer reichen Pächterstochter -- etwas +vorstellen und manche Honoratiorin ausstechen. -- Jeder Mensch verlangt +sein Paradeplätzchen und eine frühere lebendigere Ehre, als die letzte +Ehre. -- Besonders will eine so gute Niedriggeborene, sich vielleicht +mehr ihres metallischen als ihres geistigen Schatzes und Tilgungsfonds +bewußt, doch bei Ehrengelagen Meisterin von irgendeinem Stuhl oder +Stühlchen sein und über die erste beste dumme Gans _loci_ hinaufsitzen. + +Dazu sind nun Ehemänner so unentbehrlich. Ich nahm mir daher vor, mir +und folglich ihr einen der besten Titel, womit die Höfe in Deutschland +(gleichsam wie in einem Auerbachshof in Leipzig) vom Adel und Halbadel +an bis zum Rate herunter in einem fort feilstehen, anzukaufen und dieser +geadelten Seele durch meinen Viertelsadel einen solchen Achtelsadel +zuzuspielen, daß (hoff' ich) manche gemeine nebenbuhlerische Neusattlerin +vom Neide halb geborsten sagen und rufen soll: »Ei du dummes Pächtersding! +Seht doch, wie das schwänzelt und wedelt! Es denkt nicht daran, was es +mit ihm wäre, wenn es keinen Geldsack und keinen Hofrat hätte; --« Denn +letzteres nämlich müßt' ich etwa vorher geworden sein. + +Aber ich sehnte mich in der kalten Einsamkeit meines Zimmers und im +Feuer meiner Erinnerungen unbeschreiblich nach dem Bergelchen -- ich und +mein Herz waren müde vom fremden treibenden Tage -- niemand um mich her +sagte mir ein gutes Wort, das er nicht in die Wirtsrechnung zu bringen +verhoffte. -- Freunde, ich schmachtete nach der Freundin, deren Herz +gern das Blut zum Balsam für ein zweites vergießt -- ich verfluchte +meine überklugen Maßregeln, daß ich nicht, um die Gute sogleich mit mir +zu nehmen, lieber das dumme Hauswesen allen Spitzbuben und Feuerschäden +preisgegeben. -- Im Auf- und Abgehen ward es mir immer leichter, alles +zu werden, jeder Kammerrat, Akzisrat, anderer Rat, und wie sie nur +befahl, wenn sie ankäme. + +»Mach dir nur einen guten Tag in der Stadt!« sagte Bergelchen diese +ganze Woche hindurch. Aber wie ist einer ohne sie zu machen? Unsere +Trauertränen trocknen auch Freunde ab und begleiten sie mit eigenen; +aber unsere Freudentränen finden wir am leichtesten in den Augen unserer +Frauen wieder. -- Verzeiht, Freunde, diese Libationen meiner Rührung -- +ich zeig' euch nur mein Herz und meine Berga. -- Bedarf ich eines +Ablaßkrämers, so nehmt den Pontakskrämer dazu. + + [79] Schwache und verschobene Köpfe verschieben und verändern sich + am wenigsten wieder, und ihr innerer Mensch kleidet sich sparsam um; + ebenso mausern Kapaune sich nie. + + + + +Erste Nacht in Flätz. + + +Gleichwohl nahm mir der Wein die Besonnenheit nicht, vor dem Bettegehen +unter das Bett zu sehen, ob jemand darunter lauere, zum Beispiel die +Hure, der Zwerg oder der Legationsrat, ferner den Schlüssel unter den +Türdrücker (die beste Sperrordnung unter allen) zu schieben, dann zum +Überflusse meine Nachtschraube an die Türe einzubohren und endlich davor +noch die Sessel übereinander zu bauen und Beinkleider und Schuhe +anzubehalten, weil ich durchaus nichts besorgen wollte. + +Ich hatte aber noch andere Sachen des Nachtwandels wegen abzutun. Mir +war's überhaupt von jeher unbegreiflich, wie so viele Menschen zu Bette +gehen und darin gesetzt liegen können, ohne zu bedenken, daß sie +vielleicht im ersten Schlafe sich aufmachen + + [89] Die Alten heilten sich im Zeitenunglück mit Philosophie oder + mit Christentum; die Neueren aber z. B. in der Schreckenszeit + griffen zur Wollust, wie etwa der verwundete Büffel sich zur Kur + und zum Verband im Schlamme wälzt. + +als Nachtwandler und auf Dächer hinauskriechen und irgendwo erwachen, wo +sie den Hals brechen und den Rest. Ja, es wäre mir schon Gefahr genug, +wenn ein unbescholtener Mann, ein Feldprediger, im eigenen Bette +einschliefe und etwa auf den Seidenpolstern im Schlafgemache der +vornehmsten Dame in der Stadt aufwachte, von der er vielleicht sein +Glück erwartet. Bin ich zu Hause, so wag' ich wenig mit Schlaf; -- weil +ich, da meine rechte Fußzehe jede Nacht mit einem drei Ellen langen +Wickelbande (ich nenn' es scherzend unser eheliches Band) an die linke +Hand meiner Frau angeschlungen wird, die Gewißheit habe, daß ich, falls +ich aus dem Bettarrest herausginge, mit dem Sperrstrick sie wecken und +ich folglich von ihr, als meinem lebendigen Zaun, an der Nachtschnur +wieder ins Bett würde zurückgezogen werden. Im Gasthof aber konnt' ich +nichts tun, als mich einige Male an den Bettfuß schnüren, um nicht zu +wandern; obgleich alsdann einbrechende Spitzbuben neue Not mitbringen +konnten. Ach, so gefährlich ist alles Schlafen, daß leider jeder, der +nicht auf dem Rücken wie ein Leichnam daliegt, besorgen muß, mit dem +Ganzen schlafe auch ein oder das andere Gliedmaß, ein Fuß, ein Arm ein; +und dann kann das entschlummerte Glied -- da es in der medizinischen +Geschichte gar nicht daran an Exempeln fehlt -- am Morgen zum Amputieren +gereift daliegen. Deshalb lass' ich mich häufig wecken, damit nichts +einschläft. + +Als ich an den Bettpfosten gut angebunden und endlich unter die +Bettdecke gekommen war, wurde ich wegen meines Pontaks Feuertaufe aufs +neue bedenklich und furchtsam vor meinen zu erwartenden Kraft- und +Sturmträumen -- welche leider nachher auch nichts Besseres wurden als +Helden- und Potentatentaten, Festungsstürme, Felsenwürfe; -- noch aber +seh' ich wenig diesen Punkt ärztlich beherzigt. + + [108] Verwundert las ich, der Gruß im Gotthardstal sei: _Allegro!_ + -- Denn nie wurd' ich in Wetzlar, in Regensburg oder Wien anders + gegrüßt als: _Andante di molto!_ -- zuweilen jedoch: _Allegro, ma + non troppo!_ -- Ja, alte Generale grüßten sich + +Medizinalräte und ihre Kunden strecken sich alle ruhig in ihren Betten +aus, ohne daß nur einer von ihnen befürchtet oder untersucht, ob ihm ein +wütiger Zorn (zumal wenn er schnell darauf kalt säuft im Traum), oder +ein herzzerreißender Harm, was er alles in den Träumen erleben kann, am +Leben schade oder nicht. Wär' ich, ich bekenn' es, eine Frau und mithin +weiblich-furchtsam zumal in guter Hoffnung, ich würd' in letzter über +die Frucht meines Schoßes in Verzweiflung sein, wenn ich schliefe und +folglich im Traum alle die von medizinischen Polizeien verbotenen +Ungeheuer, wilden Bestien, Mißgeburten und dergleichen zu Gesicht +bekäme, wovon eine ausreicht (sobald die bestätigte Lehre des Versehens +wahr bleibt), daß ich Kreißende mit einem elenden Kinde niederkäme, das +ganz aussähe wie ein Hase und voll Hasenscharten dazu, oder das eine +Löwenmähne + + oft: _Poco vivace._ -- Ich erkläre mir es daher, daß der Deutsche, + wenn alle Völker, die Füße und Schuhe zu ihren Maßen nehmen, lieber + mit Sessions-Steißen und Hosen abmißt. + +hinten hätte oder Teufelsklauen an den Händen, oder was sonst noch +Mißgeburten an sich haben. Vielleicht wurden manche Mißgeburten von +solchem Versehen in Träumen gezeugt. + +Nachts kurz vor zwölf Uhr erwacht' ich aus einem schweren Traum, um eine +für meine Phantasie zu geisterhafte Geistergeschichte zu erleben. Mein +Schwager, der sie mir eingebrockt, verdient für seine ungesalzene +Kocherei, daß ich ihn euch als den Braumeister des schalen Gebräues ohne +Schonen nenne. Wäre Argwohn mit Unerschrockenheit verträglicher, so +hätte ich vielleicht schon aus seinem Sittenspruche über dergleichen +unterwegs sowie aus dem Fortbehalten seines Nebenzimmers, an dessen +Mitteltüre mein Lager stand, leicht alles geschlossen. Mir war nämlich, +als würd' ich angeblasen von einem kalten Geisteratem, den ich auf keine +Weise + + [181] Gott sei Dank, daß wir nirgends ewig leben als in der Hölle + oder im Himmel; auf der Erde würden sonst wahre Spitzbuben aus uns, + und die Welt ein Haus von Unheilbaren, aus Mangel der + +aus den entfernten und versperrten Fenstern herzuleiten vermochte; -- +worin ich's denn auch traf, denn der Schwager hatt' ihn aus einem +Blasebalg durchs Schlüsselloch eingeschickt. Alles Kalte bringt in der +Nacht auf Todes- oder Geisterkälte. Ich ermannte mich aber und harrte -- +nun fing gar das Deckbette an, sich in Bewegung zu setzen -- ich zog es +an mich -- es wollte wieder weiter -- behend' setz' ich mich plötzlich +im Bette auf und rufe: »Was ist das?« -- Keine Antwort, überall Stille +im Gasthof -- das ganze Zimmer voll Mondschein --. Jetzt hob sich mein +Zugpflaster, das Deckbett, gar empor und luftete mich, wobei mir war +wie einem, von dem man ein Pflaster schnell abhebt. Nun tat ich den +Rittersprung aus dem Teufelstorus und zersprengte springend mein +Nachtwandlersleitseil. »Wo ist der dumme Menschennarr,« rief ich, »der +die erhabene unsichtbare + + Kurschmiede (der Scharfrichter) und der ableitenden Haarseile (am + Galgen) und der Ekel- und Eisenkuren (auf Richtstätten). So daß wir + also wirklich unsre sittliche Riesenkraft gerade so auf der Schuld + +Geisterwelt nachäfft, die ihm ja auf der Stelle erscheinen kann?« -- +Aber an, über, unter dem Bette war nichts zu hören und zu sehen. Ich +schaute zum Fenster hinaus; überall geisterhaftes Mondlicht und +Straßenstille, und nichts bewegte sich, als (wahrscheinlich vom Winde) +auf dem fernen Galberg ein Neugehenkter. + +Jeder andere hätt' es so gut für Selbsttäuschung gehalten als ich; daher +wickelte ich mich wieder in mein passives _lit de justice_ und Luftbette +ein, darin erwartend, inwiefern ich an Erschrecken erkalten sollte oder +nicht. + +Nach einigen Minuten fing das Deckbette, der teuflische Faustsmantel, +sein Fliegen und Schiffsziehen (ich allein war der Verurteilte) wieder +an, der Abwechslung wegen hob auch wieder der unsichtbare Bettaufhelfer +empor. Verfluchte Stunde! -- Ich möchte wissen, ob es im ganzen +gebildeten Europa einen gebildeten + + der Natur, die wir zu bezahlen haben, beruhend, finden, als die + Politiker (z. B. der Verfasser des neuen Leviathans) die Übermacht + der Engländer, auf deren Nationalschuld gestützt, erweisen. + +oder ungebildeten Menschen gäbe, der bei so etwas nicht auf +Geisterteufeleien verfallen wäre; -- ich verfiel darauf, unter der (sich +selber) fahrenden Habe des Deckbettes, und dachte, Berga sei Todes +verfahren und fasse nun noch geistig mein Bette. Dennoch konnt' ich +sie nicht anreden, sowenig als den Teufel, der hier einspielen konnte, +sondern ich wandte mich bloß an Gott und betete laut: »Dir übergeb' ich +mich ganz, du allein sorgtest ja bisher für mich schwachen Knecht -- und +ich schwöre, daß ich anders werde.« -- Ein Versprechen, das dennoch von +mir soll gehalten werden, so sehr auch alles nur dummer Lug und Trug +gewesen ist. + +Mein Gebet verfing nichts bei dem unchristlichen Dragoner, der mich +einmal im Zuggarn des Deckbetts gefangen hielt -- unbekümmert, ob er ein +Gastbett zum Parade- + + [63] Die, welche vom Völkerlichte Gefahren befürchten, gleichen + denen, die besorgen, der Blitz schlag' ins Haus, weil es Fenster + hat; da er doch nie durch diese, sondern durch deren Beeinflussung + fährt oder an der Rauchwolke des Schornsteins herab. + +[Illustration: Ich pfiff frisch ein gas Konisches Liedchen +darunterhinein ...] + +und Totenbette mache oder nicht. -- Er spann meine Nerven wie Golddraht +durch engere Löcher hindurch immer dünner bis zum Verschwenden und +Verschwinden, denn das Bette marschierte endlich gar herab bis an die +Mitteltüre. -- + +Jetzt war es Zeit, ohne Umstände erhaben zu werden und mich um nichts +mehr hienieden zu scheren, sondern mich dem Tode schlicht zu widmen: +»Rafft mich nur weg,« rief ich und schlug unbedenklich drei Kreuze, +»macht mich nur schnell nieder, ihr Geister; ich sterbe doch unschuldiger +als tausend Tyrannen und Gottesleugner, denen ihr leider weniger erscheint +als mir Unbeflecktem.« Hier vernahm ich eine Art von Lachen, entweder +auf der Gasse oder im Nebenzimmer; vor diesem warmen Menschenton blüht' +ich plötzlich wie vor einem Frühling an allen Spitzen wieder auf. Ich +verschmähte gänzlich die weggehaspelte + + [76] Die ökonomische predigende Poesie glaubt wahrscheinlich, ein + chirurgischer Steinschneider sei ein artistischer; und eine Kanzel + oder ein Sinai sei ein Musenberg. + +Decke, die jetzt von der Türe nicht mehr weg konnte; ich legte mich +unbedeckt, doch warm und schwitzend genug, bald in den Schlaf. Übrigens +schäm' ich mich nicht im geringsten vor allen aufgeklärten Hauptstädten +-- und ständen sie vor mir --, daß ich durch meinen Teufelsglauben und +meine Teufelsanrede einige Ähnlichkeit mit dem größten deutschen Löwen +bekommen, mit Luther. + + + + +Zweiter Tag in Flätz. + + +Am Frühmorgen spürt' ich mich aufgeweckt durch das bekannte Zudeckbett; +es hatte sich wie ein Inkube auf mich gesetzt; ich gaffte auf; in einem +Winkel saß still ein rotes, rundes, kernhaftes, aufgeputztes Mädchen wie +eine volle Tulpe von Lebensfrische aufgebläht und leise flatternd mit +bunten Bändern gleichsam + + [415] Nach Smith ist die Arbeit der allgemeine Maßstab des kameralen + Werts. Dies haben aber, wenigstens in bezug auf geistigen und + poetischen Wert, die Deutschen noch früher eingesehen und meines + Wissens stets den gelehrten Dichter über den genialen und das + schwere Buch der Arbeit über das flatternde voll Spiel gesetzt. + +als mit Blättern. »Wer ist dort, wie kommt man herein?« rief ich +halbblind. -- »Ich habe dich nur leise zugedeckt, und du solltest erst +ausschlafen,« sagte Bergelchen, »ich bin die ganze Nacht gegangen, damit +ich recht früh käme; sieh nur her!« Sie zeigte mir ihre Stiefel, das +einzige Reisestück (die Achillesferse), das sie vor dem Tore, als sie in +der Mauser der Toilette war, nicht hatte abstreifen können. -- »Brach,« +fragt' ich, über ihre um sechs Stunden beschleunigte Nachkunft um so +mehr bestürzt, da ich es die ganze Nacht und selber jetzt über ihr +unbegreifliches Hereinkommen gewesen, »brach etwa frischer Jammer über +uns aus und ein, Brand, Mord, Raub?« -- Sie versetzte: »Der Ratz«, sie +wollte sagen die Ratte, »ist gestern verreckt, dem du so lange +nachgestellt; weiter passierte eben nichts.« -- »Und auch alles ist +richtig nach meinem Ordnungszettel zu Hause besorgt?« fragt' ich. +»Jawohl,« versetzte + + [4] Der Heuchler kehret die alte Methode, wonach man mit einem nur + an einer Schneidenseite vergifteten Messer die Frucht zerschnitt und + die damit + +sie, »ich hab' ihn aber gar nicht gelesen, er ist mir weggekommen, du +hast ihn wohl mit eingepackt.« -- + +Indes, ich verzieh alles der blühenden, kecken Ritterin oder Fußgängerin. +-- Ihr Auge, dann ihr Herz brachte mir ja frisches, kühles Morgenwehen +mit Morgenrot in meine schwülen Vorstunden. Auch mußt' ich ja ohnehin +nachher der freundlichen, ins Leben hineinhoffenden und hineinliebenden +Seele den verdienten Himmel des heutigen Tages mit der trüben Nachricht +der fehlgeschlagenen Professur verfinstern. Daher vergab und verschob +ich möglichst. Ich fragte, wie sie hereingekommen, da noch das ganze +spanische Reiterwerk von Sesseln an der Türe feststehe. Sie lachte, sich +dabei nach Dorfsitte bückend, stark und sagte: sie hätte es vorgestern +mit ihrem Bruder verabredet, daß er sie durch seine Stube, da sie meine +Sperrvorrichtung kennte, in meines einließe, damit sie mich heimlich + + geätzte Hälfte dem Opfer hinreichte und die gesunde zweite selber + aß, so uneigennützig gegen sich selber um, daß er gerade die gute + moralische Hälfte + +wecken könnte. Jetzt fuhr der Dragoner laut lachend ins Zimmer und +sagte: »Wie geschlafen, Herr Schwager?« + +Aber auf diese Weise war mir freilich die halbe Gespenstergeschichte +wie von einem Biester und Hennings aufgelöst und aufgedeckt; und ich +durchschaute sogleich des Dragoners ganzen Gespensterplan, den er +ausgeführt. Etwas bitter sagte ich ihm meine Vermutung und der Schwester +meine Geschichte. Aber er log und lachte, ja er versuchte, noch frech +genug, mir am hellen Morgen Geister zum zweiten Male weiszumachen und +aufzuhalsen. Ich versetzte kalt, an mir find' er hierin sehr den +unrechten Mann; gesetzt auch, ich wäre einem Luther, Hobbes, Brutus +ähnlicher, die sämtlich Geister gesehen und gefürchtet. Er erwiderte +-- und riß die Tatsachen aus ihrer Motivierung: -- er sage ja weiter +nichts, als daß er nachts irgendeinen armen Sünder ganz erbärmlich habe + + + und Seite dem andern zeigt und gibt und nur sich die giftige + vorbehält. Himmel, wie schlecht erscheint einem solchen Manne + gegenüber der Teufel! + +krächzen und lamentieren hören; und daraus habe er geschlossen, es sei +eine arme, desperate Nachtmütze von Mann, der ein Gespenst zusetze. +Endlich gingen auch seiner Schwester die Augen über die gemeine Rolle +auf, die er mit mir zu spielen vorgehabt; sie fuhr ihn derb an, schob +ihn mit zwei Händen aus meiner und seiner Türe schnell hinaus und rief +nach: »Warte, du Schadenfroh, ich gedenk' dir's!« Darauf kehrte sie +schnell sich um und fiel mir um den Hals und dabei am falschen Ort ins +Lachen und sagte: »Der dumme Junge! Aber ich konnte das Lachen nicht +mehr verbeißen; und der Narr soll doch nichts merken. Vergib dem Pinsel, +du als ein gelehrter Mann, seine Eselei.« + +Ich fragte sie, ob sie auf ihrer Nachreise auf keine Geisterwelt +gestoßen sei -- wiewohl ich wußte, daß ihr Tiere, ein Wasser, ein halber +Abgrund nichts sind; -- »nein, aber vor den geputzten Stadtleuten«, +sagte sie, »habe ich mich am Morgen gescheut«. O wie lieb' ich diese +weichen Harmonikasbebungen weiblicher Furcht! + +Endlich mußt' ich den Koloquintenapfel anbeißen oder anschneiden und ihr +die Hälfte davon zureichen, nämlich die Nachricht der Fehlbitte um die +Professur. Da ich aber das freudige Herz mit der vollständigen rohen +Wahrheit verschonen und einer schweren Fracht etwas abschneiden mußte, +die sich besser Männerschultern aufpackt, so begann ich: »Bergelchen, +die Professorssache geht einen anderen, aber an sich guten Gang -- der +General, nach welchem ich den Teufel und seine Großmutter frage, legt es +auf einen Generalsturm an -- und den soll er haben, so gewiß, als ich +die Nachtmütze aufhabe.« -- »So bist du also noch nichts geworden?« +fragte sie. »Vorderhand zwar nicht!« versetzt' ich. »Aber doch bis +Sonnabend abend?« sagte sie. »Das nicht,« sagt' ich. »Nun, so bin ich +hart geschlagen, und ich möchte zum Fenster hinausspringen,« sagte sie +und drehte das Rosen- und Morgengesicht + + [66] Wenn die Bemerkung des Verfassers der Glossen richtig ist, daß + die Postmeister in den größern Ländern zugleich auch die gröbern + sind: so hat Napoleon, der viele kleine Länder zu einem großen + +weg, um die feuchten Augen darin mir nicht zuzukehren, und schwieg sehr +lange. Dann fing sie mit schmerzhaft zitternder Stimme an: »Du großer +Heiland, stehe mir am Sonntag in Neusattel bei, wenn mich die +hochtrabenden, vornehmen Weiber in der Kirche sehen und ich blutrot +werde aus Scham!« + +Jetzt sprang ich im Mitjammer aus dem Bette vor die liebe Seele hin, der +die hellen Zähren über die schönblühenden Wangen flossen und rief: »Du +treues Herz, zermartre mich doch nicht so ganz! Gott soll mich strafen, +wenn ich nicht noch in den Hundstagen alles werde, was du nur willst. +-- Sprich, willst du Bergrätin werden, oder Baurätin, oder Hofrätin, +Kriegsrätin, Kammerrätin, Kommerzienrätin, Legationsrätin, oder des +Henkers- und Teufelsrätin: ich bin dabei und werd' es und such' an. +Morgen schick' ich reitende Boten nach Hessen und Sachsen, + + korinthischen Erze zusammenschmolz und brannte, die Postmeister und + Posthalter, z. B. im höflichen Sachsen, gewiß nicht noch höflicher + gemacht, sondern sie eher aus der Komplimentierschule + herausgeschickt. + +nach Preußen und Reußen, nach Friesland und Katzenellenbogen und begehre +Patente. Ja, ich treib's weiter als einer und werde zugleich alles, +Flachsenfinger Hofrat, Scheerauer Akzisrat, Haar-Haarer Baurat, +Pestitzer Kammerrat (denn wir haben das Geld), und stelle dann allein +und eigenhändig mit einem einzigen _Podex_ und _Corpus_ eine ganze +Ratssitzung von auserlesenen Räten vor -- und stehe als eine ganze +Ehrenlegion und ein Ehrengelag, bloß auf zwei Beinen da -- dergleichen +hat noch kein Mensch getan.« + +»O! Nun, du bist ja engelgut!« sagte sie und frohere Zähren rollten, +»du sollst mir selber raten, was die vornehmsten Räte sind, damit wir's +werden.« -- »Nein,« fuhr ich befeuert fort, »dabei bleib' ich nicht +einmal; mir ist's nicht genug, daß du dich ordentlich bei der Kaplänin +kannst als Baurätin melden lassen, bei der Stadtpredigerin als +Legationsrätin, + + Was sie indes an Höflichkeit verloren, gewinnen sie vielleicht an + Briefporto wieder, da ich mir nicht denken kann, daß der Kardinal + _Pretettore del S. Imperio_, dessen Briefe bekanntlich + +bei der regierenden Bürgermeisterin als Hofrätin, bei der +Chausseeeinnehmerin als Kommerzienrätin, oder wie du wo willst.« -- +»Ach du mein gar zu gutes Attelchen!« sagte sie. »Sondern,« fuhr ich +fort, »ich werde auch korrespondierendes Mitglied verschiedener besten +gelehrten Gesellschaften in verschiedenen besten Hauptstädten (worunter +ich bloß zu wählen habe), und zwar kein gemeines wirkliches Mitglied, +sondern ein ganzes Ehrenmitglied; und dann streck' ich wieder dich als +ein auf mir Ehrenmitglied wachsendes Ehrenmitglied aus.« + +Verzeiht, Freunde, diesen Breiumschlag oder Täuschungsbalsam für eine +verwundete Brust, deren Blut zu rein und köstlich ist, als daß man es +nicht mit allen möglichen Stillungsmitteln aus Spinnweben ins schöne +Herz zurückzuschließen trachten sollte. + +Jetzt kamen schöne, schönste Stunden. Ich hatte die Zeit besiegt, wie +mich Berga; selten + + sonst alle postfrei durch das heilige römische Reich gelaufen, nicht + jetzt alles frankieren sollte was er etwa zu melden hat. + +beseligt, so wie ich, ein Sieger, zugleich die überwindende und die +überwundene Partei. Berga holte ihren alten Himmel zurück und zog die +staubigen Stiefel aus und blumige Schuhe an. Köstlicher Morgentrunk! Wie +berauscht ein liebendes Herz! Ich spürte ordentlich (ist die niedere +Redeblume erlaubt) ein Doppelbier von Mut in mir, seitdem ich ein Wesen +mehr um mich zu beschirmen hatte. Überhaupt werd' ich -- was der +treffliche General nicht ganz zu wissen scheint -- nicht wie andere +Mutige mutiger, sondern am stärksten durch Hasen, weil an mir das +schlechte Beispiel sich zum Widerspiel umdreht. Kleine Pinselstriche +mögen hier Mann und Frau mehr abschatten als verschatten! Als der nette +Kellner mit der grünseidenen Schürze + + [67] Einzelne Seelen, ja Staatskörper gleichen organischen Körpern; + man zieht aus ihnen die innere Luft heraus, so erquetscht sie der + Dunstkreis; pumpt man unter der Glocke die äußere widerstehende + hinweg, so schwellen sie von innerer über und zerplatzen. Demnach + behalte jeder Staat inneren und äußeren Widerstand zugleich. + +Morgenbrezeln heraufbrachte -- weil ich gesagt hatte: »Johann, zwei +Portionen!« -- so sagte sie zu ihm: er verbände sie sehr damit, und hieß +ihn Herr Johann. + +Bergelchen -- mehr in Marktflecken als Hauptstädten aufgewachsen -- wurde +ordentlich bestürzt über die Kaffeebretter, Waschtische, Papiertapeten, +Wandleuchter, alabasterne Schreibzeuge mit ägyptischen Sinnbildern und +über den vergoldeten Klingeldrahtsknopf, den ja jeder abdrehen und +einstecken konnte. Daher hatte sie nicht den Mut, durch den Saal voll +Kronleuchter zu gehen, bloß weil ein pfeifender, vornehmer Federhut +darin auf- und abspazierte. Ja, ihrem armen Herzen wurde ordentlich die +Brust zur Schnürbrust, wenn sie zum Fenster hinaus auf so viele geputzte +und fahrende Städter guckte (ich pfiff frisch ein gaskonisches Liedchen +darunter hinein) -- und wenn sie daran dachte, + + [19] Mehr als ein Schriftsteller hat es hinter Hermes nachversucht, + das Beispiel der Gattinnen und Ärzte, welche einem Trunkenbold das + Lieblingsgetränk auf immer durch einen eingeschwärzten, krepierten + Frosch + +wie sie nachher samt mir mitten durch dieses blendende Vorzimmergewühl +brechen müßte. Hier verfangen Schlüsse noch weniger als Beispiele. Ich +wollte mein Bergelchen durch einige meiner nächtlichen Traumgigantesken +heben -- z. B. durch die, daß ich auf einem Walfisch reitend mit einer +Dreizacksgabel drei Adler gespießet und gespeiset, und durch dergleichen; +aber ich machte keinen Effekt, vielleicht, weil ich eben dadurch dem +furchtsamen Frauenherzen das Schlachtfeld näher als den Sieger, den +Abgrund näher als den Springer darüber vor das Auge geschoben. + +Jetzt wurde mir ein Pack Zeitungen gebracht, voll lauter kräftigster +Siege. Obgleich diese nur auf der einen Seite vorfallen und auf der +anderen ebenso viele Niederlagen vorkommen: so verquicken doch jene sich +mehr mit meinen Blute als diese, und flößen mir -- wie sonst Schillers +Räuber -- eine wunderbare + + oder durch Brechweinstein zu verleiden wußten, nachzuahmen und auf + ähnliche Weise dem heißhungrigen Romanenleser den Roman durch + häufige in denselben eingebrockte Predigten, Moralien und + +Neigung ein, irgend jemand auf der Stelle zu dreschen und zu fegen. +Unglücklicherweise für den Kellner hatte dieser sich eben wie ein Herr +dreimalige Klingelorder zum Marsche geben lassen, bevor er sich mobil +und herauf gemacht. »Herr,« -- fing ich an, den Kopf voll Schlachtfelder +und den Arm voll Triebe ihn abzuklopfen, und Berga fürchtete alles, da +ich das ihr bekannte Zorn- und Alarmzeichen gab, nämlich die Mütze +hinten am Hinterkopfe in die Höhe stieß -- »ist das Manier gegen Gäste? +Warum kommt Er nicht prompt? Komm' Er mir nicht wieder so und geh' Er, +Freund!« -- Ungeachtet sein Rückzug mein Sieg war, so kanonierte ich +doch noch auf der Wahlstatt lebhaft fort und feuerte desto lauter (er +sollt' es hören), je mehr Treppen er hinuntergeflogen. Bergelchen -- die +sich ganz entsetzte über mein Ergrimmen, zumal in einem ganz fremden +Hause + + Langweilen (dergleichen sollte krepierte Frösche vorstellen) + dermaßen zu versalzen und zu verekeln, daß er dann nach keinem + Romane mehr griffe. -- -- Aber der Ekel verfing wenig; und Hermesen + selber + +und über einen vornehmen Putzbengel mit Seidenschurz -- suchte alle ihre +sanften Worte hervor gegen wilde einer Kriegsgurgel und gab mir Gefahren +zu bedenken. »Gefahren«, versetzt' ich, »wünscht' ich ja eben, nur +gibt's keine für den Mann, stets wird er ihnen entweder obsiegen oder +entspringen, entweder die Stirn bieten oder den Rücken.« + +Ich konnte kaum aufhören mich zu erbittern, so süß war mir's, und so +sehr fühlt' ich mich vom Zornfeuer erfrischt und in der Brust wie von +einem Geierfelle lind geheizt. Es gehört auch allerdings unter die +unerkannten Wohltaten -- worüber man sonst predigte, daß man nie mehr in +seinem Himmel und _monplaisir_ (ein Lustschloß) ist, als so recht im +Toben und Grimm. + +Und wurde der ganze Vormittagsmorgen mit Beschauen und Behandeln +verbracht; und zwar am längsten in der breiten Gasse unseres + + glückt es am wenigsten, eher noch seinen Nachfolgern, bei denen der + Wein sich weniger im Geschmacke von dem Brechwein unterschied, den + sie dazu gegossen. + +Hotels. Berga sollte sich erst ins Marktgedränge einschießen; sie +sollte erst einsehen, daß sie mehr »nach der Modi«, mit ihr zu reden, +aufgeschmückt sei, als hundert andere ihres Ungleichen. Aber bald vergaß +sie über den Haushalt den Aufputz und auf dem Töpfermarkte den +Nachttisch. + +Nach dem Mittagsessen (auf unserem Zimmer) kamen wir aus dem Fegfeuer +des Meßgetümmels, wo Berga an jeder Bude etwas zu bestellen und ihrer +Nachtreterin etwas aufzuladen hatte, endlich im Himmel an, in der +sogenannten Hundewirtschaft, wie das beste Flätzer Wirts- und Lusthaus +außer der Stadt sich nennt, wo Messenszeiten Hunderte einkehren, um +Tausende vorbeigehen zu sehen. Schon unterwegs wuchs meinem Weibchen +als meinem Ellenbogenefeu dermaßen der Mut, daß sie unter dem Tore, +wo ich mich, da nach der bekannten militärischen Prozeßordnung nicht +nahe an der Schildwache vorübergegangen werden darf, deshalb auf die +entgegengesetzte Seite hinwarf, ruhig dicht am Schieß- und Stechgewehr +der Torwache vorüberstrich. Draußen konnt' ich ihr den umketteten, +vergitterten, riesenhaften, schon außen mit Treppen aufsteigenden +Schabackerpalast mit Fingern zeigen, worin ich gestern gehaust und +(vielleicht) gestürmt; »lieber den Riesen möcht' ich begucken,« sagte +sie, »und den Zwergen; zu was sind wir denn mit ihnen unter einem Dach?« + +Im Lusthause selber fanden wir hinlängliche Lust, umrungen von blühenden +Gesichtern und Auen. Da setzt' ich mich heimlich in einem fort über +Schabackers Refus mit Erfolg hinweg und machte mir überhaupt bis gegen +Mitternacht einen guten Tag; ich hatt' ihn verdient, Berga noch mehr. +Gleichwohl sollt' ich noch nachts um ein Uhr eine Windmühle zu berennen +bekommen, die freilich mit etwas längeren, stärkeren und mehreren Armen +schlägt als ein Riese, wofür Don Quixote eine solche Mühle gern angesehen +hätte. Ich + + [8] In großen Sälen wird der wahre Ofen in einen zierlichen + Scheinofen entlarvt; so ist es schicklich und zierlich, daß sich die + jungfräuliche =Liebe= immer in eine schöne, jungfräuliche + Freundschaft verberge. + +lasse nämlich auf dem Marktplatz aus Gründen, die sich leichter denken +als sagen, Bergelchen um einige zwanzig vorausgehen, und begebe mich aus +gedachten Gründen ohne Arg hinter eine versteckte Bude, die wohl die +Silberhütte und der Silberschrank eines rohen Krämers sein mochte, und +verweile davor natürlich nach Umständen: -- sieh, kommt dahergerudert +mit Spieß und Speer der Budenwächter und münzt und prägt mich so +unversehens und unbesehen zu einem Schnapphahn und Raubfisch seiner +Budengassen aus, obgleich der schwache Kopf nichts weiter sieht, als daß +ich in einer Ecke stehe und nichts weniger tue als -- nehmen. Ein +Ehrgefühl ohne Tallus ist für solche Angriffe niemals abgestumpft. Nur +aber, wie war einem Manne, der nichts im Kopfe hat -- höchstens jetzt +Bier statt Hirn -- in der Nachmitternacht Licht zu geben? -- + +Ich verhehle mein Wagmittel nicht; ich griff zum Fuchsschwanz, ich +spiegelte ihm nämlich vor, ich hätte einen sogenannten Hieb, und wüßte +in der Betrunkenheit mich schlecht zu finden und zu halten -- ich +spielte daher alles nach, was mir aus diesem Fache zu Gesicht gekommen, +schwankte hin und her, setzte die Füße tanzmeisterlich auswärts, geriet +in Zickzacke hinein bei allem Aussegeln nach gerader Linie, ja ich stieß +meinen guten Kopf (vielleicht einen der hellsten und leersten der Nacht) +als einen vollen gegen wahre Pfosten. -- + +Gleichwohl sah der Budenvogt, der vielleicht öfter betrunken gewesen als +ich, und die Zeichen besser kannte, oder der es gar selber in dieser +Stunde war, die ganze Verstellung für bloßes Blendwerk an und schrie +entsetzlich. »Halt, Strauchdieb, du hast keinen Haarbeutel, du Windbeutel +bist ja noch weniger besoffen als ich! -- Wir kennen uns wohl länger. +Steh! Ich komm dir nach. + + [12] Die Völker lassen -- als Widerspiele der Ströme, die in der + Ebene und Ruhe am meisten das Unreine niederschlagen -- gerade nur + im stärksten Bewegen das Schlechte fallen, und sie werden desto + schmutziger, je länger sie in trägen, platten Flächen + weiterschleichen. + +Willst du im Markt deine Diebesfinger haben? -- Steh, Hund, oder ich +forciere dich!« + +Man sieht hier seinen ganzen Zustand; ich entsprang zickzackig zwischen +den Buden diesem rohen Trunkenbolde so eilig, als ich konnte; dennoch +humpelte er mir nach. Aber meine Teutoberga, die einiges gehört, rannte +zurück, faßte den betrunkenen Marktportier beim Kragen und sagte, obwohl +(nach Dorfweise) zuschreiend: »Dummer Mann, schlaf' Er seinen Rausch +aus, oder ich zeig's Ihm! Weiß Er denn, wen Er vor sich hat? Meinen +Mann, den Feldprediger Schmelzle unter dem Herrn General und Minister +von Schabacker bei Pimpelstadt, Er Narr! Pfui, schäm' Er sich, Kerl!« +Der Wächter brummte: »Nichts für ungut!« und taumelte davon. »O du +Löwin,« sagt' ich im Liebesrausch, »warum bist du in keiner Todesgefahr, +damit ich dir nur den Löwen zeige als Gemahl?« + +So gelangten wir beide liebend nach Hause; + + [23] Wenn die Natur das alte große Erdenrund, den Erdenlaib von + neuem durchknetet, um unter diesem Pastetendeckel neue Gefüllsel und + Zwerge hineinzubacken; + +und ich hätte vielleicht zum schönen Tage noch den Nachsommer einer +herrlichen Nachmitternacht erlebt, hätte mich nicht der Teufel über +Lichtenbergs neunten Band, und zwar auf die 206. Seite geführt, wo +dieses steht: »Es wäre doch möglich, daß einmal unsere Chemiker auf ein +Mittel gerieten, unsere Luft plötzlich zu zersetzen, durch eine Art von +Ferment. So könnte die Welt untergehen.« Ach, ja, wahrlich! Da die +Erdkugel in der größeren Luftkugel eingekapselt steckt: so erfinde bloß +ein chemischer Spitzbube auf irgendeiner fernsten Spitzbubeninsel oder +in Neuholland, ein Zersetzmittel für die Luft, dem ähnlich, was etwa ein +Feuerfunke für einen Pulverkarren ist: in wenig Stunden packt mich und +uns in Flätz der ungeheure, herschnaubende Weltsturm bei der Gurgel, +mein Atemholen und dergleichen ist in Erstickluft vorbei, und alles +überhaupt vorbei. -- + +Indes verbarg ich der treuen Seele jeden + + so gibt sie meistens wie eine backende Mutter ihrem Töchterchen zum + Scherze etwas weniges Pastetenteig davon (ein paar tausend + Quadratmeilen + +Todesnachtgedanken, da sie mich doch entweder nur schmerzlich +nachempfunden oder gar lustig ausgelacht hätte. Ich befahl bloß, daß sie +am Morgen (des Sonnabends) für die zurückkehrende Landkutsche fertig und +gestiefelt dastände, sollt' ich anders ihren Wünschen gemäß an die +Überschwängerung mit Räten, die ihr so am Herzen lag, früh genug kommen. +Sie war so freudig meiner Meinung, daß sie gern den Jahrmarkt aufgab. +Auch ruht' ich ruhig, mit der Fußzehe an ihre Finger geknüpft, die ganze +Nacht hindurch. + +Der Dragoner nahm und zupfte mich am Morgen heimlich beim Ohre und sagte +mir in dasselbe hinein, er habe ein lustiges Meßgeschenk für seine +Schwester vor und reite deshalb auf seinem gestern vom Roßtäuscher +eingetauschten Rappen etwas früh voraus. Ich bot ihm meinen Vordank. + +Am Morgen lief jeder lustig vom Stapel, + + solchen Teigs sind genug für ein Kind) irgendeiner Dichter-, oder + Weisen-, oder Heldenseele ab, damit das kleine Ding doch auch etwas + auszuformen und aufzustellen habe neben der Mutter. + +ausgenommen ich; denn ich behielt noch immer, auch vor dem besten +Morgenrote das nächtliche Teufelsferment und Zersetzmittel, meiner +Gehirnkugel sowohl als der Erdkugel, gärend im Kopf; ein Beweis, daß die +Nacht mich und meine Furcht gar nichts hatte übertreiben lassen. Der mir +verdrießliche blinde Passagier setzte sich auch wieder ein und sah mich +wie gewöhnlich an, doch ohne Effekt, denn diesmal, wo ich Weltumwälzungen, +nicht bloß die meinigen, im Kopfe hatte, war mir der Passagier mehr ein +Spaß und Spuk; da niemand unter Fußabsägen das Herzgespann verspürt, +oder unter dem Summen der Kanonen sich gegen das der Wespen wehrt, +ebenso konnte mir ein Passagier mit allen Brandbriefen, die etwa sein +verdächtiges Gesicht in meine noch späte Zukunft wirft, bloß lächerlich +zu einer Zeit vorkommen, wo ich bedachte, das »Ferment« könne + + Bekommen dann die Geschwister etwas von dem Gebäcke des + Schwesterchens, so klopfen sie alle in die Hände und rufen: + »Mutter, kannst du auch so backen wie Viktoriechen?« + +ja mitten auf meinem Wege von Flätz nach Neusattel von irgendeinem +Amerikas, Europas Manne, der ganz unschuldig versucht und zersetzt, +zufällig erfunden und losgelassen werden. Die Frage, ja Preisfrage +wäre aber nun, inwiefern es seit Lichtenbergs Drohung nicht etwa +welt- und selbstmörderisch aussieht, wenn aufgeklärte Potentaten +scheidekünstlerischer Völker es nicht ihren Scheidekünstlern, die so +leicht Leib von Seele scheiden und Erde mit Himmel gatten, auferlegen, +keine andere chemische Versuche zu machen, als die schon gemachten, +die doch bisher den Staaten weit mehr genützt als geschadet. + +Leider blieb ich in diesen jüngsten Tag des Ferments mit allen Sinnen +versunken, ohne auf der ganzen Rückreise nach Neusattel mehr zu erleben +und zu bemerken, als daß ich daselbst ankam, wo ich zugleich wieder den +blinden Passagier seines Weges gehen sah. + +Nur mein Bergelchen schaute ich in einem fort unterwegs an, teils um sie +noch solange zu sehen, als Leben und Augen dauern, teils um auch bei +kleinster Gefahr derselben, es sei nun eine große oder gar ein ganzes +hereinstürzendes Goldau und verzehrendes Weltgericht, wenn nicht für +sie, doch an ihr zu sterben, und so, verknüpft mit ihr, ein geplagtes +und plagendes Leben hinzuwerfen, worin ihr ohnehin nicht die Hälfte +meiner Wünsche für sie erfüllt worden. + +So wäre denn meine Reise an sich vollendet -- gekrönt mit einigen +Historiolen -- vielleicht künftig noch belohnter durch euch, ihr Freunde +um Flätz herum, wenn ihr darin etwa einige gutgeschliffene Jätemesser +finden solltet, womit ihr leichter das Lügenunkraut ausreutet, das mich +bis jetzt dem wackeren Schabacker verbauet. -- Nur sitzt mir noch das +verfluchte Ferment im Kopfe. Lebt denn wohl, solange es noch Atmosphären +einzuatmen gibt. Ich wollt', ich hätte mir das Ferment aus dem Kopfe +geschlagen. + + Euer + Attila Schmelzle. + +NS. Mein Schwager hat seine Sache gut gemacht und Berga tanzt. Künftig +das Nähere! -- -- + + + + + Gedruckt bei + Poeschel & Trepte + in Leipzig + + + + +[ Im folgenden werden alle geänderten Textzeilen angeführt, wobei +jeweils zuerst die Zeile wie im Original, danach die geänderte Zeile +steht. + +Taufnamen Attilla mehr, als sich's gehört, in mich gefahren, ist +Taufnamen Attila mehr, als sich's gehört, in mich gefahren, ist + + [112] Gewisse Welt weiberbenutzen in gewissen Fällen ihre körperliche + [112] Gewisse Weltweiber benutzen in gewissen Fällen ihre körperliche + +Malzleinsdorf (einer Wiener Vorstadt), oder waren's für meine gepeinigten +Matzleinsdorf (einer Wiener Vorstadt), oder waren's für meine gepeinigten + +sagen, mir sind den Kindern gleich, die am schön bemalten Kästchen +sagen, wir sind den Kindern gleich, die am schön bemalten Kästchen + +Freilich, das Postkutschen gelag' und Picknick wollte mir weniger +Freilich, das Postkutschengelag' und Picknick wollte mir weniger + +sich einsetzen ober hinten aufstellen würde. Beide Narren beziehen +sich einsetzen oder hinten aufstellen würde. Beide Narren beziehen + +erklärte nun, das man +erklärte nun, daß man + + zu schonen, so lange auf den =Kopf=, bis wieder getragen wird. + zu schonen, so lange auf den =Kopf=, bis er wieder getragen wird. + +Menge, bei dem die Blitze spießenden Degen auf dem Kutschbock, unb bei +Menge, bei dem die Blitze spießenden Degen auf dem Kutschbock, und bei + + Eigentum wird ihm als Kirchenraub angerechent. Mich dünkt aber, der + Eigentum wird ihm als Kirchenraub angerechnet. Mich dünkt aber, der + +logiert, von der ersten schimmsten Aufwärterin, die er oder die ihn +logiert, von der ersten schlimmsten Aufwärterin, die er oder die ihn + +Helden und Potentatentaten, Festungsstürme, Felsenwürfe; -- noch aber +Helden- und Potentatentaten, Festungsstürme, Felsenwürfe; -- noch aber + +Sonnabend abend?« sagte sie. »Das nicht, sagt' ich. »Nun, so bin ich +Sonnabend abend?« sagte sie. »Das nicht,« sagt' ich. »Nun, so bin ich + +Gleichwohl sollt' ich noch nachts um ein Uhr eine Winmühle zu berennen +Gleichwohl sollt' ich noch nachts um ein Uhr eine Windmühle zu berennen +] + + + + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DES FELDPREDIGERS SCHMELZLE REISE *** + +***** This file should be named 27775-0.txt or 27775-0.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + https://www.gutenberg.org/2/7/7/7/27775/ + +Updated editions will replace the previous one--the old editions will +be renamed. + +Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright +law means that no one owns a United States copyright in these works, +so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the +United States without permission and without paying copyright +royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part +of this license, apply to copying and distributing Project +Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm +concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, +and may not be used if you charge for an eBook, except by following +the terms of the trademark license, including paying royalties for use +of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for +copies of this eBook, complying with the trademark license is very +easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation +of derivative works, reports, performances and research. Project +Gutenberg eBooks may be modified and printed and given away--you may +do practically ANYTHING in the United States with eBooks not protected +by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the trademark +license, especially commercial redistribution. + +START: FULL LICENSE + +THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE +PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK + +To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free +distribution of electronic works, by using or distributing this work +(or any other work associated in any way with the phrase "Project +Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full +Project Gutenberg-tm License available with this file or online at +www.gutenberg.org/license. + +Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project +Gutenberg-tm electronic works + +1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm +electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to +and accept all the terms of this license and intellectual property +(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all +the terms of this agreement, you must cease using and return or +destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your +possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a +Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound +by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the +person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph +1.E.8. + +1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be +used on or associated in any way with an electronic work by people who +agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few +things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works +even without complying with the full terms of this agreement. See +paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project +Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this +agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm +electronic works. See paragraph 1.E below. + +1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the +Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection +of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual +works in the collection are in the public domain in the United +States. If an individual work is unprotected by copyright law in the +United States and you are located in the United States, we do not +claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, +displaying or creating derivative works based on the work as long as +all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope +that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting +free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm +works in compliance with the terms of this agreement for keeping the +Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily +comply with the terms of this agreement by keeping this work in the +same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when +you share it without charge with others. + +1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern +what you can do with this work. Copyright laws in most countries are +in a constant state of change. If you are outside the United States, +check the laws of your country in addition to the terms of this +agreement before downloading, copying, displaying, performing, +distributing or creating derivative works based on this work or any +other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no +representations concerning the copyright status of any work in any +country other than the United States. + +1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: + +1.E.1. The following sentence, with active links to, or other +immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear +prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work +on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the +phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, +performed, viewed, copied or distributed: + + This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and + most other parts of the world at no cost and with almost no + restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it + under the terms of the Project Gutenberg License included with this + eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the + United States, you will have to check the laws of the country where + you are located before using this eBook. + +1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is +derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not +contain a notice indicating that it is posted with permission of the +copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in +the United States without paying any fees or charges. If you are +redistributing or providing access to a work with the phrase "Project +Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply +either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or +obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm +trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. + +1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted +with the permission of the copyright holder, your use and distribution +must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any +additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms +will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works +posted with the permission of the copyright holder found at the +beginning of this work. + +1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm +License terms from this work, or any files containing a part of this +work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. + +1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this +electronic work, or any part of this electronic work, without +prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with +active links or immediate access to the full terms of the Project +Gutenberg-tm License. + +1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, +compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including +any word processing or hypertext form. However, if you provide access +to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format +other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official +version posted on the official Project Gutenberg-tm website +(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense +to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means +of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain +Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the +full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1. + +1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, +performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works +unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. + +1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing +access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works +provided that: + +* You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from + the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method + you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed + to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has + agreed to donate royalties under this paragraph to the Project + Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid + within 60 days following each date on which you prepare (or are + legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty + payments should be clearly marked as such and sent to the Project + Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in + Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg + Literary Archive Foundation." + +* You provide a full refund of any money paid by a user who notifies + you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he + does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm + License. You must require such a user to return or destroy all + copies of the works possessed in a physical medium and discontinue + all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm + works. + +* You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of + any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the + electronic work is discovered and reported to you within 90 days of + receipt of the work. + +* You comply with all other terms of this agreement for free + distribution of Project Gutenberg-tm works. + +1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project +Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than +are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing +from the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the manager of +the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the Foundation as set +forth in Section 3 below. + +1.F. + +1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable +effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread +works not protected by U.S. copyright law in creating the Project +Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm +electronic works, and the medium on which they may be stored, may +contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate +or corrupt data, transcription errors, a copyright or other +intellectual property infringement, a defective or damaged disk or +other medium, a computer virus, or computer codes that damage or +cannot be read by your equipment. + +1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right +of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project +Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project +Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all +liability to you for damages, costs and expenses, including legal +fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT +LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE +PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE +TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE +LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR +INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH +DAMAGE. + +1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a +defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can +receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a +written explanation to the person you received the work from. If you +received the work on a physical medium, you must return the medium +with your written explanation. The person or entity that provided you +with the defective work may elect to provide a replacement copy in +lieu of a refund. If you received the work electronically, the person +or entity providing it to you may choose to give you a second +opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If +the second copy is also defective, you may demand a refund in writing +without further opportunities to fix the problem. + +1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth +in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO +OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT +LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. + +1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied +warranties or the exclusion or limitation of certain types of +damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement +violates the law of the state applicable to this agreement, the +agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or +limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or +unenforceability of any provision of this agreement shall not void the +remaining provisions. + +1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the +trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone +providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in +accordance with this agreement, and any volunteers associated with the +production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm +electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, +including legal fees, that arise directly or indirectly from any of +the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this +or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or +additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any +Defect you cause. + +Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm + +Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of +electronic works in formats readable by the widest variety of +computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It +exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations +from people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future +generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see +Sections 3 and 4 and the Foundation information page at +www.gutenberg.org + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by +U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's business office is located at 809 North 1500 West, +Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up +to date contact information can be found at the Foundation's website +and official page at www.gutenberg.org/contact + +Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation + +Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without +widespread public support and donations to carry out its mission of +increasing the number of public domain and licensed works that can be +freely distributed in machine-readable form accessible by the widest +array of equipment including outdated equipment. Many small donations +($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt +status with the IRS. + +The Foundation is committed to complying with the laws regulating +charities and charitable donations in all 50 states of the United +States. Compliance requirements are not uniform and it takes a +considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up +with these requirements. We do not solicit donations in locations +where we have not received written confirmation of compliance. To SEND +DONATIONS or determine the status of compliance for any particular +state visit www.gutenberg.org/donate + +While we cannot and do not solicit contributions from states where we +have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition +against accepting unsolicited donations from donors in such states who +approach us with offers to donate. + +International donations are gratefully accepted, but we cannot make +any statements concerning tax treatment of donations received from +outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. + +Please check the Project Gutenberg web pages for current donation +methods and addresses. Donations are accepted in a number of other +ways including checks, online payments and credit card donations. To +donate, please visit: www.gutenberg.org/donate + +Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works + +Professor Michael S. Hart was the originator of the Project +Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be +freely shared with anyone. For forty years, he produced and +distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of +volunteer support. + +Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in +the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not +necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper +edition. + +Most people start at our website which has the main PG search +facility: www.gutenberg.org + +This website includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. + + diff --git a/27775-0.zip b/27775-0.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..7831cac --- /dev/null +++ b/27775-0.zip diff --git a/27775-h.zip b/27775-h.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..62434a2 --- /dev/null +++ b/27775-h.zip diff --git a/27775-h/27775-h.htm b/27775-h/27775-h.htm new file mode 100644 index 0000000..62f8a92 --- /dev/null +++ b/27775-h/27775-h.htm @@ -0,0 +1,4093 @@ +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" +"http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"> +<head> +<meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=utf-8" /> +<meta http-equiv="Content-Style-Type" content="text/css" /> +<title>The Project Gutenberg eBook of Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz, by Jean Paul</title> + +<style type="text/css"> + +body { padding-left: 22%; padding-right: 27%; } + + p { margin-top: .75em; + margin-bottom: .75em; + text-align: justify; + text-indent: 1.5em; + } + + h1, h2, h3 { text-align: center; + font-weight: normal; + clear: both; + margin-top: 0em; + } + h2, h3 { margin-bottom: 1.5em; } + + .new-h2 { margin-top: 6em; } + .new-h3 { margin-top: 4em; } + + ins { text-decoration: none; border-bottom: 1px dashed #039; } + + .gesperrt { letter-spacing: 0.2em; margin-right: -0.2em; } + em.gesperrt { font-style: normal; } + + .center { text-align: center; } + .right { text-align: right; } + + .figcenter { margin: 4em auto; text-align: center; } + + .pagenum { position: absolute; + display: inline; + right: 1.5%; + font-size: x-small; + text-align: right; + color: #808080; + font-style: normal; + border: 1px solid silver; + padding: 1px 4px 1px 4px; + font-variant: normal; + font-weight: normal; + text-decoration: none; + text-indent: 0em; + } + + .sidenote-l, + .sidenote-r { text-align: left; width: 19%; position: absolute; font-size: 0.9em; } + .sidenote-l { left: 1.5%; } + .sidenote-r { right: 6.5%; } + + .dropcap, + .center, + .right, + .sidenote-l, + .sidenote-r, + #tnote p { text-indent: 0em; } + + .dropcap:first-letter { font-size: 250%; } + + #tnote { width: 28em; + border: 1px dashed #808080; + background-color: #f6f6f6; + text-align: justify; + padding-left: 0.75em; + padding-right: 0.75em; + margin: 120px auto 120px auto; + } + + @page { margin: 2cm; } + + @media print { + body { margin: 2em; } + h2 { page-break-before: always; } + .figcenter { page-break-before: always; page-break-after: always; } + #tnote, pre, .pagenum { display: none; } + ins, a { text-decoration: none; border: none; color: black; } + } + + </style> + </head> +<body> + +<div style='text-align:center; font-size:1.2em; font-weight:bold;'>The Project Gutenberg eBook of Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz mit fortgehenden Noten, by Jean Paul</div> +<div style='display:block; margin:1em 0'> +This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and +most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions +whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms +of the Project Gutenberg License included with this eBook or online +at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you +are not located in the United States, you will have to check the laws of the +country where you are located before using this eBook. +</div> +<div style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:1em; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Title: Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz mit fortgehenden Noten</div> +<div style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:1em; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Author: Jean Paul</div> +<div style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:1em; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Illustrator: Karl Thylmann</div> +<div style='display:block;margin:1em 0'>Release Date: January 12, 2009 [eBook #27775]<br /> +[Most recently updated: March 19, 2021]</div> +<div style='display:block;margin:1em 0'>Language: German</div> +<div style='display:block;margin:1em 0'>Character set encoding: UTF-8</div> +<div style='display:block; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Produced by: Norbert H. Langkau, Itay Perl, Jana Srna and the Online Distributed Proofreading Team</div> +<div style='margin-top:2em;margin-bottom:4em'>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DES FELDPREDIGERS SCHMELZLE REISE ***</div> + +<div id="tnote"> +<p class="center"><b>Anmerkungen zur Transkription:</b></p> +<p>Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden +übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler wurden +korrigiert. Änderungen sind im Text <ins title="so wie hier">gekennzeichnet</ins>, +der Originaltext erscheint beim Überfahren mit der Maus.</p> +</div> + +<div class="figcenter" style="width: 365px; page-break-before: auto;"> +<img src="images/schmelzle.png" width="365" height="500" alt="Attila Schmelzle" title=""/> +</div> + +<h1 style="line-height: 1.4em;"><small style="font-size: 0.6em;">Des</small><br /> +<small style="font-size: 0.8em;">Feldpredigers Schmelzle</small><br /> +<big class="gesperrt">Reise nach Flätz</big><br /> +<small style="font-size: 0.6em;">mit fortgehenden Noten;</small></h1> + +<p class="center" style="line-height: 2.2em;">von<br /> +<big class="gesperrt">Jean Paul.</big></p> + + +<hr style="height: 2px; color: black; background-color: black; width: 12em; border: none; margin: 6em auto 1em auto;"/> + +<p class="center gesperrt" style="line-height: 1.8em;"><small>Leipzig</small><br /> +Kurt Wolff Verlag<br /> +1917.</p> + +<p class="center" style="line-height: 1.8em; margin-top: 8em;">Mit acht Kupfern<br /> +von<br /> +<span class="gesperrt">Karl Thylmann</span></p> +<hr style="height: 1px; color: black; background-color: black; width: 3em; border: none; margin: auto;"/> +<p class="center">2. Abdruck</p> + +<div class="new-h2"> </div> +<p><span class="pagenum"><a name="Page_3">3</a></span></p> +<h2>Vorrede des Verfassers.</h2> + +<p class="dropcap">Ich glaube, mit drei Worten ist sie gemacht, +so wie der Mensch und seine Buße +aus ebenso vielen Teilen.</p> + +<p>1) Das erste Wort ist über den Zirkelbrief +des Feldpredigers Schmelzle zu sagen, +worin er seinen Freunden seine Reise nach +der Hauptstadt Flätz beschreibt, nachdem +er in einer Einleitung einige Beweise und +Versicherungen seines Mutes vorausgeschickt. +<span class="pagenum"><a name="Page_4">4</a></span>Eigentlich ist selber die Reise nur +dazu bestimmt, seine vom Gerüchte angefochtene +Herzhaftigkeit durch lauter Tatsachen +zu bewähren, die er darin erzählt. +Ob es nicht inzwischen feine Nasen von +Lesern geben dürfte, welche aus einigen darunter +gerade umgekehrt schließen, seine +Brust sei nicht überall bombenfest, wenigstens +auf der linken Seite, darüber lass' ich +mein Urteil schweben.</p> + +<p>Übrigens bitte ich die Kunstkenner sowie +ihren Nachtrab, die Kunstrichter, diese Reise, +für deren Kunstgehalt ich als Herausgeber +verantwortlich werde, bloß für ein Porträt +(im französischen Sinne), für ein Charakterstück +zu halten. Es ist ein will- oder unwillkürliches +Luststück, bei dem ich so oft gelacht, +<span class="pagenum"><a name="Page_5">5</a></span>daß ich mir für die Zukunft ähnliche Charaktergemälde +zu machen vorgesetzt. – Wann +könnte indes ein solches Luststückchen schicklicher +der Welt ausgestellt und beschert +werden, als eben in Zeiten, wo schweres +Geld und leichtes Gelächter fast ausgeklungen +haben, zumal da wir jetzt wie Türken +bloß mit Beuteln rechnen und zahlen (der +Inhalt ist heraus) und mit Herzbeuteln +(der Inhalt ist darin)? –</p> + +<p>Verächtlich würde mir's vorkommen, +wenn irgendein roher Tintenknecht rügend +und öffentlich anfragte, auf welchen Wegen +ich zu diesem Selbst-Kabinetts-Stücke +Schmelzles gekommen sei. Ich weiß sie gut +und sage sie nicht. Dieses fremde Luststück, +wofür ich allerdings (mein Verleger bezeugt's) +<span class="pagenum"><a name="Page_6">6</a></span>den Ehrensold selber beziehe, überkam +ich so rechtlich, daß ich unbeschreiblich +ruhig erwarte, was der Feldprediger gegen +die Herausgabe sagt, falls er nicht schweigt. +Mein Gewissen bürgt mir, daß ich wenigstens +auf ehrlicheren Wegen zu diesem Besitztume +gekommen, als die sind, auf denen +Gelehrte mit den Ohren stehlen, welche als +geistige Hörsaalshausdiebe und Kathederschnapphähne +und Kreuzer die erbeuteten +Vorlesungen in den Buchdruckereien ausschiffen, +um sie im Lande als eigene Erzeugnisse +zu verhandeln. Noch hab' ich wenig +mehr in meinem Leben gestohlen, als jugendlich +zuweilen – Blicke.</p> + +<p><a name="noten">2)</a> Das zweite Wort soll die auffallende, +mit einem Notensouterrain durchbrochene +<span class="pagenum"><a name="Page_7">7</a></span>Gestalt des Werkleins entschuldigen. Sie +gefällt mir selber nicht. Die Welt schlage +auf und schaue hinein und entscheide ebenfalls. +Aber folgender Zufall zog diese durch +das ganze Buch streichende Teilungslinie: +ich hatte meine eigenen Gedanken (oder Digressionen), +womit ich die des Feldpredigers +nicht stören durfte, und die bloß als Noten +hinter der Linie fechten konnten, aus Bequemlichkeit +in ein besonderes Manuskript +zusammengeschrieben, und jede Note ordentlich, +wie man sieht, mit ihrer Nummer +versehen, die sich bloß auf die Seitenzahl +des fremden Hauptmanuskripts bezog; ich +hatte aber bei dem Kopieren des letzteren +vergessen, in den Text selber die entsprechende +einzuschreiben. Daher werfe niemand, sowenig +<span class="pagenum"><a name="Page_8">8</a></span>als ich, einen Stein auf den guten +Setzer, daß dieser – vielleicht in der Meinung, +es gehöre zu meiner Manier, worin ich +etwas suchte – die Noten geradeso, wie sie +ohne Rangordnung der Zahlen untereinander +standen, unter den Text hinsetzte, jedoch +durch ein sehr lobenswürdiges künstliches +Ausrechnen wenigstens dafür sorgte, daß +unter jede Textseite etwas von solchem glänzenden +Notenniederschlag käme. – – Nun, +die Sache ist einmal geschehen, ja verewigt, +nämlich gedruckt. Am Ende sollte ich mich +eigentlich darüber erfreuen. In der Tat +– und hätt' ich jahrelang darauf gesonnen +(wie ich's bisher seit zwanzigen getan), um +für meine Digressionskometenkerne neue +Lichthülsen, wenn nicht Zugsonnen, für +<span class="pagenum"><a name="Page_9">9</a></span>meine Episoden neue Epopöen zu erdenken: +schwerlich hätt' ich für solche Sünden einen +besseren und geräumigeren Sündenbalg erfunden, +als hier Zufall und Setzer fertig +gemacht darreichen. Ich habe nur zu beklagen, +daß die Sache gedruckt worden, +eh' ich Gebrauch davon machen können. +Himmel! welche fernsten Anspielungen +(hätt' ich's vor dem Drucke gewußt) wären +nicht in jeder Textseite und Notennummer +zu verstecken gewesen, und welche scheinbare +Unangemessenheit in die wirkliche Gemessenheit +und ins Notenuntere der Karten; wie +empfindlich und boshaft wäre nicht die +Höhe und auf die Seite herauszuhauen +gewesen, aus den sicheren Kasematten und +Miniergängen unten, und welche <i>laesio</i> +<span class="pagenum"><a name="Page_10">10</a></span><i>ultradimidium</i> (Verletzung über die Hälfte +des Textes) wäre nicht mit satirischen Verletzungen +zu erfüllen und zu ergänzen gewesen!</p> + +<p>Aber das Schicksal wollte mir nicht so +gut; ich sollte von diesem goldenen Handwerksboden +für Satiren erst etwas erfahren +drei Tage vor der Vorrede.</p> + +<p>Vielleicht aber holt die Schreibwelt – +bei dem Flämmchen dieses Zufalls – eine +wichtigere Ausbeute, einen größeren unterirdischen +Schatz herauf, als leider ich gehoben; +denn nun ist dem Schriftsteller ein +Weg gezeigt, in einem Marmorbande ganz +verschiedene Werke zu geben, auf einem +Blatte zugleich für zwei Geschlechter, ohne +deren Vermischung, ja für fünf Fakultäten +<span class="pagenum"><a name="Page_11">11</a></span>zugleich, ohne deren Grenzverrückung, zu +schreiben, indem er, statt ein ekles, gärendes +Allerlei für niemand zu brauen, bloß dahin +arbeitet, daß er Notenlinien oder Demarkationslinien +zieht und so auf dem nämlichen +fünfstöckigen Blatte die unähnlichsten Köpfe +behauset und bewirtet. Vielleicht läse dann +mancher ein Buch zum vierten Male, +bloß, weil er jedesmal nur ein Viertel +gelesen.</p> + +<p>Wenigstens den Wert hat dieses Werk, +daß es ein Werkchen ist, und klein genug; +so daß es, hoff' ich, jeder Leser fast schon +im Buchladen schnell durchlaufen und auslesen +kann, ohne es, wie ein dickes, erst +deshalb kaufen zu müssen. – Und warum +soll denn überhaupt auf der Körperwelt +<span class="pagenum"><a name="Page_12">12</a></span>etwas anderes groß sein, als nur das, +was nicht zu ihr gehört, die Geisterwelt? –</p> + +<p class="center"><span class="gesperrt">Baireuth</span>,<br /> +im Heu- und Friedensmonat 1807.</p> + +<p class="right"><big class="gesperrt">Jean Paul Fr. Richter.</big></p> + +<div class="figcenter" style="width: 301px; page-break-after: auto;"> +<img src="images/blitzschirm.png" width="301" height="500" alt="Der Blitzschirm ist nämlich ganz der Reimarus'sche" title="" /> +</div> + +<div class="new-h2"> </div> +<p><span class="pagenum"><a name="Page_13">13</a></span></p> +<h2 style="text-align: justify; padding-left: 1.5em; text-indent: -1.5em;">Zirkelbrief des vermutlichen katechetischen +Professors <span class="gesperrt">Attila Schmelzle</span> an +seine Freunde, eine Ferienreise nach +Flätz enthaltend, samt einer Einleitung, +sein Davonlaufen und seinen Mut +als voriger Feldprediger betreffend.</h2> + +<p class="dropcap">Nichts ist wohl lächerlicher, meine werten +Freunde, als wenn man einen Mann für einen +Hasen ausgibt, der vielleicht gerade mit den +entgegengesetzten Fehlern eines Löwen kämpft, +wiewohl nun auch der afrikanische Leu seit +Sparrmanns Reise als ein Feigling zirkuliert. +Ich bin indes in diesem Falle, Freunde, wovon +ich später reden werde, ehe ich meine + +<span class="sidenote-l"><sup>103</sup> Gute Fürsten bekommen leicht gute Untertanen +(nicht so leicht diese jene); so wie Adam im Stande +der Unschuld die Herrschaft über die Tiere hatte, +die alle zahm waren und blieben, bis sie bloß mit +ihm verwilderten und fielen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_14">14</a></span> +Reise beschreibe. Ihr freilich wißt alle, daß +ich gerade umgekehrt den Mut und den Waghals +(ist er nur sonst kein Grobian) vergöttere, +zum Beispiel meinen Schwager, den Dragoner, +der wohl nie in seinem Leben einen Menschen +allein ausgeprügelt; sondern immer einen ganzen +geselligen Zirkel zugleich. Wie furchtbar +war nicht meine Phantasie schon in der Kindheit, +wo ich, wenn der Pfarrer die stumme +Kirche in einem fort anredete, mir oft den +Gedanken: »wie, wenn du jetzt geradezu aus +dem Kirchenstuhle hinauf schrieest: ich bin +auch da, Herr Pfarrer!« so glühend ausmalte, +daß ich vor Grausen hinaus mußte! – So +etwas wie Rugendas' Schlachtstücke – entsetzliches +Mordgetümmel – Seetreffen und +Landstürme bei Toulon – auffliegende Flotten +– und in der Kindheit Prager Schlachten +auf Klavieren – und kurz, jede Karte von +einem reichen Kriegsschauplatz; dies sind vielleicht +zu sehr meine Liebhabereien und ich +lese – und kaufe nichts lieber; es könnte + +<span class="sidenote-r"><sup>5</sup> Denn ein guter Arzt rettet, wenn nicht immer von +der Krankheit, doch von einem schlechten Arzt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_15">15</a></span> +mich oft zu manchem versuchen, hielt mich +nicht meine Lage aufrecht. Soll indes rechter +Mut etwas Höheres sein, als bloßes Denken +und Wollen: so genehmigt ihr es am ersten, +Werteste, wenn auch der meinige einst dadurch +in tätige Worte ausbrechen will, daß ich +meinen künftigen Katecheten, so gut es in Vorlesungen +möglich, zu christlichen Heroen stähle. +– Es ist bekannt, daß ich immer, wenigstens +zehn Acker weit, von jedem Ufer voll Badegäste +und Wasserschwimmer fern spazieren gehe, um +für mein Leben zu sorgen, bloß weil ich voraussehe, +daß ich, falls einer davon ertrinken +wollte, ohne weiteres (denn das Herz überflügelt +den Kopf) ihm, dem Narren, rettend nachspringen +würde, in irgendeine bodenlose Tiefe +hinein, wo wir beide ersöffen. – Und wenn +das Träumen der Widerschein des Wachens +ist, so frag' ich euch, Treue, erinnert ihr euch +nicht mehr, daß ich euch Träume von mir erzählt +habe, deren sich kein Cäsar, Alexander und + +<span class="sidenote-l"><sup>100</sup> Die Bücher liegen voll Phönixasche eines tausendjährigen +Reichs und Paradieses; aber der Krieg +weht und viel Asche verstäubt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_16">16</a></span> +Luther schämen darf? Hab' ich nicht – um +nur an einige zu erinnern – Rom gestürmt +und mich mit dem Papste und dem Elefantenorden +des Kardinalkollegiums zugleich duelliert? +Bin ich nicht zu Pferde, worauf ich als +Revuezuschauer gesessen, in ein <i>bataillon quarré</i> +eingebrochen und habe in Aachen die Perücke +Karls des Großen, wofür die Stadt jährlich +zehn Rtlr. Frisiergeld zahlt, und darauf in +Halberstadt von Gleim Friedrichs Hut erobert, +und beide aufeinander aufgesetzt und +habe mich doch noch umgekehrt, nachdem ich +vorher auf einem erstürmten Walle die Kanone +gegen den Kanonier selber umgekehrt? – habe +ich nicht mich beschneiden und doch als Jude +mich zählen lassen, und mit Schinken bewirten, +wiewohl's Affenschinken am Orinoko waren +(nach Humboldt)? Und tausend dergleichen; +denn zum Beispiel den Flätzer Konsistorialpräsidenten +hab' ich aus dem Schloßfenster +geworfen – Knall- oder Allarmfidibus von + +<span class="sidenote-r"><sup>102</sup> Lieber politischer und religiöser Inquisitor! Die +Turiner Lichtchen leuchten ja erst recht, wenn du +sie zerbrichst, und zünden dann sogar.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_17">17</a></span> +Heinrich Backofen in Gotha, das Dutzend zu +6 Gr., und jeder wie eine Kanone knallschlagend, +hab' ich so ruhig angehört, daß die +Fidibus mich nicht einmal aufweckten – und +mehr.</p> + +<p>Doch genug! Es ist Zeit, mit wenigem die +Verleumdung meines Feldpredigeramtes, die +leider auch in Flätz umläuft, bloß dadurch, +wie ein Cäsar den Alexander zu zerstäuben, +daß ich sie berühre. Es sei daran wahr was +wolle, es ist immer wenig oder gar nichts. +Euer großer Minister und General in Flätz +– vielleicht der größte überall – denn es +gibt nicht viele Schabacker – konnte allerdings +wie jeder große Mann gegen mich eingenommen +werden, doch nicht mit dem Geschütz +der Wahrheit; denn letzteres stell' ich +euch hierher, ihr Herzen, und drückt ihr's nur +zu meinem Besten ab! Es laufen nämlich im +Flätzischen unsinnige Gerüchte um, daß ich +aus bedeutenden Schlachten Reißaus genommen + +<span class="sidenote-l"><sup>86</sup> So wahr! In der Jugend liebt und genießt man +unähnliche Freunde fast mehr, als im Alter die +ähnlichsten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_18">18</a></span> +(so pöbelhaft spricht man), und daß +nachher, als man Feldprediger zu Dank- und +Siegespredigten gesucht, nichts zu haben gewesen. +Das Lächerliche davon erhellt wohl +am besten, wenn ich sage, daß ich in gar +keinem Treffen gewesen bin, sondern mehrere +Stunden vor demselben mich so viele Meilen +rückwärts dahin gezogen habe, wo mich unsere +Leute, sobald sie geschlagen worden, notwendig +treffen mußten. Zu keiner Zeit, ist der +Rückzug wohl so gut – ein guter aber wird +für das Meisterstück der Kriegskunst gehalten +– und mit solcher Ordnung, Stärke und +Sicherheit zu machen, als eben vor dem Treffen, +wo man ja nicht geschlagen ist.</p> + +<p>Ich könnte zwar als hoffentlicher Professor +der Katechetik zu solchen Verumfeiungen +meines Mutes still sitzen und lächeln – denn +schmied' ich meine künftigen Katecheten durch +sokratisches Fragen zum Weiterfragen zu: so +hab' ich sie zu Helden gehärtet, da nichts +gegen sie zu Felde zieht als Kinder – Katecheten + +<span class="sidenote-r"><sup>128</sup> In der Liebe gibt's Sommerferien; aber in der +Ehe gibt's auch Winterferien, hoff' ich.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_19">19</a></span> +dürfen ohnehin Feuer fürchten, nur +Licht nicht, da in unseren Tagen wie in London +die Fenster eingeworfen werden, wenn +sie nicht erleuchtet sind, anstatt daß es sonst +den Völkern mit dem Lichte ging wie den +Hunden mit dem Wasser, die, wenn man +ihnen lange keins gibt, endlich die Scheu vor +dem Wasser bekommen – und überhaupt +säuselt für Katecheten jeder Park lieblicher +und wohlriechender als ein schwefelhafter +Artilleriepark, und der Kriegsfuß, worauf die +Zeit gesetzt wird, ist ihnen der wahre teuflische +Pferdefuß der Menschheit. – –</p> + +<p>Aber ich denke anders – ordentlich als +wäre der Patengeist des Taufnamen <ins title="Attilla">Attila</ins> +mehr, als sich's gehört, in mich gefahren, ist + +<span class="sidenote-l"><sup>143</sup> Die Weiber haben wöchentlich wenigstens einen +aktiven und passiven <em class="gesperrt">Neids</em>tag, den heiligen, den +Sonntag; – nur die höhern Stände haben mehr +Sonn- als Werkeltage, so wie man in großen +Städten seinen Sonntag schon Freitags mit einem +Türken feiern kann, Sonnabends mit einem Juden, +Sonntags mit sich selbst. Weiber gleichen köstlichen +Arbeiten aus Elfenbein, nichts ist weißer und glätter +und nichts wird leichter gelb.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_20">20</a></span> +mir daran gelegen, immer nur meinen Mut +zu beweisen, was ich denn hier wieder mit +einigen Zeilen tun will, teuerste Freunde! +Ich könnte diese Beweise schon durch bloße +Schlüsse und gelehrte Zitate führen. Zum +Beispiel wenn Galen bemerkt, daß Tiere mit +großen Hinterbacken schüchtern sind: so brauch' +ich bloß mich umzuwenden und dem Feinde +nur den Rücken – und was darunter ist – +zu zeigen, wenn er sehen soll, daß es mir +nicht an Tapferkeit fehlt, sondern an Fleisch. +– Wenn nach bekannten Erfahrungen Fleischspeisen +herzhaft machen: so kann ich dartun, +daß ich hierin keinem Offizier nachstehe, welcher +bei seinem Speisewirt große Bratenrechnungen +nicht nur machen, sondern auch +unsaldiert bestehen läßt, um zu jeder Stunde, +sogar bei seinem Feinde selber (dem Wirte), +ein offenes Dokument zu haben, daß er das +Seinige (und Fremdes dazu) gegessen, und +gemeines Fleisch auf den Kriegsfuß gesetzt, + +<span class="sidenote-r"><sup>34</sup> Nur die kleinen Tapeten- und Hintertüren sind +die Gnadentüren; das große Tor ist die Ungnadentüre, +die Flügeltüren sind halbe Januspforten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_21">21</a></span> +lebend nicht, wie ein anderer, von Tapferkeit, +sondern für Tapferkeit. Ebensowenig hab' +ich je als Feldprediger hinter irgendeinem +Offizier unter dem Regimente zurückstehen +wollen, der ein Löwe ist und mithin jeden +Raub angreift, nur daß er, wie dieser König +der Tiere, das Feuer fürchtet – oder der, +wie König Jakob von England, welcher davonlaufend +vor nackten Degen, desto kühner +vor ganz Europa dem stürmenden Luther mit +Buch und Feder entgegenschritt, gleichfalls +bei ähnlicher Idiosynkrasie sowohl mündlich +als schriftlich mit jedem Kriegsheer anbindet. +Hier entsinn' ich mich vergnügt eines wackeren +Sous-Lieutenants, der mir beichtete – wiewohl +er mir noch das Beichtgeld schuldig ist, +sowie, noch besser, seinen Wirtinnen das +Sündengeld – welcher in Rücksicht der Herzhaftigkeit +vielleicht etwas von jenem indischen +Hunde hatte, den Alexander geschenkt bekommen + +<span class="sidenote-l"><sup>21</sup> Schiller und Klopstock sind poetische Spiegel vor +dem Sonnengotte; die Spiegel werfen so blendend +die Sonne zurück, daß man in ihnen die Gemälde +der Welt nicht gespiegelt sehen kann.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_22">22</a></span> +als einen Hundsalexander. Der Makedonier +ließ zur Probe auf den Wunderhund +andere Helden- oder Wappentiere anlaufen +– erstlich einen Hirschen – aber der Hund +ruhte; – dann eine Sau – er ruhte; – +sogar einen Bären – er ruhte: jetzt wollt' +ihn Alexander verurteilen, als man endlich +einen Löwen einließ; da stand der Hund auf +und zerriß den Löwen. Ebenso der Sous-Lieutenant. +Ein Duellant, ein Auswärtsfeind, +ein Franzose ist ihm nur Hirsch und Sau +und Bär, und er bleibt liegen; aber nun +komme und klopfe an sein ältester, stärkster +Feind, sein Gläubiger, und fordere ihm für +verjährte Freuden jetziges Schmerzensgeld ab, +und wollt' ihm so Vergangenheit und Zukunft +zugleich abrauben: der Leutnant fährt auf und +wirft den Gläubiger die Treppe hinab. Leider +steh' ich auch erst bei der Sau und werde +natürlich verkannt.</p> + +<p><i>Quo</i> – sagt Livius XII. 5. mit Recht – + +<span class="sidenote-r"><sup>72</sup> Den Halbgelehrten betet der Viertelsgelehrte an +– diesen der Sechzehnteilsgelehrte – und so fort; +– aber nicht den Ganzgelehrten der Halbgelehrte.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_23">23</a></span> +<i>quo timoris minus est, eo minus ferme periculi +est</i>, oder zu deutsch – je weniger man +Furcht hat, desto weniger Gefahr ist fast dabei; +ich kehre den Satz ebenso richtig um, je +weniger Gefahr, desto kleiner die Furcht, ja +es kann Lagen geben, wo man ganz und gar +von Furcht nichts weiß – worunter meine +gehört. Um desto verhaßter muß mir jede +Afterrede über Hasenherzigkeit erscheinen.</p> + +<p>Ich schicke meiner Ferienreise noch einige +Tatsachen voraus, welche beweisen, wie leicht +Vorsicht – das heißt wenn ein Mensch nicht +dem dummen Hamster gleichen will, der sich +sogar gegen einen Mann zu Pferde auflehnt +– für Feigheit gelte. Ich wünschte übrigens +nur, ich könnte ebenso glücklich einen ganz +anderen Vorwurf, den eines Waghalses, ablehnen, +wiewohl ich doch im folgenden gute +Fakta beizubringen gedenke, die ihn entkräften. + +<span class="sidenote-l"><sup>35</sup> <i>Bien écouter c'est presque répondre</i> sagt Marivaux +mit Recht von geselligen Zirkeln; ich dehn' +es aber auch auf runde Sessions- und Kabinettstische +aus, wo man referiert und der Fürst zuhört.</span></p> + +<p><span class="pagenum"><a name="Page_24">24</a></span> +Was hilft der Heldenarm ohne ein Heldenauge? +Jener wächst leicht stärker und nerviger, +dieses aber schleift sich nicht so bald +wie Gläser schärfer. Indes aber, die Verdienste +der Vorsicht fallen weniger ins Auge +(ja mehr ins Lächerliche) als die des Mutes. +Wer mich zum Beispiel bei ganz heiterem +Himmel mit einem wachstuchenen Regenschirm +gehen sieht: dem komm' ich wahrscheinlich so +lange lächerlich vor, als er nicht weiß, daß +ich ihn als Blitzschirm führe, um nicht von +einem Wetterstrahl aus blauem Himmel (wovon +in der mittleren Geschichte mehr als ein +Beispiel steht) getroffen zu werden. Der Blitzschirm +ist nämlich ganz der Reimarussche; +ich trage auf einem langen Spazierstocke das +wachstuchene Sturmdach, von dessen Giebel +sich eine Goldtresse als Ableitungskette niederzieht, +die durch einen Schlüssel, den sie +auf dem Fußsteig nachschleift, jeden möglichen + +<span class="sidenote-r"><sup>17</sup> Das Bette der Ehren sollte man doch, da oft +ganze Regimenter darauf liegen, und die letzte +Ölung und vorletzte Ehre empfangen von Zeit zu +Zeit weichfüllen, ausklopfen und sömmern.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_25">25</a></span> +Blitz leicht über die ganze Erdfläche ableitet +und verteilt. Mit diesem Paradonner (<i>paratonnerre +portatif</i>) in der Hand will ich mich +wochenlang ohne die geringste Gefahr unter +dem blauen Himmel herumtreiben. Indes +deckt diese Taucherglocke noch gegen etwas +anderes – gegen Kugeln. Denn wer gibt +mir im Herbste schwarz auf weiß, daß kein +versteckter Narr von Jäger irgendwo, wenn +ich die Natur genieße und durchstreife, seine +Kugelbüchse in einem Winkel von 45 Grad +so abdrückt, daß sie im Herunterfallen bloß +auf meinem Scheitel aufzuschlagen braucht, +damit es so gut ist, als würd' ich seitwärts +ins Gehirn geschossen?</p> + +<p>Es ist ohnehin schlimm genug, daß wir +nichts gegen den Mond haben, uns zu wehren +– der uns gegenwärtig beschießt mit Gestein, +wie ein halber türkischer; denn dieser elende, + +<span class="sidenote-l"><sup>112</sup> Gewisse <ins title="Welt weiberbenutzen">Weltweiber benutzen</ins> in gewissen Fällen +ihre körperliche Ohnmacht, wie Mohammed seine +<em class="gesperrt">fallende</em> Sucht – auch ist jene diese – bloß +um Offenbarungen, Himmel, Eingebungen, Heiligkeit +und Proselyten zu erhalten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_26">26</a></span> +kleine Erdtrabant und Läufer und <i>valet de +Fantaisie</i> glaubt in diesen rebellierenden Zeiten +auch anfangen zu müssen, seiner großen +Landesmutter etwas zuzuschleudern aus der +Davidshirtentasche. Wahrhaftig, jetzt kann ja +ein junger Katechet von Gefühl nachts mit +geraden Gliedern in den Mondschein hinauswandeln, +um manches zu empfinden oder zu +bedenken, und kann (mitten im Gefühl erwirft +ihn der absurde Satellit) als zerquetschter +Brei wieder nach Hause gehen. – – Bei +Gott! überall Klingenproben des Muts! Hat +man mühsam Donnerkeile eingeschmolzen und +Kometenschwänze anglisiert: so führt der Feind +neues Geschütz im Mond auf oder sonst wo +im Blau!</p> + +<p>Noch eine Geschichte sei genug, um zu beweisen, +wie lächerlich gerade die ernsthafteste + +<span class="sidenote-r"><sup>120</sup> Mancher wird ein freier Diogenes, nicht wenn +er in dem Fasse, sondern wenn dieses in ihm wohnt; +und die gewaltige Hebkraft des <em class="gesperrt">Flaschenzugs</em> in +der Mechanik spürt er fast von einem Flaschenzuge +anderer Art beim Flaschenkeller wiederholt und gut +bewährt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_27">27</a></span> +Vorsicht bei allem inneren Mute oft außen +dem Pöbel erscheint. Reiter kennen die Gefahren +auf einem durchgehenden Pferde längst. +Mein Unstern wollte, daß ich in Wien auf +ein Mietspferd zu sitzen kam, das zwar ein +schöner Honigschimmel war, aber alt und +hartmäulig wie der Satan, so daß die Bestie +in der nächsten Gasse mit mir durchging und +zwar – leider bloß im Schritte. Kein Halten, +kein Lenken schlug an; ich tat endlich +auf dem Selbststreitroß Notschuß nach Notschuß +und schrie: »Haltet auf, ihr Leute, um +Gottes Willen aufgehalten, mein Gaul geht +durch!« Aber da die einfältigen Menschen das +Pferd so langsam gehen sahen wie den Reichshofratsprozeß +und den ordinären Postwagen: +so konnten sie sich durchaus nicht in die Sache +finden, bis ich in heftigster Bewegung wie +besessen schrie: »Haltet doch auf, ihr Pinsel +und Pensel, seht ihr denn nicht, daß ich die +Mähre nicht mehr halten kann?« Jetzt kam + +<span class="sidenote-l"><sup>2</sup> Die Kultur machte ganze Länder, z. B. Deutschland, +Gallien usw. physisch wärmer, aber geistig +kälter.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_28">28</a></span> +den Faulpelzen ein hartmäuliges, schrittlings +ausziehendes Pferd lächerlich vor. – Halb +Wien bekam ich dadurch wie einen Bartsternschwanz +hinter meinem Roßschweif und Zopf +nach. – Fürst Kaunitz, sonst der beste Reiter +des Jahrhunderts (des vorigen), hielt an, um +mir zu folgen. – Ich selber saß und schwamm +als aufrechtes Treibeis auf dem Honigschimmel, +der in einem fort Schritt für Stritt +durchging. – Ein vieleckiger, rockschößiger +Briefträger gab rechts und links seine Briefe +in den Stockwerken ab und kam mir stets mit +satirischen Gesichtszügen wieder nach, weil +der Schimmel zu langsam auszog. – Der +Schwanzschleuderer (bekanntlich der Mann, +der mit einer zweispännigen Wassertonne + +<span class="sidenote-r"><sup>99</sup> Gleichwohl hab' ich bei allem meinen Grimm +über Nachdruck doch nie den Ankauf eines Privilegiums +gegen Nachdruck für etwas anderes oder +schlechteres gehalten als für die Abgabe, die bisher +alle christlichen Seemächte an die barbarischen +Staaten erlegten, damit sie nicht beraubt wurden. +Nur Frankreich hat eben der Ähnlichkeit wegen sowohl +das Nachdrucks-Privilegium als die barbarische +Abgabe abgeschafft.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_29">29</a></span> +über die Straßen fährt und sie mit einem +drei Ellen langen Schlauch aus einem blechernen +Trichter benetzt) fuhr ungemein bequem +den Hinterbacken meines Pferdes nach und +feuchtete während seiner Pflicht jene und mich +selber kühlend an, ob ich gleich kalten Schweiß +genug hatte, um keines frischeren zu bedürfen. +– Ich geriet auf meinem höllischen, trojanischen +Pferd (nur war ich selber das untergehende +Troja, das ritt) nach <ins title="Malzleinsdorf">Matzleinsdorf</ins> +(einer Wiener Vorstadt), oder waren's für +meine gepeinigten Sinne ganz andere Gassen. +– Endlich mußte ich abends spät nach dem +Reträteschuß des Praters im letzteren zu +meinem Abscheu und gegen alle Polizeigesetze +auf dem gesetzlosen Honigschimmel noch herumreiten, +und ich hätte vielleicht gar auf ihm +übernachtet, wenn nicht mein Schwager, der +Dragoner, mich gesehen und noch fest auf +dem durchgegangenen Gaule gefunden hätte. +Er machte keine Umstände – fing das Vieh + +<span class="sidenote-l"><sup>1</sup> Je mehr Schwäche, je mehr Lüge; die Kraft geht +gerade; jede Kanonenkugel, die Höhlen oder Gruben +hat, geht krumm.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_30">30</a></span> +– tat die lustige Frage: warum ich nicht +voltigiert hätte, ob er gleich recht gut weiß, +daß dazu ein hölzerner Gaul gehört, der steht +– und holte mich herab – und so kamen +alle berittenen Wesen unberitten und unbeschädigt +nach Hause.</p> + +<p>Aber nun endlich einmal an meine Reise!</p> + + + + +<h2 class="new-h2 gesperrt">Reise nach Flätz.