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+The Project Gutenberg EBook of Tahiti. Zweiter Band., by Friedrich Gerstäcker
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Tahiti. Zweiter Band.
+ Roman aus der Südsee
+
+Author: Friedrich Gerstäcker
+
+Release Date: July 20, 2009 [EBook #29464]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK TAHITI. ZWEITER BAND. ***
+
+
+
+
+Produced by richyfourtytwo, Bernd Meyer and the Online
+Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
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+
+ TAHITI.
+
+
+ _Roman aus der Südsee_
+
+ von
+
+ #Friedrich Gerstäcker.#
+
+
+ Zweite unveränderte Auflage.
+
+ Zweiter Band.
+
+
+ Der Verfasser behält sich die Uebersetzung dieses Werkes vor.
+
+
+ #Leipzig,#
+
+ _Hermann Costenoble._
+
+ 1857.
+
+
+
+
+
+
+#Inhalt des zweiten Bandes.#
+
+ Seite
+ Cap. 1. Die Mädchen von Tahiti und die alten Bekannten 1
+ " 2. Sadie und René 31
+ " 3. Der Besuch -- Aumama 67
+ " 4. Die Missionaire 90
+ " 5. Die Königin Pomare 121
+ " 6. Ein Ball in Papetee 167
+ " 7. Unterwegs 235
+ " 8. Mütterchen Tot's Hotel 254
+
+
+
+
+Capitel 1.
+
+#Die Mädchen von Tahiti und die alten Bekannten.#
+
+
+Das Gebet war aus, das laute feierliche Amen schwoll durch die Wipfel
+der Palmen nach See zu, sich draußen mit der Brandung Rollen zu
+mischen. Mit dem Amen aber schien es auch, als ob der Zauber gebrochen
+wäre, der den leichten fröhlichen Sinn der Insulaner bis dahin so
+merkwürdig und außergewöhnlich fest im Zaum gehalten, und wie denn
+auch der Eingeborne nie so recht tief den Ernst einer feierlichen
+Stunde fühlt, sprang er im Nu zurück in sein alltäglich Leben.
+
+»Hierher Maïre, hierher und fort mit uns« klang der fröhliche Laut --
+»komm hinunter zum Guiavenbach; tief versteckt da in Busch und Laub
+tanzen wir. Heute sehens die Mitonares nicht, denn großes Essen ist
+immer wenn sie eine Zeitlang gebetet.«
+
+»Aber die anderen schwatzen« sagte Maïre unschlüssig zur Schwester
+aufsehend, »und nachher arme Maïre; Vater Au-e hat mir so schon die
+Hölle versprochen, und er schickte mich g'rad hinein, fänd er mich.«
+
+»Bah -- bah -- bah« lachte die Andere und schüttelte mit dem Kopf --
+»da, hier und hier« -- auf Mund und Herz zeigend -- »das ist fromm, das
+hat Religion und das ist genug -- _Alles_ andere aber ist frei, Maïre;
+und rasch nun Mädchen, denn wir versäumen den Spaß.« -- Und wie ein
+paar aufgescheuchte Rehe flohen die beiden, von vielen Anderen jetzt
+gefolgt, erst seitwärts in den Orangenhain, um dann hinter den Gärten
+weg nicht dem Blick mancher »Kirchgänger« ausgesetzt zu sein, die
+Aergerniß nehmen und die Fröhlichen verrathen könnten. -- Und wie das
+klang und sang und summte und schwirrte unter den Bäumen und Palmen --
+fröhliches Leben herrschte in den duftenden Schatten von Orange und
+Guiava und der Klang der Flöte mischte sich in lachende
+Mädchenstimmen, die sich neckten und jagten auf dem Plan, die Predigt
+nachäfften und die Reden des heutigen Tages und dann wieder plötzlich
+einfielen in die oft sehr graziösen aber noch öfter fast
+unanständiger Stellungen ihrer Tänze ~Upepehe~, ~oris~ und ~mamua~.
+
+Dort drüben der breite, halboffene Platz vor dem lang-ovalen
+Vogelkäfig ähnlichen Bambusgebäude scheint der Mittelpunkt zu sein des
+ganzen Viertels; hier wenigstens herrscht das regste ungebundenste
+Leben, und die dunklen blumendurchflochtenen Locken, ja oft die glatt
+geschorenen, aber mit bunten Kränzen fast bedeckten Köpfe der
+eingebornen Mädchen mischen sich bunt und geschäftig durch die
+bänderflatternden Strohhüte der Seeleute, an deren meisten die breite
+schwarze Seide mit goldenen Buchstaben den Namen ihres Schiffes trug,
+und sie als Leute von einem Kriegsschiff bekundete, hätte das nicht
+schon außerdem der breite weiße Hemdkragen mit dem schmalen blauen
+Streifen darum gethan.
+
+»Hallo Georg, das ist ein Hauptplatz hier für einen »Geh zu Ufer Tag,«
+rief da ein alter, wettergebräunter Seemann einem jungen Burschen zu,
+der Eines der Mädchen mit seinem linken Arm umschlungen und eine
+halbgeleerte Flasche in der rechten Hand hielt, und das Mädchen
+lachend zwingen wollte zu trinken -- »nütz deine Zeit mein Junge, wer
+weiß wie bald uns wieder so wohl wird.«
+
+»Wettermädchen das!« rief aber der junge Bursch, »sie ist wie
+Quecksilber unter den Händen, man kann sie nicht festhalten -- wirst
+Du trinken?«
+
+»~Aita, aita~!« schrie aber die trotzige Schöne, und wehrte ihn
+entschlossen ab; »pfui über das Gift, das Ihr in Euch hinein schüttet,
+bis Ihr wie das Vieh daliegt und die stieren Augen nicht mehr
+schließen könnt -- fort mit dem Zeug!« und ihm die Flasche aus der
+Hand reißend, schleuderte sie dieselbe, ehe er's hindern konnte, mit
+keckem Wurf weit ab von sich in ein Dickicht von jungen
+Brodfruchtbäumen und Bananen.
+
+»Den Teufel, Mädchen!« schrie der Matrose, der von den letzten Worten
+des braunen Kindes keine Sylbe verstanden hatte und jetzt überrascht
+seiner Flasche nachwollte, »der Stoff ist theuer hier in Papetee und
+nicht einmal so leicht zu bekommen.«
+
+»Hahahaha« lachte aber die Dirne und hielt ihn fest -- »hol sie wenn
+Du kannst, hol sie.«
+
+»Halt ihn, halt ihn,« lachten Andere und sprangen hinzu, sich der
+Beute zu bemächtigen und den auslaufenden Brandy zu retten, aber zu
+spät, und fluchend hoben sie die leere Flasche gegen das Licht.
+
+»~Damn it~!« schrie der Eine, der sie erbeutet hatte, und der zuerst
+die traurige Entdeckung machte -- »auch nicht ein Tropfen übrig
+geblieben!« und als ob er nicht einmal seinen eigenen Augen bei einer
+so wichtigen Sache traue, hob er die leere Flasche dennoch an die
+Lippen, den Zug zu prüfen, schleuderte sie dann aber mit einem
+richtigen Kernfluch so hart er konnte gegen den nächsten
+Brodfruchtbaum, daß sie in Scherben schmetternd umherspritzte. Das
+aber sollte ihm übel bekommen.
+
+»~Tam you~,« schrie da eine alte, wohlbeleibte Insulanerin, die ein
+brennend rothes Stück Kattun um die Hüften und ein anderes um die
+Schultern trug und schon lange genug mit Matrosen verkehrt haben
+mochte, ihren Lieblingsausruf oder Fluch zu verstehen -- »~tam you~,
+Ihr schmutzigen Weißen -- weil _Ihr_ zehnfache Haut unter den Füßen
+tragt, werft Ihr das Glas umher, daß es wie Dorn und Muschelbruch in
+unsere Sohlen schneidet -- ~tam you~, sag' ich noch einmal, und der
+Tag sei verflucht, der Euch zuerst an diese Küste brachte!«
+
+Die Alte blieb aber hierbei nicht ununterstützt, denn von allen Seiten
+kamen die Mädchen herbei, schimpften und schmähten in ihrer Sprache
+und begannen dabei die gefährlichen Glasscherben, die ihnen schon
+manche böse Wunde geschnitten, vom Boden aufzusuchen. Vergebens riefen
+sie die Matrosen zurück und fügten sich endlich, da Bitten wie
+Drohungen nutzlos blieben, lachend dem Unvermeidlichen, selber der
+muntern, lebendigen Schaar zu helfen und beizustehn und das Uebel so
+viel wie möglich zu heben -- all die drohenden Spitzen nämlich
+aufzusuchen oder zu entfernen, und kein Blatt blieb dabei ungewandt,
+unter dem sich noch hätte die tückische Spitze bergen können.
+
+»Hurrah, meine Jungen! wer von Euch hat sein Prisengeld da im Laub
+verloren? -- halbpart wenn ich's finde,« schrie in diesem Augenblick
+eine rauhe Stimme zwischen das Lachen und Toben der munteren Schaar
+hinein, und Einer der Seeleute richtete sich rasch empor, zu sehen wer
+der Neuangekommene sei, und ob nicht vielleicht ein alter Bekannter
+und Schiffskamerad hier zwischen ihnen auftauche.
+
+»Hallo Kamerad,« brummte aber der, als er ein völlig fremdes Gesicht
+vor sich sah, das ihm jedoch trotzdem ganz freundlich entgegennickte,
+und dessen Eigenthümer sich so bequem und ohne weitere Einladung zu
+ihnen in's Gras warf, als ob er zu ihrem »Volke« gehörte -- »~where do
+you hail from~?«[A]
+
+Der Sprecher war der Bootsmann der »~Jeanne d'Arc~,« der draußen in
+der Bai vor ihrem Anker ritt und dessen Mannschaft heute Feiertag
+bekommen hatte, der großen Volksversammlung wegen. Er schien sich auch
+hier gewissermaßen als eine Art Obrigkeit zu betrachten zwischen den
+übrigen Matrosen, und überdieß rechtfertigte das ganze Aeußere des
+Neuangekommenen, unseres alten Bekannten Jim des Iren, allerdings eine
+solche Frage, denn dem alten Matrosen überkam es, ihm gegenüber, fast
+unwillkürlich, als ob er es mit keinem rechten Seemann zu thun habe,
+und gleichwohl ließ doch auch wieder das Einzelne seines Anzugs nichts
+erkennen, was einen solchen Verdacht rechtfertigen mochte. Die blaue
+Jacke wie die weißleinene Hose hatte den richtigen Schnitt, der mit
+Wachsleinwand überzogene Strohhut saß ihm hinten auf dem krausen Haar
+und ein paar breite Streifen schwarzseiden Band fielen ihm nach
+richtiger Art vorn über das linke Auge nieder und doch lag ein gewisses
+Etwas in dem ganzen Betragen des Fremden, das den alten Burschen, der
+sich manch langes, langes Jahr auf der See und aller Länder Schiffe
+herumgeschlagen, wie eine Art Instinkt überkam, er hätte hier keinen
+geborenen Seemann vor sich, und der Bursche segele am Ende gar unter
+falscher Flagge.
+
+Der wirkliche Matrose -- nicht der, der die See einmal zeitweilig zu
+seinem Beruf wählt, ein paar Reisen macht vielleicht, und dann wieder
+Jahre lang am festen Lande bleibt -- hat auch etwas in seinem ganzen
+Wesen, das unmöglich ist sich anzueignen, wenn es eben nicht natürlich
+aus dem ganzen System unsers Körpers herauskommt und mit ihm eins
+bildet. Die Hauptsache hierbei ist der fast schlenkernde und doch auch
+wieder feste und elastische Gang von der steten Bewegung des Schiffes
+her, der er natürlich fortwährend begegnen muß, und die ihn dann auch
+zwingt, die Beine etwas weiter, wenn auch fast unmerklich, aus
+einander zu setzen, als das auf dem festen Lande nöthig wäre; die Arme
+hängen dabei, wie durch ihr eigenes Gewicht gezogen, grad am Körper
+nieder, ohne ihn aber, weder rechts noch links in drei Zoll zu
+berühren, und die halboffene harte Hand sieht gerade so aus, als ob
+sie jeden Augenblick an Segel oder Tau zufassen wolle. Der Landmann
+kann alles Andere nachahmen, dieses Tragen des Körpers wird ihm nie
+gelingen, und nur eine jahrelange Uebung ist im Stande, ihn
+zuzurichten, oder, wie die Matrosen sagen, ihn »~ship shape~« zu
+machen.
+
+»Nun Sirrah!« rief der Irländer endlich lachend, nachdem er den
+forschenden Blick des Bootsmanns, wenn auch nicht ohne ein leichtes
+kaum erkennbares Erröthen, eine ganze Weile ertragen hatte, -- »Ihr
+werdet mich nun wohl kennen wenn Ihr mich wiederseht; -- wie gefall
+ich Euch?«
+
+»Ganz und gar nicht, Kamerad,« sagte der aber trocken, und während er
+sein Primchen Kautabak im Munde aus einer Backe in die andere
+wechselte, »ganz und gar nicht, wenn Du die Wahrheit hören willst.«
+
+»Hahaha,« lachte aber der Ire, ohne sich im mindesten darüber
+beleidigt zu fühlen, »verdamme mich wenn das nicht ehrlich von der
+Leber weggesprochen ist; leid thut mir's nur bei der Sache, daß ich
+das nämliche -- nicht von Euch auch sagen kann.«
+
+»Dann werd' ich mein Möglichstes thun, das für mich so unglückliche
+Vorurtheil bei Euch zu zerstören,« antwortete der Seemann ruhig.
+
+»Donnerwetter Ihr seid grob!« rief aber der Ire, der nun einmal
+entschlossen schien jetzt Nichts übel zu nehmen, obgleich der ganze
+kräftige Bau seines Körpers wie ein ziemlich entschlossener Zug um den
+Mund, wohl glauben ließ daß er sonst eben eine wirkliche Beleidigung
+nicht so leicht einstecken würde, »aber das schadet Nichts, Kamerad,
+wir werden schon noch näher mit einander bekannt werden und ich bin
+wie der Wein -- ich gewinne durchs Liegen. Und nun Ihr da, Ihr
+Mädchen,« wandte er sich zu diesen in ihrer eigenen Sprache, »laßt das
+verdammte Suchen sein und kommt her -- morgen wird sichs schon finden
+was ihr verloren habt -- beim Auskehren vielleicht -- und wo ist
+Amiomio heute? hol der Henker die kleine Wetterhexe, sie geht immer
+fort und kommt niemals wieder.«
+
+»~Naha-hio~!« riefen da einige der Mädchen, die sich auf den Anruf
+umgedreht, erstaunt und untereinander aus -- »~O-fa-na-ga~ wieder
+hier? -- und wo hat Dich Oro's Zorn so lange umhergetrieben?«
+
+»~O-fa-na-ga~« spottete ihnen aber der Ire nach, »bei Jäsus, meine
+Herzchen, Ihr habt den Namen noch immer nicht aussprechen lernen und
+übersetzt meiner Mutter Sohn auf eine merkwürdige Weise ins
+Tahitische. Was würde ~ould father O'Flannagan~ sagen, wenn sie ihn so
+zu Tische gerufen hätten -- ha, meine ~namataruas~, Ihr beiden
+unzertrennlichen Sterne, seid Ihr auch hier? und wo ist ~ipo Anoënoë~,
+mein schlankes Mädchen von Bola-Bola, die tollste in Eurer tollen
+Schaar?«
+
+»~Anoënoë~ ist fromm geworden« lachte eines der Mädchen, die er
+~namataruas~ nach einem Zwillingsgestirn jener Zone genannt -- »sie
+lacht nicht mehr und trägt keine Blumen mehr im Haar und hinter den
+Ohren.«
+
+»Hahahaha« lachte der Ire, »~Anoënoë~ fromm geworden das ist gut, das
+ist vortrefflich, das ist -- hahahaha -- das ist beim Teufel zum
+Todtschießen komisch!«
+
+Der Bootsmann -- eine schlanke, kräftige, ja selbst edle Gestalt, mit
+ächt französischen Zügen, krausem dunkelen Barte und dunkelen Augen,
+jeder Zoll ein Seemann, der englischen Sprache übrigens vollkommen
+mächtig, hatte den Begrüßungen des Fremden mit den Mädchen und Frauen
+des Platzes, die er alle kannte und bei Namen nannte, schweigend und
+etwas erstaunt mit zugesehen, aber weiter kein Wort hineingeredet und
+schien nur etwas ungeduldig und mit untergeschlagenen Armen das Ende
+dieser Erkennungsscene zu erwarten. Er trug, trotz dem warmen Wetter,
+seine blautuchene dicht mit kleinen blanken Knöpfen besetzte Jacke,
+mit weißen Strümpfen und sauber gewichsten Schuhen und schneereinen
+segeltuchenen selbstgemachten weiten Hosen, die nur dicht über den
+Hüften fest anschlossen und auflagen; das weiße Hemd hielt ein
+schwarzseidenes Halstuch mit einem Seemannsknoten locker zusammen, und
+der leichte feine Panama Strohhut saß ihm fest und trotzig mehr nach
+vorn in der Stirn, als ihn sonst Matrosen gewöhnlich zu tragen
+pflegen.
+
+Endlich mochte ihm aber die Zeit doch zu lang währen und er unterbrach
+die weiteren freundschaftlichen Erkundigungen des Fremden mit einem
+nicht eben da einstimmenden:
+
+»~I say stranger~! -- Ihr scheint früher schon einmal auf
+Korallenboden geankert zu haben -- Euerer Physionomie verdankt Ihr die
+Vertraulichkeit doch nicht.«
+
+»Der Geschmack ist verschieden, Kamerad!« lachte der Ire dagegen, »und
+Einer liebt Bier, der Andere Milchsuppe; aber Ihr habt Recht, ich bin
+hier zu Hause, und wenn ich auch nicht gerade hier wohne, führt mich
+meine Straße oft genug vorbei -- was Wunder da, daß ich Nachbars
+Töchter kenne.«
+
+»Ei so laßt Euer In-ge-le-se-Schwatzen doch nun endlich einmal!« rief
+da eines der Mädchen, zwischen die beiden Männer springend und des
+Iren Arm ergreifend -- »Her zu mir ~O-fa-na-ga~ -- und dreh deine
+Taschen um, denn Du hast doch den Boden hier nicht wieder betreten,
+ohne deiner Maïre Schmuck und Ringe mitgebracht zu haben; wo ist der
+Ring von ~perú~, den Du mir so lange versprochen?«
+
+»Maïre!« rief der Ire erstaunt sie betrachtend -- »_das_ ist Maïre? was
+zum Wetter ist denn mit Dir vorgegangen Mädchen, ich kenne Dich ja gar
+nicht mehr, wo sind deine Locken?«
+
+»Die hat der Mitonare abgeschnitten,« sagte die Schöne, halb beschämt,
+halb unzufrieden.
+
+»Der Mitonare -- und was zum Henker hat der Mitonare in deinen Haaren
+zu suchen, Sirrah?«
+
+»Sie sollte fromm werden und keine tollen Streiche mehr treiben,«
+lachte Ate-Ate, ihr das Kinn emporhebend und zum Lichte drehend.
+
+»Unsinn!« rief aber das Mädchen, -- »das ist blos oben, ~O-fa-na-ga~
+-- kehr Dich nicht daran -- wo ist der Ring? her damit!«
+
+»Und mir auch -- mir auch!« riefen Andere, auf ihn eindrängend, »mir
+hat er Ohrgehänge versprochen -- und mir bunte Federn aus dem Osten --
+und mir Kattun zu einem neuen Kleid!«
+
+»Zurück Mädchen, zurück!« rief aber der Ire lachend, der sich nur mit
+Mühe der auf ihn Einstürmenden erwehren konnte -- »Ihr hattet recht,
+Kamerad, die Physionomie thuts bei den Dirnen hier allerdings nicht
+allein, und sie reißen Einem -- Wettermädchen Ihr, wollt Ihr Ruhe
+geben -- die Lumpen vom Leibe; würden sich auch verdammt wenig
+Gewissen daraus machen, einen armen Teufel von Matrosen gleich bei
+seinem ersten Ansprung an Land rein auszuplündern und nachher allein
+sitzen zu lassen und auszulachen. Die braune Haut versteht sich so gut
+darauf wie die weiße.«
+
+»Von welchem Schiff seid Ihr, Kamerad?« frug jetzt der Bootsmann, »Ihr
+segelt wohl unter eigener Flagge?«
+
+Der Ire lächelte leise vor sich hin, schüttelte aber mit dem Kopf und
+erwiederte schmunzelnd:
+
+»Dießmal habt Ihr vorbeigeschossen, so schmeichelhaft die Anspielung
+auch sein mochte; alt England für immer, ich möchte keine anderen
+Farben an meiner Gaffel wehen haben, -- selbst nicht die rothe;«
+setzte er mit einem halb spöttischen, halb verschmitzten Seitenblick
+auf den Bootsmann hinzu -- »Um Euch übrigens zu beruhigen kann ich Euch
+sagen daß ich Harpunier an Bord des Englischen Wallfischfängers, der
+~Kitty Clover~ bin, die hier zu ihrer Erholung in Papetee liegt, und
+auch da wohl noch eine Weile zu ihrer Erholung liegen bleiben wird,
+wenn ihr die sehr verehrte Französische Regierung nichts in den Weg zu
+legen für nöthig findet und den Aufenthalt noch länger gestattet.«
+
+Der Bootsmann unterdrückte nur mit Mühe einen Fluch auf die ironische
+Anspielung daß seine Corvette, die früher den Insulanern imponirt,
+gegenwärtig, durch die ihr überlegenen Engländer im Schach gehalten,
+Nichts mehr zu sagen und zu befehlen hatte, aber er besann sich eines
+Besseren und die Lippen nur zusammenpressend sagte er finster:
+
+»Ihr thätet wohl Euch mit der Französischen Regierung auf gutem Fuß zu
+halten -- die guten Leute in Papetee wissen heute noch gar nicht was
+für Farben _morgen_ Mode sein könnten.«
+
+»Jedenfalls die schwarze,« schmunzelte der Ire, sich die Hände
+reibend -- »jedenfalls die schwarze. Jetzt bestimmen die Missionaire
+die Moden und das sind liebe, liebe Menschen; haben uns Matrosen auch
+so gern, als ob wir ihre Brüder wären -- was wir ja doch auch
+eigentlich sind. Es klingt ordentlich erbaulich »Bruder Jim oder
+Bruder O'Flannagan.«
+
+»Daß sie uns nicht grün sind kann ich ihnen nicht verdenken,« brummte
+der Bootsmann, »sie haben alle Ursache dazu, denn unsere beiden
+Interessen laufen einander gerade schnurstracks entgegen. Also Ihr
+gehört zu dem schmutzigen Wallfischfänger da draußen -- habt Ihr
+Fische bekommen?«
+
+»Ja Mister.«
+
+»Und welchen Port seid Ihr zuletzt angelaufen?«
+
+»Genirt's Euch, wenn Ihr's _nicht_ wißt?« frug der Ire spöttisch.
+
+»Geht zum Teufel!« brummte der Franzose zwischen den Zähnen durch --
+ärgerlich sich mit dem Burschen so weit eingelassen zu haben und
+wandte ihm den Rücken.
+
+»Rrrrrrrrrr!« dröhnte in diesem Augenblick ein rascher Wirbel so dicht
+vor ihren Ohren, daß sich der Bootsmann überrascht danach umsah;
+lachende Mädchengesichter schauten ihm aber entgegen, wohin er
+blickte, und Eine von diesen hatte eine richtige französische Trommel
+umgehängt, und schlug darauf jetzt mit fertiger Hand den Takt ihres
+Inseltanzes.
+
+»Alle Wetter, Ate-Ate!« rief der vorgebliche Harpunier des ~Kitty
+Clover~, und suchte das Mädchen zu fassen, das aber rasch zur Seite
+sprang und ihn mit den Trommelschlägeln abwehrte -- »Du bist ja wohl
+gar gut französisch geworden, Mädchen, und dienst gegen deine früheren
+Geliebten -- ein eigenthümliches Mittel sich an den Treulosen zu
+rächen!«
+
+»Zurück ~O-fa-na-ga~, zurück!« rief aber diese -- »ich will die Zahl
+der Falschen nicht vermehren, und es wäre schon jetzt Wahnsinn gegen
+sie in den Kampf zu ziehen -- sie sind wie die Guiaven im Wald, und
+drücken alles Andere zu Boden -- zurück weißer Mann! -- Aber lasse das
+Schwatzen hier, wir wollen tanzen, und Ihr stört uns nur mit Euerem
+Zungen klappernden Volk. Da ~A-da~!« wie sie den Bootsmann der ~Jeanne
+d'Arc~ nach seinem nicht auszusprechenden Schiffe nannte -- »da stell
+Dich her, und nun paß auf, wir wollen den Tanz versuchen den Du uns
+gelehrt und sieh ob wir's können.« Und zurückspringend begann sie mit
+ziemlicher Genauigkeit ~Lord Howe's hornpipe~, den allbekannten
+Matrosentanz auf der Trommel zu schlagen, indeß sie die Melodie dazu
+mit klarer, ja glockenreiner Stimme sang, und die Mädchen flogen
+herbei zum Tanz. _Den_ Klängen konnten aber auch die Matrosen nicht
+widerstehen, und gegen sie antanzend stampften sie nach den raschen
+Takten den Rasen und schwenkten und warfen die Hüte in jubelnder Lust.
+
+Aber die Europäer ermüden bald; so schattig der Brodfruchtbaum auch
+seine breitfingerigen Blätter und über ihm die Palme ihre Krone
+streckt -- die Luft ist zu heiß für solche Lust, und keuchend warfen
+sie sich auf den Boden nieder, indeß sie die eingeborenen Mädchen
+lachend umsprangen und mit Blumen und Bananenschaalen warfen.
+
+Aber lauter und wilder tönt die Trommel, in deren Schlagen Ate-Ate
+Eine der Eingeborenen abgelößt und zu der sich noch eine zweite
+gefunden hat; der Takt wechselt, lachende Männer und Mädchenstimmen
+fallen ein in jubelndem Chor, und die erhitzten Tänzerinnen haben
+schon Hut und Schultertuch abgestreift der wogenden Brust und
+brennenden Stirn Luft und Kühlung zu geben. Dicht geschaart drängen
+die Zuschauer herbei aus der Nachbarschaft, und hochgeschürzte
+halbnackte Mädchen werfen sich immer aufs Neue hinein in den wilden
+Reigen. Hei wie sie fliegen herüber und hinüber in toller Lust, mit
+Armen und Knieen einfallend in den wüthenden Takt, schneller und
+schneller, mit funkelnden Augen und wogender Brust, wieder und wieder,
+auf und ab vor der Trommel und dem Jauchzen der bewundernden Schaar,
+bis sie erschöpft zusammenbrechen, und andere -- wildere ihren Platz
+ausfüllen auf dem zerstampften mißhandelten Rasen.
+
+Bunt sind die Tänzer, bunter aber fast die Zuschauer die sie jetzt
+umstehn, und die sich, durch den Ton des Instruments gelockt,
+eingefunden haben. Neben dem noch bis an die Zähne tättowirten alten
+Indianer, der mit grimmer Lust und leuchtenden Augen schon in seinem
+Geist die alte Zeit wieder aufleben sieht mit ihren Festen und Tänzen
+-- die schöne fröhliche Zeit, ehe die schwarzgekleideten Männer mit
+den finstern Gesichtern kamen und ihren sonnigen Boden betraten, steht
+die würdige Matrone, der jetzt Blume und Blüthe im Haar schon ein
+Gräuel und dem Herrn mißfällig dünkt, und sieht mit Seufzen und oft
+und oft zum Himmel geschlagenen Blick, das Entsetzliche wieder vor
+ihren Augen geschehen, dem folgend ihre Priester Pestilenz und Krieg
+und die Racheblitze ihres Gottes prophezeiht. Aber sie _sieht_ doch
+den Tanz, sie steht und zögert, und während sie seufzt und stöhnt,
+taucht die Erinnerung in ihr auf, an frühere Zeit, wo sie selber im
+wilden Sprung die Reihen der Mädchen geführt, die Fröhlichste unter
+den Fröhlichen, bei denselben entsetzlichen Klängen, -- wo sie mit
+fliegender Brust und funkelndem Auge die Tapa von Schultern und
+Hüfte, die Blumen aus den flatternden Locken riß, den Tänzer damit zu
+werfen und -- Jehovah stehe ihr bei, sie faltet erschrocken die Hände
+und flieht den Platz, denn unter dem bunten wehenden Kattun zuckt' es
+und zittert' es ihr in den Knieen und Füßen, und der Teufel war stark,
+und lockte sie zu dem Entsetzlichen.
+
+Mitten hinein aber zwischen die Reihen und Gruppen der außen Stehenden
+drängen jetzt wieder lachend und schwatzend und mit den Tänzerinnen
+scherzend Französische Seeleute und Marinesoldaten, ihren Arm um die
+nächste geschlungen, und den Takt des Tanzes mit Gesang oder
+stampfendem Fuß unterstützend, und im Taumel von Lust und Freude
+treibt sich die sorglose Schaar hier mitten zwischen dem Volk umher,
+indeß die Mündungen seiner Kanonen schon auf die armen Bambushütten
+gerichtet liegen und ein Zufall den blutigen Kampf entzünden kann.
+
+Aber was kümmerts die jungen Burschen; _der_ Tag ist noch der ihre, im
+duftenden Wald, die wilde reizende Mädchenschaar an ihrer Seite, was
+sorgen sie da um den nächsten. -- Und wenn _jetzt_, in diesem
+Augenblick die Alarmtrommel tönte? -- So unmöglich ist das nicht, denn
+der Bootsmann horchte einmal schon rasch und erschrocken auf -- aber
+bah, es ist die neue Aufforderung zum Wiederbeginnen der Lust, und
+toller und rasender als je werfen sich die Unermüdlichen hinein in den
+Tanz.
+
+Der Bootsmann oder ~contremaître~ der ~Jeanne d'Arc~ und Jim der Ire
+hatten sich zurückgezogen vom Tanz und der Franzose stand allein, an
+den Stamm eines Brodfruchtbaums gelehnt und schaute mit verschränkten
+Armen dem wilden Spiele zu.
+
+Jim war in seiner Nähe und eben im Begriff auf ihn zuzugehen, aufs
+Neue ein Gespräch mit ihm anzuknüpfen, als er sich am Arme gezupft
+fühlte und rasch umschauend einen fremden Matrosen bemerkte, der ihm
+vorsichtig winkte ihm zu folgen, und dann langsam, und scheinbar
+absichtslos einem kleinen Guiavendickicht zuschlenderte, das hier den
+nicht weit von da vorbeiströmenden Bach begrenzte. Jim schaute sich
+vorsichtig um, ob er von keiner Seite beobachtet würde, blieb wohl
+noch eine Viertelstunde ruhig und regungslos in seiner Stellung, dem
+Tanze zuschauend, und folgte dann, die Hände in den Taschen und mit
+den ihm nächsten Mädchen lachend und scherzend, dem Vorangegangenen.
+Etwa zwanzig Schritt im Dickicht hörte er einen leisen Pfiff,
+antwortete ebenso vorsichtig und befand sich wenige Minuten später dem
+fremden Seemann gegenüber, der ihn ohne weiteres am Arm nahm und noch
+tiefer in den Wald von Mape und Lichtnußbäumen und Guiaven
+hineinführte.
+
+»Alle Wetter Kamerad,« sagte endlich Jim stehen bleibend und seinen
+schweigsamen Führer betrachtend, »was zum Henker schleppt Ihr mich
+denn hier in den dicksten Busch, wo man sich die Augen in den Zacken
+ausrennen kann. Was wollt Ihr von mir und wer seid Ihr selber?«
+
+»Wer ich bin, Dick Mulligan« sagte aber der Andere, »kann Dir ziemlich
+egal sein, wenn nur -- «
+
+»Dick Mulligan« wiederholte Jim und so sehr er sich auch Mühe gab
+seine Bewegung zu verbergen, war es doch leicht zu sehn, wie er über
+den Namen erschrak, »wen zum Teufel nennt Ihr Dick Mulligan?«
+
+»Pst Dick, nicht so laut,« sagte aber der Andere vorsichtig, »Du
+brauchst Dich nicht zu geniren, wir Beide kennen einander, denn so
+hab' ich mich doch Gott straf mich nicht verändert, daß Du nicht unter
+der, vielleicht ein Bischen braun gewordenen Haut deinen alten
+Gefährten Jack herausfinden solltest.«
+
+»Jack, bei Allem was da schwimmt!« rief Jim, »aber Mensch wo kommst Du
+her, und in _die_ Jacke; Matrose an Bord eines _französischen_
+Kriegsschiffs« --
+
+»Das wäre eine langweilige Geschichte, Dir das Alles
+auseinanderzusetzen, genug daß ich da bin und vielleicht Dir zum
+Glück,« entgegnete aber der Andere -- »Mensch Du hast Dich nicht im
+Geringsten verändert, siehst noch aus wie vor fünf Jahren und läufst
+hier so unbekümmert und gottvergnügt mit dem Bart und den Haaren in
+der Welt herum, als ob Du nicht den Strick um den Hals trügst, und
+jeden Augenblick gefaßt und vor Gericht geschleppt werden könntest --
+und wer Dich einmal gesehen, vergißt Dich im ganzen Leben nicht
+wieder.«
+
+»Laß die alte Geschichte,« knurrte aber der Ire -- »kein Mensch hier
+hat eine Ahnung davon als wir Beide -- weshalb das Aufheben!«
+
+»Kein Mensch, so?« -- sagte Jack, »und weißt Du, wer auf der ~Jeanne
+d'Arc~ drüben zweiter Lieutenant ist?«
+
+»Wie soll ich's wissen,« erwiederte Jim unruhig, »Du kannst Dir denken
+daß ich mit den Offizieren irgend einer Majestät so wenig wie möglich
+in Berührung komme -- wer wird's sein?«
+
+»Niemand Anderes als derselbe junge Bursch, der uns damals, in der
+Pomatu Gruppe unsern schon sicher geglaubten Fang, den kleinen
+Perlencutter abjagte und Dich dabei erwischte. Du entkamst ihm nachher
+noch, aber er hat Dich doch beinah acht Tage festgehabt und kennt Dich
+genau, ich habe ihn wenigstens die Geschichte selber zweimal an Bord
+erzählen hören und er schwört darauf daß er Dich hängen sehn will,
+wenn er Dir jemals im Leben wieder begegnet.«
+
+»Unsinn, was kann er mir thun,« brummte aber Jim (denn wir wollen den
+Namen beibehalten), »wir wurden eben von unserer Beute vertrieben,
+aber das war doch auch weiter kein Beweis gegen mich.«
+
+»Sie haben die beiden Leichen in dem Pandanusdickicht gefunden,« sagte
+Jack leise.
+
+»Den Teufel,« knirschte Jim zwischen den Zähnen durch -- »das wäre
+allerdings fatal -- aber er hat keine Zeugen.«
+
+»Mehr wie er braucht,« entgegnete Jack -- »drei von den Jungen die uns
+damals den Spaß verdarben, sind auf der ~Jeanne d'Arc~ -- und Du
+kannst Dir denken wie mir zwischen dem Gesindel zu Muthe sein muß --
+ein Glück daß sie keine Ahnung haben wie nahe wir schon einmal mit
+einander in Geschäftsverbindung gestanden haben.«
+
+»Aber wie zum Henker bist Du auf das Französische Kriegsschiff
+gekommen?« frug Jim nochmals erstaunt und vielleicht selbst
+mißtrauisch.
+
+»Lieber Gott,« lachte Jack achselzuckend, »wie man bald das bald das
+einmal in der Welt versucht, ehrlich durchzukommen. -- Ich machte in
+Marseille, an Bord eines Dampfers eine Speculation in silbernen
+Löffeln -- «
+
+»Pfui!« sagte Jim.
+
+»Pfui?« wiederholte Jack beleidigt -- »das ist mir nun einmal
+angeboren, daß ich nicht müßig gehen kann; doch um kurz zu sein
+entstand da ein Mißverständniß dem ich, als der Schwächere zum Opfer
+fiel. Sie steckten mich erst ein und schickten mich dann, zu meiner
+weiteren Ausbildung auf ein Kriegsschiff.«
+
+»Und jetzt?«
+
+»Und jetzt? -- bin ich an Bord und sehe mich nach einer passenden
+Gelegenheit um meine Situation zu verbessern.«
+
+»Warum desertirst Du nicht?« frug ihn Jim.
+
+»Das ist eine böse Sache,« sagte Jack kopfschüttelnd, »das kann gut,
+aber auch schlecht gehen -- ja wenns hier einmal zum Ausbruch käme,
+ließ ich mir's gefallen; jetzt wird aber Alles ausgeliefert was sich
+fremd am Ufer blicken läßt. Du aber kannst mir am Ende dazu helfen.«
+
+»_Ich_ Dir? -- wie mir's jetzt scheint habe ich alle Hände voll zu
+thun meine eigene Haut in Sicherheit zu bringen -- ist unser alter
+Bekannter an Land?«
+
+»Gewiß, und stöbert hier gerade in der Nachbarschaft herum, ich habe
+Dich deshalb abgerufen daß Du ihm nicht etwa in die Hände läufst -- «
+
+»Nur meinethalben?« frug Jim den Gefährten mit einem etwas
+zweifelhaften Blick.
+
+»_Nur_ deinethalben? -- nein« sagte der aufrichtige Jack -- »ich sehe
+nicht ein warum ich das Kind nicht beim rechten Namen nennen soll; mir
+war es selber nicht ganz einerlei, die alte Geschichte wieder
+aufgewärmt zu sehn, noch dazu da ich ein unfreiwilliger Zeuge des
+Ganzen hätte sein müssen. Aber wirklich Jim, wie ich da erst von
+unserem Bootsmann gehört habe, der sich gerade nicht in Dich scheint
+verliebt zu haben, gehörst Du zu dem Wallfischfänger, der unten in der
+Bai liegt -- sind die Leute an Bord gut?«
+
+Jim zögerte einen Augenblick mit der Antwort und schielte seitwärts
+nach seinem frühern Kameraden hinüber.
+
+»Du überlegst ob ich Dir da nicht etwa im Wege wäre?« sagte dieser
+lachend.
+
+»Nein, nein,« erwiederte der Ire rasch und vielleicht etwas beschämt
+seine Gedanken so schnell errathen und ausgesprochen zu sehn -- »ich
+wußte nur nicht gleich was Du damit meintest -- ja, der Capitain ist
+gut genug -- Mac Rally, Du mußt ihn ja noch von früher her kennen.«
+
+»Mac Rally, Mac Rally? -- nein, unter dem Namen nicht; wie hieß er
+sonst -- Du kannst mir trauen alter Junge,« setzte er lachend hinzu,
+als er sah das Jim mit der Antwort zögerte -- »mir liegt _Alles_
+daran sicher vom Bord der Franzosen zu kommen und wenn ich selbst -- «
+
+»Aber warum schwimmst Du nicht zu dem Engländer hinüber, der nähme
+Dich mit Vergnügen auf,« sagte Jim.
+
+»Weil ich dafür meine _sehr_ guten Gründe habe,« brummte Jack
+verdrießlich; »ich fühle eine gerade so große Abneigung gegen
+englische Offiziere wie Du, und -- habe vielleicht eben so viel
+Ursache -- also Mac Rally -- «
+
+»Erinnerst Du Dich noch auf Bill Kooney?« frug Jim.
+
+Jack pfiff leise vor sich hin und lachte verschmitzt.
+
+»Bill Kooney,« sagte er dann nach einer kurzen Pause -- »Bill Kooney
+-- aber wie zum Teufel ist der zu dem Wallfischfänger gekommen?«
+
+»Das ist eine naive Frage,« sagte Jim, »aber mein Junge, wenn dem so
+ist daß der Gesell -- wie heißt er doch gleich dein Lieutenant?«
+
+»Bertrand.«
+
+»Daß also der ~Monsieur~ hier herumschwimmt, da ist's für mich Zeit
+aus dem Cours zu gehn -- bis ich ihm vielleicht einmal richtig hinein
+kommen kann; ich muß so an Bord.«
+
+»Aber wo treffen wir uns wieder? ich möchte vorher genau wissen wann
+Ihr segelt und Bill Kooney doch auch gern einmal sehn, mit ihm meinen
+Plan zu bereden.«
+
+»Ich gehöre gar nicht mehr an Bord,« sagte Jim -- »daß ich Harpunier
+wäre hab' ich deinem neugierigen Bootsmann nur aufgebunden.«
+
+»Du gehörst nicht mehr an Bord?« frug Jack erstaunt -- »den Teufel
+auch, da hast Du wohl dein »Geschäftsbüreau« jetzt an Land?«
+
+»Zu Zeiten,« sagte Jim ausweichend.
+
+»Und gehn die Geschäfte gut? -- na hab' keine Angst,« setzte er aber
+rasch hinzu, als er sah daß den neugefundenen Kameraden die Frage
+etwas in Verlegenheit zu setzen schien, wenigstens nicht gleich und
+unbedingt von ihm beantwortet wurde -- »ich komme Dir dabei nicht in's
+Gehege, bleibe aber, aufrichtig gesagt auch lieber einmal eine
+Zeitlang auf festem Grund und Boden und in der angenehmen Gesellschaft
+hier, mich von den überstandenen Strapatzen erst ein wenig auszuruhn.
+Donnerwetter, man lebt doch nur einmal auf der Welt, und wozu sich in
+einem fort schinden und placken, wie ein Hund!«
+
+»Ich weiß gerade nicht ob es Dir hier gefallen würde,« sagte Jim.
+
+»Daß laß meine Sorge sein,« lachte der Matrose, »wenn ich nur erst
+glücklich aufgehoben wäre, eine Desertion in meinen Verhältnissen ist
+nur zu verdammt gefährlich, denn _kriegten_ sie mich wieder, möcht'
+ich in jeder anderen, nur nicht in meiner eigenen Haut stecken. Ich
+könnte Dir vielleicht hier auch in Manchem von Nutzen sein.«
+
+»Das bezweifle ich nicht im Mindesten,« entgegnete Jim ruhig, »aber
+überleg's Dir wohl; wird eine große Belohnung auf den Einfang gesetzt,
+so ist keinem von den Indianischen Schuften zu trauen. Am besten wär's
+doch wohl Du sprächst einmal mit Mac Rally.«
+
+»Hm -- ja -- vielleicht -- nun ich werde ja sehen,« sagte Jack wie
+überlegend sich das Kinn streichend und dabei verstohlen auf Jim
+hinüber schauend. -- »Und wenn man Dich einmal hier am Ufer finden
+wollte, wo bist Du da am besten zu erfragen?«
+
+»Kennst Du einen Platz hier auf der Insel, den sie »Mütterchen Tot's
+Hotel« nennen?«
+
+»Nein -- ich bin noch nie funfzig Schritt vom Strand fortgewesen.«
+
+»Du wirst ihn erfragen können -- jeder Matrose kennt ihn.«
+
+»Wohnst Du dort?«
+
+»Nein, aber es ist der einzige Platz, den ich regelmäßig besuche.«
+
+»Gut, werd' ihn mir merken, und nun ~good bye~, Dick, unser Bootsmann
+könnte mich sonst vermissen.«
+
+»Nenne mich nur nicht _Dick_,« warf der Ire ein, »der Name war mir
+unbehaglich, und ich möchte nicht gern immer wieder an jene
+unglückselige Zeit erinnert werden.«
+
+»Hast Du Gewissensbisse?« lachte Jack.
+
+»Bah Gewissensbisse -- Unsinn -- aber keine Lust eine Raanocke zu
+zieren, alter vergessener Geschichten wegen.«
+
+»Gut, gut; also Du, Jim, wenn Dir das sicherer klingt, könntest Dich
+unter der Zeit doch immer einmal nach einem Quartier oder
+Schlupfwinkel für mich umsehen -- wenn's auch nur für den Nothfall
+wäre; je weiter im Inneren, desto lieber ist mir's. So gute Nacht und
+-- hab gut Acht auf deinen Hals!« -- Und leise vor sich hinlachend
+verließ er den Freund und ging zurück, wo er die Trommeln der
+Insulaner noch hören konnte, die unermüdlich neue und frische Tänzer
+herbeilockte.