</h2> + + +<p>Ihr wißt, Freunde, daß ich die Reise nach +Flätz gerade unter den Ferien machen mußte, +nicht nur, weil Viehmarkt und folglich der +Minister und General von Schabacker da war, +sondern vornehmlich, weil er (wie ich von geheimer +Hand sicher hatte) jährlich den 23. Juli +am Abend vor dem Markttage um fünf Uhr + +<span class="sidenote-l"><sup>32</sup> Unser Zeitalter – von einigen papiernes genannt, +als sei es aus Lumpen eines besser Bekleideten +gemacht – bessert sich schon halb, da es die Lumpen +jetzt mehr zu Scharpien als zu Papieren zerzupft, +wiewohl oder weil der Lumpenhacker (oder auch +der Holländer) eben nicht ausruht; indes, wenn +gelehrte Köpfe sich in Bücher verwandeln, so können +sich auch gekrönte in Staatspapiere verwandeln und +ummünzen; – in Norwegen hat man nach dem Allg.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_31">31</a></span> +soviel Gaudium und Gnade sich ausließ, daß +er die meisten Menschen weniger anschnauzte +als anhörte und – erhörte. Die Gaudiumsursache +vertrau ich ungern dem Papier. Kurz, +ich konnte ihm meine Bittschrift, mich als unschuldig +vertriebener Feldprediger durch eine +katechetische Professur zu entschädigen und zu +besolden in keiner besseren Jahres- und Tageszeit +überreichen, als abends um fünf Uhr +Hundstagsanfang. Ich setzte mein Bittschreiben +in drei Tagen auf. Da ich weder Konzepte, +noch Abschriften desselben schonte und zählte: +so war ich bald so weit, daß ich das relativ +Beste ganz vollendet vor mir hatte, als ich +erschrocken bemerkte, daß ich darin über dreißig +Gedankenstriche in Gedanken hingeschrieben + +<span class="sidenote-r">Anzeiger sogar Häuser von Papier, und in manchen +guten deutschen Staaten – hält das Kammerkollegium +(das Justizkollegium ohnehin) seine eigenen +Papiermühlen, um Düten genug für das Mehl +seiner Windmühlen zu haben. Ich wünschte aber, +unsere Kollegien nähmen sich jene Glasschneiderei +in Madrid zum Muster, in welcher (nach Baumgärtner) +zwar neunzehn Schreiber angestellt waren, +aber doch auch eilf Arbeiter.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_32">32</a></span> +hatte. Leider schießen diese Stacheln heutzutage +wie aus Wespensteißen, unwillkürlich aus +gebildeten Federn hervor. Ich warf es zwar +lange in mir hin und her, ob ein Privatgelehrter +sich einem Minister mit Gedankenstrichen +nähern dürfe – so sehr auch dieses +ebene Unterstreichen der Gedanken, diese wagerechten +Taktstriche poetischer Tonstücke und +diese Treppenstricke oder Achillessehnen philosophischer +Sehstücke jetzt ebenso allgemein als +nötig sind – allein ich mußte doch am Ende +(da Ausschaben Standespersonen beleidigt) +das beste Probstück wieder umschreiben und +mich wieder eine halbe Stunde am Namen +Attila Schmelzle quälen, weil ich immer + +<span class="sidenote-l"><sup>39</sup> Epiktet rät an zu reisen, weil die alten Bekanntschaften +uns durch Scham und Einfluß vom Übergange +zur hohen Tugend abhalten – so wie man +etwa seine Provinzialmundart schamhaft lieber außer +Lands ablegt und dann völlig geläutert zu seinen +Landsleuten zurückkommt; noch jetzt befolgen Leute +von Stand und Tugend diesen Rat, obwohl umgekehrt, +und reisen, weil die alten Bekanntschaften +sie durch Scham zu sehr von neuen Sünden abschrecken.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_33">33</a></span> +glaube, diesen sowie die Briefadresse, die +beiden Kardinalgegenden und Punkte der +Briefe, nie leserlich genug zu schreiben.</p> + +<div class="figcenter" style="width: 305px;"> +<img src="images/bloss_sanft.png" width="305" height="500" alt="... es tue ihm bloss sanft / sagt' er / wie eine gute Frostsalbe ..." title="" /> +</div> + + + +<h3 class="new-h3 gesperrt">Erste Station, von Neusattel nach +Vierstädten.</h3> + + +<p>Der 22. Juli, oder Mittwochs nachmittag +um fünf Uhr, war von der Postkarte der +ordentlichen fahrenden Post selber zu meiner +Abreise unwiderruflich anberaumt. Ich hatte +also etwa einen halben Tag Zeit, mein Haus +zu bestellen, welchem jetzt zwei Nächte und +drittehalb Tage hindurch meine Brust als +Brustwehr, der Verhack mit meinem Ich abgehen +sollte. Sogar mein gutes Weib Bergelchen, +wie ich meine Teutoberga nenne, reiste +mir unaufhaltsam den 24. oder Freitags +darauf nach, um den Jahrmarkt zu beschauen +und zu benutzen; ja sie wollte schon sogleich +mit mir ausreisen, die treue Gattin. Ich versammelte +daher meine kleine Bedientenstube + +<span class="sidenote-r"><sup>2</sup> Ein Soldat huldigt und gehorcht in seinem Fürsten +zugleich seinem Fürsten und seinem Generalissimus; +der Zivilist bloß seinem Fürsten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_34">34</a></span> +und publizierte ihr die Hausgesetze und Reichsabschiede, +die sie nach meinem Abschiede den +Tag und die Nacht erstlich vor der Abreise +meiner Frau und zweitens nach derselben auf +das pünktlichste zu befolgen hatten, und alles, +was ihnen besonders bei Feuersbrünsten, +Diebeseinbrüchen, Donnerwettern und Durchmärschen +vorzukehren oblag. Meiner Frau +übergab ich ein Sachregister des Besten in +unserem kleinen Registerschiffe, was sie, im +Falle es in Rauch aufginge, zu retten hätte. – +Ich befahl ihr, in stürmischer Nacht (dem +eigentlichen Diebswetter) unsere Windharfe +ans Fenster zu stellen, damit jeder schlechte +Strauchdieb sich einbildete, ich phantasierte +harmonisch und wachte; desgleichen den Kettenhund +am Tage ins Zimmer zu nehmen, damit +er ausschliefe, um nachts munterer zu sein. +Ich riet ferner, auf jeden Brennpunkt der +Glasscheiben im Stalle, ja auf jedes hingestellte +Glas Wasser ihr Auge zu haben, da +ich ihr schon öfter die Beispiele erzählt, daß + +<span class="sidenote-l"><sup>29</sup> Und wieviel ist nicht in der Jurisprudenz Jurisimprudenz, +ausgenommen bei Unrechtsgelehrten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_35">35</a></span> +durch solche zufällige Brenngläser die Sonne +ganze Häuser in Brand gesteckt. – Auch gab +ich ihr die Morgenstunde, wo sie Freitags +ab- und mir nachreisen sollte, sowie die Haustafeln +schärfer an, die sie vorher dem Gesinde +einzuschärfen hätte. Meine liebe, kerngesunde, +blühende Honigwöchnerin Berga antwortete +ihrem Flitterwöchner, wie es schien, sehr ernsthaft: +»Geh nur Alterchen, es soll alles ganz +scharmant geschehen. – Wärest du nur erst +voraus, so könnte man doch nach! Das währt +ja aber Ewigkeiten.« – Ihr Bruder, mein +Schwager, der Dragoner, für den ich aus +Gefälligkeit das Passagiergeld trug, um auf +dem Postkissen einen an sich tapferen Degen +und Hauinsfeld, sozusagen als körperlichen +und geistigen Verwandten und Spillmagen +vor mir zu haben, dieser zog über meine +Verordnungen (was ich leicht dem Hage- und +Kriegsstolzen vergab) sein braunes Gesicht + +<span class="sidenote-r"><sup>39</sup> »<em class="gesperrt">Die größere Hälfte</em>« ist ein so meßwidriger +Ausdruck, daß ihn kein Meßkünstler anders als +von der Ehe, ja sogar nur von der seinigen gebrauchen +könnte.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_36">36</a></span> +ansehnlich ins Spöttische und sagte zuletzt: +»Schwester, an deiner Stelle täte ich, was +mir beliebte; und dann guckte ich nach, was +er auf seinem Reglementszettel hätte haben +wollen.« – »O,« versetzte ich, »Unglück kann +sich wie ein Skorpion in jede Ecke verkriechen; +ich möchte sagen, <ins title="mir">wir</ins> sind den Kindern gleich, +die am schön bemalten Kästchen schnell den +Schieber aufreißen und – heraus fährt eine +Maus, die hackt« – »Maus, Maus, Raus, +Raus!«, versetzte er auf- und niedertrabend. +»Herr Schwager, aber es ist fünf Uhr; und +Sie werden schon finden, wenn Sie wiederkommen, +daß alles so aussieht wie heute, +die Hunde wie die Hunde, und meine Schwester +wie eine hübsche Frau: <i>allons donc!</i>« – +Er war eigentlich schuld, daß ich aus Besorgnis +seines Mißdeutens nicht vorher eine +Art von Testament gemacht.</p> + +<p>Ich packte noch entgegengesetzte Arzneien, +sowohl temperierende als erhitzende, gegen + +<span class="sidenote-l"><sup>45</sup> Die jetzigen Schriftsteller zucken die Achseln am +meisten über die, auf deren Achseln sie stehen; und +erheben die am meisten, die an ihnen hinaufkriechen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_37">37</a></span> +zwei Möglichkeiten ein – ferner meine alten +Schienen gegen Arm- und Beinbrüche bei Wagenumstürzen +– und (aus Vorsicht) noch einmal +so viel Geldwechsel, als ich eigentlich nötig +hatte. Nur wünschte ich dabei wegen der Mißlichkeit +des Aufbewahrens, ich wär' ein Affe mit +Backentaschen, oder ein Beuteltier, damit ich +in mehr sichere und empfindungsvolle Taschen +und Beutel solche Lebenspreziosen verschanzte. +Rasieren lasse ich mich sonst stets vor Abreisen +aus Mißtrauen gegen fremde, mordsüchtige +Bartputzer; aber diesmal behielt ich den Bart +bei, weil er doch unterwegs, auch geschoren, +so reich wieder getrieben hätte, daß mit ihm +vor keinem Minister wäre zu erscheinen gewesen.</p> + +<p>Ich warf mich heftig ans Kraftherz meiner +Berga an und riß mich noch heftiger ab, +aber sie schien über unsere erste Ehetrennung +weniger in Jammer als in Jubel zu sein, + +<span class="sidenote-r"><sup>14</sup> Manche Dichter geraten unter dem Malen schlechter +Charaktere oft so ins Nachahmen derselben hinein, +wie Kinder, wenn sie so träumen, wirklich ihr +Wasser lassen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_38">38</a></span> +viel weniger bestürzt als seelenvergnügt, bloß +weil sie auf das Scheiden nicht halb so sehr +als auf das Wiedersehen und Nachreisen, und +die Jahrmarktsschau ihr Augenmerk hatte; +doch warf und hing sie sich an meinen etwas +dünnen und langen Hals und Körper fast +schmerzhaft als eine zu fleischige, derbe Last +und sagte: »Fege nur frisch davon, mein +scharmanter Attel (Attila) – und mache dir +unterwegs keine Gedanken, du aparter Mensch! +– Haben wir denn zu klagen? Einen oder +ein paar Püffe halten wir mit Gottes Hilfe +schon aus, solange mein Vater kein Bettelmann +ist. – Und dir aber, Franz,« fuhr sie +gegen ihren Bruder ordentlich zornig fort, +»bind' ich meinen Attel auf die Seele, du +weißt recht gut, du wüste Fliege, was ich tue, +wenn du ein Narr bist und ihn wo im Stiche +lässest.« Ich verzieh ihr hier manches Gutgemeinte; + +<span class="sidenote-l"><sup>103</sup> Die Großen sorgen vielleicht so emsig für ihre +Nachkommen wie die Ameisen; sind die Eier gelegt, +so fliegen die männlichen und weiblichen Ameisen +davon und vertrauen sie den treuen <em class="gesperrt">Arbeitsameisen</em> +an.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_39">39</a></span> +und euch, Freunden, ist ihr Reichtum +und ihre Freigebigkeit auch nichts Neues.</p> + +<p>Gerührt sagt' ich: »Nun, Berga, gibt's +ein Wiedersehen für uns, so ist's gewiß entweder +im Himmel oder in Flätz; und ich +hoffe zu Gott, das letztere.« – Stracks ging's +rüstig davon. Ich sah mich durch das Kutschenrückfenster +um nach meinem guten Städtchen +Neusattel; und es kam mir gerührt vor, als +richte sich dessen Sturmspitze ordentlich als +ein Epitaphium über meinem Leben oder +meinem vielleicht tot zurückreisenden Leichnam +in die Höhe: – »wie wird alles sein,« dacht' +ich, »wenn du nun endlich nach zwei oder +drei Tagen wiederkommst?« Jetzt sah ich mein +Bergelchen uns aus dem Mansardenfenster +nachschauen; ich legte mich weit aus dem +Kutschenschlage hinaus, und ihr Falkenauge +erkannte sofort meinen Kopf; Küsse über +Küsse warf sie mir mit beiden Händen herab, +dem ins Tal rollenden Wagen nach. »Du + +<span class="sidenote-r"><sup>10</sup> Und liefert das Leben von unsern idealen Hoffnungen +und Vorsätzen etwas anderes als eine prosaische, +unmetrische, ungereimte Übersetzung?</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_40">40</a></span> +herziges Weib,« dacht' ich, »wie machst du +deine niedrige Geburt durch die geistige Wiedergeburt +vergeßlich, ja merkwürdig!«</p> + +<p>Freilich, das <ins title="Postkutschen gelag'">Postkutschengelag'</ins> und Picknick +wollte mir weniger schmecken; lauter verdächtiges, +unbekanntes Gesindel, welches (wie gewöhnlich +die Märkte tun) der Flätzer durch +seine Witterung einlockte. Ungern werd' ich +Unbekannten ein Bekannter; aber mein Schwager, +der Dragoner, war wie immer schon mit +allem, mit Himmel und Hölle herausgeplatzt. +Neben mir saß eine höchstwahrscheinliche Hure. +– Auf ihrem Schoße ein Zwerg, der sich auf +dem Jahrmarkte wollte sehen lassen. – Mir +gegenüber blickte ein Kammerjäger mich an – +und unten im Tale stieg noch ein blinder Passagier +mit einem roten Mantel ein. Mir gefiel gar +niemand, ausgenommen mein Schwager. Ob +nicht die Hure meine Bekanntschaft zu einer + +<span class="sidenote-l"><sup>78</sup> Die Weiber halten alles Weißzeug weiß, <em class="gesperrt">nur</em> +kein Buch, ob sie gleich vielleicht manchen polemischen +Folianten, eh' er in die Papiermühle gekommen, +als Brauthemde am Leibe mögen getragen +haben. Die Männer kehren es nur um.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_41">41</a></span> +eidlichen Angabe benützen, ob nicht Spitzbuben +unter den Passagieren mich und meine Eigenheiten +und Zufälle studieren würden, um auf +der Tortur mich in ihre Bande zu flechten +– dafür konnte sich mir niemand verpfänden. +An fremden Orten schau ich schon ungern +– und aus Vorsicht – an irgendein Kerkergitter +lange empor, weil ein schlechter Kerl +dahinter sitzen kann, der eilig herunterschreit +aus bloßer Bosheit: »Drunten steht mein +Spießkamerad, der Schmelzle!« – oder auch +weil ein vernagelter Scherge sich denken kann, +ich suchte meinen Konföderierten oben zu entsetzen. +Aus einer wenig davon verschiedenen +Vorsicht dreh' ich mich daher niemals um, +wenn ein Star mir nachruft: Dieb!</p> + +<p>Was den Zwerg selber anlangt, so konnt' +er meinetwegen mitfahren, wohin er wollte; +aber er glaubte ein besonderes Frohleben in + +<span class="sidenote-r"><sup>7</sup> Der geharnischte deutsche Reichskörper konnte sich +darum schwer bewegen, weshalb die Käfer nicht +fliegen können, deren <em class="gesperrt">Flügel</em> recht gut durch <em class="gesperrt">Flügeldecken</em> +– und zwar durch zusammengewachsene +– verschanzt sind.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_42">42</a></span> +uns zu bringen, wenn er uns verhieße, daß +sein Pollux und Amtsbruder, ein seltener Riese, +der ebenfalls der Messe zur Anschau zuzog, +gegen Mitternacht uns unfehlbar mit seinem +Elefantenschritte nachkommen und sich einsetzen +<ins title="ober">oder</ins> hinten aufstellen würde. Beide +Narren beziehen nämlich gemeinschaftlich die +Messen als gegenseitige Meßhelfer zu entgegengesetzten +Größen; der Zwerg ist das erhabene +Vergrößerungsglas des Riesen, der Riese das +hohle Verkleinerungsglas des Zwergs. Niemand +bezeugte große Freude an der Aussicht +der Nachkunft des Maßkopisten des Zwergs, +ausgenommen mein Schwager, der (ist das +Wortspiel erlaubt) wie eine Uhr bloß zum +Schlagen gemacht zu sein glaubt, und mir +wirklich sagte: »Könn' er einmal oben in der +ewigen Seligkeit keine Seele zuweilen wamsen + +<span class="sidenote-l"><sup>8</sup> Mit Staatseinrichtungen ist's wie mit Kunststraßen; +auf einer ganz neuen, unbefahrenen, wo +jeder Wagen am Straßenbau mitarbeiten und zerklopfen +hilft, man wird ebenso gestoßen und geworfen, +als auf einer ganz alten, ausgefahrenen voll Löcher. +Was ist also hier zu tun? Man fahre fort.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_43">43</a></span> +und koram nehmen, so fahr' er lieber in die +Hölle, wo gewiß des Guten und der Händel +eher zu viel sein werden.« – Der Kammerjäger +im Postwagen hatte, außerdem schon, +daß uns niemand sehr einnimmt, der bloß +vom Vergiften lebt, wie dieser Freund Hain +der Ratten und die Mäuseparze, und daß +ein solcher Kerl, was noch schlimmer, sogleich +ein Mehrer des Ungezieferreiches zu werden +droht, sobald er nicht dessen Minderer sein +darf – dieser hatte überhaupt soviel Fatales +an sich, zuerst den Stechblick wie eines Stiletts +– dann das hagere, scharfe Knochengesicht +in Verbindung mit seinem Vorrechnen +seines ansehnlichen Giftsortiments – dann +(denn ich haßte ihn immer heißer) seine geheime +Stille, sein geheimes Lächeln, als seh' +er in irgendeiner Schlupfecke eine Maus, ähnlich +einem Menschen. – Wahrlich, mir, der ich +sonst ganz anderen Leuten stehe, kam endlich +sein Rachen als eine Hundsgrotte vor, seine + +<span class="sidenote-r"><sup>3</sup> Vor Gericht werden oft ermordete Geburten für +totgeborene ausgegeben, in Antikritiken totgeborene +für ermordete.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_44">44</a></span> +Backenknochen als Untiefen und Klippen, sein +heißer Atem als Kalzinierofen und die schwarzhaarige +Brust als Welk- und Darrofen – –</p> + +<p>Ich hatte mich auch – glaub' ich – nicht +viel versehen; denn bald darauf fing er an, +der Gesellschaft, worin ein Zwerg und ein +Mädchen war, ganz kalt zu berichten, er habe +schon zehn Leiber mit dem Dolch nicht ohne +Lust durchstoßen – habe gemächlich ein Dutzend +Menschenarme abgehauen, vier Köpfe langsam +gespalten, zwei Herzen ausgerissen und +mehr dergleichen – und keiner davon, sonst +Leute von Mut, hab' ihm im geringsten widerstanden +– »aber warum?« setzt' er giftig +hinzu, und nahm den Hut vom häßlichen +Glatzkopf – »ich bin unverwundbar. – Wer +von der Gesellschaft will, lege auf meiner +Glatze soviel Feuer an, als er will, ich lass' +es ausbrennen.«</p> + +<p>Mein Schwager, der Dragoner, setzte sogleich +einen brennenden Tabaksschwamm auf + +<span class="sidenote-l"><sup>101</sup> Nicht nur die Rhodier hießen von ihrem Koloß +Kolosser, sondern auch unzählige Deutsche heißen +von Luther Lutheraner.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_45">45</a></span> +den Schädel, aber der Jäger stand es so ruhig +aus, als wär' es ein kalter Brand, und er +und der Dragoner sahen einander wartend +an, und jeder lächelte sehr närrisch – es +tue ihm bloß sanft, sagt' er, wie eine gute +Frostsalbe, denn dies sei überhaupt die Winterseite +an seinem Leibe. Hier griff mein Schwager +ein wenig auf dem nackten Schädel umher +und rief verwundert: er fühle sich so kalt an +wie eine Kniescheibe. Nun hob der Kerl auf +einmal nach einigen Vorrüstungen zu unserem +Entsetzen den Viertelsschädel ab und hielt +ihn uns hin, sagend, er habe ihn einem Mörder +abgesägt, als ihm zufällig der eigene eingeschlagen +gewesen; und erklärte nun, <ins title="das">daß</ins> man + +<span class="sidenote-r"><sup>88</sup> Bis hierher hab' ich immer die Streitschriften +der jetzigen philosophischen und ästhetischen idealen +Streitflegel, worin allerdings einige Schimpfworte +und Trug- und Lugschlüsse vorkommen, mehr von +der schönen Seite genommen, indem ich sie bloß +als eine Nachahmung des klassischen Altertums, und +zwar der Ringer desselben angesehen, welche (nach +Schöttchen) ihren Leib mit <em class="gesperrt">Kot</em> bestrichen, um nicht +gefaßt zu werden, und ihre Hände mit <em class="gesperrt">Staub</em> +anfüllten, um den fremden zu fassen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_46">46</a></span> +das erzählte Durchstechen und Armabhauen +mehr als Scherz zu nehmen habe, indem er's +lediglich getan als Famulus auf dem anatomischen +Theater. – Inzwischen wollte der +Scherztreiber doch keinem von uns sehr schmecken +und zu Hals, so daß ich, als er den Kapselkopf, +den Repräsentationsschädel, wieder aufsetzte, +schweigend dachte: diese Mistbeetglocke +hat gewiß nur den Ort, nicht die Giftzwiebel +verändert, die sie zudeckt.</p> + +<p>Am Ende wurde mir's überhaupt verdächtig, +daß er, sowie sämtliche Gesellschaft (auch der +blinde Passagier), gerade demselben Flätz zuschifften, +wohin ich selber gedachte; besonderes +Glück brauchte ich mir davon nicht zu versprechen; +und mir wäre in der Tat das Umkehren +so lieb gewesen als das Fortfahren, +hätt' ich nicht lieber der Zukunft getrotzt.</p> + +<p>Ich komme endlich auch auf den rot gemantelten +blinden Passagier, wahrscheinlich + +<span class="sidenote-l"><sup>103</sup> Oder sind alle Moscheen, Episkopalkirchen, Pagoden, +Filialkirchen, Stiftshütten und Panthea +etwas anderes als der Heidenvorhof zum unsichtbaren +Tempel und zu dessen Allerheiligsten?</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_47">47</a></span> +ein <i>Emigré</i> oder ein <i>Refugié</i> (denn er spricht +das deutsche nicht schlechter als das Französische), +entweder namens Jean Pierre oder +Jean Paul ungefähr, oder ganz namenlos. +Sein roter Mantel wäre mir ungeachtet dieser +Farbenverschmelzung mit dem Scharfrichter +– der in vielen Gegenden trefflich Angstmann +heißt – an sich herzlich gleichgültig +geblieben, wäre nicht der besondere Umstand +eingetreten, daß er mir schon fünfmal in fünf +Städten (im großen Berlin, im kleinen Hof, +Koburg, Meiningen und Baireuth) wider alle +Wahrscheinlichkeit aufgestoßen, wobei er mich +jedesmal bedeutend genug angesehen, und dann +seines Weges gegangen. Ob er mir feindlich +nachsetzt oder nicht, weiß ich nicht; nur ist +auf alle Fälle der Phantasie kein Objekt erfreulich, +das mit Observationskorps oder aus + +<span class="sidenote-r"><sup>40</sup> Das Volk ist nur im Erzählen, nicht im Räsonieren +weitläufig; der Gelehrte ist nur in jenem, +nicht in diesem kurz; eben weil das Volk seine +Gründe nur als Empfindungen so wie die Gegenwart +bloß anschauet, der Gelehrte hingegen beide +mehr nur denkt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_48">48</a></span> +Schießscharten vielleicht mit Flinten hält und +zielt, die es jahrelang bewegt, ohne daß man +weiß, in welchem es abdrückt. – Noch anstößiger +wurde mir der Rotmantel dadurch, daß er +auffallend seine weiche Seelenmilde pries; +dies schien beinah' auf Ausholen oder Sichermachen +zu deuten. Ich erwiderte: »Mein Herr, +ich komme eben, wie hier mein Schwager, +vom Schlachtfeld her (die letzte Affäre war +bei Pimpelstadt), und stimme vielleicht deshalb +zu stark für Markkraft, Bruststurm, Stoßglut, +und es mag für manchen, der eine brausende +Wasserhose, eigentlich Landhose von +Herz hat, gut sein, wenn seine geistliche Lage +(ich bin darin) ihn mehr mildert als wildert. +Indes gehört jeder Milde ihr eisernes Schrankengitter. +Fällt mich irgendein unbesonnener +Hund bedeutend an, so tret' ich ihn freilich +im ersten Zorn entzwei, und nachher hinter + +<span class="sidenote-l"><sup>9</sup> Die Ägypter nahmen bei einem Landesunglück +dadurch am Gott Typhon, dem sie es zuschrieben, +Rache, daß sie seine Lieblinge von Felsen stürzten, +die Esel. Ähnlicherweise haben sich in der Geschichte +auch Staaten anderer Religion gerächt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_49">49</a></span> +mir treibt's mein guter Schwager vielleicht +noch zweimal weiter, denn er ist der Mann +dazu. Vielleicht ist's Eigenliebe, aber ich beklag's +(gesteh' ich) noch heute, daß ich als +Knabe einmal einem anderen Knaben drei +erhaltene Ohrfeigen nicht derb zurückgereicht, +und mir ist oft, als müßt' ich sie seinen +Enkeln nachzahlen. Wahrlich, wenn ich auch +nur einen Jungen vor den schwachen Kräften +eines ähnlichen Jungen feig entlaufen sehe, +so kann ich das Laufen nicht lassen und will +ihn ordentlich durch einen Machtschlag erretten.« +Der Passagier lächelte indes nicht +zum besten. Er gab sich zwar für einen Legationsrat +aus und schien Fuchs genug zu +sein, aber ein tollgewordener Fuchs beißt mich +am Ende so wasserscheu als ein toller Wolf. +Übrigens fuhr ich unbekümmert mit meinem + +<span class="sidenote-r"><sup>70</sup> In die Philosophie verhülle sich die Dichtkunst +nur so, wie in diese sich jene; Philosophie aber in +poetischer Prosa gleicht jenen Trinkgläsern in +Schenken, welche mit bunten Bilderschnörkeln umzogen, +zugleich im Genusse des Getränks und des +Bildwerks, die oft widrig sich decken, stören.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_50">50</a></span> +Anpreisen des Mutes fort, nur daß ich absichtlich +statt des lächerlichen Bramarbasierens, +welches gerade den Feigen recht verrät, fest, +still, klar sprach. »Ich bin«, sagt' ich, »bloß +für Montaignes Rat: man trage nur Furcht +vor der Furcht.«</p> + +<p>»Ich würde,« versetzte der Legationsrat +unnütz spitzfindig, »wieder fürchten, daß ich +mich nicht genug vor der Furcht fürchtete, +sondern zu feig bliebe.«</p> + +<p>»Auch dieser Furcht«, erwidert' ich kalt, +»steck' ich Grenzen. Ein Mann kann zum Beispiel +nicht im geringsten Gespenster glauben +und fürchten; gleichwohl kann er nachts sich +in Todesschweiß baden, und zwar bloß vor +Angst, wie sehr er sich entsetzen würde (besonders +mit welchen Nachwehen von Schlagflüssen, + +<span class="sidenote-l"><sup>158</sup> Der Staat sollte öfter die Maul- und Kindertrommeln +der Dichter nicht mit Regiments- und +Feuertrommeln verwechseln; wieder umgekehrt sollte +der Bürger manche fürstliche Trommelsucht nur für +eine Krankheit nehmen, worin der Patient bloß +durch die unter die Haut eingedrungene Luft sehr +aufgeschwollen ist.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_51">51</a></span> +fallenden Suchten und so weiter), +falls nichts als bloß seine so lebhafte Phantasie +irgendein Fieber und Vexierbild vor +ihn in die Lüfte hineinhinge.« – – »Man +sollte daher«, fiel mein Schwager, wider Gewohnheit +moralisierend, ein, »das so arme +Schaf von Mann auch gar mit keinem Geisterspuk +foppen, der Hase kann ja auf der Stelle +auf dem Platze bleiben.«</p> + +<p>Ein lautes Gewitter, das dem Postwagen +nachfuhr, veränderte den Diskurs. Ihr, +Freunde, erratet wohl alle – da ihr mich +nicht als einen Mann ohne alle Physik kennen +lernen – meine Maßregeln gegen Gewitter: + +<span class="sidenote-r"><sup>89</sup> In großen Städten lebt der Fremde die ersten +Tage nach seiner Ankunft bloß von seinem Gelde +im Gasthofe, erst darauf in den Häusern seiner +Freunde umsonst; langt man hingegen auf der Erde +an, wie z. B. ich, so wird man gerade die ersten +Jahre hindurch höflich freigehalten, in den andern +und längern aber – denn man bleibt oft sechzig +Jahre – muß man wahrhaftig (ich habe die Dokumente +in Händen) jeden Tropfen und Bissen bezahlen, +als wäre man im großen Gasthofe zur Erde, +was noch dazu wahr ist.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_52">52</a></span> +ich setze mich nämlich auf einen Sessel mitten +in der Stube (oft bleib' ich bei bedenklichem +Gewölk ganze Nächte auf ihm), und decke +mich durch mein Reinigen von allen Leitern, +Ringen, Schnallen und so weiter und durch +mein Absitzen von allen Blitzabsprüngen immer +so, daß ich kaltblütig die Sphärenmusik der +Donnerpauke vernehme. – Diese Vorsicht hat +mir nie geschadet, da ich ja dato noch lebe; +und ich wünsche mir noch heute Glück, daß +ich einmal aus der Stadtkirche, ob ich gleich +tags vorher gebeichtet hatte, ohne weiteres +und ohne vorher das Abendmahl zu nehmen, +ins Gebeinhaus hinausgelaufen, weil ein +schweres Gewitter (was wirklich in die Kirchhofslinde +einschlug) darüber stand; – ich +kam auch sogleich nach der Entladung der +Wolke aus dem Gebeinhaus in die Kirche +zurück und war so glücklich, noch hinter dem + +<span class="sidenote-l"><sup>112</sup> Ich sage aber nein. Der Mensch stelle sich +so wie seinen Hut – wenn er sich und diesen +nicht gerade gebraucht – beide, um sie zu +schonen, so lange auf den <em class="gesperrt">Kopf</em>, bis <ins title="fehlt im Original">er</ins> wieder +getragen wird.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_53">53</a></span> +Henker (als dem letzten) zu kommen und das +Liebesmahl zu genießen.</p> + +<div class="figcenter" style="width: 301px;"> +<img src="images/flucht.png" width="301" height="500" alt="und floh dann mit vollen Segeln auf geradewohl und geradeaus den Kürzesten Weg hindurch ..." title="" /> +</div> + +<p>So denk' ich für meine Person; aber leider, +im vollen Postwagen traf ich Menschen, denen +Physik wahre Narretei ist. Denn als die Gewitter +sich fürchterlich über unsern Kutschenhimmel +versammelten und prasselnde Feuerklumpen, +als wären's Johanniswürmchen, im +Himmel umherspielten; und als ich endlich +ersuchen mußte, das schwitzende Postkonklave +möchte nur wenigstens Uhren, Ringe, Gelder +und dergleichen zusammenwerfen, etwa in die +Wagentaschen, damit kein Mensch einen Leiter +am Leibe hätte: so tat's nicht nur keiner, +sondern mein eigener Schwager, der Dragoner, +stieg gar mit gezogenem nackten Degen auf +den Bock hinaus und schwur, er leite ab. +Ich weiß nicht, war der desperate Mensch +ein gescheiter oder keiner; kurz, unsere Lage + +<span class="sidenote-r"><sup>10</sup> Die Weltepochen feiern – wie die spanischen +Könige – Regierungsantritt, Volljährigkeit, Vermählung +– gern mit Scheiterhaufen (Autodafés, +Tressenausbrennungen der Weisen oder auch der +Irrgläubigen).</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_54">54</a></span> +war fürchterlich, und jeder konnte ein gelieferter +Mann sein. Zuletzt bekam ich gar +einen halben Zank mit zweien von der rohen +Menschenfracht der Kutsche, dem Vergifter +und der Hure, weil sie fragend fast zu verstehen +gaben, ich hätte vielleicht bei dem angepriesenen +Preziosenpicknick nicht die ehrlichsten +Anschläge gehabt. So etwas verwundet +die Ehre mit Gewalt, und in mir donnerte +es nun stärker als oben; dennoch mußt' +ich den ganzen nötigen Erbitterungswortwechsel +so leise und langsam als möglich +führen und haderte sanft, damit nicht am +Ende eine ganz in Harnisch gebrachte Kutsche +in Hitze und Schweiß geriete, und in unsere +Mitte so den nahen Donnerkeil auf Ausdünstungen +durch den Kutschenhimmel herabfahren + +<span class="sidenote-l"><sup>144</sup> Der Rezensent gebraucht seine Feder eigentlich +nicht zum Schreiben, sondern er weckt mit deren +Brandgeruch Ohnmächtige auf, kitzelt mit ihr den +Schlund des Plagarius zum Wiedergeben, und +stochert mit ihr seine Zähne aus. Er ist der einzige +im ganzen gelehrten Lexikon, der sich nie ausschreiben +und ausschöpfen kann, er mag ein Jahrhundert oder +ein Jahrtausend vor dem Tintenfasse sitzen. Denn</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_55">55</a></span> +ließe. Zuletzt setzt' ich der Gesellschaft +das ganze elektrische Kapitel deutlich, aber +leise und langsam – ich wollte nicht ausdampfen +– auseinander und suchte besonders +von der Furcht abzuschrecken. Denn, in der +Tat, vor Furcht konnte jeden der Schlag – ja +ein doppelter, mit dem elektrischen ein apoplektischer +– treffen, da aus Erxleben und +Reimarus genug bewiesen ist, daß starkes +Fürchten durch Dünsten den Strahl zulockt; +ich stellte daher in ordentlicher Angst vor +meiner und fremder Furcht den Passagieren +vor, daß sie jetzt durchaus bei unserer schwülen +Menge, bei dem die Blitze spießenden Degen +auf dem Kutschbock, <ins title="unb">und</ins> bei dem Überhang +der Wetterwolke, und selber bei so vielen +Ausdünstungen anfangender Furcht, kurz, bei + +<span class="sidenote-r">indes der Gelehrte, der Philosoph und der Dichter +das neue Buch nur aus neuem Stoff und Zuwachs +schaffen, legt der Rezensent bloß sein altes Maß +von Einsicht und Geschmack an tausend neue Werke +an, und sein altes Licht bricht sich an der vorbeiziehenden, +stets verschieden geschliffenen Gläserwelt, +die er beleuchtet, in neue Farben.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_56">56</a></span> +so augenscheinlicher Gefahr nichts fürchten +dürften, wollten sie nicht samt und sonders +erschlagen sein. »O, Gott,« rief ich, »nur +Mut! Keine Furcht! Nicht einmal Furcht vor +der Furcht! – Wollen wir denn als zusammengetriebene +Hasen hier seßhaft, von unserem +Herrgott erschossen sein? – Fürchte sich +meinetwegen jeder, wenn er aus der Kutsche +heraus ist, nach Belieben an anderen Orten, +wo weniger zu besorgen ist, nur aber nicht +hier.«</p> + +<p>Ich kann nicht entscheiden – da unter +Millionen kaum ein Mensch an der Gewitterwolke +stirbt, aber vielleicht Millionen an +Schnee- und Regenwolken und dünnen Nebeln +– ob meine Kutschenpredigt auf Menschenrettungspreise +Anspruch zu machen hatte, als +wir sämtlich unbeschädigt, einem Regenbogen +entgegen, in das Städtchen Vierstädten einfuhren, +wo ein Posthalter in der einzigen +Gasse wohnte, die der Ort hatte. + +<span class="sidenote-l"><sup>107</sup> Deutschland ist ein langes, erhabenes Gebirge +– unter dem Meer.</span></p> + +<div class="figcenter" style="width: 300px;"> +<img src="images/riese.png" width="300" height="500" alt="Aus der hohen Posthauspforte trat / tief sich bückend / der Riese heraus" title="" /> +</div> + + + + +<div class="new-h3"> </div> +<p><span class="pagenum"><a name="Page_57">57</a></span></p> +<h3 class="gesperrt">Zweite Station, von Vierstädten nach +Niederschöna.</h3> + + +<p>Der Posthalter war ein grober Patron und +ein Schläger; eine Gattung von Menschen, die +ich unaussprechlich hasse, weil meine Phantasie +mir immer vorspiegelt, ich könnte vielleicht +aus Zufall oder Widerwillen ihnen ein recht +höhnisches und impertinentes Gesicht schneiden, +und mir solche Gesellen auf den Hals hetzen, +und darauf spür' ich schon Ziehen von Mienen. +Zum Glück konnt' ich diesmal (gesetzt, ich +hätte ein Fehlgesicht geschnitten) mich mit +meinem Schwager, dem Dragoner, bewaffnen, +für dessen Riesenmacht dergleichen ein Leckerbissen +ist. Denn er kann zum Beispiel vor +keinem Wirtshause, worin eine Schlägerei +laut wird, vorbeigehen, ohne hineinzutreten +und sogleich unter der Türe zu schreien: +»Macht Friede, ihr Hunde!« darauf unter + +<span class="sidenote-r"><sup>18</sup> Unter Selbststillen versteht man nicht, wie beim +tatzensaugenden Bären, daß man sich selber an die +eigene Brust lege, sondern daß man andere nicht +durch andere säugen lasse: so aber sollte auch das +Wort Selbstliebe im Gebrauche sein.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_58">58</a></span> +seinem Schein von Friedensdeputation nimmt +er ohne Verzug, als wär' es eine amerikanische +Friedenspfeife, das nächste Stuhlbein +in die Hand und deckt damit das schlagende +Personal hinüber und herüber zu, oder er +nähert die harten Köpfe der Parteien (er +schlägt sich zu keiner) einander mit Gewalt, +indem er in jede Hand einen am Hinterkopfe +faßt; dann ist der Kauz im Himmel.</p> + +<p>Ich für meine Person vermeide diskrepante +Zirkel mehr, als daß ich sie aufsuche, sowie +auch jeden toten oder totgemachten Menschen; +– der vorsichtige Mann sieht leicht voraus, +was davon zu holen ist, entweder verdrießliches +und mißliches Zeugschaftgeben, oder oft +gar (wenn die Umstände sich verschwören) +peinliches Nachfragen über Mitschuld. + +<span class="sidenote-l"><sup>97</sup> Daher schließ' ich, daß Schmelzle gut predigt, +schon aus seinen vielen Kenntnissen und Wortspielen. +Die theologische Welt auf Kathedern, noch +mehr die auf Kanzeln, verdient das Lob, daß sie +gleichsam der Lichtsammler oder Lichtfang oder +Lichtmagnet der besten Strahlen und Entdeckungen +ist, die aus andern Wissenschaften ausgehen, besonders +derer aus der Philosophie und Dichtkunst:</span></p> + +<p><span class="pagenum"><a name="Page_59">59</a></span> +In Vierstädten stieß mir nichts von Wichtigkeit +auf als – zu meinem Grausen – ein +Hund ohne Schwanz, der durch die Stadt +oder Gasse lief. Ich zeigte erbittert im ersten +Feuer den Passagieren den Hund und legte +ihnen die Frage vor, ob sie denn eine medizinische +Polizei für trefflich bestellt ansähen, +welche, wie die Vierstädter es zuließe, daß +Hunde öffentlich herumsprängen, denen der +Schwanz fehlte. »An was«, sagt' ich, »halt' +ich mich denn, wenn dieser weggeschnitten, +und mir jede solche Bestie entgegenrennen, +und ich weder aus dem eingezogenen noch +aufgerichteten Schwanze, da der ganze weggehackt +ist, einen Schluß ziehen kann, ob das +Vieh toll ist oder nicht. So wird der gescheiteste + +<span class="sidenote-r">sie selber entdeckt eigentlich nichts als eben die +passiven Diebsinseln, wo sie ihre Gewürze abholt. +So findet man in Predigten, z. B. in Marezolls +Kanzelstücken einen reichen Fund fremder Erfindungen; +und überhaupt gibt's wenige Entdeckungen +in der Philosophie und Moral, welche ein Jahrfünft +oder Jahrzehnt später, nachdem sie ihren +Schöpfer berühmt gemacht, nicht den Nachschöpfer +in der theologischen Welt – diese Erbin ihrer</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_60">60</a></span> +Mann wütig und gebissen und scheitert +bloß aus Mangel eines Schweifkompasses.« +Der nachkommende blinde Passagier (er ließ +sich jetzt als sehender einschreiben, Gott weiß +zu welchen Endzwecken) spann vor mir meinen +eigenen Satz, dem er zugehört, fast bis ins +Komische aus, und erregte zuletzt in mir den +Verdacht, er mache durch eine, aber sehr starke +Schmeichelnachahmung meines Sprechstils +Jagd auf mich. »Der Hundeschwanz«, sagt' +er, »ist wohl für uns Alarmstange und Irrenanstalt, +damit man in keine komme, gleichsam +die äußeren Vorposten der Wut – man +schneide den Kometen den Schwanz, den Bassen +den Roßschweif, den Krebsen den ihrigen (denn +ausgestreckter bedeutet krepierte) ab: so ist man + +<span class="sidenote-l">Magd, der Philosophie – noch zehnmal größer und +reicher gemacht hätten, sobald er nur Kanzelwasser +genug zum Einflößen der fremden Bissen (<i>boli</i>) +aufgegossen hatte. Aber hier möcht' ich gern auf +einen Unterschied der meisten lutherischen Prediger +von den Mönchen zeigen, der nicht ganz zum +Nachteil der ersteren ausschlägt. Der Mönch darf +(<i>C. Q. X. de stat. monach.</i>) nichts Eigenes haben, +bei Strafe unehrlichen Begräbnisses, und jedes</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_61">61</a></span> +in den gefährlichen Angelegenheiten des Lebens +ohne Leitseil, ohne Avertisseur, ohne Hand in +<i>margine</i> – und man kommt um, ohne vorher +zu wissen wie.«</p> + +<p>Übrigens lief diese Station ohne Zank und +Not vorüber. Alles schlief gegen zehn Uhr +ein, sogar der Postillion, außer ich. Ich stellte +mich zwar schlafend, um zu beobachten, wer +sich etwa aus guten Gründen nur schlafend +stelle; aber alles schnarchte fort, der Mond +warf seine verklärenden Strahlen nur auf +herabgesunkene Augenlider.</p> + +<p>Herrlich konnt' ich jetzt Lavaters Rat befolgen, +an Schlafende vorzüglich die physiognomische +Elle anzusetzen, weil der Schlaf +wie der Tod die echte Form gröber ausprägt. + +<span class="sidenote-r">Eigentum wird ihm als Kirchenraub <ins title="angerechent">angerechnet</ins>. +Mich dünkt aber, der lutherische Kanzelredner +demütigt und entäußert sich weit mehr, wenn er +auch, im höheren Geistigen, wo er noch schön und +frei zu wählen hat – da über das Eigentum des +körperlichen ohnehin in seinem Namen das Kammerkollegium +das Armutsgelübde ablegt – kurz, wenn +er, was Gedanken anlangt, gar nichts Eigenes hat +und haben will.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_62">62</a></span> +Andere Schläfer außerhalb der Postkutsche +würd' ich mit gedachter Elle weniger auszumessen +raten, immer in einiger Besorgnis +bleibend, daß etwa ein Kerl, der sich nur +schlafend stellte, sogleich, als ich nahe genug +stände, wie im Traume aufspränge, und dem +physiognomischen Meßkünstler in die eigene +Gesichtsbildung einen so hinterlistigen Fauststreich +versetzte, daß sie in keinem physiognomischen +Fragmente, weil sie selber eines geworden, +mehr florieren könnte, weder in punktierter +Manier, noch in geschabter. Und kann +denn nicht der ehrlichste Schläfer von der +Welt, eben während ihr über dessen physiognomische +Leichenöffnung her seid, losschlagen, +von der Ehre in einem Prügeltraume angehetzt, +und euch vielleicht mit wenigen Handgriffen +und Fußtritten in einen viel ewigeren +Schlaf einwiegen, als der gewesen, woraus +er aufgefahren?</p> + +<p>In meinem sogenannten silhouettierenden + +<span class="sidenote-l"><sup>71</sup> Der Jüngling ist aus Willkür sonderbar und +freuet sich; der Mann ist's unabsichtlich und gezwungen +und ärgert sich.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_63">63</a></span> +Schattenspiele kommt der Gesichterinhalt der +schlafenden Postkutsche selber vor; erst darin +werde ich euch breit belegen, warum mir der +Giftträger mit der Mordkuppel teuflisch erschienen +– der Zwerg altkindisch – die Hure +matt- und schlafffrech – mein Schwager +ruhiggesättigt von Rache oder von Essen – +der Legationsrat Jean Pierre aber, Gott weiß +warum, als ein halber Engel, wiewohl er sich +denken läßt, der halbe Engel, da nur der +schöne Körper, nicht die andere im Schlaf +vergangene Hälfte, die Seele, vor mir wirkte.</p> + +<p>Beinahe vergäß' ich's, daß ich doch in +meinem Dörfchen, während beide Schwäger, +der Dragoner und der Postillion, tranken, +eine kleine Furcht glücklich bestanden, weil +das Schicksal zweimal auf meiner Seite gewesen. +Ich sah unweit eines Jagdschlosses +neben einem schönen Baumklumpen eine weiße +Tafel mit schwarzer Inschrift schimmern. Dies +ließ mich hoffen, daß mich dort ein kleines +Sargkunstwerk, ein Ehrenpfahl, irgendein + +<span class="sidenote-r"><sup>198</sup> Der Pöchel und das Vieh schwindeln auf keinem +Abgrundsabhang, aber wohl der Mensch.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_64">64</a></span> +Treff-, Zier- und Spießdank für einen Toten +erwarte. Auf einem unbetretenen blumigen +Gewinde lang' ich vor dem Schwarz auf +Weiß an und lese im Mondschein mit Entsetzen: +»Jedermann wird hier vor dem Selbstschuß +gewarnt!« So stand ich also vielleicht +einen Fußzehennagel breit von dem Büchsenhahn, +womit ich, wenn ich die Ferse rückte, +mich selber als einen verblüfften Stocknarren +und Ladstock in die andere Welt, unter die +Seligen hineinschoß. Ich suchte vor allen +Dingen mich mit den Fußnägeln in den Boden +wie einzubeißen und einzufressen – weil +ich wenigstens so lange am holden Leben +bleiben konnte, als ich mich fest pflöckte neben +der daliegenden Atroposschere und Henkersbühne; +– darauf wünscht' ich mich zu entsinnen, +auf welchen Steigen der Teufel mich +unerschossen herbeigeführt. Aber vor Angst +hatt' ich alles ausgeschwitzt und wußte gar +nichts, – im nahen Höllendorf war kein + +<span class="sidenote-l"><sup>11</sup> Das goldene Kalb der Selbstsucht wächst bald +zum glühenden Phalarisochsen, der seinen Vater +und Anbeter einäschert.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_65">65</a></span> +Hund zu ersehen und zu erschreien, der mich +etwa aus dem Wasser hätte holen können, +und die beiden Schwäger soffen selig. Indes, +ich faßte Mut und Entschluß – schrieb auf +einem Pergamentblatte meinen letzten Willen +sowie meine zufällige Sterbart nieder, und +meinen Todesdank ans Bergelchen – und +flog dann mit vollen Segeln auf Geratewohl +und geradeaus den kürzesten Weg hindurch, +unter der Voraussetzung, mich bei jedem +Schritte niederzuschießen und mir so mit +eigener Hand auf mein noch langes Lebenslicht +den <i>Bonsoir</i> oder Lichttöter zu setzen. +Aber ohne Schuß kam ich an. In der Schenke +lachte freilich mehr als ein Narr über mich, +weil, was nur ein Narr wissen konnte, die +Warnungstafel schon seit zehn Jahren ohne +Schüsse dageblieben, wie oft diese ohne jene. + +<span class="sidenote-r"><sup>103</sup> Das männliche Schmarotzergewächs an den +weiblichen Rosen und Lilien muß (wenn ich dessen +Schmeicheln recht fasse) wahrscheinlich bei den +Schönen die Sitte der Italiener und Spanier +voraussetzen, welche jede Kostbarkeit dem zum Geschenk +anbieten, der solche sehr lobt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_66">66</a></span> +So aber steht's, ihr Freunde, mit unserer +Jagdpolizei, die gegen alles warnt, nur nicht +gegen Warnungstafeln.</p> + +<p>Übrigens hatt' ich auf der ganzen Station +leichte Händel mit dem Postillion, weil er +nicht von Viertelstunde zu Viertelstunde halten +wollte, wenn ich ausstieg, um zu ...... +Leider sind freilich von Postknechten keine +Urinpropheten zu erwarten, da so selten Gelehrte +aus Hallers großer Physiologie es +wissen, daß Aufschieben der gedachten Sache +teuflisches Steingut niederschlägt und zuletzt +den Inhaber selber, weil diese Steingrube +seltener der Blasenschneider als der Tod mit +einem Grabe schließt. Hätten Postknechte gelesen, +daß Tycho de Brahe wie eine Bombe +am Zerspringen starb: sie hielten lieber an; +sie fänden bei solchen, mir so unerwarteten +Kenntnissen es vernünftig, daß ein Mann + +<span class="sidenote-l"><sup>199</sup> Aber wenige gegenwärtige Staaten, glaub' ich, +köpfen unter dem Vorwande, zu trepanieren – +oder heften (in einer gesuchtern Allegorie) die Lippen +zusammen unter dem Vorwand, deren Hasenscharten +zuzunähen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_67">67</a></span> +seinen Leichenstein zwar einmal auf sich, aber +nicht in sich tragen will. Bin ich denn nicht +sogar in Weimar oft aus den längsten Abschiedsauftritten +Schillers mit Tränen in den +Augen hinausgelaufen, bloß um (während +seine Minerva mich im ganzen erweichte) +nicht von deren Medusenkopf auf der Brust +partiell versteinert zu werden? Und kam ich +nicht ins weinende Komödienhaus zurück und +viel munterer in die allgemeine Rührung ein, +weil ich dann nichts mehr zu erleichtern +brauchte als mein Herz?</p> + +<p>Sehr im Finstern kamen wir in Niederschöna +an.</p> + + + + +<h3 class="new-h3 gesperrt">Dritte Station, von Niederschöna +nach Flätz.</h3> + + +<p>Als ich am Posthause, mit den Augen auf +meinen Mantelsack geheftet, in Gedanken dastehe: +schmettert und schnaubt ein Vieh von +Nachtwächter mir so nahe und unversehens + +<span class="sidenote-r"><sup>12</sup> Die Einzelwesen haben Lehrjahre, die Staaten +Lehrjahrhunderte; – aber sind beide freigesprochen, +so sind doch wieder Lehrstunden und Sonntagsschulen +nachzuholen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_68">68</a></span> +mit seiner Nachttuba ins Ohr, daß ich ordentlich +zurückspringe, ich, den schon jede heftig-schnelle +Anrede verdrießt. Gibt's denn keine +medizinische Polizei gegen solche geblasene +Stundenlärmfidibus und -Lärmkanonen, durch +welche doch keine knallenden entbehrlich +werden? Eigentlich sollte niemand mit dem +Nachtwächterhorne investieret werden als +ein vernünftiger Mann, der sich schon einen +Bruch geblasen oder gehoben hätte und der +imstande wäre, seinen Stundenvers so leise +abzusingen, daß man gar nichts hörte.</p> + +<p>Was ich längst erwartet und der Zwerg +vorausgesagt, traf jetzt ein: aus der hohen +Posthauspforte trat tief sich bückend der Riese +heraus und hob im Freien eine unvernünftig +große Statur und dito Kopf mit der ellenhohen + +<span class="sidenote-l"><sup>67</sup> Gastfreiheitswirt, willst du deinen Gast erforschen? +Begleite ihn zu einem andern Wirte und höre zu! +– Ebenso: willst du deine Geliebte in einer Stunde +besser kennen lernen als in einem Monat Zusammenlebens? +Sieh ihr eine Stunde lang unter +Freundinnen und Feindinnen (wenn dies kein Pleonasmus +ist) zu!</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_69">69</a></span> +Mütze und Feder empor; mein Schwager +ihm zur Seite schien nur sein vierzehnjähriger +Sohn zu sein, und der Zwerg gar sein auf +zwei Beinen aufwartendes Schoßhündchen. +»Lieber Freund,« sagte mein neckender Schwager, +der ihn an mich und die Postkutsche geleitete, +»steig' Er ruhig ein, wir machen Ihm +sämtlich gern Platz. Kremp' Er sich nur recht +zusammen, und leg' Er den Kopf aufs Knie; +so geht's.« Der unnütze Necker hätte so gern +den fast einfältigen Giganten – dem er's +bald abgemerkt, daß dessen Gehirn kein schlauer +Gast, sondern die negative Größe seines +Rumpfes war – unter uns im bangen Postschrank +und Notstall vor sich gesehen zu einem +Giespuckel eingeknüllt und krumm geschlossen. +»Giht doch nit! Giht gar nit!« sagte der +Riese, als er hineinsah. »Der Herr Soldat +wissen vielleicht nicht,« versetzte der Zwerg, +»wie groß ein Riese ist; und Er denken, weil + +<span class="sidenote-r"><sup>80</sup> Im Sommer des Lebens graben und statten die +Menschen Eisgruben so gut als möglich aus, um +sich doch für ihren Winter etwas aufzuheben, was +fortkühlt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_70">70</a></span> +ich hineingehe. – Aber das ist ein anderes +Loch. – Ich will überall hineinpassen, man +sage mir nur wo.« –</p> + +<p>Kurz, es war kein Ausweg für den Postmeister +und den Riesen, als daß sich dieser +hinten auf das Passagierwarenlager stellte +und setzte, sich als eine Tränenweide herüberbeugend +über den ganzen Kutschkasten. Mich +selber konnte ein solcher Rückenwind und +Rückhalt nicht außerordentlich ergötzen; und +ich traue (hoff' ich) jedem von euch, ihr +Freunde, zu, daß er hinter einem Rückendekret +so gut und so hell wie ich überschlagen +hätte, was ein Kerl und Riese hinter ihm, +ein Nachfahrer in allerlei Sinne, etwa Mordendes, +probieren könne, es sei nun, daß er +durch das Rückenfenster des Wagens einbräche +und angreife oder sich überhaupt mit +Titanenmacht oben über den Kutschenhimmel +hermache. Indessen fing der oben mit gekreuzten + +<span class="sidenote-l"><sup>28</sup> Es ist mir unmöglich, sogleich auf der Stelle +unter dem Wasserästen-Wald von Anspielungen in +meinen Werken – sogar diese ist wieder ein Ast +– herauszubringen und darauf zu fallen, ob ich je</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_71">71</a></span> +Armen auf dem Kasten liegende Elefant +– der aber von seinem Gleichnis mehr +die drückende Masse als das fliegende Geisteslicht +zu haben schien – bald zu schlafen und +zu schnarchen an; ein Elefant, wovon (wie +ich immer froher einsah) mein Schwager, der +Dragoner, leicht der Kornak und Bändiger +sein konnte, ja schon gewesen war.</p> + +<p>Da jetzt mehr als eine Person schlafen +wollte, aber (mit Recht) ich hingegen wachen: +so bot ich gern meinen Fahrehrensitz, den +Vordersitz (auch um manchen Neid der Passagiere +zu tilgen), solchen Personen an, die auf +ihm ein wenig schlummern wollten. Der Legationsmann +ergriff das Anerbieten und den +Lehnpolster mit Hast und entschlief an der +Rücklehne des Titans hinter ihm. Etwas unbegreiflich +blieb mir dergleichen Postschlaf +von einem diplomatischen <i>Chargé d'affaires</i>. +Ein Mann, der so mitten unter einer blutfremden, + +<span class="sidenote-r">die sämtlichen Höfe oder Höhen die (Bouguersche) +Schneelinie Europas genannt habe oder nicht, ich +wünschte aber Belehrung darüber, um es im widrigen +Falle etwa noch zu tun.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_72">72</a></span> +oft blutdürstigen Genossenschaft entschläft, +kann ja, wenn er im Schlummer und +Wagen spricht (denkt nur alle an den sächsischen +Minister vor dem Siebenjährigen Kriege!) +hundert Geheimnisse, tausend Schandtaten +herausstoßen, die er kaum verübt hat. Sollte +nicht jedem Minister, Gesandten oder anderen +Mann von Ehre oder Stand ordentlich grausen +vor Tollwerden oder hitzigen Fiebern, da +ihm kein Mensch dafür steht, daß er nicht +darin mit den größten Skandalen herausfährt, +wovon vielleicht die Hälfte Lügen sind?</p> + +<p>Endlich, nach der langen Juliusnacht, kamen +wir Passagiere samt der Aurora vor Flätz an. +Ich sah scharf und weich nach den Turmspitzen; +ich glaube, daß jeder Mensch, der in +einer Stadt etwas Entscheidendes zu suchen + +<span class="sidenote-l"><sup>36</sup> Und so wünscht' ich überall der erste zu sein, besonders +im Betteln; der erste Kriegsgefangene, der +erste Krüppel, der erste Abgebrannte (ähnlich dem, +der die erste Feuerspritze anführt) erbeutet die +Hauptsumme und das Herz; der Nachkömmling +spricht die Pflicht nur an; und endlich geht es mit +dem melodischen Mancando des Mitleids soweit</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_73">73</a></span> +hat, und dem sie entweder ein Richtplatz seiner +Hoffnungen oder deren Ankerplatz, entweder +Schlacht- oder Zuckerfeld wird, sein Auge am +ersten und längsten auf die Türme der Stadt +als auf die Zeigefinger und Züngelchen seiner +Zukunftswage heftet; gleichsam architektonische +Berge, welche wie die natürlichen die Thronen +unserer Zukunft sind. Als ich mich damit zu +dichterisch gegen Jean Pierre herausließ, so +antwortete er geschmacklos genug: »Die Türme +solcher Städte sind ja die Alpenspitzen, worauf +wir den Alpenkäse unserer Zukunft suchen +und melken.« Mochte der Legations-Peter mit +diesem Stile mich lächerlich machen oder nur +sich? – Entscheidet!</p> + +<p>»Hier ist der Ort, die Stadt,« sagt' ich +heimlich zu mir, »wo heute viel und über + +<span class="sidenote-r">herunter, daß der letzte – wenn der vorletzte wenigstens +noch mit einem reichen »Gotthelf« beschwert +abzieht – nichts von der mildtätigen Hand mehr +erhält als deren Faust. Wie nun im Betteln der +erste, so möcht' ich im Geben der letzte sein; einer +löscht den andern aus, besonders der letzte den +ersten; so aber ist die Welt bestellt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_74">74</a></span> +Zukünfte entschieden wird, wo du diesen +Abend um fünf Uhr deine Bittschrift und +halb dich selber übergibst; – geh' es doch +gut! geh' es herrlich! Werde Flätz, dieser +Waffenplatz deiner kleinen Bestrebungen, zugleich +die Baustelle von Lust- und Luftschlössern +zweier Herzen, des deinigen und des weiblichen!«</p> + +<p>Im Gasthofe zum Tiger stieg ich ab.</p> + + + + +<h3 class="new-h3 gesperrt">Erster Tag in Flätz.</h3> + + +<p>Kein Mensch wird sich anfangs in meiner +Tigerhotelslage stark enthusiasmieren über die +nächsten Aussichten. Ich, als der einzige mir +bekannte Mensch, besonders von der Seite +der Liebe (vom abgehenden Dragoner nachher!), +sah aus den Fenstern des mit Marktgästen +sich vollstopfenden Gasthofes heraus +und auf das Nachströmen des Marktheeres + +<span class="sidenote-l"><sup>136</sup> Übersteigt ihr eure Zeit zu hoch, so geht es euren +Ohren (von seiten der Fama) nicht viel besser, +als sinkt ihr unter solche zu tief, wirklich ganz +ähnlicherweise spürte <em class="gesperrt">Charles</em> oben in der Luftkugel, +und <em class="gesperrt">Halley</em> unten in der Taucherglocke +gleichen besonderen Schmerz in den Ohren.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_75">75</a></span> +hernieder und konnte sehr bald bedenken, daß +eigentlich niemand als Gott und die Spitzbuben +und Mörder genau wußten, wieviel +von beiden letzteren darunter mit einschwämmen, +um vielleicht die unschuldigsten Marktgäste +teils zu enthülsen, teils zu enthalsen. +Meine Lage hatte etwas gegen sich – mein +Schwager hatte, weil er alles blind herausschlägt, +es fallen lassen, daß ich im Tiger +abstiege – (o Gott, wann lernen solche +Menschen geheimnisreich bleiben und auch +den elendesten Bettel des Lebens unter Deckmänteln +und Schleiern bloß deshalb zu tragen, +weil so oft eine lausige Maus einen Eis- und +Golgathaberg gebiert als ein Berg eine Maus?). +Sämtliches Postgesindel saß sämtlich im Tiger +ab – die Hure – der Kammerjäger – +Jean Pierre – der Riese, der schon am +Stadttore ausstieg und den Großkopf des + +<span class="sidenote-r"><sup>25</sup> In der Jugend sieht man eben wie ein operierter +Blindgeborener – und was tut auch der Geburtshelfer +oder die Geburtshelferin anders als operieren +– die Ferne für die Nähe an, den Sternenhimmel +für greifbares Stubengeräte, die Gemälde für Gegenstände,</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_76">76</a></span> +Zwergs als eigenen Kopf durch Mantelbemäntelung +über die Straßen trug, damit er +um einen halben Zwerg gratis riesenhafter +erschiene, als er eigentlich für Geld zu sehen +war. – –</p> + +<p>Es kam nun auf jeden ausgestiegenen Passagier +an, ob er zum Tiger, dem Wappentiere +des Gasthofs, den Prototypus machen, und +welches Lamm er dann fressen, aussaugen, +abrupfen wollte. Auch mein Schwager verließ +mich, um einem Roßtäuscher nachzuziehen, +behielt aber für seine Schwester sein Zimmer +neben meinem; dies sollte, wie es schien, Aufmerksamkeit +für sie verraten. Ich blieb einsam +meiner Tatkraft überlassen.</p> + +<p>Gleichwohl dacht' ich unter so vielen Spitzbuben, +die mich umzingelten, wenn nicht gar +belagerten, warm an eine ferne, redliche +Seele, an meine Berga in Neusattel, ein +Mark- und Kraftherz, das vielleicht manchem + +<span class="sidenote-l">und die ganze Welt sitzt dem Jüngling +auf der Nase, bis ihn, wie den Blinden, mehrmaliges +Auf- und Zubinden endlich Schein und +Ferne schätzen lehrt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_77">77</a></span> +schwachen Ehebündner mehr Schutz gewähren, +als verdanken würde. »Erscheine nur morgen +mittags recht bald, Berga,« sagte mein Herz, +»und womöglich noch vormittags, damit ich +dein Jahrmarktsparadies um so viele Stunden +länger ausdehne, als du um frühere anlangst!«</p> + +<div class="figcenter" style="width: 299px;"> +<img src="images/bartscheerer.png" width="299" height="500" alt="... so gab ich dem Feld- und Bartscheerer einen so plötzlichen Stoss auf den Nabel .." title="" /> +</div> + +<p>Ein Geistlicher läuft mitten im Weltsturm +leicht in einen Freihafen ein, in die Kirche; +die Kirchenmauer ist seine Schießhausmauer +und Fortifikation; und dahinter sitzen gleichergestimmte +und friedlichere Seelen beisammen +als auf dem Marktplatz – kurz, ich ging in +die Hofkirche. Inzwischen wurde ich in meiner +Liederandacht ein wenig verrückt durch einen +Heiducken, der einem wohlgekleideten, jungen +Herrn mir gegenüber die Doppellorgnette von +der Nase abriß, weil in Flätz sowie in Dresden + +<span class="sidenote-r"><sup>125</sup> Am Ende muß man noch aus Angst und Not +der wärmste Weltbürger werden, den ich kenne; +so sehr schießen die Schiffe als Weberschiffchen hin +und her und weben Weltteile und Inseln aneinander. +Denn es falle heute das politische Wetterglas +in Südamerika; so haben wir morgen in +Europa Gewitter und Sturm.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_78">78</a></span> +Gläser, die verkleinern und nähern, gegen +den Hof verstoßen; ich hatte zwar selber eins +aufgesetzt, aber es vergrößerte. Ich konnte +mich unmöglich dahin bringen, die Brille abzunehmen, +und ich werde hier, fürcht' ich, +wieder als Starrkopf und Waghals aussehen; +bloß dies hielt ich für schicklich, in einem fort +mit ihr ins Gesangbuch zu blicken und nicht +einmal, da der Hof einrauschte, aufzuschauen, +um Winke zu geben, daß sie erhaben geschliffen. +– Die Predigt übrigens war gut, +wenn auch nicht immer fein bedacht für eine +Hofkirche; denn sie mahnte von unzähligen +Lastern ab, zu deren Widerspielen, den Tugenden, +ein anderer Prediger zu leicht hätte ermahnen +können! Unter dem ganzen Gottesdienste +trachtete ich, wahre, tiefe Ehrerbietung + +<span class="sidenote-l"><sup>19</sup> Leichter, hat man bemerkt, ersteigt man einen +Berg, wenn man rückwärts hinaufgeht. Dies ließe +sich vielleicht auch auf Staatshöhen anwenden, +wenn man ihnen immer nur das Glied wiese, womit +man sich darauf setzt, und das Gesicht gegen +das Volk unten gerichtet hielte, indes man in einem +fort sich entfernte und höbe.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_79">79</a></span> +an den Tag zu legen, sowohl gegen Gott als +gegen meinen erhabenen Landesherrn. Zur +letzteren Ehrerbietung hatte ich noch meinen +Privatgrund; ich wollte solche nämlich recht +öffentlich und stark mit erhabenen Schriftpunzen +auf meinem Gesicht ausprägen, um +irgendeinen eingefleischten Schadenfroh am +Hofe Lügen zu strafen, der etwa meine neuliche +Widerlegung von Linguets Lob auf Nero +und meine deutsche freie Satire auf diesen +wahren Tyrannen selber, die ich ins Flätzische +Wochenblatt eingeschickt, möchte zu einem +heimlichen Charaktergemälde meines Fürsten +umzudrehen beliebt haben. Leider kann man +jetzt kaum auf den höllischen Teufel selber +eine Stachelschrift abfassen, ohne daß irgendein +menschlicher sie auf einen Engel appliziert.</p> + +<p>Als endlich der Hof aus der Kirche in den + +<span class="sidenote-r"><sup>26</sup> Wenige deutsche Gelehrte sind nicht originell, +wenn man anders (wenigstens aller Länder Sprachgebrauch +ist) jedem Originalität zusprechen darf, +der bloß seine eignen Gedanken auftischt und keine +fremden. Denn da zwischen ihrem Gedächtnis, wo +das Gelesene oder Fremde wohnt, und zwischen</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_80">80</a></span> +Wagen stieg, hielt ich mich in solcher Entfernung, +daß mein Gesicht unmöglich wäre +zu sehen gewesen, falls ich etwa in der Nähe +kein ehrerbietiges, sondern ein zu stolzes gezogen +hätte. Gott weiß, wer mir allein jene +tollkecken Phantasien und Gelüste eingeknetet +hat, die vielleicht einem Helden Schabacker +mehr anständen als einem Feldprediger unter +ihm. Ich kann hier nicht umhin, eine der +frechsten, euch, meinen Freunden, zu vertrauen, +würfe sie auch anfangs ein zu grelles Licht +auf mich. Es war bei meiner Ordination +zum Feldprediger, als ich zum heiligen Abendmahle +ging am ersten Ostertag. Während ich +nun so dastand, weich bewegt vor dem Altargeländer +mit der ganzen Männergemeinde +– ja, ich vielleicht stärker gerührt, als einer +darunter, weil ich als ein in den Krieg Ziehender + +<span class="sidenote-l">ihrer Phantasie oder Erzeugungskraft, wo das Geschriebene +und Eigene entsteht, ein hinlänglicher +Zwischenraum und die Grenzsteine so gewissenhaft +und fest gesetzet sind, daß nichts Fremde ins Eigne +und umgekehrt herüber kann, so daß sie wirklich +hundert Werke lesen können, ohne den Erdgeschmack</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_81">81</a></span> +mich ja halb als einen Sterbenden betrachten +durfte, der nun wie ein zu Henkender +die letzte Seelenmahlzeit empfängt – so +warf in mir, mitten in die Rührung von +Orgel und Sang, etwas – sei es nun der +erste Osterfeiertag gewesen, der mich auf +das sogenannte alte christliche Ostergelächter +brachte, oder der bloße Abstich teuflischer +Lagen gegen die gerührtesten – kurz, etwas +in mir (weswegen ich seitdem jeden Einfältigeren +in Schutz nehme, der sonst dergleichen +dem Teufel anschrieb!) – dies Etwas warf +die Frage in mir auf: »gäb' es denn etwas +Höllischeres, als wenn du mitten im Empfange +des heiligen Abendmahls verrucht und spöttisch +zu lachen anfingest?« Sogleich rang ich +mich mit diesem Höllenhund von Einfall herum +– versäumte die stärksten Rührungen, + +<span class="sidenote-r">des eignen einzubüßen oder dasselbe sonst zu ändern: +so ist, glaub' ich, ihre Eigenheit bewährt; und ihre +geistigen Nahrungsmittel, ihre Plinsen, Laibe, +Krapfen, Kaviare und Suppenkugeln werden nicht, +wie nach Büffon die körperlichen, zu organischen +Kügelchen der Erzeugung, sondern erscheinen rein</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_82">82</a></span> +um nur den Hund im Gesichte zu behalten, +und abzutreiben – kam aber von ihm abgemattet +und begleitet vor dem Altarschemel +mit der jammervollen Gewißheit an, daß ich +nun in kurzem ohne weiteres zu lachen anfangen +würde, ich möchte innen weinen und +stöhnen, wie ich wollte. Als daher ich und +ein sehr würdiger alter Bürgermeister uns +miteinander vor dem langen Geistlichen verbeugten +und letzterer mir (vielleicht kam er +mir auf dem niedrigen Kniepolster zu lang +vor) die Oblate in den klemmen Mund steckte: +so spürt' ich schon, daß an den Mundwinkeln +alle Lachmuskeln sardonisch zu ziehen anfingen, +die auch nicht lange an der unschuldigen Gesichtshaut +arbeiteten, als schon ein wirkliches +Lächeln darauf erschien – und als wir uns +gar zum zweiten Male verneigten, so grinste + +<span class="sidenote-l">und unverändert wieder. Oft denk' ich mir solche +Gelehrte als lebendige, aber tausendmal künstlichere +Entriche von Vaukansons Kunstente aus Holz. +Denn in der Tat sind sie nicht weniger künstlich +zusammengefugt als diese, welche frißt und den +Fraß hinten wiederzugeben scheint – zarte Nachspiele</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_83">83</a></span> +ich wie ein Affe. Mein Nebenmann, der +Bürgermeister, redete ganz mit Recht, als +wir hinter den Altar umgingen, mich leise +an: »Um Gottes willen, sind Sie ein ordinierter +Prediger oder ein Pritschenmeister? +– Lacht denn der lebendige Gottseibeiuns +aus Ihnen?« – »Ach, Gott! wer denn sonst?« +sagt' ich; erst nachher bracht' ich meine Andacht +ernsthafter zu Ende.</p> + +<p>Aus der Kirche – (ich komme wieder in +die Flätzer) – ging ich in den Gasthof zum +Tiger und aß an der Wirtstafel, weil ich +nie menschenscheu bin. Vor dem zweiten Gerichte +reichte mir der Kellner einen leeren +Teller, worauf ich zu meinem Erstaunen einen +französischen Vers mit der Gabel eingekratzt +erblickte, der nichts Geringeres enthielt als +ein Pasquill auf den Kommandanten von + +<span class="sidenote-r">der Ente, welche unter dem Schein, die Kost +in Blut und Saft verwandelt zu haben, bloß einen, +vom Künstler im Hinterleibe trefflich vorgerüsteten +Auswurf, der mit Speise und Verdauung gar nicht +zusammenhängt, illusorisch in die Welt setzt und +drückt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_84">84</a></span> +Flätz. Ohne Umstände bot ich den Teller der +Tischgesellschaft hin und sagte, ich hätte +das pasquillantische Geschirr, wie sie sähen, +eben bekommen, und bäte sie zu bezeugen, +daß der Handel mich nichts angehe. Ein +Offizier wechselte sogleich mit mir Teller. +Bei dem fünften Gericht durft' ich mich über +die chemisch-medizinischen Unkenntnisse der +Tischgesellschaft verwundern, indem ein Hase, +aus welchem ein Herr mehrere Schrotkörner, +das heißt also ein mit Arsenik versetztes und +durch den warmen Essig nun aufgelöstes Blei, +öffentlich herausgezogen und vorgezeigt hatte, +von den Zuschauern (mich ausgenommen) +lustig fortgespeist wurde.</p> + +<p>Unter den Tischgesprächen faßte mich eins +gewaltig bei meiner schwachen Seite, bei +meiner Ehre. Es wurde nämlich der Gerichtsgebrauch +der Residenz erzählt, daß ein unzüchtiges +Mädchen jeden, wen eine Dirne +dazu wähle, in den Vater ihres Wurms verkehren + +<span class="sidenote-l"><sup>15</sup> Nach Ähnlichkeit der schön polierten englischen +Einlegmesser gibt's auch Einlegkriegsschwerter, oder +– mit andern Worten – Friedensschlüsse.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_85">85</a></span> +könne bloß durch ihr Eidwort. »Schrecklich!« +sagt' ich, und mir stand das Haar zu +Berg. – »Auf diese Weise kann sich ja der +erste beste Hausvater mit Frau und Kindern, +oder ein Geistlicher, der im Tiger logiert, +von der ersten <ins title="schimmsten">schlimmsten</ins> Aufwärterin, die +er oder die ihn leider abends zufällig kennen +lernen, um Ehre und Unschuld gebracht sehen?« +Ein ältlicher Offizier fragte: »Soll denn aber +das Mädchen sich lieber zum Teufel schwören?« +Welche Logik! – »Oder gesetzt,« fuhr ich +ohne Antwort fort, »ein Mann reist mit +jenem Wiener Schlossergesellen, der nachher +Mutter wurde und mit einem Söhnchen niederkam, +oder mit irgendeinem verkleideten +Ritter d'Eon, mit dem er häufig übernachtet; +und der Schlossergeselle oder der Ritter dürfen +dann ihre Beilager beeidigen: so kann ja kein +zarter Mann zuletzt mehr mit einem anderen +reiten und fahren, weil er nicht weiß, wann +dieser die Stiefel auszieht und die Weiberschuhe +an, und ihn dann zum Vater schwört +und sich zum Teufel?«</p> + +<p>Aber einige von der Tischgesellschaft vergriffen +<span class="pagenum"><a name="Page_86">86</a></span>sich in meinem Kanzelfeuer so sehr, +daß sie schafsmäßig zu glauben andeuteten: +ich selber sei in diesem Punkt nicht richtig, +sondern lax. Beim Himmel! ich wußte da +nicht mehr, was ich fraß und sprach. Zum +Glücke wurde mir gegenüber eben die Lüge +irgendeiner französischen Niederlage ausgesagt; +da ich nun an den Straßenecken die +französische und deutsche Proklamation angesehen, +welche jeden, der Kriegsberichte – +nämlich nachteilige – anhört, ohne sie anzuzeigen, +vor das Kriegsgericht bestellt: so +konnt' ich als ein Mann, der sich nie gern +vergessen will, wohl nichts Klügeres tun, +als davongehen mit leeren Ohren und nur +dem Wirte rapportieren warum.</p> + +<p>Es war keine unrechte Zeit, denn absichtlich +um viereinhalb Uhr wollt' ich mir den Bart +scheren lassen, um gegen fünf so recht mit einem +vom Balbiermesserglättzahn geleckten Kinn, +wie glattes Velinpapier, ohne Wurzelstöcke vom +Kinnhaare (Barthaare ist Pleonasmus) auf- +und vorzutreten. Vorher goß ich, wie Pitt vor +Parlamentssitzungen, verdammt viel Pontak +<span class="pagenum"><a name="Page_87">87</a></span>mit wahrem Ekel in meinen Magen hinunter +gegen jede Heillehre und Sperrordnung desselben, +nicht sowohl um den leichten, fremden +Bartputzer zu bestehen, als den Ministergeneral +Schabacker, mit welchem ich eines und +das andere Feuerwort zu wechseln vorhatte.</p> + +<p>Es kam der gewöhnliche Fremdenbalbier +des Hotels, hatte aber sogleich in seinem +viellinigen ausgezackten Gesichte mehr von +einem endlich toll werdenden, als von einem +weiser werdenden Manne an sich. Tolle nun +hass' ich unglaublich und bin daher in kein +Tollhaus zu bringen, weil da der erste beste +Wütige mich mit Riesenfäusten erschnappt, +wenn er mag, und weil ich überhaupt der +Ansteckung wegen nicht weiß, ob ich wieder +mit dem Verstande herauskomme, den ich hineintrage. +– Gewöhnlich sitz' ich (bin ich eingeseift) +dergestalt auf dem Stuhle, daß ich, +beide Hände (den Blick spann' ich scharf gegen +das balbierende Gesicht) auf den Schenkeln, +dem Zwerchfell des Balbiers gegenüber schlagfertig +liegen habe, um ihn bei der kleinsten +zweideutigen Bewegung wie wütig umzustoßen.</p> + +<p><span class="pagenum"><a name="Page_88">88</a></span> +Ich weiß kaum recht, wie es zuging, aber +indes ich mich ins närrisch-gewundene Gesicht +des Bartputzers vertiefe und da er eben +das lang' gewetzte Schlachtmesser etwas vorschnell +gegen meine entblößte Gurgel führte: +so gab ich dem Feld- und Bartscherer einen +so plötzlichen Stoß auf den Nabel, daß der +Mann sich im Fallen bald selber selbstmörderisch +die Gurgel abgeschnitten hätte. Mir +blieb freilich nichts davon als Gutmachungen +und eine gegen meine sonstigen Grundsätze +umgebundene geschwollene Kravatte als Deckmantel +dessen, was unbeschoren geblieben.</p> + +<p>Jetzt brach ich denn endlich zum General +auf und trank die Pontaksreste noch unter +der Schwelle aus. Ich hoffe, in mir lagen +Pläne fertig, richtig zu antworten, ja zu +fragen. Das Bittschreiben hatt' ich in der +Tasche und in der rechten Hand. In der +linken hatt' ich dessen Duplikat. Mein Feuer +half mir leicht über alle ministeriellen lebendigen +Zäune hinüber, und ich befand bald +mich unverhofft im Vorzimmer unter seinen +vornehmsten Lakaien, die, soviel ich merkte, +<span class="pagenum"><a name="Page_89">89</a></span>nichts verpassen sollten. Ich überreichte dem +Ansehnlichsten meine papierne Bitte mit der +mündlichen, sie seinerseits zu überreichen. Er +nahm sie, aber unverbindlich. Ich wartete +tief in die Stunde sechs Uhr hinein vergeblich, +worin allein dem frohen Generale manches +vorzutragen ist. Endlich erseh' ich einen +Stief- oder Duzbruder des vorigen Lakaien +und wiederhole mein Gesuch; dieser rennt +umsonst umher, um Bruder oder Schreiben +zu suchen – nichts war zu finden: – wie +glücklich war ich, daß ich das Duplikat der +Bittschrift mitten im Pontak vor dem Rasieren +mir wieder abgeschrieben, und also – bloß +aus dem Grundsatz, daß man immer ein +zweites hölzernes Bein im Mantelsack eingepackt +haben müsse, wenn man ein erstes +am Leibe habe – und aus der Furcht, daß, +wenn mir das Urschreiben auf dem Wege + +<span class="sidenote-r"><sup>13</sup> <i>Omnibus una salus sanctis, sed gloria dispar</i>; +das heißt – schreiben sonst die Gottesgelehrten – +nach Paulus haben wir im Himmel alle dieselbe +Seligkeit, aber verschiedene Ruhmstufen. Schon +auf der Erde finden wir im Himmel der Schriftstellerwelt</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_90">90</a></span> +vom Tiger zu Schabacker verloren ginge, +meine ganze Reise und Hoffnung zu Wasser +müßte werden – dies, sag' ich, war gut, daß +ich das Repetierwerk des Urschreibens eingesteckt +hatte, und folglich in jedem Falle +etwas, und zwar ein detto, einzuhändigen +vermochte. Ich händigte dasselbe ein.</p> + +<p>Leider nur war schon sechs Uhr vorbei. +Der Lakei aber blieb nicht lange aus, sondern +brachte mir bald – ich möchte sagen den +Predigttext dieses Zirkelbriefes – die fast +rohe Antwort (die ihr, Freunde, aber aus +Achtung für mich und Schabacker geheim zu +halten habt): falls ich der Attila Schmelzle +beim Schabackerschen Regiment wäre, so möcht' +ich mich nur mit meinem Hasenpanier wieder +zum Teufel scheren, wie ich bei Pimpelstadt +getan. Ein anderer wäre auf dem Platze geblieben; +ich aber ging ganz derb davon und + +<span class="sidenote-l">ein Vorbild davon. Nämlich die Seligkeit +der von der Kritik seliggesprochenen Autoren der +genialen, der guten, der mittelmäßigen, der geistesarmen, +ist bei allen die nämliche, sie machen sämtlich +im ganzen fast einerlei Kameralglück, denselben</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_91">91</a></span> +versetzte dem Kerl: »Ich schere mich auch +willig zum Teufel, und schere mich den Teufel +darum.« Unterwegs untersucht' ich mich selber, +ob nicht etwa der Pontak aus mir gesprochen +– wiewohl schon die Untersuchung widerspricht, +da kein Pontak untersucht; – aber +ich fand, daß nur ich, mein Herz, vielleicht +mein Mut etwas gesprochen: und wozu denn +überhaupt Kleinmut, da das Vermögen meiner +guten Frau mich ja besser besoldet als zehn +katechetische Professuren, und da sie alle Ecken +meines Buches des Lebens mit so viel goldenen +Beschlägen versieht, daß ich es, ohne +es abzunützen, immer aufschlagen kann? – +Schwangere mögen bei Schrecken an den +Hintern greifen, um das Muttermal des Versehens +dorthin zu verstecken; ich griff bei dem +Mute ans Herz und sagte: »Schlage dich +nur tapfer durch, wer auch dabei geschlagen + +<span class="sidenote-r">schwachen Profit. Aber Himmel, was hingegen +Nachruhmsstaffeln anlangt, wie tief wird nicht – +ungeachtet des nämlichen Honorars und Absatzes – +schon bei Lebzeiten ein sogenannter Duns unter +ein Genie hinabgestellt! – Wird nicht oft ein</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_92">92</a></span> +werde!« Ich fühlte mich ganz erhoben und +erhitzt – ich dachte mir Republiken, wo ich +als Held nach Hause kommen könnte – ich +sehnte mich in jene heroischen Griechenzeiten +hinein, wo ein Held vom andern Prügel +gern einsteckte und sagte: schlage nur, aber +höre mich! und aus unseren feigen heraus, +wo man kaum Schimpfworte aushält, geschweige +mehr – ich malte mir es aus, wie +ich mich fühlen würde, wenn ich in glücklichere +Umgebungen Afterthronen umwürfe +und vor ganzen Völkern auf Großtaten wie +auf Tempelstufen unsterblich aufstiege und in +gigantischen Zeiten ganz andere und größere +Männer zu übermannen und zu übertreffen +fände als jetzt den Milbenpöbel um mich her +und höchstens den einen und den anderen +Vulcanello. Ich dachte – und machte mich +immer wilder und ich selber berauschte mich + +<span class="sidenote-l">geistesarmer Autor in einer Messe vergessen, indes +ein geistreicher oder gar ein genialer durch fünfzig +Messen durchblüht und so erst sein 25 jähriges +Jubiläum feiert, bevor er spät vergessen untergeht +und im deutschen Ruhmtempel eingesenkt wird, der</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_93">93</a></span> +(also kein Pontaksrausch, der bekanntlich mehr +durch als ohne Trinken wächst), und gestikulierte +öffentlich – als ich mich fragte: +»Willst du ein bloßer Staatsschoßhund werden +– ein Hunds-Hund – ein <i>pium desiderium</i> +eines <i>impii desiderii</i> – ein Ex-Ex – +ein Nichts-Nichts? – – O Sackerment!« +Darüber stieß ich mir aber meinen Hut in +den Marktkot. Da ich ihn aufhob und säuberte, +sah ich überall, wie verschossen er +war, und entschloß mich sogleich, einen neuen +zu kaufen und anfangs selber zu tragen in +der Hand.</p> + +<p>Ich vollzog's und erhandelte einen vom +feinsten Kaliber. Sonderbar, durch diesen +Hut, als wär's ein Magisterhut, wurde in +der Ziegengasse ordentlich mein Kopf geprüft +und examiniert. Da nämlich der General +Schabacker darin daherfuhr, und ich (wie sich +wohl von selber versteht) mich nicht durch + +<span class="sidenote-r">die bekannte Eigenheit der Kirche des Ordens der +Padri Lucchesi in Neapel nachahmt, welche bekanntlich +(nach Volkmann) unter ihrem Dache eine +Begräbnisstätte, aber kein Denkmal darauf verstatten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_94">94</a></span> +gemeine Grobheit, sondern durch Höflichkeit +rächen wollte: so bekam ich eine der kitzlichsten +Aufgaben zu lösen vor. Schwenkt' +ich nämlich bloß den feinen Filz, den ich +schon in der Hand trug, behielt aber den +verschossenen auf dem Kopfe: so konnt' ich +einem Grobian von Haus aus ähnlich sehen, +der nichts abzieht; zog ich hingegen den +alten vom Kopfe und hofierte damit: so +spielten zwei Filze auf einmal (ich mochte +nun den anderen mitbewegen oder nicht) +die Sache ins Lächerliche. Nun, stimmt +doch ab, ihr Freunde, eh' ihr weiter leset, +wie man sich hier herauszuziehen hätte, ohne +den Kopf zu verlieren!.... Ich glaube +vielleicht dadurch, daß man bloß den Hut +verliert; kurz und gut, ich ließ eben geradezu +den Putzhut aus der Hand in den Kot fallen, +um mich in den Stand zu setzen, den Sudelhut +einsam abzunehmen und mit nötiger Höflichkeit +zu schwenken ohne einen Anstrich von +Lächerlichkeit.</p> + +<p>Im Tiger ließ ich – um etwas schließen +zu lassen – den brillantierten Fein-Fein-Fein-Filz +<span class="pagenum"><a name="Page_95">95</a></span>früher ausbürsten als den Kotsassen- +oder Schartekenhut.</p> + +<div class="figcenter" style="width: 306px;"> +<img src="images/knecht.png" width="306" height="500" alt="... und betete laut: Dir übergeb' ich mich ganz / Du allein sorgtest ja bisher für mich schwachen Knecht" title="" /> +</div> + +<p>Nun ging ich, meine wichtige Vergangenheit +in der Adjustier- und Probierwage tragend, +feurig auf und nieder. Der Pontak mußte – +ich weiß wohl, daß es hinieden nur unechten +gibt – ein noch unechterer gewesen sein; so +sehr jagte er meine Phantasie in ein Feuer +nach dem anderen. Ich sah jetzt in ein weites, +glänzendes Leben hinein, wo ich ohne Amt +lebte, bloß von Geld; und das ich gleichsam +mit den delphischen Höhlen und Zenonischen +Gängen und Musenbergen aller der Wissenschaften +übersäet sah, die ich ruhig treiben +konnte. Besonders konnte ich mich mehr auf +Preisschriften bei Akademien legen, deren +(nämlich der Schriften) sich kein Urheber +jemals zu schämen braucht, weil eine ganze +krönende Akademie in jedem Falle für den +Koronanden steht und errötet. Schießt auch +der Preiswerber neben der Krone vorbei, so +bleibt er doch stets unbekannter und anonymer +(da man seine Devise nicht entsiegelt) +als ein anderer Autor, der zwar namenlos +<span class="pagenum"><a name="Page_96">96</a></span>ein Langohr von Buch ediert, den aber doch +bald ein literarisches Eselbegräbnis (<i>sepultura +asinina</i>) öffentlich vor der halben Welt einsenkt.</p> + +<p>Nur etwas dauerte mich voraus, das Leid +meiner Berga, welcher ich morgen, der lieben +Müdegereisten, die Ankunft und die abgekürzte +Marktschau mit meiner abschlägigen +Nachricht versalzen mußte. Sie wollte so +gern in Neusattel – und wer verübelt's +einer reichen Pächterstochter – etwas vorstellen +und manche Honoratiorin ausstechen. – +Jeder Mensch verlangt sein Paradeplätzchen +und eine frühere lebendigere Ehre, als die +letzte Ehre. – Besonders will eine so gute +Niedriggeborene, sich vielleicht mehr ihres +metallischen als ihres geistigen Schatzes und +Tilgungsfonds bewußt, doch bei Ehrengelagen +Meisterin von irgendeinem Stuhl oder Stühlchen +sein und über die erste beste dumme +Gans <i>loci</i> hinaufsitzen.</p> + +<p>Dazu sind nun Ehemänner so unentbehrlich. +Ich nahm mir daher vor, mir und folglich +ihr einen der besten Titel, womit die Höfe in +<span class="pagenum"><a name="Page_97">97</a></span>Deutschland (gleichsam wie in einem Auerbachshof +in Leipzig) vom Adel und Halbadel an +bis zum Rate herunter in einem fort feilstehen, +anzukaufen und dieser geadelten Seele durch +meinen Viertelsadel einen solchen Achtelsadel +zuzuspielen, daß (hoff' ich) manche gemeine +nebenbuhlerische Neusattlerin vom +Neide halb geborsten sagen und rufen soll: +»Ei du dummes Pächtersding! Seht doch, +wie das schwänzelt und wedelt! Es denkt +nicht daran, was es mit ihm wäre, wenn es +keinen Geldsack und keinen Hofrat hätte; –« +Denn letzteres nämlich müßt' ich etwa vorher +geworden sein.</p> + +<p>Aber ich sehnte mich in der kalten Einsamkeit +meines Zimmers und im Feuer meiner +Erinnerungen unbeschreiblich nach dem Bergelchen +– ich und mein Herz waren müde +vom fremden treibenden Tage – niemand +um mich her sagte mir ein gutes Wort, das +er nicht in die Wirtsrechnung zu bringen +verhoffte. – Freunde, ich schmachtete nach +der Freundin, deren Herz gern das Blut +zum Balsam für ein zweites vergießt – ich +<span class="pagenum"><a name="Page_98">98</a></span>verfluchte meine überklugen Maßregeln, daß +ich nicht, um die Gute sogleich mit mir zu +nehmen, lieber das dumme Hauswesen allen +Spitzbuben und Feuerschäden preisgegeben. +– Im Auf- und Abgehen ward es mir +immer leichter, alles zu werden, jeder Kammerrat, +Akzisrat, anderer Rat, und wie sie nur +befahl, wenn sie ankäme.</p> + +<p>»Mach dir nur einen guten Tag in der +Stadt!« sagte Bergelchen diese ganze Woche +hindurch. Aber wie ist einer ohne sie zu +machen? Unsere Trauertränen trocknen auch +Freunde ab und begleiten sie mit eigenen; +aber unsere Freudentränen finden wir am +leichtesten in den Augen unserer Frauen +wieder. – Verzeiht, Freunde, diese Libationen +meiner Rührung – ich zeig' euch nur mein +Herz und meine Berga. – Bedarf ich eines +Ablaßkrämers, so nehmt den Pontakskrämer +dazu. + +<span class="sidenote-l"><sup>79</sup> Schwache und verschobene Köpfe verschieben und +verändern sich am wenigsten wieder, und ihr innerer +Mensch kleidet sich sparsam um; ebenso mausern +Kapaune sich nie.</span></p> + + + + +<div class="new-h3"> </div> +<p><span class="pagenum"><a name="Page_99">99</a></span></p> +<h3 class="gesperrt">Erste Nacht in Flätz.</h3> + + +<p>Gleichwohl nahm mir der Wein die Besonnenheit +nicht, vor dem Bettegehen unter +das Bett zu sehen, ob jemand darunter lauere, +zum Beispiel die Hure, der Zwerg oder +der Legationsrat, ferner den Schlüssel unter +den Türdrücker (die beste Sperrordnung unter +allen) zu schieben, dann zum Überflusse meine +Nachtschraube an die Türe einzubohren und +endlich davor noch die Sessel übereinander +zu bauen und Beinkleider und Schuhe anzubehalten, +weil ich durchaus nichts besorgen +wollte.</p> + +<p>Ich hatte aber noch andere Sachen des +Nachtwandels wegen abzutun. Mir war's +überhaupt von jeher unbegreiflich, wie so +viele Menschen zu Bette gehen und darin +gesetzt liegen können, ohne zu bedenken, daß +sie vielleicht im ersten Schlafe sich aufmachen + +<span class="sidenote-r"><sup>89</sup> Die Alten heilten sich im Zeitenunglück mit +Philosophie oder mit Christentum; die Neueren +aber z. B. in der Schreckenszeit griffen zur Wollust, +wie etwa der verwundete Büffel sich zur Kur und +zum Verband im Schlamme wälzt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_100">100</a></span> +als Nachtwandler und auf Dächer hinauskriechen +und irgendwo erwachen, wo sie den +Hals brechen und den Rest. Ja, es wäre +mir schon Gefahr genug, wenn ein unbescholtener +Mann, ein Feldprediger, im eigenen +Bette einschliefe und etwa auf den Seidenpolstern +im Schlafgemache der vornehmsten +Dame in der Stadt aufwachte, von der er +vielleicht sein Glück erwartet. Bin ich zu +Hause, so wag' ich wenig mit Schlaf; – +weil ich, da meine rechte Fußzehe jede Nacht +mit einem drei Ellen langen Wickelbande +(ich nenn' es scherzend unser eheliches Band) +an die linke Hand meiner Frau angeschlungen +wird, die Gewißheit habe, daß ich, falls ich +aus dem Bettarrest herausginge, mit dem +Sperrstrick sie wecken und ich folglich von +ihr, als meinem lebendigen Zaun, an der +Nachtschnur wieder ins Bett würde zurückgezogen +werden. Im Gasthof aber konnt' ich +nichts tun, als mich einige Male an den +Bettfuß schnüren, um nicht zu wandern; obgleich +alsdann einbrechende Spitzbuben neue +Not mitbringen konnten. Ach, so gefährlich +<span class="pagenum"><a name="Page_101">101</a></span>ist alles Schlafen, daß leider jeder, der nicht +auf dem Rücken wie ein Leichnam daliegt, +besorgen muß, mit dem Ganzen schlafe auch +ein oder das andere Gliedmaß, ein Fuß, +ein Arm ein; und dann kann das entschlummerte +Glied – da es in der medizinischen +Geschichte gar nicht daran an Exempeln fehlt +– am Morgen zum Amputieren gereift daliegen. +Deshalb lass' ich mich häufig wecken, +damit nichts einschläft.</p> + +<p>Als ich an den Bettpfosten gut angebunden +und endlich unter die Bettdecke gekommen +war, wurde ich wegen meines Pontaks Feuertaufe +aufs neue bedenklich und furchtsam vor +meinen zu erwartenden Kraft- und Sturmträumen +– welche leider nachher auch nichts +Besseres wurden als <ins title="Helden">Helden-</ins> und Potentatentaten, +Festungsstürme, Felsenwürfe; – noch +aber seh' ich wenig diesen Punkt ärztlich beherzigt. + +<span class="sidenote-l"><sup>108</sup> Verwundert las ich, der Gruß im Gotthardstal +sei: <i>Allegro!</i> – Denn nie wurd' ich in Wetzlar, +in Regensburg oder Wien anders gegrüßt als: +<i>Andante di molto!</i> – zuweilen jedoch: <i>Allegro, +ma non troppo!</i> – Ja, alte Generale grüßten sich</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_102">102</a></span> +Medizinalräte und ihre Kunden strecken +sich alle ruhig in ihren Betten aus, ohne +daß nur einer von ihnen befürchtet oder +untersucht, ob ihm ein wütiger Zorn (zumal +wenn er schnell darauf kalt säuft im Traum), +oder ein herzzerreißender Harm, was er alles +in den Träumen erleben kann, am Leben +schade oder nicht. Wär' ich, ich bekenn' es, +eine Frau und mithin weiblich-furchtsam zumal +in guter Hoffnung, ich würd' in letzter +über die Frucht meines Schoßes in Verzweiflung +sein, wenn ich schliefe und folglich +im Traum alle die von medizinischen Polizeien +verbotenen Ungeheuer, wilden Bestien, Mißgeburten +und dergleichen zu Gesicht bekäme, +wovon eine ausreicht (sobald die bestätigte +Lehre des Versehens wahr bleibt), daß ich +Kreißende mit einem elenden Kinde niederkäme, +das ganz aussähe wie ein Hase und +voll Hasenscharten dazu, oder das eine Löwenmähne + +<span class="sidenote-r">oft: <i>Poco vivace</i>. – Ich erkläre mir es daher, daß +der Deutsche, wenn alle Völker, die Füße und +Schuhe zu ihren Maßen nehmen, lieber mit Sessions-Steißen +und Hosen abmißt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_103">103</a></span> +hinten hätte oder Teufelsklauen an +den Händen, oder was sonst noch Mißgeburten +an sich haben. Vielleicht wurden manche +Mißgeburten von solchem Versehen in Träumen +gezeugt.</p> + +<p>Nachts kurz vor zwölf Uhr erwacht' ich +aus einem schweren Traum, um eine für +meine Phantasie zu geisterhafte Geistergeschichte +zu erleben. Mein Schwager, der sie +mir eingebrockt, verdient für seine ungesalzene +Kocherei, daß ich ihn euch als den Braumeister +des schalen Gebräues ohne Schonen +nenne. Wäre Argwohn mit Unerschrockenheit +verträglicher, so hätte ich vielleicht schon aus +seinem Sittenspruche über dergleichen unterwegs +sowie aus dem Fortbehalten seines +Nebenzimmers, an dessen Mitteltüre mein +Lager stand, leicht alles geschlossen. Mir war +nämlich, als würd' ich angeblasen von einem +kalten Geisteratem, den ich auf keine Weise + +<span class="sidenote-l"><sup>181</sup> Gott sei Dank, daß wir nirgends ewig leben +als in der Hölle oder im Himmel; auf der Erde +würden sonst wahre Spitzbuben aus uns, und die +Welt ein Haus von Unheilbaren, aus Mangel der</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_104">104</a></span> +aus den entfernten und versperrten Fenstern +herzuleiten vermochte; – worin ich's denn +auch traf, denn der Schwager hatt' ihn aus +einem Blasebalg durchs Schlüsselloch eingeschickt. +Alles Kalte bringt in der Nacht auf +Todes- oder Geisterkälte. Ich ermannte mich +aber und harrte – nun fing gar das Deckbette +an, sich in Bewegung zu setzen – ich +zog es an mich – es wollte wieder weiter – +behend' setz' ich mich plötzlich im Bette auf +und rufe: »Was ist das?« – Keine Antwort, +überall Stille im Gasthof – das ganze Zimmer +voll Mondschein –. Jetzt hob sich mein +Zugpflaster, das Deckbett, gar empor und +luftete mich, wobei mir war wie einem, von +dem man ein Pflaster schnell abhebt. Nun +tat ich den Rittersprung aus dem Teufelstorus +und zersprengte springend mein Nachtwandlersleitseil. +»Wo ist der dumme Menschennarr,« +rief ich, »der die erhabene unsichtbare + +<span class="sidenote-r">Kurschmiede (der Scharfrichter) und der ableitenden +Haarseile (am Galgen) und der Ekel- und Eisenkuren +(auf Richtstätten). So daß wir also wirklich +unsre sittliche Riesenkraft gerade so auf der Schuld</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_105">105</a></span> +Geisterwelt nachäfft, die ihm ja auf +der Stelle erscheinen kann?« – Aber an, über, +unter dem Bette war nichts zu hören und +zu sehen. Ich schaute zum Fenster hinaus; +überall geisterhaftes Mondlicht und Straßenstille, +und nichts bewegte sich, als (wahrscheinlich +vom Winde) auf dem fernen Galberg +ein Neugehenkter.</p> + +<p>Jeder andere hätt' es so gut für Selbsttäuschung +gehalten als ich; daher wickelte ich +mich wieder in mein passives <i>lit de justice</i> +und Luftbette ein, darin erwartend, inwiefern +ich an Erschrecken erkalten sollte oder nicht.