+
+»Hm,« sagte Jim leise und nachdenkend vor sich hin, als der alte
+Kamerad aus früheren Tagen in den Büschen verschwunden war, und seine
+Schritte weiter und weiter im dürren Laub verklangen -- »schön Dank für
+die Warnung; ich weiß aber eben noch nicht, ob mir mein Hals in
+_Deiner_ Gesellschaft sicher oder unsicher ist, mein alter Bursche,
+und fataler Weise ist der Versuch gerade so gefährlich. Nun,
+jedenfalls bin ich auf meiner Huth und vor Dir ziemlich sicher daß Du
+nicht selber aus der Schule schwatzest; Vielleicht kommt mir aber der
+französische Grünschnabel einmal gelegentlich unter die Finger und
+dann können wir ja unsere Rechnungen mitsammen ausgleichen. Jetzt
+übrigens, so lange es noch Tag ist, werde ich _nicht_ an Bord
+zurückgehn, sondern meine Geschäfte hier am Land besorgen; ich traue
+den Insulanern nur nicht viel zu; sie sind zu gleichgültig bei Allem
+was sie nicht unmittelbar in die Höhe schüttelt, und müßten sich sehr
+geändert haben, wenn sie überhaupt noch einmal zu einem entscheidenden
+Schlag zu bringen wären -- sei der nun hingerichtet, wohin er wolle.
+-- Hm -- ist mir aber auch wieder ungemein lieb erfahren zu haben daß
+der Gesell in einer französischen Uniform steckt und hier herumläuft
+-- werde doch zusehn daß _er mir_ zuerst vorgestellt wird, und nicht
+ich _ihm_.« -- Und mit einem vorsichtigen Blick umher, denn Jack's
+Warnung hatte seine Wirkung keineswegs verfehlt, schlug er sich, mit
+der Gegend in der er sich hier befand vollkommen gut bekannt,
+seitwärts in das Dickicht, die Stadt auf einem anderen Pfade zu
+erreichen und verschwand bald darauf in den dichten, hinter ihm sich
+wieder schließenden Guiavenbüschen.
+
+Fußnoten:
+
+[A] Ein Schiffsausdruck »wo kommt Ihr her -- von woher seid Ihr
+gesegelt?«
+
+
+
+
+Capitel 2.
+
+#Sadie und René.#
+
+
+Ah -- die Brust hebt sich ordentlich frei, wie wir dem wilden wüsten
+Treiben von Haß und Sünde, Leichtsinn und roher Sinnlichkeit den
+Rücken kehren, dem Wald, dem unentweihten Walde zuzustreben. Noch
+haben wir aber nicht all die bunten wilden Gruppen hinter uns, die
+zerstreut bei all den verschiedenen Hütten, in all den kleinen Hainen
+ihre Orgien feiern. Horch, von da drüben herüber lauter und munterer
+Trommelschlag unter den Palmen vor -- lachende Männer und
+Mädchenstimmen und jubelnder Chor; und von _dort_? tönt der scharfe
+Klang einer kleinen, in den Zweigen eines Orangenbaumes aufgehangenen
+Glocke, und der monotone Sang frommer Hymnen in Tahitischer Sprache,
+von den Ehrwürdigen Männern selbst an einem Wochentag gesungen, weil
+heute die Inseln ja dem rechten, dem »allein selig machenden
+Protestantischen Glauben« gerettet wurden.
+
+Dahinein aber kreischt der laute fröhliche Sang halbtrunkener
+Matrosen, die am Strand nieder neuen Vergnügungen zuziehen. Hier eine
+Frauengestalt in wehdurchschauerter Angst niedergeworfen vor dem
+zürnenden Gott, den Blick angstvoll nach oben gerichtet, als ob sie
+fürchte daß der rächende Strahl den Zornesworten folgen müsse, die der
+weiße fromme Mann eben niedergedonnert hatte von dem einfach hölzernen
+Kanzelstand, auf die Häupter der kleinen »auserwählten Schaar« -- dort
+ein wildes braunes halbnacktes Mädchen, den Arm leichtfertig um die
+Schulter eines französischen Soldaten gelegt, der mit ihr plaudert und
+koßt, während sie den lachenden Blick frei und ruhig zu dem blauen
+freundlichen Himmel emporhebt, und dabei mit halbem Ohr vielleicht den
+fernen wohlbekannten Glockentönen lauscht.
+
+Widersprüche wohin das Auge fällt, und nur die Natur selber ist sich
+treu geblieben in dem tollen wilden Gewirr -- nur die Natur allein,
+die Gottes Größe und Güte predigt in jeder Zeit, und ihre Gaben
+liebend ausstreut über die Kinder des Allmächtigen, gleichviel
+welcher _Sekte_ sie angehören, welchen Namen die Lippe flüstert, wenn
+das Herz, in stiller Anbetung versunken, emporstaunt zu seinen
+Wundern, und gleichgültig dabei, ob sie ihre Stirnen nach Westen oder
+Osten zum Gebet neigen -- beten sie doch _Alle_ zu _Ihm_.
+
+So, je weiter wir das wirre tolle Treiben Papetee's hinter uns lassen,
+verschwimmen die Dissonnancen von Hymne und Trommel in dem gewaltigen
+Donner der ewigen Brandung, und dem leisen flüsternden Rauschen der
+Blätter und Palmenkronen, und dort draußen, weit draußen am
+wunderschönen Strand, wohinaus kaum der donnernde Schall des
+Geschützes drang, das den Aufgang und Niedergang der Sonne kündete,
+hatte René seine Hütte gebaut. Ein wohl nicht großes aber doch
+geräumiges Haus, dicht in den Schatten von Frucht- und Blüthenbäumen
+hineingeschmiegt, diente ihm mit seiner kleinen Familie, wie dem alten
+ehrwürdigen Mr. Osborne, von dem sie sich nicht hätten trennen mögen,
+zum Aufenthalt; ja wurde ihm zur Heimath, und selbst Sadie fühlte sich
+hier wieder wohl und glücklich, so heimisch so freundlich war der
+kleine liebe Platz -- so lieb fast wie Atiu -- nur daß ihm die
+Erinnerungen fehlten.
+
+-- _Nur daß ihm die Erinnerungen fehlten_ -- es ist ein kleines,
+unbedeutendes Wort; die Erinnerung, und sie umfaßt doch, wenn wir
+erst einmal wirklich ins Leben traten, Alles fast, was das Herz je
+theuer gehalten und lieb, und dessen Klängen es mit freudigem Klopfen,
+o wie gern doch, lauscht. Was anderes giebt unserer Heimath jenen
+unendlichen Reiz, der uns nicht weilen läßt im fremden Land und uns
+zurückzieht mit festen, kaum zerreißbaren Banden? -- was anderes
+zaubert uns mit einem Schlag alle die lieben, nie vergessenen, aber
+wohl so oft und heiß ersehnten Bilder wieder herauf, die unserem Leben
+damals Licht und Farbe, unserem Blut die Wärme, unserer Brust die
+heitere Ruhe gaben? Verleih einem Platz diese Erinnerungen, und laß es
+dann die ärmlichste dürftigste Hütte in einer Wildniß sein, und jede
+Stütze ist uns theuer die noch den morschen Bau zusammenhält. Wir
+kennen da jeden Baum, jeden Stein und an jedes, das noch so
+unbedeutendste, an den schmalen Pfad der hinausführt zu dem stillen,
+Linden umlaubten Friedhof, an das Gartenpförtchen, an den Apfelbaum
+neben der Thür, an die Steinbank oder den murmelnden Bach, oder den
+moosbewachsenen Eimer des Brunnens, selbst an die lieben Sterne die
+nur _so_, wie alte liebe Bekannte über _der_ Hütte standen, knüpft
+sich eine Liebe, eine selige Erinnerung, und je älter wir dabei
+werden, je weiter uns das Schicksal und je länger es uns
+fortgetrieben aus dem Heiligthum, desto theurern Platz wahrt es sich
+in unserm Herzen.
+
+Und _ohne_ diese Erinnerungen? ja die Welt ist schön, und überall
+gründet der unstete Mensch seinen Heerd, überall deckt Gottes
+unendliche Güte den Boden für ihn mit Speise und Trank, und das
+Geschlecht treibt und gedeiht -- aber es treibt und gedeiht auch nur
+eben, und wie in der Fremde beginnt es seine Hütte zu bauen, wie in
+der Fremde siedelt es sich an und -- denkt zurück an frühere
+glücklichere Zeiten, liebere Plätze -- an die Stelle wo seine Wiege
+gestanden.
+
+Aber Sadie und René _waren_ glücklich -- über ihnen wölbten, wie auf
+Atiu wehende Cocospalmen ihre Häupter und schüttelten den Thau nieder
+auf die duftenden Blüthen der Orangen, die ihren Fuß umwuchsen; vor
+ihnen aus breiteten sich die Corallendurchzogenen Binnenwasser der
+Riffe, klar und silberrein wie an der Schwesterinsel, und Abends
+ruderte der junge Mann das Canoe hinaus, und vor ihm saß dann die
+glückliche Mutter mit dem Kind am Herzen, dem Liebesblick seines Auges
+in unendlicher Seligkeit begegnend; -- es waren das so frohe, so
+glückliche Stunden.
+
+Oh daß sie schwinden müssen, daß Alles nur auf Erden eine Spanne Zeit
+umfaßt, und während uns die Sonne fröhlich scheint, daß da schon
+düstre Wolkenschleier unterm Horizonte lagern müssen, die langsam aber
+sicher höher steigen. Es giebt kein ungetrübtes Glück auf dieser Welt,
+es kann's nicht geben, denn das Bewußtsein schon, wie nah der Wechsel
+unserm Leben liegt, wie oft an einer Faser nur das Alles hängt, was
+uns in diesem Augenblick entzückt, wirft einen trüben Schein selbst
+auf die frohste Stunde, und das, was uns gerade im Unglück stärkt, was
+den Blick vertrauend, hoffend dem Lichte zukehrt, wie trüb und traurig
+uns auch im Herzen sei, und wie die Verzweiflung an ihm nagt und
+zehrt, die Gewißheit irgend des einstigen Wechsels solcher
+Leidenszeit, die klopft dann ebenfalls als Mahner an des Glückes Thor,
+mit leisem Finger, aber still und unverdrossen fort.
+
+Nicht bei René; er war ein Kind im Glück und nahm das Alles mit so
+frohem leichten Herzen an, wie Kinder Spielzeug nehmen, lachen und
+springen damit und nicht d'ran denken daß es zerbrechen kann, sich
+nicht d'rum kümmern. Nach langer schwerer Zeit, wo er viel dulden
+mußte und ertragen, erschien das Alles hier ihm wie gehörig, wie
+gerechter Lohn nur für Bestandenes; Sorge hatte er nie gekannt, der
+Augenblick war ihm des Lebens Trieb gewesen, dem er folgte, dem
+Augenblick gehörte er auch an, und wie er ebenso im Unglück wenig nur
+gehofft, sich stets vom Schicksal ausersehn gedacht und kecken
+trotzigen Muthes darin gerade Freude fand ihm zu begegnen, es zu
+überwinden, so dachte er auch im Glück nicht oft hinaus wie's einst
+wohl werden solle, wenn der Tod vielleicht hier oder da die Stützen
+wegriß, oder and'res Leid mit kalter starrer Hand eingreifen könne in
+sein junges Glück. Er lebte, liebte, das war ihm genug.
+
+Nicht so Sadie; auf jener stillen Insel still herangewachsen, hatte
+sie kaum von einem höheren Lebensziel gewußt; der Schwestern sorglose
+Freuden sorglos theilend, war ihr auch nie ein anderer Gedanke
+gekommen, hatte sie nie einen andern Fall für möglich gehalten, als
+mit der Palme am Strand zu blühen, zu gedeihen und unter ihrem
+Schatten einst in leichter Erde, leicht und hoffend einem neuen,
+besseren Leben entgegen zu träumen. Da kam René -- mit ihm erschloß
+sich eine neue Welt für sie, mit ihm gewann sie etwas was sie nie
+geahnt -- ein _geistiges_ Leben, neben ihrer Palmenwelt, und Alles das
+was ihr die Brust von da mit solcher Seligkeit erfüllte, fand in dem
+einem Herzen nur Ursprung und Ziel -- und wenn das eine Herz ihr
+wieder schwand dann -- nein, sie dachte den Gedanken nie aus, und wenn
+er aufsteigen wollte in ihr, floh sie vor sich selbst, und das Gefühl
+gewann erst wirklich festen Grund in ihr, bekam erst Farbe und
+Gestalt, als ihr ein anderer Schmerz durchs Leben zog -- das erste
+schwere herbe Leid der jungen Brust.
+
+Der alte ehrwürdige Mr. Osborne, ein Missionair im wahren Sinn des
+Worts, der Gottes Liebe voll und wahr im Herzen trug, und Tausenden
+schon damit Trost gebracht, fand gerade da, wo er Achtung und
+Anerkennung hätte fordern dürfen, mit seinem treuen ehrlichen Herzen,
+kalten dürren Grund, und wenn nicht offenen Kampf, weit Schlimmeres --
+heimlicher Bosheit Pfeil, der oft weit tödtlicher trifft als Blei und
+Stahl. Herüber und hinüber geschickt auf der Insel, wo er kaum des
+einen Stammes Herzen sich gewonnen, und wohlthätigen Einfluß auf sie
+auszuüben begann, gekränkt und angefeindet, geärgert und betrübt,
+erkrankte er endlich, und ehe René sowohl wie Sadie sich auf den
+schmerzlichen Verlust der ihnen drohte, vorbereiten konnten, ja ehe
+selbst nur die Befürchtung solcher Gefahr in ihnen aufgestiegen war,
+machte ein Nervenschlag seinem Leben ein sanftes und nur zu rasches
+Ende.
+
+Der Schmerz traf tief in ihr junges, bis dahin ungetrübtes Glück, und
+Sadie besonders hatte viel, unendlich viel durch ihn verloren. Auch
+René schmerzte der Verlust des alten wackern Mannes, der ihm ein
+zweiter Vater geworden, und ja auch eigentlich viel mit seinetwegen
+ertragen und geduldet.
+
+Viele Monate vergingen denn auch, ehe sich Beide von dem Verlust
+erholen, an die Trennung von ihm gewöhnen konnten, und selbst dann
+noch wollte das Gefühl der Leere nicht ganz weichen -- es fehlte ihnen
+ein Theil ihrer selbst, und der Alles lindernden Zeit mußte es
+vorbehalten bleiben sie vollständig dafür zu trösten.
+
+Dieser Todesfall war aber auch für René zum Trieb geworden, sich
+irgend nach einer Thätigkeit umzuschauen, nach der auch, besonders
+jetzt allein auf sich selbst angewiesen und in der lebendigeren
+Ansiedlung mit neuen Bedürfnissen erwachsend, sein lebenskräftiger
+Geist sich sehnte und drängte. Eine solche Beschäftigung wurde ihm
+aber auch zuletzt zur Nothwendigkeit, wenn er nicht untergehen sollte
+in dem müßigen, dem Insulaner wohl zusagenden, dem gebildeten Europäer
+aber auf die Länge der Zeit nicht genügenden Leben.
+
+Kurz vor Mr. Osbornes Tode war ein Theil des Capitals, das René in
+Frankreich stehen hatte, für ihn auf Tahiti eingetroffen, und er
+beschloß jetzt dasselbe in kaufmännischen Speculationen anzulegen, und
+sich außerdem mit dem Handel und Betrieb dieser Inseln bekannt zu
+machen. Er bedurfte dessen allerdings nicht seine Lage zu verbessern
+oder seine Existenz zu sichern, denn wenig genügte hier seinem
+einfachen Leben, aber er wollte einen Antrieb haben, der ihn irgend
+einem gestellten Ziel entgegen führte, und das zog ihn dann nicht
+allein nicht von seinem häuslichen Leben ab, sondern mußte diesem
+sogar einen noch höheren Reiz verleihen.
+
+Seine kleine freundliche Wohnung lag vielleicht eine halbe Meile
+unterhalb Papetee, dicht am Meeresstrand, von hohen Wi- und Mapebäumen
+umgeben, und die freie Aussicht nach dem reizenden Imeo hinüber
+gewährend. Dort, schon mit mancher Europäischen Bequemlichkeit
+ausgestattet, hatte er sich sein Nest gebaut, und zog ihn auch über
+Tag dann und wann theils die Anknüpfung seiner Geschäfte, theils das
+rege politische Treiben dieser lebendigen Zeit für Tahiti, nach der
+Stadt, so fand ihn der Abend doch stets mit raschen Schritten
+heimwärts, in die Arme seines trauten Weibes eilend, und schmiegte
+sich dann das liebe holde Kind, dem die Mutterwürde einen fast noch
+höheren Reiz verliehen, kosend an seine Seite, dann segnete er wohl
+oft, in der Fülle seines Glücks, das Schiff, das ihn an diese
+gastliche Küste geführt, und mehr noch den Entschluß Freiheit und
+Leben daran gesetzt zu haben den Boden zu betreten, zu dem es ihn,
+wie mit einer höheren inneren Stimme unaufhaltsam getrieben.
+
+Wie es dabei oft jungen Leuten geht, denen das Schicksal, und wie
+häufig ihnen zum Heil, in ihrer ersten Liebe, bei ihren ersten
+ehrgeizigen Plänen, den schon zum Genuß gehobenen Becher von den
+Lippen reißt, und die dann plötzlich ihre Rechnung mit der Welt
+abgeschlossen, ihre Ansprüche an das Leben und sein Glück vernichtet
+glauben und gar nicht einsehen wollen, daß ihnen die Welt erst jetzt
+so voll und weit die Arme öffnet, fand er Alles, Alles gerade in dem
+Augenblick erfüllt, wo er sich schon an Abgrunds Rande wähnte, und den
+Schritt für unvermeidlich, für unabwendbar hielt, der ihn
+zerschmettert in die Tiefe senden mußte.
+
+Und wenn er dann wieder im Anfang, von einem Extrem zum andern
+überspringend, jeder Gefahr entrissen, mit jedem Wunsch erfüllt, in
+einem förmlichen Taumel von Wonne und Seligkeit der neu gefundenen
+Rettungsbahn, die ihn nun durch blumige Auen führte, wie im Traume
+folgte, verlor sich doch endlich dieses Gefühl, das ihn auch wirklich
+sein Glück nur halb empfinden ließ, und mit dem vollen Bewußtsein
+dessen was er sich hier, in dieser wunderherrlichen Welt gewonnen,
+kehrte auch unendliche Ruhe und Seligkeit ein in sein Herz -- eine
+Ruhe die sein Weib unsagbar glücklich machte und ihrer Brust letzte,
+durch die anderen Protestantischen Geistlichen wachgerufenen Zweifel
+und Befürchtungen beschwichtigte und widerlegte, daß sich der unstete
+Geist des jungen Mannes so leicht und vollständig dem doch ganz neuen
+ungewohnten, und gewissermaßen abgeschlossenen Leben dieser Inseln
+fügen werde.
+
+Wie aber der Wirkungskreis ein weiterer war, den er hier fand, so
+zeigte sich auch bald das Leben ein ganz anderes, als in dem stillen,
+abgeschlossenen Atiu. Tahiti, und auf ihm Papetee schien der
+Mittelpunkt des Handels und Verkehrs für die südlich vom Aequator
+gelegenen Inselgruppen werden zu wollen, und gerade in letzter Zeit
+hatten sich mehre Amerikanische wie Französische Familien hier
+niedergelassen, die den gesellschaftlichen Verhältnissen dieses
+kleinen Inselstaates einen neuen, bis dahin noch nicht gekannten
+Aufschwung zu geben versprachen. René dessen liebenswürdiges Benehmen
+ihm leicht die Herzen derer gewann, mit denen er in Berührung kam,
+trat bald darauf mit einem der Amerikaner sowohl wie den Franzosen in
+Geschäftsverbindung, und fand sich auf das Herzlichste bei ihnen
+eingeführt. Den Frauen besonders lag daran einen geselligen Verkehr
+auf diesem abgelegenen Punkt zu eröffnen und zu erhalten, und sie
+hörten kaum daß René verheirathet sei, als sie auch fest entschlossen
+waren ihn aufzusuchen und mehr an sich und ihr Haus zu fesseln.
+
+René, der recht wohl fühlte daß er sich mit der stärkeren Bevölkerung
+der Insel, wenn sich besonders noch mehr Europäer herüber zogen, einem
+mehr geselligen Leben nicht ganz würde verschließen können, ja
+verschließen mochte, hatte schon seit einiger Zeit angefangen Sadie
+darauf vorzubereiten, und zum ersten Mal störte ihn hierin ihre
+ungezwungene Tracht, die dem Klima wie der freien Bewegung des Körpers
+doch so angemessen war. In den Kreisen in denen er sich aber in einem
+mehr geselligen Leben bewegen mußte, wäre dieselbe jedenfalls, wenn
+nicht geradezu ein Hinderniß, doch oft ein Stein des Anstoßes
+geworden. Allerdings fürchtete er im Anfang diesen Punkt bei Sadie zu
+berühren -- es konnte sie kränken wenn sie glauben möchte sie gefiele
+ihm weniger jetzt in dem bunten flatternden Tuch, als früher in der
+ersten Liebe Zeit; aber Sadie war viel zu vernünftig nicht einzusehen,
+wie sie mit dem Gatten in einen anderen Wirkungskreis getreten wäre
+und sich dem anzuschmiegen hätte. Die liebe kleine Frau schüttelte
+wohl anfangs darüber lächelnd den Kopf, aber die neuen Kleider standen
+ihr vortrefflich, und mit dem, ihren Landsleuten eigenen Scharfblick
+fügte sie sich so leicht nicht allein in die Tracht, sondern auch in
+das ganze Neue und Fremde, das dieselbe mit sich brachte, als ob sie
+von Kindheit an darin aufgezogen gewesen wäre, und nicht erst hätte
+Alles abwerfen müssen was uns durch Gewohnheit und Sitte aus unserer
+Jugend noch fast zur andern Natur geworden, und mit unserm inneren
+Selbst verwachsen ist.