</p> + +<p>Nach einigen Minuten fing das Deckbette, +der teuflische Faustsmantel, sein Fliegen und +Schiffsziehen (ich allein war der Verurteilte) +wieder an, der Abwechslung wegen hob auch +wieder der unsichtbare Bettaufhelfer empor. +Verfluchte Stunde! – Ich möchte wissen, ob +es im ganzen gebildeten Europa einen gebildeten + +<span class="sidenote-l">der Natur, die wir zu bezahlen haben, beruhend, +finden, als die Politiker (z. B. der Verfasser des +neuen Leviathans) die Übermacht der Engländer, +auf deren Nationalschuld gestützt, erweisen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_106">106</a></span> +oder ungebildeten Menschen gäbe, +der bei so etwas nicht auf Geisterteufeleien +verfallen wäre; – ich verfiel darauf, unter +der (sich selber) fahrenden Habe des Deckbettes, +und dachte, Berga sei Todes verfahren +und fasse nun noch geistig mein Bette. Dennoch +konnt' ich sie nicht anreden, sowenig als +den Teufel, der hier einspielen konnte, sondern +ich wandte mich bloß an Gott und betete +laut: »Dir übergeb' ich mich ganz, du +allein sorgtest ja bisher für mich schwachen +Knecht – und ich schwöre, daß ich anders +werde.« – Ein Versprechen, das dennoch von +mir soll gehalten werden, so sehr auch alles +nur dummer Lug und Trug gewesen ist.</p> + +<p>Mein Gebet verfing nichts bei dem unchristlichen +Dragoner, der mich einmal im +Zuggarn des Deckbetts gefangen hielt – unbekümmert, +ob er ein Gastbett zum Parade- + +<span class="sidenote-r"><sup>63</sup> Die, welche vom Völkerlichte Gefahren befürchten, +gleichen denen, die besorgen, der Blitz schlag' ins +Haus, weil es Fenster hat; da er doch nie durch +diese, sondern durch deren Beeinflussung fährt oder +an der Rauchwolke des Schornsteins herab.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_107">107</a></span> +und Totenbette mache oder nicht. – Er spann +meine Nerven wie Golddraht durch engere +Löcher hindurch immer dünner bis zum Verschwenden +und Verschwinden, denn das Bette +marschierte endlich gar herab bis an die +Mitteltüre. –</p> + +<div class="figcenter" style="width: 302px;"> +<img src="images/liedchen.png" width="302" height="500" alt="Ich pfiff frisch ein gas Konisches Liedchen darunterhinein ..." title="" /> +</div> + +<p>Jetzt war es Zeit, ohne Umstände erhaben +zu werden und mich um nichts mehr hienieden +zu scheren, sondern mich dem Tode schlicht +zu widmen: »Rafft mich nur weg,« rief ich +und schlug unbedenklich drei Kreuze, »macht +mich nur schnell nieder, ihr Geister; ich sterbe +doch unschuldiger als tausend Tyrannen und +Gottesleugner, denen ihr leider weniger erscheint +als mir Unbeflecktem.« Hier vernahm +ich eine Art von Lachen, entweder auf der +Gasse oder im Nebenzimmer; vor diesem warmen +Menschenton blüht' ich plötzlich wie vor +einem Frühling an allen Spitzen wieder auf. +Ich verschmähte gänzlich die weggehaspelte + +<span class="sidenote-l"><sup>76</sup> Die ökonomische predigende Poesie glaubt wahrscheinlich, +ein chirurgischer Steinschneider sei ein +artistischer; und eine Kanzel oder ein Sinai sei +ein Musenberg.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_108">108</a></span> +Decke, die jetzt von der Türe nicht mehr weg +konnte; ich legte mich unbedeckt, doch warm +und schwitzend genug, bald in den Schlaf. +Übrigens schäm' ich mich nicht im geringsten +vor allen aufgeklärten Hauptstädten – und +ständen sie vor mir –, daß ich durch meinen +Teufelsglauben und meine Teufelsanrede +einige Ähnlichkeit mit dem größten deutschen +Löwen bekommen, mit Luther.</p> + + + + +<h3 class="new-h3 gesperrt">Zweiter Tag in Flätz.</h3> + + +<p>Am Frühmorgen spürt' ich mich aufgeweckt +durch das bekannte Zudeckbett; es hatte sich +wie ein Inkube auf mich gesetzt; ich gaffte +auf; in einem Winkel saß still ein rotes, rundes, +kernhaftes, aufgeputztes Mädchen wie +eine volle Tulpe von Lebensfrische aufgebläht +und leise flatternd mit bunten Bändern gleichsam + +<span class="sidenote-r"><sup>415</sup> Nach Smith ist die Arbeit der allgemeine Maßstab +des kameralen Werts. Dies haben aber, wenigstens +in bezug auf geistigen und poetischen Wert, +die Deutschen noch früher eingesehen und meines +Wissens stets den gelehrten Dichter über den genialen +und das schwere Buch der Arbeit über das +flatternde voll Spiel gesetzt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_109">109</a></span> +als mit Blättern. »Wer ist dort, wie +kommt man herein?« rief ich halbblind. – +»Ich habe dich nur leise zugedeckt, und du +solltest erst ausschlafen,« sagte Bergelchen, +»ich bin die ganze Nacht gegangen, damit +ich recht früh käme; sieh nur her!« Sie zeigte +mir ihre Stiefel, das einzige Reisestück (die +Achillesferse), das sie vor dem Tore, als sie +in der Mauser der Toilette war, nicht hatte +abstreifen können. – »Brach,« fragt' ich, über +ihre um sechs Stunden beschleunigte Nachkunft +um so mehr bestürzt, da ich es die ganze +Nacht und selber jetzt über ihr unbegreifliches +Hereinkommen gewesen, »brach etwa +frischer Jammer über uns aus und ein, Brand, +Mord, Raub?« – Sie versetzte: »Der Ratz«, +sie wollte sagen die Ratte, »ist gestern verreckt, +dem du so lange nachgestellt; weiter +passierte eben nichts.« – »Und auch alles +ist richtig nach meinem Ordnungszettel zu +Hause besorgt?« fragt' ich. »Jawohl,« versetzte + +<span class="sidenote-l"><sup>4</sup> Der Heuchler kehret die alte Methode, wonach +man mit einem nur an einer Schneidenseite vergifteten +Messer die Frucht zerschnitt und die damit</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_110">110</a></span> +sie, »ich hab' ihn aber gar nicht gelesen, +er ist mir weggekommen, du hast ihn wohl +mit eingepackt.« –</p> + +<p>Indes, ich verzieh alles der blühenden, kecken +Ritterin oder Fußgängerin. – Ihr Auge, +dann ihr Herz brachte mir ja frisches, kühles +Morgenwehen mit Morgenrot in meine schwülen +Vorstunden. Auch mußt' ich ja ohnehin +nachher der freundlichen, ins Leben hineinhoffenden +und hineinliebenden Seele den verdienten +Himmel des heutigen Tages mit der +trüben Nachricht der fehlgeschlagenen Professur +verfinstern. Daher vergab und verschob +ich möglichst. Ich fragte, wie sie hereingekommen, +da noch das ganze spanische Reiterwerk +von Sesseln an der Türe feststehe. Sie +lachte, sich dabei nach Dorfsitte bückend, stark +und sagte: sie hätte es vorgestern mit ihrem +Bruder verabredet, daß er sie durch seine +Stube, da sie meine Sperrvorrichtung kennte, +in meines einließe, damit sie mich heimlich + +<span class="sidenote-r">geätzte Hälfte dem Opfer hinreichte und die gesunde +zweite selber aß, so uneigennützig gegen sich +selber um, daß er gerade die gute moralische Hälfte</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_111">111</a></span> +wecken könnte. Jetzt fuhr der Dragoner laut +lachend ins Zimmer und sagte: »Wie geschlafen, +Herr Schwager?«</p> + +<p>Aber auf diese Weise war mir freilich +die halbe Gespenstergeschichte wie von einem +Biester und Hennings aufgelöst und aufgedeckt; +und ich durchschaute sogleich des Dragoners +ganzen Gespensterplan, den er ausgeführt. +Etwas bitter sagte ich ihm meine +Vermutung und der Schwester meine Geschichte. +Aber er log und lachte, ja er versuchte, +noch frech genug, mir am hellen Morgen +Geister zum zweiten Male weiszumachen +und aufzuhalsen. Ich versetzte kalt, an mir +find' er hierin sehr den unrechten Mann; +gesetzt auch, ich wäre einem Luther, Hobbes, +Brutus ähnlicher, die sämtlich Geister gesehen +und gefürchtet. Er erwiderte – und riß die +Tatsachen aus ihrer Motivierung: – er sage +ja weiter nichts, als daß er nachts irgendeinen +armen Sünder ganz erbärmlich habe + +<span class="sidenote-l">und Seite dem andern zeigt und gibt und nur sich +die giftige vorbehält. Himmel, wie schlecht erscheint +einem solchen Manne gegenüber der Teufel!</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_112">112</a></span> +krächzen und lamentieren hören; und daraus +habe er geschlossen, es sei eine arme, desperate +Nachtmütze von Mann, der ein Gespenst +zusetze. Endlich gingen auch seiner Schwester +die Augen über die gemeine Rolle auf, die +er mit mir zu spielen vorgehabt; sie fuhr ihn +derb an, schob ihn mit zwei Händen aus +meiner und seiner Türe schnell hinaus und +rief nach: »Warte, du Schadenfroh, ich gedenk' +dir's!« Darauf kehrte sie schnell sich +um und fiel mir um den Hals und dabei +am falschen Ort ins Lachen und sagte: »Der +dumme Junge! Aber ich konnte das Lachen +nicht mehr verbeißen; und der Narr soll doch +nichts merken. Vergib dem Pinsel, du als +ein gelehrter Mann, seine Eselei.«</p> + +<p>Ich fragte sie, ob sie auf ihrer Nachreise +auf keine Geisterwelt gestoßen sei – wiewohl +ich wußte, daß ihr Tiere, ein Wasser, ein +halber Abgrund nichts sind; – »nein, aber +vor den geputzten Stadtleuten«, sagte sie, +»habe ich mich am Morgen gescheut«. O wie +lieb' ich diese weichen Harmonikasbebungen +weiblicher Furcht!</p> + +<p><span class="pagenum"><a name="Page_113">113</a></span> +Endlich mußt' ich den Koloquintenapfel +anbeißen oder anschneiden und ihr die Hälfte +davon zureichen, nämlich die Nachricht der +Fehlbitte um die Professur. Da ich aber das +freudige Herz mit der vollständigen rohen +Wahrheit verschonen und einer schweren Fracht +etwas abschneiden mußte, die sich besser Männerschultern +aufpackt, so begann ich: »Bergelchen, +die Professorssache geht einen anderen, +aber an sich guten Gang – der General, +nach welchem ich den Teufel und seine Großmutter +frage, legt es auf einen Generalsturm +an – und den soll er haben, so gewiß, als +ich die Nachtmütze aufhabe.« – »So bist du +also noch nichts geworden?« fragte sie. »Vorderhand +zwar nicht!« versetzt' ich. »Aber doch +bis Sonnabend abend?« sagte sie. »Das <ins title="nicht,">nicht,«</ins> +sagt' ich. »Nun, so bin ich hart geschlagen, +und ich möchte zum Fenster hinausspringen,« +sagte sie und drehte das Rosen- und Morgengesicht + +<span class="sidenote-r"><sup>66</sup> Wenn die Bemerkung des Verfassers der Glossen +richtig ist, daß die Postmeister in den größern +Ländern zugleich auch die gröbern sind: so hat +Napoleon, der viele kleine Länder zu einem großen</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_114">114</a></span> +weg, um die feuchten Augen darin +mir nicht zuzukehren, und schwieg sehr lange. +Dann fing sie mit schmerzhaft zitternder +Stimme an: »Du großer Heiland, stehe mir +am Sonntag in Neusattel bei, wenn mich +die hochtrabenden, vornehmen Weiber in der +Kirche sehen und ich blutrot werde aus Scham!«</p> + +<p>Jetzt sprang ich im Mitjammer aus dem +Bette vor die liebe Seele hin, der die hellen +Zähren über die schönblühenden Wangen +flossen und rief: »Du treues Herz, zermartre +mich doch nicht so ganz! Gott soll mich strafen, +wenn ich nicht noch in den Hundstagen alles +werde, was du nur willst. – Sprich, willst +du Bergrätin werden, oder Baurätin, oder +Hofrätin, Kriegsrätin, Kammerrätin, Kommerzienrätin, +Legationsrätin, oder des Henkers- und +Teufelsrätin: ich bin dabei und +werd' es und such' an. Morgen schick' ich +reitende Boten nach Hessen und Sachsen, + +<span class="sidenote-l">korinthischen Erze zusammenschmolz und brannte, +die Postmeister und Posthalter, z. B. im höflichen +Sachsen, gewiß nicht noch höflicher gemacht, sondern +sie eher aus der Komplimentierschule herausgeschickt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_115">115</a></span> +nach Preußen und Reußen, nach Friesland +und Katzenellenbogen und begehre Patente. +Ja, ich treib's weiter als einer und werde +zugleich alles, Flachsenfinger Hofrat, Scheerauer +Akzisrat, Haar-Haarer Baurat, Pestitzer +Kammerrat (denn wir haben das Geld), und +stelle dann allein und eigenhändig mit einem +einzigen <i>Podex</i> und <i>Corpus</i> eine ganze Ratssitzung +von auserlesenen Räten vor – und +stehe als eine ganze Ehrenlegion und ein +Ehrengelag, bloß auf zwei Beinen da – dergleichen +hat noch kein Mensch getan.«</p> + +<p>»O! Nun, du bist ja engelgut!« sagte sie +und frohere Zähren rollten, »du sollst mir +selber raten, was die vornehmsten Räte sind, +damit wir's werden.« – »Nein,« fuhr ich +befeuert fort, »dabei bleib' ich nicht einmal; +mir ist's nicht genug, daß du dich ordentlich +bei der Kaplänin kannst als Baurätin melden +lassen, bei der Stadtpredigerin als Legationsrätin, + +<span class="sidenote-r">Was sie indes an Höflichkeit verloren, +gewinnen sie vielleicht an Briefporto wieder, da +ich mir nicht denken kann, daß der Kardinal +<i>Pretettore del S. Imperio</i>, dessen Briefe bekanntlich</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_116">116</a></span> +bei der regierenden Bürgermeisterin +als Hofrätin, bei der Chausseeeinnehmerin +als Kommerzienrätin, oder wie +du wo willst.« – »Ach du mein gar zu gutes +Attelchen!« sagte sie. »Sondern,« fuhr ich fort, +»ich werde auch korrespondierendes Mitglied +verschiedener besten gelehrten Gesellschaften +in verschiedenen besten Hauptstädten (worunter +ich bloß zu wählen habe), und zwar +kein gemeines wirkliches Mitglied, sondern +ein ganzes Ehrenmitglied; und dann streck' +ich wieder dich als ein auf mir Ehrenmitglied +wachsendes Ehrenmitglied aus.«</p> + +<p>Verzeiht, Freunde, diesen Breiumschlag +oder Täuschungsbalsam für eine verwundete +Brust, deren Blut zu rein und köstlich ist, als +daß man es nicht mit allen möglichen Stillungsmitteln +aus Spinnweben ins schöne +Herz zurückzuschließen trachten sollte.</p> + +<p>Jetzt kamen schöne, schönste Stunden. Ich +hatte die Zeit besiegt, wie mich Berga; selten + +<span class="sidenote-l">sonst alle postfrei durch das heilige römische +Reich gelaufen, nicht jetzt alles frankieren sollte +was er etwa zu melden hat.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_117">117</a></span> +beseligt, so wie ich, ein Sieger, zugleich die +überwindende und die überwundene Partei. +Berga holte ihren alten Himmel zurück und +zog die staubigen Stiefel aus und blumige +Schuhe an. Köstlicher Morgentrunk! Wie +berauscht ein liebendes Herz! Ich spürte ordentlich +(ist die niedere Redeblume erlaubt) +ein Doppelbier von Mut in mir, seitdem ich +ein Wesen mehr um mich zu beschirmen hatte. +Überhaupt werd' ich – was der treffliche +General nicht ganz zu wissen scheint – nicht +wie andere Mutige mutiger, sondern am +stärksten durch Hasen, weil an mir das schlechte +Beispiel sich zum Widerspiel umdreht. Kleine +Pinselstriche mögen hier Mann und Frau +mehr abschatten als verschatten! Als der +nette Kellner mit der grünseidenen Schürze + +<span class="sidenote-r"><sup>67</sup> Einzelne Seelen, ja Staatskörper gleichen organischen +Körpern; man zieht aus ihnen die innere +Luft heraus, so erquetscht sie der Dunstkreis; pumpt +man unter der Glocke die äußere widerstehende +hinweg, so schwellen sie von innerer über und zerplatzen. +Demnach behalte jeder Staat inneren und +äußeren Widerstand zugleich.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_118">118</a></span> +Morgenbrezeln heraufbrachte – weil ich gesagt +hatte: »Johann, zwei Portionen!« – so +sagte sie zu ihm: er verbände sie sehr damit, +und hieß ihn Herr Johann.</p> + +<p>Bergelchen – mehr in Marktflecken als +Hauptstädten aufgewachsen – wurde ordentlich +bestürzt über die Kaffeebretter, Waschtische, +Papiertapeten, Wandleuchter, alabasterne +Schreibzeuge mit ägyptischen Sinnbildern +und über den vergoldeten Klingeldrahtsknopf, +den ja jeder abdrehen und einstecken +konnte. Daher hatte sie nicht den Mut, +durch den Saal voll Kronleuchter zu gehen, +bloß weil ein pfeifender, vornehmer Federhut +darin auf- und abspazierte. Ja, ihrem armen +Herzen wurde ordentlich die Brust zur Schnürbrust, +wenn sie zum Fenster hinaus auf so +viele geputzte und fahrende Städter guckte +(ich pfiff frisch ein gaskonisches Liedchen darunter +hinein) – und wenn sie daran dachte, + +<span class="sidenote-l"><sup>19</sup> Mehr als ein Schriftsteller hat es hinter Hermes +nachversucht, das Beispiel der Gattinnen und Ärzte, +welche einem Trunkenbold das Lieblingsgetränk auf +immer durch einen eingeschwärzten, krepierten Frosch</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_119">119</a></span> +wie sie nachher samt mir mitten durch dieses +blendende Vorzimmergewühl brechen müßte. +Hier verfangen Schlüsse noch weniger als +Beispiele. Ich wollte mein Bergelchen durch +einige meiner nächtlichen Traumgigantesken +heben – z. B. durch die, daß ich auf einem +Walfisch reitend mit einer Dreizacksgabel drei +Adler gespießet und gespeiset, und durch dergleichen; +aber ich machte keinen Effekt, vielleicht, +weil ich eben dadurch dem furchtsamen +Frauenherzen das Schlachtfeld näher als den +Sieger, den Abgrund näher als den Springer +darüber vor das Auge geschoben.</p> + +<p>Jetzt wurde mir ein Pack Zeitungen gebracht, +voll lauter kräftigster Siege. Obgleich +diese nur auf der einen Seite vorfallen und +auf der anderen ebenso viele Niederlagen +vorkommen: so verquicken doch jene sich mehr +mit meinen Blute als diese, und flößen mir +– wie sonst Schillers Räuber – eine wunderbare + +<span class="sidenote-r">oder durch Brechweinstein zu verleiden wußten, +nachzuahmen und auf ähnliche Weise dem heißhungrigen +Romanenleser den Roman durch häufige +in denselben eingebrockte Predigten, Moralien und</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_120">120</a></span> +Neigung ein, irgend jemand auf der +Stelle zu dreschen und zu fegen. Unglücklicherweise +für den Kellner hatte dieser sich eben +wie ein Herr dreimalige Klingelorder zum +Marsche geben lassen, bevor er sich mobil und +herauf gemacht. »Herr,« – fing ich an, den +Kopf voll Schlachtfelder und den Arm voll +Triebe ihn abzuklopfen, und Berga fürchtete +alles, da ich das ihr bekannte Zorn- und +Alarmzeichen gab, nämlich die Mütze hinten +am Hinterkopfe in die Höhe stieß – »ist das +Manier gegen Gäste? Warum kommt Er +nicht prompt? Komm' Er mir nicht wieder +so und geh' Er, Freund!« – Ungeachtet sein +Rückzug mein Sieg war, so kanonierte ich +doch noch auf der Wahlstatt lebhaft fort und +feuerte desto lauter (er sollt' es hören), je +mehr Treppen er hinuntergeflogen. Bergelchen +– die sich ganz entsetzte über mein Ergrimmen, +zumal in einem ganz fremden Hause + +<span class="sidenote-l">Langweilen (dergleichen sollte krepierte Frösche vorstellen) +dermaßen zu versalzen und zu verekeln, daß +er dann nach keinem Romane mehr griffe. – – +Aber der Ekel verfing wenig; und Hermesen selber</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_121">121</a></span> +und über einen vornehmen Putzbengel mit +Seidenschurz – suchte alle ihre sanften Worte +hervor gegen wilde einer Kriegsgurgel und +gab mir Gefahren zu bedenken. »Gefahren«, +versetzt' ich, »wünscht' ich ja eben, nur gibt's +keine für den Mann, stets wird er ihnen entweder +obsiegen oder entspringen, entweder die +Stirn bieten oder den Rücken.«</p> + +<p>Ich konnte kaum aufhören mich zu erbittern, +so süß war mir's, und so sehr fühlt' ich mich +vom Zornfeuer erfrischt und in der Brust +wie von einem Geierfelle lind geheizt. Es +gehört auch allerdings unter die unerkannten +Wohltaten – worüber man sonst predigte, +daß man nie mehr in seinem Himmel und +<i>monplaisir</i> (ein Lustschloß) ist, als so recht im +Toben und Grimm.</p> + +<p>Und wurde der ganze Vormittagsmorgen +mit Beschauen und Behandeln verbracht; und +zwar am längsten in der breiten Gasse unseres + +<span class="sidenote-r">glückt es am wenigsten, eher noch seinen Nachfolgern, +bei denen der Wein sich weniger im Geschmacke +von dem Brechwein unterschied, den sie +dazu gegossen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_122">122</a></span> +Hotels. Berga sollte sich erst ins Marktgedränge +einschießen; sie sollte erst einsehen, +daß sie mehr »nach der Modi«, mit ihr zu +reden, aufgeschmückt sei, als hundert andere +ihres Ungleichen. Aber bald vergaß sie über +den Haushalt den Aufputz und auf dem +Töpfermarkte den Nachttisch.</p> + +<p>Nach dem Mittagsessen (auf unserem Zimmer) +kamen wir aus dem Fegfeuer des Meßgetümmels, +wo Berga an jeder Bude etwas +zu bestellen und ihrer Nachtreterin etwas aufzuladen +hatte, endlich im Himmel an, in der +sogenannten Hundewirtschaft, wie das beste +Flätzer Wirts- und Lusthaus außer der Stadt +sich nennt, wo Messenszeiten Hunderte einkehren, +um Tausende vorbeigehen zu sehen. +Schon unterwegs wuchs meinem Weibchen +als meinem Ellenbogenefeu dermaßen der Mut, +daß sie unter dem Tore, wo ich mich, da nach +der bekannten militärischen Prozeßordnung +nicht nahe an der Schildwache vorübergegangen +werden darf, deshalb auf die entgegengesetzte +Seite hinwarf, ruhig dicht am +Schieß- und Stechgewehr der Torwache vorüberstrich. +<span class="pagenum"><a name="Page_123">123</a></span>Draußen konnt' ich ihr den umketteten, +vergitterten, riesenhaften, schon außen mit +Treppen aufsteigenden Schabackerpalast mit +Fingern zeigen, worin ich gestern gehaust und +(vielleicht) gestürmt; »lieber den Riesen möcht' +ich begucken,« sagte sie, »und den Zwergen; +zu was sind wir denn mit ihnen unter einem +Dach?«</p> + +<p>Im Lusthause selber fanden wir hinlängliche +Lust, umrungen von blühenden Gesichtern +und Auen. Da setzt' ich mich heimlich in einem +fort über Schabackers Refus mit Erfolg hinweg +und machte mir überhaupt bis gegen +Mitternacht einen guten Tag; ich hatt' ihn +verdient, Berga noch mehr. Gleichwohl sollt' +ich noch nachts um ein Uhr eine <ins title="Winmühle">Windmühle</ins> +zu berennen bekommen, die freilich mit etwas +längeren, stärkeren und mehreren Armen +schlägt als ein Riese, wofür Don Quixote +eine solche Mühle gern angesehen hätte. Ich + +<span class="sidenote-l"><sup>8</sup> In großen Sälen wird der wahre Ofen in einen +zierlichen Scheinofen entlarvt; so ist es schicklich +und zierlich, daß sich die jungfräuliche <em class="gesperrt">Liebe</em> immer +in eine schöne, jungfräuliche Freundschaft verberge.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_124">124</a></span> +lasse nämlich auf dem Marktplatz aus Gründen, +die sich leichter denken als sagen, Bergelchen +um einige zwanzig vorausgehen, und +begebe mich aus gedachten Gründen ohne +Arg hinter eine versteckte Bude, die wohl die +Silberhütte und der Silberschrank eines rohen +Krämers sein mochte, und verweile davor +natürlich nach Umständen: – sieh, kommt +dahergerudert mit Spieß und Speer der +Budenwächter und münzt und prägt mich so +unversehens und unbesehen zu einem Schnapphahn +und Raubfisch seiner Budengassen aus, +obgleich der schwache Kopf nichts weiter sieht, +als daß ich in einer Ecke stehe und nichts +weniger tue als – nehmen. Ein Ehrgefühl +ohne Tallus ist für solche Angriffe niemals +abgestumpft. Nur aber, wie war einem Manne, +der nichts im Kopfe hat – höchstens jetzt +Bier statt Hirn – in der Nachmitternacht +Licht zu geben? –</p> + +<p>Ich verhehle mein Wagmittel nicht; ich +griff zum Fuchsschwanz, ich spiegelte ihm +nämlich vor, ich hätte einen sogenannten +Hieb, und wüßte in der Betrunkenheit mich +<span class="pagenum"><a name="Page_125">125</a></span>schlecht zu finden und zu halten – ich spielte +daher alles nach, was mir aus diesem Fache +zu Gesicht gekommen, schwankte hin und her, +setzte die Füße tanzmeisterlich auswärts, geriet +in Zickzacke hinein bei allem Aussegeln +nach gerader Linie, ja ich stieß meinen guten +Kopf (vielleicht einen der hellsten und leersten +der Nacht) als einen vollen gegen wahre +Pfosten. –</p> + +<p>Gleichwohl sah der Budenvogt, der vielleicht +öfter betrunken gewesen als ich, und +die Zeichen besser kannte, oder der es gar +selber in dieser Stunde war, die ganze Verstellung +für bloßes Blendwerk an und schrie +entsetzlich. »Halt, Strauchdieb, du hast keinen +Haarbeutel, du Windbeutel bist ja noch weniger +besoffen als ich! – Wir kennen uns +wohl länger. Steh! Ich komm dir nach. + +<span class="sidenote-r"><sup>12</sup> Die Völker lassen – als Widerspiele der Ströme, +die in der Ebene und Ruhe am meisten das Unreine +niederschlagen – gerade nur im stärksten Bewegen +das Schlechte fallen, und sie werden desto +schmutziger, je länger sie in trägen, platten Flächen +weiterschleichen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_126">126</a></span> +Willst du im Markt deine Diebesfinger haben? +– Steh, Hund, oder ich forciere dich!«</p> + +<p>Man sieht hier seinen ganzen Zustand; ich +entsprang zickzackig zwischen den Buden diesem +rohen Trunkenbolde so eilig, als ich konnte; +dennoch humpelte er mir nach. Aber meine +Teutoberga, die einiges gehört, rannte zurück, +faßte den betrunkenen Marktportier beim +Kragen und sagte, obwohl (nach Dorfweise) +zuschreiend: »Dummer Mann, schlaf' Er seinen +Rausch aus, oder ich zeig's Ihm! Weiß Er +denn, wen Er vor sich hat? Meinen Mann, +den Feldprediger Schmelzle unter dem Herrn +General und Minister von Schabacker bei +Pimpelstadt, Er Narr! Pfui, schäm' Er sich, +Kerl!« Der Wächter brummte: »Nichts für +ungut!« und taumelte davon. »O du Löwin,« +sagt' ich im Liebesrausch, »warum bist du +in keiner Todesgefahr, damit ich dir nur den +Löwen zeige als Gemahl?«</p> + +<p>So gelangten wir beide liebend nach Hause; + +<span class="sidenote-l"><sup>23</sup> Wenn die Natur das alte große Erdenrund, den +Erdenlaib von neuem durchknetet, um unter diesem +Pastetendeckel neue Gefüllsel und Zwerge hineinzubacken;</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_127">127</a></span> +und ich hätte vielleicht zum schönen Tage noch +den Nachsommer einer herrlichen Nachmitternacht +erlebt, hätte mich nicht der Teufel über +Lichtenbergs neunten Band, und zwar auf +die 206. Seite geführt, wo dieses steht: »Es +wäre doch möglich, daß einmal unsere Chemiker +auf ein Mittel gerieten, unsere Luft +plötzlich zu zersetzen, durch eine Art von Ferment. +So könnte die Welt untergehen.« Ach, +ja, wahrlich! Da die Erdkugel in der größeren +Luftkugel eingekapselt steckt: so erfinde +bloß ein chemischer Spitzbube auf irgendeiner +fernsten Spitzbubeninsel oder in Neuholland, +ein Zersetzmittel für die Luft, dem ähnlich, +was etwa ein Feuerfunke für einen Pulverkarren +ist: in wenig Stunden packt mich und +uns in Flätz der ungeheure, herschnaubende +Weltsturm bei der Gurgel, mein Atemholen +und dergleichen ist in Erstickluft vorbei, und +alles überhaupt vorbei. –</p> + +<p>Indes verbarg ich der treuen Seele jeden + +<span class="sidenote-r">so gibt sie meistens wie eine backende +Mutter ihrem Töchterchen zum Scherze etwas +weniges Pastetenteig davon (ein paar tausend Quadratmeilen</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_128">128</a></span> +Todesnachtgedanken, da sie mich doch entweder +nur schmerzlich nachempfunden oder +gar lustig ausgelacht hätte. Ich befahl bloß, +daß sie am Morgen (des Sonnabends) für +die zurückkehrende Landkutsche fertig und gestiefelt +dastände, sollt' ich anders ihren Wünschen +gemäß an die Überschwängerung mit +Räten, die ihr so am Herzen lag, früh genug +kommen. Sie war so freudig meiner Meinung, +daß sie gern den Jahrmarkt aufgab. Auch +ruht' ich ruhig, mit der Fußzehe an ihre +Finger geknüpft, die ganze Nacht hindurch.</p> + +<p>Der Dragoner nahm und zupfte mich am +Morgen heimlich beim Ohre und sagte mir +in dasselbe hinein, er habe ein lustiges Meßgeschenk +für seine Schwester vor und reite +deshalb auf seinem gestern vom Roßtäuscher +eingetauschten Rappen etwas früh voraus. +Ich bot ihm meinen Vordank.</p> + +<p>Am Morgen lief jeder lustig vom Stapel, + +<span class="sidenote-l">solchen Teigs sind genug für ein Kind) +irgendeiner Dichter-, oder Weisen-, oder Heldenseele +ab, damit das kleine Ding doch auch etwas +auszuformen und aufzustellen habe neben der Mutter.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_129">129</a></span> +ausgenommen ich; denn ich behielt noch immer, +auch vor dem besten Morgenrote das nächtliche +Teufelsferment und Zersetzmittel, meiner +Gehirnkugel sowohl als der Erdkugel, gärend +im Kopf; ein Beweis, daß die Nacht mich +und meine Furcht gar nichts hatte übertreiben +lassen. Der mir verdrießliche blinde +Passagier setzte sich auch wieder ein und sah +mich wie gewöhnlich an, doch ohne Effekt, +denn diesmal, wo ich Weltumwälzungen, nicht +bloß die meinigen, im Kopfe hatte, war mir +der Passagier mehr ein Spaß und Spuk; +da niemand unter Fußabsägen das Herzgespann +verspürt, oder unter dem Summen +der Kanonen sich gegen das der Wespen +wehrt, ebenso konnte mir ein Passagier mit +allen Brandbriefen, die etwa sein verdächtiges +Gesicht in meine noch späte Zukunft +wirft, bloß lächerlich zu einer Zeit vorkommen, +wo ich bedachte, das »Ferment« könne + +<span class="sidenote-r">Bekommen dann die Geschwister etwas von dem +Gebäcke des Schwesterchens, so klopfen sie alle in +die Hände und rufen: »Mutter, kannst du auch +so backen wie Viktoriechen?«</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_130">130</a></span> +ja mitten auf meinem Wege von Flätz nach +Neusattel von irgendeinem Amerikas, Europas +Manne, der ganz unschuldig versucht +und zersetzt, zufällig erfunden und losgelassen +werden. Die Frage, ja Preisfrage wäre aber +nun, inwiefern es seit Lichtenbergs Drohung +nicht etwa welt- und selbstmörderisch aussieht, +wenn aufgeklärte Potentaten scheidekünstlerischer +Völker es nicht ihren Scheidekünstlern, +die so leicht Leib von Seele scheiden +und Erde mit Himmel gatten, auferlegen, +keine andere chemische Versuche zu machen, +als die schon gemachten, die doch bisher den +Staaten weit mehr genützt als geschadet.</p> + +<p>Leider blieb ich in diesen jüngsten Tag +des Ferments mit allen Sinnen versunken, +ohne auf der ganzen Rückreise nach Neusattel +mehr zu erleben und zu bemerken, als daß +ich daselbst ankam, wo ich zugleich wieder den +blinden Passagier seines Weges gehen sah.</p> + +<p>Nur mein Bergelchen schaute ich in einem +fort unterwegs an, teils um sie noch solange +zu sehen, als Leben und Augen dauern, teils +um auch bei kleinster Gefahr derselben, es +<span class="pagenum"><a name="Page_131">131</a></span>sei nun eine große oder gar ein ganzes hereinstürzendes +Goldau und verzehrendes Weltgericht, +wenn nicht für sie, doch an ihr zu +sterben, und so, verknüpft mit ihr, ein geplagtes +und plagendes Leben hinzuwerfen, +worin ihr ohnehin nicht die Hälfte meiner +Wünsche für sie erfüllt worden.</p> + +<p>So wäre denn meine Reise an sich vollendet +– gekrönt mit einigen Historiolen – +vielleicht künftig noch belohnter durch euch, +ihr Freunde um Flätz herum, wenn ihr darin +etwa einige gutgeschliffene Jätemesser finden +solltet, womit ihr leichter das Lügenunkraut +ausreutet, das mich bis jetzt dem wackeren +Schabacker verbauet. – Nur sitzt mir noch +das verfluchte Ferment im Kopfe. Lebt denn +wohl, solange es noch Atmosphären einzuatmen +gibt. Ich wollt', ich hätte mir das +Ferment aus dem Kopfe geschlagen.</p> + +<p class="right"><span style="margin-right: 6em;">Euer</span><br /> +Attila Schmelzle.</p> + +<p>NS. Mein Schwager hat seine Sache +gut gemacht und Berga tanzt. Künftig das +Nähere! – –</p> + + + + +<div class="figcenter" style="width: 43px; margin: 8em auto 1em auto; page-break-after: auto;"> +<img src="images/emblem.png" width="43" height="68" alt="" title="" /> +</div> +<p class="center" style="font-size: 0.9em; margin: 1em auto 120px auto;"> +Gedruckt bei<br /> +Poeschel & Trepte<br /> +in Leipzig +</p> + +<div style='display:block;margin-top:4em'>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DES FELDPREDIGERS SCHMELZLE REISE ***</div> +<div style='display:block;margin:1em 0;'>This file should be named 27775-h.htm or 27775-h.zip</div> +<div style='display:block;margin:1em 0;'>This and all associated files of various formats will be found in https://www.gutenberg.org/2/7/7/7/27775/</div> +<div style='display:block; margin:1em 0'> +Updated editions will replace the previous one—the old editions will +be renamed. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright +law means that no one owns a United States copyright in these works, +so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United +States without permission and without paying copyright +royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part +of this license, apply to copying and distributing Project +Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ +concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, +and may not be used if you charge for an eBook, except by following +the terms of the trademark license, including paying royalties for use +of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for +copies of this eBook, complying with the trademark license is very +easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation +of derivative works, reports, performances and research. Project +Gutenberg eBooks may be modified and printed and given away--you may +do practically ANYTHING in the United States with eBooks not protected +by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the trademark +license, especially commercial redistribution. +</div> + +<div style='margin:0.83em 0; font-size:1.1em; text-align:center'>START: FULL LICENSE<br /> +<span style='font-size:smaller'>THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE<br /> +PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK</span> +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +To protect the Project Gutenberg™ mission of promoting the free +distribution of electronic works, by using or distributing this work +(or any other work associated in any way with the phrase “Project +Gutenberg”), you agree to comply with all the terms of the Full +Project Gutenberg™ License available with this file or online at +www.gutenberg.org/license. +</div> + +<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> +Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg™ electronic works +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg™ +electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to +and accept all the terms of this license and intellectual property +(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all +the terms of this agreement, you must cease using and return or +destroy all copies of Project Gutenberg™ electronic works in your +possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a +Project Gutenberg™ electronic work and you do not agree to be bound +by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person +or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.B. “Project Gutenberg” is a registered trademark. It may only be +used on or associated in any way with an electronic work by people who +agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few +things that you can do with most Project Gutenberg™ electronic works +even without complying with the full terms of this agreement. See +paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project +Gutenberg™ electronic works if you follow the terms of this +agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg™ +electronic works. See paragraph 1.E below. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation (“the +Foundation” or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection +of Project Gutenberg™ electronic works. Nearly all the individual +works in the collection are in the public domain in the United +States. If an individual work is unprotected by copyright law in the +United States and you are located in the United States, we do not +claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, +displaying or creating derivative works based on the work as long as +all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope +that you will support the Project Gutenberg™ mission of promoting +free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg™ +works in compliance with the terms of this agreement for keeping the +Project Gutenberg™ name associated with the work. You can easily +comply with the terms of this agreement by keeping this work in the +same format with its attached full Project Gutenberg™ License when +you share it without charge with others. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern +what you can do with this work. Copyright laws in most countries are +in a constant state of change. If you are outside the United States, +check the laws of your country in addition to the terms of this +agreement before downloading, copying, displaying, performing, +distributing or creating derivative works based on this work or any +other Project Gutenberg™ work. The Foundation makes no +representations concerning the copyright status of any work in any +country other than the United States. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.E.1. The following sentence, with active links to, or other +immediate access to, the full Project Gutenberg™ License must appear +prominently whenever any copy of a Project Gutenberg™ work (any work +on which the phrase “Project Gutenberg” appears, or with which the +phrase “Project Gutenberg” is associated) is accessed, displayed, +performed, viewed, copied or distributed: +</div> + +<blockquote> + <div style='display:block; margin:1em 0'> + This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most + other parts of the world at no cost and with almost no restrictions + whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms + of the Project Gutenberg License included with this eBook or online + at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you + are not located in the United States, you will have to check the laws + of the country where you are located before using this eBook. + </div> +</blockquote> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.E.2. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is +derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not +contain a notice indicating that it is posted with permission of the +copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in +the United States without paying any fees or charges. If you are +redistributing or providing access to a work with the phrase “Project +Gutenberg” associated with or appearing on the work, you must comply +either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or +obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg™ +trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.E.3. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is posted +with the permission of the copyright holder, your use and distribution +must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any +additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms +will be linked to the Project Gutenberg™ License for all works +posted with the permission of the copyright holder found at the +beginning of this work. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg™ +License terms from this work, or any files containing a part of this +work or any other work associated with Project Gutenberg™. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this +electronic work, or any part of this electronic work, without +prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with +active links or immediate access to the full terms of the Project +Gutenberg™ License. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, +compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including +any word processing or hypertext form. However, if you provide access +to or distribute copies of a Project Gutenberg™ work in a format +other than “Plain Vanilla ASCII” or other format used in the official +version posted on the official Project Gutenberg™ website +(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense +to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means +of obtaining a copy upon request, of the work in its original “Plain +Vanilla ASCII” or other form. Any alternate format must include the +full Project Gutenberg™ License as specified in paragraph 1.E.1. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, +performing, copying or distributing any Project Gutenberg™ works +unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing +access to or distributing Project Gutenberg™ electronic works +provided that: +</div> + +<div style='margin-left:0.7em;'> + <div style='text-indent:-0.7em'> + • You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from + the use of Project Gutenberg™ works calculated using the method + you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed + to the owner of the Project Gutenberg™ trademark, but he has + agreed to donate royalties under this paragraph to the Project + Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid + within 60 days following each date on which you prepare (or are + legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty + payments should be clearly marked as such and sent to the Project + Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in + Section 4, “Information about donations to the Project Gutenberg + Literary Archive Foundation.” + </div> + + <div style='text-indent:-0.7em'> + • You provide a full refund of any money paid by a user who notifies + you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he + does not agree to the terms of the full Project Gutenberg™ + License. You must require such a user to return or destroy all + copies of the works possessed in a physical medium and discontinue + all use of and all access to other copies of Project Gutenberg™ + works. + </div> + + <div style='text-indent:-0.7em'> + • You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of + any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the + electronic work is discovered and reported to you within 90 days of + receipt of the work. + </div> + + <div style='text-indent:-0.7em'> + • You comply with all other terms of this agreement for free + distribution of Project Gutenberg™ works. + </div> +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project +Gutenberg™ electronic work or group of works on different terms than +are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing +from the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the manager of +the Project Gutenberg™ trademark. Contact the Foundation as set +forth in Section 3 below. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.F. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable +effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread +works not protected by U.S. copyright law in creating the Project +Gutenberg™ collection. Despite these efforts, Project Gutenberg™ +electronic works, and the medium on which they may be stored, may +contain “Defects,” such as, but not limited to, incomplete, inaccurate +or corrupt data, transcription errors, a copyright or other +intellectual property infringement, a defective or damaged disk or +other medium, a computer virus, or computer codes that damage or +cannot be read by your equipment. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the “Right +of Replacement or Refund” described in paragraph 1.F.3, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project +Gutenberg™ trademark, and any other party distributing a Project +Gutenberg™ electronic work under this agreement, disclaim all +liability to you for damages, costs and expenses, including legal +fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT +LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE +PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE +TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE +LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR +INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH +DAMAGE. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a +defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can +receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a +written explanation to the person you received the work from. If you +received the work on a physical medium, you must return the medium +with your written explanation. The person or entity that provided you +with the defective work may elect to provide a replacement copy in +lieu of a refund. If you received the work electronically, the person +or entity providing it to you may choose to give you a second +opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If +the second copy is also defective, you may demand a refund in writing +without further opportunities to fix the problem. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth +in paragraph 1.F.3, this work is provided to you ‘AS-IS’, WITH NO +OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT +LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied +warranties or the exclusion or limitation of certain types of +damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement +violates the law of the state applicable to this agreement, the +agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or +limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or +unenforceability of any provision of this agreement shall not void the +remaining provisions. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the +trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone +providing copies of Project Gutenberg™ electronic works in +accordance with this agreement, and any volunteers associated with the +production, promotion and distribution of Project Gutenberg™ +electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, +including legal fees, that arise directly or indirectly from any of +the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this +or any Project Gutenberg™ work, (b) alteration, modification, or +additions or deletions to any Project Gutenberg™ work, and (c) any +Defect you cause. +</div> + +<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> +Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™ +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of +electronic works in formats readable by the widest variety of +computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It +exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations +from people in all walks of life. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s +goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg™ and future +generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see +Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. +</div> + +<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by +U.S. federal laws and your state’s laws. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, +Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up +to date contact information can be found at the Foundation’s website +and official page at www.gutenberg.org/contact +</div> + +<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> +Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread +public support and donations to carry out its mission of +increasing the number of public domain and licensed works that can be +freely distributed in machine-readable form accessible by the widest +array of equipment including outdated equipment. Many small donations +($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt +status with the IRS. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +The Foundation is committed to complying with the laws regulating +charities and charitable donations in all 50 states of the United +States. Compliance requirements are not uniform and it takes a +considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up +with these requirements. We do not solicit donations in locations +where we have not received written confirmation of compliance. To SEND +DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state +visit <a href="https://www.gutenberg.org/donate/">www.gutenberg.org/donate</a>. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +While we cannot and do not solicit contributions from states where we +have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition +against accepting unsolicited donations from donors in such states who +approach us with offers to donate. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +International donations are gratefully accepted, but we cannot make +any statements concerning tax treatment of donations received from +outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +Please check the Project Gutenberg web pages for current donation +methods and addresses. Donations are accepted in a number of other +ways including checks, online payments and credit card donations. To +donate, please visit: www.gutenberg.org/donate +</div> + +<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> +Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +Professor Michael S. Hart was the originator of the Project +Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be +freely shared with anyone. For forty years, he produced and +distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of +volunteer support. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in +the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not +necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper +edition. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +Most people start at our website which has the main PG search +facility: <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. +</div> + +<div style='display:block; margin:1em 0'> +This website includes information about Project Gutenberg™, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. +</div> + +</body> +</html> diff --git a/27775-h/images/bartscheerer.png b/27775-h/images/bartscheerer.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..29bdad2 --- /dev/null +++ b/27775-h/images/bartscheerer.png diff --git a/27775-h/images/blitzschirm.png b/27775-h/images/blitzschirm.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..494059c --- /dev/null +++ b/27775-h/images/blitzschirm.png diff --git a/27775-h/images/bloss_sanft.png b/27775-h/images/bloss_sanft.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..d922835 --- /dev/null +++ b/27775-h/images/bloss_sanft.png diff --git a/27775-h/images/emblem.png b/27775-h/images/emblem.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..9946433 --- /dev/null +++ b/27775-h/images/emblem.png diff --git a/27775-h/images/flucht.png b/27775-h/images/flucht.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..f26c250 --- /dev/null +++ b/27775-h/images/flucht.png diff --git a/27775-h/images/knecht.png b/27775-h/images/knecht.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..caedd5e --- /dev/null +++ b/27775-h/images/knecht.png diff --git a/27775-h/images/liedchen.png b/27775-h/images/liedchen.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..ffba5a5 --- /dev/null +++ b/27775-h/images/liedchen.png diff --git a/27775-h/images/riese.png b/27775-h/images/riese.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..b617227 --- /dev/null +++ b/27775-h/images/riese.png diff --git a/27775-h/images/schmelzle.png b/27775-h/images/schmelzle.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..0581293 --- /dev/null +++ b/27775-h/images/schmelzle.png diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize +this eBook outside of the United States should confirm copyright +status under the laws that apply to them. diff --git a/README.md b/README.md new file mode 100644 index 0000000..1f5376e --- /dev/null +++ b/README.md @@ -0,0 +1,2 @@ +Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for +eBook #27775 (https://www.gutenberg.org/ebooks/27775) diff --git a/old/27775-8.txt b/old/27775-8.txt new file mode 100644 index 0000000..5d87ac7 --- /dev/null +++ b/old/27775-8.txt @@ -0,0 +1,2917 @@ +The Project Gutenberg EBook of Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach +Flätz mit fortgehenden Noten, by Jean Paul + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz mit fortgehenden Noten + +Author: Jean Paul + +Illustrator: Karl Thylmann + +Release Date: January 12, 2009 [EBook #27775] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DES FELDPREDIGERS SCHMELZLE REISE *** + + + + +Produced by Norbert H. Langkau, Itay Perl, Jana Srna and +the Online Distributed Proofreading Team at +https://www.pgdp.net + + + + + + + + [ Anmerkungen zur Transkription: + + Im Original gesperrt gedruckter Text wurde mit = markiert. + Im Original nicht in Fraktur gedruckter Text wurde mit _ markiert. + + Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen; + lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Eine Liste + der vorgenommenen Änderungen findet sich am Ende des Textes. + + Die »fortgehenden Noten« (siehe die Vorrede des Verfassers, Punkt 2) + wurden an ihren ursprünglichen Stellen im Text belassen. Um sie vom + Haupttext abzusetzen und damit die Lesbarkeit zu erhöhen, wurden sie + vier Zeichen eingerückt. + ] + + + + + [Illustration: Attila Schmelzle] + + + + + Des + Feldpredigers Schmelzle + Reise nach Flätz + mit fortgehenden Noten; + von + Jean Paul. + + + + Leipzig + Kurt Wolff Verlag + 1917. + + + + Mit acht Kupfern + von + Karl Thylmann + + + 2. Abdruck + + + + +Vorrede des Verfassers. + + +Ich glaube, mit drei Worten ist sie gemacht, so wie der Mensch und seine +Buße aus ebenso vielen Teilen. + +1) Das erste Wort ist über den Zirkelbrief des Feldpredigers Schmelzle +zu sagen, worin er seinen Freunden seine Reise nach der Hauptstadt +Flätz beschreibt, nachdem er in einer Einleitung einige Beweise und +Versicherungen seines Mutes vorausgeschickt. Eigentlich ist selber die +Reise nur dazu bestimmt, seine vom Gerüchte angefochtene Herzhaftigkeit +durch lauter Tatsachen zu bewähren, die er darin erzählt. Ob es nicht +inzwischen feine Nasen von Lesern geben dürfte, welche aus einigen +darunter gerade umgekehrt schließen, seine Brust sei nicht überall +bombenfest, wenigstens auf der linken Seite, darüber lass' ich mein +Urteil schweben. + +Übrigens bitte ich die Kunstkenner sowie ihren Nachtrab, die +Kunstrichter, diese Reise, für deren Kunstgehalt ich als Herausgeber +verantwortlich werde, bloß für ein Porträt (im französischen Sinne), +für ein Charakterstück zu halten. Es ist ein will- oder unwillkürliches +Luststück, bei dem ich so oft gelacht, daß ich mir für die Zukunft +ähnliche Charaktergemälde zu machen vorgesetzt. -- Wann könnte indes ein +solches Luststückchen schicklicher der Welt ausgestellt und beschert +werden, als eben in Zeiten, wo schweres Geld und leichtes Gelächter +fast ausgeklungen haben, zumal da wir jetzt wie Türken bloß mit Beuteln +rechnen und zahlen (der Inhalt ist heraus) und mit Herzbeuteln (der +Inhalt ist darin)? -- + +Verächtlich würde mir's vorkommen, wenn irgendein roher Tintenknecht +rügend und öffentlich anfragte, auf welchen Wegen ich zu diesem +Selbst-Kabinetts-Stücke Schmelzles gekommen sei. Ich weiß sie gut und +sage sie nicht. Dieses fremde Luststück, wofür ich allerdings (mein +Verleger bezeugt's) den Ehrensold selber beziehe, überkam ich so +rechtlich, daß ich unbeschreiblich ruhig erwarte, was der Feldprediger +gegen die Herausgabe sagt, falls er nicht schweigt. Mein Gewissen bürgt +mir, daß ich wenigstens auf ehrlicheren Wegen zu diesem Besitztume +gekommen, als die sind, auf denen Gelehrte mit den Ohren stehlen, welche +als geistige Hörsaalshausdiebe und Kathederschnapphähne und Kreuzer die +erbeuteten Vorlesungen in den Buchdruckereien ausschiffen, um sie im +Lande als eigene Erzeugnisse zu verhandeln. Noch hab' ich wenig mehr in +meinem Leben gestohlen, als jugendlich zuweilen -- Blicke. + +2) Das zweite Wort soll die auffallende, mit einem Notensouterrain +durchbrochene Gestalt des Werkleins entschuldigen. Sie gefällt mir +selber nicht. Die Welt schlage auf und schaue hinein und entscheide +ebenfalls. Aber folgender Zufall zog diese durch das ganze Buch +streichende Teilungslinie: ich hatte meine eigenen Gedanken (oder +Digressionen), womit ich die des Feldpredigers nicht stören durfte, und +die bloß als Noten hinter der Linie fechten konnten, aus Bequemlichkeit +in ein besonderes Manuskript zusammengeschrieben, und jede Note +ordentlich, wie man sieht, mit ihrer Nummer versehen, die sich bloß auf +die Seitenzahl des fremden Hauptmanuskripts bezog; ich hatte aber bei +dem Kopieren des letzteren vergessen, in den Text selber die +entsprechende einzuschreiben. Daher werfe niemand, sowenig als ich, +einen Stein auf den guten Setzer, daß dieser -- vielleicht in der +Meinung, es gehöre zu meiner Manier, worin ich etwas suchte -- die Noten +geradeso, wie sie ohne Rangordnung der Zahlen untereinander standen, +unter den Text hinsetzte, jedoch durch ein sehr lobenswürdiges +künstliches Ausrechnen wenigstens dafür sorgte, daß unter jede Textseite +etwas von solchem glänzenden Notenniederschlag käme. -- -- Nun, die +Sache ist einmal geschehen, ja verewigt, nämlich gedruckt. Am Ende +sollte ich mich eigentlich darüber erfreuen. In der Tat -- und hätt' +ich jahrelang darauf gesonnen (wie ich's bisher seit zwanzigen getan), +um für meine Digressionskometenkerne neue Lichthülsen, wenn nicht +Zugsonnen, für meine Episoden neue Epopöen zu erdenken: schwerlich +hätt' ich für solche Sünden einen besseren und geräumigeren Sündenbalg +erfunden, als hier Zufall und Setzer fertig gemacht darreichen. Ich habe +nur zu beklagen, daß die Sache gedruckt worden, eh' ich Gebrauch davon +machen können. Himmel! welche fernsten Anspielungen (hätt' ich's vor +dem Drucke gewußt) wären nicht in jeder Textseite und Notennummer zu +verstecken gewesen, und welche scheinbare Unangemessenheit in die +wirkliche Gemessenheit und ins Notenuntere der Karten; wie empfindlich +und boshaft wäre nicht die Höhe und auf die Seite herauszuhauen gewesen, +aus den sicheren Kasematten und Miniergängen unten, und welche _laesio +ultradimidium_ (Verletzung über die Hälfte des Textes) wäre nicht mit +satirischen Verletzungen zu erfüllen und zu ergänzen gewesen! + +Aber das Schicksal wollte mir nicht so gut; ich sollte von diesem +goldenen Handwerksboden für Satiren erst etwas erfahren drei Tage vor +der Vorrede. + +Vielleicht aber holt die Schreibwelt -- bei dem Flämmchen dieses Zufalls +-- eine wichtigere Ausbeute, einen größeren unterirdischen Schatz +herauf, als leider ich gehoben; denn nun ist dem Schriftsteller ein Weg +gezeigt, in einem Marmorbande ganz verschiedene Werke zu geben, auf +einem Blatte zugleich für zwei Geschlechter, ohne deren Vermischung, ja +für fünf Fakultäten zugleich, ohne deren Grenzverrückung, zu schreiben, +indem er, statt ein ekles, gärendes Allerlei für niemand zu brauen, bloß +dahin arbeitet, daß er Notenlinien oder Demarkationslinien zieht und so +auf dem nämlichen fünfstöckigen Blatte die unähnlichsten Köpfe behauset +und bewirtet. Vielleicht läse dann mancher ein Buch zum vierten Male, +bloß, weil er jedesmal nur ein Viertel gelesen. + +Wenigstens den Wert hat dieses Werk, daß es ein Werkchen ist, und klein +genug; so daß es, hoff' ich, jeder Leser fast schon im Buchladen schnell +durchlaufen und auslesen kann, ohne es, wie ein dickes, erst deshalb +kaufen zu müssen. -- Und warum soll denn überhaupt auf der Körperwelt +etwas anderes groß sein, als nur das, was nicht zu ihr gehört, die +Geisterwelt? -- + + =Baireuth=, + im Heu- und Friedensmonat 1807. + + =Jean Paul Fr. Richter.= + + +[Illustration: Der Blitzschirm ist nämlich ganz der Reimarus'sche] + + + + +Zirkelbrief des vermutlichen katechetischen Professors =Attila +Schmelzle= an seine Freunde, eine Ferienreise nach Flätz enthaltend, +samt einer Einleitung, sein Davonlaufen und seinen Mut als voriger +Feldprediger betreffend. + + +Nichts ist wohl lächerlicher, meine werten Freunde, als wenn man +einen Mann für einen Hasen ausgibt, der vielleicht gerade mit den +entgegengesetzten Fehlern eines Löwen kämpft, wiewohl nun auch der +afrikanische Leu seit Sparrmanns Reise als ein Feigling zirkuliert. +Ich bin indes in diesem Falle, Freunde, wovon ich später reden werde, +ehe ich meine + + [103] Gute Fürsten bekommen leicht gute Untertanen (nicht so leicht + diese jene); so wie Adam im Stande der Unschuld die Herrschaft über + die Tiere hatte, die alle zahm waren und blieben, bis sie bloß mit + ihm verwilderten und fielen. + +Reise beschreibe. Ihr freilich wißt alle, daß ich gerade umgekehrt den +Mut und den Waghals (ist er nur sonst kein Grobian) vergöttere, zum +Beispiel meinen Schwager, den Dragoner, der wohl nie in seinem Leben +einen Menschen allein ausgeprügelt; sondern immer einen ganzen geselligen +Zirkel zugleich. Wie furchtbar war nicht meine Phantasie schon in der +Kindheit, wo ich, wenn der Pfarrer die stumme Kirche in einem fort +anredete, mir oft den Gedanken: »wie, wenn du jetzt geradezu aus dem +Kirchenstuhle hinauf schrieest: ich bin auch da, Herr Pfarrer!« so +glühend ausmalte, daß ich vor Grausen hinaus mußte! -- So etwas wie +Rugendas' Schlachtstücke -- entsetzliches Mordgetümmel -- Seetreffen und +Landstürme bei Toulon -- auffliegende Flotten -- und in der Kindheit +Prager Schlachten auf Klavieren -- und kurz, jede Karte von einem +reichen Kriegsschauplatz; dies sind vielleicht zu sehr meine +Liebhabereien und ich lese -- und kaufe nichts lieber; es könnte + + [5] Denn ein guter Arzt rettet, wenn nicht immer von der Krankheit, + doch von einem schlechten Arzt. + +mich oft zu manchem versuchen, hielt mich nicht meine Lage aufrecht. +Soll indes rechter Mut etwas Höheres sein, als bloßes Denken und Wollen: +so genehmigt ihr es am ersten, Werteste, wenn auch der meinige einst +dadurch in tätige Worte ausbrechen will, daß ich meinen künftigen +Katecheten, so gut es in Vorlesungen möglich, zu christlichen Heroen +stähle. -- Es ist bekannt, daß ich immer, wenigstens zehn Acker weit, +von jedem Ufer voll Badegäste und Wasserschwimmer fern spazieren gehe, +um für mein Leben zu sorgen, bloß weil ich voraussehe, daß ich, falls +einer davon ertrinken wollte, ohne weiteres (denn das Herz überflügelt +den Kopf) ihm, dem Narren, rettend nachspringen würde, in irgendeine +bodenlose Tiefe hinein, wo wir beide ersöffen. -- Und wenn das Träumen +der Widerschein des Wachens ist, so frag' ich euch, Treue, erinnert ihr +euch nicht mehr, daß ich euch Träume von mir erzählt habe, deren sich +kein Cäsar, Alexander und + + [100] Die Bücher liegen voll Phönixasche eines tausendjährigen + Reichs und Paradieses; aber der Krieg weht und viel Asche verstäubt. + +Luther schämen darf? Hab' ich nicht -- um nur an einige zu erinnern -- +Rom gestürmt und mich mit dem Papste und dem Elefantenorden des +Kardinalkollegiums zugleich duelliert? Bin ich nicht zu Pferde, worauf +ich als Revuezuschauer gesessen, in ein _bataillon quarré_ eingebrochen +und habe in Aachen die Perücke Karls des Großen, wofür die Stadt +jährlich zehn Rtlr. Frisiergeld zahlt, und darauf in Halberstadt von +Gleim Friedrichs Hut erobert, und beide aufeinander aufgesetzt und habe +mich doch noch umgekehrt, nachdem ich vorher auf einem erstürmten Walle +die Kanone gegen den Kanonier selber umgekehrt? -- habe ich nicht mich +beschneiden und doch als Jude mich zählen lassen, und mit Schinken +bewirten, wiewohl's Affenschinken am Orinoko waren (nach Humboldt)? Und +tausend dergleichen; denn zum Beispiel den Flätzer Konsistorialpräsidenten +hab' ich aus dem Schloßfenster geworfen -- Knall- oder Allarmfidibus von + + [102] Lieber politischer und religiöser Inquisitor! Die Turiner + Lichtchen leuchten ja erst recht, wenn du sie zerbrichst, und zünden + dann sogar. + +Heinrich Backofen in Gotha, das Dutzend zu 6 Gr., und jeder wie eine +Kanone knallschlagend, hab' ich so ruhig angehört, daß die Fidibus mich +nicht einmal aufweckten -- und mehr. + +Doch genug! Es ist Zeit, mit wenigem die Verleumdung meines +Feldpredigeramtes, die leider auch in Flätz umläuft, bloß dadurch, wie +ein Cäsar den Alexander zu zerstäuben, daß ich sie berühre. Es sei daran +wahr was wolle, es ist immer wenig oder gar nichts. Euer großer Minister +und General in Flätz -- vielleicht der größte überall -- denn es gibt +nicht viele Schabacker -- konnte allerdings wie jeder große Mann gegen +mich eingenommen werden, doch nicht mit dem Geschütz der Wahrheit; denn +letzteres stell' ich euch hierher, ihr Herzen, und drückt ihr's nur zu +meinem Besten ab! Es laufen nämlich im Flätzischen unsinnige Gerüchte +um, daß ich aus bedeutenden Schlachten Reißaus genommen + + [86] So wahr! In der Jugend liebt und genießt man unähnliche Freunde + fast mehr, als im Alter die ähnlichsten. + +(so pöbelhaft spricht man), und daß nachher, als man Feldprediger +zu Dank- und Siegespredigten gesucht, nichts zu haben gewesen. Das +Lächerliche davon erhellt wohl am besten, wenn ich sage, daß ich in gar +keinem Treffen gewesen bin, sondern mehrere Stunden vor demselben mich +so viele Meilen rückwärts dahin gezogen habe, wo mich unsere Leute, +sobald sie geschlagen worden, notwendig treffen mußten. Zu keiner Zeit, +ist der Rückzug wohl so gut -- ein guter aber wird für das Meisterstück +der Kriegskunst gehalten -- und mit solcher Ordnung, Stärke und Sicherheit +zu machen, als eben vor dem Treffen, wo man ja nicht geschlagen ist. + +Ich könnte zwar als hoffentlicher Professor der Katechetik zu solchen +Verumfeiungen meines Mutes still sitzen und lächeln -- denn schmied' ich +meine künftigen Katecheten durch sokratisches Fragen zum Weiterfragen +zu: so hab' ich sie zu Helden gehärtet, da nichts gegen sie zu Felde +zieht als Kinder -- Katecheten + + [128] In der Liebe gibt's Sommerferien; aber in der Ehe gibt's auch + Winterferien, hoff' ich. + +dürfen ohnehin Feuer fürchten, nur Licht nicht, da in unseren Tagen wie +in London die Fenster eingeworfen werden, wenn sie nicht erleuchtet +sind, anstatt daß es sonst den Völkern mit dem Lichte ging wie den +Hunden mit dem Wasser, die, wenn man ihnen lange keins gibt, endlich die +Scheu vor dem Wasser bekommen -- und überhaupt säuselt für Katecheten +jeder Park lieblicher und wohlriechender als ein schwefelhafter +Artilleriepark, und der Kriegsfuß, worauf die Zeit gesetzt wird, ist +ihnen der wahre teuflische Pferdefuß der Menschheit. -- -- + +Aber ich denke anders -- ordentlich als wäre der Patengeist des +Taufnamen Attila mehr, als sich's gehört, in mich gefahren, ist + + [143] Die Weiber haben wöchentlich wenigstens einen aktiven und + passiven =Neids=tag, den heiligen, den Sonntag; -- nur die höhern + Stände haben mehr Sonn- als Werkeltage, so wie man in großen Städten + seinen Sonntag schon Freitags mit einem Türken feiern kann, Sonnabends + mit einem Juden, Sonntags mit sich selbst. Weiber gleichen köstlichen + Arbeiten aus Elfenbein, nichts ist weißer und glätter und nichts wird + leichter gelb. + +mir daran gelegen, immer nur meinen Mut zu beweisen, was ich denn hier +wieder mit einigen Zeilen tun will, teuerste Freunde! Ich könnte diese +Beweise schon durch bloße Schlüsse und gelehrte Zitate führen. Zum +Beispiel wenn Galen bemerkt, daß Tiere mit großen Hinterbacken +schüchtern sind: so brauch' ich bloß mich umzuwenden und dem Feinde nur +den Rücken -- und was darunter ist -- zu zeigen, wenn er sehen soll, +daß es mir nicht an Tapferkeit fehlt, sondern an Fleisch. -- Wenn nach +bekannten Erfahrungen Fleischspeisen herzhaft machen: so kann ich +dartun, daß ich hierin keinem Offizier nachstehe, welcher bei seinem +Speisewirt große Bratenrechnungen nicht nur machen, sondern auch +unsaldiert bestehen läßt, um zu jeder Stunde, sogar bei seinem Feinde +selber (dem Wirte), ein offenes Dokument zu haben, daß er das Seinige +(und Fremdes dazu) gegessen, und gemeines Fleisch auf den Kriegsfuß +gesetzt, + + [34] Nur die kleinen Tapeten- und Hintertüren sind die Gnadentüren; + das große Tor ist die Ungnadentüre, die Flügeltüren sind halbe + Januspforten. + +lebend nicht, wie ein anderer, von Tapferkeit, sondern für Tapferkeit. +Ebensowenig hab' ich je als Feldprediger hinter irgendeinem Offizier +unter dem Regimente zurückstehen wollen, der ein Löwe ist und mithin +jeden Raub angreift, nur daß er, wie dieser König der Tiere, das Feuer +fürchtet -- oder der, wie König Jakob von England, welcher davonlaufend +vor nackten Degen, desto kühner vor ganz Europa dem stürmenden Luther +mit Buch und Feder entgegenschritt, gleichfalls bei ähnlicher +Idiosynkrasie sowohl mündlich als schriftlich mit jedem Kriegsheer +anbindet. Hier entsinn' ich mich vergnügt eines wackeren Sous-Lieutenants, +der mir beichtete -- wiewohl er mir noch das Beichtgeld schuldig ist, +sowie, noch besser, seinen Wirtinnen das Sündengeld -- welcher in +Rücksicht der Herzhaftigkeit vielleicht etwas von jenem indischen Hunde +hatte, den Alexander geschenkt bekommen + + [21] Schiller und Klopstock sind poetische Spiegel vor dem + Sonnengotte; die Spiegel werfen so blendend die Sonne zurück, daß + man in ihnen die Gemälde der Welt nicht gespiegelt sehen kann. + +als einen Hundsalexander. Der Makedonier ließ zur Probe auf den +Wunderhund andere Helden- oder Wappentiere anlaufen -- erstlich einen +Hirschen -- aber der Hund ruhte; -- dann eine Sau -- er ruhte; -- sogar +einen Bären -- er ruhte: jetzt wollt' ihn Alexander verurteilen, als +man endlich einen Löwen einließ; da stand der Hund auf und zerriß den +Löwen. Ebenso der Sous-Lieutenant. Ein Duellant, ein Auswärtsfeind, ein +Franzose ist ihm nur Hirsch und Sau und Bär, und er bleibt liegen; aber +nun komme und klopfe an sein ältester, stärkster Feind, sein Gläubiger, +und fordere ihm für verjährte Freuden jetziges Schmerzensgeld ab, und +wollt' ihm so Vergangenheit und Zukunft zugleich abrauben: der Leutnant +fährt auf und wirft den Gläubiger die Treppe hinab. Leider steh' ich +auch erst bei der Sau und werde natürlich verkannt. + +_Quo_ -- sagt Livius XII. 5. mit Recht -- + + [72] Den Halbgelehrten betet der Viertelsgelehrte an -- diesen der + Sechzehnteilsgelehrte -- und so fort; -- aber nicht den Ganzgelehrten + der Halbgelehrte. + +_quo timoris minus est, eo minus ferme periculi est_, oder zu deutsch +-- je weniger man Furcht hat, desto weniger Gefahr ist fast dabei; ich +kehre den Satz ebenso richtig um, je weniger Gefahr, desto kleiner die +Furcht, ja es kann Lagen geben, wo man ganz und gar von Furcht nichts +weiß -- worunter meine gehört. Um desto verhaßter muß mir jede Afterrede +über Hasenherzigkeit erscheinen. + +Ich schicke meiner Ferienreise noch einige Tatsachen voraus, welche +beweisen, wie leicht Vorsicht -- das heißt wenn ein Mensch nicht dem +dummen Hamster gleichen will, der sich sogar gegen einen Mann zu Pferde +auflehnt -- für Feigheit gelte. Ich wünschte übrigens nur, ich könnte +ebenso glücklich einen ganz anderen Vorwurf, den eines Waghalses, +ablehnen, wiewohl ich doch im folgenden gute Fakta beizubringen gedenke, +die ihn entkräften. + + [35] _Bien écouter c'est presque répondre_ sagt Marivaux mit Recht + von geselligen Zirkeln; ich dehn' es aber auch auf runde Sessions- + und Kabinettstische aus, wo man referiert und der Fürst zuhört. + +Was hilft der Heldenarm ohne ein Heldenauge? Jener wächst leicht stärker +und nerviger, dieses aber schleift sich nicht so bald wie Gläser +schärfer. Indes aber, die Verdienste der Vorsicht fallen weniger ins +Auge (ja mehr ins Lächerliche) als die des Mutes. Wer mich zum Beispiel +bei ganz heiterem Himmel mit einem wachstuchenen Regenschirm gehen +sieht: dem komm' ich wahrscheinlich so lange lächerlich vor, als er +nicht weiß, daß ich ihn als Blitzschirm führe, um nicht von einem +Wetterstrahl aus blauem Himmel (wovon in der mittleren Geschichte mehr +als ein Beispiel steht) getroffen zu werden. Der Blitzschirm ist nämlich +ganz der Reimarussche; ich trage auf einem langen Spazierstocke das +wachstuchene Sturmdach, von dessen Giebel sich eine Goldtresse als +Ableitungskette niederzieht, die durch einen Schlüssel, den sie auf dem +Fußsteig nachschleift, jeden möglichen + + [17] Das Bette der Ehren sollte man doch, da oft ganze Regimenter + darauf liegen, und die letzte Ölung und vorletzte Ehre empfangen von + Zeit zu Zeit weichfüllen, ausklopfen und sömmern. + +Blitz leicht über die ganze Erdfläche ableitet und verteilt. Mit diesem +Paradonner (_paratonnerre portatif_) in der Hand will ich mich wochenlang +ohne die geringste Gefahr unter dem blauen Himmel herumtreiben. Indes +deckt diese Taucherglocke noch gegen etwas anderes -- gegen Kugeln. Denn +wer gibt mir im Herbste schwarz auf weiß, daß kein versteckter Narr von +Jäger irgendwo, wenn ich die Natur genieße und durchstreife, seine +Kugelbüchse in einem Winkel von 45 Grad so abdrückt, daß sie im +Herunterfallen bloß auf meinem Scheitel aufzuschlagen braucht, damit +es so gut ist, als würd' ich seitwärts ins Gehirn geschossen? + +Es ist ohnehin schlimm genug, daß wir nichts gegen den Mond haben, uns +zu wehren -- der uns gegenwärtig beschießt mit Gestein, wie ein halber +türkischer; denn dieser elende, + + [112] Gewisse Weltweiber benutzen in gewissen Fällen ihre körperliche + Ohnmacht, wie Mohammed seine =fallende= Sucht -- auch ist jene diese + -- bloß um Offenbarungen, Himmel, Eingebungen, Heiligkeit und + Proselyten zu erhalten. + +kleine Erdtrabant und Läufer und _valet de Fantaisie_ glaubt in diesen +rebellierenden Zeiten auch anfangen zu müssen, seiner großen Landesmutter +etwas zuzuschleudern aus der Davidshirtentasche. Wahrhaftig, jetzt kann +ja ein junger Katechet von Gefühl nachts mit geraden Gliedern in den +Mondschein hinauswandeln, um manches zu empfinden oder zu bedenken, +und kann (mitten im Gefühl erwirft ihn der absurde Satellit) als +zerquetschter Brei wieder nach Hause gehen. -- -- Bei Gott! überall +Klingenproben des Muts! Hat man mühsam Donnerkeile eingeschmolzen und +Kometenschwänze anglisiert: so führt der Feind neues Geschütz im Mond +auf oder sonst wo im Blau! + +Noch eine Geschichte sei genug, um zu beweisen, wie lächerlich gerade +die ernsthafteste + + [120] Mancher wird ein freier Diogenes, nicht wenn er in dem Fasse, + sondern wenn dieses in ihm wohnt; und die gewaltige Hebkraft des + =Flaschenzugs= in der Mechanik spürt er fast von einem Flaschenzuge + anderer Art beim Flaschenkeller wiederholt und gut bewährt. + +Vorsicht bei allem inneren Mute oft außen dem Pöbel erscheint. Reiter +kennen die Gefahren auf einem durchgehenden Pferde längst. Mein Unstern +wollte, daß ich in Wien auf ein Mietspferd zu sitzen kam, das zwar ein +schöner Honigschimmel war, aber alt und hartmäulig wie der Satan, so daß +die Bestie in der nächsten Gasse mit mir durchging und zwar -- leider +bloß im Schritte. Kein Halten, kein Lenken schlug an; ich tat endlich +auf dem Selbststreitroß Notschuß nach Notschuß und schrie: »Haltet auf, +ihr Leute, um Gottes Willen aufgehalten, mein Gaul geht durch!« Aber da +die einfältigen Menschen das Pferd so langsam gehen sahen wie den +Reichshofratsprozeß und den ordinären Postwagen: so konnten sie sich +durchaus nicht in die Sache finden, bis ich in heftigster Bewegung wie +besessen schrie: »Haltet doch auf, ihr Pinsel und Pensel, seht ihr denn +nicht, daß ich die Mähre nicht mehr halten kann?« Jetzt kam + + [2] Die Kultur machte ganze Länder, z. B. Deutschland, Gallien usw. + physisch wärmer, aber geistig kälter. + +den Faulpelzen ein hartmäuliges, schrittlings ausziehendes Pferd +lächerlich vor. -- Halb Wien bekam ich dadurch wie einen Bartsternschwanz +hinter meinem Roßschweif und Zopf nach. -- Fürst Kaunitz, sonst der beste +Reiter des Jahrhunderts (des vorigen), hielt an, um mir zu folgen. -- +Ich selber saß und schwamm als aufrechtes Treibeis auf dem Honigschimmel, +der in einem fort Schritt für Stritt durchging. -- Ein vieleckiger, +rockschößiger Briefträger gab rechts und links seine Briefe in den +Stockwerken ab und kam mir stets mit satirischen Gesichtszügen wieder +nach, weil der Schimmel zu langsam auszog. -- Der Schwanzschleuderer +(bekanntlich der Mann, der mit einer zweispännigen Wassertonne + + [99] Gleichwohl hab' ich bei allem meinen Grimm über Nachdruck doch + nie den Ankauf eines Privilegiums gegen Nachdruck für etwas anderes + oder schlechteres gehalten als für die Abgabe, die bisher alle + christlichen Seemächte an die barbarischen Staaten erlegten, damit + sie nicht beraubt wurden. Nur Frankreich hat eben der Ähnlichkeit + wegen sowohl das Nachdrucks-Privilegium als die barbarische Abgabe + abgeschafft. + +über die Straßen fährt und sie mit einem drei Ellen langen Schlauch aus +einem blechernen Trichter benetzt) fuhr ungemein bequem den Hinterbacken +meines Pferdes nach und feuchtete während seiner Pflicht jene und mich +selber kühlend an, ob ich gleich kalten Schweiß genug hatte, um keines +frischeren zu bedürfen. -- Ich geriet auf meinem höllischen, trojanischen +Pferd (nur war ich selber das untergehende Troja, das ritt) nach +Matzleinsdorf (einer Wiener Vorstadt), oder waren's für meine gepeinigten +Sinne ganz andere Gassen. -- Endlich mußte ich abends spät nach dem +Reträteschuß des Praters im letzteren zu meinem Abscheu und gegen alle +Polizeigesetze auf dem gesetzlosen Honigschimmel noch herumreiten, und +ich hätte vielleicht gar auf ihm übernachtet, wenn nicht mein Schwager, +der Dragoner, mich gesehen und noch fest auf dem durchgegangenen Gaule +gefunden hätte. Er machte keine Umstände -- fing das Vieh + + [1] Je mehr Schwäche, je mehr Lüge; die Kraft geht gerade; jede + Kanonenkugel, die Höhlen oder Gruben hat, geht krumm. + +-- tat die lustige Frage: warum ich nicht voltigiert hätte, ob er gleich +recht gut weiß, daß dazu ein hölzerner Gaul gehört, der steht -- und +holte mich herab -- und so kamen alle berittenen Wesen unberitten und +unbeschädigt nach Hause. + +Aber nun endlich einmal an meine Reise! + + + + +Reise nach Flätz. + + +Ihr wißt, Freunde, daß ich die Reise nach Flätz gerade unter den Ferien +machen mußte, nicht nur, weil Viehmarkt und folglich der Minister und +General von Schabacker da war, sondern vornehmlich, weil er (wie ich von +geheimer Hand sicher hatte) jährlich den 23. Juli am Abend vor dem +Markttage um fünf Uhr + + [32] Unser Zeitalter -- von einigen papiernes genannt, als sei es + aus Lumpen eines besser Bekleideten gemacht -- bessert sich schon + halb, da es die Lumpen jetzt mehr zu Scharpien als zu Papieren + zerzupft, wiewohl oder weil der Lumpenhacker (oder auch der + Holländer) eben nicht ausruht; indes, wenn gelehrte Köpfe sich in + Bücher verwandeln, so können sich auch gekrönte in Staatspapiere + verwandeln und ummünzen; -- in Norwegen hat man nach dem Allg. + +soviel Gaudium und Gnade sich ausließ, daß er die meisten Menschen +weniger anschnauzte als anhörte und -- erhörte. Die Gaudiumsursache +vertrau ich ungern dem Papier. Kurz, ich konnte ihm meine Bittschrift, +mich als unschuldig vertriebener Feldprediger durch eine katechetische +Professur zu entschädigen und zu besolden in keiner besseren Jahres- und +Tageszeit überreichen, als abends um fünf Uhr Hundstagsanfang. Ich +setzte mein Bittschreiben in drei Tagen auf. Da ich weder Konzepte, noch +Abschriften desselben schonte und zählte: so war ich bald so weit, daß +ich das relativ Beste ganz vollendet vor mir hatte, als ich erschrocken +bemerkte, daß ich darin über dreißig Gedankenstriche in Gedanken +hingeschrieben + + Anzeiger sogar Häuser von Papier, und in manchen guten deutschen + Staaten -- hält das Kammerkollegium (das Justizkollegium ohnehin) + seine eigenen Papiermühlen, um Düten genug für das Mehl seiner + Windmühlen zu haben. Ich wünschte aber, unsere Kollegien nähmen sich + jene Glasschneiderei in Madrid zum Muster, in welcher (nach + Baumgärtner) zwar neunzehn Schreiber angestellt waren, aber doch + auch eilf Arbeiter. + +hatte. Leider schießen diese Stacheln heutzutage wie aus Wespensteißen, +unwillkürlich aus gebildeten Federn hervor. Ich warf es zwar lange +in mir hin und her, ob ein Privatgelehrter sich einem Minister mit +Gedankenstrichen nähern dürfe -- so sehr auch dieses ebene Unterstreichen +der Gedanken, diese wagerechten Taktstriche poetischer Tonstücke und +diese Treppenstricke oder Achillessehnen philosophischer Sehstücke jetzt +ebenso allgemein als nötig sind -- allein ich mußte doch am Ende (da +Ausschaben Standespersonen beleidigt) das beste Probstück wieder +umschreiben und mich wieder eine halbe Stunde am Namen Attila Schmelzle +quälen, weil ich immer + + [39] Epiktet rät an zu reisen, weil die alten Bekanntschaften uns + durch Scham und Einfluß vom Übergange zur hohen Tugend abhalten -- + so wie man etwa seine Provinzialmundart schamhaft lieber außer Lands + ablegt und dann völlig geläutert zu seinen Landsleuten zurückkommt; + noch jetzt befolgen Leute von Stand und Tugend diesen Rat, obwohl + umgekehrt, und reisen, weil die alten Bekanntschaften sie durch + Scham zu sehr von neuen Sünden abschrecken. + +[Illustration: ... es tue ihm bloss sanft / sagt' er / wie eine gute +Frostsalbe ...] + +glaube, diesen sowie die Briefadresse, die beiden Kardinalgegenden und +Punkte der Briefe, nie leserlich genug zu schreiben. + + + + +Erste Station, von Neusattel nach Vierstädten. + + +Der 22. Juli, oder Mittwochs nachmittag um fünf Uhr, war von der +Postkarte der ordentlichen fahrenden Post selber zu meiner Abreise +unwiderruflich anberaumt. Ich hatte also etwa einen halben Tag Zeit, +mein Haus zu bestellen, welchem jetzt zwei Nächte und drittehalb Tage +hindurch meine Brust als Brustwehr, der Verhack mit meinem Ich abgehen +sollte. Sogar mein gutes Weib Bergelchen, wie ich meine Teutoberga +nenne, reiste mir unaufhaltsam den 24. oder Freitags darauf nach, um den +Jahrmarkt zu beschauen und zu benutzen; ja sie wollte schon sogleich mit +mir ausreisen, die treue Gattin. Ich versammelte daher meine kleine +Bedientenstube + + [2] Ein Soldat huldigt und gehorcht in seinem Fürsten zugleich + seinem Fürsten und seinem Generalissimus; der Zivilist bloß seinem + Fürsten. + +und publizierte ihr die Hausgesetze und Reichsabschiede, die sie nach +meinem Abschiede den Tag und die Nacht erstlich vor der Abreise meiner +Frau und zweitens nach derselben auf das pünktlichste zu befolgen hatten, +und alles, was ihnen besonders bei Feuersbrünsten, Diebeseinbrüchen, +Donnerwettern und Durchmärschen vorzukehren oblag. Meiner Frau übergab +ich ein Sachregister des Besten in unserem kleinen Registerschiffe, was +sie, im Falle es in Rauch aufginge, zu retten hätte. -- Ich befahl ihr, +in stürmischer Nacht (dem eigentlichen Diebswetter) unsere Windharfe ans +Fenster zu stellen, damit jeder schlechte Strauchdieb sich einbildete, +ich phantasierte harmonisch und wachte; desgleichen den Kettenhund am +Tage ins Zimmer zu nehmen, damit er ausschliefe, um nachts munterer zu +sein. Ich riet ferner, auf jeden Brennpunkt der Glasscheiben im Stalle, +ja auf jedes hingestellte Glas Wasser ihr Auge zu haben, da ich ihr +schon öfter die Beispiele erzählt, daß + + [29] Und wieviel ist nicht in der Jurisprudenz Jurisimprudenz, + ausgenommen bei Unrechtsgelehrten. + +durch solche zufällige Brenngläser die Sonne ganze Häuser in Brand +gesteckt. -- Auch gab ich ihr die Morgenstunde, wo sie Freitags ab- und +mir nachreisen sollte, sowie die Haustafeln schärfer an, die sie vorher +dem Gesinde einzuschärfen hätte. Meine liebe, kerngesunde, blühende +Honigwöchnerin Berga antwortete ihrem Flitterwöchner, wie es schien, +sehr ernsthaft: »Geh nur Alterchen, es soll alles ganz scharmant +geschehen. -- Wärest du nur erst voraus, so könnte man doch nach! Das +währt ja aber Ewigkeiten.« -- Ihr Bruder, mein Schwager, der Dragoner, +für den ich aus Gefälligkeit das Passagiergeld trug, um auf dem +Postkissen einen an sich tapferen Degen und Hauinsfeld, sozusagen als +körperlichen und geistigen Verwandten und Spillmagen vor mir zu haben, +dieser zog über meine Verordnungen (was ich leicht dem Hage- und +Kriegsstolzen vergab) sein braunes Gesicht + + [39] »=Die größere Hälfte=« ist ein so meßwidriger Ausdruck, daß ihn + kein Meßkünstler anders als von der Ehe, ja sogar nur von der + seinigen gebrauchen könnte. + +ansehnlich ins Spöttische und sagte zuletzt: »Schwester, an deiner +Stelle täte ich, was mir beliebte; und dann guckte ich nach, was er auf +seinem Reglementszettel hätte haben wollen.« -- »O,« versetzte ich, +»Unglück kann sich wie ein Skorpion in jede Ecke verkriechen; ich möchte +sagen, wir sind den Kindern gleich, die am schön bemalten Kästchen +schnell den Schieber aufreißen und -- heraus fährt eine Maus, die hackt« +-- »Maus, Maus, Raus, Raus!«, versetzte er auf- und niedertrabend. »Herr +Schwager, aber es ist fünf Uhr; und Sie werden schon finden, wenn Sie +wiederkommen, daß alles so aussieht wie heute, die Hunde wie die Hunde, +und meine Schwester wie eine hübsche Frau: _allons donc!_« -- Er war +eigentlich schuld, daß ich aus Besorgnis seines Mißdeutens nicht vorher +eine Art von Testament gemacht. + +Ich packte noch entgegengesetzte Arzneien, sowohl temperierende als +erhitzende, gegen + + [45] Die jetzigen Schriftsteller zucken die Achseln am meisten über + die, auf deren Achseln sie stehen; und erheben die am meisten, die + an ihnen hinaufkriechen. + +zwei Möglichkeiten ein -- ferner meine alten Schienen gegen Arm- und +Beinbrüche bei Wagenumstürzen -- und (aus Vorsicht) noch einmal so +viel Geldwechsel, als ich eigentlich nötig hatte. Nur wünschte ich +dabei wegen der Mißlichkeit des Aufbewahrens, ich wär' ein Affe mit +Backentaschen, oder ein Beuteltier, damit ich in mehr sichere und +empfindungsvolle Taschen und Beutel solche Lebenspreziosen verschanzte. +Rasieren lasse ich mich sonst stets vor Abreisen aus Mißtrauen gegen +fremde, mordsüchtige Bartputzer; aber diesmal behielt ich den Bart bei, +weil er doch unterwegs, auch geschoren, so reich wieder getrieben hätte, +daß mit ihm vor keinem Minister wäre zu erscheinen gewesen. + +Ich warf mich heftig ans Kraftherz meiner Berga an und riß mich noch +heftiger ab, aber sie schien über unsere erste Ehetrennung weniger in +Jammer als in Jubel zu sein, + + [14] Manche Dichter geraten unter dem Malen schlechter Charaktere + oft so ins Nachahmen derselben hinein, wie Kinder, wenn sie so + träumen, wirklich ihr Wasser lassen. + +viel weniger bestürzt als seelenvergnügt, bloß weil sie auf das Scheiden +nicht halb so sehr als auf das Wiedersehen und Nachreisen, und die +Jahrmarktsschau ihr Augenmerk hatte; doch warf und hing sie sich an +meinen etwas dünnen und langen Hals und Körper fast schmerzhaft als +eine zu fleischige, derbe Last und sagte: »Fege nur frisch davon, mein +scharmanter Attel (Attila) -- und mache dir unterwegs keine Gedanken, +du aparter Mensch! -- Haben wir denn zu klagen? Einen oder ein paar +Püffe halten wir mit Gottes Hilfe schon aus, solange mein Vater kein +Bettelmann ist. -- Und dir aber, Franz,« fuhr sie gegen ihren Bruder +ordentlich zornig fort, »bind' ich meinen Attel auf die Seele, du weißt +recht gut, du wüste Fliege, was ich tue, wenn du ein Narr bist und ihn +wo im Stiche lässest.« Ich verzieh ihr hier manches Gutgemeinte; + + [103] Die Großen sorgen vielleicht so emsig für ihre Nachkommen wie + die Ameisen; sind die Eier gelegt, so fliegen die männlichen und + weiblichen Ameisen davon und vertrauen sie den treuen + =Arbeitsameisen= an. + +und euch, Freunden, ist ihr Reichtum und ihre Freigebigkeit auch nichts +Neues. + +Gerührt sagt' ich: »Nun, Berga, gibt's ein Wiedersehen für uns, so +ist's gewiß entweder im Himmel oder in Flätz; und ich hoffe zu Gott, +das letztere.« -- Stracks ging's rüstig davon. Ich sah mich durch das +Kutschenrückfenster um nach meinem guten Städtchen Neusattel; und es kam +mir gerührt vor, als richte sich dessen Sturmspitze ordentlich als ein +Epitaphium über meinem Leben oder meinem vielleicht tot zurückreisenden +Leichnam in die Höhe: -- »wie wird alles sein,« dacht' ich, »wenn du nun +endlich nach zwei oder drei Tagen wiederkommst?« Jetzt sah ich mein +Bergelchen uns aus dem Mansardenfenster nachschauen; ich legte mich +weit aus dem Kutschenschlage hinaus, und ihr Falkenauge erkannte sofort +meinen Kopf; Küsse über Küsse warf sie mir mit beiden Händen herab, dem +ins Tal rollenden Wagen nach. »Du + + [10] Und liefert das Leben von unsern idealen Hoffnungen und + Vorsätzen etwas anderes als eine prosaische, unmetrische, ungereimte + Übersetzung? + +herziges Weib,« dacht' ich, »wie machst du deine niedrige Geburt durch +die geistige Wiedergeburt vergeßlich, ja merkwürdig!« + +Freilich, das Postkutschengelag' und Picknick wollte mir weniger +schmecken; lauter verdächtiges, unbekanntes Gesindel, welches (wie +gewöhnlich die Märkte tun) der Flätzer durch seine Witterung einlockte. +Ungern werd' ich Unbekannten ein Bekannter; aber mein Schwager, +der Dragoner, war wie immer schon mit allem, mit Himmel und Hölle +herausgeplatzt. Neben mir saß eine höchstwahrscheinliche Hure. -- Auf +ihrem Schoße ein Zwerg, der sich auf dem Jahrmarkte wollte sehen lassen. +-- Mir gegenüber blickte ein Kammerjäger mich an -- und unten im Tale +stieg noch ein blinder Passagier mit einem roten Mantel ein. Mir gefiel +gar niemand, ausgenommen mein Schwager. Ob nicht die Hure meine +Bekanntschaft zu einer + + [78] Die Weiber halten alles Weißzeug weiß, =nur= kein Buch, ob + sie gleich vielleicht manchen polemischen Folianten, eh' er in die + Papiermühle gekommen, als Brauthemde am Leibe mögen getragen haben. + Die Männer kehren es nur um. + +eidlichen Angabe benützen, ob nicht Spitzbuben unter den Passagieren +mich und meine Eigenheiten und Zufälle studieren würden, um auf der +Tortur mich in ihre Bande zu flechten -- dafür konnte sich mir niemand +verpfänden. An fremden Orten schau ich schon ungern -- und aus Vorsicht +-- an irgendein Kerkergitter lange empor, weil ein schlechter Kerl +dahinter sitzen kann, der eilig herunterschreit aus bloßer Bosheit: +»Drunten steht mein Spießkamerad, der Schmelzle!« -- oder auch weil ein +vernagelter Scherge sich denken kann, ich suchte meinen Konföderierten +oben zu entsetzen. Aus einer wenig davon verschiedenen Vorsicht dreh' +ich mich daher niemals um, wenn ein Star mir nachruft: Dieb! + +Was den Zwerg selber anlangt, so konnt' er meinetwegen mitfahren, wohin +er wollte; aber er glaubte ein besonderes Frohleben in + + [7] Der geharnischte deutsche Reichskörper konnte sich darum schwer + bewegen, weshalb die Käfer nicht fliegen können, deren =Flügel= + recht gut durch =Flügeldecken= -- und zwar durch zusammengewachsene + -- verschanzt sind. + +uns zu bringen, wenn er uns verhieße, daß sein Pollux und Amtsbruder, +ein seltener Riese, der ebenfalls der Messe zur Anschau zuzog, gegen +Mitternacht uns unfehlbar mit seinem Elefantenschritte nachkommen und +sich einsetzen oder hinten aufstellen würde. Beide Narren beziehen +nämlich gemeinschaftlich die Messen als gegenseitige Meßhelfer zu +entgegengesetzten Größen; der Zwerg ist das erhabene Vergrößerungsglas +des Riesen, der Riese das hohle Verkleinerungsglas des Zwergs. Niemand +bezeugte große Freude an der Aussicht der Nachkunft des Maßkopisten des +Zwergs, ausgenommen mein Schwager, der (ist das Wortspiel erlaubt) wie +eine Uhr bloß zum Schlagen gemacht zu sein glaubt, und mir wirklich +sagte: »Könn' er einmal oben in der ewigen Seligkeit keine Seele +zuweilen wamsen + + [8] Mit Staatseinrichtungen ist's wie mit Kunststraßen; auf einer + ganz neuen, unbefahrenen, wo jeder Wagen am Straßenbau mitarbeiten + und zerklopfen hilft, man wird ebenso gestoßen und geworfen, als auf + einer ganz alten, ausgefahrenen voll Löcher. Was ist also hier zu + tun? Man fahre fort. + +und koram nehmen, so fahr' er lieber in die Hölle, wo gewiß des Guten +und der Händel eher zu viel sein werden.« -- Der Kammerjäger im +Postwagen hatte, außerdem schon, daß uns niemand sehr einnimmt, der +bloß vom Vergiften lebt, wie dieser Freund Hain der Ratten und die +Mäuseparze, und daß ein solcher Kerl, was noch schlimmer, sogleich ein +Mehrer des Ungezieferreiches zu werden droht, sobald er nicht dessen +Minderer sein darf -- dieser hatte überhaupt soviel Fatales an sich, +zuerst den Stechblick wie eines Stiletts -- dann das hagere, scharfe +Knochengesicht in Verbindung mit seinem Vorrechnen seines ansehnlichen +Giftsortiments -- dann (denn ich haßte ihn immer heißer) seine geheime +Stille, sein geheimes Lächeln, als seh' er in irgendeiner Schlupfecke +eine Maus, ähnlich einem Menschen. -- Wahrlich, mir, der ich sonst ganz +anderen Leuten stehe, kam endlich sein Rachen als eine Hundsgrotte vor, +seine + + [3] Vor Gericht werden oft ermordete Geburten für totgeborene + ausgegeben, in Antikritiken totgeborene für ermordete. + +Backenknochen als Untiefen und Klippen, sein heißer Atem als +Kalzinierofen und die schwarzhaarige Brust als Welk- und Darrofen -- -- + +Ich hatte mich auch -- glaub' ich -- nicht viel versehen; denn bald +darauf fing er an, der Gesellschaft, worin ein Zwerg und ein Mädchen +war, ganz kalt zu berichten, er habe schon zehn Leiber mit dem Dolch +nicht ohne Lust durchstoßen -- habe gemächlich ein Dutzend Menschenarme +abgehauen, vier Köpfe langsam gespalten, zwei Herzen ausgerissen und +mehr dergleichen -- und keiner davon, sonst Leute von Mut, hab' ihm im +geringsten widerstanden -- »aber warum?« setzt' er giftig hinzu, und +nahm den Hut vom häßlichen Glatzkopf -- »ich bin unverwundbar. -- Wer +von der Gesellschaft will, lege auf meiner Glatze soviel Feuer an, als +er will, ich lass' es ausbrennen.« + +Mein Schwager, der Dragoner, setzte sogleich einen brennenden +Tabaksschwamm auf + + [101] Nicht nur die Rhodier hießen von ihrem Koloß Kolosser, sondern + auch unzählige Deutsche heißen von Luther Lutheraner. + +den Schädel, aber der Jäger stand es so ruhig aus, als wär' es ein +kalter Brand, und er und der Dragoner sahen einander wartend an, und +jeder lächelte sehr närrisch -- es tue ihm bloß sanft, sagt' er, wie +eine gute Frostsalbe, denn dies sei überhaupt die Winterseite an seinem +Leibe. Hier griff mein Schwager ein wenig auf dem nackten Schädel umher +und rief verwundert: er fühle sich so kalt an wie eine Kniescheibe. Nun +hob der Kerl auf einmal nach einigen Vorrüstungen zu unserem Entsetzen +den Viertelsschädel ab und hielt ihn uns hin, sagend, er habe ihn einem +Mörder abgesägt, als ihm zufällig der eigene eingeschlagen gewesen; und +erklärte nun, daß man + + [88] Bis hierher hab' ich immer die Streitschriften der jetzigen + philosophischen und ästhetischen idealen Streitflegel, worin + allerdings einige Schimpfworte und Trug- und Lugschlüsse vorkommen, + mehr von der schönen Seite genommen, indem ich sie bloß als eine + Nachahmung des klassischen Altertums, und zwar der Ringer desselben + angesehen, welche (nach Schöttchen) ihren Leib mit =Kot= bestrichen, + um nicht gefaßt zu werden, und ihre Hände mit =Staub= anfüllten, um + den fremden zu fassen. + +das erzählte Durchstechen und Armabhauen mehr als Scherz zu nehmen habe, +indem er's lediglich getan als Famulus auf dem anatomischen Theater. -- +Inzwischen wollte der Scherztreiber doch keinem von uns sehr schmecken und +zu Hals, so daß ich, als er den Kapselkopf, den Repräsentationsschädel, +wieder aufsetzte, schweigend dachte: diese Mistbeetglocke hat gewiß nur +den Ort, nicht die Giftzwiebel verändert, die sie zudeckt. + +Am Ende wurde mir's überhaupt verdächtig, daß er, sowie sämtliche +Gesellschaft (auch der blinde Passagier), gerade demselben Flätz +zuschifften, wohin ich selber gedachte; besonderes Glück brauchte ich +mir davon nicht zu versprechen; und mir wäre in der Tat das Umkehren so +lieb gewesen als das Fortfahren, hätt' ich nicht lieber der Zukunft +getrotzt. + +Ich komme endlich auch auf den rot gemantelten blinden Passagier, +wahrscheinlich + + [103] Oder sind alle Moscheen, Episkopalkirchen, Pagoden, + Filialkirchen, Stiftshütten und Panthea etwas anderes als der + Heidenvorhof zum unsichtbaren Tempel und zu dessen Allerheiligsten? + +ein _Emigré_ oder ein _Refugié_ (denn er spricht das deutsche nicht +schlechter als das Französische), entweder namens Jean Pierre oder Jean +Paul ungefähr, oder ganz namenlos. Sein roter Mantel wäre mir ungeachtet +dieser Farbenverschmelzung mit dem Scharfrichter -- der in vielen +Gegenden trefflich Angstmann heißt -- an sich herzlich gleichgültig +geblieben, wäre nicht der besondere Umstand eingetreten, daß er mir +schon fünfmal in fünf Städten (im großen Berlin, im kleinen Hof, Koburg, +Meiningen und Baireuth) wider alle Wahrscheinlichkeit aufgestoßen, wobei +er mich jedesmal bedeutend genug angesehen, und dann seines Weges +gegangen. Ob er mir feindlich nachsetzt oder nicht, weiß ich nicht; nur +ist auf alle Fälle der Phantasie kein Objekt erfreulich, das mit +Observationskorps oder aus + + [40] Das Volk ist nur im Erzählen, nicht im Räsonieren weitläufig; + der Gelehrte ist nur in jenem, nicht in diesem kurz; eben weil das + Volk seine Gründe nur als Empfindungen so wie die Gegenwart bloß + anschauet, der Gelehrte hingegen beide mehr nur denkt. + +Schießscharten vielleicht mit Flinten hält und zielt, die es jahrelang +bewegt, ohne daß man weiß, in welchem es abdrückt. -- Noch anstößiger +wurde mir der Rotmantel dadurch, daß er auffallend seine weiche +Seelenmilde pries; dies schien beinah' auf Ausholen oder Sichermachen +zu deuten. Ich erwiderte: »Mein Herr, ich komme eben, wie hier mein +Schwager, vom Schlachtfeld her (die letzte Affäre war bei Pimpelstadt), +und stimme vielleicht deshalb zu stark für Markkraft, Bruststurm, +Stoßglut, und es mag für manchen, der eine brausende Wasserhose, +eigentlich Landhose von Herz hat, gut sein, wenn seine geistliche Lage +(ich bin darin) ihn mehr mildert als wildert. Indes gehört jeder Milde +ihr eisernes Schrankengitter. Fällt mich irgendein unbesonnener Hund +bedeutend an, so tret' ich ihn freilich im ersten Zorn entzwei, und +nachher hinter + + [9] Die Ägypter nahmen bei einem Landesunglück dadurch am Gott + Typhon, dem sie es zuschrieben, Rache, daß sie seine Lieblinge von + Felsen stürzten, die Esel. Ähnlicherweise haben sich in der + Geschichte auch Staaten anderer Religion gerächt. + +mir treibt's mein guter Schwager vielleicht noch zweimal weiter, denn +er ist der Mann dazu. Vielleicht ist's Eigenliebe, aber ich beklag's +(gesteh' ich) noch heute, daß ich als Knabe einmal einem anderen Knaben +drei erhaltene Ohrfeigen nicht derb zurückgereicht, und mir ist oft, +als müßt' ich sie seinen Enkeln nachzahlen. Wahrlich, wenn ich auch +nur einen Jungen vor den schwachen Kräften eines ähnlichen Jungen +feig entlaufen sehe, so kann ich das Laufen nicht lassen und will ihn +ordentlich durch einen Machtschlag erretten.« Der Passagier lächelte +indes nicht zum besten. Er gab sich zwar für einen Legationsrat aus und +schien Fuchs genug zu sein, aber ein tollgewordener Fuchs beißt mich am +Ende so wasserscheu als ein toller Wolf. Übrigens fuhr ich unbekümmert +mit meinem + + [70] In die Philosophie verhülle sich die Dichtkunst nur so, wie + in diese sich jene; Philosophie aber in poetischer Prosa gleicht + jenen Trinkgläsern in Schenken, welche mit bunten Bilderschnörkeln + umzogen, zugleich im Genusse des Getränks und des Bildwerks, die oft + widrig sich decken, stören. + +Anpreisen des Mutes fort, nur daß ich absichtlich statt des lächerlichen +Bramarbasierens, welches gerade den Feigen recht verrät, fest, still, +klar sprach. »Ich bin«, sagt' ich, »bloß für Montaignes Rat: man trage +nur Furcht vor der Furcht.« + +»Ich würde,« versetzte der Legationsrat unnütz spitzfindig, »wieder +fürchten, daß ich mich nicht genug vor der Furcht fürchtete, sondern zu +feig bliebe.« + +»Auch dieser Furcht«, erwidert' ich kalt, »steck' ich Grenzen. Ein Mann +kann zum Beispiel nicht im geringsten Gespenster glauben und fürchten; +gleichwohl kann er nachts sich in Todesschweiß baden, und zwar bloß vor +Angst, wie sehr er sich entsetzen würde (besonders mit welchen Nachwehen +von Schlagflüssen, + + [158] Der Staat sollte öfter die Maul- und Kindertrommeln der + Dichter nicht mit Regiments- und Feuertrommeln verwechseln; wieder + umgekehrt sollte der Bürger manche fürstliche Trommelsucht nur für + eine Krankheit nehmen, worin der Patient bloß durch die unter die + Haut eingedrungene Luft sehr aufgeschwollen ist. + +fallenden Suchten und so weiter), falls nichts als bloß seine so +lebhafte Phantasie irgendein Fieber und Vexierbild vor ihn in die Lüfte +hineinhinge.« -- -- »Man sollte daher«, fiel mein Schwager, wider +Gewohnheit moralisierend, ein, »das so arme Schaf von Mann auch gar mit +keinem Geisterspuk foppen, der Hase kann ja auf der Stelle auf dem +Platze bleiben.« + +Ein lautes Gewitter, das dem Postwagen nachfuhr, veränderte den Diskurs. +Ihr, Freunde, erratet wohl alle -- da ihr mich nicht als einen Mann ohne +alle Physik kennen lernen -- meine Maßregeln gegen Gewitter: + + [89] In großen Städten lebt der Fremde die ersten Tage nach seiner + Ankunft bloß von seinem Gelde im Gasthofe, erst darauf in den + Häusern seiner Freunde umsonst; langt man hingegen auf der Erde an, + wie z. B. ich, so wird man gerade die ersten Jahre hindurch höflich + freigehalten, in den andern und längern aber -- denn man bleibt oft + sechzig Jahre -- muß man wahrhaftig (ich habe die Dokumente in + Händen) jeden Tropfen und Bissen bezahlen, als wäre man im großen + Gasthofe zur Erde, was noch dazu wahr ist. + +ich setze mich nämlich auf einen Sessel mitten in der Stube (oft bleib' +ich bei bedenklichem Gewölk ganze Nächte auf ihm), und decke mich durch +mein Reinigen von allen Leitern, Ringen, Schnallen und so weiter und +durch mein Absitzen von allen Blitzabsprüngen immer so, daß ich +kaltblütig die Sphärenmusik der Donnerpauke vernehme. -- Diese Vorsicht +hat mir nie geschadet, da ich ja dato noch lebe; und ich wünsche mir +noch heute Glück, daß ich einmal aus der Stadtkirche, ob ich gleich tags +vorher gebeichtet hatte, ohne weiteres und ohne vorher das Abendmahl zu +nehmen, ins Gebeinhaus hinausgelaufen, weil ein schweres Gewitter (was +wirklich in die Kirchhofslinde einschlug) darüber stand; -- ich kam auch +sogleich nach der Entladung der Wolke aus dem Gebeinhaus in die Kirche +zurück und war so glücklich, noch hinter dem + + [112] Ich sage aber nein. Der Mensch stelle sich so wie seinen Hut + -- wenn er sich und diesen nicht gerade gebraucht -- beide, um sie + zu schonen, so lange auf den =Kopf=, bis er wieder getragen wird. + +[Illustration: und floh dann mit vollen Segeln auf geradewohl und +geradeaus den Kürzesten Weg hindurch ...] + +Henker (als dem letzten) zu kommen und das Liebesmahl zu genießen. + +So denk' ich für meine Person; aber leider, im vollen Postwagen traf ich +Menschen, denen Physik wahre Narretei ist. Denn als die Gewitter sich +fürchterlich über unsern Kutschenhimmel versammelten und prasselnde +Feuerklumpen, als wären's Johanniswürmchen, im Himmel umherspielten; und +als ich endlich ersuchen mußte, das schwitzende Postkonklave möchte nur +wenigstens Uhren, Ringe, Gelder und dergleichen zusammenwerfen, etwa in +die Wagentaschen, damit kein Mensch einen Leiter am Leibe hätte: so +tat's nicht nur keiner, sondern mein eigener Schwager, der Dragoner, +stieg gar mit gezogenem nackten Degen auf den Bock hinaus und schwur, er +leite ab. Ich weiß nicht, war der desperate Mensch ein gescheiter oder +keiner; kurz, unsere Lage + + [10] Die Weltepochen feiern -- wie die spanischen Könige -- + Regierungsantritt, Volljährigkeit, Vermählung -- gern mit + Scheiterhaufen (Autodafés, Tressenausbrennungen der Weisen oder auch + der Irrgläubigen). + +war fürchterlich, und jeder konnte ein gelieferter Mann sein. Zuletzt +bekam ich gar einen halben Zank mit zweien von der rohen Menschenfracht +der Kutsche, dem Vergifter und der Hure, weil sie fragend fast +zu verstehen gaben, ich hätte vielleicht bei dem angepriesenen +Preziosenpicknick nicht die ehrlichsten Anschläge gehabt. So etwas +verwundet die Ehre mit Gewalt, und in mir donnerte es nun stärker als +oben; dennoch mußt' ich den ganzen nötigen Erbitterungswortwechsel so +leise und langsam als möglich führen und haderte sanft, damit nicht am +Ende eine ganz in Harnisch gebrachte Kutsche in Hitze und Schweiß +geriete, und in unsere Mitte so den nahen Donnerkeil auf Ausdünstungen +durch den Kutschenhimmel herabfahren + + [144] Der Rezensent gebraucht seine Feder eigentlich nicht zum + Schreiben, sondern er weckt mit deren Brandgeruch Ohnmächtige auf, + kitzelt mit ihr den Schlund des Plagarius zum Wiedergeben, und + stochert mit ihr seine Zähne aus. Er ist der einzige im ganzen + gelehrten Lexikon, der sich nie ausschreiben und ausschöpfen kann, + er mag ein Jahrhundert oder ein Jahrtausend vor dem Tintenfasse + sitzen. Denn + +ließe. Zuletzt setzt' ich der Gesellschaft das ganze elektrische Kapitel +deutlich, aber leise und langsam -- ich wollte nicht ausdampfen -- +auseinander und suchte besonders von der Furcht abzuschrecken. Denn, in +der Tat, vor Furcht konnte jeden der Schlag -- ja ein doppelter, mit dem +elektrischen ein apoplektischer -- treffen, da aus Erxleben und Reimarus +genug bewiesen ist, daß starkes Fürchten durch Dünsten den Strahl +zulockt; ich stellte daher in ordentlicher Angst vor meiner und fremder +Furcht den Passagieren vor, daß sie jetzt durchaus bei unserer schwülen +Menge, bei dem die Blitze spießenden Degen auf dem Kutschbock, und bei +dem Überhang der Wetterwolke, und selber bei so vielen Ausdünstungen +anfangender Furcht, kurz, bei + + indes der Gelehrte, der Philosoph und der Dichter das neue Buch nur + aus neuem Stoff und Zuwachs schaffen, legt der Rezensent bloß sein + altes Maß von Einsicht und Geschmack an tausend neue Werke an, + und sein altes Licht bricht sich an der vorbeiziehenden, stets + verschieden geschliffenen Gläserwelt, die er beleuchtet, in neue + Farben. + +so augenscheinlicher Gefahr nichts fürchten dürften, wollten sie nicht +samt und sonders erschlagen sein. »O, Gott,« rief ich, »nur Mut! Keine +Furcht! Nicht einmal Furcht vor der Furcht! -- Wollen wir denn als +zusammengetriebene Hasen hier seßhaft, von unserem Herrgott erschossen +sein? -- Fürchte sich meinetwegen jeder, wenn er aus der Kutsche heraus +ist, nach Belieben an anderen Orten, wo weniger zu besorgen ist, nur +aber nicht hier.« + +Ich kann nicht entscheiden -- da unter Millionen kaum ein Mensch an der +Gewitterwolke stirbt, aber vielleicht Millionen an Schnee- und Regenwolken +und dünnen Nebeln -- ob meine Kutschenpredigt auf Menschenrettungspreise +Anspruch zu machen hatte, als wir sämtlich unbeschädigt, einem Regenbogen +entgegen, in das Städtchen Vierstädten einfuhren, wo ein Posthalter in +der einzigen Gasse wohnte, die der Ort hatte. + + [107] Deutschland ist ein langes, erhabenes Gebirge -- unter dem + Meer. + +[Illustration: Aus der hohen Posthauspforte trat / tief sich bückend / +der Riese heraus] + + + + +Zweite Station, von Vierstädten nach Niederschöna. + + +Der Posthalter war ein grober Patron und ein Schläger; eine Gattung von +Menschen, die ich unaussprechlich hasse, weil meine Phantasie mir immer +vorspiegelt, ich könnte vielleicht aus Zufall oder Widerwillen ihnen ein +recht höhnisches und impertinentes Gesicht schneiden, und mir solche +Gesellen auf den Hals hetzen, und darauf spür' ich schon Ziehen von +Mienen. Zum Glück konnt' ich diesmal (gesetzt, ich hätte ein Fehlgesicht +geschnitten) mich mit meinem Schwager, dem Dragoner, bewaffnen, für +dessen Riesenmacht dergleichen ein Leckerbissen ist. Denn er kann zum +Beispiel vor keinem Wirtshause, worin eine Schlägerei laut wird, +vorbeigehen, ohne hineinzutreten und sogleich unter der Türe zu +schreien: »Macht Friede, ihr Hunde!« darauf unter + + [18] Unter Selbststillen versteht man nicht, wie beim + tatzensaugenden Bären, daß man sich selber an die eigene Brust lege, + sondern daß man andere nicht durch andere säugen lasse: so aber + sollte auch das Wort Selbstliebe im Gebrauche sein. + +seinem Schein von Friedensdeputation nimmt er ohne Verzug, als wär' es +eine amerikanische Friedenspfeife, das nächste Stuhlbein in die Hand und +deckt damit das schlagende Personal hinüber und herüber zu, oder er +nähert die harten Köpfe der Parteien (er schlägt sich zu keiner) +einander mit Gewalt, indem er in jede Hand einen am Hinterkopfe faßt; +dann ist der Kauz im Himmel. + +Ich für meine Person vermeide diskrepante Zirkel mehr, als daß ich sie +aufsuche, sowie auch jeden toten oder totgemachten Menschen; -- der +vorsichtige Mann sieht leicht voraus, was davon zu holen ist, entweder +verdrießliches und mißliches Zeugschaftgeben, oder oft gar (wenn die +Umstände sich verschwören) peinliches Nachfragen über Mitschuld. + + [97] Daher schließ' ich, daß Schmelzle gut predigt, schon aus seinen + vielen Kenntnissen und Wortspielen. Die theologische Welt auf + Kathedern, noch mehr die auf Kanzeln, verdient das Lob, daß sie + gleichsam der Lichtsammler oder Lichtfang oder Lichtmagnet der + besten Strahlen und Entdeckungen ist, die aus andern Wissenschaften + ausgehen, besonders derer aus der Philosophie und Dichtkunst: + +In Vierstädten stieß mir nichts von Wichtigkeit auf als -- zu meinem +Grausen -- ein Hund ohne Schwanz, der durch die Stadt oder Gasse lief. +Ich zeigte erbittert im ersten Feuer den Passagieren den Hund und legte +ihnen die Frage vor, ob sie denn eine medizinische Polizei für trefflich +bestellt ansähen, welche, wie die Vierstädter es zuließe, daß Hunde +öffentlich herumsprängen, denen der Schwanz fehlte. »An was«, sagt' ich, +»halt' ich mich denn, wenn dieser weggeschnitten, und mir jede solche +Bestie entgegenrennen, und ich weder aus dem eingezogenen noch +aufgerichteten Schwanze, da der ganze weggehackt ist, einen Schluß +ziehen kann, ob das Vieh toll ist oder nicht. So wird der gescheiteste + + sie selber entdeckt eigentlich nichts als eben die passiven + Diebsinseln, wo sie ihre Gewürze abholt. So findet man in Predigten, + z. B. in Marezolls Kanzelstücken einen reichen Fund fremder + Erfindungen; und überhaupt gibt's wenige Entdeckungen in der + Philosophie und Moral, welche ein Jahrfünft oder Jahrzehnt später, + nachdem sie ihren Schöpfer berühmt gemacht, nicht den Nachschöpfer + in der theologischen Welt -- diese Erbin ihrer + +Mann wütig und gebissen und scheitert bloß aus Mangel eines +Schweifkompasses.« Der nachkommende blinde Passagier (er ließ sich +jetzt als sehender einschreiben, Gott weiß zu welchen Endzwecken) spann +vor mir meinen eigenen Satz, dem er zugehört, fast bis ins Komische aus, +und erregte zuletzt in mir den Verdacht, er mache durch eine, aber sehr +starke Schmeichelnachahmung meines Sprechstils Jagd auf mich. »Der +Hundeschwanz«, sagt' er, »ist wohl für uns Alarmstange und Irrenanstalt, +damit man in keine komme, gleichsam die äußeren Vorposten der Wut -- man +schneide den Kometen den Schwanz, den Bassen den Roßschweif, den Krebsen +den ihrigen (denn ausgestreckter bedeutet krepierte) ab: so ist man + + Magd, der Philosophie -- noch zehnmal größer und reicher gemacht + hätten, sobald er nur Kanzelwasser genug zum Einflößen der fremden + Bissen (_boli_) aufgegossen hatte. Aber hier möcht' ich gern auf + einen Unterschied der meisten lutherischen Prediger von den Mönchen + zeigen, der nicht ganz zum Nachteil der ersteren ausschlägt. Der + Mönch darf (_C. Q. X. de stat. monach._) nichts Eigenes haben, bei + Strafe unehrlichen Begräbnisses, und jedes + +in den gefährlichen Angelegenheiten des Lebens ohne Leitseil, ohne +Avertisseur, ohne Hand in _margine_ -- und man kommt um, ohne vorher zu +wissen wie.« + +Übrigens lief diese Station ohne Zank und Not vorüber. Alles schlief +gegen zehn Uhr ein, sogar der Postillion, außer ich. Ich stellte mich +zwar schlafend, um zu beobachten, wer sich etwa aus guten Gründen nur +schlafend stelle; aber alles schnarchte fort, der Mond warf seine +verklärenden Strahlen nur auf herabgesunkene Augenlider. + +Herrlich konnt' ich jetzt Lavaters Rat befolgen, an Schlafende +vorzüglich die physiognomische Elle anzusetzen, weil der Schlaf wie der +Tod die echte Form gröber ausprägt. + + Eigentum wird ihm als Kirchenraub angerechnet. Mich dünkt aber, der + lutherische Kanzelredner demütigt und entäußert sich weit mehr, wenn + er auch, im höheren Geistigen, wo er noch schön und frei zu wählen + hat -- da über das Eigentum des körperlichen ohnehin in seinem Namen + das Kammerkollegium das Armutsgelübde ablegt -- kurz, wenn er, was + Gedanken anlangt, gar nichts Eigenes hat und haben will. + +Andere Schläfer außerhalb der Postkutsche würd' ich mit gedachter Elle +weniger auszumessen raten, immer in einiger Besorgnis bleibend, daß etwa +ein Kerl, der sich nur schlafend stellte, sogleich, als ich nahe genug +stände, wie im Traume aufspränge, und dem physiognomischen Meßkünstler +in die eigene Gesichtsbildung einen so hinterlistigen Fauststreich +versetzte, daß sie in keinem physiognomischen Fragmente, weil sie selber +eines geworden, mehr florieren könnte, weder in punktierter Manier, noch +in geschabter. Und kann denn nicht der ehrlichste Schläfer von der Welt, +eben während ihr über dessen physiognomische Leichenöffnung her seid, +losschlagen, von der Ehre in einem Prügeltraume angehetzt, und euch +vielleicht mit wenigen Handgriffen und Fußtritten in einen viel ewigeren +Schlaf einwiegen, als der gewesen, woraus er aufgefahren? + +In meinem sogenannten silhouettierenden + + [71] Der Jüngling ist aus Willkür sonderbar und freuet sich; der + Mann ist's unabsichtlich und gezwungen und ärgert sich. + +Schattenspiele kommt der Gesichterinhalt der schlafenden Postkutsche +selber vor; erst darin werde ich euch breit belegen, warum mir der +Giftträger mit der Mordkuppel teuflisch erschienen -- der Zwerg +altkindisch -- die Hure matt- und schlafffrech -- mein Schwager +ruhiggesättigt von Rache oder von Essen -- der Legationsrat Jean Pierre +aber, Gott weiß warum, als ein halber Engel, wiewohl er sich denken +läßt, der halbe Engel, da nur der schöne Körper, nicht die andere im +Schlaf vergangene Hälfte, die Seele, vor mir wirkte. + +Beinahe vergäß' ich's, daß ich doch in meinem Dörfchen, während beide +Schwäger, der Dragoner und der Postillion, tranken, eine kleine Furcht +glücklich bestanden, weil das Schicksal zweimal auf meiner Seite +gewesen. Ich sah unweit eines Jagdschlosses neben einem schönen +Baumklumpen eine weiße Tafel mit schwarzer Inschrift schimmern. Dies +ließ mich hoffen, daß mich dort ein kleines Sargkunstwerk, ein +Ehrenpfahl, irgendein + + [198] Der Pöchel und das Vieh schwindeln auf keinem Abgrundsabhang, + aber wohl der Mensch. + +Treff-, Zier- und Spießdank für einen Toten erwarte. Auf einem +unbetretenen blumigen Gewinde lang' ich vor dem Schwarz auf Weiß an +und lese im Mondschein mit Entsetzen: »Jedermann wird hier vor dem +Selbstschuß gewarnt!« So stand ich also vielleicht einen Fußzehennagel +breit von dem Büchsenhahn, womit ich, wenn ich die Ferse rückte, mich +selber als einen verblüfften Stocknarren und Ladstock in die andere +Welt, unter die Seligen hineinschoß. Ich suchte vor allen Dingen mich +mit den Fußnägeln in den Boden wie einzubeißen und einzufressen -- weil +ich wenigstens so lange am holden Leben bleiben konnte, als ich mich +fest pflöckte neben der daliegenden Atroposschere und Henkersbühne; -- +darauf wünscht' ich mich zu entsinnen, auf welchen Steigen der Teufel +mich unerschossen herbeigeführt. Aber vor Angst hatt' ich alles +ausgeschwitzt und wußte gar nichts, -- im nahen Höllendorf war kein + + [11] Das goldene Kalb der Selbstsucht wächst bald zum glühenden + Phalarisochsen, der seinen Vater und Anbeter einäschert. + +Hund zu ersehen und zu erschreien, der mich etwa aus dem Wasser hätte +holen können, und die beiden Schwäger soffen selig. Indes, ich faßte Mut +und Entschluß -- schrieb auf einem Pergamentblatte meinen letzten Willen +sowie meine zufällige Sterbart nieder, und meinen Todesdank ans +Bergelchen -- und flog dann mit vollen Segeln auf Geratewohl und +geradeaus den kürzesten Weg hindurch, unter der Voraussetzung, mich bei +jedem Schritte niederzuschießen und mir so mit eigener Hand auf mein +noch langes Lebenslicht den _Bonsoir_ oder Lichttöter zu setzen. Aber +ohne Schuß kam ich an. In der Schenke lachte freilich mehr als ein Narr +über mich, weil, was nur ein Narr wissen konnte, die Warnungstafel schon +seit zehn Jahren ohne Schüsse dageblieben, wie oft diese ohne jene. + + [103] Das männliche Schmarotzergewächs an den weiblichen Rosen und + Lilien muß (wenn ich dessen Schmeicheln recht fasse) wahrscheinlich + bei den Schönen die Sitte der Italiener und Spanier voraussetzen, + welche jede Kostbarkeit dem zum Geschenk anbieten, der solche sehr + lobt. + +So aber steht's, ihr Freunde, mit unserer Jagdpolizei, die gegen alles +warnt, nur nicht gegen Warnungstafeln. + +Übrigens hatt' ich auf der ganzen Station leichte Händel mit dem +Postillion, weil er nicht von Viertelstunde zu Viertelstunde halten +wollte, wenn ich ausstieg, um zu ...... Leider sind freilich von +Postknechten keine Urinpropheten zu erwarten, da so selten Gelehrte aus +Hallers großer Physiologie es wissen, daß Aufschieben der gedachten +Sache teuflisches Steingut niederschlägt und zuletzt den Inhaber selber, +weil diese Steingrube seltener der Blasenschneider als der Tod mit einem +Grabe schließt. Hätten Postknechte gelesen, daß Tycho de Brahe wie eine +Bombe am Zerspringen starb: sie hielten lieber an; sie fänden bei +solchen, mir so unerwarteten Kenntnissen es vernünftig, daß ein Mann + + [199] Aber wenige gegenwärtige Staaten, glaub' ich, köpfen unter + dem Vorwande, zu trepanieren -- oder heften (in einer gesuchtern + Allegorie) die Lippen zusammen unter dem Vorwand, deren Hasenscharten + zuzunähen. + +seinen Leichenstein zwar einmal auf sich, aber nicht in sich tragen +will. Bin ich denn nicht sogar in Weimar oft aus den längsten +Abschiedsauftritten Schillers mit Tränen in den Augen hinausgelaufen, +bloß um (während seine Minerva mich im ganzen erweichte) nicht von deren +Medusenkopf auf der Brust partiell versteinert zu werden? Und kam ich +nicht ins weinende Komödienhaus zurück und viel munterer in die +allgemeine Rührung ein, weil ich dann nichts mehr zu erleichtern +brauchte als mein Herz? + +Sehr im Finstern kamen wir in Niederschöna an. + + + + +Dritte Station, von Niederschöna nach Flätz. + + +Als ich am Posthause, mit den Augen auf meinen Mantelsack geheftet, in +Gedanken dastehe: schmettert und schnaubt ein Vieh von Nachtwächter mir +so nahe und unversehens + + [12] Die Einzelwesen haben Lehrjahre, die Staaten Lehrjahrhunderte; + -- aber sind beide freigesprochen, so sind doch wieder Lehrstunden + und Sonntagsschulen nachzuholen. + +mit seiner Nachttuba ins Ohr, daß ich ordentlich zurückspringe, ich, +den schon jede heftig-schnelle Anrede verdrießt. Gibt's denn keine +medizinische Polizei gegen solche geblasene Stundenlärmfidibus und +-Lärmkanonen, durch welche doch keine knallenden entbehrlich werden? +Eigentlich sollte niemand mit dem Nachtwächterhorne investieret werden +als ein vernünftiger Mann, der sich schon einen Bruch geblasen oder +gehoben hätte und der imstande wäre, seinen Stundenvers so leise +abzusingen, daß man gar nichts hörte. + +Was ich längst erwartet und der Zwerg vorausgesagt, traf jetzt ein: aus +der hohen Posthauspforte trat tief sich bückend der Riese heraus und hob +im Freien eine unvernünftig große Statur und dito Kopf mit der +ellenhohen + + [67] Gastfreiheitswirt, willst du deinen Gast erforschen? Begleite + ihn zu einem andern Wirte und höre zu! -- Ebenso: willst du deine + Geliebte in einer Stunde besser kennen lernen als in einem Monat + Zusammenlebens? Sieh ihr eine Stunde lang unter Freundinnen und + Feindinnen (wenn dies kein Pleonasmus ist) zu! + +Mütze und Feder empor; mein Schwager ihm zur Seite schien nur sein +vierzehnjähriger Sohn zu sein, und der Zwerg gar sein auf zwei Beinen +aufwartendes Schoßhündchen. »Lieber Freund,« sagte mein neckender +Schwager, der ihn an mich und die Postkutsche geleitete, »steig' Er +ruhig ein, wir machen Ihm sämtlich gern Platz. Kremp' Er sich nur recht +zusammen, und leg' Er den Kopf aufs Knie; so geht's.« Der unnütze Necker +hätte so gern den fast einfältigen Giganten -- dem er's bald abgemerkt, +daß dessen Gehirn kein schlauer Gast, sondern die negative Größe seines +Rumpfes war -- unter uns im bangen Postschrank und Notstall vor sich +gesehen zu einem Giespuckel eingeknüllt und krumm geschlossen. »Giht +doch nit! Giht gar nit!« sagte der Riese, als er hineinsah. »Der Herr +Soldat wissen vielleicht nicht,« versetzte der Zwerg, »wie groß ein +Riese ist; und Er denken, weil + + [80] Im Sommer des Lebens graben und statten die Menschen Eisgruben + so gut als möglich aus, um sich doch für ihren Winter etwas + aufzuheben, was fortkühlt. + +ich hineingehe. -- Aber das ist ein anderes Loch. -- Ich will überall +hineinpassen, man sage mir nur wo.« -- + +Kurz, es war kein Ausweg für den Postmeister und den Riesen, als daß +sich dieser hinten auf das Passagierwarenlager stellte und setzte, sich +als eine Tränenweide herüberbeugend über den ganzen Kutschkasten. Mich +selber konnte ein solcher Rückenwind und Rückhalt nicht außerordentlich +ergötzen; und ich traue (hoff' ich) jedem von euch, ihr Freunde, zu, daß +er hinter einem Rückendekret so gut und so hell wie ich überschlagen +hätte, was ein Kerl und Riese hinter ihm, ein Nachfahrer in allerlei +Sinne, etwa Mordendes, probieren könne, es sei nun, daß er durch das +Rückenfenster des Wagens einbräche und angreife oder sich überhaupt mit +Titanenmacht oben über den Kutschenhimmel hermache. Indessen fing der +oben mit gekreuzten + + [28] Es ist mir unmöglich, sogleich auf der Stelle unter dem + Wasserästen-Wald von Anspielungen in meinen Werken -- sogar diese + ist wieder ein Ast -- herauszubringen und darauf zu fallen, ob ich + je + +Armen auf dem Kasten liegende Elefant -- der aber von seinem Gleichnis +mehr die drückende Masse als das fliegende Geisteslicht zu haben schien +-- bald zu schlafen und zu schnarchen an; ein Elefant, wovon (wie ich +immer froher einsah) mein Schwager, der Dragoner, leicht der Kornak und +Bändiger sein konnte, ja schon gewesen war. + +Da jetzt mehr als eine Person schlafen wollte, aber (mit Recht) ich +hingegen wachen: so bot ich gern meinen Fahrehrensitz, den Vordersitz +(auch um manchen Neid der Passagiere zu tilgen), solchen Personen an, +die auf ihm ein wenig schlummern wollten. Der Legationsmann ergriff das +Anerbieten und den Lehnpolster mit Hast und entschlief an der Rücklehne +des Titans hinter ihm. Etwas unbegreiflich blieb mir dergleichen +Postschlaf von einem diplomatischen _Chargé d'affaires_. Ein Mann, der +so mitten unter einer blutfremden, + + die sämtlichen Höfe oder Höhen die (Bouguersche) Schneelinie Europas + genannt habe oder nicht, ich wünschte aber Belehrung darüber, um es + im widrigen Falle etwa noch zu tun. + +oft blutdürstigen Genossenschaft entschläft, kann ja, wenn er im +Schlummer und Wagen spricht (denkt nur alle an den sächsischen Minister +vor dem Siebenjährigen Kriege!) hundert Geheimnisse, tausend Schandtaten +herausstoßen, die er kaum verübt hat. Sollte nicht jedem Minister, +Gesandten oder anderen Mann von Ehre oder Stand ordentlich grausen vor +Tollwerden oder hitzigen Fiebern, da ihm kein Mensch dafür steht, daß er +nicht darin mit den größten Skandalen herausfährt, wovon vielleicht die +Hälfte Lügen sind? + +Endlich, nach der langen Juliusnacht, kamen wir Passagiere samt der +Aurora vor Flätz an. Ich sah scharf und weich nach den Turmspitzen; ich +glaube, daß jeder Mensch, der in einer Stadt etwas Entscheidendes zu +suchen + + [36] Und so wünscht' ich überall der erste zu sein, besonders im + Betteln; der erste Kriegsgefangene, der erste Krüppel, der erste + Abgebrannte (ähnlich dem, der die erste Feuerspritze anführt) + erbeutet die Hauptsumme und das Herz; der Nachkömmling spricht die + Pflicht nur an; und endlich geht es mit dem melodischen Mancando des + Mitleids soweit + +hat, und dem sie entweder ein Richtplatz seiner Hoffnungen oder deren +Ankerplatz, entweder Schlacht- oder Zuckerfeld wird, sein Auge am ersten +und längsten auf die Türme der Stadt als auf die Zeigefinger und +Züngelchen seiner Zukunftswage heftet; gleichsam architektonische Berge, +welche wie die natürlichen die Thronen unserer Zukunft sind. Als ich +mich damit zu dichterisch gegen Jean Pierre herausließ, so antwortete er +geschmacklos genug: »Die Türme solcher Städte sind ja die Alpenspitzen, +worauf wir den Alpenkäse unserer Zukunft suchen und melken.« Mochte der +Legations-Peter mit diesem Stile mich lächerlich machen oder nur sich? +-- Entscheidet! + +»Hier ist der Ort, die Stadt,« sagt' ich heimlich zu mir, »wo heute viel +und über + + herunter, daß der letzte -- wenn der vorletzte wenigstens noch + mit einem reichen »Gotthelf« beschwert abzieht -- nichts von der + mildtätigen Hand mehr erhält als deren Faust. Wie nun im Betteln der + erste, so möcht' ich im Geben der letzte sein; einer löscht den + andern aus, besonders der letzte den ersten; so aber ist die Welt + bestellt. + +Zukünfte entschieden wird, wo du diesen Abend um fünf Uhr deine +Bittschrift und halb dich selber übergibst; -- geh' es doch gut! geh' es +herrlich! Werde Flätz, dieser Waffenplatz deiner kleinen Bestrebungen, +zugleich die Baustelle von Lust- und Luftschlössern zweier Herzen, des +deinigen und des weiblichen!« + +Im Gasthofe zum Tiger stieg ich ab. + + + + +Erster Tag in Flätz. + + +Kein Mensch wird sich anfangs in meiner Tigerhotelslage stark +enthusiasmieren über die nächsten Aussichten. Ich, als der einzige mir +bekannte Mensch, besonders von der Seite der Liebe (vom abgehenden +Dragoner nachher!), sah aus den Fenstern des mit Marktgästen sich +vollstopfenden Gasthofes heraus und auf das Nachströmen des Marktheeres + + + [136] Übersteigt ihr eure Zeit zu hoch, so geht es euren Ohren (von + seiten der Fama) nicht viel besser, als sinkt ihr unter solche zu + tief, wirklich ganz ähnlicherweise spürte =Charles= oben in der + Luftkugel, und =Halley= unten in der Taucherglocke gleichen + besonderen Schmerz in den Ohren. + +hernieder und konnte sehr bald bedenken, daß eigentlich niemand als Gott +und die Spitzbuben und Mörder genau wußten, wieviel von beiden letzteren +darunter mit einschwämmen, um vielleicht die unschuldigsten Marktgäste +teils zu enthülsen, teils zu enthalsen. Meine Lage hatte etwas gegen +sich -- mein Schwager hatte, weil er alles blind herausschlägt, es +fallen lassen, daß ich im Tiger abstiege -- (o Gott, wann lernen solche +Menschen geheimnisreich bleiben und auch den elendesten Bettel des +Lebens unter Deckmänteln und Schleiern bloß deshalb zu tragen, weil so +oft eine lausige Maus einen Eis- und Golgathaberg gebiert als ein Berg +eine Maus?). Sämtliches Postgesindel saß sämtlich im Tiger ab -- die +Hure -- der Kammerjäger -- Jean Pierre -- der Riese, der schon am +Stadttore ausstieg und den Großkopf des + + [25] In der Jugend sieht man eben wie ein operierter Blindgeborener + -- und was tut auch der Geburtshelfer oder die Geburtshelferin + anders als operieren -- die Ferne für die Nähe an, den Sternenhimmel + für greifbares Stubengeräte, die Gemälde für Gegenstände, + +Zwergs als eigenen Kopf durch Mantelbemäntelung über die Straßen trug, +damit er um einen halben Zwerg gratis riesenhafter erschiene, als er +eigentlich für Geld zu sehen war. -- -- + +Es kam nun auf jeden ausgestiegenen Passagier an, ob er zum Tiger, dem +Wappentiere des Gasthofs, den Prototypus machen, und welches Lamm er +dann fressen, aussaugen, abrupfen wollte. Auch mein Schwager verließ +mich, um einem Roßtäuscher nachzuziehen, behielt aber für seine +Schwester sein Zimmer neben meinem; dies sollte, wie es schien, +Aufmerksamkeit für sie verraten. Ich blieb einsam meiner Tatkraft +überlassen. + +Gleichwohl dacht' ich unter so vielen Spitzbuben, die mich umzingelten, +wenn nicht gar belagerten, warm an eine ferne, redliche Seele, an meine +Berga in Neusattel, ein Mark- und Kraftherz, das vielleicht manchem + + und die ganze Welt sitzt dem Jüngling auf der Nase, bis ihn, wie den + Blinden, mehrmaliges Auf- und Zubinden endlich Schein und Ferne + schätzen lehrt. + +[Illustration: ... so gab ich dem Feld- und Bartscheerer einen so +plötzlichen Stoss auf den Nabel ..] + +schwachen Ehebündner mehr Schutz gewähren, als verdanken würde. +»Erscheine nur morgen mittags recht bald, Berga,« sagte mein Herz, »und +womöglich noch vormittags, damit ich dein Jahrmarktsparadies um so viele +Stunden länger ausdehne, als du um frühere anlangst!« + +Ein Geistlicher läuft mitten im Weltsturm leicht in einen Freihafen +ein, in die Kirche; die Kirchenmauer ist seine Schießhausmauer und +Fortifikation; und dahinter sitzen gleichergestimmte und friedlichere +Seelen beisammen als auf dem Marktplatz -- kurz, ich ging in die +Hofkirche. Inzwischen wurde ich in meiner Liederandacht ein wenig +verrückt durch einen Heiducken, der einem wohlgekleideten, jungen Herrn +mir gegenüber die Doppellorgnette von der Nase abriß, weil in Flätz +sowie in Dresden + + [125] Am Ende muß man noch aus Angst und Not der wärmste Weltbürger + werden, den ich kenne; so sehr schießen die Schiffe als + Weberschiffchen hin und her und weben Weltteile und Inseln + aneinander. Denn es falle heute das politische Wetterglas in + Südamerika; so haben wir morgen in Europa Gewitter und Sturm. + +Gläser, die verkleinern und nähern, gegen den Hof verstoßen; ich hatte +zwar selber eins aufgesetzt, aber es vergrößerte. Ich konnte mich +unmöglich dahin bringen, die Brille abzunehmen, und ich werde hier, +fürcht' ich, wieder als Starrkopf und Waghals aussehen; bloß dies hielt +ich für schicklich, in einem fort mit ihr ins Gesangbuch zu blicken und +nicht einmal, da der Hof einrauschte, aufzuschauen, um Winke zu geben, +daß sie erhaben geschliffen. -- Die Predigt übrigens war gut, wenn auch +nicht immer fein bedacht für eine Hofkirche; denn sie mahnte von +unzähligen Lastern ab, zu deren Widerspielen, den Tugenden, ein anderer +Prediger zu leicht hätte ermahnen können! Unter dem ganzen Gottesdienste +trachtete ich, wahre, tiefe Ehrerbietung + + [19] Leichter, hat man bemerkt, ersteigt man einen Berg, wenn + man rückwärts hinaufgeht. Dies ließe sich vielleicht auch auf + Staatshöhen anwenden, wenn man ihnen immer nur das Glied wiese, + womit man sich darauf setzt, und das Gesicht gegen das Volk unten + gerichtet hielte, indes man in einem fort sich entfernte und höbe. + +an den Tag zu legen, sowohl gegen Gott als gegen meinen erhabenen +Landesherrn. Zur letzteren Ehrerbietung hatte ich noch meinen +Privatgrund; ich wollte solche nämlich recht öffentlich und stark mit +erhabenen Schriftpunzen auf meinem Gesicht ausprägen, um irgendeinen +eingefleischten Schadenfroh am Hofe Lügen zu strafen, der etwa meine +neuliche Widerlegung von Linguets Lob auf Nero und meine deutsche freie +Satire auf diesen wahren Tyrannen selber, die ich ins Flätzische +Wochenblatt eingeschickt, möchte zu einem heimlichen Charaktergemälde +meines Fürsten umzudrehen beliebt haben. Leider kann man jetzt kaum auf +den höllischen Teufel selber eine Stachelschrift abfassen, ohne daß +irgendein menschlicher sie auf einen Engel appliziert. + +Als endlich der Hof aus der Kirche in den + + [26] Wenige deutsche Gelehrte sind nicht originell, wenn man anders + (wenigstens aller Länder Sprachgebrauch ist) jedem Originalität + zusprechen darf, der bloß seine eignen Gedanken auftischt und keine + fremden. Denn da zwischen ihrem Gedächtnis, wo das Gelesene oder + Fremde wohnt, und zwischen + +Wagen stieg, hielt ich mich in solcher Entfernung, daß mein Gesicht +unmöglich wäre zu sehen gewesen, falls ich etwa in der Nähe kein +ehrerbietiges, sondern ein zu stolzes gezogen hätte. Gott weiß, wer mir +allein jene tollkecken Phantasien und Gelüste eingeknetet hat, die +vielleicht einem Helden Schabacker mehr anständen als einem Feldprediger +unter ihm. Ich kann hier nicht umhin, eine der frechsten, euch, meinen +Freunden, zu vertrauen, würfe sie auch anfangs ein zu grelles Licht auf +mich. Es war bei meiner Ordination zum Feldprediger, als ich zum +heiligen Abendmahle ging am ersten Ostertag. Während ich nun so dastand, +weich bewegt vor dem Altargeländer mit der ganzen Männergemeinde -- ja, +ich vielleicht stärker gerührt, als einer darunter, weil ich als ein in +den Krieg Ziehender + + ihrer Phantasie oder Erzeugungskraft, wo das Geschriebene und Eigene + entsteht, ein hinlänglicher Zwischenraum und die Grenzsteine so + gewissenhaft und fest gesetzet sind, daß nichts Fremde ins Eigne und + umgekehrt herüber kann, so daß sie wirklich hundert Werke lesen + können, ohne den Erdgeschmack + +mich ja halb als einen Sterbenden betrachten durfte, der nun wie ein zu +Henkender die letzte Seelenmahlzeit empfängt -- so warf in mir, mitten +in die Rührung von Orgel und Sang, etwas -- sei es nun der erste +Osterfeiertag gewesen, der mich auf das sogenannte alte christliche +Ostergelächter brachte, oder der bloße Abstich teuflischer Lagen gegen +die gerührtesten -- kurz, etwas in mir (weswegen ich seitdem jeden +Einfältigeren in Schutz nehme, der sonst dergleichen dem Teufel +anschrieb!) -- dies Etwas warf die Frage in mir auf: »gäb' es denn etwas +Höllischeres, als wenn du mitten im Empfange des heiligen Abendmahls +verrucht und spöttisch zu lachen anfingest?« Sogleich rang ich mich mit +diesem Höllenhund von Einfall herum -- versäumte die stärksten +Rührungen, + + des eignen einzubüßen oder dasselbe sonst zu ändern: so ist, glaub' + ich, ihre Eigenheit bewährt; und ihre geistigen Nahrungsmittel, ihre + Plinsen, Laibe, Krapfen, Kaviare und Suppenkugeln werden nicht, wie + nach Büffon die körperlichen, zu organischen Kügelchen der + Erzeugung, sondern erscheinen rein + +um nur den Hund im Gesichte zu behalten, und abzutreiben -- kam aber von +ihm abgemattet und begleitet vor dem Altarschemel mit der jammervollen +Gewißheit an, daß ich nun in kurzem ohne weiteres zu lachen anfangen +würde, ich möchte innen weinen und stöhnen, wie ich wollte. Als daher +ich und ein sehr würdiger alter Bürgermeister uns miteinander vor dem +langen Geistlichen verbeugten und letzterer mir (vielleicht kam er mir +auf dem niedrigen Kniepolster zu lang vor) die Oblate in den klemmen +Mund steckte: so spürt' ich schon, daß an den Mundwinkeln alle +Lachmuskeln sardonisch zu ziehen anfingen, die auch nicht lange an der +unschuldigen Gesichtshaut arbeiteten, als schon ein wirkliches Lächeln +darauf erschien -- und als wir uns gar zum zweiten Male verneigten, so +grinste + + und unverändert wieder. Oft denk' ich mir solche Gelehrte als + lebendige, aber tausendmal künstlichere Entriche von Vaukansons + Kunstente aus Holz. Denn in der Tat sind sie nicht weniger künstlich + zusammengefugt als diese, welche frißt und den Fraß hinten + wiederzugeben scheint -- zarte Nachspiele + +ich wie ein Affe. Mein Nebenmann, der Bürgermeister, redete ganz mit +Recht, als wir hinter den Altar umgingen, mich leise an: »Um Gottes +willen, sind Sie ein ordinierter Prediger oder ein Pritschenmeister? -- +Lacht denn der lebendige Gottseibeiuns aus Ihnen?« -- »Ach, Gott! wer +denn sonst?« sagt' ich; erst nachher bracht' ich meine Andacht +ernsthafter zu Ende. + +Aus der Kirche -- (ich komme wieder in die Flätzer) -- ging ich in den +Gasthof zum Tiger und aß an der Wirtstafel, weil ich nie menschenscheu +bin. Vor dem zweiten Gerichte reichte mir der Kellner einen leeren +Teller, worauf ich zu meinem Erstaunen einen französischen Vers mit der +Gabel eingekratzt erblickte, der nichts Geringeres enthielt als ein +Pasquill auf den Kommandanten von + + der Ente, welche unter dem Schein, die Kost in Blut und Saft + verwandelt zu haben, bloß einen, vom Künstler im Hinterleibe + trefflich vorgerüsteten Auswurf, der mit Speise und Verdauung gar + nicht zusammenhängt, illusorisch in die Welt setzt und drückt. + +Flätz. Ohne Umstände bot ich den Teller der Tischgesellschaft hin und +sagte, ich hätte das pasquillantische Geschirr, wie sie sähen, eben +bekommen, und bäte sie zu bezeugen, daß der Handel mich nichts angehe. +Ein Offizier wechselte sogleich mit mir Teller. Bei dem fünften Gericht +durft' ich mich über die chemisch-medizinischen Unkenntnisse der +Tischgesellschaft verwundern, indem ein Hase, aus welchem ein Herr +mehrere Schrotkörner, das heißt also ein mit Arsenik versetztes und +durch den warmen Essig nun aufgelöstes Blei, öffentlich herausgezogen +und vorgezeigt hatte, von den Zuschauern (mich ausgenommen) lustig +fortgespeist wurde. + +Unter den Tischgesprächen faßte mich eins gewaltig bei meiner schwachen +Seite, bei meiner Ehre. Es wurde nämlich der Gerichtsgebrauch der +Residenz erzählt, daß ein unzüchtiges Mädchen jeden, wen eine Dirne dazu +wähle, in den Vater ihres Wurms verkehren + + [15] Nach Ähnlichkeit der schön polierten englischen Einlegmesser + gibt's auch Einlegkriegsschwerter, oder -- mit andern Worten -- + Friedensschlüsse. + +könne bloß durch ihr Eidwort. »Schrecklich!« sagt' ich, und mir stand +das Haar zu Berg. -- »Auf diese Weise kann sich ja der erste beste +Hausvater mit Frau und Kindern, oder ein Geistlicher, der im Tiger +logiert, von der ersten schlimmsten Aufwärterin, die er oder die ihn +leider abends zufällig kennen lernen, um Ehre und Unschuld gebracht +sehen?« Ein ältlicher Offizier fragte: »Soll denn aber das Mädchen sich +lieber zum Teufel schwören?« Welche Logik! -- »Oder gesetzt,« fuhr ich +ohne Antwort fort, »ein Mann reist mit jenem Wiener Schlossergesellen, +der nachher Mutter wurde und mit einem Söhnchen niederkam, oder mit +irgendeinem verkleideten Ritter d'Eon, mit dem er häufig übernachtet; +und der Schlossergeselle oder der Ritter dürfen dann ihre Beilager +beeidigen: so kann ja kein zarter Mann zuletzt mehr mit einem anderen +reiten und fahren, weil er nicht weiß, wann dieser die Stiefel auszieht +und die Weiberschuhe an, und ihn dann zum Vater schwört und sich zum +Teufel?« + +Aber einige von der Tischgesellschaft vergriffen sich in meinem +Kanzelfeuer so sehr, daß sie schafsmäßig zu glauben andeuteten: ich +selber sei in diesem Punkt nicht richtig, sondern lax. Beim Himmel! ich +wußte da nicht mehr, was ich fraß und sprach. Zum Glücke wurde mir +gegenüber eben die Lüge irgendeiner französischen Niederlage ausgesagt; +da ich nun an den Straßenecken die französische und deutsche +Proklamation angesehen, welche jeden, der Kriegsberichte -- nämlich +nachteilige -- anhört, ohne sie anzuzeigen, vor das Kriegsgericht +bestellt: so konnt' ich als ein Mann, der sich nie gern vergessen will, +wohl nichts Klügeres tun, als davongehen mit leeren Ohren und nur dem +Wirte rapportieren warum. + +Es war keine unrechte Zeit, denn absichtlich um viereinhalb Uhr wollt' +ich mir den Bart scheren lassen, um gegen fünf so recht mit einem vom +Balbiermesserglättzahn geleckten Kinn, wie glattes Velinpapier, ohne +Wurzelstöcke vom Kinnhaare (Barthaare ist Pleonasmus) auf- und +vorzutreten. Vorher goß ich, wie Pitt vor Parlamentssitzungen, verdammt +viel Pontak mit wahrem Ekel in meinen Magen hinunter gegen jede +Heillehre und Sperrordnung desselben, nicht sowohl um den leichten, +fremden Bartputzer zu bestehen, als den Ministergeneral Schabacker, mit +welchem ich eines und das andere Feuerwort zu wechseln vorhatte. + +Es kam der gewöhnliche Fremdenbalbier des Hotels, hatte aber sogleich in +seinem viellinigen ausgezackten Gesichte mehr von einem endlich toll +werdenden, als von einem weiser werdenden Manne an sich. Tolle nun hass' +ich unglaublich und bin daher in kein Tollhaus zu bringen, weil da der +erste beste Wütige mich mit Riesenfäusten erschnappt, wenn er mag, und +weil ich überhaupt der Ansteckung wegen nicht weiß, ob ich wieder mit +dem Verstande herauskomme, den ich hineintrage. -- Gewöhnlich sitz' ich +(bin ich eingeseift) dergestalt auf dem Stuhle, daß ich, beide Hände +(den Blick spann' ich scharf gegen das balbierende Gesicht) auf den +Schenkeln, dem Zwerchfell des Balbiers gegenüber schlagfertig liegen +habe, um ihn bei der kleinsten zweideutigen Bewegung wie wütig +umzustoßen. + +Ich weiß kaum recht, wie es zuging, aber indes ich mich ins +närrisch-gewundene Gesicht des Bartputzers vertiefe und da er eben das +lang' gewetzte Schlachtmesser etwas vorschnell gegen meine entblößte +Gurgel führte: so gab ich dem Feld- und Bartscherer einen so plötzlichen +Stoß auf den Nabel, daß der Mann sich im Fallen bald selber +selbstmörderisch die Gurgel abgeschnitten hätte. Mir blieb freilich +nichts davon als Gutmachungen und eine gegen meine sonstigen Grundsätze +umgebundene geschwollene Kravatte als Deckmantel dessen, was unbeschoren +geblieben. + +Jetzt brach ich denn endlich zum General auf und trank die Pontaksreste +noch unter der Schwelle aus. Ich hoffe, in mir lagen Pläne fertig, +richtig zu antworten, ja zu fragen. Das Bittschreiben hatt' ich in der +Tasche und in der rechten Hand. In der linken hatt' ich dessen Duplikat. +Mein Feuer half mir leicht über alle ministeriellen lebendigen Zäune +hinüber, und ich befand bald mich unverhofft im Vorzimmer unter seinen +vornehmsten Lakaien, die, soviel ich merkte, nichts verpassen sollten. +Ich überreichte dem Ansehnlichsten meine papierne Bitte mit der +mündlichen, sie seinerseits zu überreichen. Er nahm sie, aber +unverbindlich. Ich wartete tief in die Stunde sechs Uhr hinein +vergeblich, worin allein dem frohen Generale manches vorzutragen ist. +Endlich erseh' ich einen Stief- oder Duzbruder des vorigen Lakaien und +wiederhole mein Gesuch; dieser rennt umsonst umher, um Bruder oder +Schreiben zu suchen -- nichts war zu finden: -- wie glücklich war ich, +daß ich das Duplikat der Bittschrift mitten im Pontak vor dem Rasieren +mir wieder abgeschrieben, und also -- bloß aus dem Grundsatz, daß man +immer ein zweites hölzernes Bein im Mantelsack eingepackt haben müsse, +wenn man ein erstes am Leibe habe -- und aus der Furcht, daß, wenn mir +das Urschreiben auf dem Wege + + [13] _Omnibus una salus sanctis, sed gloria dispar_; das heißt -- + schreiben sonst die Gottesgelehrten -- nach Paulus haben wir im + Himmel alle dieselbe Seligkeit, aber verschiedene Ruhmstufen. Schon + auf der Erde finden wir im Himmel der Schriftstellerwelt + +vom Tiger zu Schabacker verloren ginge, meine ganze Reise und Hoffnung +zu Wasser müßte werden -- dies, sag' ich, war gut, daß ich das +Repetierwerk des Urschreibens eingesteckt hatte, und folglich in jedem +Falle etwas, und zwar ein detto, einzuhändigen vermochte. Ich händigte +dasselbe ein. + +Leider nur war schon sechs Uhr vorbei. Der Lakei aber blieb nicht lange +aus, sondern brachte mir bald -- ich möchte sagen den Predigttext dieses +Zirkelbriefes -- die fast rohe Antwort (die ihr, Freunde, aber aus +Achtung für mich und Schabacker geheim zu halten habt): falls ich der +Attila Schmelzle beim Schabackerschen Regiment wäre, so möcht' ich mich +nur mit meinem Hasenpanier wieder zum Teufel scheren, wie ich bei +Pimpelstadt getan. Ein anderer wäre auf dem Platze geblieben; ich aber +ging ganz derb davon und + + ein Vorbild davon. Nämlich die Seligkeit der von der Kritik + seliggesprochenen Autoren der genialen, der guten, der + mittelmäßigen, der geistesarmen, ist bei allen die nämliche, sie + machen sämtlich im ganzen fast einerlei Kameralglück, denselben + +versetzte dem Kerl: »Ich schere mich auch willig zum Teufel, und schere +mich den Teufel darum.« Unterwegs untersucht' ich mich selber, ob nicht +etwa der Pontak aus mir gesprochen -- wiewohl schon die Untersuchung +widerspricht, da kein Pontak untersucht; -- aber ich fand, daß nur ich, +mein Herz, vielleicht mein Mut etwas gesprochen: und wozu denn überhaupt +Kleinmut, da das Vermögen meiner guten Frau mich ja besser besoldet als +zehn katechetische Professuren, und da sie alle Ecken meines Buches des +Lebens mit so viel goldenen Beschlägen versieht, daß ich es, ohne es +abzunützen, immer aufschlagen kann? -- Schwangere mögen bei Schrecken an +den Hintern greifen, um das Muttermal des Versehens dorthin zu verstecken; +ich griff bei dem Mute ans Herz und sagte: »Schlage dich nur tapfer durch, +wer auch dabei geschlagen + + schwachen Profit. Aber Himmel, was hingegen Nachruhmsstaffeln + anlangt, wie tief wird nicht -- ungeachtet des nämlichen Honorars + und Absatzes -- schon bei Lebzeiten ein sogenannter Duns unter ein + Genie hinabgestellt! -- Wird nicht oft ein + +werde!« Ich fühlte mich ganz erhoben und erhitzt -- ich dachte mir +Republiken, wo ich als Held nach Hause kommen könnte -- ich sehnte mich +in jene heroischen Griechenzeiten hinein, wo ein Held vom andern Prügel +gern einsteckte und sagte: schlage nur, aber höre mich! und aus unseren +feigen heraus, wo man kaum Schimpfworte aushält, geschweige mehr -- ich +malte mir es aus, wie ich mich fühlen würde, wenn ich in glücklichere +Umgebungen Afterthronen umwürfe und vor ganzen Völkern auf Großtaten wie +auf Tempelstufen unsterblich aufstiege und in gigantischen Zeiten ganz +andere und größere Männer zu übermannen und zu übertreffen fände als +jetzt den Milbenpöbel um mich her und höchstens den einen und den +anderen Vulcanello. Ich dachte -- und machte mich immer wilder und ich +selber berauschte mich + + geistesarmer Autor in einer Messe vergessen, indes ein geistreicher + oder gar ein genialer durch fünfzig Messen durchblüht und so erst + sein 25 jähriges Jubiläum feiert, bevor er spät vergessen untergeht + und im deutschen Ruhmtempel eingesenkt wird, der + +(also kein Pontaksrausch, der bekanntlich mehr durch als ohne Trinken +wächst), und gestikulierte öffentlich -- als ich mich fragte: »Willst +du ein bloßer Staatsschoßhund werden -- ein Hunds-Hund -- ein _pium +desiderium_ eines _impii desiderii_ -- ein Ex-Ex -- ein Nichts-Nichts? +-- -- O Sackerment!« Darüber stieß ich mir aber meinen Hut in den +Marktkot. Da ich ihn aufhob und säuberte, sah ich überall, wie +verschossen er war, und entschloß mich sogleich, einen neuen zu kaufen +und anfangs selber zu tragen in der Hand. + +Ich vollzog's und erhandelte einen vom feinsten Kaliber. Sonderbar, +durch diesen Hut, als wär's ein Magisterhut, wurde in der Ziegengasse +ordentlich mein Kopf geprüft und examiniert. Da nämlich der General +Schabacker darin daherfuhr, und ich (wie sich wohl von selber versteht) +mich nicht durch + + die bekannte Eigenheit der Kirche des Ordens der Padri Lucchesi in + Neapel nachahmt, welche bekanntlich (nach Volkmann) unter ihrem + Dache eine Begräbnisstätte, aber kein Denkmal darauf verstatten. + +gemeine Grobheit, sondern durch Höflichkeit rächen wollte: so bekam ich +eine der kitzlichsten Aufgaben zu lösen vor. Schwenkt' ich nämlich bloß +den feinen Filz, den ich schon in der Hand trug, behielt aber den +verschossenen auf dem Kopfe: so konnt' ich einem Grobian von Haus aus +ähnlich sehen, der nichts abzieht; zog ich hingegen den alten vom Kopfe +und hofierte damit: so spielten zwei Filze auf einmal (ich mochte nun +den anderen mitbewegen oder nicht) die Sache ins Lächerliche. Nun, +stimmt doch ab, ihr Freunde, eh' ihr weiter leset, wie man sich hier +herauszuziehen hätte, ohne den Kopf zu verlieren!.... Ich glaube +vielleicht dadurch, daß man bloß den Hut verliert; kurz und gut, ich +ließ eben geradezu den Putzhut aus der Hand in den Kot fallen, um mich +in den Stand zu setzen, den Sudelhut einsam abzunehmen und mit nötiger +Höflichkeit zu schwenken ohne einen Anstrich von Lächerlichkeit. + +Im Tiger ließ ich -- um etwas schließen zu lassen -- den brillantierten +Fein-Fein-Fein-Filz + +[Illustration: ... und betete laut: Dir übergeb' ich mich ganz / Du +allein sorgtest ja bisher für mich schwachen Knecht] + +früher ausbürsten als den Kotsassen- oder Schartekenhut. + +Nun ging ich, meine wichtige Vergangenheit in der Adjustier- und +Probierwage tragend, feurig auf und nieder. Der Pontak mußte -- ich weiß +wohl, daß es hinieden nur unechten gibt -- ein noch unechterer gewesen +sein; so sehr jagte er meine Phantasie in ein Feuer nach dem anderen. +Ich sah jetzt in ein weites, glänzendes Leben hinein, wo ich ohne Amt +lebte, bloß von Geld; und das ich gleichsam mit den delphischen Höhlen +und Zenonischen Gängen und Musenbergen aller der Wissenschaften übersäet +sah, die ich ruhig treiben konnte. Besonders konnte ich mich mehr auf +Preisschriften bei Akademien legen, deren (nämlich der Schriften) sich +kein Urheber jemals zu schämen braucht, weil eine ganze krönende +Akademie in jedem Falle für den Koronanden steht und errötet. Schießt +auch der Preiswerber neben der Krone vorbei, so bleibt er doch stets +unbekannter und anonymer (da man seine Devise nicht entsiegelt) als ein +anderer Autor, der zwar namenlos ein Langohr von Buch ediert, den aber +doch bald ein literarisches Eselbegräbnis (_sepultura asinina_) +öffentlich vor der halben Welt einsenkt. + +Nur etwas dauerte mich voraus, das Leid meiner Berga, welcher ich morgen, +der lieben Müdegereisten, die Ankunft und die abgekürzte Marktschau mit +meiner abschlägigen Nachricht versalzen mußte. Sie wollte so gern in +Neusattel -- und wer verübelt's einer reichen Pächterstochter -- etwas +vorstellen und manche Honoratiorin ausstechen. -- Jeder Mensch verlangt +sein Paradeplätzchen und eine frühere lebendigere Ehre, als die letzte +Ehre. -- Besonders will eine so gute Niedriggeborene, sich vielleicht +mehr ihres metallischen als ihres geistigen Schatzes und Tilgungsfonds +bewußt, doch bei Ehrengelagen Meisterin von irgendeinem Stuhl oder +Stühlchen sein und über die erste beste dumme Gans _loci_ hinaufsitzen. + +Dazu sind nun Ehemänner so unentbehrlich. Ich nahm mir daher vor, mir +und folglich ihr einen der besten Titel, womit die Höfe in Deutschland +(gleichsam wie in einem Auerbachshof in Leipzig) vom Adel und Halbadel +an bis zum Rate herunter in einem fort feilstehen, anzukaufen und dieser +geadelten Seele durch meinen Viertelsadel einen solchen Achtelsadel +zuzuspielen, daß (hoff' ich) manche gemeine nebenbuhlerische Neusattlerin +vom Neide halb geborsten sagen und rufen soll: »Ei du dummes Pächtersding! +Seht doch, wie das schwänzelt und wedelt! Es denkt nicht daran, was es +mit ihm wäre, wenn es keinen Geldsack und keinen Hofrat hätte; --« Denn +letzteres nämlich müßt' ich etwa vorher geworden sein. + +Aber ich sehnte mich in der kalten Einsamkeit meines Zimmers und im +Feuer meiner Erinnerungen unbeschreiblich nach dem Bergelchen -- ich und +mein Herz waren müde vom fremden treibenden Tage -- niemand um mich her +sagte mir ein gutes Wort, das er nicht in die Wirtsrechnung zu bringen +verhoffte. -- Freunde, ich schmachtete nach der Freundin, deren Herz +gern das Blut zum Balsam für ein zweites vergießt -- ich verfluchte +meine überklugen Maßregeln, daß ich nicht, um die Gute sogleich mit mir +zu nehmen, lieber das dumme Hauswesen allen Spitzbuben und Feuerschäden +preisgegeben. -- Im Auf- und Abgehen ward es mir immer leichter, alles +zu werden, jeder Kammerrat, Akzisrat, anderer Rat, und wie sie nur +befahl, wenn sie ankäme. + +»Mach dir nur einen guten Tag in der Stadt!« sagte Bergelchen diese +ganze Woche hindurch. Aber wie ist einer ohne sie zu machen? Unsere +Trauertränen trocknen auch Freunde ab und begleiten sie mit eigenen; +aber unsere Freudentränen finden wir am leichtesten in den Augen unserer +Frauen wieder. -- Verzeiht, Freunde, diese Libationen meiner Rührung -- +ich zeig' euch nur mein Herz und meine Berga. -- Bedarf ich eines +Ablaßkrämers, so nehmt den Pontakskrämer dazu. + + [79] Schwache und verschobene Köpfe verschieben und verändern sich + am wenigsten wieder, und ihr innerer Mensch kleidet sich sparsam um; + ebenso mausern Kapaune sich nie. + + + + +Erste Nacht in Flätz. + + +Gleichwohl nahm mir der Wein die Besonnenheit nicht, vor dem Bettegehen +unter das Bett zu sehen, ob jemand darunter lauere, zum Beispiel die +Hure, der Zwerg oder der Legationsrat, ferner den Schlüssel unter den +Türdrücker (die beste Sperrordnung unter allen) zu schieben, dann zum +Überflusse meine Nachtschraube an die Türe einzubohren und endlich davor +noch die Sessel übereinander zu bauen und Beinkleider und Schuhe +anzubehalten, weil ich durchaus nichts besorgen wollte. + +Ich hatte aber noch andere Sachen des Nachtwandels wegen abzutun. Mir +war's überhaupt von jeher unbegreiflich, wie so viele Menschen zu Bette +gehen und darin gesetzt liegen können, ohne zu bedenken, daß sie +vielleicht im ersten Schlafe sich aufmachen + + [89] Die Alten heilten sich im Zeitenunglück mit Philosophie oder + mit Christentum; die Neueren aber z. B. in der Schreckenszeit + griffen zur Wollust, wie etwa der verwundete Büffel sich zur Kur + und zum Verband im Schlamme wälzt. + +als Nachtwandler und auf Dächer hinauskriechen und irgendwo erwachen, wo +sie den Hals brechen und den Rest. Ja, es wäre mir schon Gefahr genug, +wenn ein unbescholtener Mann, ein Feldprediger, im eigenen Bette +einschliefe und etwa auf den Seidenpolstern im Schlafgemache der +vornehmsten Dame in der Stadt aufwachte, von der er vielleicht sein +Glück erwartet. Bin ich zu Hause, so wag' ich wenig mit Schlaf; -- weil +ich, da meine rechte Fußzehe jede Nacht mit einem drei Ellen langen +Wickelbande (ich nenn' es scherzend unser eheliches Band) an die linke +Hand meiner Frau angeschlungen wird, die Gewißheit habe, daß ich, falls +ich aus dem Bettarrest herausginge, mit dem Sperrstrick sie wecken und +ich folglich von ihr, als meinem lebendigen Zaun, an der Nachtschnur +wieder ins Bett würde zurückgezogen werden. Im Gasthof aber konnt' ich +nichts tun, als mich einige Male an den Bettfuß schnüren, um nicht zu +wandern; obgleich alsdann einbrechende Spitzbuben neue Not mitbringen +konnten. Ach, so gefährlich ist alles Schlafen, daß leider jeder, der +nicht auf dem Rücken wie ein Leichnam daliegt, besorgen muß, mit dem +Ganzen schlafe auch ein oder das andere Gliedmaß, ein Fuß, ein Arm ein; +und dann kann das entschlummerte Glied -- da es in der medizinischen +Geschichte gar nicht daran an Exempeln fehlt -- am Morgen zum Amputieren +gereift daliegen. Deshalb lass' ich mich häufig wecken, damit nichts +einschläft. + +Als ich an den Bettpfosten gut angebunden und endlich unter die +Bettdecke gekommen war, wurde ich wegen meines Pontaks Feuertaufe aufs +neue bedenklich und furchtsam vor meinen zu erwartenden Kraft- und +Sturmträumen -- welche leider nachher auch nichts Besseres wurden als +Helden- und Potentatentaten, Festungsstürme, Felsenwürfe; -- noch aber +seh' ich wenig diesen Punkt ärztlich beherzigt. + + [108] Verwundert las ich, der Gruß im Gotthardstal sei: _Allegro!_ + -- Denn nie wurd' ich in Wetzlar, in Regensburg oder Wien anders + gegrüßt als: _Andante di molto!_ -- zuweilen jedoch: _Allegro, ma + non troppo!_ -- Ja, alte Generale grüßten sich + +Medizinalräte und ihre Kunden strecken sich alle ruhig in ihren Betten +aus, ohne daß nur einer von ihnen befürchtet oder untersucht, ob ihm ein +wütiger Zorn (zumal wenn er schnell darauf kalt säuft im Traum), oder +ein herzzerreißender Harm, was er alles in den Träumen erleben kann, am +Leben schade oder nicht. Wär' ich, ich bekenn' es, eine Frau und mithin +weiblich-furchtsam zumal in guter Hoffnung, ich würd' in letzter über +die Frucht meines Schoßes in Verzweiflung sein, wenn ich schliefe und +folglich im Traum alle die von medizinischen Polizeien verbotenen +Ungeheuer, wilden Bestien, Mißgeburten und dergleichen zu Gesicht +bekäme, wovon eine ausreicht (sobald die bestätigte Lehre des Versehens +wahr bleibt), daß ich Kreißende mit einem elenden Kinde niederkäme, das +ganz aussähe wie ein Hase und voll Hasenscharten dazu, oder das eine +Löwenmähne + + oft: _Poco vivace._ -- Ich erkläre mir es daher, daß der Deutsche, + wenn alle Völker, die Füße und Schuhe zu ihren Maßen nehmen, lieber + mit Sessions-Steißen und Hosen abmißt. + +hinten hätte oder Teufelsklauen an den Händen, oder was sonst noch +Mißgeburten an sich haben. Vielleicht wurden manche Mißgeburten von +solchem Versehen in Träumen gezeugt. + +Nachts kurz vor zwölf Uhr erwacht' ich aus einem schweren Traum, um eine +für meine Phantasie zu geisterhafte Geistergeschichte zu erleben. Mein +Schwager, der sie mir eingebrockt, verdient für seine ungesalzene +Kocherei, daß ich ihn euch als den Braumeister des schalen Gebräues ohne +Schonen nenne. Wäre Argwohn mit Unerschrockenheit verträglicher, so +hätte ich vielleicht schon aus seinem Sittenspruche über dergleichen +unterwegs sowie aus dem Fortbehalten seines Nebenzimmers, an dessen +Mitteltüre mein Lager stand, leicht alles geschlossen. Mir war nämlich, +als würd' ich angeblasen von einem kalten Geisteratem, den ich auf keine +Weise + + [181] Gott sei Dank, daß wir nirgends ewig leben als in der Hölle + oder im Himmel; auf der Erde würden sonst wahre Spitzbuben aus uns, + und die Welt ein Haus von Unheilbaren, aus Mangel der + +aus den entfernten und versperrten Fenstern herzuleiten vermochte; -- +worin ich's denn auch traf, denn der Schwager hatt' ihn aus einem +Blasebalg durchs Schlüsselloch eingeschickt. Alles Kalte bringt in der +Nacht auf Todes- oder Geisterkälte. Ich ermannte mich aber und harrte -- +nun fing gar das Deckbette an, sich in Bewegung zu setzen -- ich zog es +an mich -- es wollte wieder weiter -- behend' setz' ich mich plötzlich +im Bette auf und rufe: »Was ist das?« -- Keine Antwort, überall Stille +im Gasthof -- das ganze Zimmer voll Mondschein --. Jetzt hob sich mein +Zugpflaster, das Deckbett, gar empor und luftete mich, wobei mir war +wie einem, von dem man ein Pflaster schnell abhebt. Nun tat ich den +Rittersprung aus dem Teufelstorus und zersprengte springend mein +Nachtwandlersleitseil. »Wo ist der dumme Menschennarr,« rief ich, »der +die erhabene unsichtbare + + Kurschmiede (der Scharfrichter) und der ableitenden Haarseile (am + Galgen) und der Ekel- und Eisenkuren (auf Richtstätten). So daß wir + also wirklich unsre sittliche Riesenkraft gerade so auf der Schuld + +Geisterwelt nachäfft, die ihm ja auf der Stelle erscheinen kann?« -- +Aber an, über, unter dem Bette war nichts zu hören und zu sehen. Ich +schaute zum Fenster hinaus; überall geisterhaftes Mondlicht und +Straßenstille, und nichts bewegte sich, als (wahrscheinlich vom Winde) +auf dem fernen Galberg ein Neugehenkter. + +Jeder andere hätt' es so gut für Selbsttäuschung gehalten als ich; daher +wickelte ich mich wieder in mein passives _lit de justice_ und Luftbette +ein, darin erwartend, inwiefern ich an Erschrecken erkalten sollte oder +nicht. + +Nach einigen Minuten fing das Deckbette, der teuflische Faustsmantel, +sein Fliegen und Schiffsziehen (ich allein war der Verurteilte) wieder +an, der Abwechslung wegen hob auch wieder der unsichtbare Bettaufhelfer +empor. Verfluchte Stunde! -- Ich möchte wissen, ob es im ganzen +gebildeten Europa einen gebildeten + + der Natur, die wir zu bezahlen haben, beruhend, finden, als die + Politiker (z. B. der Verfasser des neuen Leviathans) die Übermacht + der Engländer, auf deren Nationalschuld gestützt, erweisen. + +oder ungebildeten Menschen gäbe, der bei so etwas nicht auf +Geisterteufeleien verfallen wäre; -- ich verfiel darauf, unter der (sich +selber) fahrenden Habe des Deckbettes, und dachte, Berga sei Todes +verfahren und fasse nun noch geistig mein Bette. Dennoch konnt' ich +sie nicht anreden, sowenig als den Teufel, der hier einspielen konnte, +sondern ich wandte mich bloß an Gott und betete laut: »Dir übergeb' ich +mich ganz, du allein sorgtest ja bisher für mich schwachen Knecht -- und +ich schwöre, daß ich anders werde.« -- Ein Versprechen, das dennoch von +mir soll gehalten werden, so sehr auch alles nur dummer Lug und Trug +gewesen ist. + +Mein Gebet verfing nichts bei dem unchristlichen Dragoner, der mich +einmal im Zuggarn des Deckbetts gefangen hielt -- unbekümmert, ob er ein +Gastbett zum Parade- + + [63] Die, welche vom Völkerlichte Gefahren befürchten, gleichen + denen, die besorgen, der Blitz schlag' ins Haus, weil es Fenster + hat; da er doch nie durch diese, sondern durch deren Beeinflussung + fährt oder an der Rauchwolke des Schornsteins herab. + +[Illustration: Ich pfiff frisch ein gas Konisches Liedchen +darunterhinein ...] + +und Totenbette mache oder nicht. -- Er spann meine Nerven wie Golddraht +durch engere Löcher hindurch immer dünner bis zum Verschwenden und +Verschwinden, denn das Bette marschierte endlich gar herab bis an die +Mitteltüre. -- + +Jetzt war es Zeit, ohne Umstände erhaben zu werden und mich um nichts +mehr hienieden zu scheren, sondern mich dem Tode schlicht zu widmen: +»Rafft mich nur weg,« rief ich und schlug unbedenklich drei Kreuze, +»macht mich nur schnell nieder, ihr Geister; ich sterbe doch unschuldiger +als tausend Tyrannen und Gottesleugner, denen ihr leider weniger erscheint +als mir Unbeflecktem.« Hier vernahm ich eine Art von Lachen, entweder +auf der Gasse oder im Nebenzimmer; vor diesem warmen Menschenton blüht' +ich plötzlich wie vor einem Frühling an allen Spitzen wieder auf. Ich +verschmähte gänzlich die weggehaspelte + + [76] Die ökonomische predigende Poesie glaubt wahrscheinlich, ein + chirurgischer Steinschneider sei ein artistischer; und eine Kanzel + oder ein Sinai sei ein Musenberg. + +Decke, die jetzt von der Türe nicht mehr weg konnte; ich legte mich +unbedeckt, doch warm und schwitzend genug, bald in den Schlaf. Übrigens +schäm' ich mich nicht im geringsten vor allen aufgeklärten Hauptstädten +-- und ständen sie vor mir --, daß ich durch meinen Teufelsglauben und +meine Teufelsanrede einige Ähnlichkeit mit dem größten deutschen Löwen +bekommen, mit Luther. + + + + +Zweiter Tag in Flätz. + + +Am Frühmorgen spürt' ich mich aufgeweckt durch das bekannte Zudeckbett; +es hatte sich wie ein Inkube auf mich gesetzt; ich gaffte auf; in einem +Winkel saß still ein rotes, rundes, kernhaftes, aufgeputztes Mädchen wie +eine volle Tulpe von Lebensfrische aufgebläht und leise flatternd mit +bunten Bändern gleichsam + + [415] Nach Smith ist die Arbeit der allgemeine Maßstab des kameralen + Werts. Dies haben aber, wenigstens in bezug auf geistigen und + poetischen Wert, die Deutschen noch früher eingesehen und meines + Wissens stets den gelehrten Dichter über den genialen und das + schwere Buch der Arbeit über das flatternde voll Spiel gesetzt. + +als mit Blättern. »Wer ist dort, wie kommt man herein?« rief ich +halbblind. -- »Ich habe dich nur leise zugedeckt, und du solltest erst +ausschlafen,« sagte Bergelchen, »ich bin die ganze Nacht gegangen, damit +ich recht früh käme; sieh nur her!« Sie zeigte mir ihre Stiefel, das +einzige Reisestück (die Achillesferse), das sie vor dem Tore, als sie in +der Mauser der Toilette war, nicht hatte abstreifen können. -- »Brach,« +fragt' ich, über ihre um sechs Stunden beschleunigte Nachkunft um so +mehr bestürzt, da ich es die ganze Nacht und selber jetzt über ihr +unbegreifliches Hereinkommen gewesen, »brach etwa frischer Jammer über +uns aus und ein, Brand, Mord, Raub?« -- Sie versetzte: »Der Ratz«, sie +wollte sagen die Ratte, »ist gestern verreckt, dem du so lange +nachgestellt; weiter passierte eben nichts.« -- »Und auch alles ist +richtig nach meinem Ordnungszettel zu Hause besorgt?« fragt' ich. +»Jawohl,« versetzte + + [4] Der Heuchler kehret die alte Methode, wonach man mit einem nur + an einer Schneidenseite vergifteten Messer die Frucht zerschnitt und + die damit + +sie, »ich hab' ihn aber gar nicht gelesen, er ist mir weggekommen, du +hast ihn wohl mit eingepackt.« -- + +Indes, ich verzieh alles der blühenden, kecken Ritterin oder Fußgängerin. +-- Ihr Auge, dann ihr Herz brachte mir ja frisches, kühles Morgenwehen +mit Morgenrot in meine schwülen Vorstunden. Auch mußt' ich ja ohnehin +nachher der freundlichen, ins Leben hineinhoffenden und hineinliebenden +Seele den verdienten Himmel des heutigen Tages mit der trüben Nachricht +der fehlgeschlagenen Professur verfinstern. Daher vergab und verschob +ich möglichst. Ich fragte, wie sie hereingekommen, da noch das ganze +spanische Reiterwerk von Sesseln an der Türe feststehe. Sie lachte, sich +dabei nach Dorfsitte bückend, stark und sagte: sie hätte es vorgestern +mit ihrem Bruder verabredet, daß er sie durch seine Stube, da sie meine +Sperrvorrichtung kennte, in meines einließe, damit sie mich heimlich + + geätzte Hälfte dem Opfer hinreichte und die gesunde zweite selber + aß, so uneigennützig gegen sich selber um, daß er gerade die gute + moralische Hälfte + +wecken könnte. Jetzt fuhr der Dragoner laut lachend ins Zimmer und +sagte: »Wie geschlafen, Herr Schwager?« + +Aber auf diese Weise war mir freilich die halbe Gespenstergeschichte +wie von einem Biester und Hennings aufgelöst und aufgedeckt; und ich +durchschaute sogleich des Dragoners ganzen Gespensterplan, den er +ausgeführt. Etwas bitter sagte ich ihm meine Vermutung und der Schwester +meine Geschichte. Aber er log und lachte, ja er versuchte, noch frech +genug, mir am hellen Morgen Geister zum zweiten Male weiszumachen und +aufzuhalsen. Ich versetzte kalt, an mir find' er hierin sehr den +unrechten Mann; gesetzt auch, ich wäre einem Luther, Hobbes, Brutus +ähnlicher, die sämtlich Geister gesehen und gefürchtet. Er erwiderte +-- und riß die Tatsachen aus ihrer Motivierung: -- er sage ja weiter +nichts, als daß er nachts irgendeinen armen Sünder ganz erbärmlich habe + + + und Seite dem andern zeigt und gibt und nur sich die giftige + vorbehält. Himmel, wie schlecht erscheint einem solchen Manne + gegenüber der Teufel! + +krächzen und lamentieren hören; und daraus habe er geschlossen, es sei +eine arme, desperate Nachtmütze von Mann, der ein Gespenst zusetze. +Endlich gingen auch seiner Schwester die Augen über die gemeine Rolle +auf, die er mit mir zu spielen vorgehabt; sie fuhr ihn derb an, schob +ihn mit zwei Händen aus meiner und seiner Türe schnell hinaus und rief +nach: »Warte, du Schadenfroh, ich gedenk' dir's!« Darauf kehrte sie +schnell sich um und fiel mir um den Hals und dabei am falschen Ort ins +Lachen und sagte: »Der dumme Junge! Aber ich konnte das Lachen nicht +mehr verbeißen; und der Narr soll doch nichts merken. Vergib dem Pinsel, +du als ein gelehrter Mann, seine Eselei.« + +Ich fragte sie, ob sie auf ihrer Nachreise auf keine Geisterwelt +gestoßen sei -- wiewohl ich wußte, daß ihr Tiere, ein Wasser, ein halber +Abgrund nichts sind; -- »nein, aber vor den geputzten Stadtleuten«, +sagte sie, »habe ich mich am Morgen gescheut«. O wie lieb' ich diese +weichen Harmonikasbebungen weiblicher Furcht! + +Endlich mußt' ich den Koloquintenapfel anbeißen oder anschneiden und ihr +die Hälfte davon zureichen, nämlich die Nachricht der Fehlbitte um die +Professur. Da ich aber das freudige Herz mit der vollständigen rohen +Wahrheit verschonen und einer schweren Fracht etwas abschneiden mußte, +die sich besser Männerschultern aufpackt, so begann ich: »Bergelchen, +die Professorssache geht einen anderen, aber an sich guten Gang -- der +General, nach welchem ich den Teufel und seine Großmutter frage, legt es +auf einen Generalsturm an -- und den soll er haben, so gewiß, als ich +die Nachtmütze aufhabe.« -- »So bist du also noch nichts geworden?« +fragte sie. »Vorderhand zwar nicht!« versetzt' ich. »Aber doch bis +Sonnabend abend?« sagte sie. »Das nicht,« sagt' ich. »Nun, so bin ich +hart geschlagen, und ich möchte zum Fenster hinausspringen,« sagte sie +und drehte das Rosen- und Morgengesicht + + [66] Wenn die Bemerkung des Verfassers der Glossen richtig ist, daß + die Postmeister in den größern Ländern zugleich auch die gröbern + sind: so hat Napoleon, der viele kleine Länder zu einem großen + +weg, um die feuchten Augen darin mir nicht zuzukehren, und schwieg sehr +lange. Dann fing sie mit schmerzhaft zitternder Stimme an: »Du großer +Heiland, stehe mir am Sonntag in Neusattel bei, wenn mich die +hochtrabenden, vornehmen Weiber in der Kirche sehen und ich blutrot +werde aus Scham!« + +Jetzt sprang ich im Mitjammer aus dem Bette vor die liebe Seele hin, der +die hellen Zähren über die schönblühenden Wangen flossen und rief: »Du +treues Herz, zermartre mich doch nicht so ganz! Gott soll mich strafen, +wenn ich nicht noch in den Hundstagen alles werde, was du nur willst. +-- Sprich, willst du Bergrätin werden, oder Baurätin, oder Hofrätin, +Kriegsrätin, Kammerrätin, Kommerzienrätin, Legationsrätin, oder des +Henkers- und Teufelsrätin: ich bin dabei und werd' es und such' an. +Morgen schick' ich reitende Boten nach Hessen und Sachsen, + + korinthischen Erze zusammenschmolz und brannte, die Postmeister und + Posthalter, z. B. im höflichen Sachsen, gewiß nicht noch höflicher + gemacht, sondern sie eher aus der Komplimentierschule + herausgeschickt. + +nach Preußen und Reußen, nach Friesland und Katzenellenbogen und begehre +Patente. Ja, ich treib's weiter als einer und werde zugleich alles, +Flachsenfinger Hofrat, Scheerauer Akzisrat, Haar-Haarer Baurat, +Pestitzer Kammerrat (denn wir haben das Geld), und stelle dann allein +und eigenhändig mit einem einzigen _Podex_ und _Corpus_ eine ganze +Ratssitzung von auserlesenen Räten vor -- und stehe als eine ganze +Ehrenlegion und ein Ehrengelag, bloß auf zwei Beinen da -- dergleichen +hat noch kein Mensch getan.« + +»O! Nun, du bist ja engelgut!« sagte sie und frohere Zähren rollten, +»du sollst mir selber raten, was die vornehmsten Räte sind, damit wir's +werden.« -- »Nein,« fuhr ich befeuert fort, »dabei bleib' ich nicht +einmal; mir ist's nicht genug, daß du dich ordentlich bei der Kaplänin +kannst als Baurätin melden lassen, bei der Stadtpredigerin als +Legationsrätin, + + Was sie indes an Höflichkeit verloren, gewinnen sie vielleicht an + Briefporto wieder, da ich mir nicht denken kann, daß der Kardinal + _Pretettore del S. Imperio_, dessen Briefe bekanntlich + +bei der regierenden Bürgermeisterin als Hofrätin, bei der +Chausseeeinnehmerin als Kommerzienrätin, oder wie du wo willst.« -- +»Ach du mein gar zu gutes Attelchen!« sagte sie. »Sondern,« fuhr ich +fort, »ich werde auch korrespondierendes Mitglied verschiedener besten +gelehrten Gesellschaften in verschiedenen besten Hauptstädten (worunter +ich bloß zu wählen habe), und zwar kein gemeines wirkliches Mitglied, +sondern ein ganzes Ehrenmitglied; und dann streck' ich wieder dich als +ein auf mir Ehrenmitglied wachsendes Ehrenmitglied aus.« + +Verzeiht, Freunde, diesen Breiumschlag oder Täuschungsbalsam für eine +verwundete Brust, deren Blut zu rein und köstlich ist, als daß man es +nicht mit allen möglichen Stillungsmitteln aus Spinnweben ins schöne +Herz zurückzuschließen trachten sollte. + +Jetzt kamen schöne, schönste Stunden. Ich hatte die Zeit besiegt, wie +mich Berga; selten + + sonst alle postfrei durch das heilige römische Reich gelaufen, nicht + jetzt alles frankieren sollte was er etwa zu melden hat. + +beseligt, so wie ich, ein Sieger, zugleich die überwindende und die +überwundene Partei. Berga holte ihren alten Himmel zurück und zog die +staubigen Stiefel aus und blumige Schuhe an. Köstlicher Morgentrunk! Wie +berauscht ein liebendes Herz! Ich spürte ordentlich (ist die niedere +Redeblume erlaubt) ein Doppelbier von Mut in mir, seitdem ich ein Wesen +mehr um mich zu beschirmen hatte. Überhaupt werd' ich -- was der +treffliche General nicht ganz zu wissen scheint -- nicht wie andere +Mutige mutiger, sondern am stärksten durch Hasen, weil an mir das +schlechte Beispiel sich zum Widerspiel umdreht. Kleine Pinselstriche +mögen hier Mann und Frau mehr abschatten als verschatten! Als der nette +Kellner mit der grünseidenen Schürze + + [67] Einzelne Seelen, ja Staatskörper gleichen organischen Körpern; + man zieht aus ihnen die innere Luft heraus, so erquetscht sie der + Dunstkreis; pumpt man unter der Glocke die äußere widerstehende + hinweg, so schwellen sie von innerer über und zerplatzen. Demnach + behalte jeder Staat inneren und äußeren Widerstand zugleich. + +Morgenbrezeln heraufbrachte -- weil ich gesagt hatte: »Johann, zwei +Portionen!« -- so sagte sie zu ihm: er verbände sie sehr damit, und hieß +ihn Herr Johann. + +Bergelchen -- mehr in Marktflecken als Hauptstädten aufgewachsen -- wurde +ordentlich bestürzt über die Kaffeebretter, Waschtische, Papiertapeten, +Wandleuchter, alabasterne Schreibzeuge mit ägyptischen Sinnbildern und +über den vergoldeten Klingeldrahtsknopf, den ja jeder abdrehen und +einstecken konnte. Daher hatte sie nicht den Mut, durch den Saal voll +Kronleuchter zu gehen, bloß weil ein pfeifender, vornehmer Federhut +darin auf- und abspazierte. Ja, ihrem armen Herzen wurde ordentlich die +Brust zur Schnürbrust, wenn sie zum Fenster hinaus auf so viele geputzte +und fahrende Städter guckte (ich pfiff frisch ein gaskonisches Liedchen +darunter hinein) -- und wenn sie daran dachte, + + [19] Mehr als ein Schriftsteller hat es hinter Hermes nachversucht, + das Beispiel der Gattinnen und Ärzte, welche einem Trunkenbold das + Lieblingsgetränk auf immer durch einen eingeschwärzten, krepierten + Frosch + +wie sie nachher samt mir mitten durch dieses blendende Vorzimmergewühl +brechen müßte. Hier verfangen Schlüsse noch weniger als Beispiele. Ich +wollte mein Bergelchen durch einige meiner nächtlichen Traumgigantesken +heben -- z. B. durch die, daß ich auf einem Walfisch reitend mit einer +Dreizacksgabel drei Adler gespießet und gespeiset, und durch dergleichen; +aber ich machte keinen Effekt, vielleicht, weil ich eben dadurch dem +furchtsamen Frauenherzen das Schlachtfeld näher als den Sieger, den +Abgrund näher als den Springer darüber vor das Auge geschoben. + +Jetzt wurde mir ein Pack Zeitungen gebracht, voll lauter kräftigster +Siege. Obgleich diese nur auf der einen Seite vorfallen und auf der +anderen ebenso viele Niederlagen vorkommen: so verquicken doch jene sich +mehr mit meinen Blute als diese, und flößen mir -- wie sonst Schillers +Räuber -- eine wunderbare + + oder durch Brechweinstein zu verleiden wußten, nachzuahmen und auf + ähnliche Weise dem heißhungrigen Romanenleser den Roman durch + häufige in denselben eingebrockte Predigten, Moralien und + +Neigung ein, irgend jemand auf der Stelle zu dreschen und zu fegen. +Unglücklicherweise für den Kellner hatte dieser sich eben wie ein Herr +dreimalige Klingelorder zum Marsche geben lassen, bevor er sich mobil +und herauf gemacht. »Herr,« -- fing ich an, den Kopf voll Schlachtfelder +und den Arm voll Triebe ihn abzuklopfen, und Berga fürchtete alles, da +ich das ihr bekannte Zorn- und Alarmzeichen gab, nämlich die Mütze +hinten am Hinterkopfe in die Höhe stieß -- »ist das Manier gegen Gäste? +Warum kommt Er nicht prompt? Komm' Er mir nicht wieder so und geh' Er, +Freund!« -- Ungeachtet sein Rückzug mein Sieg war, so kanonierte ich +doch noch auf der Wahlstatt lebhaft fort und feuerte desto lauter (er +sollt' es hören), je mehr Treppen er hinuntergeflogen. Bergelchen -- die +sich ganz entsetzte über mein Ergrimmen, zumal in einem ganz fremden +Hause + + Langweilen (dergleichen sollte krepierte Frösche vorstellen) + dermaßen zu versalzen und zu verekeln, daß er dann nach keinem + Romane mehr griffe. -- -- Aber der Ekel verfing wenig; und Hermesen + selber + +und über einen vornehmen Putzbengel mit Seidenschurz -- suchte alle ihre +sanften Worte hervor gegen wilde einer Kriegsgurgel und gab mir Gefahren +zu bedenken. »Gefahren«, versetzt' ich, »wünscht' ich ja eben, nur +gibt's keine für den Mann, stets wird er ihnen entweder obsiegen oder +entspringen, entweder die Stirn bieten oder den Rücken.« + +Ich konnte kaum aufhören mich zu erbittern, so süß war mir's, und so +sehr fühlt' ich mich vom Zornfeuer erfrischt und in der Brust wie von +einem Geierfelle lind geheizt. Es gehört auch allerdings unter die +unerkannten Wohltaten -- worüber man sonst predigte, daß man nie mehr in +seinem Himmel und _monplaisir_ (ein Lustschloß) ist, als so recht im +Toben und Grimm. + +Und wurde der ganze Vormittagsmorgen mit Beschauen und Behandeln +verbracht; und zwar am längsten in der breiten Gasse unseres + + glückt es am wenigsten, eher noch seinen Nachfolgern, bei denen der + Wein sich weniger im Geschmacke von dem Brechwein unterschied, den + sie dazu gegossen. + +Hotels. Berga sollte sich erst ins Marktgedränge einschießen; sie +sollte erst einsehen, daß sie mehr »nach der Modi«, mit ihr zu reden, +aufgeschmückt sei, als hundert andere ihres Ungleichen. Aber bald vergaß +sie über den Haushalt den Aufputz und auf dem Töpfermarkte den +Nachttisch. + +Nach dem Mittagsessen (auf unserem Zimmer) kamen wir aus dem Fegfeuer +des Meßgetümmels, wo Berga an jeder Bude etwas zu bestellen und ihrer +Nachtreterin etwas aufzuladen hatte, endlich im Himmel an, in der +sogenannten Hundewirtschaft, wie das beste Flätzer Wirts- und Lusthaus +außer der Stadt sich nennt, wo Messenszeiten Hunderte einkehren, um +Tausende vorbeigehen zu sehen. Schon unterwegs wuchs meinem Weibchen +als meinem Ellenbogenefeu dermaßen der Mut, daß sie unter dem Tore, +wo ich mich, da nach der bekannten militärischen Prozeßordnung nicht +nahe an der Schildwache vorübergegangen werden darf, deshalb auf die +entgegengesetzte Seite hinwarf, ruhig dicht am Schieß- und Stechgewehr +der Torwache vorüberstrich. Draußen konnt' ich ihr den umketteten, +vergitterten, riesenhaften, schon außen mit Treppen aufsteigenden +Schabackerpalast mit Fingern zeigen, worin ich gestern gehaust und +(vielleicht) gestürmt; »lieber den Riesen möcht' ich begucken,« sagte +sie, »und den Zwergen; zu was sind wir denn mit ihnen unter einem Dach?« + +Im Lusthause selber fanden wir hinlängliche Lust, umrungen von blühenden +Gesichtern und Auen. Da setzt' ich mich heimlich in einem fort über +Schabackers Refus mit Erfolg hinweg und machte mir überhaupt bis gegen +Mitternacht einen guten Tag; ich hatt' ihn verdient, Berga noch mehr. +Gleichwohl sollt' ich noch nachts um ein Uhr eine Windmühle zu berennen +bekommen, die freilich mit etwas längeren, stärkeren und mehreren Armen +schlägt als ein Riese, wofür Don Quixote eine solche Mühle gern angesehen +hätte. Ich + + [8] In großen Sälen wird der wahre Ofen in einen zierlichen + Scheinofen entlarvt; so ist es schicklich und zierlich, daß sich die + jungfräuliche =Liebe= immer in eine schöne, jungfräuliche + Freundschaft verberge. + +lasse nämlich auf dem Marktplatz aus Gründen, die sich leichter denken +als sagen, Bergelchen um einige zwanzig vorausgehen, und begebe mich aus +gedachten Gründen ohne Arg hinter eine versteckte Bude, die wohl die +Silberhütte und der Silberschrank eines rohen Krämers sein mochte, und +verweile davor natürlich nach Umständen: -- sieh, kommt dahergerudert +mit Spieß und Speer der Budenwächter und münzt und prägt mich so +unversehens und unbesehen zu einem Schnapphahn und Raubfisch seiner +Budengassen aus, obgleich der schwache Kopf nichts weiter sieht, als daß +ich in einer Ecke stehe und nichts weniger tue als -- nehmen. Ein +Ehrgefühl ohne Tallus ist für solche Angriffe niemals abgestumpft. Nur +aber, wie war einem Manne, der nichts im Kopfe hat -- höchstens jetzt +Bier statt Hirn -- in der Nachmitternacht Licht zu geben? -- + +Ich verhehle mein Wagmittel nicht; ich griff zum Fuchsschwanz, ich +spiegelte ihm nämlich vor, ich hätte einen sogenannten Hieb, und wüßte +in der Betrunkenheit mich schlecht zu finden und zu halten -- ich +spielte daher alles nach, was mir aus diesem Fache zu Gesicht gekommen, +schwankte hin und her, setzte die Füße tanzmeisterlich auswärts, geriet +in Zickzacke hinein bei allem Aussegeln nach gerader Linie, ja ich stieß +meinen guten Kopf (vielleicht einen der hellsten und leersten der Nacht) +als einen vollen gegen wahre Pfosten. -- + +Gleichwohl sah der Budenvogt, der vielleicht öfter betrunken gewesen als +ich, und die Zeichen besser kannte, oder der es gar selber in dieser +Stunde war, die ganze Verstellung für bloßes Blendwerk an und schrie +entsetzlich. »Halt, Strauchdieb, du hast keinen Haarbeutel, du Windbeutel +bist ja noch weniger besoffen als ich! -- Wir kennen uns wohl länger. +Steh! Ich komm dir nach. + + [12] Die Völker lassen -- als Widerspiele der Ströme, die in der + Ebene und Ruhe am meisten das Unreine niederschlagen -- gerade nur + im stärksten Bewegen das Schlechte fallen, und sie werden desto + schmutziger, je länger sie in trägen, platten Flächen + weiterschleichen. + +Willst du im Markt deine Diebesfinger haben? -- Steh, Hund, oder ich +forciere dich!