+
+Störend allein griffen manchmal, wenn auch selten, die kirchlichen und
+dadurch wieder politischen Verhältnisse der Inseln in das Leben der
+Glücklichen ein, denen sich René selber am liebsten ganz entzogen
+hätte, wenn ihn eben die Geistlichen in Frieden gelassen. Die
+Protestantischen Missionaire _hielten es aber für ihre Pflicht_ (ein
+entsetzliches Wort solcher Herren) die junge, im rechten Glauben
+erzogene und unglücklicherweise in die Hände eines Ungläubigen
+gerathene junge Frau, unaufhörlich vor dem Abgrund zu warnen an dem
+sie stehe, und ihr alle die Schrecknisse vor zu halten die sie
+erwarteten, wenn sie dem von ihrem Gatten betretenen Pfade folge. Auch
+das Kind mußte ja dem rechten Glauben erhalten werden, und so
+bereitwillig sich René, um nur Ruhe von Außen und Frieden im Hause zu
+haben, allen verlangten Ceremonien fügte, die für unumgänglich nöthig
+gehalten wurden dem kleinen unschuldigen Erdenbürger eine einstige
+Seligkeit zu sichern, so mußte er doch zuletzt entschieden gegen
+einen Theil dieser Menschen auftreten, die in seinem Haus anfingen wie
+in einem Taubenschlag aus und ein zu fliegen, und auf dem besten Weg
+waren der armen Frau den Kopf zu verdrehen, und sie melancholisch und
+unglücklich zu machen.
+
+Von den Geistlichen war nur Einer, mit dem er sich gewissermaßen
+befreundete, und zwar eigenthümlicher Weise gerade Einer der
+eifrigsten und entschiedensten der ganzen Gesellschaft. Bruder Nelson
+lebte und webte nur in seiner Mission und behandelte seinen Beruf mit
+einer Aufopferung, die ihn stets zuletzt an sich denken ließ, und
+Belohnung nur wieder allein in dem Erfolg suchte und fand, den er dem
+alleinigen Gott, seiner Meinung und Ueberzeugung nach, errang. Ruhig
+und fest arbeitete er aber auch ohne Uebertreibung, ohne jenen
+_blinden_ Eifer an der Besserung und Bekehrung seiner Mitmenschen, und
+gehörte vor allen Dingen nicht zu jener tollen Schaar die mit dem
+Wahlspruch »ein Tröpfchen _Glaube_ sei besser wie ein ganzes Meer voll
+_Wissen_« das Volk nur für ihre Worte und Formeln fanatisiren wollen,
+und Sinn und Verstand dabei, mit einem verklärten Blick nach oben,
+unter die Füße treten.
+
+René unterhielt sich gern und oft mit ihm, selbst über religiöse
+Punkte und noch mehr und gewaltigern Stoff zur Unterhaltung, aber
+auch zugleich dabei zu einer neuen Besorgniß, die seinen Eifer ihr zu
+begegnen nur noch mehr anstachelte, erhielt der ehrwürdige Mr. Nelson
+in einem neuen Gast des Hauses, der anfangs nur selten kam, sich aber
+bald dort wohler fühlte und häufiger da gesehen wurde als den übrigen
+Missionairen, die schon das Schlimmste fürchteten, lieb sein mochte.
+
+Es war dies Einer der Katholischen Priester, denen natürlich daran
+gelegen sein mußte vor allen Dingen unter ihren Landsleuten festen Fuß
+zu fassen, von denen aus sie ihre Lehre verbreiten und den Ketzern den
+schon fast sicher geglaubten Sieg entreißen konnten. Vater Conet hatte
+den jungen Franzosen und Landsmann aufgesucht, und trotzdem daß er von
+diesem, der nicht mit Unrecht dadurch den religiösen Kampf über seine
+eigene Schwelle zu ziehen fürchtete, im Anfang etwas kalt empfangen
+und aufgenommen wurde, sich so liebenswürdig betragen, und sich so
+fern auch selbst von jedem Schein eines Bekehrungsversuches gehalten,
+daß René bald in ihm nur den lieben, ihm herzlich willkommenen
+Landsmann sah. Selbst Bruder Nelson, der mit ihm einige Male da
+zusammentraf und es zuletzt unmöglich fand im Gespräch das was ihnen
+beiden so nahe lag, die Religion ganz zu vermeiden, lernte ihn mit
+jedem Tage mehr als einen durchaus gebildeten, anständigen Mann
+kennen, daß er nicht allein Nichts mehr gegen seine Besuche des Hauses
+einzuwenden hatte, sondern sie im Gegentheil anfing gern zu sehn und
+absichtlich ein und dieselbe Stunde mit dem katholischen Priester
+wählte, ihn dort zu treffen.
+
+Unter den übrigen Geistlichen hatte aber, nichtsdestoweniger daß
+Bruder Nelson das Haus besuchte, der überhaupt lange nicht als
+entschieden und orthodox genug unter ihnen galt, mehr und mehr der
+Verdacht Wurzel geschlagen, daß der katholische Priester wirklich die
+heimliche Absicht habe, die junge Frau schon aus den Armen der
+rechtgläubigen Kirche herauszureißen und der seinigen zuzuführen, und
+der Ehrwürdige Bruder Dennis, der fanatischeste unter den Fanatikern,
+fühlte sich vor allen anderen dazu berufen, für die junge Christin wie
+ihr Kind als Kämpfer aufzutreten.
+
+Mehrmals trafen sich hierauf die beiden Geistlichen, Bruder Dennis und
+Conet in René's Wohnung, selbst während dessen Abwesenheit; Bruder
+Conet fand aber bald welch ein anderer Geist diesen Mann beherrsche
+wie den ehrwürdigen Nelson, und vermied sorgfältig auch nur die
+mindeste Begegnung mit ihm auf geistlichen Gebiet unter dem, ihm
+befreundeten Dach. Artig aber entschieden wieß er den wieder und
+wieder gebotenen Kampf zurück. René erfuhr das auch, und gewann ihn
+dadurch um so lieber; vergebens bat er aber den frommen Mr. Dennis
+dagegen, von solchen Versuchen bei ihm abzustehn, da erstens nicht
+einmal die geringste Gefahr irgend eines Glaubenswechsels für Sadie
+vorhanden sei, ja die Frau sogar viel schwärmerischere Ideen bekam,
+als ihm schon lieb war, und er auch nicht gern sein häusliches Glück
+dem Zwiespalt opfern wollte, der die ganze Nation zu verschlingen
+drohte. Der fromme Geistliche hatte höhere Pflichten als gegen die
+Menschen und ihr häusliches Glück -- er hatte Pflichten gegen _Gott_
+und denen mußte er folgen, gleichviel wohinaus sein Weg ihn führte.
+Der Allmächtige hatte ihn und seine Brüder jenem glorreichen Beruf
+erwählt, Sein Wort, Seine Lehre, den Heiland der Welt und den Heiligen
+Geist den Heiden dieser Seeen zu bringen und jubelnd in dem Gefühl --
+jubelnd in der Seligkeit der Ueberbringer so froher Botschaft für die
+Verlorenen zu sein, schritt er vorwärts, das Kreuz in der gehobenen
+Rechten. Wohl lauerte der Feind jetzt mit einem trügerischen Schatten
+desselben Kreuzes die schon fast Geretteten von der richtigen Bahn
+wieder abzulenken; schon streckte er die gierige Teufelsfaust aus, und
+Gefahr drohte der kleinen Schaar der Rechtgläubigen von _allen_
+Seiten; aber fest und unerschrocken wandelten sie, die von Gott
+Beauftragten, ihre Bahn. Ihr Loos war ein schweres, ihr Ausgang ein
+zweifelhafter, aber sie zögerten nicht in dem begonnenen guten Werk,
+und Gott, der die Herzen der Menschen sah und ihre innersten Thaten,
+würde sie einst richten, ob sie recht gehandelt hätten vor Seinem
+Angesicht.
+
+Bruder Nelson fühlte und achtete den Grund, der den französischen
+Priester bewog mit dem fanatischen Geistlichen keinen religiösen Kampf
+zu beginnen, was nur in offener Feindseligkeit enden konnte, ja diesen
+Weg schon mehremal, selbst ohne Entgegnung, durch des frommen Mannes
+Heftigkeit zu nehmen gedroht hatte. Er machte auch seinem Collegen
+darüber mehrmals freundliche Vorstellungen, die dieser aber nur heftig
+erwiederte, und in René's Wohnung war es solcher Art schon mehrmals
+zwischen den beiden befreundeten Geistlichen selbst, was der Katholik
+stets vermieden hatte, zu, wenn nicht feindlichen, doch sehr lebhaften
+und jedenfalls für die Zuhörer unangenehmen Auftritten gekommen.
+
+René hätte sich Sorgen machen können, des aufsteigenden Wetters wegen,
+aber sein leichter fröhlicher Sinn ließ das auch leicht an sich
+vorübergehn, und zog's ihm auch manchmal die Stirne kraus, ein Blick
+auf sein trautes Weib, glättete sie rasch wieder, und ein Lächeln
+ihres Mundes trieb ihm wie fröhlicher Sonnenschein durch's Herz.
+
+Die ehrwürdigen Herren Nelson und Dennis hatten denn auch, nur wenige
+Tage nach der Versammlung, wieder einmal in René's Wohnung eine sehr
+ernste Debatte gehabt, in der der letztere, wie gewöhnlich, Sieger
+geblieben, das heißt das letzte Wort behalten, und Sadie war zum
+ersten Mal traurig geworden daß René über Beide lachte, und überhaupt
+die Sache, die doch auch _seinen_ Gott betraf, so entsetzlich leicht
+nehmen wollte. Die Geistlichen hatten lange das Haus verlassen, der,
+schon vorher beschriebenen Versammlung beizuwohnen, und René und Sadie
+saßen jetzt, Hand in Hand, die junge Frau das wirklich sorgenschwere
+Haupt an des Gatten Schulter gelehnt, vor ihrem Haus, während die
+kleine Sadie in dem Schooß der Mutter lachte und strampelte, und des
+Himmels Blau in ihren klaren großen Augen wiederspiegelte.
+
+»Und bist Du noch bös auf mich, Sadie?« flüsterte René nach einer
+langen langen Pause, in der er seine Lippen an ihre Stirn gepreßt
+gehalten.
+
+»_Bös_, auf _Dich_, René?« sagte die Frau, und schüttelte wehmüthig
+lächelnd mit dem Kopf -- »ich glaube nicht daß ich bös auf Dich werden
+könnte. -- Das ist auch ein gar trauriges schmerzliches Wort; nur ein
+wenig -- nur ein ganz klein wenig weh hast Du mir gethan -- aber es
+gereut mich schon daß ich Dir Vorwürfe darüber gemacht. Du hattest es
+sicher nicht so gemeint, wie ich thörichtes Kind es aufgenommen; --
+ich muß Dir auch gestehen -- «
+
+»Und was, meine Sadie?«
+
+»Schilt mich eine Thörin,« sagte Sadie, »ich hab' es verdient, aber --
+mir war es immer als ob Du auf Seiten der fremden Priester ständest,
+wie Du lachtest, und das, das gerade gab mir einen ordentlichen Stich
+durch das Herz, und das -- das glaub' ich auch, war, was mir
+eigentlich weh dabei gethan.«
+
+»Das sollte es wahrlich nicht, Du treues Herz,« sagte René gutmüthig,
+»aber komisch ist es doch wahrlich manchmal, daß Menschen, sonst ganz
+vernünftige mit ihren fünf Sinnen begabte Menschen wie unser Freund
+Dennis zum Beispiel, in mir unbegreiflicher Verblendung nicht allein
+behaupten können, nein auch fest davon überzeugt sind, daß nur sie
+allein den »schmalen dornenvollen Pfad« gefunden haben und wandeln,
+der direkt zu Gottes Seligkeit führt.«
+
+»Und wenn sie recht hätten?«
+
+»Liebes Herz!«
+
+»Nein René, nein!« sagte Sadie rasch, sich fester an ihn schmiegend,
+»ich will nicht streiten mit Dir über den Weg des Heils, aber Du mußt
+auch nachsichtig mit mir sein, denn _wenn_ ich mich ängstige und
+sorge ist es ja doch nur Deines, des Kindes wegen.«
+
+»Sieh nun, Sadie,« sagte René nach einer kleinen Pause, in der er sie
+fest in seinen Arm geschlossen, »Ihr zürnt den fremden Priestern
+meiner, oder vielmehr der Römisch katholischen Religion, daß sie den
+Streit und Unfrieden auf Euere Insel gebracht hätten, und zum Theil
+hast Du recht; aber wäre es möglich gewesen die katholische Religion
+ganz fern von diesen Gruppen zu halten, wo mehr und mehr Fremde sich
+ansiedelten, deren Religion allein doch kein Grund sein konnte sie
+zurückzuweisen? ja hatten die Protestantischen Missionaire vor Gott
+ein Recht _ihr_ Sektenthum allein als das wahre und richtige
+hinzustellen?«
+
+»Vor Gott und den Menschen, _ja_!« sagte rasch und eifrig Sadie, »denn
+ihr Leben haben sie daran gesetzt diesen Inseln die wahre Religion zu
+bringen, und würden sie das gethan haben, wenn sie gerade ihre
+Religion nicht für die wahre, allein wahre hielten, ja wenn sie nicht
+_fest überzeugt_ gewesen wären daß sie es sei? -- Welchen bessern
+Beweis konnten jene Männer geben, als daß sie Gut und Blut für ihren
+Glauben einsetzten?«
+
+»_Gut_ und _Blut_,« sagte René achselzuckend, »das klingt wie viel
+und ist wenig, dasselbe thut der gewöhnlichste Matrose auf jeder Reise
+-- wir wollen Alle leben. Aber wir haben darüber schon gesprochen
+meine Sadie, und gerathen da auf ein gefährliches, viel viel lieber zu
+vermeidendes Feld. Der _Einzelne_ kann mir auch lieb und werth sein,
+ohne daß ich gerade das Princip des Ganzen anerkenne, wie Du ja selber
+auch den würdigen Vater Conet seines achtungswerthen Betragens, wie
+seiner gesellschaftlichen Tugenden wegen lieb gewonnen hast, während
+Du doch sonst gewiß in jeder Hinsicht seine Gegnerin bist.«
+
+»Ich begreife das überhaupt nicht,« sagte Sadie leise -- »er ist auch
+gar nicht wie ein katholischer Priester -- «
+
+»Weil Du Dir diese Klasse Menschen eben gedacht hast wie sie Dir von
+Bruder Rowe und Consorten geschildert wurde. Bei vielen trifft deren
+Bild, ich habe Nichts dagegen, aber nicht bei Allen, nicht bei der
+Mehrzahl, und -- wir sollen nie von einem Menschen das Schlechteste
+denken, Sadie. Doch guter Gott, wohin verirren wir uns? -- ist das ein
+Gespräch für Mann und Weib mit _dieser_ Welt um uns her, und dem
+herzigen süßen Wesen da zwischen uns, daß Dich zupft und ruft und die
+Mutter schon lange ablenken will von den düsteren Gedanken, die ihr
+so nutzlos die Seele umlagern und -- so nutzlos hineingepflanzt sind
+in den reinen treuen Boden? Wetter noch einmal Sadie, Bruder Dennis
+ist mir ein lieber seelensguter Mann, ein Mann den ich achte und
+verehre, weil ich fühle wie eben Alles bei ihm feste innige
+Ueberzeugung ist, was er spricht -- selbst wenn er Unsinn -- nein mein
+Lieb, ich meine es ja nicht so schlimm, er soll mir Dir nur nicht
+solche Grillen und Gedanken in's Herz pressen, und zwingt er Dir noch
+einmal die Thräne in's Auge, dann -- dann -- «
+
+»Und dann?« frug Sadie, und unter Thränen vor schaute ihr Blick
+lächelnd zu ihm empor -- »und dann?«
+
+»Wettermädchen, Du machst mit mir doch was Du willst!« rief René, sie
+an sich ziehend und küssend -- »ich verlange ja auch Nichts mehr auf
+der weiten Gottes Welt, als daß sie uns unsern Frieden lassen,
+ungestört und heilig, wie wir ihn -- «
+
+»Hahahahaha,« klang in diesem Augenblick eine silberreine Stimme zu
+ihnen herüber, und als sie überrascht aufschauten, sprang eines der
+eingeborenen Mädchen, das sie hier auf Tahiti kennen gelernt, und
+trotz ihres wilden Wesens, in dem ein treues Herz verborgen lag, lieb
+gewonnen, über die niedere Umzäunung, die den Nachbargarten von ihnen
+trennte, und kam auf sie zu.
+
+Es war ein junges Ding von siebzehn Jahren vielleicht, und ganz in die
+dünne luftige Tracht jener Mädchen gekleidet, mit kurzem ~pareu~ oder
+Lendentuch, und leichtem Kattun-Ueberwurf über die Schultern, gerade
+wie René Sadien zum ersten Mal gesehen. -- Aber die dunklen, mit
+wohlriechendem Oel reich getränkten Locken schmückte ein künstlich
+geflochtener Kranz von rothen Blüthen, mit den schneeigen Fasern der
+Arrowroot durchwebt, und der Blick mit dem sie das junge Paar begrüßte
+ruhte keck, ja fast höhnisch auf der liebenden Gruppe.
+
+Aia war schön, schön wie die Palme ihrer Wälder, die lichtbronzene
+Haut in ihrer Färbung eher eine Zierde zu nennen, und die Gestalt voll
+und üppig, und doch schlank und elastisch; aber die weiche
+schwärmerische Gluth fehlte ihr, die den Zügen ihrer Landsmänninnen
+einen so eigenthümlichen Reiz verleiht, und auch das Mädchenhafte,
+ohne die der Schmelz abgestreift ist von jeder weiblichen Schönheit.
+Keck und zuversichtlich blitzte ihr Auge umher, den begegnenden Blick
+ertragend und besiegend, und ein eigenes bitteres, fast verächtliches
+Lächeln, das ihre Lippen dabei umspielte, diente nicht dazu dessen
+Ausdruck zu mildern.
+
+»Joranna Sadie -- Joranna René,« lachte sie, mit verschränkten Armen
+vor der Gruppe stehen bleibend und sie betrachtend -- »Joranna Ihr
+Beiden -- hahahaha -- sitzt Ihr nicht da, als ob Dir René erst vor kaum
+einer Stunde seine tollen Liebeslügen in's Ohr geflüstert, und Ihr nun
+alle Beide die Ueberzeugung hättet, Ihr könntet nicht leben ohne
+einander? -- bah, bah, wie lange wird's noch dauern? -- Aber wundern
+soll's mich doch, und hätt' ich früher daran gedacht, Sadie, hättest
+Du mir auch von dem Pulver geben müssen, das Du ihm in die Cocosmilch
+geschüttet -- vielleicht löge mir jener falsche Wi-wi jetzt auch noch
+vor, daß ich die Schönste sei auf den weiten Inseln, und er sterben
+müsse, wenn ich ihn nicht mehr lieben wolle. Hahahahaha, s'ist
+wahrhaftig zum toll werden wenn man an solche Zeit zurückdenkt, und
+sich das Alles dann immer und immer wieder vor den eigenen Augen
+erneuen sieht; ja und immer und immer wieder Thörinnen findet, denen
+der Hochmuthsteufel tief genug im Herzen steckt sich allein für
+unverlaßbar zu halten. -- Aber Joranna; Ihr seid unverbesserlich, und
+wenn er erst fort ist, Sadie, will ich Dich auslachen, wie Du es
+verdienst.«
+
+Sie warf die Locken von den Schläfen zurück, und wollte nach dem
+Strand hinunter eilen, als René's Entgegnung sie zurückhielt.
+
+»Du hast unrecht, Aia,« rief er ihr nach, »doppelt Unrecht, hier
+gerade in beiden Nachbarhäusern. Sieh Lefevre an und Aumama, länger
+noch als wir sind sie verheirathet mitsammen, haben zwei liebe Kinder
+und denken gar nicht daran sich zu trennen.«
+
+»Denken nicht daran sich zu trennen?« rief Aia, die bei den ersten
+Lauten schon stehen geblieben war, und den Kopf mit einem spöttischen,
+fast feindlichen Lächeln dem Redner zugewandt hatte -- »denken nicht
+daran sich zu trennen? ja Du hast recht -- wer weiß ob _Du_ nicht noch
+früher dein Canoe wieder aus den Riffen steuerst als er -- aber
+Le-fe-ve hat sich schon blind gesehen in ein paar andere Augen.
+Schüttle nicht mit dem Kopf, Wi-wi wenn Du mir nicht widersprechen
+kannst; reiß ihm das Kleid auf und lege dein Ohr an sein Herz -- für
+wen schlägt's? -- bah -- so viel für Euch!« und sie schlug trotzig mit
+der flachen Hand ihre Lende.
+
+»Aia -- komm her zu mir und setze Dich zu mir,« sagte Sadie jetzt mit
+leiser, bittender Stimme. »Sei nicht so bös und ärgerlich, wir haben
+Dich lieb hier, und Du meinst es doch nicht so arg, wie Du es
+sprichst.«
+
+»Mein ich nicht?« sagte das Mädchen noch immer halb trotzig und
+abgewandt, aber doch schon mit viel leiserer, milderer Stimme, als die
+sanften, bittenden Laute ihr Ohr trafen -- »mein ich nicht? und woher
+weißt Du's, Sadie? -- ich hasse Euch Alle miteinander, und wohl, oh
+entsetzlich wohl soll mir's thun, wenn Ihr Alle -- Alle so unglücklich
+werdet -- so -- wie -- « sie wandte rasch den Kopf ab von Sadie, aber
+es war nur ein Moment --
+
+»Aia!« rief Sadie, so bittend, so herzlich -- Aia stand zögernd, Trotz
+und Zorn und Schaam hielten noch die Oberhand in ihrem Herzen, aber
+nicht im Stand sich zu verstellen, gewann das bessere Gefühl, mit dem
+einmal aufgerüttelten Schmerz die Oberhand, und mit wenigen Schritten
+an ihrer Seite, kauerte sie neben ihr nieder, barg das Antlitz an
+ihrem Schooß und flüsterte leise unter ausbrechenden Thränen:
+
+»Du bist gut, Sadie, gut wie -- wie -- ich habe keinen Vergleich mehr,
+denn unsere Götter haben sie uns auch genommen und die ihrigen sind
+falsch -- falsch wie sie selber. Aber ich bin viel zu schlecht für
+Dich, viel zu schlecht; Aia darf Dir nicht mehr in's Auge sehen -- und
+doch hatten Deine Lippen noch nie einen Vorwurf für sie.«
+
+»Armes Mädchen,« sagte die junge Frau leise und theilnehmend, und
+suchte ihr Haupt zu sich aufzuheben, aber die Weinende wehrte sie ab,
+und schlang den Arm nur fester um ihren Leib, sich ihre Stellung zu
+wahren.