« + +Man sieht hier seinen ganzen Zustand; ich entsprang zickzackig zwischen +den Buden diesem rohen Trunkenbolde so eilig, als ich konnte; dennoch +humpelte er mir nach. Aber meine Teutoberga, die einiges gehört, rannte +zurück, faßte den betrunkenen Marktportier beim Kragen und sagte, obwohl +(nach Dorfweise) zuschreiend: »Dummer Mann, schlaf' Er seinen Rausch +aus, oder ich zeig's Ihm! Weiß Er denn, wen Er vor sich hat? Meinen +Mann, den Feldprediger Schmelzle unter dem Herrn General und Minister +von Schabacker bei Pimpelstadt, Er Narr! Pfui, schäm' Er sich, Kerl!« +Der Wächter brummte: »Nichts für ungut!« und taumelte davon. »O du +Löwin,« sagt' ich im Liebesrausch, »warum bist du in keiner Todesgefahr, +damit ich dir nur den Löwen zeige als Gemahl?« + +So gelangten wir beide liebend nach Hause; + + [23] Wenn die Natur das alte große Erdenrund, den Erdenlaib von + neuem durchknetet, um unter diesem Pastetendeckel neue Gefüllsel und + Zwerge hineinzubacken; + +und ich hätte vielleicht zum schönen Tage noch den Nachsommer einer +herrlichen Nachmitternacht erlebt, hätte mich nicht der Teufel über +Lichtenbergs neunten Band, und zwar auf die 206. Seite geführt, wo +dieses steht: »Es wäre doch möglich, daß einmal unsere Chemiker auf ein +Mittel gerieten, unsere Luft plötzlich zu zersetzen, durch eine Art von +Ferment. So könnte die Welt untergehen.« Ach, ja, wahrlich! Da die +Erdkugel in der größeren Luftkugel eingekapselt steckt: so erfinde bloß +ein chemischer Spitzbube auf irgendeiner fernsten Spitzbubeninsel oder +in Neuholland, ein Zersetzmittel für die Luft, dem ähnlich, was etwa ein +Feuerfunke für einen Pulverkarren ist: in wenig Stunden packt mich und +uns in Flätz der ungeheure, herschnaubende Weltsturm bei der Gurgel, +mein Atemholen und dergleichen ist in Erstickluft vorbei, und alles +überhaupt vorbei. -- + +Indes verbarg ich der treuen Seele jeden + + so gibt sie meistens wie eine backende Mutter ihrem Töchterchen zum + Scherze etwas weniges Pastetenteig davon (ein paar tausend + Quadratmeilen + +Todesnachtgedanken, da sie mich doch entweder nur schmerzlich +nachempfunden oder gar lustig ausgelacht hätte. Ich befahl bloß, daß sie +am Morgen (des Sonnabends) für die zurückkehrende Landkutsche fertig und +gestiefelt dastände, sollt' ich anders ihren Wünschen gemäß an die +Überschwängerung mit Räten, die ihr so am Herzen lag, früh genug kommen. +Sie war so freudig meiner Meinung, daß sie gern den Jahrmarkt aufgab. +Auch ruht' ich ruhig, mit der Fußzehe an ihre Finger geknüpft, die ganze +Nacht hindurch. + +Der Dragoner nahm und zupfte mich am Morgen heimlich beim Ohre und sagte +mir in dasselbe hinein, er habe ein lustiges Meßgeschenk für seine +Schwester vor und reite deshalb auf seinem gestern vom Roßtäuscher +eingetauschten Rappen etwas früh voraus. Ich bot ihm meinen Vordank. + +Am Morgen lief jeder lustig vom Stapel, + + solchen Teigs sind genug für ein Kind) irgendeiner Dichter-, oder + Weisen-, oder Heldenseele ab, damit das kleine Ding doch auch etwas + auszuformen und aufzustellen habe neben der Mutter. + +ausgenommen ich; denn ich behielt noch immer, auch vor dem besten +Morgenrote das nächtliche Teufelsferment und Zersetzmittel, meiner +Gehirnkugel sowohl als der Erdkugel, gärend im Kopf; ein Beweis, daß die +Nacht mich und meine Furcht gar nichts hatte übertreiben lassen. Der mir +verdrießliche blinde Passagier setzte sich auch wieder ein und sah mich +wie gewöhnlich an, doch ohne Effekt, denn diesmal, wo ich Weltumwälzungen, +nicht bloß die meinigen, im Kopfe hatte, war mir der Passagier mehr ein +Spaß und Spuk; da niemand unter Fußabsägen das Herzgespann verspürt, +oder unter dem Summen der Kanonen sich gegen das der Wespen wehrt, +ebenso konnte mir ein Passagier mit allen Brandbriefen, die etwa sein +verdächtiges Gesicht in meine noch späte Zukunft wirft, bloß lächerlich +zu einer Zeit vorkommen, wo ich bedachte, das »Ferment« könne + + Bekommen dann die Geschwister etwas von dem Gebäcke des + Schwesterchens, so klopfen sie alle in die Hände und rufen: + »Mutter, kannst du auch so backen wie Viktoriechen?« + +ja mitten auf meinem Wege von Flätz nach Neusattel von irgendeinem +Amerikas, Europas Manne, der ganz unschuldig versucht und zersetzt, +zufällig erfunden und losgelassen werden. Die Frage, ja Preisfrage +wäre aber nun, inwiefern es seit Lichtenbergs Drohung nicht etwa +welt- und selbstmörderisch aussieht, wenn aufgeklärte Potentaten +scheidekünstlerischer Völker es nicht ihren Scheidekünstlern, die so +leicht Leib von Seele scheiden und Erde mit Himmel gatten, auferlegen, +keine andere chemische Versuche zu machen, als die schon gemachten, +die doch bisher den Staaten weit mehr genützt als geschadet. + +Leider blieb ich in diesen jüngsten Tag des Ferments mit allen Sinnen +versunken, ohne auf der ganzen Rückreise nach Neusattel mehr zu erleben +und zu bemerken, als daß ich daselbst ankam, wo ich zugleich wieder den +blinden Passagier seines Weges gehen sah. + +Nur mein Bergelchen schaute ich in einem fort unterwegs an, teils um sie +noch solange zu sehen, als Leben und Augen dauern, teils um auch bei +kleinster Gefahr derselben, es sei nun eine große oder gar ein ganzes +hereinstürzendes Goldau und verzehrendes Weltgericht, wenn nicht für +sie, doch an ihr zu sterben, und so, verknüpft mit ihr, ein geplagtes +und plagendes Leben hinzuwerfen, worin ihr ohnehin nicht die Hälfte +meiner Wünsche für sie erfüllt worden. + +So wäre denn meine Reise an sich vollendet -- gekrönt mit einigen +Historiolen -- vielleicht künftig noch belohnter durch euch, ihr Freunde +um Flätz herum, wenn ihr darin etwa einige gutgeschliffene Jätemesser +finden solltet, womit ihr leichter das Lügenunkraut ausreutet, das mich +bis jetzt dem wackeren Schabacker verbauet. -- Nur sitzt mir noch das +verfluchte Ferment im Kopfe. Lebt denn wohl, solange es noch Atmosphären +einzuatmen gibt. Ich wollt', ich hätte mir das Ferment aus dem Kopfe +geschlagen. + + Euer + Attila Schmelzle. + +NS. Mein Schwager hat seine Sache gut gemacht und Berga tanzt. Künftig +das Nähere! -- -- + + + + + Gedruckt bei + Poeschel & Trepte + in Leipzig + + + + +[ Im folgenden werden alle geänderten Textzeilen angeführt, wobei +jeweils zuerst die Zeile wie im Original, danach die geänderte Zeile +steht. + +Taufnamen Attilla mehr, als sich's gehört, in mich gefahren, ist +Taufnamen Attila mehr, als sich's gehört, in mich gefahren, ist + + [112] Gewisse Welt weiberbenutzen in gewissen Fällen ihre körperliche + [112] Gewisse Weltweiber benutzen in gewissen Fällen ihre körperliche + +Malzleinsdorf (einer Wiener Vorstadt), oder waren's für meine gepeinigten +Matzleinsdorf (einer Wiener Vorstadt), oder waren's für meine gepeinigten + +sagen, mir sind den Kindern gleich, die am schön bemalten Kästchen +sagen, wir sind den Kindern gleich, die am schön bemalten Kästchen + +Freilich, das Postkutschen gelag' und Picknick wollte mir weniger +Freilich, das Postkutschengelag' und Picknick wollte mir weniger + +sich einsetzen ober hinten aufstellen würde. Beide Narren beziehen +sich einsetzen oder hinten aufstellen würde. Beide Narren beziehen + +erklärte nun, das man +erklärte nun, daß man + + zu schonen, so lange auf den =Kopf=, bis wieder getragen wird. + zu schonen, so lange auf den =Kopf=, bis er wieder getragen wird. + +Menge, bei dem die Blitze spießenden Degen auf dem Kutschbock, unb bei +Menge, bei dem die Blitze spießenden Degen auf dem Kutschbock, und bei + + Eigentum wird ihm als Kirchenraub angerechent. Mich dünkt aber, der + Eigentum wird ihm als Kirchenraub angerechnet. Mich dünkt aber, der + +logiert, von der ersten schimmsten Aufwärterin, die er oder die ihn +logiert, von der ersten schlimmsten Aufwärterin, die er oder die ihn + +Helden und Potentatentaten, Festungsstürme, Felsenwürfe; -- noch aber +Helden- und Potentatentaten, Festungsstürme, Felsenwürfe; -- noch aber + +Sonnabend abend?« sagte sie. »Das nicht, sagt' ich. »Nun, so bin ich +Sonnabend abend?« sagte sie. »Das nicht,« sagt' ich. »Nun, so bin ich + +Gleichwohl sollt' ich noch nachts um ein Uhr eine Winmühle zu berennen +Gleichwohl sollt' ich noch nachts um ein Uhr eine Windmühle zu berennen +] + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach +Flätz mit fortgehenden Noten, by Jean Paul + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DES FELDPREDIGERS SCHMELZLE REISE *** + +***** This file should be named 27775-8.txt or 27775-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + https://www.gutenberg.org/2/7/7/7/27775/ + +Produced by Norbert H. Langkau, Itay Perl, Jana Srna and +the Online Distributed Proofreading Team at +https://www.pgdp.net + + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. Special rules, +set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to +copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to +protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project +Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you +charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you +do not charge anything for copies of this eBook, complying with the +rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose +such as creation of derivative works, reports, performances and +research. They may be modified and printed and given away--you may do +practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is +subject to the trademark license, especially commercial +redistribution. + + + +*** START: FULL LICENSE *** + +THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE +PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK + +To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free +distribution of electronic works, by using or distributing this work +(or any other work associated in any way with the phrase "Project +Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project +Gutenberg-tm License (available with this file or online at +https://gutenberg.org/license). + + +Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm +electronic works + +1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm +electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to +and accept all the terms of this license and intellectual property +(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all +the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy +all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession. +If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project +Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the +terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or +entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. + +1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be +used on or associated in any way with an electronic work by people who +agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few +things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works +even without complying with the full terms of this agreement. See +paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project +Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement +and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic +works. See paragraph 1.E below. + +1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation" +or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project +Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the +collection are in the public domain in the United States. If an +individual work is in the public domain in the United States and you are +located in the United States, we do not claim a right to prevent you from +copying, distributing, performing, displaying or creating derivative +works based on the work as long as all references to Project Gutenberg +are removed. Of course, we hope that you will support the Project +Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by +freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of +this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with +the work. You can easily comply with the terms of this agreement by +keeping this work in the same format with its attached full Project +Gutenberg-tm License when you share it without charge with others. + +1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern +what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in +a constant state of change. If you are outside the United States, check +the laws of your country in addition to the terms of this agreement +before downloading, copying, displaying, performing, distributing or +creating derivative works based on this work or any other Project +Gutenberg-tm work. The Foundation makes no representations concerning +the copyright status of any work in any country outside the United +States. + +1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: + +1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate +access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently +whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the +phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project +Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed, +copied or distributed: + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + +1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived +from the public domain (does not contain a notice indicating that it is +posted with permission of the copyright holder), the work can be copied +and distributed to anyone in the United States without paying any fees +or charges. If you are redistributing or providing access to a work +with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the +work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1 +through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the +Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or +1.E.9. + +1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted +with the permission of the copyright holder, your use and distribution +must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional +terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked +to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the +permission of the copyright holder found at the beginning of this work. + +1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm +License terms from this work, or any files containing a part of this +work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. + +1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this +electronic work, or any part of this electronic work, without +prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with +active links or immediate access to the full terms of the Project +Gutenberg-tm License. + +1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, +compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any +word processing or hypertext form. However, if you provide access to or +distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than +"Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version +posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org), +you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a +copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon +request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other +form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm +License as specified in paragraph 1.E.1. + +1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, +performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works +unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. + +1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing +access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided +that + +- You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from + the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method + you already use to calculate your applicable taxes. The fee is + owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he + has agreed to donate royalties under this paragraph to the + Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments + must be paid within 60 days following each date on which you + prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax + returns. Royalty payments should be clearly marked as such and + sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the + address specified in Section 4, "Information about donations to + the Project Gutenberg Literary Archive Foundation." + +- You provide a full refund of any money paid by a user who notifies + you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he + does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm + License. You must require such a user to return or + destroy all copies of the works possessed in a physical medium + and discontinue all use of and all access to other copies of + Project Gutenberg-tm works. + +- You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any + money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the + electronic work is discovered and reported to you within 90 days + of receipt of the work. + +- You comply with all other terms of this agreement for free + distribution of Project Gutenberg-tm works. + +1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm +electronic work or group of works on different terms than are set +forth in this agreement, you must obtain permission in writing from +both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael +Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the +Foundation as set forth in Section 3 below. + +1.F. + +1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable +effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread +public domain works in creating the Project Gutenberg-tm +collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic +works, and the medium on which they may be stored, may contain +"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or +corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual +property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a +computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by +your equipment. + +1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right +of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project +Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project +Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all +liability to you for damages, costs and expenses, including legal +fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT +LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE +PROVIDED IN PARAGRAPH F3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE +TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE +LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR +INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH +DAMAGE. + +1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a +defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can +receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a +written explanation to the person you received the work from. If you +received the work on a physical medium, you must return the medium with +your written explanation. The person or entity that provided you with +the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a +refund. If you received the work electronically, the person or entity +providing it to you may choose to give you a second opportunity to +receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy +is also defective, you may demand a refund in writing without further +opportunities to fix the problem. + +1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth +in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER +WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO +WARRANTIES OF MERCHANTIBILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. + +1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied +warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages. +If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the +law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be +interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by +the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any +provision of this agreement shall not void the remaining provisions. + +1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the +trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone +providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance +with this agreement, and any volunteers associated with the production, +promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works, +harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees, +that arise directly or indirectly from any of the following which you do +or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm +work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any +Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause. + + +Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm + +Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of +electronic works in formats readable by the widest variety of computers +including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation web page at https://www.pglaf.org. + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at +https://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at +809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email +business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact +information can be found at the Foundation's web site and official +page at https://pglaf.org + +For additional contact information: + Dr. Gregory B. Newby + Chief Executive and Director + gbnewby@pglaf.org + + +Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation + +Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide +spread public support and donations to carry out its mission of +increasing the number of public domain and licensed works that can be +freely distributed in machine readable form accessible by the widest +array of equipment including outdated equipment. Many small donations +($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt +status with the IRS. + +The Foundation is committed to complying with the laws regulating +charities and charitable donations in all 50 states of the United +States. Compliance requirements are not uniform and it takes a +considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up +with these requirements. We do not solicit donations in locations +where we have not received written confirmation of compliance. To +SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any +particular state visit https://pglaf.org + +While we cannot and do not solicit contributions from states where we +have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition +against accepting unsolicited donations from donors in such states who +approach us with offers to donate. + +International donations are gratefully accepted, but we cannot make +any statements concerning tax treatment of donations received from +outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. + +Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation +methods and addresses. Donations are accepted in a number of other +ways including including checks, online payments and credit card +donations. To donate, please visit: https://pglaf.org/donate + + +Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic +works. + +Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm +concept of a library of electronic works that could be freely shared +with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project +Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. + + +Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. +unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + https://www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/old/27775-8.zip b/old/27775-8.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..4f411dc --- /dev/null +++ b/old/27775-8.zip diff --git a/old/27775-page-images/f0000-image1.png b/old/27775-page-images/f0000-image1.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..236f119 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/f0000-image1.png diff --git a/old/27775-page-images/f0001.png b/old/27775-page-images/f0001.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..c5e84ae --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/f0001.png diff --git a/old/27775-page-images/f0002.png b/old/27775-page-images/f0002.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..f3d0dab --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/f0002.png diff --git a/old/27775-page-images/p0003.png b/old/27775-page-images/p0003.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..55bd6d0 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0003.png diff --git a/old/27775-page-images/p0004.png b/old/27775-page-images/p0004.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..fcb830e --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0004.png diff --git a/old/27775-page-images/p0005.png b/old/27775-page-images/p0005.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..513b127 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0005.png diff --git a/old/27775-page-images/p0006.png b/old/27775-page-images/p0006.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..f3b28ea --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0006.png diff --git a/old/27775-page-images/p0007.png b/old/27775-page-images/p0007.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..8b21cce --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0007.png diff --git a/old/27775-page-images/p0008.png b/old/27775-page-images/p0008.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..828b00c --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0008.png diff --git a/old/27775-page-images/p0009.png b/old/27775-page-images/p0009.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..96167ad --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0009.png diff --git a/old/27775-page-images/p0010.png b/old/27775-page-images/p0010.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..f65590e --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0010.png diff --git a/old/27775-page-images/p0011.png b/old/27775-page-images/p0011.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..a0debe0 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0011.png diff --git a/old/27775-page-images/p0012-insert1.png b/old/27775-page-images/p0012-insert1.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..d896eae --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0012-insert1.png diff --git a/old/27775-page-images/p0012.png b/old/27775-page-images/p0012.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..6a47bf4 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0012.png diff --git a/old/27775-page-images/p0013.png b/old/27775-page-images/p0013.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..c93f5f0 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0013.png diff --git a/old/27775-page-images/p0014.png b/old/27775-page-images/p0014.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..fc28c66 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0014.png diff --git a/old/27775-page-images/p0015.png b/old/27775-page-images/p0015.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..ebb569d --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0015.png diff --git a/old/27775-page-images/p0016.png b/old/27775-page-images/p0016.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..62f33ed --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0016.png diff --git a/old/27775-page-images/p0017.png b/old/27775-page-images/p0017.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..8adc0d0 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0017.png diff --git a/old/27775-page-images/p0018.png b/old/27775-page-images/p0018.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..3d904ec --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0018.png diff --git a/old/27775-page-images/p0019.png b/old/27775-page-images/p0019.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..2743b2f --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0019.png diff --git a/old/27775-page-images/p0020.png b/old/27775-page-images/p0020.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..3a5d64f --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0020.png diff --git a/old/27775-page-images/p0021.png b/old/27775-page-images/p0021.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..834f6d0 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0021.png diff --git a/old/27775-page-images/p0022.png b/old/27775-page-images/p0022.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..4e6c3a2 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0022.png diff --git a/old/27775-page-images/p0023.png b/old/27775-page-images/p0023.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..d3ee665 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0023.png diff --git a/old/27775-page-images/p0024.png b/old/27775-page-images/p0024.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..708b12a --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0024.png diff --git a/old/27775-page-images/p0025.png b/old/27775-page-images/p0025.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..1d371d9 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0025.png diff --git a/old/27775-page-images/p0026.png b/old/27775-page-images/p0026.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..af2a04d --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0026.png diff --git a/old/27775-page-images/p0027.png b/old/27775-page-images/p0027.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..deeb2e7 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0027.png diff --git a/old/27775-page-images/p0028.png b/old/27775-page-images/p0028.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..be50279 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0028.png diff --git a/old/27775-page-images/p0029.png b/old/27775-page-images/p0029.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..8b706ce --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0029.png diff --git a/old/27775-page-images/p0030.png b/old/27775-page-images/p0030.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..cf4afb4 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0030.png diff --git a/old/27775-page-images/p0031.png b/old/27775-page-images/p0031.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..62a45bb --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0031.png diff --git a/old/27775-page-images/p0032-insert1.png b/old/27775-page-images/p0032-insert1.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..5047df2 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0032-insert1.png diff --git a/old/27775-page-images/p0032.png b/old/27775-page-images/p0032.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..ffaad71 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0032.png diff --git a/old/27775-page-images/p0033.png b/old/27775-page-images/p0033.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..fadb8e3 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0033.png diff --git a/old/27775-page-images/p0034.png b/old/27775-page-images/p0034.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..954a102 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0034.png diff --git a/old/27775-page-images/p0035.png b/old/27775-page-images/p0035.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..d05fdf7 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0035.png diff --git a/old/27775-page-images/p0036.png b/old/27775-page-images/p0036.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..c122da4 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0036.png diff --git a/old/27775-page-images/p0037.png b/old/27775-page-images/p0037.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..154f089 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0037.png diff --git a/old/27775-page-images/p0038.png b/old/27775-page-images/p0038.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..0b18e31 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0038.png diff --git a/old/27775-page-images/p0039.png b/old/27775-page-images/p0039.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..14866ce --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0039.png diff --git a/old/27775-page-images/p0040.png b/old/27775-page-images/p0040.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..5f63b68 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0040.png diff --git a/old/27775-page-images/p0041.png b/old/27775-page-images/p0041.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..b24e993 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0041.png diff --git a/old/27775-page-images/p0042.png b/old/27775-page-images/p0042.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..959c809 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0042.png diff --git a/old/27775-page-images/p0043.png b/old/27775-page-images/p0043.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..74edbdf --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0043.png diff --git a/old/27775-page-images/p0044.png b/old/27775-page-images/p0044.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..c1016e0 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0044.png diff --git a/old/27775-page-images/p0045.png b/old/27775-page-images/p0045.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..84c2386 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0045.png diff --git a/old/27775-page-images/p0046.png b/old/27775-page-images/p0046.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..c1cf4e3 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0046.png diff --git a/old/27775-page-images/p0047.png b/old/27775-page-images/p0047.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..7e361ac --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0047.png diff --git a/old/27775-page-images/p0048.png b/old/27775-page-images/p0048.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..a10c4c2 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0048.png diff --git a/old/27775-page-images/p0049.png b/old/27775-page-images/p0049.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..5308cd1 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0049.png diff --git a/old/27775-page-images/p0050.png b/old/27775-page-images/p0050.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..5e76c39 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0050.png diff --git a/old/27775-page-images/p0051.png b/old/27775-page-images/p0051.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..04c5c44 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0051.png diff --git a/old/27775-page-images/p0052-insert1.png b/old/27775-page-images/p0052-insert1.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..edcdb0c --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0052-insert1.png diff --git a/old/27775-page-images/p0052.png b/old/27775-page-images/p0052.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..3a2c489 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0052.png diff --git a/old/27775-page-images/p0053.png b/old/27775-page-images/p0053.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..ae3f769 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0053.png diff --git a/old/27775-page-images/p0054.png b/old/27775-page-images/p0054.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..fff47be --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0054.png diff --git a/old/27775-page-images/p0055.png b/old/27775-page-images/p0055.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..95378ce --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0055.png diff --git a/old/27775-page-images/p0056-insert1.png b/old/27775-page-images/p0056-insert1.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..af4cf28 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0056-insert1.png diff --git a/old/27775-page-images/p0056.png b/old/27775-page-images/p0056.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..4248da9 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0056.png diff --git a/old/27775-page-images/p0057.png b/old/27775-page-images/p0057.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..b8488ad --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0057.png diff --git a/old/27775-page-images/p0058.png b/old/27775-page-images/p0058.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..3a522fa --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0058.png diff --git a/old/27775-page-images/p0059.png b/old/27775-page-images/p0059.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..4a2f368 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0059.png diff --git a/old/27775-page-images/p0060.png b/old/27775-page-images/p0060.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..878db20 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0060.png diff --git a/old/27775-page-images/p0061.png b/old/27775-page-images/p0061.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..488a4a1 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0061.png diff --git a/old/27775-page-images/p0062.png b/old/27775-page-images/p0062.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..10fcf3b --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0062.png diff --git a/old/27775-page-images/p0063.png b/old/27775-page-images/p0063.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..065402c --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0063.png diff --git a/old/27775-page-images/p0064.png b/old/27775-page-images/p0064.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..ad68432 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0064.png diff --git a/old/27775-page-images/p0065.png b/old/27775-page-images/p0065.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..fcbfb73 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0065.png diff --git a/old/27775-page-images/p0066.png b/old/27775-page-images/p0066.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..22d72bb --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0066.png diff --git a/old/27775-page-images/p0067.png b/old/27775-page-images/p0067.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..f2efd08 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0067.png diff --git a/old/27775-page-images/p0068.png b/old/27775-page-images/p0068.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..9ed6c59 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0068.png diff --git a/old/27775-page-images/p0069.png b/old/27775-page-images/p0069.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..d76099d --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0069.png diff --git a/old/27775-page-images/p0070.png b/old/27775-page-images/p0070.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..c21f13b --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0070.png diff --git a/old/27775-page-images/p0071.png b/old/27775-page-images/p0071.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..4751f2f --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0071.png diff --git a/old/27775-page-images/p0072.png b/old/27775-page-images/p0072.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..2590caa --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0072.png diff --git a/old/27775-page-images/p0073.png b/old/27775-page-images/p0073.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..14e2732 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0073.png diff --git a/old/27775-page-images/p0074.png b/old/27775-page-images/p0074.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..e37b89e --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0074.png diff --git a/old/27775-page-images/p0075.png b/old/27775-page-images/p0075.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..28e516a --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0075.png diff --git a/old/27775-page-images/p0076-insert1.png b/old/27775-page-images/p0076-insert1.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..c7de53c --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0076-insert1.png diff --git a/old/27775-page-images/p0076.png b/old/27775-page-images/p0076.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..fddcd81 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0076.png diff --git a/old/27775-page-images/p0077.png b/old/27775-page-images/p0077.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..b0b9084 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0077.png diff --git a/old/27775-page-images/p0078.png b/old/27775-page-images/p0078.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..e880344 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0078.png diff --git a/old/27775-page-images/p0079.png b/old/27775-page-images/p0079.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..853d49d --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0079.png diff --git a/old/27775-page-images/p0080.png b/old/27775-page-images/p0080.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..34d9021 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0080.png diff --git a/old/27775-page-images/p0081.png b/old/27775-page-images/p0081.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..e731ab2 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0081.png diff --git a/old/27775-page-images/p0082.png b/old/27775-page-images/p0082.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..5dd715b --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0082.png diff --git a/old/27775-page-images/p0083.png b/old/27775-page-images/p0083.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..a9ad629 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0083.png diff --git a/old/27775-page-images/p0084.png b/old/27775-page-images/p0084.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..069fcbc --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0084.png diff --git a/old/27775-page-images/p0085.png b/old/27775-page-images/p0085.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..cf5933b --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0085.png diff --git a/old/27775-page-images/p0086.png b/old/27775-page-images/p0086.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..7c5047e --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0086.png diff --git a/old/27775-page-images/p0087.png b/old/27775-page-images/p0087.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..786a22c --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0087.png diff --git a/old/27775-page-images/p0088.png b/old/27775-page-images/p0088.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..0894ee2 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0088.png diff --git a/old/27775-page-images/p0089.png b/old/27775-page-images/p0089.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..611759c --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0089.png diff --git a/old/27775-page-images/p0090.png b/old/27775-page-images/p0090.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..2c0c82e --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0090.png diff --git a/old/27775-page-images/p0091.png b/old/27775-page-images/p0091.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..2e18073 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0091.png diff --git a/old/27775-page-images/p0092.png b/old/27775-page-images/p0092.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..5f3226e --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0092.png diff --git a/old/27775-page-images/p0093.png b/old/27775-page-images/p0093.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..ab1033b --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0093.png diff --git a/old/27775-page-images/p0094-insert1.png b/old/27775-page-images/p0094-insert1.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..ac3b073 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0094-insert1.png diff --git a/old/27775-page-images/p0094.png b/old/27775-page-images/p0094.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..c82b917 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0094.png diff --git a/old/27775-page-images/p0095.png b/old/27775-page-images/p0095.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..3cc40c5 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0095.png diff --git a/old/27775-page-images/p0096.png b/old/27775-page-images/p0096.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..1cb3c30 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0096.png diff --git a/old/27775-page-images/p0097.png b/old/27775-page-images/p0097.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..0e3f64c --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0097.png diff --git a/old/27775-page-images/p0098.png b/old/27775-page-images/p0098.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..33030a4 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0098.png diff --git a/old/27775-page-images/p0099.png b/old/27775-page-images/p0099.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..35c6075 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0099.png diff --git a/old/27775-page-images/p0100.png b/old/27775-page-images/p0100.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..db08b50 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0100.png diff --git a/old/27775-page-images/p0101.png b/old/27775-page-images/p0101.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..3290b64 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0101.png diff --git a/old/27775-page-images/p0102.png b/old/27775-page-images/p0102.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..e8b712e --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0102.png diff --git a/old/27775-page-images/p0103.png b/old/27775-page-images/p0103.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..c3f83f2 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0103.png diff --git a/old/27775-page-images/p0104.png b/old/27775-page-images/p0104.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..5df7ffe --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0104.png diff --git a/old/27775-page-images/p0105.png b/old/27775-page-images/p0105.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..7874609 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0105.png diff --git a/old/27775-page-images/p0106-insert1.png b/old/27775-page-images/p0106-insert1.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..caaa483 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0106-insert1.png diff --git a/old/27775-page-images/p0106.png b/old/27775-page-images/p0106.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..b3fdce0 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0106.png diff --git a/old/27775-page-images/p0107.png b/old/27775-page-images/p0107.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..fd99c9f --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0107.png diff --git a/old/27775-page-images/p0108.png b/old/27775-page-images/p0108.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..f7bb83d --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0108.png diff --git a/old/27775-page-images/p0109.png b/old/27775-page-images/p0109.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..182788b --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0109.png diff --git a/old/27775-page-images/p0110.png b/old/27775-page-images/p0110.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..3282e69 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0110.png diff --git a/old/27775-page-images/p0111.png b/old/27775-page-images/p0111.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..6208c4a --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0111.png diff --git a/old/27775-page-images/p0112.png b/old/27775-page-images/p0112.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..696d424 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0112.png diff --git a/old/27775-page-images/p0113.png b/old/27775-page-images/p0113.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..65c2008 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0113.png diff --git a/old/27775-page-images/p0114.png b/old/27775-page-images/p0114.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..936451f --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0114.png diff --git a/old/27775-page-images/p0115.png b/old/27775-page-images/p0115.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..c73469c --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0115.png diff --git a/old/27775-page-images/p0116.png b/old/27775-page-images/p0116.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..fe66903 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0116.png diff --git a/old/27775-page-images/p0117.png b/old/27775-page-images/p0117.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..9bc097e --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0117.png diff --git a/old/27775-page-images/p0118.png b/old/27775-page-images/p0118.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..0cfa63e --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0118.png diff --git a/old/27775-page-images/p0119.png b/old/27775-page-images/p0119.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..ec24681 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0119.png diff --git a/old/27775-page-images/p0120.png b/old/27775-page-images/p0120.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..652f6ce --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0120.png diff --git a/old/27775-page-images/p0121.png b/old/27775-page-images/p0121.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..6c1fa09 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0121.png diff --git a/old/27775-page-images/p0122.png b/old/27775-page-images/p0122.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..6fa830c --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0122.png diff --git a/old/27775-page-images/p0123.png b/old/27775-page-images/p0123.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..b27aeb0 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0123.png diff --git a/old/27775-page-images/p0124.png b/old/27775-page-images/p0124.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..83f2283 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0124.png diff --git a/old/27775-page-images/p0125.png b/old/27775-page-images/p0125.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..21715dd --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0125.png diff --git a/old/27775-page-images/p0126.png b/old/27775-page-images/p0126.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..ecc833a --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0126.png diff --git a/old/27775-page-images/p0127.png b/old/27775-page-images/p0127.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..b4b5a42 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0127.png diff --git a/old/27775-page-images/p0128.png b/old/27775-page-images/p0128.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..6c53f2d --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0128.png diff --git a/old/27775-page-images/p0129.png b/old/27775-page-images/p0129.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..282ef8a --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0129.png diff --git a/old/27775-page-images/p0130.png b/old/27775-page-images/p0130.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..ef57732 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0130.png diff --git a/old/27775-page-images/p0131.png b/old/27775-page-images/p0131.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..a185ce8 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/p0131.png diff --git a/old/27775-page-images/q0001.png b/old/27775-page-images/q0001.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..6532606 --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/q0001.png diff --git a/old/27775-page-images/r0001-image1.png b/old/27775-page-images/r0001-image1.png Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..65ebf7a --- /dev/null +++ b/old/27775-page-images/r0001-image1.png diff --git a/old/schmelzle-ie6.htm b/old/schmelzle-ie6.htm new file mode 100644 index 0000000..c974260 --- /dev/null +++ b/old/schmelzle-ie6.htm @@ -0,0 +1,3644 @@ +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" lang="de" xml:lang="de"> + <head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=iso-8859-1" /> + <title>The Project Gutenberg eBook of Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz, by Jean Paul</title> + <style type="text/css"> +/*<![CDATA[ XML blockout */ +<!-- + body { padding-left: 22%; padding-right: 27%; } + + p { margin-top: .75em; + margin-bottom: .75em; + text-align: justify; + text-indent: 1.5em; + } + + h1, h2, h3 { text-align: center; + font-weight: normal; + clear: both; + margin-top: 0em; + } + h2, h3 { margin-bottom: 1.5em; } + + .new-h2 { margin-top: 6em; } + .new-h3 { margin-top: 4em; } + + ins { text-decoration: none; border-bottom: 1px dashed #039; } + + .gesperrt { letter-spacing: 0.2em; margin-right: -0.2em; } + em.gesperrt { font-style: normal; } + + .center { text-align: center; } + .right { text-align: right; } + + .figcenter { margin: 4em auto; text-align: center; } + + .pagenum { position: absolute; + display: inline; + right: 1.5%; + font-size: x-small; + text-align: right; + color: #808080; + font-style: normal; + border: 1px solid silver; + padding: 1px 4px 1px 4px; + font-variant: normal; + font-weight: normal; + text-decoration: none; + text-indent: 0em; + } + + .sidenote-l, + .sidenote-r { text-align: left; width: 38.5%; position: absolute; font-size: 0.9em; } + .sidenote-l { left: 1.5%; } + .sidenote-r { right: 6.5%; } + + .dropcap, + .center, + .right, + .sidenote-l, + .sidenote-r, + #tnote p { text-indent: 0em; } + + .dropcap:first-letter { font-size: 250%; } + + #tnote { width: 28em; + border: 1px dashed #808080; + background-color: #f6f6f6; + text-align: justify; + padding-left: 0.75em; + padding-right: 0.75em; + margin: 120px auto 120px auto; + } + + @page { margin: 2cm; } + + @media print { + body { margin: 2em; } + h2 { page-break-before: always; } + .figcenter { page-break-before: always; page-break-after: always; } + #tnote, pre, .pagenum { display: none; } + ins, a { text-decoration: none; border: none; color: black; } + } +// --> +/* XML end ]]>*/ + </style> + </head> +<body> + + +<div id="tnote"> +<p class="center"><b>Anmerkungen zur Transkription:</b></p> +<p>Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden +übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler wurden +korrigiert. Änderungen sind im Text <ins title="so wie hier">gekennzeichnet</ins>, +der Originaltext erscheint beim Überfahren mit der Maus.</p> +<p>Diese Version wurde für Internet Explorer 6 optimiert. Falls die +<a href="#noten">fortgehenden Noten</a> bei Ihnen nicht richtig dargestellt +werden, verwenden Sie bitte die <a href="schmelzle-ie7.htm">andere Version</a>.</p> +</div> + +<div class="figcenter" style="width: 365px; page-break-before: auto;"> +<img src="images/schmelzle.png" width="365" height="500" alt="Attila Schmelzle" title=""/> +</div> + +<h1 style="line-height: 1.4em;"><small style="font-size: 0.6em;">Des</small><br/> +<small style="font-size: 0.8em;">Feldpredigers Schmelzle</small><br/> +<big class="gesperrt">Reise nach Flätz</big><br/> +<small style="font-size: 0.6em;">mit fortgehenden Noten;</small></h1> + +<p class="center" style="line-height: 2.2em;">von<br/> +<big class="gesperrt">Jean Paul.</big></p> + + +<hr style="height: 2px; color: black; background-color: black; width: 12em; border: none; margin: 6em auto 1em auto;"/> + +<p class="center gesperrt" style="line-height: 1.8em;"><small>Leipzig</small><br/> +Kurt Wolff Verlag<br/> +1917.</p> + +<p class="center" style="line-height: 1.8em; margin-top: 8em;">Mit acht Kupfern<br/> +von<br/> +<span class="gesperrt">Karl Thylmann</span></p> +<hr style="height: 1px; color: black; background-color: black; width: 3em; border: none; margin: auto;"/> +<p class="center">2. Abdruck</p> + + + + +<div class="new-h2"> </div> +<p><span class="pagenum"><a name="Page_3">3</a></span></p> +<h2>Vorrede des Verfassers.</h2> + + +<p class="dropcap">Ich glaube, mit drei Worten ist sie gemacht, +so wie der Mensch und seine Buße +aus ebenso vielen Teilen.</p> + +<p>1) Das erste Wort ist über den Zirkelbrief +des Feldpredigers Schmelzle zu sagen, +worin er seinen Freunden seine Reise nach +der Hauptstadt Flätz beschreibt, nachdem +er in einer Einleitung einige Beweise und +Versicherungen seines Mutes vorausgeschickt. +<span class="pagenum"><a name="Page_4">4</a></span>Eigentlich ist selber die Reise nur +dazu bestimmt, seine vom Gerüchte angefochtene +Herzhaftigkeit durch lauter Tatsachen +zu bewähren, die er darin erzählt. +Ob es nicht inzwischen feine Nasen von +Lesern geben dürfte, welche aus einigen darunter +gerade umgekehrt schließen, seine +Brust sei nicht überall bombenfest, wenigstens +auf der linken Seite, darüber lass' ich +mein Urteil schweben.</p> + +<p>Übrigens bitte ich die Kunstkenner sowie +ihren Nachtrab, die Kunstrichter, diese Reise, +für deren Kunstgehalt ich als Herausgeber +verantwortlich werde, bloß für ein Porträt +(im französischen Sinne), für ein Charakterstück +zu halten. Es ist ein will- oder unwillkürliches +Luststück, bei dem ich so oft gelacht, +<span class="pagenum"><a name="Page_5">5</a></span>daß ich mir für die Zukunft ähnliche Charaktergemälde +zu machen vorgesetzt. – Wann +könnte indes ein solches Luststückchen schicklicher +der Welt ausgestellt und beschert +werden, als eben in Zeiten, wo schweres +Geld und leichtes Gelächter fast ausgeklungen +haben, zumal da wir jetzt wie Türken +bloß mit Beuteln rechnen und zahlen (der +Inhalt ist heraus) und mit Herzbeuteln +(der Inhalt ist darin)? –</p> + +<p>Verächtlich würde mir's vorkommen, +wenn irgendein roher Tintenknecht rügend +und öffentlich anfragte, auf welchen Wegen +ich zu diesem Selbst-Kabinetts-Stücke +Schmelzles gekommen sei. Ich weiß sie gut +und sage sie nicht. Dieses fremde Luststück, +wofür ich allerdings (mein Verleger bezeugt's) +<span class="pagenum"><a name="Page_6">6</a></span>den Ehrensold selber beziehe, überkam +ich so rechtlich, daß ich unbeschreiblich +ruhig erwarte, was der Feldprediger gegen +die Herausgabe sagt, falls er nicht schweigt. +Mein Gewissen bürgt mir, daß ich wenigstens +auf ehrlicheren Wegen zu diesem Besitztume +gekommen, als die sind, auf denen +Gelehrte mit den Ohren stehlen, welche als +geistige Hörsaalshausdiebe und Kathederschnapphähne +und Kreuzer die erbeuteten +Vorlesungen in den Buchdruckereien ausschiffen, +um sie im Lande als eigene Erzeugnisse +zu verhandeln. Noch hab' ich wenig +mehr in meinem Leben gestohlen, als jugendlich +zuweilen – Blicke.</p> + +<p><a name="noten">2)</a> Das zweite Wort soll die auffallende, +mit einem Notensouterrain durchbrochene +<span class="pagenum"><a name="Page_7">7</a></span>Gestalt des Werkleins entschuldigen. Sie +gefällt mir selber nicht. Die Welt schlage +auf und schaue hinein und entscheide ebenfalls. +Aber folgender Zufall zog diese durch +das ganze Buch streichende Teilungslinie: +ich hatte meine eigenen Gedanken (oder Digressionen), +womit ich die des Feldpredigers +nicht stören durfte, und die bloß als Noten +hinter der Linie fechten konnten, aus Bequemlichkeit +in ein besonderes Manuskript +zusammengeschrieben, und jede Note ordentlich, +wie man sieht, mit ihrer Nummer +versehen, die sich bloß auf die Seitenzahl +des fremden Hauptmanuskripts bezog; ich +hatte aber bei dem Kopieren des letzteren +vergessen, in den Text selber die entsprechende +einzuschreiben. Daher werfe niemand, sowenig +<span class="pagenum"><a name="Page_8">8</a></span>als ich, einen Stein auf den guten +Setzer, daß dieser – vielleicht in der Meinung, +es gehöre zu meiner Manier, worin ich +etwas suchte – die Noten geradeso, wie sie +ohne Rangordnung der Zahlen untereinander +standen, unter den Text hinsetzte, jedoch +durch ein sehr lobenswürdiges künstliches +Ausrechnen wenigstens dafür sorgte, daß +unter jede Textseite etwas von solchem glänzenden +Notenniederschlag käme. – – Nun, +die Sache ist einmal geschehen, ja verewigt, +nämlich gedruckt. Am Ende sollte ich mich +eigentlich darüber erfreuen. In der Tat +– und hätt' ich jahrelang darauf gesonnen +(wie ich's bisher seit zwanzigen getan), um +für meine Digressionskometenkerne neue +Lichthülsen, wenn nicht Zugsonnen, für +<span class="pagenum"><a name="Page_9">9</a></span>meine Episoden neue Epopöen zu erdenken: +schwerlich hätt' ich für solche Sünden einen +besseren und geräumigeren Sündenbalg erfunden, +als hier Zufall und Setzer fertig +gemacht darreichen. Ich habe nur zu beklagen, +daß die Sache gedruckt worden, +eh' ich Gebrauch davon machen können. +Himmel! welche fernsten Anspielungen +(hätt' ich's vor dem Drucke gewußt) wären +nicht in jeder Textseite und Notennummer +zu verstecken gewesen, und welche scheinbare +Unangemessenheit in die wirkliche Gemessenheit +und ins Notenuntere der Karten; wie +empfindlich und boshaft wäre nicht die +Höhe und auf die Seite herauszuhauen +gewesen, aus den sicheren Kasematten und +Miniergängen unten, und welche <i lang="la" xml:lang="la">laesio</i> +<span class="pagenum"><a name="Page_10">10</a></span><i lang="la" xml:lang="la">ultradimidium</i> (Verletzung über die Hälfte +des Textes) wäre nicht mit satirischen Verletzungen +zu erfüllen und zu ergänzen gewesen!</p> + +<p>Aber das Schicksal wollte mir nicht so +gut; ich sollte von diesem goldenen Handwerksboden +für Satiren erst etwas erfahren +drei Tage vor der Vorrede.</p> + +<p>Vielleicht aber holt die Schreibwelt – +bei dem Flämmchen dieses Zufalls – eine +wichtigere Ausbeute, einen größeren unterirdischen +Schatz herauf, als leider ich gehoben; +denn nun ist dem Schriftsteller ein +Weg gezeigt, in einem Marmorbande ganz +verschiedene Werke zu geben, auf einem +Blatte zugleich für zwei Geschlechter, ohne +deren Vermischung, ja für fünf Fakultäten +<span class="pagenum"><a name="Page_11">11</a></span>zugleich, ohne deren Grenzverrückung, zu +schreiben, indem er, statt ein ekles, gärendes +Allerlei für niemand zu brauen, bloß dahin +arbeitet, daß er Notenlinien oder Demarkationslinien +zieht und so auf dem nämlichen +fünfstöckigen Blatte die unähnlichsten Köpfe +behauset und bewirtet. Vielleicht läse dann +mancher ein Buch zum vierten Male, +bloß, weil er jedesmal nur ein Viertel +gelesen.</p> + +<p>Wenigstens den Wert hat dieses Werk, +daß es ein Werkchen ist, und klein genug; +so daß es, hoff' ich, jeder Leser fast schon +im Buchladen schnell durchlaufen und auslesen +kann, ohne es, wie ein dickes, erst +deshalb kaufen zu müssen. – Und warum +soll denn überhaupt auf der Körperwelt +<span class="pagenum"><a name="Page_12">12</a></span>etwas anderes groß sein, als nur das, +was nicht zu ihr gehört, die Geisterwelt? –</p> + +<p class="center"><span class="gesperrt">Baireuth</span>,<br/> +im Heu- und Friedensmonat 1807.</p> + +<p class="right"><big class="gesperrt">Jean Paul Fr. Richter.</big></p> + +<div class="figcenter" style="width: 301px; page-break-after: auto;"> +<img src="images/blitzschirm.png" width="301" height="500" alt="Der Blitzschirm ist nämlich ganz der Reimarus'sche" title="" /> +</div> + + + + +<div class="new-h2"> </div> +<p><span class="pagenum"><a name="Page_13">13</a></span></p> +<h2 style="text-align: justify; padding-left: 1.5em; text-indent: -1.5em;">Zirkelbrief des vermutlichen katechetischen +Professors <span class="gesperrt">Attila Schmelzle</span> an +seine Freunde, eine Ferienreise nach +Flätz enthaltend, samt einer Einleitung, +sein Davonlaufen und seinen Mut +als voriger Feldprediger betreffend.</h2> + + +<p class="dropcap">Nichts ist wohl lächerlicher, meine werten +Freunde, als wenn man einen Mann für einen +Hasen ausgibt, der vielleicht gerade mit den +entgegengesetzten Fehlern eines Löwen kämpft, +wiewohl nun auch der afrikanische Leu seit +Sparrmanns Reise als ein Feigling zirkuliert. +Ich bin indes in diesem Falle, Freunde, wovon +ich später reden werde, ehe ich meine + +<span class="sidenote-l"><sup>103</sup> Gute Fürsten bekommen leicht gute Untertanen +(nicht so leicht diese jene); so wie Adam im Stande +der Unschuld die Herrschaft über die Tiere hatte, +die alle zahm waren und blieben, bis sie bloß mit +ihm verwilderten und fielen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_14">14</a></span> +Reise beschreibe. Ihr freilich wißt alle, daß +ich gerade umgekehrt den Mut und den Waghals +(ist er nur sonst kein Grobian) vergöttere, +zum Beispiel meinen Schwager, den Dragoner, +der wohl nie in seinem Leben einen Menschen +allein ausgeprügelt; sondern immer einen ganzen +geselligen Zirkel zugleich. Wie furchtbar +war nicht meine Phantasie schon in der Kindheit, +wo ich, wenn der Pfarrer die stumme +Kirche in einem fort anredete, mir oft den +Gedanken: »wie, wenn du jetzt geradezu aus +dem Kirchenstuhle hinauf schrieest: ich bin +auch da, Herr Pfarrer!« so glühend ausmalte, +daß ich vor Grausen hinaus mußte! – So +etwas wie Rugendas' Schlachtstücke – entsetzliches +Mordgetümmel – Seetreffen und +Landstürme bei Toulon – auffliegende Flotten +– und in der Kindheit Prager Schlachten +auf Klavieren – und kurz, jede Karte von +einem reichen Kriegsschauplatz; dies sind vielleicht +zu sehr meine Liebhabereien und ich +lese – und kaufe nichts lieber; es könnte + +<span class="sidenote-r"><sup>5</sup> Denn ein guter Arzt rettet, wenn nicht immer von +der Krankheit, doch von einem schlechten Arzt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_15">15</a></span> +mich oft zu manchem versuchen, hielt mich +nicht meine Lage aufrecht. Soll indes rechter +Mut etwas Höheres sein, als bloßes Denken +und Wollen: so genehmigt ihr es am ersten, +Werteste, wenn auch der meinige einst dadurch +in tätige Worte ausbrechen will, daß ich +meinen künftigen Katecheten, so gut es in Vorlesungen +möglich, zu christlichen Heroen stähle. +– Es ist bekannt, daß ich immer, wenigstens +zehn Acker weit, von jedem Ufer voll Badegäste +und Wasserschwimmer fern spazieren gehe, um +für mein Leben zu sorgen, bloß weil ich voraussehe, +daß ich, falls einer davon ertrinken +wollte, ohne weiteres (denn das Herz überflügelt +den Kopf) ihm, dem Narren, rettend nachspringen +würde, in irgendeine bodenlose Tiefe +hinein, wo wir beide ersöffen. – Und wenn +das Träumen der Widerschein des Wachens +ist, so frag' ich euch, Treue, erinnert ihr euch +nicht mehr, daß ich euch Träume von mir erzählt +habe, deren sich kein Cäsar, Alexander und + +<span class="sidenote-l"><sup>100</sup> Die Bücher liegen voll Phönixasche eines tausendjährigen +Reichs und Paradieses; aber der Krieg +weht und viel Asche verstäubt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_16">16</a></span> +Luther schämen darf? Hab' ich nicht – um +nur an einige zu erinnern – Rom gestürmt +und mich mit dem Papste und dem Elefantenorden +des Kardinalkollegiums zugleich duelliert? +Bin ich nicht zu Pferde, worauf ich als +Revuezuschauer gesessen, in ein <i lang="fr" xml:lang="fr">bataillon quarré</i> +eingebrochen und habe in Aachen die Perücke +Karls des Großen, wofür die Stadt jährlich +zehn Rtlr. Frisiergeld zahlt, und darauf in +Halberstadt von Gleim Friedrichs Hut erobert, +und beide aufeinander aufgesetzt und +habe mich doch noch umgekehrt, nachdem ich +vorher auf einem erstürmten Walle die Kanone +gegen den Kanonier selber umgekehrt? – habe +ich nicht mich beschneiden und doch als Jude +mich zählen lassen, und mit Schinken bewirten, +wiewohl's Affenschinken am Orinoko waren +(nach Humboldt)? Und tausend dergleichen; +denn zum Beispiel den Flätzer Konsistorialpräsidenten +hab' ich aus dem Schloßfenster +geworfen – Knall- oder Allarmfidibus von + +<span class="sidenote-r"><sup>102</sup> Lieber politischer und religiöser Inquisitor! Die +Turiner Lichtchen leuchten ja erst recht, wenn du +sie zerbrichst, und zünden dann sogar.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_17">17</a></span> +Heinrich Backofen in Gotha, das Dutzend zu +6 Gr., und jeder wie eine Kanone knallschlagend, +hab' ich so ruhig angehört, daß die +Fidibus mich nicht einmal aufweckten – und +mehr.</p> + +<p>Doch genug! Es ist Zeit, mit wenigem die +Verleumdung meines Feldpredigeramtes, die +leider auch in Flätz umläuft, bloß dadurch, +wie ein Cäsar den Alexander zu zerstäuben, +daß ich sie berühre. Es sei daran wahr was +wolle, es ist immer wenig oder gar nichts. +Euer großer Minister und General in Flätz +– vielleicht der größte überall – denn es +gibt nicht viele Schabacker – konnte allerdings +wie jeder große Mann gegen mich eingenommen +werden, doch nicht mit dem Geschütz +der Wahrheit; denn letzteres stell' ich +euch hierher, ihr Herzen, und drückt ihr's nur +zu meinem Besten ab! Es laufen nämlich im +Flätzischen unsinnige Gerüchte um, daß ich +aus bedeutenden Schlachten Reißaus genommen + +<span class="sidenote-l"><sup>86</sup> So wahr! In der Jugend liebt und genießt man +unähnliche Freunde fast mehr, als im Alter die +ähnlichsten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_18">18</a></span> +(so pöbelhaft spricht man), und daß +nachher, als man Feldprediger zu Dank- und +Siegespredigten gesucht, nichts zu haben gewesen. +Das Lächerliche davon erhellt wohl +am besten, wenn ich sage, daß ich in gar +keinem Treffen gewesen bin, sondern mehrere +Stunden vor demselben mich so viele Meilen +rückwärts dahin gezogen habe, wo mich unsere +Leute, sobald sie geschlagen worden, notwendig +treffen mußten. Zu keiner Zeit, ist der +Rückzug wohl so gut – ein guter aber wird +für das Meisterstück der Kriegskunst gehalten +– und mit solcher Ordnung, Stärke und +Sicherheit zu machen, als eben vor dem Treffen, +wo man ja nicht geschlagen ist.</p> + +<p>Ich könnte zwar als hoffentlicher Professor +der Katechetik zu solchen Verumfeiungen +meines Mutes still sitzen und lächeln – denn +schmied' ich meine künftigen Katecheten durch +sokratisches Fragen zum Weiterfragen zu: so +hab' ich sie zu Helden gehärtet, da nichts +gegen sie zu Felde zieht als Kinder – Katecheten + +<span class="sidenote-r"><sup>128</sup> In der Liebe gibt's Sommerferien; aber in der +Ehe gibt's auch Winterferien, hoff' ich.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_19">19</a></span> +dürfen ohnehin Feuer fürchten, nur +Licht nicht, da in unseren Tagen wie in London +die Fenster eingeworfen werden, wenn +sie nicht erleuchtet sind, anstatt daß es sonst +den Völkern mit dem Lichte ging wie den +Hunden mit dem Wasser, die, wenn man +ihnen lange keins gibt, endlich die Scheu vor +dem Wasser bekommen – und überhaupt +säuselt für Katecheten jeder Park lieblicher +und wohlriechender als ein schwefelhafter +Artilleriepark, und der Kriegsfuß, worauf die +Zeit gesetzt wird, ist ihnen der wahre teuflische +Pferdefuß der Menschheit. – –</p> + +<p>Aber ich denke anders – ordentlich als +wäre der Patengeist des Taufnamen <ins title="Attilla">Attila</ins> +mehr, als sich's gehört, in mich gefahren, ist + +<span class="sidenote-l"><sup>143</sup> Die Weiber haben wöchentlich wenigstens einen +aktiven und passiven <em class="gesperrt">Neids</em>tag, den heiligen, den +Sonntag; – nur die höhern Stände haben mehr +Sonn- als Werkeltage, so wie man in großen +Städten seinen Sonntag schon Freitags mit einem +Türken feiern kann, Sonnabends mit einem Juden, +Sonntags mit sich selbst. Weiber gleichen köstlichen +Arbeiten aus Elfenbein, nichts ist weißer und glätter +und nichts wird leichter gelb.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_20">20</a></span> +mir daran gelegen, immer nur meinen Mut +zu beweisen, was ich denn hier wieder mit +einigen Zeilen tun will, teuerste Freunde! +Ich könnte diese Beweise schon durch bloße +Schlüsse und gelehrte Zitate führen. Zum +Beispiel wenn Galen bemerkt, daß Tiere mit +großen Hinterbacken schüchtern sind: so brauch' +ich bloß mich umzuwenden und dem Feinde +nur den Rücken – und was darunter ist – +zu zeigen, wenn er sehen soll, daß es mir +nicht an Tapferkeit fehlt, sondern an Fleisch. +– Wenn nach bekannten Erfahrungen Fleischspeisen +herzhaft machen: so kann ich dartun, +daß ich hierin keinem Offizier nachstehe, welcher +bei seinem Speisewirt große Bratenrechnungen +nicht nur machen, sondern auch +unsaldiert bestehen läßt, um zu jeder Stunde, +sogar bei seinem Feinde selber (dem Wirte), +ein offenes Dokument zu haben, daß er das +Seinige (und Fremdes dazu) gegessen, und +gemeines Fleisch auf den Kriegsfuß gesetzt, + +<span class="sidenote-r"><sup>34</sup> Nur die kleinen Tapeten- und Hintertüren sind +die Gnadentüren; das große Tor ist die Ungnadentüre, +die Flügeltüren sind halbe Januspforten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_21">21</a></span> +lebend nicht, wie ein anderer, von Tapferkeit, +sondern für Tapferkeit. Ebensowenig hab' +ich je als Feldprediger hinter irgendeinem +Offizier unter dem Regimente zurückstehen +wollen, der ein Löwe ist und mithin jeden +Raub angreift, nur daß er, wie dieser König +der Tiere, das Feuer fürchtet – oder der, +wie König Jakob von England, welcher davonlaufend +vor nackten Degen, desto kühner +vor ganz Europa dem stürmenden Luther mit +Buch und Feder entgegenschritt, gleichfalls +bei ähnlicher Idiosynkrasie sowohl mündlich +als schriftlich mit jedem Kriegsheer anbindet. +Hier entsinn' ich mich vergnügt eines wackeren +Sous-Lieutenants, der mir beichtete – wiewohl +er mir noch das Beichtgeld schuldig ist, +sowie, noch besser, seinen Wirtinnen das +Sündengeld – welcher in Rücksicht der Herzhaftigkeit +vielleicht etwas von jenem indischen +Hunde hatte, den Alexander geschenkt bekommen + +<span class="sidenote-l"><sup>21</sup> Schiller und Klopstock sind poetische Spiegel vor +dem Sonnengotte; die Spiegel werfen so blendend +die Sonne zurück, daß man in ihnen die Gemälde +der Welt nicht gespiegelt sehen kann.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_22">22</a></span> +als einen Hundsalexander. Der Makedonier +ließ zur Probe auf den Wunderhund +andere Helden- oder Wappentiere anlaufen +– erstlich einen Hirschen – aber der Hund +ruhte; – dann eine Sau – er ruhte; – +sogar einen Bären – er ruhte: jetzt wollt' +ihn Alexander verurteilen, als man endlich +einen Löwen einließ; da stand der Hund auf +und zerriß den Löwen. Ebenso der Sous-Lieutenant. +Ein Duellant, ein Auswärtsfeind, +ein Franzose ist ihm nur Hirsch und Sau +und Bär, und er bleibt liegen; aber nun +komme und klopfe an sein ältester, stärkster +Feind, sein Gläubiger, und fordere ihm für +verjährte Freuden jetziges Schmerzensgeld ab, +und wollt' ihm so Vergangenheit und Zukunft +zugleich abrauben: der Leutnant fährt auf und +wirft den Gläubiger die Treppe hinab. Leider +steh' ich auch erst bei der Sau und werde +natürlich verkannt.</p> + +<p><i lang="la" xml:lang="la">Quo</i> – sagt Livius XII. 5. mit Recht – + +<span class="sidenote-r"><sup>72</sup> Den Halbgelehrten betet der Viertelsgelehrte an +– diesen der Sechzehnteilsgelehrte – und so fort; +– aber nicht den Ganzgelehrten der Halbgelehrte.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_23">23</a></span> +<i lang="la" xml:lang="la">quo timoris minus est, eo minus ferme periculi +est</i>, oder zu deutsch – je weniger man +Furcht hat, desto weniger Gefahr ist fast dabei; +ich kehre den Satz ebenso richtig um, je +weniger Gefahr, desto kleiner die Furcht, ja +es kann Lagen geben, wo man ganz und gar +von Furcht nichts weiß – worunter meine +gehört. Um desto verhaßter muß mir jede +Afterrede über Hasenherzigkeit erscheinen.</p> + +<p>Ich schicke meiner Ferienreise noch einige +Tatsachen voraus, welche beweisen, wie leicht +Vorsicht – das heißt wenn ein Mensch nicht +dem dummen Hamster gleichen will, der sich +sogar gegen einen Mann zu Pferde auflehnt +– für Feigheit gelte. Ich wünschte übrigens +nur, ich könnte ebenso glücklich einen ganz +anderen Vorwurf, den eines Waghalses, ablehnen, +wiewohl ich doch im folgenden gute +Fakta beizubringen gedenke, die ihn entkräften. + +<span class="sidenote-l"><sup>35</sup> <i lang="fr" xml:lang="fr">Bien écouter c'est presque répondre</i> sagt Marivaux +mit Recht von geselligen Zirkeln; ich dehn' +es aber auch auf runde Sessions- und Kabinettstische +aus, wo man referiert und der Fürst zuhört.</span></p> + +<p><span class="pagenum"><a name="Page_24">24</a></span> +Was hilft der Heldenarm ohne ein Heldenauge? +Jener wächst leicht stärker und nerviger, +dieses aber schleift sich nicht so bald +wie Gläser schärfer. Indes aber, die Verdienste +der Vorsicht fallen weniger ins Auge +(ja mehr ins Lächerliche) als die des Mutes. +Wer mich zum Beispiel bei ganz heiterem +Himmel mit einem wachstuchenen Regenschirm +gehen sieht: dem komm' ich wahrscheinlich so +lange lächerlich vor, als er nicht weiß, daß +ich ihn als Blitzschirm führe, um nicht von +einem Wetterstrahl aus blauem Himmel (wovon +in der mittleren Geschichte mehr als ein +Beispiel steht) getroffen zu werden. Der Blitzschirm +ist nämlich ganz der Reimarussche; +ich trage auf einem langen Spazierstocke das +wachstuchene Sturmdach, von dessen Giebel +sich eine Goldtresse als Ableitungskette niederzieht, +die durch einen Schlüssel, den sie +auf dem Fußsteig nachschleift, jeden möglichen + +<span class="sidenote-r"><sup>17</sup> Das Bette der Ehren sollte man doch, da oft +ganze Regimenter darauf liegen, und die letzte +Ölung und vorletzte Ehre empfangen von Zeit zu +Zeit weichfüllen, ausklopfen und sömmern.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_25">25</a></span> +Blitz leicht über die ganze Erdfläche ableitet +und verteilt. Mit diesem Paradonner (<i lang="fr" xml:lang="fr">paratonnerre +portatif</i>) in der Hand will ich mich +wochenlang ohne die geringste Gefahr unter +dem blauen Himmel herumtreiben. Indes +deckt diese Taucherglocke noch gegen etwas +anderes – gegen Kugeln. Denn wer gibt +mir im Herbste schwarz auf weiß, daß kein +versteckter Narr von Jäger irgendwo, wenn +ich die Natur genieße und durchstreife, seine +Kugelbüchse in einem Winkel von 45 Grad +so abdrückt, daß sie im Herunterfallen bloß +auf meinem Scheitel aufzuschlagen braucht, +damit es so gut ist, als würd' ich seitwärts +ins Gehirn geschossen?</p> + +<p>Es ist ohnehin schlimm genug, daß wir +nichts gegen den Mond haben, uns zu wehren +– der uns gegenwärtig beschießt mit Gestein, +wie ein halber türkischer; denn dieser elende, + +<span class="sidenote-l"><sup>112</sup> Gewisse <ins title="Welt weiberbenutzen">Weltweiber benutzen</ins> in gewissen Fällen +ihre körperliche Ohnmacht, wie Mohammed seine +<em class="gesperrt">fallende</em> Sucht – auch ist jene diese – bloß +um Offenbarungen, Himmel, Eingebungen, Heiligkeit +und Proselyten zu erhalten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_26">26</a></span> +kleine Erdtrabant und Läufer und <i lang="fr" xml:lang="fr">valet de +Fantaisie</i> glaubt in diesen rebellierenden Zeiten +auch anfangen zu müssen, seiner großen +Landesmutter etwas zuzuschleudern aus der +Davidshirtentasche. Wahrhaftig, jetzt kann ja +ein junger Katechet von Gefühl nachts mit +geraden Gliedern in den Mondschein hinauswandeln, +um manches zu empfinden oder zu +bedenken, und kann (mitten im Gefühl erwirft +ihn der absurde Satellit) als zerquetschter +Brei wieder nach Hause gehen. – – Bei +Gott! überall Klingenproben des Muts! Hat +man mühsam Donnerkeile eingeschmolzen und +Kometenschwänze anglisiert: so führt der Feind +neues Geschütz im Mond auf oder sonst wo +im Blau!</p> + +<p>Noch eine Geschichte sei genug, um zu beweisen, +wie lächerlich gerade die ernsthafteste + +<span class="sidenote-r"><sup>120</sup> Mancher wird ein freier Diogenes, nicht wenn +er in dem Fasse, sondern wenn dieses in ihm wohnt; +und die gewaltige Hebkraft des <em class="gesperrt">Flaschenzugs</em> in +der Mechanik spürt er fast von einem Flaschenzuge +anderer Art beim Flaschenkeller wiederholt und gut +bewährt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_27">27</a></span> +Vorsicht bei allem inneren Mute oft außen +dem Pöbel erscheint. Reiter kennen die Gefahren +auf einem durchgehenden Pferde längst. +Mein Unstern wollte, daß ich in Wien auf +ein Mietspferd zu sitzen kam, das zwar ein +schöner Honigschimmel war, aber alt und +hartmäulig wie der Satan, so daß die Bestie +in der nächsten Gasse mit mir durchging und +zwar – leider bloß im Schritte. Kein Halten, +kein Lenken schlug an; ich tat endlich +auf dem Selbststreitroß Notschuß nach Notschuß +und schrie: »Haltet auf, ihr Leute, um +Gottes Willen aufgehalten, mein Gaul geht +durch!« Aber da die einfältigen Menschen das +Pferd so langsam gehen sahen wie den Reichshofratsprozeß +und den ordinären Postwagen: +so konnten sie sich durchaus nicht in die Sache +finden, bis ich in heftigster Bewegung wie +besessen schrie: »Haltet doch auf, ihr Pinsel +und Pensel, seht ihr denn nicht, daß ich die +Mähre nicht mehr halten kann?« Jetzt kam + +<span class="sidenote-l"><sup>2</sup> Die Kultur machte ganze Länder, z. B. Deutschland, +Gallien usw. physisch wärmer, aber geistig +kälter.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_28">28</a></span> +den Faulpelzen ein hartmäuliges, schrittlings +ausziehendes Pferd lächerlich vor. – Halb +Wien bekam ich dadurch wie einen Bartsternschwanz +hinter meinem Roßschweif und Zopf +nach. – Fürst Kaunitz, sonst der beste Reiter +des Jahrhunderts (des vorigen), hielt an, um +mir zu folgen. – Ich selber saß und schwamm +als aufrechtes Treibeis auf dem Honigschimmel, +der in einem fort Schritt für Stritt +durchging. – Ein vieleckiger, rockschößiger +Briefträger gab rechts und links seine Briefe +in den Stockwerken ab und kam mir stets mit +satirischen Gesichtszügen wieder nach, weil +der Schimmel zu langsam auszog. – Der +Schwanzschleuderer (bekanntlich der Mann, +der mit einer zweispännigen Wassertonne + +<span class="sidenote-r"><sup>99</sup> Gleichwohl hab' ich bei allem meinen Grimm +über Nachdruck doch nie den Ankauf eines Privilegiums +gegen Nachdruck für etwas anderes oder +schlechteres gehalten als für die Abgabe, die bisher +alle christlichen Seemächte an die barbarischen +Staaten erlegten, damit sie nicht beraubt wurden. +Nur Frankreich hat eben der Ähnlichkeit wegen sowohl +das Nachdrucks-Privilegium als die barbarische +Abgabe abgeschafft.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_29">29</a></span> +über die Straßen fährt und sie mit einem +drei Ellen langen Schlauch aus einem blechernen +Trichter benetzt) fuhr ungemein bequem +den Hinterbacken meines Pferdes nach und +feuchtete während seiner Pflicht jene und mich +selber kühlend an, ob ich gleich kalten Schweiß +genug hatte, um keines frischeren zu bedürfen. +– Ich geriet auf meinem höllischen, trojanischen +Pferd (nur war ich selber das untergehende +Troja, das ritt) nach <ins title="Malzleinsdorf">Matzleinsdorf</ins> +(einer Wiener Vorstadt), oder waren's für +meine gepeinigten Sinne ganz andere Gassen. +– Endlich mußte ich abends spät nach dem +Reträteschuß des Praters im letzteren zu +meinem Abscheu und gegen alle Polizeigesetze +auf dem gesetzlosen Honigschimmel noch herumreiten, +und ich hätte vielleicht gar auf ihm +übernachtet, wenn nicht mein Schwager, der +Dragoner, mich gesehen und noch fest auf +dem durchgegangenen Gaule gefunden hätte. +Er machte keine Umstände – fing das Vieh + +<span class="sidenote-l"><sup>1</sup> Je mehr Schwäche, je mehr Lüge; die Kraft geht +gerade; jede Kanonenkugel, die Höhlen oder Gruben +hat, geht krumm.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_30">30</a></span> +– tat die lustige Frage: warum ich nicht +voltigiert hätte, ob er gleich recht gut weiß, +daß dazu ein hölzerner Gaul gehört, der steht +– und holte mich herab – und so kamen +alle berittenen Wesen unberitten und unbeschädigt +nach Hause.</p> + +<p>Aber nun endlich einmal an meine Reise!</p> + + + + +<h2 class="new-h2 gesperrt">Reise nach Flätz.</h2> + + +<p>Ihr wißt, Freunde, daß ich die Reise nach +Flätz gerade unter den Ferien machen mußte, +nicht nur, weil Viehmarkt und folglich der +Minister und General von Schabacker da war, +sondern vornehmlich, weil er (wie ich von geheimer +Hand sicher hatte) jährlich den 23. Juli +am Abend vor dem Markttage um fünf Uhr + +<span class="sidenote-l"><sup>32</sup> Unser Zeitalter – von einigen papiernes genannt, +als sei es aus Lumpen eines besser Bekleideten +gemacht – bessert sich schon halb, da es die Lumpen +jetzt mehr zu Scharpien als zu Papieren zerzupft, +wiewohl oder weil der Lumpenhacker (oder auch +der Holländer) eben nicht ausruht; indes, wenn +gelehrte Köpfe sich in Bücher verwandeln, so können +sich auch gekrönte in Staatspapiere verwandeln und +ummünzen; – in Norwegen hat man nach dem Allg.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_31">31</a></span> +soviel Gaudium und Gnade sich ausließ, daß +er die meisten Menschen weniger anschnauzte +als anhörte und – erhörte. Die Gaudiumsursache +vertrau ich ungern dem Papier. Kurz, +ich konnte ihm meine Bittschrift, mich als unschuldig +vertriebener Feldprediger durch eine +katechetische Professur zu entschädigen und zu +besolden in keiner besseren Jahres- und Tageszeit +überreichen, als abends um fünf Uhr +Hundstagsanfang. Ich setzte mein Bittschreiben +in drei Tagen auf. Da ich weder Konzepte, +noch Abschriften desselben schonte und zählte: +so war ich bald so weit, daß ich das relativ +Beste ganz vollendet vor mir hatte, als ich +erschrocken bemerkte, daß ich darin über dreißig +Gedankenstriche in Gedanken hingeschrieben + +<span class="sidenote-r">Anzeiger sogar Häuser von Papier, und in manchen +guten deutschen Staaten – hält das Kammerkollegium +(das Justizkollegium ohnehin) seine eigenen +Papiermühlen, um Düten genug für das Mehl +seiner Windmühlen zu haben. Ich wünschte aber, +unsere Kollegien nähmen sich jene Glasschneiderei +in Madrid zum Muster, in welcher (nach Baumgärtner) +zwar neunzehn Schreiber angestellt waren, +aber doch auch eilf Arbeiter.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_32">32</a></span> +hatte. Leider schießen diese Stacheln heutzutage +wie aus Wespensteißen, unwillkürlich aus +gebildeten Federn hervor. Ich warf es zwar +lange in mir hin und her, ob ein Privatgelehrter +sich einem Minister mit Gedankenstrichen +nähern dürfe – so sehr auch dieses +ebene Unterstreichen der Gedanken, diese wagerechten +Taktstriche poetischer Tonstücke und +diese Treppenstricke oder Achillessehnen philosophischer +Sehstücke jetzt ebenso allgemein als +nötig sind – allein ich mußte doch am Ende +(da Ausschaben Standespersonen beleidigt) +das beste Probstück wieder umschreiben und +mich wieder eine halbe Stunde am Namen +Attila Schmelzle quälen, weil ich immer + +<span class="sidenote-l"><sup>39</sup> Epiktet rät an zu reisen, weil die alten Bekanntschaften +uns durch Scham und Einfluß vom Übergange +zur hohen Tugend abhalten – so wie man +etwa seine Provinzialmundart schamhaft lieber außer +Lands ablegt und dann völlig geläutert zu seinen +Landsleuten zurückkommt; noch jetzt befolgen Leute +von Stand und Tugend diesen Rat, obwohl umgekehrt, +und reisen, weil die alten Bekanntschaften +sie durch Scham zu sehr von neuen Sünden abschrecken.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_33">33</a></span> +glaube, diesen sowie die Briefadresse, die +beiden Kardinalgegenden und Punkte der +Briefe, nie leserlich genug zu schreiben.</p> + +<div class="figcenter" style="width: 305px;"> +<img src="images/bloss_sanft.png" width="305" height="500" alt="... es tue ihm bloss sanft / sagt' er / wie eine gute Frostsalbe ..." title="" /> +</div> + + + +<h3 class="new-h3 gesperrt">Erste Station, von Neusattel nach +Vierstädten.</h3> + + +<p>Der 22. Juli, oder Mittwochs nachmittag +um fünf Uhr, war von der Postkarte der +ordentlichen fahrenden Post selber zu meiner +Abreise unwiderruflich anberaumt. Ich hatte +also etwa einen halben Tag Zeit, mein Haus +zu bestellen, welchem jetzt zwei Nächte und +drittehalb Tage hindurch meine Brust als +Brustwehr, der Verhack mit meinem Ich abgehen +sollte. Sogar mein gutes Weib Bergelchen, +wie ich meine Teutoberga nenne, reiste +mir unaufhaltsam den 24. oder Freitags +darauf nach, um den Jahrmarkt zu beschauen +und zu benutzen; ja sie wollte schon sogleich +mit mir ausreisen, die treue Gattin. Ich versammelte +daher meine kleine Bedientenstube + +<span class="sidenote-r"><sup>2</sup> Ein Soldat huldigt und gehorcht in seinem Fürsten +zugleich seinem Fürsten und seinem Generalissimus; +der Zivilist bloß seinem Fürsten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_34">34</a></span> +und publizierte ihr die Hausgesetze und Reichsabschiede, +die sie nach meinem Abschiede den +Tag und die Nacht erstlich vor der Abreise +meiner Frau und zweitens nach derselben auf +das pünktlichste zu befolgen hatten, und alles, +was ihnen besonders bei Feuersbrünsten, +Diebeseinbrüchen, Donnerwettern und Durchmärschen +vorzukehren oblag. Meiner Frau +übergab ich ein Sachregister des Besten in +unserem kleinen Registerschiffe, was sie, im +Falle es in Rauch aufginge, zu retten hätte. – +Ich befahl ihr, in stürmischer Nacht (dem +eigentlichen Diebswetter) unsere Windharfe +ans Fenster zu stellen, damit jeder schlechte +Strauchdieb sich einbildete, ich phantasierte +harmonisch und wachte; desgleichen den Kettenhund +am Tage ins Zimmer zu nehmen, damit +er ausschliefe, um nachts munterer zu sein. +Ich riet ferner, auf jeden Brennpunkt der +Glasscheiben im Stalle, ja auf jedes hingestellte +Glas Wasser ihr Auge zu haben, da +ich ihr schon öfter die Beispiele erzählt, daß + +<span class="sidenote-l"><sup>29</sup> Und wieviel ist nicht in der Jurisprudenz Jurisimprudenz, +ausgenommen bei Unrechtsgelehrten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_35">35</a></span> +durch solche zufällige Brenngläser die Sonne +ganze Häuser in Brand gesteckt. – Auch gab +ich ihr die Morgenstunde, wo sie Freitags +ab- und mir nachreisen sollte, sowie die Haustafeln +schärfer an, die sie vorher dem Gesinde +einzuschärfen hätte. Meine liebe, kerngesunde, +blühende Honigwöchnerin Berga antwortete +ihrem Flitterwöchner, wie es schien, sehr ernsthaft: +»Geh nur Alterchen, es soll alles ganz +scharmant geschehen. – Wärest du nur erst +voraus, so könnte man doch nach! Das währt +ja aber Ewigkeiten.« – Ihr Bruder, mein +Schwager, der Dragoner, für den ich aus +Gefälligkeit das Passagiergeld trug, um auf +dem Postkissen einen an sich tapferen Degen +und Hauinsfeld, sozusagen als körperlichen +und geistigen Verwandten und Spillmagen +vor mir zu haben, dieser zog über meine +Verordnungen (was ich leicht dem Hage- und +Kriegsstolzen vergab) sein braunes Gesicht + +<span class="sidenote-r"><sup>39</sup> »<em class="gesperrt">Die größere Hälfte</em>« ist ein so meßwidriger +Ausdruck, daß ihn kein Meßkünstler anders als +von der Ehe, ja sogar nur von der seinigen gebrauchen +könnte.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_36">36</a></span> +ansehnlich ins Spöttische und sagte zuletzt: +»Schwester, an deiner Stelle täte ich, was +mir beliebte; und dann guckte ich nach, was +er auf seinem Reglementszettel hätte haben +wollen.« – »O,« versetzte ich, »Unglück kann +sich wie ein Skorpion in jede Ecke verkriechen; +ich möchte sagen, <ins title="mir">wir</ins> sind den Kindern gleich, +die am schön bemalten Kästchen schnell den +Schieber aufreißen und – heraus fährt eine +Maus, die hackt« – »Maus, Maus, Raus, +Raus!«, versetzte er auf- und niedertrabend. +»Herr Schwager, aber es ist fünf Uhr; und +Sie werden schon finden, wenn Sie wiederkommen, +daß alles so aussieht wie heute, +die Hunde wie die Hunde, und meine Schwester +wie eine hübsche Frau: <i lang="fr" xml:lang="fr">allons donc!</i>« – +Er war eigentlich schuld, daß ich aus Besorgnis +seines Mißdeutens nicht vorher eine +Art von Testament gemacht.</p> + +<p>Ich packte noch entgegengesetzte Arzneien, +sowohl temperierende als erhitzende, gegen + +<span class="sidenote-l"><sup>45</sup> Die jetzigen Schriftsteller zucken die Achseln am +meisten über die, auf deren Achseln sie stehen; und +erheben die am meisten, die an ihnen hinaufkriechen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_37">37</a></span> +zwei Möglichkeiten ein – ferner meine alten +Schienen gegen Arm- und Beinbrüche bei Wagenumstürzen +– und (aus Vorsicht) noch einmal +so viel Geldwechsel, als ich eigentlich nötig +hatte. Nur wünschte ich dabei wegen der Mißlichkeit +des Aufbewahrens, ich wär' ein Affe mit +Backentaschen, oder ein Beuteltier, damit ich +in mehr sichere und empfindungsvolle Taschen +und Beutel solche Lebenspreziosen verschanzte. +Rasieren lasse ich mich sonst stets vor Abreisen +aus Mißtrauen gegen fremde, mordsüchtige +Bartputzer; aber diesmal behielt ich den Bart +bei, weil er doch unterwegs, auch geschoren, +so reich wieder getrieben hätte, daß mit ihm +vor keinem Minister wäre zu erscheinen gewesen.</p> + +<p>Ich warf mich heftig ans Kraftherz meiner +Berga an und riß mich noch heftiger ab, +aber sie schien über unsere erste Ehetrennung +weniger in Jammer als in Jubel zu sein, + +<span class="sidenote-r"><sup>14</sup> Manche Dichter geraten unter dem Malen schlechter +Charaktere oft so ins Nachahmen derselben hinein, +wie Kinder, wenn sie so träumen, wirklich ihr +Wasser lassen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_38">38</a></span> +viel weniger bestürzt als seelenvergnügt, bloß +weil sie auf das Scheiden nicht halb so sehr +als auf das Wiedersehen und Nachreisen, und +die Jahrmarktsschau ihr Augenmerk hatte; +doch warf und hing sie sich an meinen etwas +dünnen und langen Hals und Körper fast +schmerzhaft als eine zu fleischige, derbe Last +und sagte: »Fege nur frisch davon, mein +scharmanter Attel (Attila) – und mache dir +unterwegs keine Gedanken, du aparter Mensch! +– Haben wir denn zu klagen? Einen oder +ein paar Püffe halten wir mit Gottes Hilfe +schon aus, solange mein Vater kein Bettelmann +ist. – Und dir aber, Franz,« fuhr sie +gegen ihren Bruder ordentlich zornig fort, +»bind' ich meinen Attel auf die Seele, du +weißt recht gut, du wüste Fliege, was ich tue, +wenn du ein Narr bist und ihn wo im Stiche +lässest.« Ich verzieh ihr hier manches Gutgemeinte; + +<span class="sidenote-l"><sup>103</sup> Die Großen sorgen vielleicht so emsig für ihre +Nachkommen wie die Ameisen; sind die Eier gelegt, +so fliegen die männlichen und weiblichen Ameisen +davon und vertrauen sie den treuen <em class="gesperrt">Arbeitsameisen</em> +an.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_39">39</a></span> +und euch, Freunden, ist ihr Reichtum +und ihre Freigebigkeit auch nichts Neues.</p> + +<p>Gerührt sagt' ich: »Nun, Berga, gibt's +ein Wiedersehen für uns, so ist's gewiß entweder +im Himmel oder in Flätz; und ich +hoffe zu Gott, das letztere.« – Stracks ging's +rüstig davon. Ich sah mich durch das Kutschenrückfenster +um nach meinem guten Städtchen +Neusattel; und es kam mir gerührt vor, als +richte sich dessen Sturmspitze ordentlich als +ein Epitaphium über meinem Leben oder +meinem vielleicht tot zurückreisenden Leichnam +in die Höhe: – »wie wird alles sein,« dacht' +ich, »wenn du nun endlich nach zwei oder +drei Tagen wiederkommst?« Jetzt sah ich mein +Bergelchen uns aus dem Mansardenfenster +nachschauen; ich legte mich weit aus dem +Kutschenschlage hinaus, und ihr Falkenauge +erkannte sofort meinen Kopf; Küsse über +Küsse warf sie mir mit beiden Händen herab, +dem ins Tal rollenden Wagen nach. »Du + +<span class="sidenote-r"><sup>10</sup> Und liefert das Leben von unsern idealen Hoffnungen +und Vorsätzen etwas anderes als eine prosaische, +unmetrische, ungereimte Übersetzung?</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_40">40</a></span> +herziges Weib,« dacht' ich, »wie machst du +deine niedrige Geburt durch die geistige Wiedergeburt +vergeßlich, ja merkwürdig!«</p> + +<p>Freilich, das <ins title="Postkutschen gelag'">Postkutschengelag'</ins> und Picknick +wollte mir weniger schmecken; lauter verdächtiges, +unbekanntes Gesindel, welches (wie gewöhnlich +die Märkte tun) der Flätzer durch +seine Witterung einlockte. Ungern werd' ich +Unbekannten ein Bekannter; aber mein Schwager, +der Dragoner, war wie immer schon mit +allem, mit Himmel und Hölle herausgeplatzt. +Neben mir saß eine höchstwahrscheinliche Hure. +– Auf ihrem Schoße ein Zwerg, der sich auf +dem Jahrmarkte wollte sehen lassen. – Mir +gegenüber blickte ein Kammerjäger mich an – +und unten im Tale stieg noch ein blinder Passagier +mit einem roten Mantel ein. Mir gefiel gar +niemand, ausgenommen mein Schwager. Ob +nicht die Hure meine Bekanntschaft zu einer + +<span class="sidenote-l"><sup>78</sup> Die Weiber halten alles Weißzeug weiß, <em class="gesperrt">nur</em> +kein Buch, ob sie gleich vielleicht manchen polemischen +Folianten, eh' er in die Papiermühle gekommen, +als Brauthemde am Leibe mögen getragen +haben. Die Männer kehren es nur um.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_41">41</a></span> +eidlichen Angabe benützen, ob nicht Spitzbuben +unter den Passagieren mich und meine Eigenheiten +und Zufälle studieren würden, um auf +der Tortur mich in ihre Bande zu flechten +– dafür konnte sich mir niemand verpfänden. +An fremden Orten schau ich schon ungern +– und aus Vorsicht – an irgendein Kerkergitter +lange empor, weil ein schlechter Kerl +dahinter sitzen kann, der eilig herunterschreit +aus bloßer Bosheit: »Drunten steht mein +Spießkamerad, der Schmelzle!« – oder auch +weil ein vernagelter Scherge sich denken kann, +ich suchte meinen Konföderierten oben zu entsetzen. +Aus einer wenig davon verschiedenen +Vorsicht dreh' ich mich daher niemals um, +wenn ein Star mir nachruft: Dieb!</p> + +<p>Was den Zwerg selber anlangt, so konnt' +er meinetwegen mitfahren, wohin er wollte; +aber er glaubte ein besonderes Frohleben in + +<span class="sidenote-r"><sup>7</sup> Der geharnischte deutsche Reichskörper konnte sich +darum schwer bewegen, weshalb die Käfer nicht +fliegen können, deren <em class="gesperrt">Flügel</em> recht gut durch <em class="gesperrt">Flügeldecken</em> +– und zwar durch zusammengewachsene +– verschanzt sind.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_42">42</a></span> +uns zu bringen, wenn er uns verhieße, daß +sein Pollux und Amtsbruder, ein seltener Riese, +der ebenfalls der Messe zur Anschau zuzog, +gegen Mitternacht uns unfehlbar mit seinem +Elefantenschritte nachkommen und sich einsetzen +<ins title="ober">oder</ins> hinten aufstellen würde. Beide +Narren beziehen nämlich gemeinschaftlich die +Messen als gegenseitige Meßhelfer zu entgegengesetzten +Größen; der Zwerg ist das erhabene +Vergrößerungsglas des Riesen, der Riese das +hohle Verkleinerungsglas des Zwergs. Niemand +bezeugte große Freude an der Aussicht +der Nachkunft des Maßkopisten des Zwergs, +ausgenommen mein Schwager, der (ist das +Wortspiel erlaubt) wie eine Uhr bloß zum +Schlagen gemacht zu sein glaubt, und mir +wirklich sagte: »Könn' er einmal oben in der +ewigen Seligkeit keine Seele zuweilen wamsen + +<span class="sidenote-l"><sup>8</sup> Mit Staatseinrichtungen ist's wie mit Kunststraßen; +auf einer ganz neuen, unbefahrenen, wo +jeder Wagen am Straßenbau mitarbeiten und zerklopfen +hilft, man wird ebenso gestoßen und geworfen, +als auf einer ganz alten, ausgefahrenen voll Löcher. +Was ist also hier zu tun? Man fahre fort.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_43">43</a></span> +und koram nehmen, so fahr' er lieber in die +Hölle, wo gewiß des Guten und der Händel +eher zu viel sein werden.« – Der Kammerjäger +im Postwagen hatte, außerdem schon, +daß uns niemand sehr einnimmt, der bloß +vom Vergiften lebt, wie dieser Freund Hain +der Ratten und die Mäuseparze, und daß +ein solcher Kerl, was noch schlimmer, sogleich +ein Mehrer des Ungezieferreiches zu werden +droht, sobald er nicht dessen Minderer sein +darf – dieser hatte überhaupt soviel Fatales +an sich, zuerst den Stechblick wie eines Stiletts +– dann das hagere, scharfe Knochengesicht +in Verbindung mit seinem Vorrechnen +seines ansehnlichen Giftsortiments – dann +(denn ich haßte ihn immer heißer) seine geheime +Stille, sein geheimes Lächeln, als seh' +er in irgendeiner Schlupfecke eine Maus, ähnlich +einem Menschen. – Wahrlich, mir, der ich +sonst ganz anderen Leuten stehe, kam endlich +sein Rachen als eine Hundsgrotte vor, seine + +<span class="sidenote-r"><sup>3</sup> Vor Gericht werden oft ermordete Geburten für +totgeborene ausgegeben, in Antikritiken totgeborene +für ermordete.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_44">44</a></span> +Backenknochen als Untiefen und Klippen, sein +heißer Atem als Kalzinierofen und die schwarzhaarige +Brust als Welk- und Darrofen – –</p> + +<p>Ich hatte mich auch – glaub' ich – nicht +viel versehen; denn bald darauf fing er an, +der Gesellschaft, worin ein Zwerg und ein +Mädchen war, ganz kalt zu berichten, er habe +schon zehn Leiber mit dem Dolch nicht ohne +Lust durchstoßen – habe gemächlich ein Dutzend +Menschenarme abgehauen, vier Köpfe langsam +gespalten, zwei Herzen ausgerissen und +mehr dergleichen – und keiner davon, sonst +Leute von Mut, hab' ihm im geringsten widerstanden +– »aber warum?« setzt' er giftig +hinzu, und nahm den Hut vom häßlichen +Glatzkopf – »ich bin unverwundbar. – Wer +von der Gesellschaft will, lege auf meiner +Glatze soviel Feuer an, als er will, ich lass' +es ausbrennen.«</p> + +<p>Mein Schwager, der Dragoner, setzte sogleich +einen brennenden Tabaksschwamm auf + +<span class="sidenote-l"><sup>101</sup> Nicht nur die Rhodier hießen von ihrem Koloß +Kolosser, sondern auch unzählige Deutsche heißen +von Luther Lutheraner.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_45">45</a></span> +den Schädel, aber der Jäger stand es so ruhig +aus, als wär' es ein kalter Brand, und er +und der Dragoner sahen einander wartend +an, und jeder lächelte sehr närrisch – es +tue ihm bloß sanft, sagt' er, wie eine gute +Frostsalbe, denn dies sei überhaupt die Winterseite +an seinem Leibe. Hier griff mein Schwager +ein wenig auf dem nackten Schädel umher +und rief verwundert: er fühle sich so kalt an +wie eine Kniescheibe. Nun hob der Kerl auf +einmal nach einigen Vorrüstungen zu unserem +Entsetzen den Viertelsschädel ab und hielt +ihn uns hin, sagend, er habe ihn einem Mörder +abgesägt, als ihm zufällig der eigene eingeschlagen +gewesen; und erklärte nun, <ins title="das">daß</ins> man + +<span class="sidenote-r"><sup>88</sup> Bis hierher hab' ich immer die Streitschriften +der jetzigen philosophischen und ästhetischen idealen +Streitflegel, worin allerdings einige Schimpfworte +und Trug- und Lugschlüsse vorkommen, mehr von +der schönen Seite genommen, indem ich sie bloß +als eine Nachahmung des klassischen Altertums, und +zwar der Ringer desselben angesehen, welche (nach +Schöttchen) ihren Leib mit <em class="gesperrt">Kot</em> bestrichen, um nicht +gefaßt zu werden, und ihre Hände mit <em class="gesperrt">Staub</em> +anfüllten, um den fremden zu fassen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_46">46</a></span> +das erzählte Durchstechen und Armabhauen +mehr als Scherz zu nehmen habe, indem er's +lediglich getan als Famulus auf dem anatomischen +Theater. – Inzwischen wollte der +Scherztreiber doch keinem von uns sehr schmecken +und zu Hals, so daß ich, als er den Kapselkopf, +den Repräsentationsschädel, wieder aufsetzte, +schweigend dachte: diese Mistbeetglocke +hat gewiß nur den Ort, nicht die Giftzwiebel +verändert, die sie zudeckt.</p> + +<p>Am Ende wurde mir's überhaupt verdächtig, +daß er, sowie sämtliche Gesellschaft (auch der +blinde Passagier), gerade demselben Flätz zuschifften, +wohin ich selber gedachte; besonderes +Glück brauchte ich mir davon nicht zu versprechen; +und mir wäre in der Tat das Umkehren +so lieb gewesen als das Fortfahren, +hätt' ich nicht lieber der Zukunft getrotzt.</p> + +<p>Ich komme endlich auch auf den rot gemantelten +blinden Passagier, wahrscheinlich + +<span class="sidenote-l"><sup>103</sup> Oder sind alle Moscheen, Episkopalkirchen, Pagoden, +Filialkirchen, Stiftshütten und Panthea +etwas anderes als der Heidenvorhof zum unsichtbaren +Tempel und zu dessen Allerheiligsten?</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_47">47</a></span> +ein <i lang="fr" xml:lang="fr">Emigré</i> oder ein <i lang="fr" xml:lang="fr">Refugié</i> (denn er spricht +das deutsche nicht schlechter als das Französische), +entweder namens Jean Pierre oder +Jean Paul ungefähr, oder ganz namenlos. +Sein roter Mantel wäre mir ungeachtet dieser +Farbenverschmelzung mit dem Scharfrichter +– der in vielen Gegenden trefflich Angstmann +heißt – an sich herzlich gleichgültig +geblieben, wäre nicht der besondere Umstand +eingetreten, daß er mir schon fünfmal in fünf +Städten (im großen Berlin, im kleinen Hof, +Koburg, Meiningen und Baireuth) wider alle +Wahrscheinlichkeit aufgestoßen, wobei er mich +jedesmal bedeutend genug angesehen, und dann +seines Weges gegangen. Ob er mir feindlich +nachsetzt oder nicht, weiß ich nicht; nur ist +auf alle Fälle der Phantasie kein Objekt erfreulich, +das mit Observationskorps oder aus + +<span class="sidenote-r"><sup>40</sup> Das Volk ist nur im Erzählen, nicht im Räsonieren +weitläufig; der Gelehrte ist nur in jenem, +nicht in diesem kurz; eben weil das Volk seine +Gründe nur als Empfindungen so wie die Gegenwart +bloß anschauet, der Gelehrte hingegen beide +mehr nur denkt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_48">48</a></span> +Schießscharten vielleicht mit Flinten hält und +zielt, die es jahrelang bewegt, ohne daß man +weiß, in welchem es abdrückt. – Noch anstößiger +wurde mir der Rotmantel dadurch, daß er +auffallend seine weiche Seelenmilde pries; +dies schien beinah' auf Ausholen oder Sichermachen +zu deuten. Ich erwiderte: »Mein Herr, +ich komme eben, wie hier mein Schwager, +vom Schlachtfeld her (die letzte Affäre war +bei Pimpelstadt), und stimme vielleicht deshalb +zu stark für Markkraft, Bruststurm, Stoßglut, +und es mag für manchen, der eine brausende +Wasserhose, eigentlich Landhose von +Herz hat, gut sein, wenn seine geistliche Lage +(ich bin darin) ihn mehr mildert als wildert. +Indes gehört jeder Milde ihr eisernes Schrankengitter. +Fällt mich irgendein unbesonnener +Hund bedeutend an, so tret' ich ihn freilich +im ersten Zorn entzwei, und nachher hinter + +<span class="sidenote-l"><sup>9</sup> Die Ägypter nahmen bei einem Landesunglück +dadurch am Gott Typhon, dem sie es zuschrieben, +Rache, daß sie seine Lieblinge von Felsen stürzten, +die Esel. Ähnlicherweise haben sich in der Geschichte +auch Staaten anderer Religion gerächt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_49">49</a></span> +mir treibt's mein guter Schwager vielleicht +noch zweimal weiter, denn er ist der Mann +dazu. Vielleicht ist's Eigenliebe, aber ich beklag's +(gesteh' ich) noch heute, daß ich als +Knabe einmal einem anderen Knaben drei +erhaltene Ohrfeigen nicht derb zurückgereicht, +und mir ist oft, als müßt' ich sie seinen +Enkeln nachzahlen. Wahrlich, wenn ich auch +nur einen Jungen vor den schwachen Kräften +eines ähnlichen Jungen feig entlaufen sehe, +so kann ich das Laufen nicht lassen und will +ihn ordentlich durch einen Machtschlag erretten.« +Der Passagier lächelte indes nicht +zum besten. Er gab sich zwar für einen Legationsrat +aus und schien Fuchs genug zu +sein, aber ein tollgewordener Fuchs beißt mich +am Ende so wasserscheu als ein toller Wolf. +Übrigens fuhr ich unbekümmert mit meinem + +<span class="sidenote-r"><sup>70</sup> In die Philosophie verhülle sich die Dichtkunst +nur so, wie in diese sich jene; Philosophie aber in +poetischer Prosa gleicht jenen Trinkgläsern in +Schenken, welche mit bunten Bilderschnörkeln umzogen, +zugleich im Genusse des Getränks und des +Bildwerks, die oft widrig sich decken, stören.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_50">50</a></span> +Anpreisen des Mutes fort, nur daß ich absichtlich +statt des lächerlichen Bramarbasierens, +welches gerade den Feigen recht verrät, fest, +still, klar sprach. »Ich bin«, sagt' ich, »bloß +für Montaignes Rat: man trage nur Furcht +vor der Furcht.«</p> + +<p>»Ich würde,« versetzte der Legationsrat +unnütz spitzfindig, »wieder fürchten, daß ich +mich nicht genug vor der Furcht fürchtete, +sondern zu feig bliebe.«</p> + +<p>»Auch dieser Furcht«, erwidert' ich kalt, +»steck' ich Grenzen. Ein Mann kann zum Beispiel +nicht im geringsten Gespenster glauben +und fürchten; gleichwohl kann er nachts sich +in Todesschweiß baden, und zwar bloß vor +Angst, wie sehr er sich entsetzen würde (besonders +mit welchen Nachwehen von Schlagflüssen, + +<span class="sidenote-l"><sup>158</sup> Der Staat sollte öfter die Maul- und Kindertrommeln +der Dichter nicht mit Regiments- und +Feuertrommeln verwechseln; wieder umgekehrt sollte +der Bürger manche fürstliche Trommelsucht nur für +eine Krankheit nehmen, worin der Patient bloß +durch die unter die Haut eingedrungene Luft sehr +aufgeschwollen ist.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_51">51</a></span> +fallenden Suchten und so weiter), +falls nichts als bloß seine so lebhafte Phantasie +irgendein Fieber und Vexierbild vor +ihn in die Lüfte hineinhinge.« – – »Man +sollte daher«, fiel mein Schwager, wider Gewohnheit +moralisierend, ein, »das so arme +Schaf von Mann auch gar mit keinem Geisterspuk +foppen, der Hase kann ja auf der Stelle +auf dem Platze bleiben.«</p> + +<p>Ein lautes Gewitter, das dem Postwagen +nachfuhr, veränderte den Diskurs. Ihr, +Freunde, erratet wohl alle – da ihr mich +nicht als einen Mann ohne alle Physik kennen +lernen – meine Maßregeln gegen Gewitter: + +<span class="sidenote-r"><sup>89</sup> In großen Städten lebt der Fremde die ersten +Tage nach seiner Ankunft bloß von seinem Gelde +im Gasthofe, erst darauf in den Häusern seiner +Freunde umsonst; langt man hingegen auf der Erde +an, wie z. B. ich, so wird man gerade die ersten +Jahre hindurch höflich freigehalten, in den andern +und längern aber – denn man bleibt oft sechzig +Jahre – muß man wahrhaftig (ich habe die Dokumente +in Händen) jeden Tropfen und Bissen bezahlen, +als wäre man im großen Gasthofe zur Erde, +was noch dazu wahr ist.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_52">52</a></span> +ich setze mich nämlich auf einen Sessel mitten +in der Stube (oft bleib' ich bei bedenklichem +Gewölk ganze Nächte auf ihm), und decke +mich durch mein Reinigen von allen Leitern, +Ringen, Schnallen und so weiter und durch +mein Absitzen von allen Blitzabsprüngen immer +so, daß ich kaltblütig die Sphärenmusik der +Donnerpauke vernehme. – Diese Vorsicht hat +mir nie geschadet, da ich ja dato noch lebe; +und ich wünsche mir noch heute Glück, daß +ich einmal aus der Stadtkirche, ob ich gleich +tags vorher gebeichtet hatte, ohne weiteres +und ohne vorher das Abendmahl zu nehmen, +ins Gebeinhaus hinausgelaufen, weil ein +schweres Gewitter (was wirklich in die Kirchhofslinde +einschlug) darüber stand; – ich +kam auch sogleich nach der Entladung der +Wolke aus dem Gebeinhaus in die Kirche +zurück und war so glücklich, noch hinter dem + +<span class="sidenote-l"><sup>112</sup> Ich sage aber nein. Der Mensch stelle sich +so wie seinen Hut – wenn er sich und diesen +nicht gerade gebraucht – beide, um sie zu +schonen, so lange auf den <em class="gesperrt">Kopf</em>, bis <ins title="fehlt im Original">er</ins> wieder +getragen wird.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_53">53</a></span> +Henker (als dem letzten) zu kommen und das +Liebesmahl zu genießen.</p> + +<div class="figcenter" style="width: 301px;"> +<img src="images/flucht.png" width="301" height="500" alt="und floh dann mit vollen Segeln auf geradewohl und geradeaus den Kürzesten Weg hindurch ..." title="" /> +</div> + +<p>So denk' ich für meine Person; aber leider, +im vollen Postwagen traf ich Menschen, denen +Physik wahre Narretei ist. Denn als die Gewitter +sich fürchterlich über unsern Kutschenhimmel +versammelten und prasselnde Feuerklumpen, +als wären's Johanniswürmchen, im +Himmel umherspielten; und als ich endlich +ersuchen mußte, das schwitzende Postkonklave +möchte nur wenigstens Uhren, Ringe, Gelder +und dergleichen zusammenwerfen, etwa in die +Wagentaschen, damit kein Mensch einen Leiter +am Leibe hätte: so tat's nicht nur keiner, +sondern mein eigener Schwager, der Dragoner, +stieg gar mit gezogenem nackten Degen auf +den Bock hinaus und schwur, er leite ab. +Ich weiß nicht, war der desperate Mensch +ein gescheiter oder keiner; kurz, unsere Lage + +<span class="sidenote-r"><sup>10</sup> Die Weltepochen feiern – wie die spanischen +Könige – Regierungsantritt, Volljährigkeit, Vermählung +– gern mit Scheiterhaufen (Autodafés, +Tressenausbrennungen der Weisen oder auch der +Irrgläubigen).</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_54">54</a></span> +war fürchterlich, und jeder konnte ein gelieferter +Mann sein. Zuletzt bekam ich gar +einen halben Zank mit zweien von der rohen +Menschenfracht der Kutsche, dem Vergifter +und der Hure, weil sie fragend fast zu verstehen +gaben, ich hätte vielleicht bei dem angepriesenen +Preziosenpicknick nicht die ehrlichsten +Anschläge gehabt. So etwas verwundet +die Ehre mit Gewalt, und in mir donnerte +es nun stärker als oben; dennoch mußt' +ich den ganzen nötigen Erbitterungswortwechsel +so leise und langsam als möglich +führen und haderte sanft, damit nicht am +Ende eine ganz in Harnisch gebrachte Kutsche +in Hitze und Schweiß geriete, und in unsere +Mitte so den nahen Donnerkeil auf Ausdünstungen +durch den Kutschenhimmel herabfahren + +<span class="sidenote-l"><sup>144</sup> Der Rezensent gebraucht seine Feder eigentlich +nicht zum Schreiben, sondern er weckt mit deren +Brandgeruch Ohnmächtige auf, kitzelt mit ihr den +Schlund des Plagarius zum Wiedergeben, und +stochert mit ihr seine Zähne aus. Er ist der einzige +im ganzen gelehrten Lexikon, der sich nie ausschreiben +und ausschöpfen kann, er mag ein Jahrhundert oder +ein Jahrtausend vor dem Tintenfasse sitzen. Denn</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_55">55</a></span> +ließe. Zuletzt setzt' ich der Gesellschaft +das ganze elektrische Kapitel deutlich, aber +leise und langsam – ich wollte nicht ausdampfen +– auseinander und suchte besonders +von der Furcht abzuschrecken. Denn, in der +Tat, vor Furcht konnte jeden der Schlag – ja +ein doppelter, mit dem elektrischen ein apoplektischer +– treffen, da aus Erxleben und +Reimarus genug bewiesen ist, daß starkes +Fürchten durch Dünsten den Strahl zulockt; +ich stellte daher in ordentlicher Angst vor +meiner und fremder Furcht den Passagieren +vor, daß sie jetzt durchaus bei unserer schwülen +Menge, bei dem die Blitze spießenden Degen +auf dem Kutschbock, <ins title="unb">und</ins> bei dem Überhang +der Wetterwolke, und selber bei so vielen +Ausdünstungen anfangender Furcht, kurz, bei + +<span class="sidenote-r">indes der Gelehrte, der Philosoph und der Dichter +das neue Buch nur aus neuem Stoff und Zuwachs +schaffen, legt der Rezensent bloß sein altes Maß +von Einsicht und Geschmack an tausend neue Werke +an, und sein altes Licht bricht sich an der vorbeiziehenden, +stets verschieden geschliffenen Gläserwelt, +die er beleuchtet, in neue Farben.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_56">56</a></span> +so augenscheinlicher Gefahr nichts fürchten +dürften, wollten sie nicht samt und sonders +erschlagen sein. »O, Gott,« rief ich, »nur +Mut! Keine Furcht! Nicht einmal Furcht vor +der Furcht! – Wollen wir denn als zusammengetriebene +Hasen hier seßhaft, von unserem +Herrgott erschossen sein? – Fürchte sich +meinetwegen jeder, wenn er aus der Kutsche +heraus ist, nach Belieben an anderen Orten, +wo weniger zu besorgen ist, nur aber nicht +hier.«</p> + +<p>Ich kann nicht entscheiden – da unter +Millionen kaum ein Mensch an der Gewitterwolke +stirbt, aber vielleicht Millionen an +Schnee- und Regenwolken und dünnen Nebeln +– ob meine Kutschenpredigt auf Menschenrettungspreise +Anspruch zu machen hatte, als +wir sämtlich unbeschädigt, einem Regenbogen +entgegen, in das Städtchen Vierstädten einfuhren, +wo ein Posthalter in der einzigen +Gasse wohnte, die der Ort hatte. + +<span class="sidenote-l"><sup>107</sup> Deutschland ist ein langes, erhabenes Gebirge +– unter dem Meer.</span></p> + +<div class="figcenter" style="width: 300px;"> +<img src="images/riese.png" width="300" height="500" alt="Aus der hohen Posthauspforte trat / tief sich bückend / der Riese heraus" title="" /> +</div> + + + + +<div class="new-h3"> </div> +<p><span class="pagenum"><a name="Page_57">57</a></span></p> +<h3 class="gesperrt">Zweite Station, von Vierstädten nach +Niederschöna.</h3> + + +<p>Der Posthalter war ein grober Patron und +ein Schläger; eine Gattung von Menschen, die +ich unaussprechlich hasse, weil meine Phantasie +mir immer vorspiegelt, ich könnte vielleicht +aus Zufall oder Widerwillen ihnen ein recht +höhnisches und impertinentes Gesicht schneiden, +und mir solche Gesellen auf den Hals hetzen, +und darauf spür' ich schon Ziehen von Mienen. +Zum Glück konnt' ich diesmal (gesetzt, ich +hätte ein Fehlgesicht geschnitten) mich mit +meinem Schwager, dem Dragoner, bewaffnen, +für dessen Riesenmacht dergleichen ein Leckerbissen +ist. Denn er kann zum Beispiel vor +keinem Wirtshause, worin eine Schlägerei +laut wird, vorbeigehen, ohne hineinzutreten +und sogleich unter der Türe zu schreien: +»Macht Friede, ihr Hunde!« darauf unter + +<span class="sidenote-r"><sup>18</sup> Unter Selbststillen versteht man nicht, wie beim +tatzensaugenden Bären, daß man sich selber an die +eigene Brust lege, sondern daß man andere nicht +durch andere säugen lasse: so aber sollte auch das +Wort Selbstliebe im Gebrauche sein.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_58">58</a></span> +seinem Schein von Friedensdeputation nimmt +er ohne Verzug, als wär' es eine amerikanische +Friedenspfeife, das nächste Stuhlbein +in die Hand und deckt damit das schlagende +Personal hinüber und herüber zu, oder er +nähert die harten Köpfe der Parteien (er +schlägt sich zu keiner) einander mit Gewalt, +indem er in jede Hand einen am Hinterkopfe +faßt; dann ist der Kauz im Himmel.</p> + +<p>Ich für meine Person vermeide diskrepante +Zirkel mehr, als daß ich sie aufsuche, sowie +auch jeden toten oder totgemachten Menschen; +– der vorsichtige Mann sieht leicht voraus, +was davon zu holen ist, entweder verdrießliches +und mißliches Zeugschaftgeben, oder oft +gar (wenn die Umstände sich verschwören) +peinliches Nachfragen über Mitschuld. + +<span class="sidenote-l"><sup>97</sup> Daher schließ' ich, daß Schmelzle gut predigt, +schon aus seinen vielen Kenntnissen und Wortspielen. +Die theologische Welt auf Kathedern, noch +mehr die auf Kanzeln, verdient das Lob, daß sie +gleichsam der Lichtsammler oder Lichtfang oder +Lichtmagnet der besten Strahlen und Entdeckungen +ist, die aus andern Wissenschaften ausgehen, besonders +derer aus der Philosophie und Dichtkunst:</span></p> + +<p><span class="pagenum"><a name="Page_59">59</a></span> +In Vierstädten stieß mir nichts von Wichtigkeit +auf als – zu meinem Grausen – ein +Hund ohne Schwanz, der durch die Stadt +oder Gasse lief. Ich zeigte erbittert im ersten +Feuer den Passagieren den Hund und legte +ihnen die Frage vor, ob sie denn eine medizinische +Polizei für trefflich bestellt ansähen, +welche, wie die Vierstädter es zuließe, daß +Hunde öffentlich herumsprängen, denen der +Schwanz fehlte. »An was«, sagt' ich, »halt' +ich mich denn, wenn dieser weggeschnitten, +und mir jede solche Bestie entgegenrennen, +und ich weder aus dem eingezogenen noch +aufgerichteten Schwanze, da der ganze weggehackt +ist, einen Schluß ziehen kann, ob das +Vieh toll ist oder nicht. So wird der gescheiteste + +<span class="sidenote-r">sie selber entdeckt eigentlich nichts als eben die +passiven Diebsinseln, wo sie ihre Gewürze abholt. +So findet man in Predigten, z. B. in Marezolls +Kanzelstücken einen reichen Fund fremder Erfindungen; +und überhaupt gibt's wenige Entdeckungen +in der Philosophie und Moral, welche ein Jahrfünft +oder Jahrzehnt später, nachdem sie ihren +Schöpfer berühmt gemacht, nicht den Nachschöpfer +in der theologischen Welt – diese Erbin ihrer</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_60">60</a></span> +Mann wütig und gebissen und scheitert +bloß aus Mangel eines Schweifkompasses.« +Der nachkommende blinde Passagier (er ließ +sich jetzt als sehender einschreiben, Gott weiß +zu welchen Endzwecken) spann vor mir meinen +eigenen Satz, dem er zugehört, fast bis ins +Komische aus, und erregte zuletzt in mir den +Verdacht, er mache durch eine, aber sehr starke +Schmeichelnachahmung meines Sprechstils +Jagd auf mich. »Der Hundeschwanz«, sagt' +er, »ist wohl für uns Alarmstange und Irrenanstalt, +damit man in keine komme, gleichsam +die äußeren Vorposten der Wut – man +schneide den Kometen den Schwanz, den Bassen +den Roßschweif, den Krebsen den ihrigen (denn +ausgestreckter bedeutet krepierte) ab: so ist man + +<span class="sidenote-l">Magd, der Philosophie – noch zehnmal größer und +reicher gemacht hätten, sobald er nur Kanzelwasser +genug zum Einflößen der fremden Bissen (<i>boli</i>) +aufgegossen hatte. Aber hier möcht' ich gern auf +einen Unterschied der meisten lutherischen Prediger +von den Mönchen zeigen, der nicht ganz zum +Nachteil der ersteren ausschlägt. Der Mönch darf +(<i lang="la" xml:lang="la">C. Q. X. de stat. monach.</i>) nichts Eigenes haben, +bei Strafe unehrlichen Begräbnisses, und jedes</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_61">61</a></span> +in den gefährlichen Angelegenheiten des Lebens +ohne Leitseil, ohne Avertisseur, ohne Hand in +<i lang="la" xml:lang="la">margine</i> – und man kommt um, ohne vorher +zu wissen wie.«</p> + +<p>Übrigens lief diese Station ohne Zank und +Not vorüber. Alles schlief gegen zehn Uhr +ein, sogar der Postillion, außer ich. Ich stellte +mich zwar schlafend, um zu beobachten, wer +sich etwa aus guten Gründen nur schlafend +stelle; aber alles schnarchte fort, der Mond +warf seine verklärenden Strahlen nur auf +herabgesunkene Augenlider.</p> + +<p>Herrlich konnt' ich jetzt Lavaters Rat befolgen, +an Schlafende vorzüglich die physiognomische +Elle anzusetzen, weil der Schlaf +wie der Tod die echte Form gröber ausprägt. + +<span class="sidenote-r">Eigentum wird ihm als Kirchenraub <ins title="angerechent">angerechnet</ins>. +Mich dünkt aber, der lutherische Kanzelredner +demütigt und entäußert sich weit mehr, wenn er +auch, im höheren Geistigen, wo er noch schön und +frei zu wählen hat – da über das Eigentum des +körperlichen ohnehin in seinem Namen das Kammerkollegium +das Armutsgelübde ablegt – kurz, wenn +er, was Gedanken anlangt, gar nichts Eigenes hat +und haben will.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_62">62</a></span> +Andere Schläfer außerhalb der Postkutsche +würd' ich mit gedachter Elle weniger auszumessen +raten, immer in einiger Besorgnis +bleibend, daß etwa ein Kerl, der sich nur +schlafend stellte, sogleich, als ich nahe genug +stände, wie im Traume aufspränge, und dem +physiognomischen Meßkünstler in die eigene +Gesichtsbildung einen so hinterlistigen Fauststreich +versetzte, daß sie in keinem physiognomischen +Fragmente, weil sie selber eines geworden, +mehr florieren könnte, weder in punktierter +Manier, noch in geschabter. Und kann +denn nicht der ehrlichste Schläfer von der +Welt, eben während ihr über dessen physiognomische +Leichenöffnung her seid, losschlagen, +von der Ehre in einem Prügeltraume angehetzt, +und euch vielleicht mit wenigen Handgriffen +und Fußtritten in einen viel ewigeren +Schlaf einwiegen, als der gewesen, woraus +er aufgefahren?</p> + +<p>In meinem sogenannten silhouettierenden + +<span class="sidenote-l"><sup>71</sup> Der Jüngling ist aus Willkür sonderbar und +freuet sich; der Mann ist's unabsichtlich und gezwungen +und ärgert sich.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_63">63</a></span> +Schattenspiele kommt der Gesichterinhalt der +schlafenden Postkutsche selber vor; erst darin +werde ich euch breit belegen, warum mir der +Giftträger mit der Mordkuppel teuflisch erschienen +– der Zwerg altkindisch – die Hure +matt- und schlafffrech – mein Schwager +ruhiggesättigt von Rache oder von Essen – +der Legationsrat Jean Pierre aber, Gott weiß +warum, als ein halber Engel, wiewohl er sich +denken läßt, der halbe Engel, da nur der +schöne Körper, nicht die andere im Schlaf +vergangene Hälfte, die Seele, vor mir wirkte.</p> + +<p>Beinahe vergäß' ich's, daß ich doch in +meinem Dörfchen, während beide Schwäger, +der Dragoner und der Postillion, tranken, +eine kleine Furcht glücklich bestanden, weil +das Schicksal zweimal auf meiner Seite gewesen. +Ich sah unweit eines Jagdschlosses +neben einem schönen Baumklumpen eine weiße +Tafel mit schwarzer Inschrift schimmern. Dies +ließ mich hoffen, daß mich dort ein kleines +Sargkunstwerk, ein Ehrenpfahl, irgendein + +<span class="sidenote-r"><sup>198</sup> Der Pöchel und das Vieh schwindeln auf keinem +Abgrundsabhang, aber wohl der Mensch.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_64">64</a></span> +Treff-, Zier- und Spießdank für einen Toten +erwarte. Auf einem unbetretenen blumigen +Gewinde lang' ich vor dem Schwarz auf +Weiß an und lese im Mondschein mit Entsetzen: +»Jedermann wird hier vor dem Selbstschuß +gewarnt!« So stand ich also vielleicht +einen Fußzehennagel breit von dem Büchsenhahn, +womit ich, wenn ich die Ferse rückte, +mich selber als einen verblüfften Stocknarren +und Ladstock in die andere Welt, unter die +Seligen hineinschoß. Ich suchte vor allen +Dingen mich mit den Fußnägeln in den Boden +wie einzubeißen und einzufressen – weil +ich wenigstens so lange am holden Leben +bleiben konnte, als ich mich fest pflöckte neben +der daliegenden Atroposschere und Henkersbühne; +– darauf wünscht' ich mich zu entsinnen, +auf welchen Steigen der Teufel mich +unerschossen herbeigeführt. Aber vor Angst +hatt' ich alles ausgeschwitzt und wußte gar +nichts, – im nahen Höllendorf war kein + +<span class="sidenote-l"><sup>11</sup> Das goldene Kalb der Selbstsucht wächst bald +zum glühenden Phalarisochsen, der seinen Vater +und Anbeter einäschert.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_65">65</a></span> +Hund zu ersehen und zu erschreien, der mich +etwa aus dem Wasser hätte holen können, +und die beiden Schwäger soffen selig. Indes, +ich faßte Mut und Entschluß – schrieb auf +einem Pergamentblatte meinen letzten Willen +sowie meine zufällige Sterbart nieder, und +meinen Todesdank ans Bergelchen – und +flog dann mit vollen Segeln auf Geratewohl +und geradeaus den kürzesten Weg hindurch, +unter der Voraussetzung, mich bei jedem +Schritte niederzuschießen und mir so mit +eigener Hand auf mein noch langes Lebenslicht +den <i lang="fr" xml:lang="fr">Bonsoir</i> oder Lichttöter zu setzen. +Aber ohne Schuß kam ich an. In der Schenke +lachte freilich mehr als ein Narr über mich, +weil, was nur ein Narr wissen konnte, die +Warnungstafel schon seit zehn Jahren ohne +Schüsse dageblieben, wie oft diese ohne jene. + +<span class="sidenote-r"><sup>103</sup> Das männliche Schmarotzergewächs an den +weiblichen Rosen und Lilien muß (wenn ich dessen +Schmeicheln recht fasse) wahrscheinlich bei den +Schönen die Sitte der Italiener und Spanier +voraussetzen, welche jede Kostbarkeit dem zum Geschenk +anbieten, der solche sehr lobt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_66">66</a></span> +So aber steht's, ihr Freunde, mit unserer +Jagdpolizei, die gegen alles warnt, nur nicht +gegen Warnungstafeln.</p> + +<p>Übrigens hatt' ich auf der ganzen Station +leichte Händel mit dem Postillion, weil er +nicht von Viertelstunde zu Viertelstunde halten +wollte, wenn ich ausstieg, um zu ...... +Leider sind freilich von Postknechten keine +Urinpropheten zu erwarten, da so selten Gelehrte +aus Hallers großer Physiologie es +wissen, daß Aufschieben der gedachten Sache +teuflisches Steingut niederschlägt und zuletzt +den Inhaber selber, weil diese Steingrube +seltener der Blasenschneider als der Tod mit +einem Grabe schließt. Hätten Postknechte gelesen, +daß Tycho de Brahe wie eine Bombe +am Zerspringen starb: sie hielten lieber an; +sie fänden bei solchen, mir so unerwarteten +Kenntnissen es vernünftig, daß ein Mann + +<span class="sidenote-l"><sup>199</sup> Aber wenige gegenwärtige Staaten, glaub' ich, +köpfen unter dem Vorwande, zu trepanieren – +oder heften (in einer gesuchtern Allegorie) die Lippen +zusammen unter dem Vorwand, deren Hasenscharten +zuzunähen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_67">67</a></span> +seinen Leichenstein zwar einmal auf sich, aber +nicht in sich tragen will. Bin ich denn nicht +sogar in Weimar oft aus den längsten Abschiedsauftritten +Schillers mit Tränen in den +Augen hinausgelaufen, bloß um (während +seine Minerva mich im ganzen erweichte) +nicht von deren Medusenkopf auf der Brust +partiell versteinert zu werden? Und kam ich +nicht ins weinende Komödienhaus zurück und +viel munterer in die allgemeine Rührung ein, +weil ich dann nichts mehr zu erleichtern +brauchte als mein Herz?</p> + +<p>Sehr im Finstern kamen wir in Niederschöna +an.</p> + + + + +<h3 class="new-h3 gesperrt">Dritte Station, von Niederschöna +nach Flätz.</h3> + + +<p>Als ich am Posthause, mit den Augen auf +meinen Mantelsack geheftet, in Gedanken dastehe: +schmettert und schnaubt ein Vieh von +Nachtwächter mir so nahe und unversehens + +<span class="sidenote-r"><sup>12</sup> Die Einzelwesen haben Lehrjahre, die Staaten +Lehrjahrhunderte; – aber sind beide freigesprochen, +so sind doch wieder Lehrstunden und Sonntagsschulen +nachzuholen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_68">68</a></span> +mit seiner Nachttuba ins Ohr, daß ich ordentlich +zurückspringe, ich, den schon jede heftig-schnelle +Anrede verdrießt. Gibt's denn keine +medizinische Polizei gegen solche geblasene +Stundenlärmfidibus und -Lärmkanonen, durch +welche doch keine knallenden entbehrlich +werden? Eigentlich sollte niemand mit dem +Nachtwächterhorne investieret werden als +ein vernünftiger Mann, der sich schon einen +Bruch geblasen oder gehoben hätte und der +imstande wäre, seinen Stundenvers so leise +abzusingen, daß man gar nichts hörte.</p> + +<p>Was ich längst erwartet und der Zwerg +vorausgesagt, traf jetzt ein: aus der hohen +Posthauspforte trat tief sich bückend der Riese +heraus und hob im Freien eine unvernünftig +große Statur und dito Kopf mit der ellenhohen + +<span class="sidenote-l"><sup>67</sup> Gastfreiheitswirt, willst du deinen Gast erforschen? +Begleite ihn zu einem andern Wirte und höre zu! +– Ebenso: willst du deine Geliebte in einer Stunde +besser kennen lernen als in einem Monat Zusammenlebens? +Sieh ihr eine Stunde lang unter +Freundinnen und Feindinnen (wenn dies kein Pleonasmus +ist) zu!</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_69">69</a></span> +Mütze und Feder empor; mein Schwager +ihm zur Seite schien nur sein vierzehnjähriger +Sohn zu sein, und der Zwerg gar sein auf +zwei Beinen aufwartendes Schoßhündchen. +»Lieber Freund,« sagte mein neckender Schwager, +der ihn an mich und die Postkutsche geleitete, +»steig' Er ruhig ein, wir machen Ihm +sämtlich gern Platz. Kremp' Er sich nur recht +zusammen, und leg' Er den Kopf aufs Knie; +so geht's.« Der unnütze Necker hätte so gern +den fast einfältigen Giganten – dem er's +bald abgemerkt, daß dessen Gehirn kein schlauer +Gast, sondern die negative Größe seines +Rumpfes war – unter uns im bangen Postschrank +und Notstall vor sich gesehen zu einem +Giespuckel eingeknüllt und krumm geschlossen. +»Giht doch nit! Giht gar nit!« sagte der +Riese, als er hineinsah. »Der Herr Soldat +wissen vielleicht nicht,« versetzte der Zwerg, +»wie groß ein Riese ist; und Er denken, weil + +<span class="sidenote-r"><sup>80</sup> Im Sommer des Lebens graben und statten die +Menschen Eisgruben so gut als möglich aus, um +sich doch für ihren Winter etwas aufzuheben, was +fortkühlt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_70">70</a></span> +ich hineingehe. – Aber das ist ein anderes +Loch. – Ich will überall hineinpassen, man +sage mir nur wo.« –</p> + +<p>Kurz, es war kein Ausweg für den Postmeister +und den Riesen, als daß sich dieser +hinten auf das Passagierwarenlager stellte +und setzte, sich als eine Tränenweide herüberbeugend +über den ganzen Kutschkasten. Mich +selber konnte ein solcher Rückenwind und +Rückhalt nicht außerordentlich ergötzen; und +ich traue (hoff' ich) jedem von euch, ihr +Freunde, zu, daß er hinter einem Rückendekret +so gut und so hell wie ich überschlagen +hätte, was ein Kerl und Riese hinter ihm, +ein Nachfahrer in allerlei Sinne, etwa Mordendes, +probieren könne, es sei nun, daß er +durch das Rückenfenster des Wagens einbräche +und angreife oder sich überhaupt mit +Titanenmacht oben über den Kutschenhimmel +hermache. Indessen fing der oben mit gekreuzten + +<span class="sidenote-l"><sup>28</sup> Es ist mir unmöglich, sogleich auf der Stelle +unter dem Wasserästen-Wald von Anspielungen in +meinen Werken – sogar diese ist wieder ein Ast +– herauszubringen und darauf zu fallen, ob ich je</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_71">71</a></span> +Armen auf dem Kasten liegende Elefant +– der aber von seinem Gleichnis mehr +die drückende Masse als das fliegende Geisteslicht +zu haben schien – bald zu schlafen und +zu schnarchen an; ein Elefant, wovon (wie +ich immer froher einsah) mein Schwager, der +Dragoner, leicht der Kornak und Bändiger +sein konnte, ja schon gewesen war.</p> + +<p>Da jetzt mehr als eine Person schlafen +wollte, aber (mit Recht) ich hingegen wachen: +so bot ich gern meinen Fahrehrensitz, den +Vordersitz (auch um manchen Neid der Passagiere +zu tilgen), solchen Personen an, die auf +ihm ein wenig schlummern wollten. Der Legationsmann +ergriff das Anerbieten und den +Lehnpolster mit Hast und entschlief an der +Rücklehne des Titans hinter ihm. Etwas unbegreiflich +blieb mir dergleichen Postschlaf +von einem diplomatischen <i lang="fr" xml:lang="fr">Chargé d'affaires</i>. +Ein Mann, der so mitten unter einer blutfremden, + +<span class="sidenote-r">die sämtlichen Höfe oder Höhen die (Bouguersche) +Schneelinie Europas genannt habe oder nicht, ich +wünschte aber Belehrung darüber, um es im widrigen +Falle etwa noch zu tun.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_72">72</a></span> +oft blutdürstigen Genossenschaft entschläft, +kann ja, wenn er im Schlummer und +Wagen spricht (denkt nur alle an den sächsischen +Minister vor dem Siebenjährigen Kriege!) +hundert Geheimnisse, tausend Schandtaten +herausstoßen, die er kaum verübt hat. Sollte +nicht jedem Minister, Gesandten oder anderen +Mann von Ehre oder Stand ordentlich grausen +vor Tollwerden oder hitzigen Fiebern, da +ihm kein Mensch dafür steht, daß er nicht +darin mit den größten Skandalen herausfährt, +wovon vielleicht die Hälfte Lügen sind?</p> + +<p>Endlich, nach der langen Juliusnacht, kamen +wir Passagiere samt der Aurora vor Flätz an. +Ich sah scharf und weich nach den Turmspitzen; +ich glaube, daß jeder Mensch, der in +einer Stadt etwas Entscheidendes zu suchen + +<span class="sidenote-l"><sup>36</sup> Und so wünscht' ich überall der erste zu sein, besonders +im Betteln; der erste Kriegsgefangene, der +erste Krüppel, der erste Abgebrannte (ähnlich dem, +der die erste Feuerspritze anführt) erbeutet die +Hauptsumme und das Herz; der Nachkömmling +spricht die Pflicht nur an; und endlich geht es mit +dem melodischen Mancando des Mitleids soweit</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_73">73</a></span> +hat, und dem sie entweder ein Richtplatz seiner +Hoffnungen oder deren Ankerplatz, entweder +Schlacht- oder Zuckerfeld wird, sein Auge am +ersten und längsten auf die Türme der Stadt +als auf die Zeigefinger und Züngelchen seiner +Zukunftswage heftet; gleichsam architektonische +Berge, welche wie die natürlichen die Thronen +unserer Zukunft sind. Als ich mich damit zu +dichterisch gegen Jean Pierre herausließ, so +antwortete er geschmacklos genug: »Die Türme +solcher Städte sind ja die Alpenspitzen, worauf +wir den Alpenkäse unserer Zukunft suchen +und melken.« Mochte der Legations-Peter mit +diesem Stile mich lächerlich machen oder nur +sich? – Entscheidet!</p> + +<p>»Hier ist der Ort, die Stadt,« sagt' ich +heimlich zu mir, »wo heute viel und über + +<span class="sidenote-r">herunter, daß der letzte – wenn der vorletzte wenigstens +noch mit einem reichen »Gotthelf« beschwert +abzieht – nichts von der mildtätigen Hand mehr +erhält als deren Faust. Wie nun im Betteln der +erste, so möcht' ich im Geben der letzte sein; einer +löscht den andern aus, besonders der letzte den +ersten; so aber ist die Welt bestellt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_74">74</a></span> +Zukünfte entschieden wird, wo du diesen +Abend um fünf Uhr deine Bittschrift und +halb dich selber übergibst; – geh' es doch +gut! geh' es herrlich! Werde Flätz, dieser +Waffenplatz deiner kleinen Bestrebungen, zugleich +die Baustelle von Lust- und Luftschlössern +zweier Herzen, des deinigen und des weiblichen!«</p> + +<p>Im Gasthofe zum Tiger stieg ich ab.</p> + + + + +<h3 class="new-h3 gesperrt">Erster Tag in Flätz.</h3> + + +<p>Kein Mensch wird sich anfangs in meiner +Tigerhotelslage stark enthusiasmieren über die +nächsten Aussichten. Ich, als der einzige mir +bekannte Mensch, besonders von der Seite +der Liebe (vom abgehenden Dragoner nachher!), +sah aus den Fenstern des mit Marktgästen +sich vollstopfenden Gasthofes heraus +und auf das Nachströmen des Marktheeres + +<span class="sidenote-l"><sup>136</sup> Übersteigt ihr eure Zeit zu hoch, so geht es euren +Ohren (von seiten der Fama) nicht viel besser, +als sinkt ihr unter solche zu tief, wirklich ganz +ähnlicherweise spürte <em class="gesperrt">Charles</em> oben in der Luftkugel, +und <em class="gesperrt">Halley</em> unten in der Taucherglocke +gleichen besonderen Schmerz in den Ohren.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_75">75</a></span> +hernieder und konnte sehr bald bedenken, daß +eigentlich niemand als Gott und die Spitzbuben +und Mörder genau wußten, wieviel +von beiden letzteren darunter mit einschwämmen, +um vielleicht die unschuldigsten Marktgäste +teils zu enthülsen, teils zu enthalsen. +Meine Lage hatte etwas gegen sich – mein +Schwager hatte, weil er alles blind herausschlägt, +es fallen lassen, daß ich im Tiger +abstiege – (o Gott, wann lernen solche +Menschen geheimnisreich bleiben und auch +den elendesten Bettel des Lebens unter Deckmänteln +und Schleiern bloß deshalb zu tragen, +weil so oft eine lausige Maus einen Eis- und +Golgathaberg gebiert als ein Berg eine Maus?). +Sämtliches Postgesindel saß sämtlich im Tiger +ab – die Hure – der Kammerjäger – +Jean Pierre – der Riese, der schon am +Stadttore ausstieg und den Großkopf des + +<span class="sidenote-r"><sup>25</sup> In der Jugend sieht man eben wie ein operierter +Blindgeborener – und was tut auch der Geburtshelfer +oder die Geburtshelferin anders als operieren +– die Ferne für die Nähe an, den Sternenhimmel +für greifbares Stubengeräte, die Gemälde für Gegenstände,</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_76">76</a></span> +Zwergs als eigenen Kopf durch Mantelbemäntelung +über die Straßen trug, damit er +um einen halben Zwerg gratis riesenhafter +erschiene, als er eigentlich für Geld zu sehen +war. – –</p> + +<p>Es kam nun auf jeden ausgestiegenen Passagier +an, ob er zum Tiger, dem Wappentiere +des Gasthofs, den Prototypus machen, und +welches Lamm er dann fressen, aussaugen, +abrupfen wollte. Auch mein Schwager verließ +mich, um einem Roßtäuscher nachzuziehen, +behielt aber für seine Schwester sein Zimmer +neben meinem; dies sollte, wie es schien, Aufmerksamkeit +für sie verraten. Ich blieb einsam +meiner Tatkraft überlassen.</p> + +<p>Gleichwohl dacht' ich unter so vielen Spitzbuben, +die mich umzingelten, wenn nicht gar +belagerten, warm an eine ferne, redliche +Seele, an meine Berga in Neusattel, ein +Mark- und Kraftherz, das vielleicht manchem + +<span class="sidenote-l">und die ganze Welt sitzt dem Jüngling +auf der Nase, bis ihn, wie den Blinden, mehrmaliges +Auf- und Zubinden endlich Schein und +Ferne schätzen lehrt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_77">77</a></span> +schwachen Ehebündner mehr Schutz gewähren, +als verdanken würde. »Erscheine nur morgen +mittags recht bald, Berga,« sagte mein Herz, +»und womöglich noch vormittags, damit ich +dein Jahrmarktsparadies um so viele Stunden +länger ausdehne, als du um frühere anlangst!«</p> + +<div class="figcenter" style="width: 299px;"> +<img src="images/bartscheerer.png" width="299" height="500" alt="... so gab ich dem Feld- und Bartscheerer einen so plötzlichen Stoss auf den Nabel .." title="" /> +</div> + +<p>Ein Geistlicher läuft mitten im Weltsturm +leicht in einen Freihafen ein, in die Kirche; +die Kirchenmauer ist seine Schießhausmauer +und Fortifikation; und dahinter sitzen gleichergestimmte +und friedlichere Seelen beisammen +als auf dem Marktplatz – kurz, ich ging in +die Hofkirche. Inzwischen wurde ich in meiner +Liederandacht ein wenig verrückt durch einen +Heiducken, der einem wohlgekleideten, jungen +Herrn mir gegenüber die Doppellorgnette von +der Nase abriß, weil in Flätz sowie in Dresden + +<span class="sidenote-r"><sup>125</sup> Am Ende muß man noch aus Angst und Not +der wärmste Weltbürger werden, den ich kenne; +so sehr schießen die Schiffe als Weberschiffchen hin +und her und weben Weltteile und Inseln aneinander. +Denn es falle heute das politische Wetterglas +in Südamerika; so haben wir morgen in +Europa Gewitter und Sturm.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_78">78</a></span> +Gläser, die verkleinern und nähern, gegen +den Hof verstoßen; ich hatte zwar selber eins +aufgesetzt, aber es vergrößerte. Ich konnte +mich unmöglich dahin bringen, die Brille abzunehmen, +und ich werde hier, fürcht' ich, +wieder als Starrkopf und Waghals aussehen; +bloß dies hielt ich für schicklich, in einem fort +mit ihr ins Gesangbuch zu blicken und nicht +einmal, da der Hof einrauschte, aufzuschauen, +um Winke zu geben, daß sie erhaben geschliffen. +– Die Predigt übrigens war gut, +wenn auch nicht immer fein bedacht für eine +Hofkirche; denn sie mahnte von unzähligen +Lastern ab, zu deren Widerspielen, den Tugenden, +ein anderer Prediger zu leicht hätte ermahnen +können! Unter dem ganzen Gottesdienste +trachtete ich, wahre, tiefe Ehrerbietung + +<span class="sidenote-l"><sup>19</sup> Leichter, hat man bemerkt, ersteigt man einen +Berg, wenn man rückwärts hinaufgeht. Dies ließe +sich vielleicht auch auf Staatshöhen anwenden, +wenn man ihnen immer nur das Glied wiese, womit +man sich darauf setzt, und das Gesicht gegen +das Volk unten gerichtet hielte, indes man in einem +fort sich entfernte und höbe.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_79">79</a></span> +an den Tag zu legen, sowohl gegen Gott als +gegen meinen erhabenen Landesherrn. Zur +letzteren Ehrerbietung hatte ich noch meinen +Privatgrund; ich wollte solche nämlich recht +öffentlich und stark mit erhabenen Schriftpunzen +auf meinem Gesicht ausprägen, um +irgendeinen eingefleischten Schadenfroh am +Hofe Lügen zu strafen, der etwa meine neuliche +Widerlegung von Linguets Lob auf Nero +und meine deutsche freie Satire auf diesen +wahren Tyrannen selber, die ich ins Flätzische +Wochenblatt eingeschickt, möchte zu einem +heimlichen Charaktergemälde meines Fürsten +umzudrehen beliebt haben. Leider kann man +jetzt kaum auf den höllischen Teufel selber +eine Stachelschrift abfassen, ohne daß irgendein +menschlicher sie auf einen Engel appliziert.</p> + +<p>Als endlich der Hof aus der Kirche in den + +<span class="sidenote-r"><sup>26</sup> Wenige deutsche Gelehrte sind nicht originell, +wenn man anders (wenigstens aller Länder Sprachgebrauch +ist) jedem Originalität zusprechen darf, +der bloß seine eignen Gedanken auftischt und keine +fremden. Denn da zwischen ihrem Gedächtnis, wo +das Gelesene oder Fremde wohnt, und zwischen</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_80">80</a></span> +Wagen stieg, hielt ich mich in solcher Entfernung, +daß mein Gesicht unmöglich wäre +zu sehen gewesen, falls ich etwa in der Nähe +kein ehrerbietiges, sondern ein zu stolzes gezogen +hätte. Gott weiß, wer mir allein jene +tollkecken Phantasien und Gelüste eingeknetet +hat, die vielleicht einem Helden Schabacker +mehr anständen als einem Feldprediger unter +ihm. Ich kann hier nicht umhin, eine der +frechsten, euch, meinen Freunden, zu vertrauen, +würfe sie auch anfangs ein zu grelles Licht +auf mich. Es war bei meiner Ordination +zum Feldprediger, als ich zum heiligen Abendmahle +ging am ersten Ostertag. Während ich +nun so dastand, weich bewegt vor dem Altargeländer +mit der ganzen Männergemeinde +– ja, ich vielleicht stärker gerührt, als einer +darunter, weil ich als ein in den Krieg Ziehender + +<span class="sidenote-l">ihrer Phantasie oder Erzeugungskraft, wo das Geschriebene +und Eigene entsteht, ein hinlänglicher +Zwischenraum und die Grenzsteine so gewissenhaft +und fest gesetzet sind, daß nichts Fremde ins Eigne +und umgekehrt herüber kann, so daß sie wirklich +hundert Werke lesen können, ohne den Erdgeschmack</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_81">81</a></span> +mich ja halb als einen Sterbenden betrachten +durfte, der nun wie ein zu Henkender +die letzte Seelenmahlzeit empfängt – so +warf in mir, mitten in die Rührung von +Orgel und Sang, etwas – sei es nun der +erste Osterfeiertag gewesen, der mich auf +das sogenannte alte christliche Ostergelächter +brachte, oder der bloße Abstich teuflischer +Lagen gegen die gerührtesten – kurz, etwas +in mir (weswegen ich seitdem jeden Einfältigeren +in Schutz nehme, der sonst dergleichen +dem Teufel anschrieb!) – dies Etwas warf +die Frage in mir auf: »gäb' es denn etwas +Höllischeres, als wenn du mitten im Empfange +des heiligen Abendmahls verrucht und spöttisch +zu lachen anfingest?« Sogleich rang ich +mich mit diesem Höllenhund von Einfall herum +– versäumte die stärksten Rührungen, + +<span class="sidenote-r">des eignen einzubüßen oder dasselbe sonst zu ändern: +so ist, glaub' ich, ihre Eigenheit bewährt; und ihre +geistigen Nahrungsmittel, ihre Plinsen, Laibe, +Krapfen, Kaviare und Suppenkugeln werden nicht, +wie nach Büffon die körperlichen, zu organischen +Kügelchen der Erzeugung, sondern erscheinen rein</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_82">82</a></span> +um nur den Hund im Gesichte zu behalten, +und abzutreiben – kam aber von ihm abgemattet +und begleitet vor dem Altarschemel +mit der jammervollen Gewißheit an, daß ich +nun in kurzem ohne weiteres zu lachen anfangen +würde, ich möchte innen weinen und +stöhnen, wie ich wollte. Als daher ich und +ein sehr würdiger alter Bürgermeister uns +miteinander vor dem langen Geistlichen verbeugten +und letzterer mir (vielleicht kam er +mir auf dem niedrigen Kniepolster zu lang +vor) die Oblate in den klemmen Mund steckte: +so spürt' ich schon, daß an den Mundwinkeln +alle Lachmuskeln sardonisch zu ziehen anfingen, +die auch nicht lange an der unschuldigen Gesichtshaut +arbeiteten, als schon ein wirkliches +Lächeln darauf erschien – und als wir uns +gar zum zweiten Male verneigten, so grinste + +<span class="sidenote-l">und unverändert wieder. Oft denk' ich mir solche +Gelehrte als lebendige, aber tausendmal künstlichere +Entriche von Vaukansons Kunstente aus Holz. +Denn in der Tat sind sie nicht weniger künstlich +zusammengefugt als diese, welche frißt und den +Fraß hinten wiederzugeben scheint – zarte Nachspiele</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_83">83</a></span> +ich wie ein Affe. Mein Nebenmann, der +Bürgermeister, redete ganz mit Recht, als +wir hinter den Altar umgingen, mich leise +an: »Um Gottes willen, sind Sie ein ordinierter +Prediger oder ein Pritschenmeister? +– Lacht denn der lebendige Gottseibeiuns +aus Ihnen?« – »Ach, Gott! wer denn sonst?« +sagt' ich; erst nachher bracht' ich meine Andacht +ernsthafter zu Ende.</p> + +<p>Aus der Kirche – (ich komme wieder in +die Flätzer) – ging ich in den Gasthof zum +Tiger und aß an der Wirtstafel, weil ich +nie menschenscheu bin. Vor dem zweiten Gerichte +reichte mir der Kellner einen leeren +Teller, worauf ich zu meinem Erstaunen einen +französischen Vers mit der Gabel eingekratzt +erblickte, der nichts Geringeres enthielt als +ein Pasquill auf den Kommandanten von + +<span class="sidenote-r">der Ente, welche unter dem Schein, die Kost +in Blut und Saft verwandelt zu haben, bloß einen, +vom Künstler im Hinterleibe trefflich vorgerüsteten +Auswurf, der mit Speise und Verdauung gar nicht +zusammenhängt, illusorisch in die Welt setzt und +drückt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_84">84</a></span> +Flätz. Ohne Umstände bot ich den Teller der +Tischgesellschaft hin und sagte, ich hätte +das pasquillantische Geschirr, wie sie sähen, +eben bekommen, und bäte sie zu bezeugen, +daß der Handel mich nichts angehe. Ein +Offizier wechselte sogleich mit mir Teller. +Bei dem fünften Gericht durft' ich mich über +die chemisch-medizinischen Unkenntnisse der +Tischgesellschaft verwundern, indem ein Hase, +aus welchem ein Herr mehrere Schrotkörner, +das heißt also ein mit Arsenik versetztes und +durch den warmen Essig nun aufgelöstes Blei, +öffentlich herausgezogen und vorgezeigt hatte, +von den Zuschauern (mich ausgenommen) +lustig fortgespeist wurde.</p> + +<p>Unter den Tischgesprächen faßte mich eins +gewaltig bei meiner schwachen Seite, bei +meiner Ehre. Es wurde nämlich der Gerichtsgebrauch +der Residenz erzählt, daß ein unzüchtiges +Mädchen jeden, wen eine Dirne +dazu wähle, in den Vater ihres Wurms verkehren + +<span class="sidenote-l"><sup>15</sup> Nach Ähnlichkeit der schön polierten englischen +Einlegmesser gibt's auch Einlegkriegsschwerter, oder +– mit andern Worten – Friedensschlüsse.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_85">85</a></span> +könne bloß durch ihr Eidwort. »Schrecklich!« +sagt' ich, und mir stand das Haar zu +Berg. – »Auf diese Weise kann sich ja der +erste beste Hausvater mit Frau und Kindern, +oder ein Geistlicher, der im Tiger logiert, +von der ersten <ins title="schimmsten">schlimmsten</ins> Aufwärterin, die +er oder die ihn leider abends zufällig kennen +lernen, um Ehre und Unschuld gebracht sehen?« +Ein ältlicher Offizier fragte: »Soll denn aber +das Mädchen sich lieber zum Teufel schwören?« +Welche Logik! – »Oder gesetzt,« fuhr ich +ohne Antwort fort, »ein Mann reist mit +jenem Wiener Schlossergesellen, der nachher +Mutter wurde und mit einem Söhnchen niederkam, +oder mit irgendeinem verkleideten +Ritter d'Eon, mit dem er häufig übernachtet; +und der Schlossergeselle oder der Ritter dürfen +dann ihre Beilager beeidigen: so kann ja kein +zarter Mann zuletzt mehr mit einem anderen +reiten und fahren, weil er nicht weiß, wann +dieser die Stiefel auszieht und die Weiberschuhe +an, und ihn dann zum Vater schwört +und sich zum Teufel?«</p> + +<p>Aber einige von der Tischgesellschaft vergriffen +<span class="pagenum"><a name="Page_86">86</a></span>sich in meinem Kanzelfeuer so sehr, +daß sie schafsmäßig zu glauben andeuteten: +ich selber sei in diesem Punkt nicht richtig, +sondern lax. Beim Himmel! ich wußte da +nicht mehr, was ich fraß und sprach. Zum +Glücke wurde mir gegenüber eben die Lüge +irgendeiner französischen Niederlage ausgesagt; +da ich nun an den Straßenecken die +französische und deutsche Proklamation angesehen, +welche jeden, der Kriegsberichte – +nämlich nachteilige – anhört, ohne sie anzuzeigen, +vor das Kriegsgericht bestellt: so +konnt' ich als ein Mann, der sich nie gern +vergessen will, wohl nichts Klügeres tun, +als davongehen mit leeren Ohren und nur +dem Wirte rapportieren warum.</p> + +<p>Es war keine unrechte Zeit, denn absichtlich +um viereinhalb Uhr wollt' ich mir den Bart +scheren lassen, um gegen fünf so recht mit einem +vom Balbiermesserglättzahn geleckten Kinn, +wie glattes Velinpapier, ohne Wurzelstöcke vom +Kinnhaare (Barthaare ist Pleonasmus) auf- +und vorzutreten. Vorher goß ich, wie Pitt vor +Parlamentssitzungen, verdammt viel Pontak +<span class="pagenum"><a name="Page_87">87</a></span>mit wahrem Ekel in meinen Magen hinunter +gegen jede Heillehre und Sperrordnung desselben, +nicht sowohl um den leichten, fremden +Bartputzer zu bestehen, als den Ministergeneral +Schabacker, mit welchem ich eines und +das andere Feuerwort zu wechseln vorhatte.</p> + +<p>Es kam der gewöhnliche Fremdenbalbier +des Hotels, hatte aber sogleich in seinem +viellinigen ausgezackten Gesichte mehr von +einem endlich toll werdenden, als von einem +weiser werdenden Manne an sich. Tolle nun +hass' ich unglaublich und bin daher in kein +Tollhaus zu bringen, weil da der erste beste +Wütige mich mit Riesenfäusten erschnappt, +wenn er mag, und weil ich überhaupt der +Ansteckung wegen nicht weiß, ob ich wieder +mit dem Verstande herauskomme, den ich hineintrage. +– Gewöhnlich sitz' ich (bin ich eingeseift) +dergestalt auf dem Stuhle, daß ich, +beide Hände (den Blick spann' ich scharf gegen +das balbierende Gesicht) auf den Schenkeln, +dem Zwerchfell des Balbiers gegenüber schlagfertig +liegen habe, um ihn bei der kleinsten +zweideutigen Bewegung wie wütig umzustoßen.</p> + +<p><span class="pagenum"><a name="Page_88">88</a></span> +Ich weiß kaum recht, wie es zuging, aber +indes ich mich ins närrisch-gewundene Gesicht +des Bartputzers vertiefe und da er eben +das lang' gewetzte Schlachtmesser etwas vorschnell +gegen meine entblößte Gurgel führte: +so gab ich dem Feld- und Bartscherer einen +so plötzlichen Stoß auf den Nabel, daß der +Mann sich im Fallen bald selber selbstmörderisch +die Gurgel abgeschnitten hätte. Mir +blieb freilich nichts davon als Gutmachungen +und eine gegen meine sonstigen Grundsätze +umgebundene geschwollene Kravatte als Deckmantel +dessen, was unbeschoren geblieben.</p> + +<p>Jetzt brach ich denn endlich zum General +auf und trank die Pontaksreste noch unter +der Schwelle aus. Ich hoffe, in mir lagen +Pläne fertig, richtig zu antworten, ja zu +fragen. Das Bittschreiben hatt' ich in der +Tasche und in der rechten Hand. In der +linken hatt' ich dessen Duplikat. Mein Feuer +half mir leicht über alle ministeriellen lebendigen +Zäune hinüber, und ich befand bald +mich unverhofft im Vorzimmer unter seinen +vornehmsten Lakaien, die, soviel ich merkte, +<span class="pagenum"><a name="Page_89">89</a></span>nichts verpassen sollten. Ich überreichte dem +Ansehnlichsten meine papierne Bitte mit der +mündlichen, sie seinerseits zu überreichen. Er +nahm sie, aber unverbindlich. Ich wartete +tief in die Stunde sechs Uhr hinein vergeblich, +worin allein dem frohen Generale manches +vorzutragen ist. Endlich erseh' ich einen +Stief- oder Duzbruder des vorigen Lakaien +und wiederhole mein Gesuch; dieser rennt +umsonst umher, um Bruder oder Schreiben +zu suchen – nichts war zu finden: – wie +glücklich war ich, daß ich das Duplikat der +Bittschrift mitten im Pontak vor dem Rasieren +mir wieder abgeschrieben, und also – bloß +aus dem Grundsatz, daß man immer ein +zweites hölzernes Bein im Mantelsack eingepackt +haben müsse, wenn man ein erstes +am Leibe habe – und aus der Furcht, daß, +wenn mir das Urschreiben auf dem Wege + +<span class="sidenote-r"><sup>13</sup> <i lang="la" xml:lang="la">Omnibus una salus sanctis, sed gloria dispar</i>; +das heißt – schreiben sonst die Gottesgelehrten – +nach Paulus haben wir im Himmel alle dieselbe +Seligkeit, aber verschiedene Ruhmstufen. Schon +auf der Erde finden wir im Himmel der Schriftstellerwelt</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_90">90</a></span> +vom Tiger zu Schabacker verloren ginge, +meine ganze Reise und Hoffnung zu Wasser +müßte werden – dies, sag' ich, war gut, daß +ich das Repetierwerk des Urschreibens eingesteckt +hatte, und folglich in jedem Falle +etwas, und zwar ein detto, einzuhändigen +vermochte. Ich händigte dasselbe ein.</p> + +<p>Leider nur war schon sechs Uhr vorbei. +Der Lakei aber blieb nicht lange aus, sondern +brachte mir bald – ich möchte sagen den +Predigttext dieses Zirkelbriefes – die fast +rohe Antwort (die ihr, Freunde, aber aus +Achtung für mich und Schabacker geheim zu +halten habt): falls ich der Attila Schmelzle +beim Schabackerschen Regiment wäre, so möcht' +ich mich nur mit meinem Hasenpanier wieder +zum Teufel scheren, wie ich bei Pimpelstadt +getan. Ein anderer wäre auf dem Platze geblieben; +ich aber ging ganz derb davon und + +<span class="sidenote-l">ein Vorbild davon. Nämlich die Seligkeit +der von der Kritik seliggesprochenen Autoren der +genialen, der guten, der mittelmäßigen, der geistesarmen, +ist bei allen die nämliche, sie machen sämtlich +im ganzen fast einerlei Kameralglück, denselben</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_91">91</a></span> +versetzte dem Kerl: »Ich schere mich auch +willig zum Teufel, und schere mich den Teufel +darum.« Unterwegs untersucht' ich mich selber, +ob nicht etwa der Pontak aus mir gesprochen +– wiewohl schon die Untersuchung widerspricht, +da kein Pontak untersucht; – aber +ich fand, daß nur ich, mein Herz, vielleicht +mein Mut etwas gesprochen: und wozu denn +überhaupt Kleinmut, da das Vermögen meiner +guten Frau mich ja besser besoldet als zehn +katechetische Professuren, und da sie alle Ecken +meines Buches des Lebens mit so viel goldenen +Beschlägen versieht, daß ich es, ohne +es abzunützen, immer aufschlagen kann? – +Schwangere mögen bei Schrecken an den +Hintern greifen, um das Muttermal des Versehens +dorthin zu verstecken; ich griff bei dem +Mute ans Herz und sagte: »Schlage dich +nur tapfer durch, wer auch dabei geschlagen + +<span class="sidenote-r">schwachen Profit. Aber Himmel, was hingegen +Nachruhmsstaffeln anlangt, wie tief wird nicht – +ungeachtet des nämlichen Honorars und Absatzes – +schon bei Lebzeiten ein sogenannter Duns unter +ein Genie hinabgestellt! – Wird nicht oft ein</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_92">92</a></span> +werde!« Ich fühlte mich ganz erhoben und +erhitzt – ich dachte mir Republiken, wo ich +als Held nach Hause kommen könnte – ich +sehnte mich in jene heroischen Griechenzeiten +hinein, wo ein Held vom andern Prügel +gern einsteckte und sagte: schlage nur, aber +höre mich! und aus unseren feigen heraus, +wo man kaum Schimpfworte aushält, geschweige +mehr – ich malte mir es aus, wie +ich mich fühlen würde, wenn ich in glücklichere +Umgebungen Afterthronen umwürfe +und vor ganzen Völkern auf Großtaten wie +auf Tempelstufen unsterblich aufstiege und in +gigantischen Zeiten ganz andere und größere +Männer zu übermannen und zu übertreffen +fände als jetzt den Milbenpöbel um mich her +und höchstens den einen und den anderen +Vulcanello. Ich dachte – und machte mich +immer wilder und ich selber berauschte mich + +<span class="sidenote-l">geistesarmer Autor in einer Messe vergessen, indes +ein geistreicher oder gar ein genialer durch fünfzig +Messen durchblüht und so erst sein 25 jähriges +Jubiläum feiert, bevor er spät vergessen untergeht +und im deutschen Ruhmtempel eingesenkt wird, der</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_93">93</a></span> +(also kein Pontaksrausch, der bekanntlich mehr +durch als ohne Trinken wächst), und gestikulierte +öffentlich – als ich mich fragte: +»Willst du ein bloßer Staatsschoßhund werden +– ein Hunds-Hund – ein <i lang="la" xml:lang="la">pium desiderium</i> +eines <i lang="la" xml:lang="la">impii desiderii</i> – ein Ex-Ex – +ein Nichts-Nichts? – – O Sackerment!« +Darüber stieß ich mir aber meinen Hut in +den Marktkot. Da ich ihn aufhob und säuberte, +sah ich überall, wie verschossen er +war, und entschloß mich sogleich, einen neuen +zu kaufen und anfangs selber zu tragen in +der Hand.</p> + +<p>Ich vollzog's und erhandelte einen vom +feinsten Kaliber. Sonderbar, durch diesen +Hut, als wär's ein Magisterhut, wurde in +der Ziegengasse ordentlich mein Kopf geprüft +und examiniert. Da nämlich der General +Schabacker darin daherfuhr, und ich (wie sich +wohl von selber versteht) mich nicht durch + +<span class="sidenote-r">die bekannte Eigenheit der Kirche des Ordens der +Padri Lucchesi in Neapel nachahmt, welche bekanntlich +(nach Volkmann) unter ihrem Dache eine +Begräbnisstätte, aber kein Denkmal darauf verstatten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_94">94</a></span> +gemeine Grobheit, sondern durch Höflichkeit +rächen wollte: so bekam ich eine der kitzlichsten +Aufgaben zu lösen vor. Schwenkt' +ich nämlich bloß den feinen Filz, den ich +schon in der Hand trug, behielt aber den +verschossenen auf dem Kopfe: so konnt' ich +einem Grobian von Haus aus ähnlich sehen, +der nichts abzieht; zog ich hingegen den +alten vom Kopfe und hofierte damit: so +spielten zwei Filze auf einmal (ich mochte +nun den anderen mitbewegen oder nicht) +die Sache ins Lächerliche. Nun, stimmt +doch ab, ihr Freunde, eh' ihr weiter leset, +wie man sich hier herauszuziehen hätte, ohne +den Kopf zu verlieren!.... Ich glaube +vielleicht dadurch, daß man bloß den Hut +verliert; kurz und gut, ich ließ eben geradezu +den Putzhut aus der Hand in den Kot fallen, +um mich in den Stand zu setzen, den Sudelhut +einsam abzunehmen und mit nötiger Höflichkeit +zu schwenken ohne einen Anstrich von +Lächerlichkeit.</p> + +<p>Im Tiger ließ ich – um etwas schließen +zu lassen – den brillantierten Fein-Fein-Fein-Filz +<span class="pagenum"><a name="Page_95">95</a></span>früher ausbürsten als den Kotsassen- +oder Schartekenhut.</p> + +<div class="figcenter" style="width: 306px;"> +<img src="images/knecht.png" width="306" height="500" alt="... und betete laut: Dir übergeb' ich mich ganz / Du allein sorgtest ja bisher für mich schwachen Knecht" title="" /> +</div> + +<p>Nun ging ich, meine wichtige Vergangenheit +in der Adjustier- und Probierwage tragend, +feurig auf und nieder. Der Pontak mußte – +ich weiß wohl, daß es hinieden nur unechten +gibt – ein noch unechterer gewesen sein; so +sehr jagte er meine Phantasie in ein Feuer +nach dem anderen. Ich sah jetzt in ein weites, +glänzendes Leben hinein, wo ich ohne Amt +lebte, bloß von Geld; und das ich gleichsam +mit den delphischen Höhlen und Zenonischen +Gängen und Musenbergen aller der Wissenschaften +übersäet sah, die ich ruhig treiben +konnte. Besonders konnte ich mich mehr auf +Preisschriften bei Akademien legen, deren +(nämlich der Schriften) sich kein Urheber +jemals zu schämen braucht, weil eine ganze +krönende Akademie in jedem Falle für den +Koronanden steht und errötet. Schießt auch +der Preiswerber neben der Krone vorbei, so +bleibt er doch stets unbekannter und anonymer +(da man seine Devise nicht entsiegelt) +als ein anderer Autor, der zwar namenlos +<span class="pagenum"><a name="Page_96">96</a></span>ein Langohr von Buch ediert, den aber doch +bald ein literarisches Eselbegräbnis (<i lang="la" xml:lang="la">sepultura +asinina</i>) öffentlich vor der halben Welt einsenkt.</p> + +<p>Nur etwas dauerte mich voraus, das Leid +meiner Berga, welcher ich morgen, der lieben +Müdegereisten, die Ankunft und die abgekürzte +Marktschau mit meiner abschlägigen +Nachricht versalzen mußte. Sie wollte so +gern in Neusattel – und wer verübelt's +einer reichen Pächterstochter – etwas vorstellen +und manche Honoratiorin ausstechen. – +Jeder Mensch verlangt sein Paradeplätzchen +und eine frühere lebendigere Ehre, als die +letzte Ehre. – Besonders will eine so gute +Niedriggeborene, sich vielleicht mehr ihres +metallischen als ihres geistigen Schatzes und +Tilgungsfonds bewußt, doch bei Ehrengelagen +Meisterin von irgendeinem Stuhl oder Stühlchen +sein und über die erste beste dumme +Gans <i lang="la" xml:lang="la">loci</i> hinaufsitzen.</p> + +<p>Dazu sind nun Ehemänner so unentbehrlich. +Ich nahm mir daher vor, mir und folglich +ihr einen der besten Titel, womit die Höfe in +<span class="pagenum"><a name="Page_97">97</a></span>Deutschland (gleichsam wie in einem Auerbachshof +in Leipzig) vom Adel und Halbadel an +bis zum Rate herunter in einem fort feilstehen, +anzukaufen und dieser geadelten Seele durch +meinen Viertelsadel einen solchen Achtelsadel +zuzuspielen, daß (hoff' ich) manche gemeine +nebenbuhlerische Neusattlerin vom +Neide halb geborsten sagen und rufen soll: +»Ei du dummes Pächtersding! Seht doch, +wie das schwänzelt und wedelt! Es denkt +nicht daran, was es mit ihm wäre, wenn es +keinen Geldsack und keinen Hofrat hätte; –« +Denn letzteres nämlich müßt' ich etwa vorher +geworden sein.</p> + +<p>Aber ich sehnte mich in der kalten Einsamkeit +meines Zimmers und im Feuer meiner +Erinnerungen unbeschreiblich nach dem Bergelchen +– ich und mein Herz waren müde +vom fremden treibenden Tage – niemand +um mich her sagte mir ein gutes Wort, das +er nicht in die Wirtsrechnung zu bringen +verhoffte. – Freunde, ich schmachtete nach +der Freundin, deren Herz gern das Blut +zum Balsam für ein zweites vergießt – ich +<span class="pagenum"><a name="Page_98">98</a></span>verfluchte meine überklugen Maßregeln, daß +ich nicht, um die Gute sogleich mit mir zu +nehmen, lieber das dumme Hauswesen allen +Spitzbuben und Feuerschäden preisgegeben. +– Im Auf- und Abgehen ward es mir +immer leichter, alles zu werden, jeder Kammerrat, +Akzisrat, anderer Rat, und wie sie nur +befahl, wenn sie ankäme.</p> + +<p>»Mach dir nur einen guten Tag in der +Stadt!« sagte Bergelchen diese ganze Woche +hindurch. Aber wie ist einer ohne sie zu +machen? Unsere Trauertränen trocknen auch +Freunde ab und begleiten sie mit eigenen; +aber unsere Freudentränen finden wir am +leichtesten in den Augen unserer Frauen +wieder. – Verzeiht, Freunde, diese Libationen +meiner Rührung – ich zeig' euch nur mein +Herz und meine Berga. – Bedarf ich eines +Ablaßkrämers, so nehmt den Pontakskrämer +dazu. + +<span class="sidenote-l"><sup>79</sup> Schwache und verschobene Köpfe verschieben und +verändern sich am wenigsten wieder, und ihr innerer +Mensch kleidet sich sparsam um; ebenso mausern +Kapaune sich nie.</span></p> + + + + +<div class="new-h3"> </div> +<p><span class="pagenum"><a name="Page_99">99</a></span></p> +<h3 class="gesperrt">Erste Nacht in Flätz.</h3> + + +<p>Gleichwohl nahm mir der Wein die Besonnenheit +nicht, vor dem Bettegehen unter +das Bett zu sehen, ob jemand darunter lauere, +zum Beispiel die Hure, der Zwerg oder +der Legationsrat, ferner den Schlüssel unter +den Türdrücker (die beste Sperrordnung unter +allen) zu schieben, dann zum Überflusse meine +Nachtschraube an die Türe einzubohren und +endlich davor noch die Sessel übereinander +zu bauen und Beinkleider und Schuhe anzubehalten, +weil ich durchaus nichts besorgen +wollte.</p> + +<p>Ich hatte aber noch andere Sachen des +Nachtwandels wegen abzutun. Mir war's +überhaupt von jeher unbegreiflich, wie so +viele Menschen zu Bette gehen und darin +gesetzt liegen können, ohne zu bedenken, daß +sie vielleicht im ersten Schlafe sich aufmachen + +<span class="sidenote-r"><sup>89</sup> Die Alten heilten sich im Zeitenunglück mit +Philosophie oder mit Christentum; die Neueren +aber z. B. in der Schreckenszeit griffen zur Wollust, +wie etwa der verwundete Büffel sich zur Kur und +zum Verband im Schlamme wälzt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_100">100</a></span> +als Nachtwandler und auf Dächer hinauskriechen +und irgendwo erwachen, wo sie den +Hals brechen und den Rest. Ja, es wäre +mir schon Gefahr genug, wenn ein unbescholtener +Mann, ein Feldprediger, im eigenen +Bette einschliefe und etwa auf den Seidenpolstern +im Schlafgemache der vornehmsten +Dame in der Stadt aufwachte, von der er +vielleicht sein Glück erwartet. Bin ich zu +Hause, so wag' ich wenig mit Schlaf; – +weil ich, da meine rechte Fußzehe jede Nacht +mit einem drei Ellen langen Wickelbande +(ich nenn' es scherzend unser eheliches Band) +an die linke Hand meiner Frau angeschlungen +wird, die Gewißheit habe, daß ich, falls ich +aus dem Bettarrest herausginge, mit dem +Sperrstrick sie wecken und ich folglich von +ihr, als meinem lebendigen Zaun, an der +Nachtschnur wieder ins Bett würde zurückgezogen +werden. Im Gasthof aber konnt' ich +nichts tun, als mich einige Male an den +Bettfuß schnüren, um nicht zu wandern; obgleich +alsdann einbrechende Spitzbuben neue +Not mitbringen konnten. Ach, so gefährlich +<span class="pagenum"><a name="Page_101">101</a></span>ist alles Schlafen, daß leider jeder, der nicht +auf dem Rücken wie ein Leichnam daliegt, +besorgen muß, mit dem Ganzen schlafe auch +ein oder das andere Gliedmaß, ein Fuß, +ein Arm ein; und dann kann das entschlummerte +Glied – da es in der medizinischen +Geschichte gar nicht daran an Exempeln fehlt +– am Morgen zum Amputieren gereift daliegen. +Deshalb lass' ich mich häufig wecken, +damit nichts einschläft.</p> + +<p>Als ich an den Bettpfosten gut angebunden +und endlich unter die Bettdecke gekommen +war, wurde ich wegen meines Pontaks Feuertaufe +aufs neue bedenklich und furchtsam vor +meinen zu erwartenden Kraft- und Sturmträumen +– welche leider nachher auch nichts +Besseres wurden als <ins title="Helden">Helden-</ins> und Potentatentaten, +Festungsstürme, Felsenwürfe; – noch +aber seh' ich wenig diesen Punkt ärztlich beherzigt. + +<span class="sidenote-l"><sup>108</sup> Verwundert las ich, der Gruß im Gotthardstal +sei: <i lang="it" xml:lang="it">Allegro!</i> – Denn nie wurd' ich in Wetzlar, +in Regensburg oder Wien anders gegrüßt als: +<i lang="it" xml:lang="it">Andante di molto!</i> – zuweilen jedoch: <i lang="it" xml:lang="it">Allegro, +ma non troppo!</i> – Ja, alte Generale grüßten sich</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_102">102</a></span> +Medizinalräte und ihre Kunden strecken +sich alle ruhig in ihren Betten aus, ohne +daß nur einer von ihnen befürchtet oder +untersucht, ob ihm ein wütiger Zorn (zumal +wenn er schnell darauf kalt säuft im Traum), +oder ein herzzerreißender Harm, was er alles +in den Träumen erleben kann, am Leben +schade oder nicht. Wär' ich, ich bekenn' es, +eine Frau und mithin weiblich-furchtsam zumal +in guter Hoffnung, ich würd' in letzter +über die Frucht meines Schoßes in Verzweiflung +sein, wenn ich schliefe und folglich +im Traum alle die von medizinischen Polizeien +verbotenen Ungeheuer, wilden Bestien, Mißgeburten +und dergleichen zu Gesicht bekäme, +wovon eine ausreicht (sobald die bestätigte +Lehre des Versehens wahr bleibt), daß ich +Kreißende mit einem elenden Kinde niederkäme, +das ganz aussähe wie ein Hase und +voll Hasenscharten dazu, oder das eine Löwenmähne + +<span class="sidenote-r">oft: <i lang="it" xml:lang="it">Poco vivace</i>. – Ich erkläre mir es daher, daß +der Deutsche, wenn alle Völker, die Füße und +Schuhe zu ihren Maßen nehmen, lieber mit Sessions-Steißen +und Hosen abmißt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_103">103</a></span> +hinten hätte oder Teufelsklauen an +den Händen, oder was sonst noch Mißgeburten +an sich haben. Vielleicht wurden manche +Mißgeburten von solchem Versehen in Träumen +gezeugt.</p> + +<p>Nachts kurz vor zwölf Uhr erwacht' ich +aus einem schweren Traum, um eine für +meine Phantasie zu geisterhafte Geistergeschichte +zu erleben. Mein Schwager, der sie +mir eingebrockt, verdient für seine ungesalzene +Kocherei, daß ich ihn euch als den Braumeister +des schalen Gebräues ohne Schonen +nenne. Wäre Argwohn mit Unerschrockenheit +verträglicher, so hätte ich vielleicht schon aus +seinem Sittenspruche über dergleichen unterwegs +sowie aus dem Fortbehalten seines +Nebenzimmers, an dessen Mitteltüre mein +Lager stand, leicht alles geschlossen. Mir war +nämlich, als würd' ich angeblasen von einem +kalten Geisteratem, den ich auf keine Weise + +<span class="sidenote-l"><sup>181</sup> Gott sei Dank, daß wir nirgends ewig leben +als in der Hölle oder im Himmel; auf der Erde +würden sonst wahre Spitzbuben aus uns, und die +Welt ein Haus von Unheilbaren, aus Mangel der</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_104">104</a></span> +aus den entfernten und versperrten Fenstern +herzuleiten vermochte; – worin ich's denn +auch traf, denn der Schwager hatt' ihn aus +einem Blasebalg durchs Schlüsselloch eingeschickt. +Alles Kalte bringt in der Nacht auf +Todes- oder Geisterkälte. Ich ermannte mich +aber und harrte – nun fing gar das Deckbette +an, sich in Bewegung zu setzen – ich +zog es an mich – es wollte wieder weiter – +behend' setz' ich mich plötzlich im Bette auf +und rufe: »Was ist das?« – Keine Antwort, +überall Stille im Gasthof – das ganze Zimmer +voll Mondschein –. Jetzt hob sich mein +Zugpflaster, das Deckbett, gar empor und +luftete mich, wobei mir war wie einem, von +dem man ein Pflaster schnell abhebt. Nun +tat ich den Rittersprung aus dem Teufelstorus +und zersprengte springend mein Nachtwandlersleitseil. +»Wo ist der dumme Menschennarr,« +rief ich, »der die erhabene unsichtbare + +<span class="sidenote-r">Kurschmiede (der Scharfrichter) und der ableitenden +Haarseile (am Galgen) und der Ekel- und Eisenkuren +(auf Richtstätten). So daß wir also wirklich +unsre sittliche Riesenkraft gerade so auf der Schuld</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_105">105</a></span> +Geisterwelt nachäfft, die ihm ja auf +der Stelle erscheinen kann?« – Aber an, über, +unter dem Bette war nichts zu hören und +zu sehen. Ich schaute zum Fenster hinaus; +überall geisterhaftes Mondlicht und Straßenstille, +und nichts bewegte sich, als (wahrscheinlich +vom Winde) auf dem fernen Galberg +ein Neugehenkter.</p> + +<p>Jeder andere hätt' es so gut für Selbsttäuschung +gehalten als ich; daher wickelte ich +mich wieder in mein passives <i lang="fr" xml:lang="fr">lit de justice</i> +und Luftbette ein, darin erwartend, inwiefern +ich an Erschrecken erkalten sollte oder nicht.</p> + +<p>Nach einigen Minuten fing das Deckbette, +der teuflische Faustsmantel, sein Fliegen und +Schiffsziehen (ich allein war der Verurteilte) +wieder an, der Abwechslung wegen hob auch +wieder der unsichtbare Bettaufhelfer empor. +Verfluchte Stunde! – Ich möchte wissen, ob +es im ganzen gebildeten Europa einen gebildeten + +<span class="sidenote-l">der Natur, die wir zu bezahlen haben, beruhend, +finden, als die Politiker (z. B. der Verfasser des +neuen Leviathans) die Übermacht der Engländer, +auf deren Nationalschuld gestützt, erweisen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_106">106</a></span> +oder ungebildeten Menschen gäbe, +der bei so etwas nicht auf Geisterteufeleien +verfallen wäre; – ich verfiel darauf, unter +der (sich selber) fahrenden Habe des Deckbettes, +und dachte, Berga sei Todes verfahren +und fasse nun noch geistig mein Bette. Dennoch +konnt' ich sie nicht anreden, sowenig als +den Teufel, der hier einspielen konnte, sondern +ich wandte mich bloß an Gott und betete +laut: »Dir übergeb' ich mich ganz, du +allein sorgtest ja bisher für mich schwachen +Knecht – und ich schwöre, daß ich anders +werde.« – Ein Versprechen, das dennoch von +mir soll gehalten werden, so sehr auch alles +nur dummer Lug und Trug gewesen ist.</p> + +<p>Mein Gebet verfing nichts bei dem unchristlichen +Dragoner, der mich einmal im +Zuggarn des Deckbetts gefangen hielt – unbekümmert, +ob er ein Gastbett zum Parade- + +<span class="sidenote-r"><sup>63</sup> Die, welche vom Völkerlichte Gefahren befürchten, +gleichen denen, die besorgen, der Blitz schlag' ins +Haus, weil es Fenster hat; da er doch nie durch +diese, sondern durch deren Beeinflussung fährt oder +an der Rauchwolke des Schornsteins herab.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_107">107</a></span> +und Totenbette mache oder nicht. – Er spann +meine Nerven wie Golddraht durch engere +Löcher hindurch immer dünner bis zum Verschwenden +und Verschwinden, denn das Bette +marschierte endlich gar herab bis an die +Mitteltüre. –</p> + +<div class="figcenter" style="width: 302px;"> +<img src="images/liedchen.png" width="302" height="500" alt="Ich pfiff frisch ein gas Konisches Liedchen darunterhinein ..." title="" /> +</div> + +<p>Jetzt war es Zeit, ohne Umstände erhaben +zu werden und mich um nichts mehr hienieden +zu scheren, sondern mich dem Tode schlicht +zu widmen: »Rafft mich nur weg,« rief ich +und schlug unbedenklich drei Kreuze, »macht +mich nur schnell nieder, ihr Geister; ich sterbe +doch unschuldiger als tausend Tyrannen und +Gottesleugner, denen ihr leider weniger erscheint +als mir Unbeflecktem.« Hier vernahm +ich eine Art von Lachen, entweder auf der +Gasse oder im Nebenzimmer; vor diesem warmen +Menschenton blüht' ich plötzlich wie vor +einem Frühling an allen Spitzen wieder auf. +Ich verschmähte gänzlich die weggehaspelte + +<span class="sidenote-l"><sup>76</sup> Die ökonomische predigende Poesie glaubt wahrscheinlich, +ein chirurgischer Steinschneider sei ein +artistischer; und eine Kanzel oder ein Sinai sei +ein Musenberg.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_108">108</a></span> +Decke, die jetzt von der Türe nicht mehr weg +konnte; ich legte mich unbedeckt, doch warm +und schwitzend genug, bald in den Schlaf. +Übrigens schäm' ich mich nicht im geringsten +vor allen aufgeklärten Hauptstädten – und +ständen sie vor mir –, daß ich durch meinen +Teufelsglauben und meine Teufelsanrede +einige Ähnlichkeit mit dem größten deutschen +Löwen bekommen, mit Luther.</p> + + + + +<h3 class="new-h3 gesperrt">Zweiter Tag in Flätz.</h3> + + +<p>Am Frühmorgen spürt' ich mich aufgeweckt +durch das bekannte Zudeckbett; es hatte sich +wie ein Inkube auf mich gesetzt; ich gaffte +auf; in einem Winkel saß still ein rotes, rundes, +kernhaftes, aufgeputztes Mädchen wie +eine volle Tulpe von Lebensfrische aufgebläht +und leise flatternd mit bunten Bändern gleichsam + +<span class="sidenote-r"><sup>415</sup> Nach Smith ist die Arbeit der allgemeine Maßstab +des kameralen Werts. Dies haben aber, wenigstens +in bezug auf geistigen und poetischen Wert, +die Deutschen noch früher eingesehen und meines +Wissens stets den gelehrten Dichter über den genialen +und das schwere Buch der Arbeit über das +flatternde voll Spiel gesetzt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_109">109</a></span> +als mit Blättern. »Wer ist dort, wie +kommt man herein?« rief ich halbblind. – +»Ich habe dich nur leise zugedeckt, und du +solltest erst ausschlafen,« sagte Bergelchen, +»ich bin die ganze Nacht gegangen, damit +ich recht früh käme; sieh nur her!« Sie zeigte +mir ihre Stiefel, das einzige Reisestück (die +Achillesferse), das sie vor dem Tore, als sie +in der Mauser der Toilette war, nicht hatte +abstreifen können. – »Brach,« fragt' ich, über +ihre um sechs Stunden beschleunigte Nachkunft +um so mehr bestürzt, da ich es die ganze +Nacht und selber jetzt über ihr unbegreifliches +Hereinkommen gewesen, »brach etwa +frischer Jammer über uns aus und ein, Brand, +Mord, Raub?« – Sie versetzte: »Der Ratz«, +sie wollte sagen die Ratte, »ist gestern verreckt, +dem du so lange nachgestellt; weiter +passierte eben nichts.