+
+René hatte sie mitleidig eine Zeitlang betrachtet, dann legte er seine
+Hand auf ihre Schulter und sagte leise:
+
+»Bleibe bei uns, Aia, gehe nicht wieder nach Papetee, sondern bleibe
+bei Sadie. Wir haben Brodfrucht und Fisch für Dich, und eine Matte
+darauf zu schlafen, und Dein Kleid soll nicht schlechter sein, als Du
+es bis jetzt getragen -- Sadie braucht eine Hülfe« fuhr er freundlich
+fort, als er sah wie diese den Kopf der vor ihr Knieenden streichelte,
+und sie liebkosend an sich zog, »und Du wirst recht, recht willkommen
+sein, hier im Haus.«
+
+»René hat recht,« unterstützte die Bitte sein Weib, »geh nicht wieder
+nach Papetee -- deine Mutter ist todt und dein Vater weit auf den
+Inseln zu Leewärts drüben; meide die Stadt, die Dir nur Unheil bringt
+und Fluch und Leid, und bleibe bei mir. Es wird Dich nicht gereuen und
+Du wirst wieder froh und glücklich werden unter uns.«
+
+»Und die Mi-to-na-res?« sagte das Mädchen leise.
+
+»Werden die Reuige gern und liebend in ihren Schutz und Schirm nehmen
+und ihr die Sünden vergeben, wie Gott einst gnädig auf uns
+niederschauen möge,« sagte Sadie rasch und freudig, denn in der Frage
+schon lag eine Zusage ihrer Bitte. Aia lag noch lange an der Gespielin
+Schooß und ihre Thränen schienen rascher zu fließen, als eine laute
+Männerstimme fröhlichen Gruß durch die Hecke blühender Akazien rief,
+die den Garten von der Straße trennte.
+
+»Ah Lefevre,« antwortete René, »wie geht es Euch, Nachbar, und kommt
+Ihr nicht herüber?«
+
+»Gleich, gleich,« lautete die Antwort, und sie hörten wie der junge
+Franzose draußen noch mit Jemanden sprach und ihm Aufträge gab.
+
+Aber auch Aia hatte sich rasch und wie erschreckt emporgerichtet, und
+die Locken aus der Stirn, die Thränen aus dem Auge werfend wandte sie
+sich, als ob sie den Platz fliehen wollte; Sadie aber ergriff rasch
+ihre Hand und sagte leise und bittend:
+
+»Gehe nicht fort von hier, Aia, bleibe bei uns.«
+
+»Nein nein,« rief aber das Mädchen und Sadie konnte sehen welchen
+Seelenkampf es ihr kostete die Bitte auszuschlagen, den stillen
+Frieden ihrer Wohnung zu verschmähn und allein und freundlos in dem
+_wilden_ Leben fortzustürmen, »nein ich kann -- ich darf nicht bei Dir
+bleiben -- ich verdiene es nicht -- ich bin bös und schlecht geworden,
+und deines Gottes Fluch würde mich von der Schwelle treiben, auf der
+jetzt noch Dein Glück und Frieden weilt -- aber« setzte sie wilder
+hinzu, und ihr Auge blitzte in unheimlicher Gluth nach René hinüber,
+»wenn sie Dich _Alle_ verlassen haben, und Du allein und freundlos in
+der Welt stehst -- wie ich jetzt -- dann wird Aia an deiner Seite
+sein, und Dir für das freundliche Wort danken, das Du heute zu ihr
+gesprochen. Dann wollen wir lachen und tanzen und _zusammen_ in's
+Leben stürmen, aber nicht mehr klagen und weinen. -- Den ~faï~ über die
+Thränen -- sie waschen den Schaum von der Seele des Menschen, daß man
+hinunter sehen kann bis auf den Grund -- und der Fischer lacht doch
+nur, der darüber hinfährt.«
+
+»Du hast vielleicht Ursache Einem von uns zu zürnen, Aia,« sagte aber
+René, der wohl sah welchen schmerzlichen, ja peinlichen Eindruck die
+Worte auf seiner Sadie Seele machten, »und schmähst jetzt ungerecht
+das ganze Geschlecht. Du wirst uns in späteren Jahren Abbitte thun.«
+
+»Werd' ich -- ha? und Le-fe-ve auch, wie?« -- lachte das Mädchen zornig
+und deutete mit dem ausgestreckten Arm nach dem, eben den Garten
+betretenden Franzosen.
+
+»Hallo Aia!« rief ihr dieser zu, »summt die wilde Hummel auch wieder
+ihr Lied auf unserer Flur? -- ha, Du hast Thränen im Auge Mädchen? --
+geh, Du bist ein schwarzer Vogel und prophezeihst nur Unheil.«
+
+»Es bedarf keines Propheten,« sagte aber das Mädchen zürnend, indem
+sie sich abwandte und das Schultertuch fester um sich zog -- »Jeder
+von uns kann leicht vorhersagen daß die Sonne morgen früh wieder über
+die Berge kommt, wenn sie am Abend hinter Morea[B] in die See
+gesunken. -- Fort mit Euch, Ihr habt süße Worte auf der Zunge, und
+Gift, tödtliches Gift im Herzen -- fort, Aia kennt Euch -- fort!« --
+und ohne Gruß noch Blick zurückzuwerfen, schritt sie den schmalen Pfad
+hinab, der nach dem unteren Pförtchen führte und war bald in der
+sogenannten ~broomroad~, dem gebahnten Weg nach Papetee, verschwunden.
+
+Sadie sah ihr seufzend nach und auch René konnte sich eines
+unheimlichen Gefühls nicht ganz erwehren.
+
+»Joranna René, -- ~ah bon jour Madame~,« rief aber Lefevre der wohl
+den peinlichen Eindruck zu verwischen wünschte, den die Worte des
+wunderlichen Mädchens unverkennbar besonders auf Sadie gemacht, »hat
+Ihnen Aia den schönen Abend verderben wollen? -- es ist ein albernes
+Ding, und darf _mir_ gar nicht mehr über die Schwelle, denn Aumama
+weint jedes Mal, wenn sie nur den Fuß unter das Dach gesetzt.«
+
+»Sie ist arm und unglücklich,« sagte Sadie.
+
+»Ach -- sie verstellt sich,« entgegnete mürrisch Lefevre -- »und trägt
+wahrscheinlich selber mit die größte Schuld ihres Leid's. Wir armen
+Teufel sollen's dann immer allein verbrochen haben, nicht wahr René?
+-- Doch, was ich gleich sagen wollte; gehen Sie mit nach Papetee? --
+die ehrwürdigen Protestantischen Herren haben da wieder eine
+Zusammenkunft, heut Nachmittag, und wie das Gerücht geht beabsichtigen
+sie den Beschluß ernster Maßregeln, jeden Französischen Einfluß, und
+mit ihm vielleicht auch gleich wieder die Französischen Priester, die
+ihnen ein Dorn im Auge sind, von sich abzuschütteln.«
+
+»Die Missionaire« -- sagte René rasch, fuhr aber gleich darauf
+langsamer fort, »sind wackere und brave, aber kurzsichtige Männer, sie
+glauben das Heft jetzt in Händen zu haben und spielen so lange damit
+bis es ihnen unter den Fingern wegschlüpft -- sie sollten sich nicht
+in die Politik mischen.«
+
+»Was sagt Mr. Nelson dazu?« frug Lefevre.
+
+»Er hält die Ankunft der Katholiken auch für ein Unglück für die
+Inseln, ist aber mit den Gewaltsmaßregeln unzufrieden die man dagegen
+ergreifen will; doch was kann der Einzelne gegen die ganze Schaar
+ausrichten.«
+
+»Und gehen Sie mit nach Papetee?«
+
+»Was sollen wir dort? -- herbe Reden hören, die uns vielleicht ärgern
+und zu Gegenreden treiben? -- ich habe keine Freude an der Sache, und
+sehe das Leid und Elend schon vor Augen das daraus entspringen wird
+und muß.«
+
+»Aber wir mögen vielleicht noch Manches mildern was geschehen könnte.
+Mörenhout ist ein vernünftiger Mann, und wird nicht zu weit gehn.«
+
+»Was kann Mörenhout _thun_?« sagte René achselzuckend -- »so wie die
+Missionaire unter dem Schutz eines Englischen Kriegsschiffes stehn,
+und so lange das im Hafen liegt, daß sie sich sicher fühlen, haben sie
+das Wort, und wir kennen sie doch dahin gut genug, zu wissen, wie sie
+das gebrauchen. -- Aber ich gehe mit, wir haben dann wenigstens unsere
+Pflicht gethan, und uns selber nichts vorzuwerfen. Ich komme bald
+wieder zurück, Sadie,« sagte er sich niederbeugend und ihre Stirn
+küssend.
+
+»Bleibe nicht so gar lange aus heut',« bat die junge Frau ihn, leise
+flüsternd, und die Kleine noch auf dem Knie haltend, die erst die
+Aermchen um den von ihr Abschied nehmenden Vater geschlungen, sah sie
+den Männern lange und schweigend nach.
+
+Aber Aia's Worte hatten doch trübe und schmerzliche Gedanken in ihrer
+Seele wach gerufen. Nicht für das eigene Glück fürchtete sie dabei; so
+keck und leicht René auch immer in das Leben stürmte, so treu war er
+sich geblieben, was _sie_ betraf, von erster Stunde an wo er sie
+gesehen, und das Kind, das er mit unendlicher Zärtlichkeit liebte,
+schlang die Bande des Herzens ja noch fester um sie. Aber das wilde
+Leben der Insel selber; die ihr feindlich dünkende Religion, die
+weiter und weiter um sich zu greifen drohte, und viel, so entsetzlich
+viel von dem verwarf, was ihr bis dahin der Seele Heiligstes gegolten;
+der Unfrieden dabei zwischen den eigenen Lehrern, die Vorwürfe, die
+von den Missionairen ihrem alten Vater o so ungerecht gemacht wurden,
+der Römischen Kirche mehr als mit seiner Stellung verträglich zugethan
+zu sein, wie er denn auch selbst das einzige Wesen das ihm näher
+stand, einem Katholiken zur Frau gegeben; ja selbst René's
+Gleichgültigkeit gegen einen Kampf, der doch die heiligsten Interessen
+ihrer einstigen Seligkeit betraf, das Alles zog ihr in trüben
+ängstigenden Bildern an der Seele vorüber. -- Und dabei hatte ja die
+arme Aia recht mit so vielen Anderen; wohin sie dachte schrak sie vor
+dem wilden Treiben zurück, das lockere Bande schlang um Europäer und
+Insulanerinnen, und sie losließ, wie es dem Augenblick gefiel. Ob das
+Herz darüber brach, oder die Verlassene in Schmerz und Trotz
+Entschädigung, Vergessen suchte in wilder lasterhafter Lust; die Welle
+des flüchtigen Tages schlug über ihr zusammen, und die nächste Sonne
+hatte vergessen was sie gestern beschien in Lieb und Treue.
+
+»Mein schönes Atiu,« seufzte sie da leise vor sich hin -- »Du lieber,
+lieber Platz an dem freundlichen Strand -- Deine Palmen so grün, Deine
+Früchte so süß -- Atiu. Und der alte kleine Mi-to-na-re da am Haus,
+der so oft hier herüberdenkt an seine kleine Pu-de-ni-a, die jetzt --
+aber nein, nein, nein, René fühlt sich wohl hier und glücklich in der,
+seine Thätigkeit fordernden Welt, und einst kommt denn doch wohl die
+Zeit, wo er sich wieder zurücksehnt nach jenem stillen Ort unseres
+ersten, seligsten Glücks -- nach Atiu. -- Und die Zeit _wird_ wieder
+kommen,« setzte sie nach einer kleinen Pause zuversichtlich hinzu,
+»noch hab' ich nicht für immer Abschied genommen von all den
+liebgewonnenen Stellen, von den guten Menschen -- ich weiß nur nicht
+ob ich mich so recht herzlich darauf freuen soll -- oder davor
+fürchten. Ach es ist ein recht recht böses Ding um das arme
+Menschenherz!«
+
+FOOTNOTES:
+
+[B] Die Indianer nennen die Insel Imeo meist Morea.
+
+
+
+
+Capitel 3.
+
+#Der Besuch -- Aumama.#
+
+
+Sadie saß noch lange träumend da, und ihrem regen Geist tauchten bunte
+und oft wunderliche Bilder auf, wie sie das Herz sich wohl ausmalt in
+müßigen Stunden, sinnend und grübelnd ihre Farben schaut, und sich
+vorspricht daß sie leben und sind -- bis sie in Dunst zerfließen,
+anderen, bunteren vielleicht, Raum zu geben. Aber die Kleine scheuchte
+ihr bald die Wolken von der Stirn -- wenn es wirklich Wolken gewesen,
+die ihrem sonst so heiteren Antlitz jenen ernsten Schatten gegeben --
+und mit dem Kinde kosend und spielend kehrte das Lächeln auf ihre
+Lippen zurück, und sie war bald wieder das heitere frohe Kind des
+Waldes, dem Gott in seiner unendlichen Vaterhuld alle Wünsche
+erfüllt, alle Tage gesegnet hatte, und das sich nun auch des heiteren
+Sonnenlichts freute, in Glück und Dankbarkeit.
+
+»Hat mir das böse arme Mädchen doch selber fast das Herz schwer
+gemacht eine ganze Stunde lang,« sagte sie lachend, und das Kind dabei
+herzend, -- »hat uns Steine in den klaren See geworfen, meine Sadie,
+und das Wasser getrübt, bis an den Rand hinauf. Aber nun wollen wir
+auch wieder lachen und singen und fröhlich sein, bis Papa zurückkommt
+und sich freut mit mir, an meinem kleinen lieben Töchterchen. Horch,
+was ist das? -- hörst Du mein Kindchen, wie das trappelt und trappelt
+da draußen? -- das ~buaa a fai tatatu~[C] klappert vorbei und Sadie --
+aber was ist das?« unterbrach sie sich rasch und fast erschreckt, als
+näher und näher gekommenes Pferdegetrappel plötzlich an ihrer Pforte
+hielt, und sie Stimmen vernahm -- »Fremde hier draußen bei uns? -- Was
+für ein wildes reges Leben diese fremden Männer doch auf unsere
+stillen Inseln gebracht haben,« setzte sie dann langsamer und
+kopfschüttelnd hinzu, »und lärmend und lachend sprengen sie Wochentag
+wie Sabbath die Straßen entlang, sich nicht mehr um den heiligen Tag
+ihres eigenen Gottes kümmernd, als ob das Glockengeläute dem Oro oder
+Taua gälte. Auf Atiu war es doch stiller und friedlicher, und wenn wir
+dort -- ha, ich glaube wahrhaftig die Leute wollen hier herein.«
+
+»Dieß _muß_ der Ort sein,« sagte jetzt plötzlich eine Frauenstimme
+draußen auf der Straße, in Französischer Sprache, die Sadie hatte,
+selbst in der kurzen Zeit, vollkommen gut und fließend von René
+sprechen lernen -- »wären Sie meinem Rath vorhin gefolgt, ~Monsieur
+Belard~, so hätten wir nicht ein paar Miles ins Blaue hinein zu
+galoppiren brauchen -- steigen wir ab?«
+
+»Jedenfalls, wenn es den Damen gefällig ist,« erwiederte eine
+Männerstimme, »er kann kaum irgend wo anders wohnen.«
+
+Sadie die, ihr Kind auf dem Arm, auf einen kleinen Ausbau getreten
+war, von dem aus sie, durch einen dichten Busch des Cap-Jasmins
+verdeckt, die Straße vor der Thür gerade überschauen konnte, erkannte
+drei Damen und zwei Herren, alle zu Pferde, die an der Pforte hielten,
+jetzt abstiegen und den kleinen Hofraum, der zwischen der blühenden
+Akazienhecke und dem Hause lag, betraten.
+
+Die Fremden suchten jedenfalls René, und Auskunft zu geben trat sie
+ihnen, das Kind nach dortiger Sitte auf ihrer linken Hüfte reitend,
+mit freundlichem Joranna entgegen.
+
+»Ah, da ist ein Mädchen,« rief die eine Dame, die, das lange Reitkleid
+emporhaltend, nahe am Hause stehen geblieben war, und sich nach irgend
+einem lebenden Wesen, das ihr Rede zu stehen vermochte, schien
+umgesehen zu haben, »aber lieber Gott, Lucie, es ist eine Eingeborene,
+und mit meinem Tahitisch sieht es noch windig aus -- ich kann noch
+weiter Nichts als ~Joranna~ und ~aita~.«
+
+»Ich spreche französisch, meine Damen,« unterbrach sie die junge Frau,
+leicht erröthend und die Kleine, die sich ängstlich an sie klammerte,
+der fremden Gesichter wegen, mit ein paar freundlichen Worten auf den
+Boden niedersetzend.
+
+»Ah, Du sprichst in der That Französisch, Kind?« sagte die andere
+Dame, die von der ersten Lucie genannt war, erstaunt -- »und noch dazu
+mit vortrefflicher Aussprache; sehr schön, dann kannst Du uns auch
+sagen ob Monsieur René Delavigne hier wohnt und Madame Delavigne zu
+sprechen ist.«
+
+Sadie lächelte, denn sie fühlte recht gut wie sie die Fremden in ihrem
+einfachen Gewand für irgend ein Mädchen des Hauses hielten, und sagte
+mit einer leisen Neigung des Kopfes, während aber ein höheres Roth
+ihre Wangen und Schläfe bis auf den Nacken färbte und das liebe
+Antlitz noch reizender machte:
+
+»Monsieur Delavigne wohnt hier allerdings, und Madame, oder Sadie
+Delavigne -- «
+
+»Ah, dann ist dieß wohl seine Tochter? -- ein reizendes Kind!«
+unterbrach sie Madame Belard und kniete bei der Kleinen nieder.
+
+»Und Madame Delavigne?« frug Mad. Brouard.
+
+»Bin ich selber,« flüsterte Sadie mehr als sie sprach.
+
+»Ah -- ~mon Dieu~ -- ~est il possible~? -- ~bless me~!« waren die
+ersten erstaunten Ausrufe der Damen und Herren, denn so unerwartet kam
+ihnen die Entdeckung, daß René eine Eingeborene »zur Frau hielt,«
+selbst jeden schuldigen Anstand in diesen Ausrufungen zu vergessen,
+und Sadie fühlte das mehr, als sie es verstand, denn das Blut drohte
+ihr in diesem Augenblick die Adern der Schläfe zu zersprengen, und sie
+bog sich zu dem Kind nieder ihre Verlegenheit -- wenigstens ihr
+Erröthen zu verbergen.
+
+Die beiden Französinnen faßten sich aber rasch wieder, und wohl
+einsehend, welchen Verstoß gegen jede gute Sitte sie hier, allerdings
+nur in der ersten Ueberraschung, gemacht, traten sie auf Sadie zu, und
+begrüßten sie, ihr die Hände entgegenstreckend, in fast herzlicher
+Weise.
+
+»Ah, da hat uns Freund Delavigne eine Ueberraschung aufgespart,« rief
+die erste Sprecherin, Madame Belard, lachend -- »wir haben natürlich
+nicht vermuthen können, daß er schon _so_ heimisch auf den Inseln
+geworden wäre. -- So sein Sie uns herzlich gegrüßt, Madame und
+versichert dabei, daß wir trotzdem keine Unbekannte in Ihnen
+aufsuchten. Ihr Herr Gemahl hat uns schon so viel Liebes und Gutes von
+Ihnen erzählt -- nur Ihrer Abstammung erwähnte er nicht,
+wahrscheinlich nur uns Ihre Liebenswürdigkeit so viel lebhafter
+empfinden zu lassen.«
+
+Sadie athmete leichter auf; die freundlichen Worte, wenn sie ihren
+Sinn auch nicht gleich vollkommen faßte, thaten ihr wohl. Sie hatte
+sich vor einem ersten Zusammenkommen mit jenen fremden Frauen, von
+denen ihr René schon erzählt, und in deren Haus sie einzuführen er
+gewünscht hatte, schon lange gefürchtet; deren erstes Betragen hatte
+dann ebenfalls nicht dazu gedient sie zu beruhigen, und um so
+wohlthuender kam ihr jetzt die herzliche Anrede. Ihr einfach treues
+Herz kannte auch weder Falsch noch Verstellung, und die Worte nehmend
+wie sie ihr geboten wurden sagte sie, den Frauen beide Hände
+entgegenstreckend, und ihnen offen und freundlich dabei in's Auge
+schauend:
+
+»René wird es recht recht leid thun daß Sie ihn nicht hier gefunden
+haben, aber sein Sie mir _herzlich_ willkommen und ruhen Sie sich ein
+wenig aus bei mir, von Ihrem Ritt. Ich will die Kleine nur indessen
+unter Aufsicht geben, und bin dann rasch wieder bei Ihnen.«
+
+Die Damen wollten erst höfliche Einreden machen, und sprachen von
+»stören« und »beunruhigen«, Sadie führte sie aber lächelnd zu dem
+freundlichen Sitz am Strand, und bat sie dort niederzusitzen, während
+sie rasch mit dem Kind in das Haus eilte.