« – »Und auch alles +ist richtig nach meinem Ordnungszettel zu +Hause besorgt?« fragt' ich. »Jawohl,« versetzte + +<span class="sidenote-l"><sup>4</sup> Der Heuchler kehret die alte Methode, wonach +man mit einem nur an einer Schneidenseite vergifteten +Messer die Frucht zerschnitt und die damit</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_110">110</a></span> +sie, »ich hab' ihn aber gar nicht gelesen, +er ist mir weggekommen, du hast ihn wohl +mit eingepackt.« –</p> + +<p>Indes, ich verzieh alles der blühenden, kecken +Ritterin oder Fußgängerin. – Ihr Auge, +dann ihr Herz brachte mir ja frisches, kühles +Morgenwehen mit Morgenrot in meine schwülen +Vorstunden. Auch mußt' ich ja ohnehin +nachher der freundlichen, ins Leben hineinhoffenden +und hineinliebenden Seele den verdienten +Himmel des heutigen Tages mit der +trüben Nachricht der fehlgeschlagenen Professur +verfinstern. Daher vergab und verschob +ich möglichst. Ich fragte, wie sie hereingekommen, +da noch das ganze spanische Reiterwerk +von Sesseln an der Türe feststehe. Sie +lachte, sich dabei nach Dorfsitte bückend, stark +und sagte: sie hätte es vorgestern mit ihrem +Bruder verabredet, daß er sie durch seine +Stube, da sie meine Sperrvorrichtung kennte, +in meines einließe, damit sie mich heimlich + +<span class="sidenote-r">geätzte Hälfte dem Opfer hinreichte und die gesunde +zweite selber aß, so uneigennützig gegen sich +selber um, daß er gerade die gute moralische Hälfte</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_111">111</a></span> +wecken könnte. Jetzt fuhr der Dragoner laut +lachend ins Zimmer und sagte: »Wie geschlafen, +Herr Schwager?«</p> + +<p>Aber auf diese Weise war mir freilich +die halbe Gespenstergeschichte wie von einem +Biester und Hennings aufgelöst und aufgedeckt; +und ich durchschaute sogleich des Dragoners +ganzen Gespensterplan, den er ausgeführt. +Etwas bitter sagte ich ihm meine +Vermutung und der Schwester meine Geschichte. +Aber er log und lachte, ja er versuchte, +noch frech genug, mir am hellen Morgen +Geister zum zweiten Male weiszumachen +und aufzuhalsen. Ich versetzte kalt, an mir +find' er hierin sehr den unrechten Mann; +gesetzt auch, ich wäre einem Luther, Hobbes, +Brutus ähnlicher, die sämtlich Geister gesehen +und gefürchtet. Er erwiderte – und riß die +Tatsachen aus ihrer Motivierung: – er sage +ja weiter nichts, als daß er nachts irgendeinen +armen Sünder ganz erbärmlich habe + +<span class="sidenote-l">und Seite dem andern zeigt und gibt und nur sich +die giftige vorbehält. Himmel, wie schlecht erscheint +einem solchen Manne gegenüber der Teufel!</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_112">112</a></span> +krächzen und lamentieren hören; und daraus +habe er geschlossen, es sei eine arme, desperate +Nachtmütze von Mann, der ein Gespenst +zusetze. Endlich gingen auch seiner Schwester +die Augen über die gemeine Rolle auf, die +er mit mir zu spielen vorgehabt; sie fuhr ihn +derb an, schob ihn mit zwei Händen aus +meiner und seiner Türe schnell hinaus und +rief nach: »Warte, du Schadenfroh, ich gedenk' +dir's!« Darauf kehrte sie schnell sich +um und fiel mir um den Hals und dabei +am falschen Ort ins Lachen und sagte: »Der +dumme Junge! Aber ich konnte das Lachen +nicht mehr verbeißen; und der Narr soll doch +nichts merken. Vergib dem Pinsel, du als +ein gelehrter Mann, seine Eselei.«</p> + +<p>Ich fragte sie, ob sie auf ihrer Nachreise +auf keine Geisterwelt gestoßen sei – wiewohl +ich wußte, daß ihr Tiere, ein Wasser, ein +halber Abgrund nichts sind; – »nein, aber +vor den geputzten Stadtleuten«, sagte sie, +»habe ich mich am Morgen gescheut«. O wie +lieb' ich diese weichen Harmonikasbebungen +weiblicher Furcht!</p> + +<p><span class="pagenum"><a name="Page_113">113</a></span> +Endlich mußt' ich den Koloquintenapfel +anbeißen oder anschneiden und ihr die Hälfte +davon zureichen, nämlich die Nachricht der +Fehlbitte um die Professur. Da ich aber das +freudige Herz mit der vollständigen rohen +Wahrheit verschonen und einer schweren Fracht +etwas abschneiden mußte, die sich besser Männerschultern +aufpackt, so begann ich: »Bergelchen, +die Professorssache geht einen anderen, +aber an sich guten Gang – der General, +nach welchem ich den Teufel und seine Großmutter +frage, legt es auf einen Generalsturm +an – und den soll er haben, so gewiß, als +ich die Nachtmütze aufhabe.« – »So bist du +also noch nichts geworden?« fragte sie. »Vorderhand +zwar nicht!« versetzt' ich. »Aber doch +bis Sonnabend abend?« sagte sie. »Das <ins title="nicht,">nicht,«</ins> +sagt' ich. »Nun, so bin ich hart geschlagen, +und ich möchte zum Fenster hinausspringen,« +sagte sie und drehte das Rosen- und Morgengesicht + +<span class="sidenote-r"><sup>66</sup> Wenn die Bemerkung des Verfassers der Glossen +richtig ist, daß die Postmeister in den größern +Ländern zugleich auch die gröbern sind: so hat +Napoleon, der viele kleine Länder zu einem großen</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_114">114</a></span> +weg, um die feuchten Augen darin +mir nicht zuzukehren, und schwieg sehr lange. +Dann fing sie mit schmerzhaft zitternder +Stimme an: »Du großer Heiland, stehe mir +am Sonntag in Neusattel bei, wenn mich +die hochtrabenden, vornehmen Weiber in der +Kirche sehen und ich blutrot werde aus Scham!«</p> + +<p>Jetzt sprang ich im Mitjammer aus dem +Bette vor die liebe Seele hin, der die hellen +Zähren über die schönblühenden Wangen +flossen und rief: »Du treues Herz, zermartre +mich doch nicht so ganz! Gott soll mich strafen, +wenn ich nicht noch in den Hundstagen alles +werde, was du nur willst. – Sprich, willst +du Bergrätin werden, oder Baurätin, oder +Hofrätin, Kriegsrätin, Kammerrätin, Kommerzienrätin, +Legationsrätin, oder des Henkers- und +Teufelsrätin: ich bin dabei und +werd' es und such' an. Morgen schick' ich +reitende Boten nach Hessen und Sachsen, + +<span class="sidenote-l">korinthischen Erze zusammenschmolz und brannte, +die Postmeister und Posthalter, z. B. im höflichen +Sachsen, gewiß nicht noch höflicher gemacht, sondern +sie eher aus der Komplimentierschule herausgeschickt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_115">115</a></span> +nach Preußen und Reußen, nach Friesland +und Katzenellenbogen und begehre Patente. +Ja, ich treib's weiter als einer und werde +zugleich alles, Flachsenfinger Hofrat, Scheerauer +Akzisrat, Haar-Haarer Baurat, Pestitzer +Kammerrat (denn wir haben das Geld), und +stelle dann allein und eigenhändig mit einem +einzigen <i lang="la" xml:lang="la">Podex</i> und <i lang="la" xml:lang="la">Corpus</i> eine ganze Ratssitzung +von auserlesenen Räten vor – und +stehe als eine ganze Ehrenlegion und ein +Ehrengelag, bloß auf zwei Beinen da – dergleichen +hat noch kein Mensch getan.«</p> + +<p>»O! Nun, du bist ja engelgut!« sagte sie +und frohere Zähren rollten, »du sollst mir +selber raten, was die vornehmsten Räte sind, +damit wir's werden.« – »Nein,« fuhr ich +befeuert fort, »dabei bleib' ich nicht einmal; +mir ist's nicht genug, daß du dich ordentlich +bei der Kaplänin kannst als Baurätin melden +lassen, bei der Stadtpredigerin als Legationsrätin, + +<span class="sidenote-r">Was sie indes an Höflichkeit verloren, +gewinnen sie vielleicht an Briefporto wieder, da +ich mir nicht denken kann, daß der Kardinal +<i lang="it" xml:lang="it">Pretettore del S. Imperio</i>, dessen Briefe bekanntlich</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_116">116</a></span> +bei der regierenden Bürgermeisterin +als Hofrätin, bei der Chausseeeinnehmerin +als Kommerzienrätin, oder wie +du wo willst.« – »Ach du mein gar zu gutes +Attelchen!« sagte sie. »Sondern,« fuhr ich fort, +»ich werde auch korrespondierendes Mitglied +verschiedener besten gelehrten Gesellschaften +in verschiedenen besten Hauptstädten (worunter +ich bloß zu wählen habe), und zwar +kein gemeines wirkliches Mitglied, sondern +ein ganzes Ehrenmitglied; und dann streck' +ich wieder dich als ein auf mir Ehrenmitglied +wachsendes Ehrenmitglied aus.«</p> + +<p>Verzeiht, Freunde, diesen Breiumschlag +oder Täuschungsbalsam für eine verwundete +Brust, deren Blut zu rein und köstlich ist, als +daß man es nicht mit allen möglichen Stillungsmitteln +aus Spinnweben ins schöne +Herz zurückzuschließen trachten sollte.</p> + +<p>Jetzt kamen schöne, schönste Stunden. Ich +hatte die Zeit besiegt, wie mich Berga; selten + +<span class="sidenote-l">sonst alle postfrei durch das heilige römische +Reich gelaufen, nicht jetzt alles frankieren sollte +was er etwa zu melden hat.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_117">117</a></span> +beseligt, so wie ich, ein Sieger, zugleich die +überwindende und die überwundene Partei. +Berga holte ihren alten Himmel zurück und +zog die staubigen Stiefel aus und blumige +Schuhe an. Köstlicher Morgentrunk! Wie +berauscht ein liebendes Herz! Ich spürte ordentlich +(ist die niedere Redeblume erlaubt) +ein Doppelbier von Mut in mir, seitdem ich +ein Wesen mehr um mich zu beschirmen hatte. +Überhaupt werd' ich – was der treffliche +General nicht ganz zu wissen scheint – nicht +wie andere Mutige mutiger, sondern am +stärksten durch Hasen, weil an mir das schlechte +Beispiel sich zum Widerspiel umdreht. Kleine +Pinselstriche mögen hier Mann und Frau +mehr abschatten als verschatten! Als der +nette Kellner mit der grünseidenen Schürze + +<span class="sidenote-r"><sup>67</sup> Einzelne Seelen, ja Staatskörper gleichen organischen +Körpern; man zieht aus ihnen die innere +Luft heraus, so erquetscht sie der Dunstkreis; pumpt +man unter der Glocke die äußere widerstehende +hinweg, so schwellen sie von innerer über und zerplatzen. +Demnach behalte jeder Staat inneren und +äußeren Widerstand zugleich.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_118">118</a></span> +Morgenbrezeln heraufbrachte – weil ich gesagt +hatte: »Johann, zwei Portionen!« – so +sagte sie zu ihm: er verbände sie sehr damit, +und hieß ihn Herr Johann.</p> + +<p>Bergelchen – mehr in Marktflecken als +Hauptstädten aufgewachsen – wurde ordentlich +bestürzt über die Kaffeebretter, Waschtische, +Papiertapeten, Wandleuchter, alabasterne +Schreibzeuge mit ägyptischen Sinnbildern +und über den vergoldeten Klingeldrahtsknopf, +den ja jeder abdrehen und einstecken +konnte. Daher hatte sie nicht den Mut, +durch den Saal voll Kronleuchter zu gehen, +bloß weil ein pfeifender, vornehmer Federhut +darin auf- und abspazierte. Ja, ihrem armen +Herzen wurde ordentlich die Brust zur Schnürbrust, +wenn sie zum Fenster hinaus auf so +viele geputzte und fahrende Städter guckte +(ich pfiff frisch ein gaskonisches Liedchen darunter +hinein) – und wenn sie daran dachte, + +<span class="sidenote-l"><sup>19</sup> Mehr als ein Schriftsteller hat es hinter Hermes +nachversucht, das Beispiel der Gattinnen und Ärzte, +welche einem Trunkenbold das Lieblingsgetränk auf +immer durch einen eingeschwärzten, krepierten Frosch</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_119">119</a></span> +wie sie nachher samt mir mitten durch dieses +blendende Vorzimmergewühl brechen müßte. +Hier verfangen Schlüsse noch weniger als +Beispiele. Ich wollte mein Bergelchen durch +einige meiner nächtlichen Traumgigantesken +heben – z. B. durch die, daß ich auf einem +Walfisch reitend mit einer Dreizacksgabel drei +Adler gespießet und gespeiset, und durch dergleichen; +aber ich machte keinen Effekt, vielleicht, +weil ich eben dadurch dem furchtsamen +Frauenherzen das Schlachtfeld näher als den +Sieger, den Abgrund näher als den Springer +darüber vor das Auge geschoben.</p> + +<p>Jetzt wurde mir ein Pack Zeitungen gebracht, +voll lauter kräftigster Siege. Obgleich +diese nur auf der einen Seite vorfallen und +auf der anderen ebenso viele Niederlagen +vorkommen: so verquicken doch jene sich mehr +mit meinen Blute als diese, und flößen mir +– wie sonst Schillers Räuber – eine wunderbare + +<span class="sidenote-r">oder durch Brechweinstein zu verleiden wußten, +nachzuahmen und auf ähnliche Weise dem heißhungrigen +Romanenleser den Roman durch häufige +in denselben eingebrockte Predigten, Moralien und</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_120">120</a></span> +Neigung ein, irgend jemand auf der +Stelle zu dreschen und zu fegen. Unglücklicherweise +für den Kellner hatte dieser sich eben +wie ein Herr dreimalige Klingelorder zum +Marsche geben lassen, bevor er sich mobil und +herauf gemacht. »Herr,« – fing ich an, den +Kopf voll Schlachtfelder und den Arm voll +Triebe ihn abzuklopfen, und Berga fürchtete +alles, da ich das ihr bekannte Zorn- und +Alarmzeichen gab, nämlich die Mütze hinten +am Hinterkopfe in die Höhe stieß – »ist das +Manier gegen Gäste? Warum kommt Er +nicht prompt? Komm' Er mir nicht wieder +so und geh' Er, Freund!« – Ungeachtet sein +Rückzug mein Sieg war, so kanonierte ich +doch noch auf der Wahlstatt lebhaft fort und +feuerte desto lauter (er sollt' es hören), je +mehr Treppen er hinuntergeflogen. Bergelchen +– die sich ganz entsetzte über mein Ergrimmen, +zumal in einem ganz fremden Hause + +<span class="sidenote-l">Langweilen (dergleichen sollte krepierte Frösche vorstellen) +dermaßen zu versalzen und zu verekeln, daß +er dann nach keinem Romane mehr griffe. – – +Aber der Ekel verfing wenig; und Hermesen selber</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_121">121</a></span> +und über einen vornehmen Putzbengel mit +Seidenschurz – suchte alle ihre sanften Worte +hervor gegen wilde einer Kriegsgurgel und +gab mir Gefahren zu bedenken. »Gefahren«, +versetzt' ich, »wünscht' ich ja eben, nur gibt's +keine für den Mann, stets wird er ihnen entweder +obsiegen oder entspringen, entweder die +Stirn bieten oder den Rücken.«</p> + +<p>Ich konnte kaum aufhören mich zu erbittern, +so süß war mir's, und so sehr fühlt' ich mich +vom Zornfeuer erfrischt und in der Brust +wie von einem Geierfelle lind geheizt. Es +gehört auch allerdings unter die unerkannten +Wohltaten – worüber man sonst predigte, +daß man nie mehr in seinem Himmel und +<i lang="fr" xml:lang="fr">monplaisir</i> (ein Lustschloß) ist, als so recht im +Toben und Grimm.</p> + +<p>Und wurde der ganze Vormittagsmorgen +mit Beschauen und Behandeln verbracht; und +zwar am längsten in der breiten Gasse unseres + +<span class="sidenote-r">glückt es am wenigsten, eher noch seinen Nachfolgern, +bei denen der Wein sich weniger im Geschmacke +von dem Brechwein unterschied, den sie +dazu gegossen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_122">122</a></span> +Hotels. Berga sollte sich erst ins Marktgedränge +einschießen; sie sollte erst einsehen, +daß sie mehr »nach der Modi«, mit ihr zu +reden, aufgeschmückt sei, als hundert andere +ihres Ungleichen. Aber bald vergaß sie über +den Haushalt den Aufputz und auf dem +Töpfermarkte den Nachttisch.</p> + +<p>Nach dem Mittagsessen (auf unserem Zimmer) +kamen wir aus dem Fegfeuer des Meßgetümmels, +wo Berga an jeder Bude etwas +zu bestellen und ihrer Nachtreterin etwas aufzuladen +hatte, endlich im Himmel an, in der +sogenannten Hundewirtschaft, wie das beste +Flätzer Wirts- und Lusthaus außer der Stadt +sich nennt, wo Messenszeiten Hunderte einkehren, +um Tausende vorbeigehen zu sehen. +Schon unterwegs wuchs meinem Weibchen +als meinem Ellenbogenefeu dermaßen der Mut, +daß sie unter dem Tore, wo ich mich, da nach +der bekannten militärischen Prozeßordnung +nicht nahe an der Schildwache vorübergegangen +werden darf, deshalb auf die entgegengesetzte +Seite hinwarf, ruhig dicht am +Schieß- und Stechgewehr der Torwache vorüberstrich. +<span class="pagenum"><a name="Page_123">123</a></span>Draußen konnt' ich ihr den umketteten, +vergitterten, riesenhaften, schon außen mit +Treppen aufsteigenden Schabackerpalast mit +Fingern zeigen, worin ich gestern gehaust und +(vielleicht) gestürmt; »lieber den Riesen möcht' +ich begucken,« sagte sie, »und den Zwergen; +zu was sind wir denn mit ihnen unter einem +Dach?«</p> + +<p>Im Lusthause selber fanden wir hinlängliche +Lust, umrungen von blühenden Gesichtern +und Auen. Da setzt' ich mich heimlich in einem +fort über Schabackers Refus mit Erfolg hinweg +und machte mir überhaupt bis gegen +Mitternacht einen guten Tag; ich hatt' ihn +verdient, Berga noch mehr. Gleichwohl sollt' +ich noch nachts um ein Uhr eine <ins title="Winmühle">Windmühle</ins> +zu berennen bekommen, die freilich mit etwas +längeren, stärkeren und mehreren Armen +schlägt als ein Riese, wofür Don Quixote +eine solche Mühle gern angesehen hätte. Ich + +<span class="sidenote-l"><sup>8</sup> In großen Sälen wird der wahre Ofen in einen +zierlichen Scheinofen entlarvt; so ist es schicklich +und zierlich, daß sich die jungfräuliche <em class="gesperrt">Liebe</em> immer +in eine schöne, jungfräuliche Freundschaft verberge.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_124">124</a></span> +lasse nämlich auf dem Marktplatz aus Gründen, +die sich leichter denken als sagen, Bergelchen +um einige zwanzig vorausgehen, und +begebe mich aus gedachten Gründen ohne +Arg hinter eine versteckte Bude, die wohl die +Silberhütte und der Silberschrank eines rohen +Krämers sein mochte, und verweile davor +natürlich nach Umständen: – sieh, kommt +dahergerudert mit Spieß und Speer der +Budenwächter und münzt und prägt mich so +unversehens und unbesehen zu einem Schnapphahn +und Raubfisch seiner Budengassen aus, +obgleich der schwache Kopf nichts weiter sieht, +als daß ich in einer Ecke stehe und nichts +weniger tue als – nehmen. Ein Ehrgefühl +ohne Tallus ist für solche Angriffe niemals +abgestumpft. Nur aber, wie war einem Manne, +der nichts im Kopfe hat – höchstens jetzt +Bier statt Hirn – in der Nachmitternacht +Licht zu geben? –</p> + +<p>Ich verhehle mein Wagmittel nicht; ich +griff zum Fuchsschwanz, ich spiegelte ihm +nämlich vor, ich hätte einen sogenannten +Hieb, und wüßte in der Betrunkenheit mich +<span class="pagenum"><a name="Page_125">125</a></span>schlecht zu finden und zu halten – ich spielte +daher alles nach, was mir aus diesem Fache +zu Gesicht gekommen, schwankte hin und her, +setzte die Füße tanzmeisterlich auswärts, geriet +in Zickzacke hinein bei allem Aussegeln +nach gerader Linie, ja ich stieß meinen guten +Kopf (vielleicht einen der hellsten und leersten +der Nacht) als einen vollen gegen wahre +Pfosten. –</p> + +<p>Gleichwohl sah der Budenvogt, der vielleicht +öfter betrunken gewesen als ich, und +die Zeichen besser kannte, oder der es gar +selber in dieser Stunde war, die ganze Verstellung +für bloßes Blendwerk an und schrie +entsetzlich. »Halt, Strauchdieb, du hast keinen +Haarbeutel, du Windbeutel bist ja noch weniger +besoffen als ich! – Wir kennen uns +wohl länger. Steh! Ich komm dir nach. + +<span class="sidenote-r"><sup>12</sup> Die Völker lassen – als Widerspiele der Ströme, +die in der Ebene und Ruhe am meisten das Unreine +niederschlagen – gerade nur im stärksten Bewegen +das Schlechte fallen, und sie werden desto +schmutziger, je länger sie in trägen, platten Flächen +weiterschleichen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_126">126</a></span> +Willst du im Markt deine Diebesfinger haben? +– Steh, Hund, oder ich forciere dich!«</p> + +<p>Man sieht hier seinen ganzen Zustand; ich +entsprang zickzackig zwischen den Buden diesem +rohen Trunkenbolde so eilig, als ich konnte; +dennoch humpelte er mir nach. Aber meine +Teutoberga, die einiges gehört, rannte zurück, +faßte den betrunkenen Marktportier beim +Kragen und sagte, obwohl (nach Dorfweise) +zuschreiend: »Dummer Mann, schlaf' Er seinen +Rausch aus, oder ich zeig's Ihm! Weiß Er +denn, wen Er vor sich hat? Meinen Mann, +den Feldprediger Schmelzle unter dem Herrn +General und Minister von Schabacker bei +Pimpelstadt, Er Narr! Pfui, schäm' Er sich, +Kerl!« Der Wächter brummte: »Nichts für +ungut!« und taumelte davon. »O du Löwin,« +sagt' ich im Liebesrausch, »warum bist du +in keiner Todesgefahr, damit ich dir nur den +Löwen zeige als Gemahl?«</p> + +<p>So gelangten wir beide liebend nach Hause; + +<span class="sidenote-l"><sup>23</sup> Wenn die Natur das alte große Erdenrund, den +Erdenlaib von neuem durchknetet, um unter diesem +Pastetendeckel neue Gefüllsel und Zwerge hineinzubacken;</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_127">127</a></span> +und ich hätte vielleicht zum schönen Tage noch +den Nachsommer einer herrlichen Nachmitternacht +erlebt, hätte mich nicht der Teufel über +Lichtenbergs neunten Band, und zwar auf +die 206. Seite geführt, wo dieses steht: »Es +wäre doch möglich, daß einmal unsere Chemiker +auf ein Mittel gerieten, unsere Luft +plötzlich zu zersetzen, durch eine Art von Ferment. +So könnte die Welt untergehen.« Ach, +ja, wahrlich! Da die Erdkugel in der größeren +Luftkugel eingekapselt steckt: so erfinde +bloß ein chemischer Spitzbube auf irgendeiner +fernsten Spitzbubeninsel oder in Neuholland, +ein Zersetzmittel für die Luft, dem ähnlich, +was etwa ein Feuerfunke für einen Pulverkarren +ist: in wenig Stunden packt mich und +uns in Flätz der ungeheure, herschnaubende +Weltsturm bei der Gurgel, mein Atemholen +und dergleichen ist in Erstickluft vorbei, und +alles überhaupt vorbei. –</p> + +<p>Indes verbarg ich der treuen Seele jeden + +<span class="sidenote-r">so gibt sie meistens wie eine backende +Mutter ihrem Töchterchen zum Scherze etwas +weniges Pastetenteig davon (ein paar tausend Quadratmeilen</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_128">128</a></span> +Todesnachtgedanken, da sie mich doch entweder +nur schmerzlich nachempfunden oder +gar lustig ausgelacht hätte. Ich befahl bloß, +daß sie am Morgen (des Sonnabends) für +die zurückkehrende Landkutsche fertig und gestiefelt +dastände, sollt' ich anders ihren Wünschen +gemäß an die Überschwängerung mit +Räten, die ihr so am Herzen lag, früh genug +kommen. Sie war so freudig meiner Meinung, +daß sie gern den Jahrmarkt aufgab. Auch +ruht' ich ruhig, mit der Fußzehe an ihre +Finger geknüpft, die ganze Nacht hindurch.</p> + +<p>Der Dragoner nahm und zupfte mich am +Morgen heimlich beim Ohre und sagte mir +in dasselbe hinein, er habe ein lustiges Meßgeschenk +für seine Schwester vor und reite +deshalb auf seinem gestern vom Roßtäuscher +eingetauschten Rappen etwas früh voraus. +Ich bot ihm meinen Vordank.</p> + +<p>Am Morgen lief jeder lustig vom Stapel, + +<span class="sidenote-l">solchen Teigs sind genug für ein Kind) +irgendeiner Dichter-, oder Weisen-, oder Heldenseele +ab, damit das kleine Ding doch auch etwas +auszuformen und aufzustellen habe neben der Mutter.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_129">129</a></span> +ausgenommen ich; denn ich behielt noch immer, +auch vor dem besten Morgenrote das nächtliche +Teufelsferment und Zersetzmittel, meiner +Gehirnkugel sowohl als der Erdkugel, gärend +im Kopf; ein Beweis, daß die Nacht mich +und meine Furcht gar nichts hatte übertreiben +lassen. Der mir verdrießliche blinde +Passagier setzte sich auch wieder ein und sah +mich wie gewöhnlich an, doch ohne Effekt, +denn diesmal, wo ich Weltumwälzungen, nicht +bloß die meinigen, im Kopfe hatte, war mir +der Passagier mehr ein Spaß und Spuk; +da niemand unter Fußabsägen das Herzgespann +verspürt, oder unter dem Summen +der Kanonen sich gegen das der Wespen +wehrt, ebenso konnte mir ein Passagier mit +allen Brandbriefen, die etwa sein verdächtiges +Gesicht in meine noch späte Zukunft +wirft, bloß lächerlich zu einer Zeit vorkommen, +wo ich bedachte, das »Ferment« könne + +<span class="sidenote-r">Bekommen dann die Geschwister etwas von dem +Gebäcke des Schwesterchens, so klopfen sie alle in +die Hände und rufen: »Mutter, kannst du auch +so backen wie Viktoriechen?«</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_130">130</a></span> +ja mitten auf meinem Wege von Flätz nach +Neusattel von irgendeinem Amerikas, Europas +Manne, der ganz unschuldig versucht +und zersetzt, zufällig erfunden und losgelassen +werden. Die Frage, ja Preisfrage wäre aber +nun, inwiefern es seit Lichtenbergs Drohung +nicht etwa welt- und selbstmörderisch aussieht, +wenn aufgeklärte Potentaten scheidekünstlerischer +Völker es nicht ihren Scheidekünstlern, +die so leicht Leib von Seele scheiden +und Erde mit Himmel gatten, auferlegen, +keine andere chemische Versuche zu machen, +als die schon gemachten, die doch bisher den +Staaten weit mehr genützt als geschadet.</p> + +<p>Leider blieb ich in diesen jüngsten Tag +des Ferments mit allen Sinnen versunken, +ohne auf der ganzen Rückreise nach Neusattel +mehr zu erleben und zu bemerken, als daß +ich daselbst ankam, wo ich zugleich wieder den +blinden Passagier seines Weges gehen sah.</p> + +<p>Nur mein Bergelchen schaute ich in einem +fort unterwegs an, teils um sie noch solange +zu sehen, als Leben und Augen dauern, teils +um auch bei kleinster Gefahr derselben, es +<span class="pagenum"><a name="Page_131">131</a></span>sei nun eine große oder gar ein ganzes hereinstürzendes +Goldau und verzehrendes Weltgericht, +wenn nicht für sie, doch an ihr zu +sterben, und so, verknüpft mit ihr, ein geplagtes +und plagendes Leben hinzuwerfen, +worin ihr ohnehin nicht die Hälfte meiner +Wünsche für sie erfüllt worden.</p> + +<p>So wäre denn meine Reise an sich vollendet +– gekrönt mit einigen Historiolen – +vielleicht künftig noch belohnter durch euch, +ihr Freunde um Flätz herum, wenn ihr darin +etwa einige gutgeschliffene Jätemesser finden +solltet, womit ihr leichter das Lügenunkraut +ausreutet, das mich bis jetzt dem wackeren +Schabacker verbauet. – Nur sitzt mir noch +das verfluchte Ferment im Kopfe. Lebt denn +wohl, solange es noch Atmosphären einzuatmen +gibt. Ich wollt', ich hätte mir das +Ferment aus dem Kopfe geschlagen.</p> + +<p class="right"><span style="margin-right: 6em;">Euer</span><br/> +Attila Schmelzle.</p> + +<p>NS. Mein Schwager hat seine Sache +gut gemacht und Berga tanzt. Künftig das +Nähere! – –</p> + + + + +<div class="figcenter" style="width: 43px; margin: 8em auto 1em auto; page-break-after: auto;"> +<img src="images/emblem.png" width="43" height="68" alt="" title="" /> +</div> +<p class="center" style="font-size: 0.9em; margin: 1em auto 120px auto;"> +Gedruckt bei<br/> +Poeschel & Trepte<br/> +in Leipzig</p> + +</body> +</html> diff --git a/old/schmelzle-ie7.htm b/old/schmelzle-ie7.htm new file mode 100644 index 0000000..aee74fe --- /dev/null +++ b/old/schmelzle-ie7.htm @@ -0,0 +1,3644 @@ +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> + +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" lang="de" xml:lang="de"> + <head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=iso-8859-1" /> + <title>The Project Gutenberg eBook of Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz, by Jean Paul</title> + <style type="text/css"> +/*<![CDATA[ XML blockout */ +<!-- + body { padding-left: 22%; padding-right: 27%; } + + p { margin-top: .75em; + margin-bottom: .75em; + text-align: justify; + text-indent: 1.5em; + } + + h1, h2, h3 { text-align: center; + font-weight: normal; + clear: both; + margin-top: 0em; + } + h2, h3 { margin-bottom: 1.5em; } + + .new-h2 { margin-top: 6em; } + .new-h3 { margin-top: 4em; } + + ins { text-decoration: none; border-bottom: 1px dashed #039; } + + .gesperrt { letter-spacing: 0.2em; margin-right: -0.2em; } + em.gesperrt { font-style: normal; } + + .center { text-align: center; } + .right { text-align: right; } + + .figcenter { margin: 4em auto; text-align: center; } + + .pagenum { position: absolute; + display: inline; + right: 1.5%; + font-size: x-small; + text-align: right; + color: #808080; + font-style: normal; + border: 1px solid silver; + padding: 1px 4px 1px 4px; + font-variant: normal; + font-weight: normal; + text-decoration: none; + text-indent: 0em; + } + + .sidenote-l, + .sidenote-r { text-align: left; width: 19%; position: absolute; font-size: 0.9em; } + .sidenote-l { left: 1.5%; } + .sidenote-r { right: 6.5%; } + + .dropcap, + .center, + .right, + .sidenote-l, + .sidenote-r, + #tnote p { text-indent: 0em; } + + .dropcap:first-letter { font-size: 250%; } + + #tnote { width: 28em; + border: 1px dashed #808080; + background-color: #f6f6f6; + text-align: justify; + padding-left: 0.75em; + padding-right: 0.75em; + margin: 120px auto 120px auto; + } + + @page { margin: 2cm; } + + @media print { + body { margin: 2em; } + h2 { page-break-before: always; } + .figcenter { page-break-before: always; page-break-after: always; } + #tnote, pre, .pagenum { display: none; } + ins, a { text-decoration: none; border: none; color: black; } + } +// --> +/* XML end ]]>*/ + </style> + </head> +<body> + + +<div id="tnote"> +<p class="center"><b>Anmerkungen zur Transkription:</b></p> +<p>Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden +übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler wurden +korrigiert. Änderungen sind im Text <ins title="so wie hier">gekennzeichnet</ins>, +der Originaltext erscheint beim Überfahren mit der Maus.</p> +<p>Die <a href="#noten">fortgehenden Noten</a> werden nicht in allen Browsern gleich +dargestellt. Sollten Sie eine Version des Internet Explorer vor Version 7 +verwenden, benutzen Sie bitte <a href="schmelzle-ie6.htm">diese Version</a>.</p> +</div> + +<div class="figcenter" style="width: 365px; page-break-before: auto;"> +<img src="images/schmelzle.png" width="365" height="500" alt="Attila Schmelzle" title=""/> +</div> + +<h1 style="line-height: 1.4em;"><small style="font-size: 0.6em;">Des</small><br/> +<small style="font-size: 0.8em;">Feldpredigers Schmelzle</small><br/> +<big class="gesperrt">Reise nach Flätz</big><br/> +<small style="font-size: 0.6em;">mit fortgehenden Noten;</small></h1> + +<p class="center" style="line-height: 2.2em;">von<br/> +<big class="gesperrt">Jean Paul.</big></p> + + +<hr style="height: 2px; color: black; background-color: black; width: 12em; border: none; margin: 6em auto 1em auto;"/> + +<p class="center gesperrt" style="line-height: 1.8em;"><small>Leipzig</small><br/> +Kurt Wolff Verlag<br/> +1917.</p> + +<p class="center" style="line-height: 1.8em; margin-top: 8em;">Mit acht Kupfern<br/> +von<br/> +<span class="gesperrt">Karl Thylmann</span></p> +<hr style="height: 1px; color: black; background-color: black; width: 3em; border: none; margin: auto;"/> +<p class="center">2. Abdruck</p> + + + + +<div class="new-h2"> </div> +<p><span class="pagenum"><a name="Page_3">3</a></span></p> +<h2>Vorrede des Verfassers.</h2> + + +<p class="dropcap">Ich glaube, mit drei Worten ist sie gemacht, +so wie der Mensch und seine Buße +aus ebenso vielen Teilen.</p> + +<p>1) Das erste Wort ist über den Zirkelbrief +des Feldpredigers Schmelzle zu sagen, +worin er seinen Freunden seine Reise nach +der Hauptstadt Flätz beschreibt, nachdem +er in einer Einleitung einige Beweise und +Versicherungen seines Mutes vorausgeschickt. +<span class="pagenum"><a name="Page_4">4</a></span>Eigentlich ist selber die Reise nur +dazu bestimmt, seine vom Gerüchte angefochtene +Herzhaftigkeit durch lauter Tatsachen +zu bewähren, die er darin erzählt. +Ob es nicht inzwischen feine Nasen von +Lesern geben dürfte, welche aus einigen darunter +gerade umgekehrt schließen, seine +Brust sei nicht überall bombenfest, wenigstens +auf der linken Seite, darüber lass' ich +mein Urteil schweben.</p> + +<p>Übrigens bitte ich die Kunstkenner sowie +ihren Nachtrab, die Kunstrichter, diese Reise, +für deren Kunstgehalt ich als Herausgeber +verantwortlich werde, bloß für ein Porträt +(im französischen Sinne), für ein Charakterstück +zu halten. Es ist ein will- oder unwillkürliches +Luststück, bei dem ich so oft gelacht, +<span class="pagenum"><a name="Page_5">5</a></span>daß ich mir für die Zukunft ähnliche Charaktergemälde +zu machen vorgesetzt. – Wann +könnte indes ein solches Luststückchen schicklicher +der Welt ausgestellt und beschert +werden, als eben in Zeiten, wo schweres +Geld und leichtes Gelächter fast ausgeklungen +haben, zumal da wir jetzt wie Türken +bloß mit Beuteln rechnen und zahlen (der +Inhalt ist heraus) und mit Herzbeuteln +(der Inhalt ist darin)? –</p> + +<p>Verächtlich würde mir's vorkommen, +wenn irgendein roher Tintenknecht rügend +und öffentlich anfragte, auf welchen Wegen +ich zu diesem Selbst-Kabinetts-Stücke +Schmelzles gekommen sei. Ich weiß sie gut +und sage sie nicht. Dieses fremde Luststück, +wofür ich allerdings (mein Verleger bezeugt's) +<span class="pagenum"><a name="Page_6">6</a></span>den Ehrensold selber beziehe, überkam +ich so rechtlich, daß ich unbeschreiblich +ruhig erwarte, was der Feldprediger gegen +die Herausgabe sagt, falls er nicht schweigt. +Mein Gewissen bürgt mir, daß ich wenigstens +auf ehrlicheren Wegen zu diesem Besitztume +gekommen, als die sind, auf denen +Gelehrte mit den Ohren stehlen, welche als +geistige Hörsaalshausdiebe und Kathederschnapphähne +und Kreuzer die erbeuteten +Vorlesungen in den Buchdruckereien ausschiffen, +um sie im Lande als eigene Erzeugnisse +zu verhandeln. Noch hab' ich wenig +mehr in meinem Leben gestohlen, als jugendlich +zuweilen – Blicke.</p> + +<p><a name="noten">2)</a> Das zweite Wort soll die auffallende, +mit einem Notensouterrain durchbrochene +<span class="pagenum"><a name="Page_7">7</a></span>Gestalt des Werkleins entschuldigen. Sie +gefällt mir selber nicht. Die Welt schlage +auf und schaue hinein und entscheide ebenfalls. +Aber folgender Zufall zog diese durch +das ganze Buch streichende Teilungslinie: +ich hatte meine eigenen Gedanken (oder Digressionen), +womit ich die des Feldpredigers +nicht stören durfte, und die bloß als Noten +hinter der Linie fechten konnten, aus Bequemlichkeit +in ein besonderes Manuskript +zusammengeschrieben, und jede Note ordentlich, +wie man sieht, mit ihrer Nummer +versehen, die sich bloß auf die Seitenzahl +des fremden Hauptmanuskripts bezog; ich +hatte aber bei dem Kopieren des letzteren +vergessen, in den Text selber die entsprechende +einzuschreiben. Daher werfe niemand, sowenig +<span class="pagenum"><a name="Page_8">8</a></span>als ich, einen Stein auf den guten +Setzer, daß dieser – vielleicht in der Meinung, +es gehöre zu meiner Manier, worin ich +etwas suchte – die Noten geradeso, wie sie +ohne Rangordnung der Zahlen untereinander +standen, unter den Text hinsetzte, jedoch +durch ein sehr lobenswürdiges künstliches +Ausrechnen wenigstens dafür sorgte, daß +unter jede Textseite etwas von solchem glänzenden +Notenniederschlag käme. – – Nun, +die Sache ist einmal geschehen, ja verewigt, +nämlich gedruckt. Am Ende sollte ich mich +eigentlich darüber erfreuen. In der Tat +– und hätt' ich jahrelang darauf gesonnen +(wie ich's bisher seit zwanzigen getan), um +für meine Digressionskometenkerne neue +Lichthülsen, wenn nicht Zugsonnen, für +<span class="pagenum"><a name="Page_9">9</a></span>meine Episoden neue Epopöen zu erdenken: +schwerlich hätt' ich für solche Sünden einen +besseren und geräumigeren Sündenbalg erfunden, +als hier Zufall und Setzer fertig +gemacht darreichen. Ich habe nur zu beklagen, +daß die Sache gedruckt worden, +eh' ich Gebrauch davon machen können. +Himmel! welche fernsten Anspielungen +(hätt' ich's vor dem Drucke gewußt) wären +nicht in jeder Textseite und Notennummer +zu verstecken gewesen, und welche scheinbare +Unangemessenheit in die wirkliche Gemessenheit +und ins Notenuntere der Karten; wie +empfindlich und boshaft wäre nicht die +Höhe und auf die Seite herauszuhauen +gewesen, aus den sicheren Kasematten und +Miniergängen unten, und welche <i lang="la" xml:lang="la">laesio</i> +<span class="pagenum"><a name="Page_10">10</a></span><i lang="la" xml:lang="la">ultradimidium</i> (Verletzung über die Hälfte +des Textes) wäre nicht mit satirischen Verletzungen +zu erfüllen und zu ergänzen gewesen!</p> + +<p>Aber das Schicksal wollte mir nicht so +gut; ich sollte von diesem goldenen Handwerksboden +für Satiren erst etwas erfahren +drei Tage vor der Vorrede.</p> + +<p>Vielleicht aber holt die Schreibwelt – +bei dem Flämmchen dieses Zufalls – eine +wichtigere Ausbeute, einen größeren unterirdischen +Schatz herauf, als leider ich gehoben; +denn nun ist dem Schriftsteller ein +Weg gezeigt, in einem Marmorbande ganz +verschiedene Werke zu geben, auf einem +Blatte zugleich für zwei Geschlechter, ohne +deren Vermischung, ja für fünf Fakultäten +<span class="pagenum"><a name="Page_11">11</a></span>zugleich, ohne deren Grenzverrückung, zu +schreiben, indem er, statt ein ekles, gärendes +Allerlei für niemand zu brauen, bloß dahin +arbeitet, daß er Notenlinien oder Demarkationslinien +zieht und so auf dem nämlichen +fünfstöckigen Blatte die unähnlichsten Köpfe +behauset und bewirtet. Vielleicht läse dann +mancher ein Buch zum vierten Male, +bloß, weil er jedesmal nur ein Viertel +gelesen.</p> + +<p>Wenigstens den Wert hat dieses Werk, +daß es ein Werkchen ist, und klein genug; +so daß es, hoff' ich, jeder Leser fast schon +im Buchladen schnell durchlaufen und auslesen +kann, ohne es, wie ein dickes, erst +deshalb kaufen zu müssen. – Und warum +soll denn überhaupt auf der Körperwelt +<span class="pagenum"><a name="Page_12">12</a></span>etwas anderes groß sein, als nur das, +was nicht zu ihr gehört, die Geisterwelt? –</p> + +<p class="center"><span class="gesperrt">Baireuth</span>,<br/> +im Heu- und Friedensmonat 1807.</p> + +<p class="right"><big class="gesperrt">Jean Paul Fr. Richter.</big></p> + +<div class="figcenter" style="width: 301px; page-break-after: auto;"> +<img src="images/blitzschirm.png" width="301" height="500" alt="Der Blitzschirm ist nämlich ganz der Reimarus'sche" title="" /> +</div> + + + + +<div class="new-h2"> </div> +<p><span class="pagenum"><a name="Page_13">13</a></span></p> +<h2 style="text-align: justify; padding-left: 1.5em; text-indent: -1.5em;">Zirkelbrief des vermutlichen katechetischen +Professors <span class="gesperrt">Attila Schmelzle</span> an +seine Freunde, eine Ferienreise nach +Flätz enthaltend, samt einer Einleitung, +sein Davonlaufen und seinen Mut +als voriger Feldprediger betreffend.</h2> + + +<p class="dropcap">Nichts ist wohl lächerlicher, meine werten +Freunde, als wenn man einen Mann für einen +Hasen ausgibt, der vielleicht gerade mit den +entgegengesetzten Fehlern eines Löwen kämpft, +wiewohl nun auch der afrikanische Leu seit +Sparrmanns Reise als ein Feigling zirkuliert. +Ich bin indes in diesem Falle, Freunde, wovon +ich später reden werde, ehe ich meine + +<span class="sidenote-l"><sup>103</sup> Gute Fürsten bekommen leicht gute Untertanen +(nicht so leicht diese jene); so wie Adam im Stande +der Unschuld die Herrschaft über die Tiere hatte, +die alle zahm waren und blieben, bis sie bloß mit +ihm verwilderten und fielen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_14">14</a></span> +Reise beschreibe. Ihr freilich wißt alle, daß +ich gerade umgekehrt den Mut und den Waghals +(ist er nur sonst kein Grobian) vergöttere, +zum Beispiel meinen Schwager, den Dragoner, +der wohl nie in seinem Leben einen Menschen +allein ausgeprügelt; sondern immer einen ganzen +geselligen Zirkel zugleich. Wie furchtbar +war nicht meine Phantasie schon in der Kindheit, +wo ich, wenn der Pfarrer die stumme +Kirche in einem fort anredete, mir oft den +Gedanken: »wie, wenn du jetzt geradezu aus +dem Kirchenstuhle hinauf schrieest: ich bin +auch da, Herr Pfarrer!« so glühend ausmalte, +daß ich vor Grausen hinaus mußte! – So +etwas wie Rugendas' Schlachtstücke – entsetzliches +Mordgetümmel – Seetreffen und +Landstürme bei Toulon – auffliegende Flotten +– und in der Kindheit Prager Schlachten +auf Klavieren – und kurz, jede Karte von +einem reichen Kriegsschauplatz; dies sind vielleicht +zu sehr meine Liebhabereien und ich +lese – und kaufe nichts lieber; es könnte + +<span class="sidenote-r"><sup>5</sup> Denn ein guter Arzt rettet, wenn nicht immer von +der Krankheit, doch von einem schlechten Arzt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_15">15</a></span> +mich oft zu manchem versuchen, hielt mich +nicht meine Lage aufrecht. Soll indes rechter +Mut etwas Höheres sein, als bloßes Denken +und Wollen: so genehmigt ihr es am ersten, +Werteste, wenn auch der meinige einst dadurch +in tätige Worte ausbrechen will, daß ich +meinen künftigen Katecheten, so gut es in Vorlesungen +möglich, zu christlichen Heroen stähle. +– Es ist bekannt, daß ich immer, wenigstens +zehn Acker weit, von jedem Ufer voll Badegäste +und Wasserschwimmer fern spazieren gehe, um +für mein Leben zu sorgen, bloß weil ich voraussehe, +daß ich, falls einer davon ertrinken +wollte, ohne weiteres (denn das Herz überflügelt +den Kopf) ihm, dem Narren, rettend nachspringen +würde, in irgendeine bodenlose Tiefe +hinein, wo wir beide ersöffen. – Und wenn +das Träumen der Widerschein des Wachens +ist, so frag' ich euch, Treue, erinnert ihr euch +nicht mehr, daß ich euch Träume von mir erzählt +habe, deren sich kein Cäsar, Alexander und + +<span class="sidenote-l"><sup>100</sup> Die Bücher liegen voll Phönixasche eines tausendjährigen +Reichs und Paradieses; aber der Krieg +weht und viel Asche verstäubt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_16">16</a></span> +Luther schämen darf? Hab' ich nicht – um +nur an einige zu erinnern – Rom gestürmt +und mich mit dem Papste und dem Elefantenorden +des Kardinalkollegiums zugleich duelliert? +Bin ich nicht zu Pferde, worauf ich als +Revuezuschauer gesessen, in ein <i lang="fr" xml:lang="fr">bataillon quarré</i> +eingebrochen und habe in Aachen die Perücke +Karls des Großen, wofür die Stadt jährlich +zehn Rtlr. Frisiergeld zahlt, und darauf in +Halberstadt von Gleim Friedrichs Hut erobert, +und beide aufeinander aufgesetzt und +habe mich doch noch umgekehrt, nachdem ich +vorher auf einem erstürmten Walle die Kanone +gegen den Kanonier selber umgekehrt? – habe +ich nicht mich beschneiden und doch als Jude +mich zählen lassen, und mit Schinken bewirten, +wiewohl's Affenschinken am Orinoko waren +(nach Humboldt)? Und tausend dergleichen; +denn zum Beispiel den Flätzer Konsistorialpräsidenten +hab' ich aus dem Schloßfenster +geworfen – Knall- oder Allarmfidibus von + +<span class="sidenote-r"><sup>102</sup> Lieber politischer und religiöser Inquisitor! Die +Turiner Lichtchen leuchten ja erst recht, wenn du +sie zerbrichst, und zünden dann sogar.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_17">17</a></span> +Heinrich Backofen in Gotha, das Dutzend zu +6 Gr., und jeder wie eine Kanone knallschlagend, +hab' ich so ruhig angehört, daß die +Fidibus mich nicht einmal aufweckten – und +mehr.</p> + +<p>Doch genug! Es ist Zeit, mit wenigem die +Verleumdung meines Feldpredigeramtes, die +leider auch in Flätz umläuft, bloß dadurch, +wie ein Cäsar den Alexander zu zerstäuben, +daß ich sie berühre. Es sei daran wahr was +wolle, es ist immer wenig oder gar nichts. +Euer großer Minister und General in Flätz +– vielleicht der größte überall – denn es +gibt nicht viele Schabacker – konnte allerdings +wie jeder große Mann gegen mich eingenommen +werden, doch nicht mit dem Geschütz +der Wahrheit; denn letzteres stell' ich +euch hierher, ihr Herzen, und drückt ihr's nur +zu meinem Besten ab! Es laufen nämlich im +Flätzischen unsinnige Gerüchte um, daß ich +aus bedeutenden Schlachten Reißaus genommen + +<span class="sidenote-l"><sup>86</sup> So wahr! In der Jugend liebt und genießt man +unähnliche Freunde fast mehr, als im Alter die +ähnlichsten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_18">18</a></span> +(so pöbelhaft spricht man), und daß +nachher, als man Feldprediger zu Dank- und +Siegespredigten gesucht, nichts zu haben gewesen. +Das Lächerliche davon erhellt wohl +am besten, wenn ich sage, daß ich in gar +keinem Treffen gewesen bin, sondern mehrere +Stunden vor demselben mich so viele Meilen +rückwärts dahin gezogen habe, wo mich unsere +Leute, sobald sie geschlagen worden, notwendig +treffen mußten. Zu keiner Zeit, ist der +Rückzug wohl so gut – ein guter aber wird +für das Meisterstück der Kriegskunst gehalten +– und mit solcher Ordnung, Stärke und +Sicherheit zu machen, als eben vor dem Treffen, +wo man ja nicht geschlagen ist.</p> + +<p>Ich könnte zwar als hoffentlicher Professor +der Katechetik zu solchen Verumfeiungen +meines Mutes still sitzen und lächeln – denn +schmied' ich meine künftigen Katecheten durch +sokratisches Fragen zum Weiterfragen zu: so +hab' ich sie zu Helden gehärtet, da nichts +gegen sie zu Felde zieht als Kinder – Katecheten + +<span class="sidenote-r"><sup>128</sup> In der Liebe gibt's Sommerferien; aber in der +Ehe gibt's auch Winterferien, hoff' ich.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_19">19</a></span> +dürfen ohnehin Feuer fürchten, nur +Licht nicht, da in unseren Tagen wie in London +die Fenster eingeworfen werden, wenn +sie nicht erleuchtet sind, anstatt daß es sonst +den Völkern mit dem Lichte ging wie den +Hunden mit dem Wasser, die, wenn man +ihnen lange keins gibt, endlich die Scheu vor +dem Wasser bekommen – und überhaupt +säuselt für Katecheten jeder Park lieblicher +und wohlriechender als ein schwefelhafter +Artilleriepark, und der Kriegsfuß, worauf die +Zeit gesetzt wird, ist ihnen der wahre teuflische +Pferdefuß der Menschheit. – –</p> + +<p>Aber ich denke anders – ordentlich als +wäre der Patengeist des Taufnamen <ins title="Attilla">Attila</ins> +mehr, als sich's gehört, in mich gefahren, ist + +<span class="sidenote-l"><sup>143</sup> Die Weiber haben wöchentlich wenigstens einen +aktiven und passiven <em class="gesperrt">Neids</em>tag, den heiligen, den +Sonntag; – nur die höhern Stände haben mehr +Sonn- als Werkeltage, so wie man in großen +Städten seinen Sonntag schon Freitags mit einem +Türken feiern kann, Sonnabends mit einem Juden, +Sonntags mit sich selbst. Weiber gleichen köstlichen +Arbeiten aus Elfenbein, nichts ist weißer und glätter +und nichts wird leichter gelb.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_20">20</a></span> +mir daran gelegen, immer nur meinen Mut +zu beweisen, was ich denn hier wieder mit +einigen Zeilen tun will, teuerste Freunde! +Ich könnte diese Beweise schon durch bloße +Schlüsse und gelehrte Zitate führen. Zum +Beispiel wenn Galen bemerkt, daß Tiere mit +großen Hinterbacken schüchtern sind: so brauch' +ich bloß mich umzuwenden und dem Feinde +nur den Rücken – und was darunter ist – +zu zeigen, wenn er sehen soll, daß es mir +nicht an Tapferkeit fehlt, sondern an Fleisch. +– Wenn nach bekannten Erfahrungen Fleischspeisen +herzhaft machen: so kann ich dartun, +daß ich hierin keinem Offizier nachstehe, welcher +bei seinem Speisewirt große Bratenrechnungen +nicht nur machen, sondern auch +unsaldiert bestehen läßt, um zu jeder Stunde, +sogar bei seinem Feinde selber (dem Wirte), +ein offenes Dokument zu haben, daß er das +Seinige (und Fremdes dazu) gegessen, und +gemeines Fleisch auf den Kriegsfuß gesetzt, + +<span class="sidenote-r"><sup>34</sup> Nur die kleinen Tapeten- und Hintertüren sind +die Gnadentüren; das große Tor ist die Ungnadentüre, +die Flügeltüren sind halbe Januspforten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_21">21</a></span> +lebend nicht, wie ein anderer, von Tapferkeit, +sondern für Tapferkeit. Ebensowenig hab' +ich je als Feldprediger hinter irgendeinem +Offizier unter dem Regimente zurückstehen +wollen, der ein Löwe ist und mithin jeden +Raub angreift, nur daß er, wie dieser König +der Tiere, das Feuer fürchtet – oder der, +wie König Jakob von England, welcher davonlaufend +vor nackten Degen, desto kühner +vor ganz Europa dem stürmenden Luther mit +Buch und Feder entgegenschritt, gleichfalls +bei ähnlicher Idiosynkrasie sowohl mündlich +als schriftlich mit jedem Kriegsheer anbindet. +Hier entsinn' ich mich vergnügt eines wackeren +Sous-Lieutenants, der mir beichtete – wiewohl +er mir noch das Beichtgeld schuldig ist, +sowie, noch besser, seinen Wirtinnen das +Sündengeld – welcher in Rücksicht der Herzhaftigkeit +vielleicht etwas von jenem indischen +Hunde hatte, den Alexander geschenkt bekommen + +<span class="sidenote-l"><sup>21</sup> Schiller und Klopstock sind poetische Spiegel vor +dem Sonnengotte; die Spiegel werfen so blendend +die Sonne zurück, daß man in ihnen die Gemälde +der Welt nicht gespiegelt sehen kann.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_22">22</a></span> +als einen Hundsalexander. Der Makedonier +ließ zur Probe auf den Wunderhund +andere Helden- oder Wappentiere anlaufen +– erstlich einen Hirschen – aber der Hund +ruhte; – dann eine Sau – er ruhte; – +sogar einen Bären – er ruhte: jetzt wollt' +ihn Alexander verurteilen, als man endlich +einen Löwen einließ; da stand der Hund auf +und zerriß den Löwen. Ebenso der Sous-Lieutenant. +Ein Duellant, ein Auswärtsfeind, +ein Franzose ist ihm nur Hirsch und Sau +und Bär, und er bleibt liegen; aber nun +komme und klopfe an sein ältester, stärkster +Feind, sein Gläubiger, und fordere ihm für +verjährte Freuden jetziges Schmerzensgeld ab, +und wollt' ihm so Vergangenheit und Zukunft +zugleich abrauben: der Leutnant fährt auf und +wirft den Gläubiger die Treppe hinab. Leider +steh' ich auch erst bei der Sau und werde +natürlich verkannt.</p> + +<p><i lang="la" xml:lang="la">Quo</i> – sagt Livius XII. 5. mit Recht – + +<span class="sidenote-r"><sup>72</sup> Den Halbgelehrten betet der Viertelsgelehrte an +– diesen der Sechzehnteilsgelehrte – und so fort; +– aber nicht den Ganzgelehrten der Halbgelehrte.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_23">23</a></span> +<i lang="la" xml:lang="la">quo timoris minus est, eo minus ferme periculi +est</i>, oder zu deutsch – je weniger man +Furcht hat, desto weniger Gefahr ist fast dabei; +ich kehre den Satz ebenso richtig um, je +weniger Gefahr, desto kleiner die Furcht, ja +es kann Lagen geben, wo man ganz und gar +von Furcht nichts weiß – worunter meine +gehört. Um desto verhaßter muß mir jede +Afterrede über Hasenherzigkeit erscheinen.</p> + +<p>Ich schicke meiner Ferienreise noch einige +Tatsachen voraus, welche beweisen, wie leicht +Vorsicht – das heißt wenn ein Mensch nicht +dem dummen Hamster gleichen will, der sich +sogar gegen einen Mann zu Pferde auflehnt +– für Feigheit gelte. Ich wünschte übrigens +nur, ich könnte ebenso glücklich einen ganz +anderen Vorwurf, den eines Waghalses, ablehnen, +wiewohl ich doch im folgenden gute +Fakta beizubringen gedenke, die ihn entkräften. + +<span class="sidenote-l"><sup>35</sup> <i lang="fr" xml:lang="fr">Bien écouter c'est presque répondre</i> sagt Marivaux +mit Recht von geselligen Zirkeln; ich dehn' +es aber auch auf runde Sessions- und Kabinettstische +aus, wo man referiert und der Fürst zuhört.</span></p> + +<p><span class="pagenum"><a name="Page_24">24</a></span> +Was hilft der Heldenarm ohne ein Heldenauge? +Jener wächst leicht stärker und nerviger, +dieses aber schleift sich nicht so bald +wie Gläser schärfer. Indes aber, die Verdienste +der Vorsicht fallen weniger ins Auge +(ja mehr ins Lächerliche) als die des Mutes. +Wer mich zum Beispiel bei ganz heiterem +Himmel mit einem wachstuchenen Regenschirm +gehen sieht: dem komm' ich wahrscheinlich so +lange lächerlich vor, als er nicht weiß, daß +ich ihn als Blitzschirm führe, um nicht von +einem Wetterstrahl aus blauem Himmel (wovon +in der mittleren Geschichte mehr als ein +Beispiel steht) getroffen zu werden. Der Blitzschirm +ist nämlich ganz der Reimarussche; +ich trage auf einem langen Spazierstocke das +wachstuchene Sturmdach, von dessen Giebel +sich eine Goldtresse als Ableitungskette niederzieht, +die durch einen Schlüssel, den sie +auf dem Fußsteig nachschleift, jeden möglichen + +<span class="sidenote-r"><sup>17</sup> Das Bette der Ehren sollte man doch, da oft +ganze Regimenter darauf liegen, und die letzte +Ölung und vorletzte Ehre empfangen von Zeit zu +Zeit weichfüllen, ausklopfen und sömmern.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_25">25</a></span> +Blitz leicht über die ganze Erdfläche ableitet +und verteilt. Mit diesem Paradonner (<i lang="fr" xml:lang="fr">paratonnerre +portatif</i>) in der Hand will ich mich +wochenlang ohne die geringste Gefahr unter +dem blauen Himmel herumtreiben. Indes +deckt diese Taucherglocke noch gegen etwas +anderes – gegen Kugeln. Denn wer gibt +mir im Herbste schwarz auf weiß, daß kein +versteckter Narr von Jäger irgendwo, wenn +ich die Natur genieße und durchstreife, seine +Kugelbüchse in einem Winkel von 45 Grad +so abdrückt, daß sie im Herunterfallen bloß +auf meinem Scheitel aufzuschlagen braucht, +damit es so gut ist, als würd' ich seitwärts +ins Gehirn geschossen?</p> + +<p>Es ist ohnehin schlimm genug, daß wir +nichts gegen den Mond haben, uns zu wehren +– der uns gegenwärtig beschießt mit Gestein, +wie ein halber türkischer; denn dieser elende, + +<span class="sidenote-l"><sup>112</sup> Gewisse <ins title="Welt weiberbenutzen">Weltweiber benutzen</ins> in gewissen Fällen +ihre körperliche Ohnmacht, wie Mohammed seine +<em class="gesperrt">fallende</em> Sucht – auch ist jene diese – bloß +um Offenbarungen, Himmel, Eingebungen, Heiligkeit +und Proselyten zu erhalten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_26">26</a></span> +kleine Erdtrabant und Läufer und <i lang="fr" xml:lang="fr">valet de +Fantaisie</i> glaubt in diesen rebellierenden Zeiten +auch anfangen zu müssen, seiner großen +Landesmutter etwas zuzuschleudern aus der +Davidshirtentasche. Wahrhaftig, jetzt kann ja +ein junger Katechet von Gefühl nachts mit +geraden Gliedern in den Mondschein hinauswandeln, +um manches zu empfinden oder zu +bedenken, und kann (mitten im Gefühl erwirft +ihn der absurde Satellit) als zerquetschter +Brei wieder nach Hause gehen. – – Bei +Gott! überall Klingenproben des Muts! Hat +man mühsam Donnerkeile eingeschmolzen und +Kometenschwänze anglisiert: so führt der Feind +neues Geschütz im Mond auf oder sonst wo +im Blau!</p> + +<p>Noch eine Geschichte sei genug, um zu beweisen, +wie lächerlich gerade die ernsthafteste + +<span class="sidenote-r"><sup>120</sup> Mancher wird ein freier Diogenes, nicht wenn +er in dem Fasse, sondern wenn dieses in ihm wohnt; +und die gewaltige Hebkraft des <em class="gesperrt">Flaschenzugs</em> in +der Mechanik spürt er fast von einem Flaschenzuge +anderer Art beim Flaschenkeller wiederholt und gut +bewährt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_27">27</a></span> +Vorsicht bei allem inneren Mute oft außen +dem Pöbel erscheint. Reiter kennen die Gefahren +auf einem durchgehenden Pferde längst. +Mein Unstern wollte, daß ich in Wien auf +ein Mietspferd zu sitzen kam, das zwar ein +schöner Honigschimmel war, aber alt und +hartmäulig wie der Satan, so daß die Bestie +in der nächsten Gasse mit mir durchging und +zwar – leider bloß im Schritte. Kein Halten, +kein Lenken schlug an; ich tat endlich +auf dem Selbststreitroß Notschuß nach Notschuß +und schrie: »Haltet auf, ihr Leute, um +Gottes Willen aufgehalten, mein Gaul geht +durch!« Aber da die einfältigen Menschen das +Pferd so langsam gehen sahen wie den Reichshofratsprozeß +und den ordinären Postwagen: +so konnten sie sich durchaus nicht in die Sache +finden, bis ich in heftigster Bewegung wie +besessen schrie: »Haltet doch auf, ihr Pinsel +und Pensel, seht ihr denn nicht, daß ich die +Mähre nicht mehr halten kann?« Jetzt kam + +<span class="sidenote-l"><sup>2</sup> Die Kultur machte ganze Länder, z. B. Deutschland, +Gallien usw. physisch wärmer, aber geistig +kälter.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_28">28</a></span> +den Faulpelzen ein hartmäuliges, schrittlings +ausziehendes Pferd lächerlich vor. – Halb +Wien bekam ich dadurch wie einen Bartsternschwanz +hinter meinem Roßschweif und Zopf +nach. – Fürst Kaunitz, sonst der beste Reiter +des Jahrhunderts (des vorigen), hielt an, um +mir zu folgen. – Ich selber saß und schwamm +als aufrechtes Treibeis auf dem Honigschimmel, +der in einem fort Schritt für Stritt +durchging. – Ein vieleckiger, rockschößiger +Briefträger gab rechts und links seine Briefe +in den Stockwerken ab und kam mir stets mit +satirischen Gesichtszügen wieder nach, weil +der Schimmel zu langsam auszog. – Der +Schwanzschleuderer (bekanntlich der Mann, +der mit einer zweispännigen Wassertonne + +<span class="sidenote-r"><sup>99</sup> Gleichwohl hab' ich bei allem meinen Grimm +über Nachdruck doch nie den Ankauf eines Privilegiums +gegen Nachdruck für etwas anderes oder +schlechteres gehalten als für die Abgabe, die bisher +alle christlichen Seemächte an die barbarischen +Staaten erlegten, damit sie nicht beraubt wurden. +Nur Frankreich hat eben der Ähnlichkeit wegen sowohl +das Nachdrucks-Privilegium als die barbarische +Abgabe abgeschafft.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_29">29</a></span> +über die Straßen fährt und sie mit einem +drei Ellen langen Schlauch aus einem blechernen +Trichter benetzt) fuhr ungemein bequem +den Hinterbacken meines Pferdes nach und +feuchtete während seiner Pflicht jene und mich +selber kühlend an, ob ich gleich kalten Schweiß +genug hatte, um keines frischeren zu bedürfen. +– Ich geriet auf meinem höllischen, trojanischen +Pferd (nur war ich selber das untergehende +Troja, das ritt) nach <ins title="Malzleinsdorf">Matzleinsdorf</ins> +(einer Wiener Vorstadt), oder waren's für +meine gepeinigten Sinne ganz andere Gassen. +– Endlich mußte ich abends spät nach dem +Reträteschuß des Praters im letzteren zu +meinem Abscheu und gegen alle Polizeigesetze +auf dem gesetzlosen Honigschimmel noch herumreiten, +und ich hätte vielleicht gar auf ihm +übernachtet, wenn nicht mein Schwager, der +Dragoner, mich gesehen und noch fest auf +dem durchgegangenen Gaule gefunden hätte. +Er machte keine Umstände – fing das Vieh + +<span class="sidenote-l"><sup>1</sup> Je mehr Schwäche, je mehr Lüge; die Kraft geht +gerade; jede Kanonenkugel, die Höhlen oder Gruben +hat, geht krumm.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_30">30</a></span> +– tat die lustige Frage: warum ich nicht +voltigiert hätte, ob er gleich recht gut weiß, +daß dazu ein hölzerner Gaul gehört, der steht +– und holte mich herab – und so kamen +alle berittenen Wesen unberitten und unbeschädigt +nach Hause.</p> + +<p>Aber nun endlich einmal an meine Reise!</p> + + + + +<h2 class="new-h2 gesperrt">Reise nach Flätz.</h2> + + +<p>Ihr wißt, Freunde, daß ich die Reise nach +Flätz gerade unter den Ferien machen mußte, +nicht nur, weil Viehmarkt und folglich der +Minister und General von Schabacker da war, +sondern vornehmlich, weil er (wie ich von geheimer +Hand sicher hatte) jährlich den 23. Juli +am Abend vor dem Markttage um fünf Uhr + +<span class="sidenote-l"><sup>32</sup> Unser Zeitalter – von einigen papiernes genannt, +als sei es aus Lumpen eines besser Bekleideten +gemacht – bessert sich schon halb, da es die Lumpen +jetzt mehr zu Scharpien als zu Papieren zerzupft, +wiewohl oder weil der Lumpenhacker (oder auch +der Holländer) eben nicht ausruht; indes, wenn +gelehrte Köpfe sich in Bücher verwandeln, so können +sich auch gekrönte in Staatspapiere verwandeln und +ummünzen; – in Norwegen hat man nach dem Allg.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_31">31</a></span> +soviel Gaudium und Gnade sich ausließ, daß +er die meisten Menschen weniger anschnauzte +als anhörte und – erhörte. Die Gaudiumsursache +vertrau ich ungern dem Papier. Kurz, +ich konnte ihm meine Bittschrift, mich als unschuldig +vertriebener Feldprediger durch eine +katechetische Professur zu entschädigen und zu +besolden in keiner besseren Jahres- und Tageszeit +überreichen, als abends um fünf Uhr +Hundstagsanfang. Ich setzte mein Bittschreiben +in drei Tagen auf. Da ich weder Konzepte, +noch Abschriften desselben schonte und zählte: +so war ich bald so weit, daß ich das relativ +Beste ganz vollendet vor mir hatte, als ich +erschrocken bemerkte, daß ich darin über dreißig +Gedankenstriche in Gedanken hingeschrieben + +<span class="sidenote-r">Anzeiger sogar Häuser von Papier, und in manchen +guten deutschen Staaten – hält das Kammerkollegium +(das Justizkollegium ohnehin) seine eigenen +Papiermühlen, um Düten genug für das Mehl +seiner Windmühlen zu haben. Ich wünschte aber, +unsere Kollegien nähmen sich jene Glasschneiderei +in Madrid zum Muster, in welcher (nach Baumgärtner) +zwar neunzehn Schreiber angestellt waren, +aber doch auch eilf Arbeiter.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_32">32</a></span> +hatte. Leider schießen diese Stacheln heutzutage +wie aus Wespensteißen, unwillkürlich aus +gebildeten Federn hervor. Ich warf es zwar +lange in mir hin und her, ob ein Privatgelehrter +sich einem Minister mit Gedankenstrichen +nähern dürfe – so sehr auch dieses +ebene Unterstreichen der Gedanken, diese wagerechten +Taktstriche poetischer Tonstücke und +diese Treppenstricke oder Achillessehnen philosophischer +Sehstücke jetzt ebenso allgemein als +nötig sind – allein ich mußte doch am Ende +(da Ausschaben Standespersonen beleidigt) +das beste Probstück wieder umschreiben und +mich wieder eine halbe Stunde am Namen +Attila Schmelzle quälen, weil ich immer + +<span class="sidenote-l"><sup>39</sup> Epiktet rät an zu reisen, weil die alten Bekanntschaften +uns durch Scham und Einfluß vom Übergange +zur hohen Tugend abhalten – so wie man +etwa seine Provinzialmundart schamhaft lieber außer +Lands ablegt und dann völlig geläutert zu seinen +Landsleuten zurückkommt; noch jetzt befolgen Leute +von Stand und Tugend diesen Rat, obwohl umgekehrt, +und reisen, weil die alten Bekanntschaften +sie durch Scham zu sehr von neuen Sünden abschrecken.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_33">33</a></span> +glaube, diesen sowie die Briefadresse, die +beiden Kardinalgegenden und Punkte der +Briefe, nie leserlich genug zu schreiben.</p> + +<div class="figcenter" style="width: 305px;"> +<img src="images/bloss_sanft.png" width="305" height="500" alt="... es tue ihm bloss sanft / sagt' er / wie eine gute Frostsalbe ..." title="" /> +</div> + + + +<h3 class="new-h3 gesperrt">Erste Station, von Neusattel nach +Vierstädten.</h3> + + +<p>Der 22. Juli, oder Mittwochs nachmittag +um fünf Uhr, war von der Postkarte der +ordentlichen fahrenden Post selber zu meiner +Abreise unwiderruflich anberaumt. Ich hatte +also etwa einen halben Tag Zeit, mein Haus +zu bestellen, welchem jetzt zwei Nächte und +drittehalb Tage hindurch meine Brust als +Brustwehr, der Verhack mit meinem Ich abgehen +sollte. Sogar mein gutes Weib Bergelchen, +wie ich meine Teutoberga nenne, reiste +mir unaufhaltsam den 24. oder Freitags +darauf nach, um den Jahrmarkt zu beschauen +und zu benutzen; ja sie wollte schon sogleich +mit mir ausreisen, die treue Gattin. Ich versammelte +daher meine kleine Bedientenstube + +<span class="sidenote-r"><sup>2</sup> Ein Soldat huldigt und gehorcht in seinem Fürsten +zugleich seinem Fürsten und seinem Generalissimus; +der Zivilist bloß seinem Fürsten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_34">34</a></span> +und publizierte ihr die Hausgesetze und Reichsabschiede, +die sie nach meinem Abschiede den +Tag und die Nacht erstlich vor der Abreise +meiner Frau und zweitens nach derselben auf +das pünktlichste zu befolgen hatten, und alles, +was ihnen besonders bei Feuersbrünsten, +Diebeseinbrüchen, Donnerwettern und Durchmärschen +vorzukehren oblag. Meiner Frau +übergab ich ein Sachregister des Besten in +unserem kleinen Registerschiffe, was sie, im +Falle es in Rauch aufginge, zu retten hätte. – +Ich befahl ihr, in stürmischer Nacht (dem +eigentlichen Diebswetter) unsere Windharfe +ans Fenster zu stellen, damit jeder schlechte +Strauchdieb sich einbildete, ich phantasierte +harmonisch und wachte; desgleichen den Kettenhund +am Tage ins Zimmer zu nehmen, damit +er ausschliefe, um nachts munterer zu sein. +Ich riet ferner, auf jeden Brennpunkt der +Glasscheiben im Stalle, ja auf jedes hingestellte +Glas Wasser ihr Auge zu haben, da +ich ihr schon öfter die Beispiele erzählt, daß + +<span class="sidenote-l"><sup>29</sup> Und wieviel ist nicht in der Jurisprudenz Jurisimprudenz, +ausgenommen bei Unrechtsgelehrten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_35">35</a></span> +durch solche zufällige Brenngläser die Sonne +ganze Häuser in Brand gesteckt. – Auch gab +ich ihr die Morgenstunde, wo sie Freitags +ab- und mir nachreisen sollte, sowie die Haustafeln +schärfer an, die sie vorher dem Gesinde +einzuschärfen hätte. Meine liebe, kerngesunde, +blühende Honigwöchnerin Berga antwortete +ihrem Flitterwöchner, wie es schien, sehr ernsthaft: +»Geh nur Alterchen, es soll alles ganz +scharmant geschehen. – Wärest du nur erst +voraus, so könnte man doch nach! Das währt +ja aber Ewigkeiten.« – Ihr Bruder, mein +Schwager, der Dragoner, für den ich aus +Gefälligkeit das Passagiergeld trug, um auf +dem Postkissen einen an sich tapferen Degen +und Hauinsfeld, sozusagen als körperlichen +und geistigen Verwandten und Spillmagen +vor mir zu haben, dieser zog über meine +Verordnungen (was ich leicht dem Hage- und +Kriegsstolzen vergab) sein braunes Gesicht + +<span class="sidenote-r"><sup>39</sup> »<em class="gesperrt">Die größere Hälfte</em>« ist ein so meßwidriger +Ausdruck, daß ihn kein Meßkünstler anders als +von der Ehe, ja sogar nur von der seinigen gebrauchen +könnte.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_36">36</a></span> +ansehnlich ins Spöttische und sagte zuletzt: +»Schwester, an deiner Stelle täte ich, was +mir beliebte; und dann guckte ich nach, was +er auf seinem Reglementszettel hätte haben +wollen.« – »O,« versetzte ich, »Unglück kann +sich wie ein Skorpion in jede Ecke verkriechen; +ich möchte sagen, <ins title="mir">wir</ins> sind den Kindern gleich, +die am schön bemalten Kästchen schnell den +Schieber aufreißen und – heraus fährt eine +Maus, die hackt« – »Maus, Maus, Raus, +Raus!«, versetzte er auf- und niedertrabend. +»Herr Schwager, aber es ist fünf Uhr; und +Sie werden schon finden, wenn Sie wiederkommen, +daß alles so aussieht wie heute, +die Hunde wie die Hunde, und meine Schwester +wie eine hübsche Frau: <i lang="fr" xml:lang="fr">allons donc!</i>« – +Er war eigentlich schuld, daß ich aus Besorgnis +seines Mißdeutens nicht vorher eine +Art von Testament gemacht.</p> + +<p>Ich packte noch entgegengesetzte Arzneien, +sowohl temperierende als erhitzende, gegen + +<span class="sidenote-l"><sup>45</sup> Die jetzigen Schriftsteller zucken die Achseln am +meisten über die, auf deren Achseln sie stehen; und +erheben die am meisten, die an ihnen hinaufkriechen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_37">37</a></span> +zwei Möglichkeiten ein – ferner meine alten +Schienen gegen Arm- und Beinbrüche bei Wagenumstürzen +– und (aus Vorsicht) noch einmal +so viel Geldwechsel, als ich eigentlich nötig +hatte. Nur wünschte ich dabei wegen der Mißlichkeit +des Aufbewahrens, ich wär' ein Affe mit +Backentaschen, oder ein Beuteltier, damit ich +in mehr sichere und empfindungsvolle Taschen +und Beutel solche Lebenspreziosen verschanzte. +Rasieren lasse ich mich sonst stets vor Abreisen +aus Mißtrauen gegen fremde, mordsüchtige +Bartputzer; aber diesmal behielt ich den Bart +bei, weil er doch unterwegs, auch geschoren, +so reich wieder getrieben hätte, daß mit ihm +vor keinem Minister wäre zu erscheinen gewesen.</p> + +<p>Ich warf mich heftig ans Kraftherz meiner +Berga an und riß mich noch heftiger ab, +aber sie schien über unsere erste Ehetrennung +weniger in Jammer als in Jubel zu sein, + +<span class="sidenote-r"><sup>14</sup> Manche Dichter geraten unter dem Malen schlechter +Charaktere oft so ins Nachahmen derselben hinein, +wie Kinder, wenn sie so träumen, wirklich ihr +Wasser lassen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_38">38</a></span> +viel weniger bestürzt als seelenvergnügt, bloß +weil sie auf das Scheiden nicht halb so sehr +als auf das Wiedersehen und Nachreisen, und +die Jahrmarktsschau ihr Augenmerk hatte; +doch warf und hing sie sich an meinen etwas +dünnen und langen Hals und Körper fast +schmerzhaft als eine zu fleischige, derbe Last +und sagte: »Fege nur frisch davon, mein +scharmanter Attel (Attila) – und mache dir +unterwegs keine Gedanken, du aparter Mensch! +– Haben wir denn zu klagen? Einen oder +ein paar Püffe halten wir mit Gottes Hilfe +schon aus, solange mein Vater kein Bettelmann +ist. – Und dir aber, Franz,« fuhr sie +gegen ihren Bruder ordentlich zornig fort, +»bind' ich meinen Attel auf die Seele, du +weißt recht gut, du wüste Fliege, was ich tue, +wenn du ein Narr bist und ihn wo im Stiche +lässest.« Ich verzieh ihr hier manches Gutgemeinte; + +<span class="sidenote-l"><sup>103</sup> Die Großen sorgen vielleicht so emsig für ihre +Nachkommen wie die Ameisen; sind die Eier gelegt, +so fliegen die männlichen und weiblichen Ameisen +davon und vertrauen sie den treuen <em class="gesperrt">Arbeitsameisen</em> +an.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_39">39</a></span> +und euch, Freunden, ist ihr Reichtum +und ihre Freigebigkeit auch nichts Neues.</p> + +<p>Gerührt sagt' ich: »Nun, Berga, gibt's +ein Wiedersehen für uns, so ist's gewiß entweder +im Himmel oder in Flätz; und ich +hoffe zu Gott, das letztere.« – Stracks ging's +rüstig davon. Ich sah mich durch das Kutschenrückfenster +um nach meinem guten Städtchen +Neusattel; und es kam mir gerührt vor, als +richte sich dessen Sturmspitze ordentlich als +ein Epitaphium über meinem Leben oder +meinem vielleicht tot zurückreisenden Leichnam +in die Höhe: – »wie wird alles sein,« dacht' +ich, »wenn du nun endlich nach zwei oder +drei Tagen wiederkommst?« Jetzt sah ich mein +Bergelchen uns aus dem Mansardenfenster +nachschauen; ich legte mich weit aus dem +Kutschenschlage hinaus, und ihr Falkenauge +erkannte sofort meinen Kopf; Küsse über +Küsse warf sie mir mit beiden Händen herab, +dem ins Tal rollenden Wagen nach. »Du + +<span class="sidenote-r"><sup>10</sup> Und liefert das Leben von unsern idealen Hoffnungen +und Vorsätzen etwas anderes als eine prosaische, +unmetrische, ungereimte Übersetzung?</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_40">40</a></span> +herziges Weib,« dacht' ich, »wie machst du +deine niedrige Geburt durch die geistige Wiedergeburt +vergeßlich, ja merkwürdig!«</p> + +<p>Freilich, das <ins title="Postkutschen gelag'">Postkutschengelag'</ins> und Picknick +wollte mir weniger schmecken; lauter verdächtiges, +unbekanntes Gesindel, welches (wie gewöhnlich +die Märkte tun) der Flätzer durch +seine Witterung einlockte. Ungern werd' ich +Unbekannten ein Bekannter; aber mein Schwager, +der Dragoner, war wie immer schon mit +allem, mit Himmel und Hölle herausgeplatzt. +Neben mir saß eine höchstwahrscheinliche Hure. +– Auf ihrem Schoße ein Zwerg, der sich auf +dem Jahrmarkte wollte sehen lassen. – Mir +gegenüber blickte ein Kammerjäger mich an – +und unten im Tale stieg noch ein blinder Passagier +mit einem roten Mantel ein. Mir gefiel gar +niemand, ausgenommen mein Schwager. Ob +nicht die Hure meine Bekanntschaft zu einer + +<span class="sidenote-l"><sup>78</sup> Die Weiber halten alles Weißzeug weiß, <em class="gesperrt">nur</em> +kein Buch, ob sie gleich vielleicht manchen polemischen +Folianten, eh' er in die Papiermühle gekommen, +als Brauthemde am Leibe mögen getragen +haben. Die Männer kehren es nur um.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_41">41</a></span> +eidlichen Angabe benützen, ob nicht Spitzbuben +unter den Passagieren mich und meine Eigenheiten +und Zufälle studieren würden, um auf +der Tortur mich in ihre Bande zu flechten +– dafür konnte sich mir niemand verpfänden. +An fremden Orten schau ich schon ungern +– und aus Vorsicht – an irgendein Kerkergitter +lange empor, weil ein schlechter Kerl +dahinter sitzen kann, der eilig herunterschreit +aus bloßer Bosheit: »Drunten steht mein +Spießkamerad, der Schmelzle!« – oder auch +weil ein vernagelter Scherge sich denken kann, +ich suchte meinen Konföderierten oben zu entsetzen. +Aus einer wenig davon verschiedenen +Vorsicht dreh' ich mich daher niemals um, +wenn ein Star mir nachruft: Dieb!</p> + +<p>Was den Zwerg selber anlangt, so konnt' +er meinetwegen mitfahren, wohin er wollte; +aber er glaubte ein besonderes Frohleben in + +<span class="sidenote-r"><sup>7</sup> Der geharnischte deutsche Reichskörper konnte sich +darum schwer bewegen, weshalb die Käfer nicht +fliegen können, deren <em class="gesperrt">Flügel</em> recht gut durch <em class="gesperrt">Flügeldecken</em> +– und zwar durch zusammengewachsene +– verschanzt sind.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_42">42</a></span> +uns zu bringen, wenn er uns verhieße, daß +sein Pollux und Amtsbruder, ein seltener Riese, +der ebenfalls der Messe zur Anschau zuzog, +gegen Mitternacht uns unfehlbar mit seinem +Elefantenschritte nachkommen und sich einsetzen +<ins title="ober">oder</ins> hinten aufstellen würde. Beide +Narren beziehen nämlich gemeinschaftlich die +Messen als gegenseitige Meßhelfer zu entgegengesetzten +Größen; der Zwerg ist das erhabene +Vergrößerungsglas des Riesen, der Riese das +hohle Verkleinerungsglas des Zwergs. Niemand +bezeugte große Freude an der Aussicht +der Nachkunft des Maßkopisten des Zwergs, +ausgenommen mein Schwager, der (ist das +Wortspiel erlaubt) wie eine Uhr bloß zum +Schlagen gemacht zu sein glaubt, und mir +wirklich sagte: »Könn' er einmal oben in der +ewigen Seligkeit keine Seele zuweilen wamsen + +<span class="sidenote-l"><sup>8</sup> Mit Staatseinrichtungen ist's wie mit Kunststraßen; +auf einer ganz neuen, unbefahrenen, wo +jeder Wagen am Straßenbau mitarbeiten und zerklopfen +hilft, man wird ebenso gestoßen und geworfen, +als auf einer ganz alten, ausgefahrenen voll Löcher. +Was ist also hier zu tun? Man fahre fort.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_43">43</a></span> +und koram nehmen, so fahr' er lieber in die +Hölle, wo gewiß des Guten und der Händel +eher zu viel sein werden.« – Der Kammerjäger +im Postwagen hatte, außerdem schon, +daß uns niemand sehr einnimmt, der bloß +vom Vergiften lebt, wie dieser Freund Hain +der Ratten und die Mäuseparze, und daß +ein solcher Kerl, was noch schlimmer, sogleich +ein Mehrer des Ungezieferreiches zu werden +droht, sobald er nicht dessen Minderer sein +darf – dieser hatte überhaupt soviel Fatales +an sich, zuerst den Stechblick wie eines Stiletts +– dann das hagere, scharfe Knochengesicht +in Verbindung mit seinem Vorrechnen +seines ansehnlichen Giftsortiments – dann +(denn ich haßte ihn immer heißer) seine geheime +Stille, sein geheimes Lächeln, als seh' +er in irgendeiner Schlupfecke eine Maus, ähnlich +einem Menschen. – Wahrlich, mir, der ich +sonst ganz anderen Leuten stehe, kam endlich +sein Rachen als eine Hundsgrotte vor, seine + +<span class="sidenote-r"><sup>3</sup> Vor Gericht werden oft ermordete Geburten für +totgeborene ausgegeben, in Antikritiken totgeborene +für ermordete.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_44">44</a></span> +Backenknochen als Untiefen und Klippen, sein +heißer Atem als Kalzinierofen und die schwarzhaarige +Brust als Welk- und Darrofen – –</p> + +<p>Ich hatte mich auch – glaub' ich – nicht +viel versehen; denn bald darauf fing er an, +der Gesellschaft, worin ein Zwerg und ein +Mädchen war, ganz kalt zu berichten, er habe +schon zehn Leiber mit dem Dolch nicht ohne +Lust durchstoßen – habe gemächlich ein Dutzend +Menschenarme abgehauen, vier Köpfe langsam +gespalten, zwei Herzen ausgerissen und +mehr dergleichen – und keiner davon, sonst +Leute von Mut, hab' ihm im geringsten widerstanden +– »aber warum?« setzt' er giftig +hinzu, und nahm den Hut vom häßlichen +Glatzkopf – »ich bin unverwundbar. – Wer +von der Gesellschaft will, lege auf meiner +Glatze soviel Feuer an, als er will, ich lass' +es ausbrennen.«</p> + +<p>Mein Schwager, der Dragoner, setzte sogleich +einen brennenden Tabaksschwamm auf + +<span class="sidenote-l"><sup>101</sup> Nicht nur die Rhodier hießen von ihrem Koloß +Kolosser, sondern auch unzählige Deutsche heißen +von Luther Lutheraner.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_45">45</a></span> +den Schädel, aber der Jäger stand es so ruhig +aus, als wär' es ein kalter Brand, und er +und der Dragoner sahen einander wartend +an, und jeder lächelte sehr närrisch – es +tue ihm bloß sanft, sagt' er, wie eine gute +Frostsalbe, denn dies sei überhaupt die Winterseite +an seinem Leibe. Hier griff mein Schwager +ein wenig auf dem nackten Schädel umher +und rief verwundert: er fühle sich so kalt an +wie eine Kniescheibe. Nun hob der Kerl auf +einmal nach einigen Vorrüstungen zu unserem +Entsetzen den Viertelsschädel ab und hielt +ihn uns hin, sagend, er habe ihn einem Mörder +abgesägt, als ihm zufällig der eigene eingeschlagen +gewesen; und erklärte nun, <ins title="das">daß</ins> man + +<span class="sidenote-r"><sup>88</sup> Bis hierher hab' ich immer die Streitschriften +der jetzigen philosophischen und ästhetischen idealen +Streitflegel, worin allerdings einige Schimpfworte +und Trug- und Lugschlüsse vorkommen, mehr von +der schönen Seite genommen, indem ich sie bloß +als eine Nachahmung des klassischen Altertums, und +zwar der Ringer desselben angesehen, welche (nach +Schöttchen) ihren Leib mit <em class="gesperrt">Kot</em> bestrichen, um nicht +gefaßt zu werden, und ihre Hände mit <em class="gesperrt">Staub</em> +anfüllten, um den fremden zu fassen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_46">46</a></span> +das erzählte Durchstechen und Armabhauen +mehr als Scherz zu nehmen habe, indem er's +lediglich getan als Famulus auf dem anatomischen +Theater. – Inzwischen wollte der +Scherztreiber doch keinem von uns sehr schmecken +und zu Hals, so daß ich, als er den Kapselkopf, +den Repräsentationsschädel, wieder aufsetzte, +schweigend dachte: diese Mistbeetglocke +hat gewiß nur den Ort, nicht die Giftzwiebel +verändert, die sie zudeckt.</p> + +<p>Am Ende wurde mir's überhaupt verdächtig, +daß er, sowie sämtliche Gesellschaft (auch der +blinde Passagier), gerade demselben Flätz zuschifften, +wohin ich selber gedachte; besonderes +Glück brauchte ich mir davon nicht zu versprechen; +und mir wäre in der Tat das Umkehren +so lieb gewesen als das Fortfahren, +hätt' ich nicht lieber der Zukunft getrotzt.</p> + +<p>Ich komme endlich auch auf den rot gemantelten +blinden Passagier, wahrscheinlich + +<span class="sidenote-l"><sup>103</sup> Oder sind alle Moscheen, Episkopalkirchen, Pagoden, +Filialkirchen, Stiftshütten und Panthea +etwas anderes als der Heidenvorhof zum unsichtbaren +Tempel und zu dessen Allerheiligsten?</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_47">47</a></span> +ein <i lang="fr" xml:lang="fr">Emigré</i> oder ein <i lang="fr" xml:lang="fr">Refugié</i> (denn er spricht +das deutsche nicht schlechter als das Französische), +entweder namens Jean Pierre oder +Jean Paul ungefähr, oder ganz namenlos. +Sein roter Mantel wäre mir ungeachtet dieser +Farbenverschmelzung mit dem Scharfrichter +– der in vielen Gegenden trefflich Angstmann +heißt – an sich herzlich gleichgültig +geblieben, wäre nicht der besondere Umstand +eingetreten, daß er mir schon fünfmal in fünf +Städten (im großen Berlin, im kleinen Hof, +Koburg, Meiningen und Baireuth) wider alle +Wahrscheinlichkeit aufgestoßen, wobei er mich +jedesmal bedeutend genug angesehen, und dann +seines Weges gegangen. Ob er mir feindlich +nachsetzt oder nicht, weiß ich nicht; nur ist +auf alle Fälle der Phantasie kein Objekt erfreulich, +das mit Observationskorps oder aus + +<span class="sidenote-r"><sup>40</sup> Das Volk ist nur im Erzählen, nicht im Räsonieren +weitläufig; der Gelehrte ist nur in jenem, +nicht in diesem kurz; eben weil das Volk seine +Gründe nur als Empfindungen so wie die Gegenwart +bloß anschauet, der Gelehrte hingegen beide +mehr nur denkt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_48">48</a></span> +Schießscharten vielleicht mit Flinten hält und +zielt, die es jahrelang bewegt, ohne daß man +weiß, in welchem es abdrückt. – Noch anstößiger +wurde mir der Rotmantel dadurch, daß er +auffallend seine weiche Seelenmilde pries; +dies schien beinah' auf Ausholen oder Sichermachen +zu deuten. Ich erwiderte: »Mein Herr, +ich komme eben, wie hier mein Schwager, +vom Schlachtfeld her (die letzte Affäre war +bei Pimpelstadt), und stimme vielleicht deshalb +zu stark für Markkraft, Bruststurm, Stoßglut, +und es mag für manchen, der eine brausende +Wasserhose, eigentlich Landhose von +Herz hat, gut sein, wenn seine geistliche Lage +(ich bin darin) ihn mehr mildert als wildert. +Indes gehört jeder Milde ihr eisernes Schrankengitter. +Fällt mich irgendein unbesonnener +Hund bedeutend an, so tret' ich ihn freilich +im ersten Zorn entzwei, und nachher hinter + +<span class="sidenote-l"><sup>9</sup> Die Ägypter nahmen bei einem Landesunglück +dadurch am Gott Typhon, dem sie es zuschrieben, +Rache, daß sie seine Lieblinge von Felsen stürzten, +die Esel. Ähnlicherweise haben sich in der Geschichte +auch Staaten anderer Religion gerächt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_49">49</a></span> +mir treibt's mein guter Schwager vielleicht +noch zweimal weiter, denn er ist der Mann +dazu. Vielleicht ist's Eigenliebe, aber ich beklag's +(gesteh' ich) noch heute, daß ich als +Knabe einmal einem anderen Knaben drei +erhaltene Ohrfeigen nicht derb zurückgereicht, +und mir ist oft, als müßt' ich sie seinen +Enkeln nachzahlen. Wahrlich, wenn ich auch +nur einen Jungen vor den schwachen Kräften +eines ähnlichen Jungen feig entlaufen sehe, +so kann ich das Laufen nicht lassen und will +ihn ordentlich durch einen Machtschlag erretten.« +Der Passagier lächelte indes nicht +zum besten. Er gab sich zwar für einen Legationsrat +aus und schien Fuchs genug zu +sein, aber ein tollgewordener Fuchs beißt mich +am Ende so wasserscheu als ein toller Wolf. +Übrigens fuhr ich unbekümmert mit meinem + +<span class="sidenote-r"><sup>70</sup> In die Philosophie verhülle sich die Dichtkunst +nur so, wie in diese sich jene; Philosophie aber in +poetischer Prosa gleicht jenen Trinkgläsern in +Schenken, welche mit bunten Bilderschnörkeln umzogen, +zugleich im Genusse des Getränks und des +Bildwerks, die oft widrig sich decken, stören.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_50">50</a></span> +Anpreisen des Mutes fort, nur daß ich absichtlich +statt des lächerlichen Bramarbasierens, +welches gerade den Feigen recht verrät, fest, +still, klar sprach. »Ich bin«, sagt' ich, »bloß +für Montaignes Rat: man trage nur Furcht +vor der Furcht.«</p> + +<p>»Ich würde,« versetzte der Legationsrat +unnütz spitzfindig, »wieder fürchten, daß ich +mich nicht genug vor der Furcht fürchtete, +sondern zu feig bliebe.«</p> + +<p>»Auch dieser Furcht«, erwidert' ich kalt, +»steck' ich Grenzen. Ein Mann kann zum Beispiel +nicht im geringsten Gespenster glauben +und fürchten; gleichwohl kann er nachts sich +in Todesschweiß baden, und zwar bloß vor +Angst, wie sehr er sich entsetzen würde (besonders +mit welchen Nachwehen von Schlagflüssen, + +<span class="sidenote-l"><sup>158</sup> Der Staat sollte öfter die Maul- und Kindertrommeln +der Dichter nicht mit Regiments- und +Feuertrommeln verwechseln; wieder umgekehrt sollte +der Bürger manche fürstliche Trommelsucht nur für +eine Krankheit nehmen, worin der Patient bloß +durch die unter die Haut eingedrungene Luft sehr +aufgeschwollen ist.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_51">51</a></span> +fallenden Suchten und so weiter), +falls nichts als bloß seine so lebhafte Phantasie +irgendein Fieber und Vexierbild vor +ihn in die Lüfte hineinhinge.« – – »Man +sollte daher«, fiel mein Schwager, wider Gewohnheit +moralisierend, ein, »das so arme +Schaf von Mann auch gar mit keinem Geisterspuk +foppen, der Hase kann ja auf der Stelle +auf dem Platze bleiben.«</p> + +<p>Ein lautes Gewitter, das dem Postwagen +nachfuhr, veränderte den Diskurs. Ihr, +Freunde, erratet wohl alle – da ihr mich +nicht als einen Mann ohne alle Physik kennen +lernen – meine Maßregeln gegen Gewitter: + +<span class="sidenote-r"><sup>89</sup> In großen Städten lebt der Fremde die ersten +Tage nach seiner Ankunft bloß von seinem Gelde +im Gasthofe, erst darauf in den Häusern seiner +Freunde umsonst; langt man hingegen auf der Erde +an, wie z. B. ich, so wird man gerade die ersten +Jahre hindurch höflich freigehalten, in den andern +und längern aber – denn man bleibt oft sechzig +Jahre – muß man wahrhaftig (ich habe die Dokumente +in Händen) jeden Tropfen und Bissen bezahlen, +als wäre man im großen Gasthofe zur Erde, +was noch dazu wahr ist.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_52">52</a></span> +ich setze mich nämlich auf einen Sessel mitten +in der Stube (oft bleib' ich bei bedenklichem +Gewölk ganze Nächte auf ihm), und decke +mich durch mein Reinigen von allen Leitern, +Ringen, Schnallen und so weiter und durch +mein Absitzen von allen Blitzabsprüngen immer +so, daß ich kaltblütig die Sphärenmusik der +Donnerpauke vernehme. – Diese Vorsicht hat +mir nie geschadet, da ich ja dato noch lebe; +und ich wünsche mir noch heute Glück, daß +ich einmal aus der Stadtkirche, ob ich gleich +tags vorher gebeichtet hatte, ohne weiteres +und ohne vorher das Abendmahl zu nehmen, +ins Gebeinhaus hinausgelaufen, weil ein +schweres Gewitter (was wirklich in die Kirchhofslinde +einschlug) darüber stand; – ich +kam auch sogleich nach der Entladung der +Wolke aus dem Gebeinhaus in die Kirche +zurück und war so glücklich, noch hinter dem + +<span class="sidenote-l"><sup>112</sup> Ich sage aber nein. Der Mensch stelle sich +so wie seinen Hut – wenn er sich und diesen +nicht gerade gebraucht – beide, um sie zu +schonen, so lange auf den <em class="gesperrt">Kopf</em>, bis <ins title="fehlt im Original">er</ins> wieder +getragen wird.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_53">53</a></span> +Henker (als dem letzten) zu kommen und das +Liebesmahl zu genießen.</p> + +<div class="figcenter" style="width: 301px;"> +<img src="images/flucht.png" width="301" height="500" alt="und floh dann mit vollen Segeln auf geradewohl und geradeaus den Kürzesten Weg hindurch ..." title="" /> +</div> + +<p>So denk' ich für meine Person; aber leider, +im vollen Postwagen traf ich Menschen, denen +Physik wahre Narretei ist. Denn als die Gewitter +sich fürchterlich über unsern Kutschenhimmel +versammelten und prasselnde Feuerklumpen, +als wären's Johanniswürmchen, im +Himmel umherspielten; und als ich endlich +ersuchen mußte, das schwitzende Postkonklave +möchte nur wenigstens Uhren, Ringe, Gelder +und dergleichen zusammenwerfen, etwa in die +Wagentaschen, damit kein Mensch einen Leiter +am Leibe hätte: so tat's nicht nur keiner, +sondern mein eigener Schwager, der Dragoner, +stieg gar mit gezogenem nackten Degen auf +den Bock hinaus und schwur, er leite ab. +Ich weiß nicht, war der desperate Mensch +ein gescheiter oder keiner; kurz, unsere Lage + +<span class="sidenote-r"><sup>10</sup> Die Weltepochen feiern – wie die spanischen +Könige – Regierungsantritt, Volljährigkeit, Vermählung +– gern mit Scheiterhaufen (Autodafés, +Tressenausbrennungen der Weisen oder auch der +Irrgläubigen).</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_54">54</a></span> +war fürchterlich, und jeder konnte ein gelieferter +Mann sein. Zuletzt bekam ich gar +einen halben Zank mit zweien von der rohen +Menschenfracht der Kutsche, dem Vergifter +und der Hure, weil sie fragend fast zu verstehen +gaben, ich hätte vielleicht bei dem angepriesenen +Preziosenpicknick nicht die ehrlichsten +Anschläge gehabt. So etwas verwundet +die Ehre mit Gewalt, und in mir donnerte +es nun stärker als oben; dennoch mußt' +ich den ganzen nötigen Erbitterungswortwechsel +so leise und langsam als möglich +führen und haderte sanft, damit nicht am +Ende eine ganz in Harnisch gebrachte Kutsche +in Hitze und Schweiß geriete, und in unsere +Mitte so den nahen Donnerkeil auf Ausdünstungen +durch den Kutschenhimmel herabfahren + +<span class="sidenote-l"><sup>144</sup> Der Rezensent gebraucht seine Feder eigentlich +nicht zum Schreiben, sondern er weckt mit deren +Brandgeruch Ohnmächtige auf, kitzelt mit ihr den +Schlund des Plagarius zum Wiedergeben, und +stochert mit ihr seine Zähne aus. Er ist der einzige +im ganzen gelehrten Lexikon, der sich nie ausschreiben +und ausschöpfen kann, er mag ein Jahrhundert oder +ein Jahrtausend vor dem Tintenfasse sitzen. Denn</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_55">55</a></span> +ließe. Zuletzt setzt' ich der Gesellschaft +das ganze elektrische Kapitel deutlich, aber +leise und langsam – ich wollte nicht ausdampfen +– auseinander und suchte besonders +von der Furcht abzuschrecken. Denn, in der +Tat, vor Furcht konnte jeden der Schlag – ja +ein doppelter, mit dem elektrischen ein apoplektischer +– treffen, da aus Erxleben und +Reimarus genug bewiesen ist, daß starkes +Fürchten durch Dünsten den Strahl zulockt; +ich stellte daher in ordentlicher Angst vor +meiner und fremder Furcht den Passagieren +vor, daß sie jetzt durchaus bei unserer schwülen +Menge, bei dem die Blitze spießenden Degen +auf dem Kutschbock, <ins title="unb">und</ins> bei dem Überhang +der Wetterwolke, und selber bei so vielen +Ausdünstungen anfangender Furcht, kurz, bei + +<span class="sidenote-r">indes der Gelehrte, der Philosoph und der Dichter +das neue Buch nur aus neuem Stoff und Zuwachs +schaffen, legt der Rezensent bloß sein altes Maß +von Einsicht und Geschmack an tausend neue Werke +an, und sein altes Licht bricht sich an der vorbeiziehenden, +stets verschieden geschliffenen Gläserwelt, +die er beleuchtet, in neue Farben.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_56">56</a></span> +so augenscheinlicher Gefahr nichts fürchten +dürften, wollten sie nicht samt und sonders +erschlagen sein. »O, Gott,« rief ich, »nur +Mut! Keine Furcht! Nicht einmal Furcht vor +der Furcht! – Wollen wir denn als zusammengetriebene +Hasen hier seßhaft, von unserem +Herrgott erschossen sein? – Fürchte sich +meinetwegen jeder, wenn er aus der Kutsche +heraus ist, nach Belieben an anderen Orten, +wo weniger zu besorgen ist, nur aber nicht +hier.«</p> + +<p>Ich kann nicht entscheiden – da unter +Millionen kaum ein Mensch an der Gewitterwolke +stirbt, aber vielleicht Millionen an +Schnee- und Regenwolken und dünnen Nebeln +– ob meine Kutschenpredigt auf Menschenrettungspreise +Anspruch zu machen hatte, als +wir sämtlich unbeschädigt, einem Regenbogen +entgegen, in das Städtchen Vierstädten einfuhren, +wo ein Posthalter in der einzigen +Gasse wohnte, die der Ort hatte. + +<span class="sidenote-l"><sup>107</sup> Deutschland ist ein langes, erhabenes Gebirge +– unter dem Meer.</span></p> + +<div class="figcenter" style="width: 300px;"> +<img src="images/riese.png" width="300" height="500" alt="Aus der hohen Posthauspforte trat / tief sich bückend / der Riese heraus" title="" /> +</div> + + + + +<div class="new-h3"> </div> +<p><span class="pagenum"><a name="Page_57">57</a></span></p> +<h3 class="gesperrt">Zweite Station, von Vierstädten nach +Niederschöna.</h3> + + +<p>Der Posthalter war ein grober Patron und +ein Schläger; eine Gattung von Menschen, die +ich unaussprechlich hasse, weil meine Phantasie +mir immer vorspiegelt, ich könnte vielleicht +aus Zufall oder Widerwillen ihnen ein recht +höhnisches und impertinentes Gesicht schneiden, +und mir solche Gesellen auf den Hals hetzen, +und darauf spür' ich schon Ziehen von Mienen. +Zum Glück konnt' ich diesmal (gesetzt, ich +hätte ein Fehlgesicht geschnitten) mich mit +meinem Schwager, dem Dragoner, bewaffnen, +für dessen Riesenmacht dergleichen ein Leckerbissen +ist. Denn er kann zum Beispiel vor +keinem Wirtshause, worin eine Schlägerei +laut wird, vorbeigehen, ohne hineinzutreten +und sogleich unter der Türe zu schreien: +»Macht Friede, ihr Hunde!« darauf unter + +<span class="sidenote-r"><sup>18</sup> Unter Selbststillen versteht man nicht, wie beim +tatzensaugenden Bären, daß man sich selber an die +eigene Brust lege, sondern daß man andere nicht +durch andere säugen lasse: so aber sollte auch das +Wort Selbstliebe im Gebrauche sein.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_58">58</a></span> +seinem Schein von Friedensdeputation nimmt +er ohne Verzug, als wär' es eine amerikanische +Friedenspfeife, das nächste Stuhlbein +in die Hand und deckt damit das schlagende +Personal hinüber und herüber zu, oder er +nähert die harten Köpfe der Parteien (er +schlägt sich zu keiner) einander mit Gewalt, +indem er in jede Hand einen am Hinterkopfe +faßt; dann ist der Kauz im Himmel.</p> + +<p>Ich für meine Person vermeide diskrepante +Zirkel mehr, als daß ich sie aufsuche, sowie +auch jeden toten oder totgemachten Menschen; +– der vorsichtige Mann sieht leicht voraus, +was davon zu holen ist, entweder verdrießliches +und mißliches Zeugschaftgeben, oder oft +gar (wenn die Umstände sich verschwören) +peinliches Nachfragen über Mitschuld. + +<span class="sidenote-l"><sup>97</sup> Daher schließ' ich, daß Schmelzle gut predigt, +schon aus seinen vielen Kenntnissen und Wortspielen. +Die theologische Welt auf Kathedern, noch +mehr die auf Kanzeln, verdient das Lob, daß sie +gleichsam der Lichtsammler oder Lichtfang oder +Lichtmagnet der besten Strahlen und Entdeckungen +ist, die aus andern Wissenschaften ausgehen, besonders +derer aus der Philosophie und Dichtkunst:</span></p> + +<p><span class="pagenum"><a name="Page_59">59</a></span> +In Vierstädten stieß mir nichts von Wichtigkeit +auf als – zu meinem Grausen – ein +Hund ohne Schwanz, der durch die Stadt +oder Gasse lief. Ich zeigte erbittert im ersten +Feuer den Passagieren den Hund und legte +ihnen die Frage vor, ob sie denn eine medizinische +Polizei für trefflich bestellt ansähen, +welche, wie die Vierstädter es zuließe, daß +Hunde öffentlich herumsprängen, denen der +Schwanz fehlte. »An was«, sagt' ich, »halt' +ich mich denn, wenn dieser weggeschnitten, +und mir jede solche Bestie entgegenrennen, +und ich weder aus dem eingezogenen noch +aufgerichteten Schwanze, da der ganze weggehackt +ist, einen Schluß ziehen kann, ob das +Vieh toll ist oder nicht. So wird der gescheiteste + +<span class="sidenote-r">sie selber entdeckt eigentlich nichts als eben die +passiven Diebsinseln, wo sie ihre Gewürze abholt. +So findet man in Predigten, z. B. in Marezolls +Kanzelstücken einen reichen Fund fremder Erfindungen; +und überhaupt gibt's wenige Entdeckungen +in der Philosophie und Moral, welche ein Jahrfünft +oder Jahrzehnt später, nachdem sie ihren +Schöpfer berühmt gemacht, nicht den Nachschöpfer +in der theologischen Welt – diese Erbin ihrer</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_60">60</a></span> +Mann wütig und gebissen und scheitert +bloß aus Mangel eines Schweifkompasses.« +Der nachkommende blinde Passagier (er ließ +sich jetzt als sehender einschreiben, Gott weiß +zu welchen Endzwecken) spann vor mir meinen +eigenen Satz, dem er zugehört, fast bis ins +Komische aus, und erregte zuletzt in mir den +Verdacht, er mache durch eine, aber sehr starke +Schmeichelnachahmung meines Sprechstils +Jagd auf mich. »Der Hundeschwanz«, sagt' +er, »ist wohl für uns Alarmstange und Irrenanstalt, +damit man in keine komme, gleichsam +die äußeren Vorposten der Wut – man +schneide den Kometen den Schwanz, den Bassen +den Roßschweif, den Krebsen den ihrigen (denn +ausgestreckter bedeutet krepierte) ab: so ist man + +<span class="sidenote-l">Magd, der Philosophie – noch zehnmal größer und +reicher gemacht hätten, sobald er nur Kanzelwasser +genug zum Einflößen der fremden Bissen (<i>boli</i>) +aufgegossen hatte. Aber hier möcht' ich gern auf +einen Unterschied der meisten lutherischen Prediger +von den Mönchen zeigen, der nicht ganz zum +Nachteil der ersteren ausschlägt. Der Mönch darf +(<i lang="la" xml:lang="la">C. Q. X. de stat. monach.</i>) nichts Eigenes haben, +bei Strafe unehrlichen Begräbnisses, und jedes</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_61">61</a></span> +in den gefährlichen Angelegenheiten des Lebens +ohne Leitseil, ohne Avertisseur, ohne Hand in +<i lang="la" xml:lang="la">margine</i> – und man kommt um, ohne vorher +zu wissen wie.«</p> + +<p>Übrigens lief diese Station ohne Zank und +Not vorüber. Alles schlief gegen zehn Uhr +ein, sogar der Postillion, außer ich. Ich stellte +mich zwar schlafend, um zu beobachten, wer +sich etwa aus guten Gründen nur schlafend +stelle; aber alles schnarchte fort, der Mond +warf seine verklärenden Strahlen nur auf +herabgesunkene Augenlider.</p> + +<p>Herrlich konnt' ich jetzt Lavaters Rat befolgen, +an Schlafende vorzüglich die physiognomische +Elle anzusetzen, weil der Schlaf +wie der Tod die echte Form gröber ausprägt. + +<span class="sidenote-r">Eigentum wird ihm als Kirchenraub <ins title="angerechent">angerechnet</ins>. +Mich dünkt aber, der lutherische Kanzelredner +demütigt und entäußert sich weit mehr, wenn er +auch, im höheren Geistigen, wo er noch schön und +frei zu wählen hat – da über das Eigentum des +körperlichen ohnehin in seinem Namen das Kammerkollegium +das Armutsgelübde ablegt – kurz, wenn +er, was Gedanken anlangt, gar nichts Eigenes hat +und haben will.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_62">62</a></span> +Andere Schläfer außerhalb der Postkutsche +würd' ich mit gedachter Elle weniger auszumessen +raten, immer in einiger Besorgnis +bleibend, daß etwa ein Kerl, der sich nur +schlafend stellte, sogleich, als ich nahe genug +stände, wie im Traume aufspränge, und dem +physiognomischen Meßkünstler in die eigene +Gesichtsbildung einen so hinterlistigen Fauststreich +versetzte, daß sie in keinem physiognomischen +Fragmente, weil sie selber eines geworden, +mehr florieren könnte, weder in punktierter +Manier, noch in geschabter. Und kann +denn nicht der ehrlichste Schläfer von der +Welt, eben während ihr über dessen physiognomische +Leichenöffnung her seid, losschlagen, +von der Ehre in einem Prügeltraume angehetzt, +und euch vielleicht mit wenigen Handgriffen +und Fußtritten in einen viel ewigeren +Schlaf einwiegen, als der gewesen, woraus +er aufgefahren?</p> + +<p>In meinem sogenannten silhouettierenden + +<span class="sidenote-l"><sup>71</sup> Der Jüngling ist aus Willkür sonderbar und +freuet sich; der Mann ist's unabsichtlich und gezwungen +und ärgert sich.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_63">63</a></span> +Schattenspiele kommt der Gesichterinhalt der +schlafenden Postkutsche selber vor; erst darin +werde ich euch breit belegen, warum mir der +Giftträger mit der Mordkuppel teuflisch erschienen +– der Zwerg altkindisch – die Hure +matt- und schlafffrech – mein Schwager +ruhiggesättigt von Rache oder von Essen – +der Legationsrat Jean Pierre aber, Gott weiß +warum, als ein halber Engel, wiewohl er sich +denken läßt, der halbe Engel, da nur der +schöne Körper, nicht die andere im Schlaf +vergangene Hälfte, die Seele, vor mir wirkte.</p> + +<p>Beinahe vergäß' ich's, daß ich doch in +meinem Dörfchen, während beide Schwäger, +der Dragoner und der Postillion, tranken, +eine kleine Furcht glücklich bestanden, weil +das Schicksal zweimal auf meiner Seite gewesen. +Ich sah unweit eines Jagdschlosses +neben einem schönen Baumklumpen eine weiße +Tafel mit schwarzer Inschrift schimmern. Dies +ließ mich hoffen, daß mich dort ein kleines +Sargkunstwerk, ein Ehrenpfahl, irgendein + +<span class="sidenote-r"><sup>198</sup> Der Pöchel und das Vieh schwindeln auf keinem +Abgrundsabhang, aber wohl der Mensch.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_64">64</a></span> +Treff-, Zier- und Spießdank für einen Toten +erwarte. Auf einem unbetretenen blumigen +Gewinde lang' ich vor dem Schwarz auf +Weiß an und lese im Mondschein mit Entsetzen: +»Jedermann wird hier vor dem Selbstschuß +gewarnt!« So stand ich also vielleicht +einen Fußzehennagel breit von dem Büchsenhahn, +womit ich, wenn ich die Ferse rückte, +mich selber als einen verblüfften Stocknarren +und Ladstock in die andere Welt, unter die +Seligen hineinschoß. Ich suchte vor allen +Dingen mich mit den Fußnägeln in den Boden +wie einzubeißen und einzufressen – weil +ich wenigstens so lange am holden Leben +bleiben konnte, als ich mich fest pflöckte neben +der daliegenden Atroposschere und Henkersbühne; +– darauf wünscht' ich mich zu entsinnen, +auf welchen Steigen der Teufel mich +unerschossen herbeigeführt. Aber vor Angst +hatt' ich alles ausgeschwitzt und wußte gar +nichts, – im nahen Höllendorf war kein + +<span class="sidenote-l"><sup>11</sup> Das goldene Kalb der Selbstsucht wächst bald +zum glühenden Phalarisochsen, der seinen Vater +und Anbeter einäschert.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_65">65</a></span> +Hund zu ersehen und zu erschreien, der mich +etwa aus dem Wasser hätte holen können, +und die beiden Schwäger soffen selig. Indes, +ich faßte Mut und Entschluß – schrieb auf +einem Pergamentblatte meinen letzten Willen +sowie meine zufällige Sterbart nieder, und +meinen Todesdank ans Bergelchen – und +flog dann mit vollen Segeln auf Geratewohl +und geradeaus den kürzesten Weg hindurch, +unter der Voraussetzung, mich bei jedem +Schritte niederzuschießen und mir so mit +eigener Hand auf mein noch langes Lebenslicht +den <i lang="fr" xml:lang="fr">Bonsoir</i> oder Lichttöter zu setzen. +Aber ohne Schuß kam ich an. In der Schenke +lachte freilich mehr als ein Narr über mich, +weil, was nur ein Narr wissen konnte, die +Warnungstafel schon seit zehn Jahren ohne +Schüsse dageblieben, wie oft diese ohne jene. + +<span class="sidenote-r"><sup>103</sup> Das männliche Schmarotzergewächs an den +weiblichen Rosen und Lilien muß (wenn ich dessen +Schmeicheln recht fasse) wahrscheinlich bei den +Schönen die Sitte der Italiener und Spanier +voraussetzen, welche jede Kostbarkeit dem zum Geschenk +anbieten, der solche sehr lobt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_66">66</a></span> +So aber steht's, ihr Freunde, mit unserer +Jagdpolizei, die gegen alles warnt, nur nicht +gegen Warnungstafeln.</p> + +<p>Übrigens hatt' ich auf der ganzen Station +leichte Händel mit dem Postillion, weil er +nicht von Viertelstunde zu Viertelstunde halten +wollte, wenn ich ausstieg, um zu ...... +Leider sind freilich von Postknechten keine +Urinpropheten zu erwarten, da so selten Gelehrte +aus Hallers großer Physiologie es +wissen, daß Aufschieben der gedachten Sache +teuflisches Steingut niederschlägt und zuletzt +den Inhaber selber, weil diese Steingrube +seltener der Blasenschneider als der Tod mit +einem Grabe schließt. Hätten Postknechte gelesen, +daß Tycho de Brahe wie eine Bombe +am Zerspringen starb: sie hielten lieber an; +sie fänden bei solchen, mir so unerwarteten +Kenntnissen es vernünftig, daß ein Mann + +<span class="sidenote-l"><sup>199</sup> Aber wenige gegenwärtige Staaten, glaub' ich, +köpfen unter dem Vorwande, zu trepanieren – +oder heften (in einer gesuchtern Allegorie) die Lippen +zusammen unter dem Vorwand, deren Hasenscharten +zuzunähen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_67">67</a></span> +seinen Leichenstein zwar einmal auf sich, aber +nicht in sich tragen will. Bin ich denn nicht +sogar in Weimar oft aus den längsten Abschiedsauftritten +Schillers mit Tränen in den +Augen hinausgelaufen, bloß um (während +seine Minerva mich im ganzen erweichte) +nicht von deren Medusenkopf auf der Brust +partiell versteinert zu werden? Und kam ich +nicht ins weinende Komödienhaus zurück und +viel munterer in die allgemeine Rührung ein, +weil ich dann nichts mehr zu erleichtern +brauchte als mein Herz?</p> + +<p>Sehr im Finstern kamen wir in Niederschöna +an.</p> + + + + +<h3 class="new-h3 gesperrt">Dritte Station, von Niederschöna +nach Flätz.</h3> + + +<p>Als ich am Posthause, mit den Augen auf +meinen Mantelsack geheftet, in Gedanken dastehe: +schmettert und schnaubt ein Vieh von +Nachtwächter mir so nahe und unversehens + +<span class="sidenote-r"><sup>12</sup> Die Einzelwesen haben Lehrjahre, die Staaten +Lehrjahrhunderte; – aber sind beide freigesprochen, +so sind doch wieder Lehrstunden und Sonntagsschulen +nachzuholen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_68">68</a></span> +mit seiner Nachttuba ins Ohr, daß ich ordentlich +zurückspringe, ich, den schon jede heftig-schnelle +Anrede verdrießt. Gibt's denn keine +medizinische Polizei gegen solche geblasene +Stundenlärmfidibus und -Lärmkanonen, durch +welche doch keine knallenden entbehrlich +werden? Eigentlich sollte niemand mit dem +Nachtwächterhorne investieret werden als +ein vernünftiger Mann, der sich schon einen +Bruch geblasen oder gehoben hätte und der +imstande wäre, seinen Stundenvers so leise +abzusingen, daß man gar nichts hörte.</p> + +<p>Was ich längst erwartet und der Zwerg +vorausgesagt, traf jetzt ein: aus der hohen +Posthauspforte trat tief sich bückend der Riese +heraus und hob im Freien eine unvernünftig +große Statur und dito Kopf mit der ellenhohen + +<span class="sidenote-l"><sup>67</sup> Gastfreiheitswirt, willst du deinen Gast erforschen? +Begleite ihn zu einem andern Wirte und höre zu! +– Ebenso: willst du deine Geliebte in einer Stunde +besser kennen lernen als in einem Monat Zusammenlebens? +Sieh ihr eine Stunde lang unter +Freundinnen und Feindinnen (wenn dies kein Pleonasmus +ist) zu!</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_69">69</a></span> +Mütze und Feder empor; mein Schwager +ihm zur Seite schien nur sein vierzehnjähriger +Sohn zu sein, und der Zwerg gar sein auf +zwei Beinen aufwartendes Schoßhündchen. +»Lieber Freund,« sagte mein neckender Schwager, +der ihn an mich und die Postkutsche geleitete, +»steig' Er ruhig ein, wir machen Ihm +sämtlich gern Platz. Kremp' Er sich nur recht +zusammen, und leg' Er den Kopf aufs Knie; +so geht's.« Der unnütze Necker hätte so gern +den fast einfältigen Giganten – dem er's +bald abgemerkt, daß dessen Gehirn kein schlauer +Gast, sondern die negative Größe seines +Rumpfes war – unter uns im bangen Postschrank +und Notstall vor sich gesehen zu einem +Giespuckel eingeknüllt und krumm geschlossen. +»Giht doch nit! Giht gar nit!« sagte der +Riese, als er hineinsah. »Der Herr Soldat +wissen vielleicht nicht,« versetzte der Zwerg, +»wie groß ein Riese ist; und Er denken, weil + +<span class="sidenote-r"><sup>80</sup> Im Sommer des Lebens graben und statten die +Menschen Eisgruben so gut als möglich aus, um +sich doch für ihren Winter etwas aufzuheben, was +fortkühlt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_70">70</a></span> +ich hineingehe. – Aber das ist ein anderes +Loch. – Ich will überall hineinpassen, man +sage mir nur wo.« –</p> + +<p>Kurz, es war kein Ausweg für den Postmeister +und den Riesen, als daß sich dieser +hinten auf das Passagierwarenlager stellte +und setzte, sich als eine Tränenweide herüberbeugend +über den ganzen Kutschkasten. Mich +selber konnte ein solcher Rückenwind und +Rückhalt nicht außerordentlich ergötzen; und +ich traue (hoff' ich) jedem von euch, ihr +Freunde, zu, daß er hinter einem Rückendekret +so gut und so hell wie ich überschlagen +hätte, was ein Kerl und Riese hinter ihm, +ein Nachfahrer in allerlei Sinne, etwa Mordendes, +probieren könne, es sei nun, daß er +durch das Rückenfenster des Wagens einbräche +und angreife oder sich überhaupt mit +Titanenmacht oben über den Kutschenhimmel +hermache. Indessen fing der oben mit gekreuzten + +<span class="sidenote-l"><sup>28</sup> Es ist mir unmöglich, sogleich auf der Stelle +unter dem Wasserästen-Wald von Anspielungen in +meinen Werken – sogar diese ist wieder ein Ast +– herauszubringen und darauf zu fallen, ob ich je</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_71">71</a></span> +Armen auf dem Kasten liegende Elefant +– der aber von seinem Gleichnis mehr +die drückende Masse als das fliegende Geisteslicht +zu haben schien – bald zu schlafen und +zu schnarchen an; ein Elefant, wovon (wie +ich immer froher einsah) mein Schwager, der +Dragoner, leicht der Kornak und Bändiger +sein konnte, ja schon gewesen war.</p> + +<p>Da jetzt mehr als eine Person schlafen +wollte, aber (mit Recht) ich hingegen wachen: +so bot ich gern meinen Fahrehrensitz, den +Vordersitz (auch um manchen Neid der Passagiere +zu tilgen), solchen Personen an, die auf +ihm ein wenig schlummern wollten. Der Legationsmann +ergriff das Anerbieten und den +Lehnpolster mit Hast und entschlief an der +Rücklehne des Titans hinter ihm. Etwas unbegreiflich +blieb mir dergleichen Postschlaf +von einem diplomatischen <i lang="fr" xml:lang="fr">Chargé d'affaires</i>. +Ein Mann, der so mitten unter einer blutfremden, + +<span class="sidenote-r">die sämtlichen Höfe oder Höhen die (Bouguersche) +Schneelinie Europas genannt habe oder nicht, ich +wünschte aber Belehrung darüber, um es im widrigen +Falle etwa noch zu tun.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_72">72</a></span> +oft blutdürstigen Genossenschaft entschläft, +kann ja, wenn er im Schlummer und +Wagen spricht (denkt nur alle an den sächsischen +Minister vor dem Siebenjährigen Kriege!) +hundert Geheimnisse, tausend Schandtaten +herausstoßen, die er kaum verübt hat. Sollte +nicht jedem Minister, Gesandten oder anderen +Mann von Ehre oder Stand ordentlich grausen +vor Tollwerden oder hitzigen Fiebern, da +ihm kein Mensch dafür steht, daß er nicht +darin mit den größten Skandalen herausfährt, +wovon vielleicht die Hälfte Lügen sind?</p> + +<p>Endlich, nach der langen Juliusnacht, kamen +wir Passagiere samt der Aurora vor Flätz an. +Ich sah scharf und weich nach den Turmspitzen; +ich glaube, daß jeder Mensch, der in +einer Stadt etwas Entscheidendes zu suchen + +<span class="sidenote-l"><sup>36</sup> Und so wünscht' ich überall der erste zu sein, besonders +im Betteln; der erste Kriegsgefangene, der +erste Krüppel, der erste Abgebrannte (ähnlich dem, +der die erste Feuerspritze anführt) erbeutet die +Hauptsumme und das Herz; der Nachkömmling +spricht die Pflicht nur an; und endlich geht es mit +dem melodischen Mancando des Mitleids soweit</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_73">73</a></span> +hat, und dem sie entweder ein Richtplatz seiner +Hoffnungen oder deren Ankerplatz, entweder +Schlacht- oder Zuckerfeld wird, sein Auge am +ersten und längsten auf die Türme der Stadt +als auf die Zeigefinger und Züngelchen seiner +Zukunftswage heftet; gleichsam architektonische +Berge, welche wie die natürlichen die Thronen +unserer Zukunft sind. Als ich mich damit zu +dichterisch gegen Jean Pierre herausließ, so +antwortete er geschmacklos genug: »Die Türme +solcher Städte sind ja die Alpenspitzen, worauf +wir den Alpenkäse unserer Zukunft suchen +und melken.« Mochte der Legations-Peter mit +diesem Stile mich lächerlich machen oder nur +sich? – Entscheidet!</p> + +<p>»Hier ist der Ort, die Stadt,« sagt' ich +heimlich zu mir, »wo heute viel und über + +<span class="sidenote-r">herunter, daß der letzte – wenn der vorletzte wenigstens +noch mit einem reichen »Gotthelf« beschwert +abzieht – nichts von der mildtätigen Hand mehr +erhält als deren Faust. Wie nun im Betteln der +erste, so möcht' ich im Geben der letzte sein; einer +löscht den andern aus, besonders der letzte den +ersten; so aber ist die Welt bestellt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_74">74</a></span> +Zukünfte entschieden wird, wo du diesen +Abend um fünf Uhr deine Bittschrift und +halb dich selber übergibst; – geh' es doch +gut! geh' es herrlich! Werde Flätz, dieser +Waffenplatz deiner kleinen Bestrebungen, zugleich +die Baustelle von Lust- und Luftschlössern +zweier Herzen, des deinigen und des weiblichen!«</p> + +<p>Im Gasthofe zum Tiger stieg ich ab.</p> + + + + +<h3 class="new-h3 gesperrt">Erster Tag in Flätz.</h3> + + +<p>Kein Mensch wird sich anfangs in meiner +Tigerhotelslage stark enthusiasmieren über die +nächsten Aussichten. Ich, als der einzige mir +bekannte Mensch, besonders von der Seite +der Liebe (vom abgehenden Dragoner nachher!), +sah aus den Fenstern des mit Marktgästen +sich vollstopfenden Gasthofes heraus +und auf das Nachströmen des Marktheeres + +<span class="sidenote-l"><sup>136</sup> Übersteigt ihr eure Zeit zu hoch, so geht es euren +Ohren (von seiten der Fama) nicht viel besser, +als sinkt ihr unter solche zu tief, wirklich ganz +ähnlicherweise spürte <em class="gesperrt">Charles</em> oben in der Luftkugel, +und <em class="gesperrt">Halley</em> unten in der Taucherglocke +gleichen besonderen Schmerz in den Ohren.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_75">75</a></span> +hernieder und konnte sehr bald bedenken, daß +eigentlich niemand als Gott und die Spitzbuben +und Mörder genau wußten, wieviel +von beiden letzteren darunter mit einschwämmen, +um vielleicht die unschuldigsten Marktgäste +teils zu enthülsen, teils zu enthalsen. +Meine Lage hatte etwas gegen sich – mein +Schwager hatte, weil er alles blind herausschlägt, +es fallen lassen, daß ich im Tiger +abstiege – (o Gott, wann lernen solche +Menschen geheimnisreich bleiben und auch +den elendesten Bettel des Lebens unter Deckmänteln +und Schleiern bloß deshalb zu tragen, +weil so oft eine lausige Maus einen Eis- und +Golgathaberg gebiert als ein Berg eine Maus?). +Sämtliches Postgesindel saß sämtlich im Tiger +ab – die Hure – der Kammerjäger – +Jean Pierre – der Riese, der schon am +Stadttore ausstieg und den Großkopf des + +<span class="sidenote-r"><sup>25</sup> In der Jugend sieht man eben wie ein operierter +Blindgeborener – und was tut auch der Geburtshelfer +oder die Geburtshelferin anders als operieren +– die Ferne für die Nähe an, den Sternenhimmel +für greifbares Stubengeräte, die Gemälde für Gegenstände,</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_76">76</a></span> +Zwergs als eigenen Kopf durch Mantelbemäntelung +über die Straßen trug, damit er +um einen halben Zwerg gratis riesenhafter +erschiene, als er eigentlich für Geld zu sehen +war. – –</p> + +<p>Es kam nun auf jeden ausgestiegenen Passagier +an, ob er zum Tiger, dem Wappentiere +des Gasthofs, den Prototypus machen, und +welches Lamm er dann fressen, aussaugen, +abrupfen wollte. Auch mein Schwager verließ +mich, um einem Roßtäuscher nachzuziehen, +behielt aber für seine Schwester sein Zimmer +neben meinem; dies sollte, wie es schien, Aufmerksamkeit +für sie verraten. Ich blieb einsam +meiner Tatkraft überlassen.</p> + +<p>Gleichwohl dacht' ich unter so vielen Spitzbuben, +die mich umzingelten, wenn nicht gar +belagerten, warm an eine ferne, redliche +Seele, an meine Berga in Neusattel, ein +Mark- und Kraftherz, das vielleicht manchem + +<span class="sidenote-l">und die ganze Welt sitzt dem Jüngling +auf der Nase, bis ihn, wie den Blinden, mehrmaliges +Auf- und Zubinden endlich Schein und +Ferne schätzen lehrt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_77">77</a></span> +schwachen Ehebündner mehr Schutz gewähren, +als verdanken würde. »Erscheine nur morgen +mittags recht bald, Berga,« sagte mein Herz, +»und womöglich noch vormittags, damit ich +dein Jahrmarktsparadies um so viele Stunden +länger ausdehne, als du um frühere anlangst!«</p> + +<div class="figcenter" style="width: 299px;"> +<img src="images/bartscheerer.png" width="299" height="500" alt="... so gab ich dem Feld- und Bartscheerer einen so plötzlichen Stoss auf den Nabel .." title="" /> +</div> + +<p>Ein Geistlicher läuft mitten im Weltsturm +leicht in einen Freihafen ein, in die Kirche; +die Kirchenmauer ist seine Schießhausmauer +und Fortifikation; und dahinter sitzen gleichergestimmte +und friedlichere Seelen beisammen +als auf dem Marktplatz – kurz, ich ging in +die Hofkirche. Inzwischen wurde ich in meiner +Liederandacht ein wenig verrückt durch einen +Heiducken, der einem wohlgekleideten, jungen +Herrn mir gegenüber die Doppellorgnette von +der Nase abriß, weil in Flätz sowie in Dresden + +<span class="sidenote-r"><sup>125</sup> Am Ende muß man noch aus Angst und Not +der wärmste Weltbürger werden, den ich kenne; +so sehr schießen die Schiffe als Weberschiffchen hin +und her und weben Weltteile und Inseln aneinander. +Denn es falle heute das politische Wetterglas +in Südamerika; so haben wir morgen in +Europa Gewitter und Sturm.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_78">78</a></span> +Gläser, die verkleinern und nähern, gegen +den Hof verstoßen; ich hatte zwar selber eins +aufgesetzt, aber es vergrößerte. Ich konnte +mich unmöglich dahin bringen, die Brille abzunehmen, +und ich werde hier, fürcht' ich, +wieder als Starrkopf und Waghals aussehen; +bloß dies hielt ich für schicklich, in einem fort +mit ihr ins Gesangbuch zu blicken und nicht +einmal, da der Hof einrauschte, aufzuschauen, +um Winke zu geben, daß sie erhaben geschliffen. +– Die Predigt übrigens war gut, +wenn auch nicht immer fein bedacht für eine +Hofkirche; denn sie mahnte von unzähligen +Lastern ab, zu deren Widerspielen, den Tugenden, +ein anderer Prediger zu leicht hätte ermahnen +können! Unter dem ganzen Gottesdienste +trachtete ich, wahre, tiefe Ehrerbietung + +<span class="sidenote-l"><sup>19</sup> Leichter, hat man bemerkt, ersteigt man einen +Berg, wenn man rückwärts hinaufgeht. Dies ließe +sich vielleicht auch auf Staatshöhen anwenden, +wenn man ihnen immer nur das Glied wiese, womit +man sich darauf setzt, und das Gesicht gegen +das Volk unten gerichtet hielte, indes man in einem +fort sich entfernte und höbe.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_79">79</a></span> +an den Tag zu legen, sowohl gegen Gott als +gegen meinen erhabenen Landesherrn. Zur +letzteren Ehrerbietung hatte ich noch meinen +Privatgrund; ich wollte solche nämlich recht +öffentlich und stark mit erhabenen Schriftpunzen +auf meinem Gesicht ausprägen, um +irgendeinen eingefleischten Schadenfroh am +Hofe Lügen zu strafen, der etwa meine neuliche +Widerlegung von Linguets Lob auf Nero +und meine deutsche freie Satire auf diesen +wahren Tyrannen selber, die ich ins Flätzische +Wochenblatt eingeschickt, möchte zu einem +heimlichen Charaktergemälde meines Fürsten +umzudrehen beliebt haben. Leider kann man +jetzt kaum auf den höllischen Teufel selber +eine Stachelschrift abfassen, ohne daß irgendein +menschlicher sie auf einen Engel appliziert.</p> + +<p>Als endlich der Hof aus der Kirche in den + +<span class="sidenote-r"><sup>26</sup> Wenige deutsche Gelehrte sind nicht originell, +wenn man anders (wenigstens aller Länder Sprachgebrauch +ist) jedem Originalität zusprechen darf, +der bloß seine eignen Gedanken auftischt und keine +fremden. Denn da zwischen ihrem Gedächtnis, wo +das Gelesene oder Fremde wohnt, und zwischen</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_80">80</a></span> +Wagen stieg, hielt ich mich in solcher Entfernung, +daß mein Gesicht unmöglich wäre +zu sehen gewesen, falls ich etwa in der Nähe +kein ehrerbietiges, sondern ein zu stolzes gezogen +hätte. Gott weiß, wer mir allein jene +tollkecken Phantasien und Gelüste eingeknetet +hat, die vielleicht einem Helden Schabacker +mehr anständen als einem Feldprediger unter +ihm. Ich kann hier nicht umhin, eine der +frechsten, euch, meinen Freunden, zu vertrauen, +würfe sie auch anfangs ein zu grelles Licht +auf mich. Es war bei meiner Ordination +zum Feldprediger, als ich zum heiligen Abendmahle +ging am ersten Ostertag. Während ich +nun so dastand, weich bewegt vor dem Altargeländer +mit der ganzen Männergemeinde +– ja, ich vielleicht stärker gerührt, als einer +darunter, weil ich als ein in den Krieg Ziehender + +<span class="sidenote-l">ihrer Phantasie oder Erzeugungskraft, wo das Geschriebene +und Eigene entsteht, ein hinlänglicher +Zwischenraum und die Grenzsteine so gewissenhaft +und fest gesetzet sind, daß nichts Fremde ins Eigne +und umgekehrt herüber kann, so daß sie wirklich +hundert Werke lesen können, ohne den Erdgeschmack</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_81">81</a></span> +mich ja halb als einen Sterbenden betrachten +durfte, der nun wie ein zu Henkender +die letzte Seelenmahlzeit empfängt – so +warf in mir, mitten in die Rührung von +Orgel und Sang, etwas – sei es nun der +erste Osterfeiertag gewesen, der mich auf +das sogenannte alte christliche Ostergelächter +brachte, oder der bloße Abstich teuflischer +Lagen gegen die gerührtesten – kurz, etwas +in mir (weswegen ich seitdem jeden Einfältigeren +in Schutz nehme, der sonst dergleichen +dem Teufel anschrieb!) – dies Etwas warf +die Frage in mir auf: »gäb' es denn etwas +Höllischeres, als wenn du mitten im Empfange +des heiligen Abendmahls verrucht und spöttisch +zu lachen anfingest?« Sogleich rang ich +mich mit diesem Höllenhund von Einfall herum +– versäumte die stärksten Rührungen, + +<span class="sidenote-r">des eignen einzubüßen oder dasselbe sonst zu ändern: +so ist, glaub' ich, ihre Eigenheit bewährt; und ihre +geistigen Nahrungsmittel, ihre Plinsen, Laibe, +Krapfen, Kaviare und Suppenkugeln werden nicht, +wie nach Büffon die körperlichen, zu organischen +Kügelchen der Erzeugung, sondern erscheinen rein</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_82">82</a></span> +um nur den Hund im Gesichte zu behalten, +und abzutreiben – kam aber von ihm abgemattet +und begleitet vor dem Altarschemel +mit der jammervollen Gewißheit an, daß ich +nun in kurzem ohne weiteres zu lachen anfangen +würde, ich möchte innen weinen und +stöhnen, wie ich wollte. Als daher ich und +ein sehr würdiger alter Bürgermeister uns +miteinander vor dem langen Geistlichen verbeugten +und letzterer mir (vielleicht kam er +mir auf dem niedrigen Kniepolster zu lang +vor) die Oblate in den klemmen Mund steckte: +so spürt' ich schon, daß an den Mundwinkeln +alle Lachmuskeln sardonisch zu ziehen anfingen, +die auch nicht lange an der unschuldigen Gesichtshaut +arbeiteten, als schon ein wirkliches +Lächeln darauf erschien – und als wir uns +gar zum zweiten Male verneigten, so grinste + +<span class="sidenote-l">und unverändert wieder. Oft denk' ich mir solche +Gelehrte als lebendige, aber tausendmal künstlichere +Entriche von Vaukansons Kunstente aus Holz. +Denn in der Tat sind sie nicht weniger künstlich +zusammengefugt als diese, welche frißt und den +Fraß hinten wiederzugeben scheint – zarte Nachspiele</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_83">83</a></span> +ich wie ein Affe. Mein Nebenmann, der +Bürgermeister, redete ganz mit Recht, als +wir hinter den Altar umgingen, mich leise +an: »Um Gottes willen, sind Sie ein ordinierter +Prediger oder ein Pritschenmeister? +– Lacht denn der lebendige Gottseibeiuns +aus Ihnen?« – »Ach, Gott! wer denn sonst?« +sagt' ich; erst nachher bracht' ich meine Andacht +ernsthafter zu Ende.</p> + +<p>Aus der Kirche – (ich komme wieder in +die Flätzer) – ging ich in den Gasthof zum +Tiger und aß an der Wirtstafel, weil ich +nie menschenscheu bin. Vor dem zweiten Gerichte +reichte mir der Kellner einen leeren +Teller, worauf ich zu meinem Erstaunen einen +französischen Vers mit der Gabel eingekratzt +erblickte, der nichts Geringeres enthielt als +ein Pasquill auf den Kommandanten von + +<span class="sidenote-r">der Ente, welche unter dem Schein, die Kost +in Blut und Saft verwandelt zu haben, bloß einen, +vom Künstler im Hinterleibe trefflich vorgerüsteten +Auswurf, der mit Speise und Verdauung gar nicht +zusammenhängt, illusorisch in die Welt setzt und +drückt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_84">84</a></span> +Flätz. Ohne Umstände bot ich den Teller der +Tischgesellschaft hin und sagte, ich hätte +das pasquillantische Geschirr, wie sie sähen, +eben bekommen, und bäte sie zu bezeugen, +daß der Handel mich nichts angehe. Ein +Offizier wechselte sogleich mit mir Teller. +Bei dem fünften Gericht durft' ich mich über +die chemisch-medizinischen Unkenntnisse der +Tischgesellschaft verwundern, indem ein Hase, +aus welchem ein Herr mehrere Schrotkörner, +das heißt also ein mit Arsenik versetztes und +durch den warmen Essig nun aufgelöstes Blei, +öffentlich herausgezogen und vorgezeigt hatte, +von den Zuschauern (mich ausgenommen) +lustig fortgespeist wurde.</p> + +<p>Unter den Tischgesprächen faßte mich eins +gewaltig bei meiner schwachen Seite, bei +meiner Ehre. Es wurde nämlich der Gerichtsgebrauch +der Residenz erzählt, daß ein unzüchtiges +Mädchen jeden, wen eine Dirne +dazu wähle, in den Vater ihres Wurms verkehren + +<span class="sidenote-l"><sup>15</sup> Nach Ähnlichkeit der schön polierten englischen +Einlegmesser gibt's auch Einlegkriegsschwerter, oder +– mit andern Worten – Friedensschlüsse.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_85">85</a></span> +könne bloß durch ihr Eidwort. »Schrecklich!« +sagt' ich, und mir stand das Haar zu +Berg. – »Auf diese Weise kann sich ja der +erste beste Hausvater mit Frau und Kindern, +oder ein Geistlicher, der im Tiger logiert, +von der ersten <ins title="schimmsten">schlimmsten</ins> Aufwärterin, die +er oder die ihn leider abends zufällig kennen +lernen, um Ehre und Unschuld gebracht sehen?« +Ein ältlicher Offizier fragte: »Soll denn aber +das Mädchen sich lieber zum Teufel schwören?« +Welche Logik! – »Oder gesetzt,« fuhr ich +ohne Antwort fort, »ein Mann reist mit +jenem Wiener Schlossergesellen, der nachher +Mutter wurde und mit einem Söhnchen niederkam, +oder mit irgendeinem verkleideten +Ritter d'Eon, mit dem er häufig übernachtet; +und der Schlossergeselle oder der Ritter dürfen +dann ihre Beilager beeidigen: so kann ja kein +zarter Mann zuletzt mehr mit einem anderen +reiten und fahren, weil er nicht weiß, wann +dieser die Stiefel auszieht und die Weiberschuhe +an, und ihn dann zum Vater schwört +und sich zum Teufel?«</p> + +<p>Aber einige von der Tischgesellschaft vergriffen +<span class="pagenum"><a name="Page_86">86</a></span>sich in meinem Kanzelfeuer so sehr, +daß sie schafsmäßig zu glauben andeuteten: +ich selber sei in diesem Punkt nicht richtig, +sondern lax. Beim Himmel! ich wußte da +nicht mehr, was ich fraß und sprach. Zum +Glücke wurde mir gegenüber eben die Lüge +irgendeiner französischen Niederlage ausgesagt; +da ich nun an den Straßenecken die +französische und deutsche Proklamation angesehen, +welche jeden, der Kriegsberichte – +nämlich nachteilige – anhört, ohne sie anzuzeigen, +vor das Kriegsgericht bestellt: so +konnt' ich als ein Mann, der sich nie gern +vergessen will, wohl nichts Klügeres tun, +als davongehen mit leeren Ohren und nur +dem Wirte rapportieren warum.</p> + +<p>Es war keine unrechte Zeit, denn absichtlich +um viereinhalb Uhr wollt' ich mir den Bart +scheren lassen, um gegen fünf so recht mit einem +vom Balbiermesserglättzahn geleckten Kinn, +wie glattes Velinpapier, ohne Wurzelstöcke vom +Kinnhaare (Barthaare ist Pleonasmus) auf- +und vorzutreten. Vorher goß ich, wie Pitt vor +Parlamentssitzungen, verdammt viel Pontak +<span class="pagenum"><a name="Page_87">87</a></span>mit wahrem Ekel in meinen Magen hinunter +gegen jede Heillehre und Sperrordnung desselben, +nicht sowohl um den leichten, fremden +Bartputzer zu bestehen, als den Ministergeneral +Schabacker, mit welchem ich eines und +das andere Feuerwort zu wechseln vorhatte.</p> + +<p>Es kam der gewöhnliche Fremdenbalbier +des Hotels, hatte aber sogleich in seinem +viellinigen ausgezackten Gesichte mehr von +einem endlich toll werdenden, als von einem +weiser werdenden Manne an sich. Tolle nun +hass' ich unglaublich und bin daher in kein +Tollhaus zu bringen, weil da der erste beste +Wütige mich mit Riesenfäusten erschnappt, +wenn er mag, und weil ich überhaupt der +Ansteckung wegen nicht weiß, ob ich wieder +mit dem Verstande herauskomme, den ich hineintrage. +– Gewöhnlich sitz' ich (bin ich eingeseift) +dergestalt auf dem Stuhle, daß ich, +beide Hände (den Blick spann' ich scharf gegen +das balbierende Gesicht) auf den Schenkeln, +dem Zwerchfell des Balbiers gegenüber schlagfertig +liegen habe, um ihn bei der kleinsten +zweideutigen Bewegung wie wütig umzustoßen.</p> + +<p><span class="pagenum"><a name="Page_88">88</a></span> +Ich weiß kaum recht, wie es zuging, aber +indes ich mich ins närrisch-gewundene Gesicht +des Bartputzers vertiefe und da er eben +das lang' gewetzte Schlachtmesser etwas vorschnell +gegen meine entblößte Gurgel führte: +so gab ich dem Feld- und Bartscherer einen +so plötzlichen Stoß auf den Nabel, daß der +Mann sich im Fallen bald selber selbstmörderisch +die Gurgel abgeschnitten hätte. Mir +blieb freilich nichts davon als Gutmachungen +und eine gegen meine sonstigen Grundsätze +umgebundene geschwollene Kravatte als Deckmantel +dessen, was unbeschoren geblieben.</p> + +<p>Jetzt brach ich denn endlich zum General +auf und trank die Pontaksreste noch unter +der Schwelle aus. Ich hoffe, in mir lagen +Pläne fertig, richtig zu antworten, ja zu +fragen. Das Bittschreiben hatt' ich in der +Tasche und in der rechten Hand. In der +linken hatt' ich dessen Duplikat. Mein Feuer +half mir leicht über alle ministeriellen lebendigen +Zäune hinüber, und ich befand bald +mich unverhofft im Vorzimmer unter seinen +vornehmsten Lakaien, die, soviel ich merkte, +<span class="pagenum"><a name="Page_89">89</a></span>nichts verpassen sollten. Ich überreichte dem +Ansehnlichsten meine papierne Bitte mit der +mündlichen, sie seinerseits zu überreichen. Er +nahm sie, aber unverbindlich. Ich wartete +tief in die Stunde sechs Uhr hinein vergeblich, +worin allein dem frohen Generale manches +vorzutragen ist. Endlich erseh' ich einen +Stief- oder Duzbruder des vorigen Lakaien +und wiederhole mein Gesuch; dieser rennt +umsonst umher, um Bruder oder Schreiben +zu suchen – nichts war zu finden: – wie +glücklich war ich, daß ich das Duplikat der +Bittschrift mitten im Pontak vor dem Rasieren +mir wieder abgeschrieben, und also – bloß +aus dem Grundsatz, daß man immer ein +zweites hölzernes Bein im Mantelsack eingepackt +haben müsse, wenn man ein erstes +am Leibe habe – und aus der Furcht, daß, +wenn mir das Urschreiben auf dem Wege + +<span class="sidenote-r"><sup>13</sup> <i lang="la" xml:lang="la">Omnibus una salus sanctis, sed gloria dispar</i>; +das heißt – schreiben sonst die Gottesgelehrten – +nach Paulus haben wir im Himmel alle dieselbe +Seligkeit, aber verschiedene Ruhmstufen. Schon +auf der Erde finden wir im Himmel der Schriftstellerwelt</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_90">90</a></span> +vom Tiger zu Schabacker verloren ginge, +meine ganze Reise und Hoffnung zu Wasser +müßte werden – dies, sag' ich, war gut, daß +ich das Repetierwerk des Urschreibens eingesteckt +hatte, und folglich in jedem Falle +etwas, und zwar ein detto, einzuhändigen +vermochte. Ich händigte dasselbe ein.</p> + +<p>Leider nur war schon sechs Uhr vorbei. +Der Lakei aber blieb nicht lange aus, sondern +brachte mir bald – ich möchte sagen den +Predigttext dieses Zirkelbriefes – die fast +rohe Antwort (die ihr, Freunde, aber aus +Achtung für mich und Schabacker geheim zu +halten habt): falls ich der Attila Schmelzle +beim Schabackerschen Regiment wäre, so möcht' +ich mich nur mit meinem Hasenpanier wieder +zum Teufel scheren, wie ich bei Pimpelstadt +getan. Ein anderer wäre auf dem Platze geblieben; +ich aber ging ganz derb davon und + +<span class="sidenote-l">ein Vorbild davon. Nämlich die Seligkeit +der von der Kritik seliggesprochenen Autoren der +genialen, der guten, der mittelmäßigen, der geistesarmen, +ist bei allen die nämliche, sie machen sämtlich +im ganzen fast einerlei Kameralglück, denselben</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_91">91</a></span> +versetzte dem Kerl: »Ich schere mich auch +willig zum Teufel, und schere mich den Teufel +darum.« Unterwegs untersucht' ich mich selber, +ob nicht etwa der Pontak aus mir gesprochen +– wiewohl schon die Untersuchung widerspricht, +da kein Pontak untersucht; – aber +ich fand, daß nur ich, mein Herz, vielleicht +mein Mut etwas gesprochen: und wozu denn +überhaupt Kleinmut, da das Vermögen meiner +guten Frau mich ja besser besoldet als zehn +katechetische Professuren, und da sie alle Ecken +meines Buches des Lebens mit so viel goldenen +Beschlägen versieht, daß ich es, ohne +es abzunützen, immer aufschlagen kann? – +Schwangere mögen bei Schrecken an den +Hintern greifen, um das Muttermal des Versehens +dorthin zu verstecken; ich griff bei dem +Mute ans Herz und sagte: »Schlage dich +nur tapfer durch, wer auch dabei geschlagen + +<span class="sidenote-r">schwachen Profit. Aber Himmel, was hingegen +Nachruhmsstaffeln anlangt, wie tief wird nicht – +ungeachtet des nämlichen Honorars und Absatzes – +schon bei Lebzeiten ein sogenannter Duns unter +ein Genie hinabgestellt! – Wird nicht oft ein</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_92">92</a></span> +werde!« Ich fühlte mich ganz erhoben und +erhitzt – ich dachte mir Republiken, wo ich +als Held nach Hause kommen könnte – ich +sehnte mich in jene heroischen Griechenzeiten +hinein, wo ein Held vom andern Prügel +gern einsteckte und sagte: schlage nur, aber +höre mich! und aus unseren feigen heraus, +wo man kaum Schimpfworte aushält, geschweige +mehr – ich malte mir es aus, wie +ich mich fühlen würde, wenn ich in glücklichere +Umgebungen Afterthronen umwürfe +und vor ganzen Völkern auf Großtaten wie +auf Tempelstufen unsterblich aufstiege und in +gigantischen Zeiten ganz andere und größere +Männer zu übermannen und zu übertreffen +fände als jetzt den Milbenpöbel um mich her +und höchstens den einen und den anderen +Vulcanello. Ich dachte – und machte mich +immer wilder und ich selber berauschte mich + +<span class="sidenote-l">geistesarmer Autor in einer Messe vergessen, indes +ein geistreicher oder gar ein genialer durch fünfzig +Messen durchblüht und so erst sein 25 jähriges +Jubiläum feiert, bevor er spät vergessen untergeht +und im deutschen Ruhmtempel eingesenkt wird, der</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_93">93</a></span> +(also kein Pontaksrausch, der bekanntlich mehr +durch als ohne Trinken wächst), und gestikulierte +öffentlich – als ich mich fragte: +»Willst du ein bloßer Staatsschoßhund werden +– ein Hunds-Hund – ein <i lang="la" xml:lang="la">pium desiderium</i> +eines <i lang="la" xml:lang="la">impii desiderii</i> – ein Ex-Ex – +ein Nichts-Nichts? – – O Sackerment!« +Darüber stieß ich mir aber meinen Hut in +den Marktkot. Da ich ihn aufhob und säuberte, +sah ich überall, wie verschossen er +war, und entschloß mich sogleich, einen neuen +zu kaufen und anfangs selber zu tragen in +der Hand.</p> + +<p>Ich vollzog's und erhandelte einen vom +feinsten Kaliber. Sonderbar, durch diesen +Hut, als wär's ein Magisterhut, wurde in +der Ziegengasse ordentlich mein Kopf geprüft +und examiniert. Da nämlich der General +Schabacker darin daherfuhr, und ich (wie sich +wohl von selber versteht) mich nicht durch + +<span class="sidenote-r">die bekannte Eigenheit der Kirche des Ordens der +Padri Lucchesi in Neapel nachahmt, welche bekanntlich +(nach Volkmann) unter ihrem Dache eine +Begräbnisstätte, aber kein Denkmal darauf verstatten.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_94">94</a></span> +gemeine Grobheit, sondern durch Höflichkeit +rächen wollte: so bekam ich eine der kitzlichsten +Aufgaben zu lösen vor. Schwenkt' +ich nämlich bloß den feinen Filz, den ich +schon in der Hand trug, behielt aber den +verschossenen auf dem Kopfe: so konnt' ich +einem Grobian von Haus aus ähnlich sehen, +der nichts abzieht; zog ich hingegen den +alten vom Kopfe und hofierte damit: so +spielten zwei Filze auf einmal (ich mochte +nun den anderen mitbewegen oder nicht) +die Sache ins Lächerliche. Nun, stimmt +doch ab, ihr Freunde, eh' ihr weiter leset, +wie man sich hier herauszuziehen hätte, ohne +den Kopf zu verlieren!.... Ich glaube +vielleicht dadurch, daß man bloß den Hut +verliert; kurz und gut, ich ließ eben geradezu +den Putzhut aus der Hand in den Kot fallen, +um mich in den Stand zu setzen, den Sudelhut +einsam abzunehmen und mit nötiger Höflichkeit +zu schwenken ohne einen Anstrich von +Lächerlichkeit.</p> + +<p>Im Tiger ließ ich – um etwas schließen +zu lassen – den brillantierten Fein-Fein-Fein-Filz +<span class="pagenum"><a name="Page_95">95</a></span>früher ausbürsten als den Kotsassen- +oder Schartekenhut.</p> + +<div class="figcenter" style="width: 306px;"> +<img src="images/knecht.png" width="306" height="500" alt="... und betete laut: Dir übergeb' ich mich ganz / Du allein sorgtest ja bisher für mich schwachen Knecht" title="" /> +</div> + +<p>Nun ging ich, meine wichtige Vergangenheit +in der Adjustier- und Probierwage tragend, +feurig auf und nieder. Der Pontak mußte – +ich weiß wohl, daß es hinieden nur unechten +gibt – ein noch unechterer gewesen sein; so +sehr jagte er meine Phantasie in ein Feuer +nach dem anderen. Ich sah jetzt in ein weites, +glänzendes Leben hinein, wo ich ohne Amt +lebte, bloß von Geld; und das ich gleichsam +mit den delphischen Höhlen und Zenonischen +Gängen und Musenbergen aller der Wissenschaften +übersäet sah, die ich ruhig treiben +konnte. Besonders konnte ich mich mehr auf +Preisschriften bei Akademien legen, deren +(nämlich der Schriften) sich kein Urheber +jemals zu schämen braucht, weil eine ganze +krönende Akademie in jedem Falle für den +Koronanden steht und errötet. Schießt auch +der Preiswerber neben der Krone vorbei, so +bleibt er doch stets unbekannter und anonymer +(da man seine Devise nicht entsiegelt) +als ein anderer Autor, der zwar namenlos +<span class="pagenum"><a name="Page_96">96</a></span>ein Langohr von Buch ediert, den aber doch +bald ein literarisches Eselbegräbnis (<i lang="la" xml:lang="la">sepultura +asinina</i>) öffentlich vor der halben Welt einsenkt.</p> + +<p>Nur etwas dauerte mich voraus, das Leid +meiner Berga, welcher ich morgen, der lieben +Müdegereisten, die Ankunft und die abgekürzte +Marktschau mit meiner abschlägigen +Nachricht versalzen mußte. Sie wollte so +gern in Neusattel – und wer verübelt's +einer reichen Pächterstochter – etwas vorstellen +und manche Honoratiorin ausstechen. – +Jeder Mensch verlangt sein Paradeplätzchen +und eine frühere lebendigere Ehre, als die +letzte Ehre. – Besonders will eine so gute +Niedriggeborene, sich vielleicht mehr ihres +metallischen als ihres geistigen Schatzes und +Tilgungsfonds bewußt, doch bei Ehrengelagen +Meisterin von irgendeinem Stuhl oder Stühlchen +sein und über die erste beste dumme +Gans <i lang="la" xml:lang="la">loci</i> hinaufsitzen.</p> + +<p>Dazu sind nun Ehemänner so unentbehrlich. +Ich nahm mir daher vor, mir und folglich +ihr einen der besten Titel, womit die Höfe in +<span class="pagenum"><a name="Page_97">97</a></span>Deutschland (gleichsam wie in einem Auerbachshof +in Leipzig) vom Adel und Halbadel an +bis zum Rate herunter in einem fort feilstehen, +anzukaufen und dieser geadelten Seele durch +meinen Viertelsadel einen solchen Achtelsadel +zuzuspielen, daß (hoff' ich) manche gemeine +nebenbuhlerische Neusattlerin vom +Neide halb geborsten sagen und rufen soll: +»Ei du dummes Pächtersding! Seht doch, +wie das schwänzelt und wedelt! Es denkt +nicht daran, was es mit ihm wäre, wenn es +keinen Geldsack und keinen Hofrat hätte; –« +Denn letzteres nämlich müßt' ich etwa vorher +geworden sein.</p> + +<p>Aber ich sehnte mich in der kalten Einsamkeit +meines Zimmers und im Feuer meiner +Erinnerungen unbeschreiblich nach dem Bergelchen +– ich und mein Herz waren müde +vom fremden treibenden Tage – niemand +um mich her sagte mir ein gutes Wort, das +er nicht in die Wirtsrechnung zu bringen +verhoffte. – Freunde, ich schmachtete nach +der Freundin, deren Herz gern das Blut +zum Balsam für ein zweites vergießt – ich +<span class="pagenum"><a name="Page_98">98</a></span>verfluchte meine überklugen Maßregeln, daß +ich nicht, um die Gute sogleich mit mir zu +nehmen, lieber das dumme Hauswesen allen +Spitzbuben und Feuerschäden preisgegeben. +– Im Auf- und Abgehen ward es mir +immer leichter, alles zu werden, jeder Kammerrat, +Akzisrat, anderer Rat, und wie sie nur +befahl, wenn sie ankäme.</p> + +<p>»Mach dir nur einen guten Tag in der +Stadt!« sagte Bergelchen diese ganze Woche +hindurch. Aber wie ist einer ohne sie zu +machen? Unsere Trauertränen trocknen auch +Freunde ab und begleiten sie mit eigenen; +aber unsere Freudentränen finden wir am +leichtesten in den Augen unserer Frauen +wieder. – Verzeiht, Freunde, diese Libationen +meiner Rührung – ich zeig' euch nur mein +Herz und meine Berga. – Bedarf ich eines +Ablaßkrämers, so nehmt den Pontakskrämer +dazu. + +<span class="sidenote-l"><sup>79</sup> Schwache und verschobene Köpfe verschieben und +verändern sich am wenigsten wieder, und ihr innerer +Mensch kleidet sich sparsam um; ebenso mausern +Kapaune sich nie.</span></p> + + + + +<div class="new-h3"> </div> +<p><span class="pagenum"><a name="Page_99">99</a></span></p> +<h3 class="gesperrt">Erste Nacht in Flätz.</h3> + + +<p>Gleichwohl nahm mir der Wein die Besonnenheit +nicht, vor dem Bettegehen unter +das Bett zu sehen, ob jemand darunter lauere, +zum Beispiel die Hure, der Zwerg oder +der Legationsrat, ferner den Schlüssel unter +den Türdrücker (die beste Sperrordnung unter +allen) zu schieben, dann zum Überflusse meine +Nachtschraube an die Türe einzubohren und +endlich davor noch die Sessel übereinander +zu bauen und Beinkleider und Schuhe anzubehalten, +weil ich durchaus nichts besorgen +wollte.</p> + +<p>Ich hatte aber noch andere Sachen des +Nachtwandels wegen abzutun. Mir war's +überhaupt von jeher unbegreiflich, wie so +viele Menschen zu Bette gehen und darin +gesetzt liegen können, ohne zu bedenken, daß +sie vielleicht im ersten Schlafe sich aufmachen + +<span class="sidenote-r"><sup>89</sup> Die Alten heilten sich im Zeitenunglück mit +Philosophie oder mit Christentum; die Neueren +aber z. B. in der Schreckenszeit griffen zur Wollust, +wie etwa der verwundete Büffel sich zur Kur und +zum Verband im Schlamme wälzt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_100">100</a></span> +als Nachtwandler und auf Dächer hinauskriechen +und irgendwo erwachen, wo sie den +Hals brechen und den Rest. Ja, es wäre +mir schon Gefahr genug, wenn ein unbescholtener +Mann, ein Feldprediger, im eigenen +Bette einschliefe und etwa auf den Seidenpolstern +im Schlafgemache der vornehmsten +Dame in der Stadt aufwachte, von der er +vielleicht sein Glück erwartet. Bin ich zu +Hause, so wag' ich wenig mit Schlaf; – +weil ich, da meine rechte Fußzehe jede Nacht +mit einem drei Ellen langen Wickelbande +(ich nenn' es scherzend unser eheliches Band) +an die linke Hand meiner Frau angeschlungen +wird, die Gewißheit habe, daß ich, falls ich +aus dem Bettarrest herausginge, mit dem +Sperrstrick sie wecken und ich folglich von +ihr, als meinem lebendigen Zaun, an der +Nachtschnur wieder ins Bett würde zurückgezogen +werden. Im Gasthof aber konnt' ich +nichts tun, als mich einige Male an den +Bettfuß schnüren, um nicht zu wandern; obgleich +alsdann einbrechende Spitzbuben neue +Not mitbringen konnten. Ach, so gefährlich +<span class="pagenum"><a name="Page_101">101</a></span>ist alles Schlafen, daß leider jeder, der nicht +auf dem Rücken wie ein Leichnam daliegt, +besorgen muß, mit dem Ganzen schlafe auch +ein oder das andere Gliedmaß, ein Fuß, +ein Arm ein; und dann kann das entschlummerte +Glied – da es in der medizinischen +Geschichte gar nicht daran an Exempeln fehlt +– am Morgen zum Amputieren gereift daliegen. +Deshalb lass' ich mich häufig wecken, +damit nichts einschläft.</p> + +<p>Als ich an den Bettpfosten gut angebunden +und endlich unter die Bettdecke gekommen +war, wurde ich wegen meines Pontaks Feuertaufe +aufs neue bedenklich und furchtsam vor +meinen zu erwartenden Kraft- und Sturmträumen +– welche leider nachher auch nichts +Besseres wurden als <ins title="Helden">Helden-</ins> und Potentatentaten, +Festungsstürme, Felsenwürfe; – noch +aber seh' ich wenig diesen Punkt ärztlich beherzigt. + +<span class="sidenote-l"><sup>108</sup> Verwundert las ich, der Gruß im Gotthardstal +sei: <i lang="it" xml:lang="it">Allegro!</i> – Denn nie wurd' ich in Wetzlar, +in Regensburg oder Wien anders gegrüßt als: +<i lang="it" xml:lang="it">Andante di molto!</i> – zuweilen jedoch: <i lang="it" xml:lang="it">Allegro, +ma non troppo!</i> – Ja, alte Generale grüßten sich</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_102">102</a></span> +Medizinalräte und ihre Kunden strecken +sich alle ruhig in ihren Betten aus, ohne +daß nur einer von ihnen befürchtet oder +untersucht, ob ihm ein wütiger Zorn (zumal +wenn er schnell darauf kalt säuft im Traum), +oder ein herzzerreißender Harm, was er alles +in den Träumen erleben kann, am Leben +schade oder nicht. Wär' ich, ich bekenn' es, +eine Frau und mithin weiblich-furchtsam zumal +in guter Hoffnung, ich würd' in letzter +über die Frucht meines Schoßes in Verzweiflung +sein, wenn ich schliefe und folglich +im Traum alle die von medizinischen Polizeien +verbotenen Ungeheuer, wilden Bestien, Mißgeburten +und dergleichen zu Gesicht bekäme, +wovon eine ausreicht (sobald die bestätigte +Lehre des Versehens wahr bleibt), daß ich +Kreißende mit einem elenden Kinde niederkäme, +das ganz aussähe wie ein Hase und +voll Hasenscharten dazu, oder das eine Löwenmähne + +<span class="sidenote-r">oft: <i lang="it" xml:lang="it">Poco vivace</i>. – Ich erkläre mir es daher, daß +der Deutsche, wenn alle Völker, die Füße und +Schuhe zu ihren Maßen nehmen, lieber mit Sessions-Steißen +und Hosen abmißt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_103">103</a></span> +hinten hätte oder Teufelsklauen an +den Händen, oder was sonst noch Mißgeburten +an sich haben. Vielleicht wurden manche +Mißgeburten von solchem Versehen in Träumen +gezeugt.</p> + +<p>Nachts kurz vor zwölf Uhr erwacht' ich +aus einem schweren Traum, um eine für +meine Phantasie zu geisterhafte Geistergeschichte +zu erleben. Mein Schwager, der sie +mir eingebrockt, verdient für seine ungesalzene +Kocherei, daß ich ihn euch als den Braumeister +des schalen Gebräues ohne Schonen +nenne. Wäre Argwohn mit Unerschrockenheit +verträglicher, so hätte ich vielleicht schon aus +seinem Sittenspruche über dergleichen unterwegs +sowie aus dem Fortbehalten seines +Nebenzimmers, an dessen Mitteltüre mein +Lager stand, leicht alles geschlossen. Mir war +nämlich, als würd' ich angeblasen von einem +kalten Geisteratem, den ich auf keine Weise + +<span class="sidenote-l"><sup>181</sup> Gott sei Dank, daß wir nirgends ewig leben +als in der Hölle oder im Himmel; auf der Erde +würden sonst wahre Spitzbuben aus uns, und die +Welt ein Haus von Unheilbaren, aus Mangel der</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_104">104</a></span> +aus den entfernten und versperrten Fenstern +herzuleiten vermochte; – worin ich's denn +auch traf, denn der Schwager hatt' ihn aus +einem Blasebalg durchs Schlüsselloch eingeschickt. +Alles Kalte bringt in der Nacht auf +Todes- oder Geisterkälte. Ich ermannte mich +aber und harrte – nun fing gar das Deckbette +an, sich in Bewegung zu setzen – ich +zog es an mich – es wollte wieder weiter – +behend' setz' ich mich plötzlich im Bette auf +und rufe: »Was ist das?« – Keine Antwort, +überall Stille im Gasthof – das ganze Zimmer +voll Mondschein –. Jetzt hob sich mein +Zugpflaster, das Deckbett, gar empor und +luftete mich, wobei mir war wie einem, von +dem man ein Pflaster schnell abhebt. Nun +tat ich den Rittersprung aus dem Teufelstorus +und zersprengte springend mein Nachtwandlersleitseil. +»Wo ist der dumme Menschennarr,« +rief ich, »der die erhabene unsichtbare + +<span class="sidenote-r">Kurschmiede (der Scharfrichter) und der ableitenden +Haarseile (am Galgen) und der Ekel- und Eisenkuren +(auf Richtstätten). So daß wir also wirklich +unsre sittliche Riesenkraft gerade so auf der Schuld</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_105">105</a></span> +Geisterwelt nachäfft, die ihm ja auf +der Stelle erscheinen kann?« – Aber an, über, +unter dem Bette war nichts zu hören und +zu sehen. Ich schaute zum Fenster hinaus; +überall geisterhaftes Mondlicht und Straßenstille, +und nichts bewegte sich, als (wahrscheinlich +vom Winde) auf dem fernen Galberg +ein Neugehenkter.</p> + +<p>Jeder andere hätt' es so gut für Selbsttäuschung +gehalten als ich; daher wickelte ich +mich wieder in mein passives <i lang="fr" xml:lang="fr">lit de justice</i> +und Luftbette ein, darin erwartend, inwiefern +ich an Erschrecken erkalten sollte oder nicht.</p> + +<p>Nach einigen Minuten fing das Deckbette, +der teuflische Faustsmantel, sein Fliegen und +Schiffsziehen (ich allein war der Verurteilte) +wieder an, der Abwechslung wegen hob auch +wieder der unsichtbare Bettaufhelfer empor. +Verfluchte Stunde! – Ich möchte wissen, ob +es im ganzen gebildeten Europa einen gebildeten + +<span class="sidenote-l">der Natur, die wir zu bezahlen haben, beruhend, +finden, als die Politiker (z. B. der Verfasser des +neuen Leviathans) die Übermacht der Engländer, +auf deren Nationalschuld gestützt, erweisen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_106">106</a></span> +oder ungebildeten Menschen gäbe, +der bei so etwas nicht auf Geisterteufeleien +verfallen wäre; – ich verfiel darauf, unter +der (sich selber) fahrenden Habe des Deckbettes, +und dachte, Berga sei Todes verfahren +und fasse nun noch geistig mein Bette. Dennoch +konnt' ich sie nicht anreden, sowenig als +den Teufel, der hier einspielen konnte, sondern +ich wandte mich bloß an Gott und betete +laut: »Dir übergeb' ich mich ganz, du +allein sorgtest ja bisher für mich schwachen +Knecht – und ich schwöre, daß ich anders +werde.« – Ein Versprechen, das dennoch von +mir soll gehalten werden, so sehr auch alles +nur dummer Lug und Trug gewesen ist.</p> + +<p>Mein Gebet verfing nichts bei dem unchristlichen +Dragoner, der mich einmal im +Zuggarn des Deckbetts gefangen hielt – unbekümmert, +ob er ein Gastbett zum Parade- + +<span class="sidenote-r"><sup>63</sup> Die, welche vom Völkerlichte Gefahren befürchten, +gleichen denen, die besorgen, der Blitz schlag' ins +Haus, weil es Fenster hat; da er doch nie durch +diese, sondern durch deren Beeinflussung fährt oder +an der Rauchwolke des Schornsteins herab.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_107">107</a></span> +und Totenbette mache oder nicht. – Er spann +meine Nerven wie Golddraht durch engere +Löcher hindurch immer dünner bis zum Verschwenden +und Verschwinden, denn das Bette +marschierte endlich gar herab bis an die +Mitteltüre. –</p> + +<div class="figcenter" style="width: 302px;"> +<img src="images/liedchen.png" width="302" height="500" alt="Ich pfiff frisch ein gas Konisches Liedchen darunterhinein ..." title="" /> +</div> + +<p>Jetzt war es Zeit, ohne Umstände erhaben +zu werden und mich um nichts mehr hienieden +zu scheren, sondern mich dem Tode schlicht +zu widmen: »Rafft mich nur weg,« rief ich +und schlug unbedenklich drei Kreuze, »macht +mich nur schnell nieder, ihr Geister; ich sterbe +doch unschuldiger als tausend Tyrannen und +Gottesleugner, denen ihr leider weniger erscheint +als mir Unbeflecktem.« Hier vernahm +ich eine Art von Lachen, entweder auf der +Gasse oder im Nebenzimmer; vor diesem warmen +Menschenton blüht' ich plötzlich wie vor +einem Frühling an allen Spitzen wieder auf. +Ich verschmähte gänzlich die weggehaspelte + +<span class="sidenote-l"><sup>76</sup> Die ökonomische predigende Poesie glaubt wahrscheinlich, +ein chirurgischer Steinschneider sei ein +artistischer; und eine Kanzel oder ein Sinai sei +ein Musenberg.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_108">108</a></span> +Decke, die jetzt von der Türe nicht mehr weg +konnte; ich legte mich unbedeckt, doch warm +und schwitzend genug, bald in den Schlaf. +Übrigens schäm' ich mich nicht im geringsten +vor allen aufgeklärten Hauptstädten – und +ständen sie vor mir –, daß ich durch meinen +Teufelsglauben und meine Teufelsanrede +einige Ähnlichkeit mit dem größten deutschen +Löwen bekommen, mit Luther.</p> + + + + +<h3 class="new-h3 gesperrt">Zweiter Tag in Flätz.</h3> + + +<p>Am Frühmorgen spürt' ich mich aufgeweckt +durch das bekannte Zudeckbett; es hatte sich +wie ein Inkube auf mich gesetzt; ich gaffte +auf; in einem Winkel saß still ein rotes, rundes, +kernhaftes, aufgeputztes Mädchen wie +eine volle Tulpe von Lebensfrische aufgebläht +und leise flatternd mit bunten Bändern gleichsam + +<span class="sidenote-r"><sup>415</sup> Nach Smith ist die Arbeit der allgemeine Maßstab +des kameralen Werts. Dies haben aber, wenigstens +in bezug auf geistigen und poetischen Wert, +die Deutschen noch früher eingesehen und meines +Wissens stets den gelehrten Dichter über den genialen +und das schwere Buch der Arbeit über das +flatternde voll Spiel gesetzt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_109">109</a></span> +als mit Blättern. »Wer ist dort, wie +kommt man herein?« rief ich halbblind. – +»Ich habe dich nur leise zugedeckt, und du +solltest erst ausschlafen,« sagte Bergelchen, +»ich bin die ganze Nacht gegangen, damit +ich recht früh käme; sieh nur her!« Sie zeigte +mir ihre Stiefel, das einzige Reisestück (die +Achillesferse), das sie vor dem Tore, als sie +in der Mauser der Toilette war, nicht hatte +abstreifen können. – »Brach,« fragt' ich, über +ihre um sechs Stunden beschleunigte Nachkunft +um so mehr bestürzt, da ich es die ganze +Nacht und selber jetzt über ihr unbegreifliches +Hereinkommen gewesen, »brach etwa +frischer Jammer über uns aus und ein, Brand, +Mord, Raub?« – Sie versetzte: »Der Ratz«, +sie wollte sagen die Ratte, »ist gestern verreckt, +dem du so lange nachgestellt; weiter +passierte eben nichts.« – »Und auch alles +ist richtig nach meinem Ordnungszettel zu +Hause besorgt?« fragt' ich. »Jawohl,« versetzte + +<span class="sidenote-l"><sup>4</sup> Der Heuchler kehret die alte Methode, wonach +man mit einem nur an einer Schneidenseite vergifteten +Messer die Frucht zerschnitt und die damit</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_110">110</a></span> +sie, »ich hab' ihn aber gar nicht gelesen, +er ist mir weggekommen, du hast ihn wohl +mit eingepackt.« –</p> + +<p>Indes, ich verzieh alles der blühenden, kecken +Ritterin oder Fußgängerin. – Ihr Auge, +dann ihr Herz brachte mir ja frisches, kühles +Morgenwehen mit Morgenrot in meine schwülen +Vorstunden. Auch mußt' ich ja ohnehin +nachher der freundlichen, ins Leben hineinhoffenden +und hineinliebenden Seele den verdienten +Himmel des heutigen Tages mit der +trüben Nachricht der fehlgeschlagenen Professur +verfinstern. Daher vergab und verschob +ich möglichst. Ich fragte, wie sie hereingekommen, +da noch das ganze spanische Reiterwerk +von Sesseln an der Türe feststehe. Sie +lachte, sich dabei nach Dorfsitte bückend, stark +und sagte: sie hätte es vorgestern mit ihrem +Bruder verabredet, daß er sie durch seine +Stube, da sie meine Sperrvorrichtung kennte, +in meines einließe, damit sie mich heimlich + +<span class="sidenote-r">geätzte Hälfte dem Opfer hinreichte und die gesunde +zweite selber aß, so uneigennützig gegen sich +selber um, daß er gerade die gute moralische Hälfte</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_111">111</a></span> +wecken könnte. Jetzt fuhr der Dragoner laut +lachend ins Zimmer und sagte: »Wie geschlafen, +Herr Schwager?«</p> + +<p>Aber auf diese Weise war mir freilich +die halbe Gespenstergeschichte wie von einem +Biester und Hennings aufgelöst und aufgedeckt; +und ich durchschaute sogleich des Dragoners +ganzen Gespensterplan, den er ausgeführt. +Etwas bitter sagte ich ihm meine +Vermutung und der Schwester meine Geschichte. +Aber er log und lachte, ja er versuchte, +noch frech genug, mir am hellen Morgen +Geister zum zweiten Male weiszumachen +und aufzuhalsen. Ich versetzte kalt, an mir +find' er hierin sehr den unrechten Mann; +gesetzt auch, ich wäre einem Luther, Hobbes, +Brutus ähnlicher, die sämtlich Geister gesehen +und gefürchtet. Er erwiderte – und riß die +Tatsachen aus ihrer Motivierung: – er sage +ja weiter nichts, als daß er nachts irgendeinen +armen Sünder ganz erbärmlich habe + +<span class="sidenote-l">und Seite dem andern zeigt und gibt und nur sich +die giftige vorbehält. Himmel, wie schlecht erscheint +einem solchen Manne gegenüber der Teufel!</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_112">112</a></span> +krächzen und lamentieren hören; und daraus +habe er geschlossen, es sei eine arme, desperate +Nachtmütze von Mann, der ein Gespenst +zusetze. Endlich gingen auch seiner Schwester +die Augen über die gemeine Rolle auf, die +er mit mir zu spielen vorgehabt; sie fuhr ihn +derb an, schob ihn mit zwei Händen aus +meiner und seiner Türe schnell hinaus und +rief nach: »Warte, du Schadenfroh, ich gedenk' +dir's!« Darauf kehrte sie schnell sich +um und fiel mir um den Hals und dabei +am falschen Ort ins Lachen und sagte: »Der +dumme Junge! Aber ich konnte das Lachen +nicht mehr verbeißen; und der Narr soll doch +nichts merken. Vergib dem Pinsel, du als +ein gelehrter Mann, seine Eselei.«</p> + +<p>Ich fragte sie, ob sie auf ihrer Nachreise +auf keine Geisterwelt gestoßen sei – wiewohl +ich wußte, daß ihr Tiere, ein Wasser, ein +halber Abgrund nichts sind; – »nein, aber +vor den geputzten Stadtleuten«, sagte sie, +»habe ich mich am Morgen gescheut«. O wie +lieb' ich diese weichen Harmonikasbebungen +weiblicher Furcht!</p> + +<p><span class="pagenum"><a name="Page_113">113</a></span> +Endlich mußt' ich den Koloquintenapfel +anbeißen oder anschneiden und ihr die Hälfte +davon zureichen, nämlich die Nachricht der +Fehlbitte um die Professur. Da ich aber das +freudige Herz mit der vollständigen rohen +Wahrheit verschonen und einer schweren Fracht +etwas abschneiden mußte, die sich besser Männerschultern +aufpackt, so begann ich: »Bergelchen, +die Professorssache geht einen anderen, +aber an sich guten Gang – der General, +nach welchem ich den Teufel und seine Großmutter +frage, legt es auf einen Generalsturm +an – und den soll er haben, so gewiß, als +ich die Nachtmütze aufhabe.« – »So bist du +also noch nichts geworden?« fragte sie. »Vorderhand +zwar nicht!« versetzt' ich. »Aber doch +bis Sonnabend abend?« sagte sie. »Das <ins title="nicht,">nicht,«</ins> +sagt' ich. »Nun, so bin ich hart geschlagen, +und ich möchte zum Fenster hinausspringen,« +sagte sie und drehte das Rosen- und Morgengesicht + +<span class="sidenote-r"><sup>66</sup> Wenn die Bemerkung des Verfassers der Glossen +richtig ist, daß die Postmeister in den größern +Ländern zugleich auch die gröbern sind: so hat +Napoleon, der viele kleine Länder zu einem großen</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_114">114</a></span> +weg, um die feuchten Augen darin +mir nicht zuzukehren, und schwieg sehr lange. +Dann fing sie mit schmerzhaft zitternder +Stimme an: »Du großer Heiland, stehe mir +am Sonntag in Neusattel bei, wenn mich +die hochtrabenden, vornehmen Weiber in der +Kirche sehen und ich blutrot werde aus Scham!«</p> + +<p>Jetzt sprang ich im Mitjammer aus dem +Bette vor die liebe Seele hin, der die hellen +Zähren über die schönblühenden Wangen +flossen und rief: »Du treues Herz, zermartre +mich doch nicht so ganz! Gott soll mich strafen, +wenn ich nicht noch in den Hundstagen alles +werde, was du nur willst. – Sprich, willst +du Bergrätin werden, oder Baurätin, oder +Hofrätin, Kriegsrätin, Kammerrätin, Kommerzienrätin, +Legationsrätin, oder des Henkers- und +Teufelsrätin: ich bin dabei und +werd' es und such' an. Morgen schick' ich +reitende Boten nach Hessen und Sachsen, + +<span class="sidenote-l">korinthischen Erze zusammenschmolz und brannte, +die Postmeister und Posthalter, z. B. im höflichen +Sachsen, gewiß nicht noch höflicher gemacht, sondern +sie eher aus der Komplimentierschule herausgeschickt.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_115">115</a></span> +nach Preußen und Reußen, nach Friesland +und Katzenellenbogen und begehre Patente. +Ja, ich treib's weiter als einer und werde +zugleich alles, Flachsenfinger Hofrat, Scheerauer +Akzisrat, Haar-Haarer Baurat, Pestitzer +Kammerrat (denn wir haben das Geld), und +stelle dann allein und eigenhändig mit einem +einzigen <i lang="la" xml:lang="la">Podex</i> und <i lang="la" xml:lang="la">Corpus</i> eine ganze Ratssitzung +von auserlesenen Räten vor – und +stehe als eine ganze Ehrenlegion und ein +Ehrengelag, bloß auf zwei Beinen da – dergleichen +hat noch kein Mensch getan.«</p> + +<p>»O! Nun, du bist ja engelgut!« sagte sie +und frohere Zähren rollten, »du sollst mir +selber raten, was die vornehmsten Räte sind, +damit wir's werden.« – »Nein,« fuhr ich +befeuert fort, »dabei bleib' ich nicht einmal; +mir ist's nicht genug, daß du dich ordentlich +bei der Kaplänin kannst als Baurätin melden +lassen, bei der Stadtpredigerin als Legationsrätin, + +<span class="sidenote-r">Was sie indes an Höflichkeit verloren, +gewinnen sie vielleicht an Briefporto wieder, da +ich mir nicht denken kann, daß der Kardinal +<i lang="it" xml:lang="it">Pretettore del S. Imperio</i>, dessen Briefe bekanntlich</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_116">116</a></span> +bei der regierenden Bürgermeisterin +als Hofrätin, bei der Chausseeeinnehmerin +als Kommerzienrätin, oder wie +du wo willst.« – »Ach du mein gar zu gutes +Attelchen!« sagte sie. »Sondern,« fuhr ich fort, +»ich werde auch korrespondierendes Mitglied +verschiedener besten gelehrten Gesellschaften +in verschiedenen besten Hauptstädten (worunter +ich bloß zu wählen habe), und zwar +kein gemeines wirkliches Mitglied, sondern +ein ganzes Ehrenmitglied; und dann streck' +ich wieder dich als ein auf mir Ehrenmitglied +wachsendes Ehrenmitglied aus.«</p> + +<p>Verzeiht, Freunde, diesen Breiumschlag +oder Täuschungsbalsam für eine verwundete +Brust, deren Blut zu rein und köstlich ist, als +daß man es nicht mit allen möglichen Stillungsmitteln +aus Spinnweben ins schöne +Herz zurückzuschließen trachten sollte.</p> + +<p>Jetzt kamen schöne, schönste Stunden. Ich +hatte die Zeit besiegt, wie mich Berga; selten + +<span class="sidenote-l">sonst alle postfrei durch das heilige römische +Reich gelaufen, nicht jetzt alles frankieren sollte +was er etwa zu melden hat.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_117">117</a></span> +beseligt, so wie ich, ein Sieger, zugleich die +überwindende und die überwundene Partei. +Berga holte ihren alten Himmel zurück und +zog die staubigen Stiefel aus und blumige +Schuhe an. Köstlicher Morgentrunk! Wie +berauscht ein liebendes Herz! Ich spürte ordentlich +(ist die niedere Redeblume erlaubt) +ein Doppelbier von Mut in mir, seitdem ich +ein Wesen mehr um mich zu beschirmen hatte. +Überhaupt werd' ich – was der treffliche +General nicht ganz zu wissen scheint – nicht +wie andere Mutige mutiger, sondern am +stärksten durch Hasen, weil an mir das schlechte +Beispiel sich zum Widerspiel umdreht. Kleine +Pinselstriche mögen hier Mann und Frau +mehr abschatten als verschatten! Als der +nette Kellner mit der grünseidenen Schürze + +<span class="sidenote-r"><sup>67</sup> Einzelne Seelen, ja Staatskörper gleichen organischen +Körpern; man zieht aus ihnen die innere +Luft heraus, so erquetscht sie der Dunstkreis; pumpt +man unter der Glocke die äußere widerstehende +hinweg, so schwellen sie von innerer über und zerplatzen. +Demnach behalte jeder Staat inneren und +äußeren Widerstand zugleich.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_118">118</a></span> +Morgenbrezeln heraufbrachte – weil ich gesagt +hatte: »Johann, zwei Portionen!« – so +sagte sie zu ihm: er verbände sie sehr damit, +und hieß ihn Herr Johann.</p> + +<p>Bergelchen – mehr in Marktflecken als +Hauptstädten aufgewachsen – wurde ordentlich +bestürzt über die Kaffeebretter, Waschtische, +Papiertapeten, Wandleuchter, alabasterne +Schreibzeuge mit ägyptischen Sinnbildern +und über den vergoldeten Klingeldrahtsknopf, +den ja jeder abdrehen und einstecken +konnte. Daher hatte sie nicht den Mut, +durch den Saal voll Kronleuchter zu gehen, +bloß weil ein pfeifender, vornehmer Federhut +darin auf- und abspazierte. Ja, ihrem armen +Herzen wurde ordentlich die Brust zur Schnürbrust, +wenn sie zum Fenster hinaus auf so +viele geputzte und fahrende Städter guckte +(ich pfiff frisch ein gaskonisches Liedchen darunter +hinein) – und wenn sie daran dachte, + +<span class="sidenote-l"><sup>19</sup> Mehr als ein Schriftsteller hat es hinter Hermes +nachversucht, das Beispiel der Gattinnen und Ärzte, +welche einem Trunkenbold das Lieblingsgetränk auf +immer durch einen eingeschwärzten, krepierten Frosch</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_119">119</a></span> +wie sie nachher samt mir mitten durch dieses +blendende Vorzimmergewühl brechen müßte. +Hier verfangen Schlüsse noch weniger als +Beispiele. Ich wollte mein Bergelchen durch +einige meiner nächtlichen Traumgigantesken +heben – z. B. durch die, daß ich auf einem +Walfisch reitend mit einer Dreizacksgabel drei +Adler gespießet und gespeiset, und durch dergleichen; +aber ich machte keinen Effekt, vielleicht, +weil ich eben dadurch dem furchtsamen +Frauenherzen das Schlachtfeld näher als den +Sieger, den Abgrund näher als den Springer +darüber vor das Auge geschoben.</p> + +<p>Jetzt wurde mir ein Pack Zeitungen gebracht, +voll lauter kräftigster Siege. Obgleich +diese nur auf der einen Seite vorfallen und +auf der anderen ebenso viele Niederlagen +vorkommen: so verquicken doch jene sich mehr +mit meinen Blute als diese, und flößen mir +– wie sonst Schillers Räuber – eine wunderbare + +<span class="sidenote-r">oder durch Brechweinstein zu verleiden wußten, +nachzuahmen und auf ähnliche Weise dem heißhungrigen +Romanenleser den Roman durch häufige +in denselben eingebrockte Predigten, Moralien und</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_120">120</a></span> +Neigung ein, irgend jemand auf der +Stelle zu dreschen und zu fegen. Unglücklicherweise +für den Kellner hatte dieser sich eben +wie ein Herr dreimalige Klingelorder zum +Marsche geben lassen, bevor er sich mobil und +herauf gemacht. »Herr,« – fing ich an, den +Kopf voll Schlachtfelder und den Arm voll +Triebe ihn abzuklopfen, und Berga fürchtete +alles, da ich das ihr bekannte Zorn- und +Alarmzeichen gab, nämlich die Mütze hinten +am Hinterkopfe in die Höhe stieß – »ist das +Manier gegen Gäste? Warum kommt Er +nicht prompt? Komm' Er mir nicht wieder +so und geh' Er, Freund!« – Ungeachtet sein +Rückzug mein Sieg war, so kanonierte ich +doch noch auf der Wahlstatt lebhaft fort und +feuerte desto lauter (er sollt' es hören), je +mehr Treppen er hinuntergeflogen. Bergelchen +– die sich ganz entsetzte über mein Ergrimmen, +zumal in einem ganz fremden Hause + +<span class="sidenote-l">Langweilen (dergleichen sollte krepierte Frösche vorstellen) +dermaßen zu versalzen und zu verekeln, daß +er dann nach keinem Romane mehr griffe. – – +Aber der Ekel verfing wenig; und Hermesen selber</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_121">121</a></span> +und über einen vornehmen Putzbengel mit +Seidenschurz – suchte alle ihre sanften Worte +hervor gegen wilde einer Kriegsgurgel und +gab mir Gefahren zu bedenken. »Gefahren«, +versetzt' ich, »wünscht' ich ja eben, nur gibt's +keine für den Mann, stets wird er ihnen entweder +obsiegen oder entspringen, entweder die +Stirn bieten oder den Rücken.«</p> + +<p>Ich konnte kaum aufhören mich zu erbittern, +so süß war mir's, und so sehr fühlt' ich mich +vom Zornfeuer erfrischt und in der Brust +wie von einem Geierfelle lind geheizt. Es +gehört auch allerdings unter die unerkannten +Wohltaten – worüber man sonst predigte, +daß man nie mehr in seinem Himmel und +<i lang="fr" xml:lang="fr">monplaisir</i> (ein Lustschloß) ist, als so recht im +Toben und Grimm.</p> + +<p>Und wurde der ganze Vormittagsmorgen +mit Beschauen und Behandeln verbracht; und +zwar am längsten in der breiten Gasse unseres + +<span class="sidenote-r">glückt es am wenigsten, eher noch seinen Nachfolgern, +bei denen der Wein sich weniger im Geschmacke +von dem Brechwein unterschied, den sie +dazu gegossen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_122">122</a></span> +Hotels. Berga sollte sich erst ins Marktgedränge +einschießen; sie sollte erst einsehen, +daß sie mehr »nach der Modi«, mit ihr zu +reden, aufgeschmückt sei, als hundert andere +ihres Ungleichen. Aber bald vergaß sie über +den Haushalt den Aufputz und auf dem +Töpfermarkte den Nachttisch.</p> + +<p>Nach dem Mittagsessen (auf unserem Zimmer) +kamen wir aus dem Fegfeuer des Meßgetümmels, +wo Berga an jeder Bude etwas +zu bestellen und ihrer Nachtreterin etwas aufzuladen +hatte, endlich im Himmel an, in der +sogenannten Hundewirtschaft, wie das beste +Flätzer Wirts- und Lusthaus außer der Stadt +sich nennt, wo Messenszeiten Hunderte einkehren, +um Tausende vorbeigehen zu sehen. +Schon unterwegs wuchs meinem Weibchen +als meinem Ellenbogenefeu dermaßen der Mut, +daß sie unter dem Tore, wo ich mich, da nach +der bekannten militärischen Prozeßordnung +nicht nahe an der Schildwache vorübergegangen +werden darf, deshalb auf die entgegengesetzte +Seite hinwarf, ruhig dicht am +Schieß- und Stechgewehr der Torwache vorüberstrich. +<span class="pagenum"><a name="Page_123">123</a></span>Draußen konnt' ich ihr den umketteten, +vergitterten, riesenhaften, schon außen mit +Treppen aufsteigenden Schabackerpalast mit +Fingern zeigen, worin ich gestern gehaust und +(vielleicht) gestürmt; »lieber den Riesen möcht' +ich begucken,« sagte sie, »und den Zwergen; +zu was sind wir denn mit ihnen unter einem +Dach?«</p> + +<p>Im Lusthause selber fanden wir hinlängliche +Lust, umrungen von blühenden Gesichtern +und Auen. Da setzt' ich mich heimlich in einem +fort über Schabackers Refus mit Erfolg hinweg +und machte mir überhaupt bis gegen +Mitternacht einen guten Tag; ich hatt' ihn +verdient, Berga noch mehr. Gleichwohl sollt' +ich noch nachts um ein Uhr eine <ins title="Winmühle">Windmühle</ins> +zu berennen bekommen, die freilich mit etwas +längeren, stärkeren und mehreren Armen +schlägt als ein Riese, wofür Don Quixote +eine solche Mühle gern angesehen hätte. Ich + +<span class="sidenote-l"><sup>8</sup> In großen Sälen wird der wahre Ofen in einen +zierlichen Scheinofen entlarvt; so ist es schicklich +und zierlich, daß sich die jungfräuliche <em class="gesperrt">Liebe</em> immer +in eine schöne, jungfräuliche Freundschaft verberge.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_124">124</a></span> +lasse nämlich auf dem Marktplatz aus Gründen, +die sich leichter denken als sagen, Bergelchen +um einige zwanzig vorausgehen, und +begebe mich aus gedachten Gründen ohne +Arg hinter eine versteckte Bude, die wohl die +Silberhütte und der Silberschrank eines rohen +Krämers sein mochte, und verweile davor +natürlich nach Umständen: – sieh, kommt +dahergerudert mit Spieß und Speer der +Budenwächter und münzt und prägt mich so +unversehens und unbesehen zu einem Schnapphahn +und Raubfisch seiner Budengassen aus, +obgleich der schwache Kopf nichts weiter sieht, +als daß ich in einer Ecke stehe und nichts +weniger tue als – nehmen. Ein Ehrgefühl +ohne Tallus ist für solche Angriffe niemals +abgestumpft. Nur aber, wie war einem Manne, +der nichts im Kopfe hat – höchstens jetzt +Bier statt Hirn – in der Nachmitternacht +Licht zu geben? –</p> + +<p>Ich verhehle mein Wagmittel nicht; ich +griff zum Fuchsschwanz, ich spiegelte ihm +nämlich vor, ich hätte einen sogenannten +Hieb, und wüßte in der Betrunkenheit mich +<span class="pagenum"><a name="Page_125">125</a></span>schlecht zu finden und zu halten – ich spielte +daher alles nach, was mir aus diesem Fache +zu Gesicht gekommen, schwankte hin und her, +setzte die Füße tanzmeisterlich auswärts, geriet +in Zickzacke hinein bei allem Aussegeln +nach gerader Linie, ja ich stieß meinen guten +Kopf (vielleicht einen der hellsten und leersten +der Nacht) als einen vollen gegen wahre +Pfosten. –</p> + +<p>Gleichwohl sah der Budenvogt, der vielleicht +öfter betrunken gewesen als ich, und +die Zeichen besser kannte, oder der es gar +selber in dieser Stunde war, die ganze Verstellung +für bloßes Blendwerk an und schrie +entsetzlich. »Halt, Strauchdieb, du hast keinen +Haarbeutel, du Windbeutel bist ja noch weniger +besoffen als ich! – Wir kennen uns +wohl länger. Steh! Ich komm dir nach. + +<span class="sidenote-r"><sup>12</sup> Die Völker lassen – als Widerspiele der Ströme, +die in der Ebene und Ruhe am meisten das Unreine +niederschlagen – gerade nur im stärksten Bewegen +das Schlechte fallen, und sie werden desto +schmutziger, je länger sie in trägen, platten Flächen +weiterschleichen.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_126">126</a></span> +Willst du im Markt deine Diebesfinger haben? +– Steh, Hund, oder ich forciere dich!«</p> + +<p>Man sieht hier seinen ganzen Zustand; ich +entsprang zickzackig zwischen den Buden diesem +rohen Trunkenbolde so eilig, als ich konnte; +dennoch humpelte er mir nach. Aber meine +Teutoberga, die einiges gehört, rannte zurück, +faßte den betrunkenen Marktportier beim +Kragen und sagte, obwohl (nach Dorfweise) +zuschreiend: »Dummer Mann, schlaf' Er seinen +Rausch aus, oder ich zeig's Ihm! Weiß Er +denn, wen Er vor sich hat? Meinen Mann, +den Feldprediger Schmelzle unter dem Herrn +General und Minister von Schabacker bei +Pimpelstadt, Er Narr! Pfui, schäm' Er sich, +Kerl!« Der Wächter brummte: »Nichts für +ungut!« und taumelte davon. »O du Löwin,« +sagt' ich im Liebesrausch, »warum bist du +in keiner Todesgefahr, damit ich dir nur den +Löwen zeige als Gemahl?«</p> + +<p>So gelangten wir beide liebend nach Hause; + +<span class="sidenote-l"><sup>23</sup> Wenn die Natur das alte große Erdenrund, den +Erdenlaib von neuem durchknetet, um unter diesem +Pastetendeckel neue Gefüllsel und Zwerge hineinzubacken;</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_127">127</a></span> +und ich hätte vielleicht zum schönen Tage noch +den Nachsommer einer herrlichen Nachmitternacht +erlebt, hätte mich nicht der Teufel über +Lichtenbergs neunten Band, und zwar auf +die 206. Seite geführt, wo dieses steht: »Es +wäre doch möglich, daß einmal unsere Chemiker +auf ein Mittel gerieten, unsere Luft +plötzlich zu zersetzen, durch eine Art von Ferment. +So könnte die Welt untergehen.« Ach, +ja, wahrlich! Da die Erdkugel in der größeren +Luftkugel eingekapselt steckt: so erfinde +bloß ein chemischer Spitzbube auf irgendeiner +fernsten Spitzbubeninsel oder in Neuholland, +ein Zersetzmittel für die Luft, dem ähnlich, +was etwa ein Feuerfunke für einen Pulverkarren +ist: in wenig Stunden packt mich und +uns in Flätz der ungeheure, herschnaubende +Weltsturm bei der Gurgel, mein Atemholen +und dergleichen ist in Erstickluft vorbei, und +alles überhaupt vorbei. –</p> + +<p>Indes verbarg ich der treuen Seele jeden + +<span class="sidenote-r">so gibt sie meistens wie eine backende +Mutter ihrem Töchterchen zum Scherze etwas +weniges Pastetenteig davon (ein paar tausend Quadratmeilen</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_128">128</a></span> +Todesnachtgedanken, da sie mich doch entweder +nur schmerzlich nachempfunden oder +gar lustig ausgelacht hätte. Ich befahl bloß, +daß sie am Morgen (des Sonnabends) für +die zurückkehrende Landkutsche fertig und gestiefelt +dastände, sollt' ich anders ihren Wünschen +gemäß an die Überschwängerung mit +Räten, die ihr so am Herzen lag, früh genug +kommen. Sie war so freudig meiner Meinung, +daß sie gern den Jahrmarkt aufgab. Auch +ruht' ich ruhig, mit der Fußzehe an ihre +Finger geknüpft, die ganze Nacht hindurch.</p> + +<p>Der Dragoner nahm und zupfte mich am +Morgen heimlich beim Ohre und sagte mir +in dasselbe hinein, er habe ein lustiges Meßgeschenk +für seine Schwester vor und reite +deshalb auf seinem gestern vom Roßtäuscher +eingetauschten Rappen etwas früh voraus. +Ich bot ihm meinen Vordank.</p> + +<p>Am Morgen lief jeder lustig vom Stapel, + +<span class="sidenote-l">solchen Teigs sind genug für ein Kind) +irgendeiner Dichter-, oder Weisen-, oder Heldenseele +ab, damit das kleine Ding doch auch etwas +auszuformen und aufzustellen habe neben der Mutter.</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_129">129</a></span> +ausgenommen ich; denn ich behielt noch immer, +auch vor dem besten Morgenrote das nächtliche +Teufelsferment und Zersetzmittel, meiner +Gehirnkugel sowohl als der Erdkugel, gärend +im Kopf; ein Beweis, daß die Nacht mich +und meine Furcht gar nichts hatte übertreiben +lassen. Der mir verdrießliche blinde +Passagier setzte sich auch wieder ein und sah +mich wie gewöhnlich an, doch ohne Effekt, +denn diesmal, wo ich Weltumwälzungen, nicht +bloß die meinigen, im Kopfe hatte, war mir +der Passagier mehr ein Spaß und Spuk; +da niemand unter Fußabsägen das Herzgespann +verspürt, oder unter dem Summen +der Kanonen sich gegen das der Wespen +wehrt, ebenso konnte mir ein Passagier mit +allen Brandbriefen, die etwa sein verdächtiges +Gesicht in meine noch späte Zukunft +wirft, bloß lächerlich zu einer Zeit vorkommen, +wo ich bedachte, das »Ferment« könne + +<span class="sidenote-r">Bekommen dann die Geschwister etwas von dem +Gebäcke des Schwesterchens, so klopfen sie alle in +die Hände und rufen: »Mutter, kannst du auch +so backen wie Viktoriechen?«</span> + +<span class="pagenum"><a name="Page_130">130</a></span> +ja mitten auf meinem Wege von Flätz nach +Neusattel von irgendeinem Amerikas, Europas +Manne, der ganz unschuldig versucht +und zersetzt, zufällig erfunden und losgelassen +werden. Die Frage, ja Preisfrage wäre aber +nun, inwiefern es seit Lichtenbergs Drohung +nicht etwa welt- und selbstmörderisch aussieht, +wenn aufgeklärte Potentaten scheidekünstlerischer +Völker es nicht ihren Scheidekünstlern, +die so leicht Leib von Seele scheiden +und Erde mit Himmel gatten, auferlegen, +keine andere chemische Versuche zu machen, +als die schon gemachten, die doch bisher den +Staaten weit mehr genützt als geschadet.</p> + +<p>Leider blieb ich in diesen jüngsten Tag +des Ferments mit allen Sinnen versunken, +ohne auf der ganzen Rückreise nach Neusattel +mehr zu erleben und zu bemerken, als daß +ich daselbst ankam, wo ich zugleich wieder den +blinden Passagier seines Weges gehen sah.</p> + +<p>Nur mein Bergelchen schaute ich in einem +fort unterwegs an, teils um sie noch solange +zu sehen, als Leben und Augen dauern, teils +um auch bei kleinster Gefahr derselben, es +<span class="pagenum"><a name="Page_131">131</a></span>sei nun eine große oder gar ein ganzes hereinstürzendes +Goldau und verzehrendes Weltgericht, +wenn nicht für sie, doch an ihr zu +sterben, und so, verknüpft mit ihr, ein geplagtes +und plagendes Leben hinzuwerfen, +worin ihr ohnehin nicht die Hälfte meiner +Wünsche für sie erfüllt worden.</p> + +<p>So wäre denn meine Reise an sich vollendet +– gekrönt mit einigen Historiolen – +vielleicht künftig noch belohnter durch euch, +ihr Freunde um Flätz herum, wenn ihr darin +etwa einige gutgeschliffene Jätemesser finden +solltet, womit ihr leichter das Lügenunkraut +ausreutet, das mich bis jetzt dem wackeren +Schabacker verbauet. – Nur sitzt mir noch +das verfluchte Ferment im Kopfe. Lebt denn +wohl, solange es noch Atmosphären einzuatmen +gibt. Ich wollt', ich hätte mir das +Ferment aus dem Kopfe geschlagen.</p> + +<p class="right"><span style="margin-right: 6em;">Euer</span><br/> +Attila Schmelzle.</p> + +<p>NS. Mein Schwager hat seine Sache +gut gemacht und Berga tanzt. Künftig das +Nähere! – –</p> + + + + +<div class="figcenter" style="width: 43px; margin: 8em auto 1em auto; page-break-after: auto;"> +<img src="images/emblem.png" width="43" height="68" alt="" title="" /> +</div> +<p class="center" style="font-size: 0.9em; margin: 1em auto 120px auto;"> +Gedruckt bei<br/> +Poeschel & Trepte<br/> +in Leipzig</p> + +</body> +</html> |