+
+»Ein reizendes Frauchen,« sagte Monsieur Belard schmunzelnd, als sie
+in der Thür verschwunden war, und die Damen einiges zusammen
+flüsterten; »Delavigne hat wahrhaftig keinen schlechten Geschmack; und
+spricht vortrefflich Französisch -- vortrefflich.«
+
+»Mr. Delavigne hätte uns aber doch auch wohl vorher einen Wink über
+seine Familienverhältnisse geben können,« meinte Mrs. Noughton, eine
+Amerikanerin, die bis jetzt noch kein Wort mit Sadie gesprochen hatte
+-- »er würde dadurch beiden Theilen eine Verlegenheit erspart haben.«
+
+»Lieber Gott, Verehrteste,« vertheidigte diesen die lebendige Madame
+Belard, »die Verhältnisse auf den Inseln hier sind von den unsrigen so
+sehr verschieden, daß man schon wirklich bei Manchem ein Auge
+zudrücken muß, und nicht gar so entsetzlich streng sein darf. Es
+bestehen übrigens auch wirkliche Verbindungen zwischen Europäern und
+Insulanerinnen, und Monsieur Delavigne hat nur von seiner _Frau_
+gesprochen.«
+
+»Liebe Kinder, was zerbrecht Ihr Euch darüber den Kopf,« fiel ihnen
+hier der andere, ältere Herr, ein Monsieur Brouard und der Gemahl der
+viel jüngeren Lucie Brouard, in die Rede, »wenn Ihr in Rom seid müßt
+Ihr leben wie die Römer,« sagt ein altes gutes Sprichwort. Madame
+Delavigne ist ein reizendes junges Frauchen, und wohl im Stande einen
+Mann zu fesseln.«
+
+»Und auf wie lange?« unterbrach ihn, mit einem fast boshaften Lächeln,
+Madame Belard.
+
+»Auf wie lange, Madame?« wiederholte mit einem etwas frivolen
+Achselzucken der Gefragte -- »ich bin kein Prophet oder Sterndeuter;
+aber das sind Familienverhältnisse, und mancher Indianer hätte
+vielleicht eben so gut ein Recht dieselbe Frage an uns Europäer zu
+richten -- auf wie lange? ~mon Dieu~, wir sollten diesen wichtigen
+Punkt überhaupt etwas genauer in unserem Trauungs-Ceremoniell
+berücksichtigen; _auf wie lange_? -- wir müssen uns damit begnügen zu
+wissen, daß wir _sind_, und eine Frage was wir einst _werden_,
+geschieht wohl immer nur in's Blaue hinein.«
+
+»Es ist aber doch nur eine Indianerin,« bemerkte, mit einem
+keineswegs zufrieden gestellten Blick, Mrs. Noughton, die aus den
+Vereinigten Staaten von Nord-Amerika ein nicht leicht zu besiegendes
+Vorurtheil gegen jede farbige Race, sie mochte einen Namen oder Stamm
+haben welchen sie wollte, mitgebracht hatte, und sich immer des
+Gedankens nicht erwehren konnte, daß solche Leute am Ende gar
+_schwarzes_ Blut in ihren Adern haben könnten, oder mit anderen Worten
+in zweiter oder dritter Generation von _Negern_ abstammten, mit denen
+natürlich jeder vertrauliche, selbst freundschaftliche Verkehr außer
+Frage gewesen wäre -- »und hätte ich das früher gewußt, würde ich ihr
+wenigstens nicht zuerst meine Visite gemacht haben.«
+
+»Sie müssen aber bedenken, Mrs. Noughton,« sagte etwas eifrig Madame
+Belard dagegen, »daß uns Monsieur Delavigne gar nicht zu sich
+eingeladen, also auch keine Schuld hat an dem Besuch. Wir sind aus
+freien Stücken hergekommen, und wenn ich auch gestehen muß daß ein
+derartiges Verhältniß immer sein Unangenehmes, Störendes hat und uns
+bei größeren Gesellschaften vielleicht auch dann und wann in
+Verlegenheit bringen könnte, so -- «
+
+»Attention meine Damen,« unterbrach sie hier Mr. Brouard, mit etwas
+gedämpfter Stimme, denn Sadie erschien in diesem Augenblick wieder auf
+der Schwelle des Hauses, und hinter ihr ein Knabe, der einen großen
+Präsentirteller mit Wein und Früchten trug.
+
+»So Mataoti,« rief sie diesem in seiner Sprache zu, »bediene die
+Frauen und sei ein flinker Bursch,« sich dann aber zu ihren Gästen
+wendend fügte sie herzlich hinzu: »aber Sie haben sich ja noch nicht
+einmal gesetzt, in der ganzen langen Zeit -- bitte geben Sie mir Ihre
+Hüte und machen Sie es sich bequem, René dürfen Sie doch nicht so bald
+zurück erwarten, denn er und Monsieur Lefevre sind der politischen
+Verhältnisse wegen nach Papetee gegangen, dort noch Manches vielleicht
+mit ihren Freunden zu besprechen.«
+
+»Hahaha, das ist vortrefflich!« lachte Mr. Belard, »und denen zu
+entgehen sind wir gerade ausgeritten; es wird förmlich Comödie
+gespielt heute in der Residenz, und da die Missionaire Hauptrollen
+dabei haben, fürchteten wir die Sache möchte doch am Ende zu
+langweilig werden.«
+
+»So essen und trinken Sie nur wenigstens,« bat Sadie, die nicht ohne
+Grund fürchtete das Gespräch könnte sich hier auf religiöse Bahn
+lenken und das unter jeder Bedingung zu vermeiden wünschte -- »René
+würde sich herzlich freuen wenn er hörte, daß es Ihnen bei uns
+gefallen hat.«
+
+Die Damen zögerten noch unschlüssig was zu thun -- sie schienen sich
+eine vor der andern zu geniren; Sadie bewegte sich aber mit solcher
+Leichtigkeit in dem, ihr doch fremden Kreis, und ihre Bitte kam so
+frisch und unverstellt aus dem Herzen, daß sie in ihrer Natürlichkeit
+jede leere Höflichkeitsformel schon von vornherein unmöglich machte,
+und selbst Mrs. Noughton mußte sich zuletzt gestehen, daß diese
+Insulanerin ein ungewöhnlich liebenswürdiges Wesen sei, dem man wohl
+gewogen sein könne -- wenn sie eben nicht die fatale broncefarbene
+Haut gehabt hätte.
+
+Die Frauen hatten sich denn auch bald um den runden, mit einem
+reinlichen Tuch bedeckten Tisch gesetzt, Monsieur Belard wurde hinaus
+nach den Pferden geschickt, zu sehen ob diese ruhig stünden und
+Mataoti von jetzt beordert bei ihnen zu bleiben, und wenige Minuten
+später saß die Gesellschaft ganz traulich beisammen, und Madame Belard
+und Brouard hatten -- sie wußten gar nicht wie sie dazu gekommen, der
+kleinen Insulanerin, die mit ihrem reinen Französisch die Eingeborene
+vollkommen vergessen machte, so viel vorzuplaudern und zu erzählen,
+als ob sie sich schon seit langen Monaten gekannt, und nicht eben erst
+heute, vor Minuten fast, zusammengekommen wären. Die Männer blieben
+darin natürlich nicht zurück, besonders Mr. Brouard, der seinen Sitz
+neben Sadie genommen, thaute ordentlich auf, und war von einer
+Aufmerksamkeit gegen die kleine Insulanerin, daß er seine Nachbarin
+zur Linken, Mrs. Noughton, total darüber vernachlässigte, die denn
+auch der ganzen Unterhaltung -- der Französischen Sprache ohnedieß nur
+oberflächlich mächtig -- mehr beobachtend als theilnehmend, und
+ziemlich kalt und ernsthaft folgte.
+
+Eine volle Stunde hatten sie so gesessen und geplaudert, und Früchte
+gegessen und Französischen Claret dazu getrunken, und Mataoti war
+draußen bei den Pferden schon ganz ungeduldig geworden, als Madame
+Brouard, die zuletzt ebenfalls stiller und einsylbiger wurde, und die
+Unterhaltung ihrer Freundin und den Herren fast allein überließ,
+endlich zum Aufbruch mahnte. Monsieur Brouard wollte noch gar nicht
+fort, so vortrefflich hatte er sich amüsirt, und die Damen begannen
+jetzt Abschied zu nehmen von ihrer neuen Bekanntschaft.
+
+Sadie sagte ihnen mit einfachen Worten wie es sie freue daß es ihnen
+bei ihr gefallen hätte, und wie glücklich es René machen würde, wenn
+er höre daß sie hier gewesen und gegessen und getrunken hätten -- »wir
+können recht gute Nachbarschaft halten, hier auf Tahiti,« setzte sie
+hinzu, und mit freundlichem Händedruck und Joranna, von Madame Belard
+und Brouard ebenfalls eingeladen sie wieder zu besuchen, verließ die
+kleine Gesellschaft den Garten, bestieg draußen die scharrenden
+tanzenden Pferde wieder, und galoppirte wenige Minuten später mit
+klappernden Hufen die Straße entlang nach Papetee nieder.
+
+»Sadie!« flüsterte da eine leise Stimme, als der Schall der Hufe auf
+der harten Straße noch nicht verklungen war, und die junge Frau, die
+noch lauschend stand, und in tiefem Nachdenken den mehr und mehr
+verschwimmenden Tönen zu horchen schien, wandte sich rasch, und fast
+wie erschreckt dem Rufe zu, der von der Nachbarhecke kam.
+
+»Aumama? -- und warum kommst Du nicht herüber?«
+
+»Ist die Luft rein?« frug eine klare, lachende Stimme.
+
+»Meinst Du die Fremden? -- sie sind fort; aber ich glaubte Du wärest
+mit Lefevre nach Papetee gegangen?«
+
+Die junge Frau an der Hecke schüttelte mit dem Kopf und sagte lachend:
+
+»Ich wollte erst, wie aber René mitging blieb ich daheim; denen
+schließen sich dann mehr und mehr Männer an und -- das Treiben in
+ihrer Gesellschaft gefällt mir nicht; auch mit der Sprache kann ich
+nicht so gut fertig werden wie Du. Aber ich komme hinüber -- « und ein
+kleines Pförtchen öffnend, das zwischen einer blühenden und Frucht
+tragenden Orangenhecke hindurchführte, trat Aumama, Sadiens
+freundliche Nachbarin, in den Garten und küßte sie, ihren Arm um sie
+schlagend auf die Lippen.
+
+Sie war in die einfache indianische Tracht gekleidet, mit dem langen
+losen, bis auf die Knöchel niederfallenden Oberrock, der nur vorn am
+Handgelenk zugeknöpft wird, ohne Schuh und Strümpfe, den Kopf mit
+einem leichten Panama Männerstrohhut bedeckt, unter dem nur ein paar
+große tiefdunkelrothe Blüthen der ~rosa sinensis~ hervorschauten, und
+von dem vollen, mit wohlriechendem Oel getränkten rabenschwarzen
+Lockenhaar fast wieder versteckt wurden.
+
+Ihre Gestalt war schlank und üppig, aber mit dem, den dortigen
+Insulanern eigenen Bau breiter Schultern, auch die sonst kleinen und
+zierlichen Füße nach _unseren_ Begriffen von Schönheit ein wenig zu
+sehr einwärts gebogen; die Form des Gesichts jedoch dabei voll und
+edel und die Augen mit einem eigenen Feuer unter den feingeschnittenen
+Brauen hervorglühend. Aumama war überhaupt der vollkommene Typus eines
+Tahitischen Weibes, dem trotz den lebendigen Augen selbst das sinnlich
+Weiche in den Zügen nicht fehlte, und als die beiden jungen Frauen so
+freundlich umschlungen, und von den wehenden Palmen überragt und
+beschattet, zwischen den Blüthenbüschen standen, hätte man sich kaum
+etwas Lieblicheres denken können auf der Welt.
+
+»Du hast vornehmen Besuch gehabt,« sagte Aumama endlich lächelnd,
+nachdem die erste Begrüßung vorüber war.
+
+»Ja,« erwiederte Sadie, leicht erröthend, »und zwar unerwarteten; aber
+warum kamst Du nicht herüber?«
+
+Aumama schüttelte, etwas ernsteren Ausdruck in den Zügen mit dem Kopf.
+
+»Nein,« sagte sie, »ich passe nicht zu den Leuten -- wir überhaupt
+nicht -- und sie nicht zu uns -- es ist besser wir bleiben aus
+einander.«
+
+»Aber Du närrisches Kind,« rief Sadie, »hast Du Dich denn nicht, so
+wie ich gerade, mit Einem von ihnen für das ganze Leben verbunden, und
+willst Du denn auch von ihm sagen, daß Ihr nicht zu einander paßt?«
+
+Aumama seufzte tief auf, und wandte das Köpfchen leicht zur Seite; sie
+war jetzt recht ernst geworden, und der ganze frühere Frohsinn schien
+verschwunden.
+
+»Ich _hoffe_ daß wir zu einander passen -- für das ganze Leben;« sagte
+sie endlich leise, »es wäre wenigstens _recht_ traurig, wenn wir es je
+anders finden sollten. Aber« setzte sie rascher, und wieder in den
+leichteren Ton übergehend hinzu, »in unseren Familien ist das auch
+etwas anderes; mit dem Mann den wir lieben, stehn wir in einem Rang;
+er versteht _uns_, wir verstehen _ihn_ und in unserem Vaterland
+schmiegt er sich leichter unseren Sitten an, oder lehrt uns allmählich
+die seinen, beider Eigenthümlichkeiten in einander verschmelzend. Mit
+den Gesellschaften jedoch ist das etwas anderes, besonders mit fremden
+_Frauen_, und glaube mir, Sadie -- ich habe darin Erfahrung. Die
+Weißen« fügte sie leiser hinzu, »halten uns für einen untergeordneten
+Stamm, weil wir früher zu Götzen gebetet haben vielleicht -- «
+
+»Aber das haben sie auch gethan, ihre Vorväter wenigstens,« unterbrach
+sie Sadie rasch, »Vater Osborne hat mir das selbst erzählt.«
+
+»Haben sie?« sagte Aumama erstaunt, »das ist das erste Mal, daß _ich_
+davon höre; aber auch vielleicht noch weil wir nicht so klug sind wie
+sie, und so geschickt im Lesen und Schreiben. Auch unsere dunkle
+Hautfarbe kommt ihnen nicht so schön vor -- den Frauen wenigstens, und
+_Eifersucht_ mag oft gleichfalls, und gar nicht selten, die Ursache
+sein, daß sie uns zurücksetzen und -- kränken. Ausnahmen mag es dabei
+unter uns geben; so glaub' ich, Sadie, daß _Du_ Dich vielleicht wohl
+unter ihnen fühlen wirst, weil ich einsehe, daß Du uns eingeborenen
+und wild aufgewachsenen Mädchen in vielen vielen Stücken überlegen und
+den weißen Frauen _fast_ gleichstehend bist; aber für mich paßt es
+nicht -- mir schnürt es die Brust zusammen, wenn ich bei ihnen bin,
+und die kalten vornehmen Blicke sehen muß, die sie auf mich werfen,
+als ob es blos eine Gnade von ihnen wäre, daß sie mich zwischen sich
+dulden. Da ist es mir weit weit wohler bei meinen Kindern am
+freundlichen Strand, im Rauschen meiner Bäume, und vor mir die weite,
+herrliche See -- ich halte es auch für gar kein Glück für uns, etwa«
+setzte sie langsam und wie in recht ernstem Sinnen hinzu, »daß die
+weißen Frauen in den letzten Monaten zu uns gekommen sind. Das Leben
+auf Tahiti ist seitdem ein anderes geworden, und ich selbst fühle mich
+nicht so wohl mehr in der neuen Umgebung -- habe mich auch selber
+vielleicht geändert, oder -- Andere haben.«
+
+»Aia hat Dich traurig und ernst gemacht,« sagte Sadie, freundlich ihre
+Hand ergreifend, »sie war auch hier bei mir, und ich -- «
+
+»Aia!« unterbrach sie rasch und heftig Aumama, aber mit weicherer
+Stimme fuhr sie fort, »Aia ist ein armes, armes Mädchen und sie kann
+mich nicht böse machen, aber« -- und ihre Augen funkelten in einem
+eigenen wilden, fast unheimlichen Feuer -- »nicht ertrüg ich es auch
+wie sie, und was sie ertragen hat. Bei jenem weißen Gott, der Oro's
+Bilder zertrümmerte und unsere Tempel niederbrach, bei jenen Tempeln
+selbst -- « Aumama schwieg, aber die Hand noch, wie zum Schwur
+emporgereckt, die Locken, von denen der Strohhut abgefallen war, wild
+ihre Stirn umflatternd, das Auge glühend in einem eigenen Licht, stand
+sie wohl eine halbe Minute schweigend da, selber ein Bild der
+zürnenden Gottheit ihres Landes. Da, wie unwillig mit sich selber,
+schüttelte sie plötzlich den Kopf, strich sich die Locken aus der
+Stirn und sagte, jeden unmuthigen Gedanken gewaltsam bannend. »Ich bin
+ein Kind, Sadie, ein launisches Kind, und seit einigen Wochen komme
+ich mir selber manchmal wie umgetauscht vor, so tolle Träume und
+Bilder zwing' ich mir ordentlich selbst herauf, mich zu quälen und --
+ärgern auch. -- Aber fort fort mit ihnen, fröhlich wollen wir sein und
+uns des Lebens freuen, denn der Himmel lacht noch rein und blau über
+uns und die Götter, die in früheren Zeiten den Tisch unserer Väter mit
+ihren Speisen deckten, haben uns auch jetzt noch ihre Gaben nicht
+entzogen.«
+
+»Aumama,« sagte da Sadie, mehr herzlich als vorwurfsvoll, »Du sprichst
+noch immer von den _Göttern_, und bist doch lange, lange schon eine
+Christin, ja wie ich hoffen will eine gute Christin geworden. Sündige
+nicht, denn der Gott der Gnade ist auch ein Gott der Rache und der
+Strafe, und Vater Osborne würde es unendlich weh gethan haben, wenn er
+Dich hätte je so reden hören.«
+
+»Und nicht um Alles in der Welt hätte ich _ihn_ kränken mögen,« rief
+Aumama rasch, »er war der Einzige auch, der mich an Gott gehalten, der
+Einzige, der mich die Möglichkeit eines solchen Wesens ahnen und
+begreifen ließ, an das uns ja sonst die Uneinigkeit und der Haß der
+anderen Priester zwingen mußte zu verzweifeln. Er war ein guter Mann
+und die Feranis hatten ihn auch lieb, trotzdem daß er auf andere Weise
+zu seinem Gott betete, als sie es thun; aber -- Sadie« -- fuhr sie
+langsam und wie zögernd fort, »bist Du dennoch so -- so fest überzeugt
+-- daß er recht hatte?«
+
+»Aumama?« rief Sadie erschreckt, und sah staunend die Freundin an.
+
+»Hast Du von dem alten Mann gehört?« sagte aber diese mit leiser
+Stimme sich zu ihr überbeugend, und den Blick fragend auf sie
+geheftet, »der drüben auf Bola Bola lebt, lange lange Jahre schon, und
+der so wunderliche Sachen von dem Gott der Christen erzählt?«
+
+»Von dem Gott der _Christen_? -- ist er denn nicht selbst ein
+Christ?«
+
+»Nein,« sagte Aumama rasch -- »nein -- er selber hat es versichert --
+er ist von dem Stamm die den Christengott gekreuzigt haben, und soll
+behaupten Jener sei gar nicht der Messias gewesen.«
+
+»Das waren die Juden,« rief Sadie überrascht, »aber ich wußte gar
+nicht, daß von jenem Stamm noch Leute lebten?«
+
+»Viele, viele sollen noch davon in dem fernen Lande der Weißen sein
+und der alte Mann behauptet jener Gekreuzigte sei nicht Gottes Sohn
+gewesen, und habe nicht die rechte Lehre gebracht, denn die Christen
+unter einander wüßten es nicht einmal und stritten und kämpften
+deshalb gegen einander, und hätten schon viele viele Tausend unter
+sich erschlagen, zu beweisen wer recht und den rechten Gott und
+Erlöser habe.«
+
+»Und wenn der Mann nun nicht die Wahrheit sagt?«
+
+»Nicht die Wahrheit? -- es soll ein alter alter Mann sein, und graue
+Haare und grauen Bart haben; und streiten sie sich hier nicht etwa
+auch um ihren Gott? -- Wer _hat_ recht? und wie jener Mann von Bola
+Bola sagt giebt es in seinem Vaterland unter den Christen noch viele
+andere Sekten, die alle einander hassen und gegen einander predigen.
+Ist das ihre Religion des Friedens?«
+
+»Aumama, Du sprichst entsetzlich,« sagte Sadie schaudernd, »wer um des
+Himmels Willen hat Dein Herz mit solchem Trug erfüllt?«
+
+»Trug?« wiederholte die Indianerin, und ihr Blick haftete fest auf
+Sadie -- »gebe Gott daß es Trug wäre und Lüge, aber wer giebt uns
+_Wahrheit_?«
+
+»Gott selber,« sagte da Sadie mit jenem kindlichen Vertrauen, das in
+dem Schöpfer wirklich seinen Vater sieht, und in reiner,
+ungeheuchelter Frömmigkeit am Throne des Höchsten sein Gebet, seinen
+Dank niederlegt -- »Gott selber, Aumama; er hat uns die Wahrheit in
+das Herz gelegt, und seine Boten schon vor langen Jahren gesandt, sie
+uns hier zu lehren. Bete, bete mit voller Inbrunst und das Herz wird
+Dir aufgehen, wenn Du Dich zu Gott wendest.«
+
+»Aber Le-fe-ve betet gar nicht,« warf das Mädchen wieder ein, dem
+Gedanken folgend daß die Europäer selber, in verschiedene Religionen
+getrennt, kein Vertrauen auf den Gott hätten, den sie den Inseln
+gebracht -- »er ist ein guter Mann, aber er lacht, wenn man ihn an
+seine Pflicht als Christ will mahnen; thut das René nicht auch?«
+
+»Nein,« rief Sadie schnell, aber doch nicht im Stand eine gewisse
+Verlegenheit zu verbergen -- »er lacht mich niemals aus.«
+
+»Aber er betet auch nicht.«
+
+»Gott wird ihn schon erleuchten,« sagte die junge Frau, und barg ihre
+Stirn einen Augenblick in den Händen, »ach es ist wahr,« fuhr sie dann
+leiser fort, »und hat mir schon manche bittere Stunde, manche
+schlaflose Nacht gemacht, wie wenig _er_ an seinen Gott denkt, und wie
+viel gerade Gott für ihn doch eigentlich gethan.«
+
+»Und Mr. Osborne? hat er Dir nie an's Herz gelegt ihn deiner Kirche
+zuzuführen? -- mir ist das oft und oft zur Pflicht gemacht, aber --
+wie bald hab' ich _den_ Versuch aufgegeben.«
+
+»René geht seinen eigenen Weg,« seufzte Sadie, »und Vater Osborne sah
+das wohl und fühlte es, aber er hat mir nie ein Wort davon gesagt, ja
+er warnte mich sogar vor religiösen Streitigkeiten mit dem Gatten. Auf
+Atiu war auch Alles gut, aber hier in Tahiti, wo die Priester selber
+einander feindlich gegenüber stehen, und seit Vater Osbornes Tod hat
+sich René ganz von jeder Andacht abgewandt.«
+
+»Weißt Du wie Du jetzt aussiehst, Sadie?« rief da Aumama plötzlich,
+den Ton wechselnd, und der Freundin Hand ergreifend.
+
+Sadie schaute überrascht empor, Aumama aber fuhr lächelnd fort --
+»scheuche die trüben Gedanken fort von der Stirn, sie passen nicht für
+uns. Was kümmern uns die Streitigkeiten jener Priester, noch ist die
+Banane so süß, die Cocosnuß so saftig als je und der Himmel lacht blau
+und heiter auf uns nieder und unser schönes Land. Sieh da kommt deine
+Sadie,« unterbrach sie sich plötzlich als das Kind, von einem jungen
+vierzehnjährigen Mädchen getragen, in der Thür erschien -- »her zu mir
+Herz, her zu mir mein süßes Kind, und Du sollst mir helfen der Mama
+Züge wieder aufzuheitern. Und nun sollen auch Scha-lie und Ro-sy
+herüber und mit Dir spielen, mein Herz, und froh und munter wollen wir
+sein, und tanzen und springen.«
+
+Die Kleine aufgreifend, die ihr schon von Weitem lachend die Aermchen
+entgegenstreckte, sprang sie mit ihr, wieder ganz das fröhliche
+ausgelassene Kind dieser Inseln, singend und trällernd am Strand
+umher, und rief die eigenen Kinder herüber mit ihr zu spielen und zu
+tollen. Und selbst Sadie, wenn auch nicht im Stande so rasch die
+quälenden Gedanken abzuschütteln vom Herzen, vergaß doch ebenfalls
+bald bei dem Lachen und Jauchzen der Kleinen Alles, was sie noch
+vorher mit Angst vielleicht und Sorge erfüllte, und das Herz ging ihr
+wieder auf voll Lust und Glück in dem einen reinen und seligen Gefühl
+der Mutter Lust.
+
+FOOTNOTES:
+
+[C] »Das Schwein das Menschen trägt« wie die Insulaner zuerst das
+Pferd nannten, für das sie keinen Namen hatten.
+
+
+
+
+Capitel 4.
+
+#Die Missionaire.#
+
+
+Ueber die See brauste es daher, wild und stürmisch in furchtbar
+entsetzlicher Wuth; an den Riffen schäumte und kochte die Brandung in
+milchweißem Gischt, und warf ihre Wogen selbst in die sonst stillen
+Binnenwasser, weiter und weiter wallend, bis zu dem weißen
+Corallensand des Strandes und den freigespühlten Wurzeln der
+Cocospalmen, die ihre Wipfel über dem Meere schaukelten und jetzt, wie
+entsetzt über die Entweihung, die weiten, armartigen Blätter
+emporwarfen und sich zurückbogen vor der anstürmenden Bö. Hei wie der
+Sturmvogel so scharf und gellend pfeift wenn er über die aufgewühlte
+See streicht, und seine langen elastischen Flügelspitzen auf die
+glatte Woge preßt, von der die Windsbraut schon den schäumenden Kamm
+geraubt und als Perlen hinausgestreut hat weit weit über das Meer; hei
+wie die Brandung da kracht und tobt, und sich bäumt und reckt und mit
+den weißen Armen hinüberlangt über den Korallendamm, und doch wieder
+und immer wieder zurückgeworfen wird von dem gewaltigen Bollwerk, das
+Jahrtausende gebaut. Und der Sturm, der machtlos seine Kraft brechen
+sieht an diesem Damm, und seine Wellen, die er sich aufgerüttelt hat,
+nicht hinüber bringen kann, so viel er auch hebt und drängt, und die
+Schulter stemmt gegen die gewaltigen, wirft sich endlich selbst mit
+dem flatternden Bart an das grüne Land, und die Palmen fassend in
+tollem Spiel biegt und schaukelt er sie, wie er das Spiel sonst
+vielleicht mit Halm oder Blüthe getrieben, im weit und straff
+gespannten Bogen nieder, nieder bis ihre Kronen das Laubdach berühren
+das sie stützt und hemmt und mit wildem eifrigen Rascheln die
+auszweigenden Arme fest fest zusammenstreckt und sich hält und
+gegenseitig hilft gegen den wilden ungestümen Feind.
+
+Gewaltig und furchtbar ist ein Sturm auf offener See, wo er die Wogen
+aufwühlt und gräbt, und die bergwichtigen Massen wie spielend und in
+entsetzlicher Schnelle vor sich her jagt; aber frei und ungehindert
+rast er dort sich aus, keine Grenze hemmt ihn und selbst das schwanke
+Schiff das er trifft auf seiner Bahn wirft er herum, taucht es und
+schleudert es empor, reißt und splittert was er daran gerade fassen
+und halten kann und -- jagt vorüber, müde solch unwürdigen Spiels.
+Anders aber und grauenhaft furchtbarer ist er dort wo die bergige
+Küste den Anprall hemmt, und dem Rasenden die Stirn bietet in
+kräftigem Trotz.
+
+Nicht nur den neuen Grimm hat der Wüthende da auszulassen an der
+starren hartnäckigen Wand, die sich ihm eisern entgegenstellt, nein
+auch alte Unbill zu rächen, seit Jahrhunderten her, und seit manchem
+furchtbaren Strauß, bei dem er sich wieder und wieder vergebens in die
+Schluchten wühlte und bohrte, und die Grundfesten seines Feindes zu
+untergraben suchte. Von der See führt er die Wogen heran zum
+gemeinsamen Kampf, und sich selber wirft er wild und toll gegen die
+Brustwehr von Baum und Gebüsch, das sich ihm zäh und unverdrossen
+entgegenlegt; was hilft es ihm daß er die starren hartnäckigen Stämme
+faßt und bricht und die schweren Kronen zu Boden schmettert, oder als
+Widder braucht, gegen andere anzustürmen -- die elastische Palme biegt
+und legt sich der Uebermacht, folgt aber dem Feind auf dem Fuß bei
+jedem Zollbreit Weichen, und schüttelt ihm die Federkronen zornig in's
+Angesicht. Wild heult und braust sie da auf, die tobende tolle
+Windsbraut; bis hoch in die Lüfte hinauf pfeift es und zieht's und
+dröhnt's, und wieder und wieder prasselt's an gegen Halde und Hang,
+wieder und wieder reißt es und bricht und schmettert und stöhnt, ein
+Opfer suchend in unsagbarem Grimm, bis die Kraft auf's Neue erschöpft
+ist wie seit Jahrhunderten, und der Orkan jetzt weichend, seine Wuth
+mit neuer Hoffnung beschwichtigen muß für den nächsten Tanz, sich
+dennoch immer auf's Neue getäuscht zu sehn. Grollend und innerlich
+gährend und kochend zieht er sich dann zurück, weit weit über die See,
+in der Ferne dröhnt es und braust es noch, wie schwer athmend aus der
+Tiefe auf -- bläulich schwarz liegt die See, einzelne Sturzwellen in
+sich selbst zusammenbrechend und weiße weite Flächen, förmliche Thäler
+bildend von milchigem Schaum, der zischend zerfließt, neu
+aufquellender Woge zum Mantel zu dienen mit dem sie sich schmückt und
+tanzt und ihn abwirft, der Schwester zu. Hu, wie das hohl geht da
+unten und braust und murmelt -- aber die Sturmmöve zieht jetzt mit
+klappendem Flügelschlag, nicht mehr regungslos kreisend, über das
+stillere Wasser, das im wilden Unmuth noch nicht einmal den Strahl der
+vorbrechenden Sonne wiedergeben mag, und faden matten Bleiglanz über
+seine Fläche deckt.
+
+Auf dem Land aber, dem natürlichen Feind des Orkans, der ihm so starr
+die Faust entgegenstreckt, wie die Fluth ihm jeder Zeit willige Hülfe
+bietet und mit ihm tobt und rast, entfaltet der siegende Sonnenschein
+schon wieder sein Panier, während die grollende See noch gegen die
+Riffe pocht, und jeder niedergeschleuderte Tropfen wird zur Perle, die
+blitzend und jubelnd im Lichte funkelt. Noch erzürnt, aber doch schon
+wieder den warmen Strahl auf den Wangen fühlend, schütteln die Bäume
+ihr Laub, und rauschen und rascheln, Blatt und Zweiglein wieder in die
+alte Form zu bringen, aus der sie der ungestüme Störenfried
+herausgerissen, und der warme Duft der aus den Thälern steigt wird zum
+Nebelschleier, den sich der Berg wie Silberfäden durch die Krone
+flicht, und dem das sinkende Tagsgestirn noch seinen schönsten
+herrlichsten Farbenschmelz verleiht.
+
+Es war zur Zeit solcher Stürme, die sich besonders im Herbst und
+Frühjahr zeigen unter dieser Breite, und der Orkan brauste noch in all
+seiner furchtbaren Kraft über die Wasser, und schien die Riffe hinein
+drängen zu wollen gegen das Land, solche berghohe Wogen thürmte er
+auf, und schleuderte sie von Westen herbei, der Passat Strömung gerad
+in die Zähne. Nur der fluthende Regen hatte nachgelassen und der Wind
+fegte nur noch das Firmament rein, von widerspenstischen Wolken und
+Schwaden, die wieder und wieder, jetzt aber machtlos und zu spät, zum
+neuen Kampfe herbei wollten.
+
+In der Hauptstraße von Papetee, auf dem breiten Strand der die erste
+Häuser- und Gartenreihe vom Meere trennte, und von den lebenslustigen
+Tahitiern besonders Abends zum Sammelplatz benutzt wurde, blieben
+jetzt Einzelne stehen und schauten auf das Meer hinaus, denen bald
+Andere folgten; die Thüren der nächsten Häuser wurden geöffnet, die
+Eigenthümer standen darin mit Telescopen und um diese wogte und preßte
+bald das Volk in mächtiger Schaar, bald die Gläser, bald das weite
+Meer betrachtend, und dem Wort der Ausschauenden wie einem Orakel
+lauschend.
+
+Der Gegenstand aber um den es sich hier handelte war ein Schiff -- ein
+großes Schiff das von Point Venus aus schon vor einer halben Stunde
+etwa und noch im vollen Sturm, der Königin gemeldet worden, wo es,
+weit draußen in Sicht, versucht hatte beizulegen und von den Inseln
+abzukommen, der Wind war aber zu heftig gewesen solches Maneuver zu
+gestatten. Die Fregatte -- denn daß jenes fremde Segel ein großes
+Kriegsschiff sei unterlag schon gar keinem Zweifel mehr -- mußte vor
+dem Wind abfallen, und kam jetzt unter dicht gereeftem Vormars- und
+Vorstengenstagsegel um die Spitze herum jedenfalls bestimmt nach
+Papetee einzulaufen, was aber jetzt, bei dem gewaltigen Seegang und
+der schmalen Einfahrt durch die schäumenden Riffe nicht möglich war,
+und nur bemüht nun, so wenig Fortgang als möglich zu machen um erst
+einmal von den nächsten Riffen frei, wieder aufzubrassen und das
+Beruhigen der Wasser abwartend, gegen den Wind anzukreuzen.
+
+Es war eine Fregatte, aber von welchem Land? Diese Frage beschäftigte
+jetzt Alle in ängstlicher Spannung, und wie die meisten der
+Eingeborenen gerade jetzt, nach ihrer vorhergegangenen Demonstration
+das Erscheinen des ihnen nur zu gut bekannten ~Du Petit Thouars~ mit
+seinem Fahrzeug fürchteten, so ängstlich waren sie, sich zu früh der
+freudigen Hoffnung hinzugeben daß es noch ein Englisches Kriegsschiff
+sein könne, ihre erstrebte Unabhängigkeit zu bestätigen.
+
+Die Meinungen über das Aussehen des Schiffes waren dabei getheilt,
+während es Einzelne der Europäer nach dem Bau der Masten, denn von den
+Segeln war gar Nichts zu erkennen, für einen Franzosen hielten,
+behaupteten Andere den Amerikanischen Zuschnitt daran zu erkennen und
+nur ein kleiner Theil beharrte auf seinem Ausspruch England sei nicht
+zu verkennen und die Englische Flagge würde sich zeigen, so bald die
+Fregatte den Eingang passire.
+
+Selbst die gerade in Papetee anwesenden, und gerade heute zu einer
+vertraulichen Sitzung berufenen Missionaire standen auf der Verandah
+des, in Papetee ansässigen Bruder Dennis versammelt, und blickten mit
+etwas ängstlicher Spannung der Entfaltung der Flagge entgegen, die
+besonders auf ihre Wirksamkeit einen entschiedenen Einfluß ausüben
+mußte.
+
+Noch vor dem Sturm hatte ihre Sitzung begonnen, und während die
+Windsbraut heulend an den Pfosten des Hauses rüttelte, die Palmen wie
+Weidenruthen niederbog, und die reifen Früchte von den Bäumen riß, den
+Boden zu streuen mit Orange und Brodfrucht, die saftigen Stiele der
+Banane umknickte und duftige Blüthen weit und hoch hinaus in die Berge
+führte, lagen die schwarz gekleideten Männer in dem langen luftigen
+Gebäude auf den Knieen; und mischten ihre Hymnen und Sänge mit dem
+Gebrüll des Orkans, ein Preislied dem Herrn der Stärke und
+Barmherzigkeit.
+
+Es waren die Brüder Rowe, Dennis und Nelson, Mc. Kean, Smith und
+Brower, zusammengekommen zu vertraulicher Berathung in so schwerer
+Zeit, und die eigentlichen Vertreter auch, wenigstens die wichtigsten,
+die sich gegenwärtig in der Südsee befanden, der Evangelischen Lehre
+nicht mehr nur Bahn zu brechen unter den Heiden, obgleich auch jetzt
+noch ganze Gruppen von Inseln ihren Göttern treu geblieben waren und
+den neuen Glauben mistrauisch von sich wiesen, sondern sich zu wahren
+und schützen gegen den Katholicismus, der ihren Fußtapfen gefolgt war
+und die Flügel jetzt ausbreitete, ihr eigenes Licht zu verdunkeln.
+
+Bruder Dennis war unter diesen, und besonders in seinem Charakter als
+Missionair, jedenfalls der bedeutenste, und wenn auch nicht einer der
+ältesten, doch jedenfalls der eifrigsten Lehrer der Inseln, wo es nur
+galt dem einen heiligen Ziel entgegenzustreben, den Heiland zu
+verkünden und seiner Wunden Blut zu predigen in der Wüste. Er auch war
+Einer der Wenigen, die mit Hintansetzung jedes Gedankens an sich
+selbst in die Fremde zogen, die Bibel im Arm, das gehobene Kreuz, ja
+das Schwert in der rechten, wenn gereizt seinen Schatz zu
+vertheidigen, und rücksichtslos weiter schreitend dabei, welchen
+Glauben, welche Familienverhältnisse er unter die Füße trat, wenn er
+nur die Seelen der Verdammten rettete, und ihnen das Heil kündete, das
+ihnen Gott geboten, und das den Weg um die ganze Erde genommen, zu
+ihnen zu gelangen.
+
+Eigennutz, Ehrgeiz war ihm fremd, keine Familienbande fesselten ihn,
+nicht Freundschaft, nicht Liebe hatten sein Herz auch nur für eine
+Stunde dem einen hohen Zweck seines Lebens abwendig machen können, und
+er hielt den Tag für verloren, an dem er nicht wenigstens einen,
+seinem Verderben entgegengehenden Sünder wach gerüttelt, und ihm den
+Abgrund gezeigt an dem er wandele, oder geduldet und gelitten hatte in
+der Verbreitung jenes Glaubens, der ihm Licht und Seligkeit und Luft
+und Liebe war.
+
+Von schmächtigem aber nicht schwächlichem Körperbau, zäh bis zum
+äußersten und an Entbehrungen und Strapatzen gewohnt, die er eher
+aufsuchte als vermied, hatte er schon den größten Theil der Inseln
+durchstreift, den feindlichsten Stämmen dort mit »christlicher
+Demuth«, wie er's nannte, getrotzt, und ihren Hohen Priestern in den
+Bart die Machtlosigkeit und Nichtigkeit ihrer Götzen verkündet. Die
+Indianer achten den Muthigen, wo sie ihn auch finden, und muthig
+wahrlich mußte der sein, der allein und unbewaffnet in einem
+feindlichen Gebiet wahrhaft tollkühn das angriff, was der Gegner am
+theuersten hielt, und wofür er sein Leben eingesetzt hätte es zu
+bewahren; ja unter den Opferkeulen selbst hatte ihn schon dieser
+starre fanatische Trotz gerettet, und ihm die Achtung seiner
+bisherigen Feinde, ja oft den späteren Sieg über sie, gesichert.
+
+Hier nun schon den Sieg in Händen, läßt es sich denken, mit welchem
+Schmerz und Zorn der »Diener des Herren« _fremde_ Priester eindringen
+sah in sein Heiligthum, und den Bau untergraben, an dem seine Kirche
+schon Jahrzehende gebaut, und der ein Tempel Zions zu werden versprach
+in Pracht und Herrlichkeit. Mit zagender Hoffnung wohl, aber auch mit
+Furcht und Mißtrauen sah er deshalb dem Entfalten jener Flagge
+entgegen, die ihnen entweder die frohe Hülfe vom Mutterlande brachte,
+nach der sie sogar schon einen der Ihrigen, den ehrwürdigen Mr.
+Pritchard, zugleich Consul Ihrer Britannischen Majestät abgesandt
+hatten, oder neue Schwierigkeiten und Verlegenheiten bereiten konnte,
+den gierigen Forderungen Französischer Capitaine gegenüber.
+
+Die Brüder Rowe und Nelson in ihrem so verschiedenartigen Charakter
+kennen wir schon.
+
+Zwei Andere, Mc. Kean und Brower waren einfache Leute, Menschen, die
+ihre Lebenszeit in der Bibel gegraben, das edle Metall mit dem tauben
+Gestein mühsam und unverdrossen heraufgeschafft, ohne im Stande zu
+sein es zu schmelzen und zu scheiden, und es nun Bergehoch um sich
+aufgeschichtet hatten, eine treffliche Wehr wenigstens, nach Jedem zu
+schleudern, der ihnen nahe kommen und ihre Stellung ihnen streitig
+machen oder bekritisiren wollte.
+
+Bruder Smith zeigte sich als eine von diesen ganz verschiedene
+Persönlichkeit; klein und geschmeidig hatte er sich dem Missionswesen
+gewidmet, wie er sich irgend einem andern Stand oder Geschäft gewidmet
+haben würde. Von Enthusiasmus war bei ihm keine Rede, von Schwärmerei
+noch weniger. Er betrachtete das ganze innere Sein der Mission auf
+eine ächt irdische und praktische Art als ein _Geschäft_, das ihm
+durch die Missionsgesellschaft vom lieben Gott übertragen worden, und
+auf diesem entlegenen Winkel schien er nun vollkommen bereit alle
+solche Pflichten, die ihm vorgeschriebener Weise oblagen, auch
+getreulich zu erfüllen, vorausgesetzt jedoch, daß ihm dann der liebe
+Gott, neben anderen Kleinigkeiten, auch noch die Bitte des täglichen
+Brodes mit seinen verschiedenen Variationen erfülle. Ein
+ausgezeichneter Geschäftsmann außerdem, war eine seiner
+Hauptbeschäftigungen die, von England zur Unterstützung der Mission
+eingegangenen Waaren, die natürlich einen größeren Werth hatten als
+Geld selber, gegen Roh-Produkte oder Fabrikate der Indianer, soweit
+sie deren herstellten, ja gegen Arbeitskraft selbst und geleistete
+Dienste anzubringen, und einen besseren Mann hierzu hätte sich die
+Gesellschaft nicht wählen können. Schicklicher wäre es jedenfalls
+gewesen hierzu einen besonderen Mann engagirt zu haben, der dann
+weiter Nichts mit dem geistlichen Theil des »Geschäfts« hätte zu thun
+haben dürfen; das Lehrergeschäft leidet, wo der Lehrer zu gleicher
+Zeit neben seinen geistigen Ausgaben seine weltlichen Einnahmen
+berechnen muß. Bruder Smith wußte aber Beides auf so geschickte Art zu
+vereinigen, und die Waare mit solcher Salbung, die Lehre mit solcher
+berechnenden Klugheit auszugeben, daß die Insulaner zuletzt nicht
+selten beides Empfangene gar nicht mehr von einander zu unterscheiden
+vermochten und in Zweifel waren, für was von den beiden Sachen sie ihr
+Cocosnußöl und ihre Perlen und Muschelschalen eigentlich zu Markt
+gebracht, und ob sie ein gutes oder schlechtes Geschäft dabei gemacht.
+
+Bruder Smith hatte auch lange nicht das Schroffe, Abstoßende des
+finsteren Rowe, ja selbst des schwärmerischen Dennis. Bei dem Gebet
+stand besonders der Letztere wie ein zürnender Geist, bereit Gottes
+Zorn auf Jeden niederzudonnern, der anders dachte oder sprach als er,
+während Bruder Smith mit ruhiger Ueberlegung die praktische Seite des
+Christlichen Glaubens nicht allein nicht versäumte, sondern sogar nach
+außen drehte. Der Eine gewann, der Zweite erhielt die Heiden dem
+Christenthum.
+
+Brower und Mc. Kean waren ein Mittelding der Beiden, mehr an der Form
+wie dem Sinne des Ganzen hängend; Smith wand sich zwischen Allen
+durch. Mit einem anerkennungswerthen Scharfblick der Charaktere,
+zwischen denen er sich befand, war er Schwärmer oder Enthusiast, Mann
+der Form oder des einfachen Glaubens, der in dem Glauben gerade den
+Formen blindlings folgt, aber diese nur eben vom Glauben abhängig
+macht, nicht diesen ihnen unterwirft. Nie jedoch verlor er den Nutzen
+irgend einer Stunde aus dem Auge und unermüdlich im Sammeln für seinen
+heiligen Zweck, wuchsen ihm die Bedürfnisse aus dem Boden, und wurden
+zu Bäumen, die ihre Früchte im reichen vollen Maaß auf ihn zurück und
+nieder schüttelten.
+
+Auch er war der gedrohten Oberherrschaft Frankreichs in innerster
+Seele abgeneigt, aber nicht ganz allein mit jener geistigen
+Ueberzeugung, mit der Bruder Dennis den Untergang der Gerechten vorher
+kündete, wenn sie sich durch die Irrlehren verführen ließen vom
+rechten Pfade abzuweichen, sondern mehr fast im merkantilischen
+Interesse. Die Franzosen hatten nämlich unter dem Schutz ihrer Kanonen
+angefangen, eine Quantität der verschiedensten, bis jetzt von ihm mit
+Vortheil abgesetzten Waaren, auf die Insel geworfen, deren Preise _er_
+früher allein bestimmen konnte, während sich ihm jetzt dadurch eine in
+der That nicht unbedeutende Concurrenz eröffnete. Bunt und ordinär
+gedruckte Kattune, für die er bis jetzt mit Leichtigkeit einen halben
+Dollar per Yard erhalten, verschleuderten leichtsinnig junge Franzosen
+um die Hälfte, und das Volk hätte von einem _Heiden_ gekauft, wenn es
+die Waare billiger bekommen, wie viel mehr nicht von den »neuen
+Christen«. Die Eindringlinge bezahlten außerdem für die Produkte der
+Indianer weit mehr, als sie vernünftiger Weise hätten zahlen sollen,
+wenn sie sich nicht den Markt für spätere Zeiten verderben wollten. Es
+war keine Ordnung in der Sache, und der Kaufmann ging mit dem Christen
+Hand in Hand, der Evangelischen Kirche den Sieg zu erflehen über die
+»Baalspriester« wie sie gewöhnlich von den Kanzeln genannt wurden.
+
+Doch zurück zu unserem Schiff, das die Aufmerksamkeit der am Strand
+Stehenden auf das Peinlichste spannte, und immer noch mit den kahlen
+Masten gesonnen schien vorbei zu streichen, ohne auch nur einmal die
+Farbe seiner Flagge zu zeigen.
+
+»Segne meine Seele!« rief ein dicht am Strand stehender Neger, der
+früher einmal von einem Wallfischfänger auf irgend einer Insel
+entsprungen war und seinen Weg nach Tahiti gefunden hatte, wo er jetzt
+bei den Eingeborenen, theils seiner außerordentlich glänzenden
+schwarzen Farbe, theils seiner Wohlbeleibtheit wegen als eine Art
+Autorität in Seemännischen Fällen galt -- »segne meine Seele, wenn
+ich nicht glaube der Bursche will einlaufen. Wenn er das bei _der_ See
+versucht kann er sich darauf verlassen daß er heute in ~Davys locker~
+(Seeausdruck für Unterwelt) zu Nacht speist, denn kein Dampfschiff
+könnte sich frei von den Leeriffen halten.«
+
+»Und was für ein Segel glaubst Du daß es ist, Pompey?« frug ihn Tati,
+der Häuptling, der unfern von ihm stand und das Fahrzeug mit finsterem
+Blick betrachtet hatte.
+
+»Englisch, ~by God~ Massa,« rief der Neger rasch, der den Häuptling
+kannte -- »englisch, jeder Zoll von ihr[D] -- und ein Dorn
+wahrscheinlich in Massa Gumbo's[E] Augen da drüben, der jetzt zwischen
+zwei Feuer kommt, wenn er den Schwarz-Röcken einheizen und Land
+pachten will von Königin Pomare, haw, haw, haw. Nun sollte noch ein
+Franzmann dazu kommen, dann giebt's Spaß; aber dies Kind ging in die
+Berge, Massa, denn wenn sie hier mit den eisernen Bällen an zu spielen
+fingen, würd' es Manchem zu warm in seinem Rocke werden.«
+
+»Die ~Reine blanche~ ist's,« lautete aber eine andere Meinung, die
+bald wie ein Lauffeuer durch die Menschenmasse lief, denn der
+gefürchtete Admiral ~Du Petit Thouars~ war schon lange wieder im Hafen
+erwartet worden, und trotz den zuversichtlichen Behauptungen der
+Missionaire daß England ihnen jedenfalls Schutz und Hülfe senden
+werde, gegen den Römischen Feind, traute man doch den Kanonen des
+Letzteren nicht, der die Stadt jetzt schon zwei Mal mit seinen
+eisernen Flanken bedroht und sie gezwungen hatte, seine Bedingungen
+anzunehmen.
+
+Der Französische Consul hatte gegen die letzte Verhandlung protestirt
+und war zornig fortgegangen; welchen Bericht würde er dem
+Französischen Admiral machen? -- und die Königin mußte es dann wieder
+entgelten, wie schon früher.
+
+»Da -- dort geht die Flagge vom Talbot!« rief da Pompey plötzlich --
+»und da die Privatsignale -- er wird den Andern vorm Einlaufen warnen
+wollen.«
+
+»Dort kommt was Buntes an Bord draußen!« schrie ein Eingeborener, der
+trotz dem noch heftigen Wehen und Schaukeln des Baumes auf eine Palme
+geklettert war, einen bessern Ueberblick zu gewinnen -- »gleich wird's
+heraus sein!«
+
+»Da kommt die Flagge -- alt England für immer!« jubelte ein junger
+Bursch, ein Seecadet des Talbot der auf Urlaub an Land gewesen war,
+wie der Sturm begonnen -- »dort weht der ~Union Jack~ und Monsiehr
+Crapo hat sich zu früh gefreut wenn er glaubte es käme ein Landsmann.«
+
+»Englische Flagge -- Englische Fregatte!« schrie und wogte es aber
+auch jetzt am Land durcheinander, die Missionaire auf der Verandah
+drückten einander die Hand, und ein großer Theil der Insulaner jubelte
+allerdings dem fremden Schiffe entgegen, Manche aber auch von Tati's
+Anhang schauten gar zornig drein, und sahen die Parthei schon wieder
+Sieger, die ihnen bis dahin immer störend und hemmend im Weg
+gestanden.
+
+Die beiden Englischen Kriegsschiffe hatten indessen rasch
+verschiedene, nur ihnen bekannte Signale gewechselt, und die fremde
+Fregatte hielt noch fortwährend auf die Mündung des Hafens zu, als ob
+sie die Einfahrt, trotz Wind, Wogen und Coralle, erzwingen wolle; wenn
+aber auch der wirkliche Sturm nachgelassen hatte, wehte der Westwind
+doch noch viel zu stark das Einlaufen in den Hafen, wären selbst die
+furchtbaren Brandungswellen nicht gewesen, wagen zu dürfen und die
+Fregatte, die auch vielleicht nur diese Stellung angenommen ihre
+Signale ordentlich und deutlich auswehen zu lassen, fiel wieder vor
+dem Winde ab, braßte ihre Marssegel vierkant und flog, fast vor Top
+und Takel nur, aus dem Bereich der gefährlichen Klippen, draußen
+vielleicht wieder beizudrehen und das Rückwechseln des Windes in den
+gewöhnlichen Passat, der gar nicht lange mehr ausbleiben konnte,
+abzuwarten.
+
+So lange die Signale noch dauerten, hatten sich die Eingeborenen
+ziemlich ruhig gehalten; nur einige der der Königin und den
+Missionairen ergebenen Häuptlinge, besonders Aonui und Potowai waren
+hinauf in das Haus gegangen, wo sie die frommen Männer versammelt
+sahen, deren Meinung über das Englische Kriegsschiff, das jedenfalls
+einzukommen beabsichtigte, zu hören. Die Missionaire hatten nur eine
+Stimme darüber; sie hofften daß es ihnen günstig lautende Nachrichten
+von England bringen würde, ja daß vielleicht Bruder Pritchard selber
+an Bord sei, die Rechte der Insulaner zu bestätigen und mit der
+gesandten Macht zu beschützen.
+
+Das war genug, wie ein Lauffeuer zog sich die frohe Botschaft durch
+die einzeln am Strand zerstreuten Gruppen: »Das Kriegsschiff ist für
+uns gekommen; die Franzosen haben Nichts mehr auf den Inseln zu
+befehlen -- der Vertrag den sie abgeschlossen haben, und der nur dahin
+berechnet war uns zu ihren Sclaven zu machen und das Götzenthum wieder
+einzuführen, ist vernichtet und keine Flagge soll hier mehr wehen als
+die Tahitische und Englische!«
+
+Aonui war der Wildeste zwischen ihnen.
+
+»Brüder, der Tag der Vergeltung ist erschienen!« schrie er, auf einen
+Haufen dort aufgefahrenen und zum Ausarbeiten von Canoes bestimmten
+Holzes springend, von dem aus er die unter ihm Stehenden leicht
+übersehen konnte, »die Beretanis kommen -- die uns die Bibel gebracht
+haben, bringen uns jetzt auch Kanonen unsere Bibel zu vertheidigen --
+die Beretanis sind gut -- wir wollen Nichts weiter -- wir haben die
+Bibel und die Feranis können gehen, wir halten sie nicht -- wir wollen
+ihnen Freude wünschen -- aber nicht hier, irgend wo anders. -- Wir
+haben die Feranis lieb -- sehr lieb -- es sind auch unsere Brüder --
+aber nicht so Brüder wie die Beretanis; andere Art. Die Beretanis
+haben uns die Bibel gebracht, die Feranis wollen sie wieder nehmen. --
+Feranis haben viel Platz wo anders -- wir wollen ihnen Freude
+wünschen.«
+
+Das etwa war der Sinn der Rede, die der Häuptling, die einzelnen Sätze
+immer auf's Neue wiederholend, seinen Landsleuten vorschrie, denn der
+um ihn wogende Tumult dauerte indessen fort und er konnte ihn mit
+seiner Stimme nicht beschwichtigen, er mußte ihn selbst übertönen;
+aber den Sinn verstanden sie doch, den ungefähren Sinn des Ganzen
+wenigstens, und von Mund zu Mund lief der Ruf: »Fort mit den Feranis,
+fort mit der Flagge, wieder an Bord mit den Priestern die uns die
+neuen Götzen auf die Berge gestellt haben, den alten zum Trotz, und
+uns unseren Glauben nehmen wollen und unser Land und die Bibel. Wir
+haben die Bibel wir verlangen nicht mehr!«
+
+»Bin nur neugierig« sagte Pompey, der Neger, zu einem zufällig neben
+ihm stehenden Seemann, unserm alten Bekannten, dem Iren Jim -- »was
+sie heute wieder für Dummheiten anrichten werden, Mister -- seht nur
+einmal wie die schwarz gekleideten Gentlemen da hinten so eifrig gegen
+einander die Hände und Arme werfen, und streiten -- sie hacken Alle
+auf den Einen ein mit den weißen Haaren, der wird wohl der einzige
+Vernünftige unter ihnen sein.«
+
+»Und wie so, mein Bursche?« frug Jim O'Flannagan der mit den Augen der
+Richtung gefolgt war, die ihm der Neger angab, und den Blick jetzt
+forschend auf den allerdings sehr heftig mit einander gesticulirenden
+Missionairen weilen ließ -- »es geht ja Alles so hübsch und trefflich
+wie es nur gehen kann.«
+
+»Hübsch und trefflich? -- hm, ja, -- Manchem gefällt's so,« sagte der
+Neger und betrachtete sich den Fremden etwas genauer, ohne daß Jim
+etwa darauf geachtet hätte -- »aber hallo Mister,« setzte er
+plötzlich hinzu, »haben wir nicht einander schon einmal da drüben bei
+Mütterchen Tot getroffen?« Der Ire lachte.
+
+»Ich bin überall zu finden wo es gute Gesellschaft giebt,« sagte er
+mit einem etwas zweideutigen Blick auf seinen schwarzen Gefährten,
+»aber Freund, habt Ihr eine Idee wo die Geschichte hier hinaus will?
+-- wie mir scheint wollen die guten Leute alle Franzosen ohne weitere
+Säumniß aufpacken, und an Bord der ~Jeanne d'Arc~ schicken?«
+
+»Toll genug wären sie dazu,« brummte der Schwarze, »und das hier wär'
+auch nicht der erste derartige dumme Streich, den sie machten; wenn's
+Jemand gut mit ihnen meinte, sollt' er's verhindern.«
+
+»Wen geht's denn 'was an?« lachte der Ire, »dafür haben sie auch ihre
+Seelsorger ihnen den richtigen Weg zu zeigen -- hallo, kennt Ihr die
+Beiden da, die scheinen's eilig zu haben.«
+
+»Das sind die beiden ersten Häuptlinge der Insel, Tati und Utami,«
+sagte der Neger schnell, »wenn die ihren Weg hätten, wüßt' ich _wen_
+sie vor allen Dingen auf das erste beste Schiff packten und nach
+Leewärts schickten.«
+
+»Kann mir's denken,« sagte der Ire trocken, »'s kommt nur darauf an
+jetzt, wer zuerst ein Schiff frei hat, Engländer oder Franzose, und
+dem lieben Gott bleibt jetzt die Wahl vollkommen offen, wen er hier
+behalten will, Katholiken oder Protestanten.«
+
+»Wenn sie den Feranis hier was zu Leid thun, schießt ihnen der
+Franzose den ganzen Bettel zusammen -- und ich habe da drüben auch ein
+kleines Häuschen stehn,« meinte der Neger.
+
+»Wenn's hinter dem Berge läge könnt' er aber anfangen wann er wollte?«
+frug Jim, mit einem Seitenblick auf den Neger, den dieser mit einem
+breiten Grinsen, das zwei Reihen prachtvoller Zähne aufdeckte,
+beantwortete.
+
+Die Aufmerksamkeit der Beiden wurde aber bald für das Haus in Anspruch
+genommen, in dem sich die Missionaire befanden, denn dorthin drängte
+das Volk und schien von diesen eine bestimmte Leitung ihres Unmuths,
+dem sie selber eigentlich noch nicht recht Ausdruck zu geben wußten,
+zu verlangen.
+
+»Nieder mit der Flagge der Feranis!« tönte der Schrei -- »fort mit den
+Priestern -- England hat seine Schiffe zu uns geschickt uns zu
+beschützen, wir wollen nichts weiter mit den Wi-Wis zu thun haben --
+fort mit ihnen -- fort!«
+
+»Das thut kein Gut,« sagte da, in der Sprache der Insel, ein schlanker
+Mann mit starkem Backen- und Schnurrbart, der an dem Iren und Neger
+mit den, schon vorher von ihnen bemerkten Häuptlingen rasch
+vorbeischritt -- »das thut wahrlich kein gut, und sie werden sich die
+Folgen ihres thörichten Handelns später selber zuzuschreiben haben.«
+
+»Die Missionaire treiben's zum Aeußersten in ihrem stolzen Wahn,«
+sagte Tati.
+
+»Und ihre kurzsichtige Politik wird ihnen das geistliche wie ihrer
+armen Königin das weltliche Regiment rauben,« sagte der erste
+Sprecher; »die einzige Rettung die dem Lande noch blieb, war eine
+vernünftige Mäßigung, die Missionair wie Franzose zugleich im Zaum
+gehalten hätte.«
+
+»Sagt das den Priestern, Consul Mörenhout, und sie zucken die Achseln
+und bedauern bei der Sache nichts thun zu können, da sie sich _nie_ in
+die Politik dieses Landes mischten.«
+
+»Heuchler!« zischte der Consul zwischen den Zähnen durch und schritt
+jetzt, die Häuptlinge verlassend, rasch der Verandah zu, an deren
+Treppe er eben den beiden Missionairen Dennis und Rowe begegnete, die,
+von Nelson und Smith gefolgt, gerade niederstiegen. Als Mr. Rowe den
+Französischen Consul auf sich zukommen sah, blieb er stehen und sagte,
+noch ein paar Stufen höher als dieser, mit unendlicher Milde und
+Freundlichkeit auf ihn niederblickend:
+
+»Und was führt unseren sehr ehrenwerthen Freund in solcher Aufregung
+zu uns?«
+
+»Mr. Rowe,« erwiederte aber der Consul, ohne auf Ton oder Bemerkung
+der Frage einzugehen, und rasch die Stufen, selbst an dem Geistlichen
+vorbei, hinaufsteigend -- »ich möchte ein paar Worte mit Ihnen und den
+übrigen Herren sprechen; aber augenblicklich sprechen« -- setzte er
+rasch und ungeduldig hinzu, als er sah wie die geistlichen Herren noch
+unschlüssig zögerten. »Es gilt auch jetzt nicht die Privat-Interessen
+eines Protestantischen oder Katholischen Priesters,« fuhr er gereizt
+und heftig fort, »es gilt die Interessen, das Wohl dieses Landes,
+dessen Entscheidung Sie nun einmal -- mit welchem Rechte soll hier
+unerörtert bleiben -- in die Hand genommen. Ihnen allein ist es jetzt
+überlassen Alles noch friedlich zu Ende zu führen, oder auch einen
+Krieg heraufzubeschwören, der die traurigsten furchtbarsten Folgen
+haben müßte.«
+
+Die Missionaire blieben erst stehn und drehten dann mit dem
+aufgeregten und gereizten Mann um, blieben aber oben auf der Verandah,
+wo sich die übrigen bald um Mr. Rowe und den Französischen Consul
+sammelten, und der Erstere sagte freundlich:
+
+»Sie scheinen sich in der Person zu irren, verehrter Herr; wir Alle
+sind Männer des Friedens, denen es wahrlich nicht einfallen wird
+muthwillig, wie Sie meinen, einen Krieg heraufzubeschwören. Greift das
+Volk zu den Waffen, ein ihm unerträglich werdendes Joch abzuschütteln,
+oder selbst erst der Gefahr auszuweichen, seinen Nacken darunter
+gebeugt zu bekommen, was können _wir_, einzelne und unbewaffnete
+Männer dafür oder dawider thun? ja _dürften_ wir das Volk
+zurückhalten, selbst _wenn_ wir könnten, wo wir es auf der einen Seite
+von einer Religion bedroht sehen, die unserer schwachen Meinung nach
+zu ihrem jetzigen und späteren Verderben führen müßte, während wir es
+in Händen haben, sie wenigstens auf ein einstiges Heil vorzubereiten.«
+
+Der Consul schritt rasch und ärgerlich auf der Verandah auf und ab,
+erwiederte aber kein Wort -- er fühlte daß ihm bei der ersten Sylbe die
+er laut spräche, die Galle überlaufen _müsse_, und wollte jetzt in
+diesem, vielleicht für spätere Zeiten höchst wichtigen Augenblick
+Alles vermeiden, was ihm später vielleicht als Uebereilung oder Hitze
+hätte können zur Last gelegt werden.
+
+»Und weigern Sie sich wirklich?« sagte er endlich nach einer längeren
+Pause, und in der That erst, als der Ehrwürdige Mr. Rowe schon wieder
+Miene machte die Verandah zu verlassen -- »das blinde, mit allen
+Europäischen Verhältnissen unbekannte Volk von einem übereilten
+Schritt, wie das Niederreißen der Französischen Flagge zurückzuhalten?
+-- bedenken Sie nicht, daß sich dieselben traurigen Scenen der
+Französischen Fregatte in Monaten vielleicht schon wiederholen, und
+Sie selbst dann in die mißlichste Lage der Welt bringen können?«
+
+Der Ehrwürdige Mr. Rowe warf den Kopf stolz empor, und sagte mit
+vielleicht absichtlich sehr lauter Stimme:
+
+»Weder Ihre Ueberredung Herr Consul, noch Ihre _Drohungen_ können uns
+zu einem Schritt bewegen, den wir für unverträglich mit unserem Amte
+halten. Nicht die Politik, sondern die Religion dieses Landes brachte
+uns an diese Küste, und Frankreich hatte vielleicht einmal die Absicht
+den Protestantismus, da es ihm nicht durch die Lehre seiner Priester
+gelang, mit Feuer und Schwert auszurotten; aber die Zeit ist Gott sei
+Dank vorbei. Der Englische Consul ist, wie Sie wissen schon vor
+längerer Zeit nach Großbritannien gegangen, dort den Schutz unserer
+Confession, die Erhaltung unserer schwer erworbenen und verdienten
+Rechte zu sichern, und Sie sehen da draußen in See in jenem
+hellblinkenden Segel die Antwort unserer Nation. ~Monsieur Du Petit
+Thouars~ wird sich einen andern Wirkungskreis für seine Heldenthaten
+suchen müssen, denn nicht mehr blos mit wehrlosen Indianern und ihren
+friedlichen Lehrern und Fürsten hat er es von jetzt an hier zu thun.«
+
+Mörenhout biß sich auf die Lippen, blieb einen Augenblick, wie noch
+etwas überdenkend, stehen, und wollte dann, ohne weiteres Wort, die
+Treppe wieder niedersteigen, als der alte ehrwürdige Mr. Nelson seinen
+Arm ergriff und freundlich sagte:
+
+»Gehen Sie noch nicht, Consul Mörenhout; ein gutes Werk darf nicht so
+leicht aufgegeben werden, und ich halte die Absicht dafür, in der Sie
+hergekommen.«
+
+»Mr. Nelson spricht als ob dieses sogenannte »gute Werk« in unseren
+Händen läge,« sagte Mr. Rowe gereizt.
+
+»Und das ist wahr!« rief aber der alte Mann in edlem Eifer erglühend,
+und die Hand ausstreckend gegen die unten tobende Schaar. »Sündlich
+wäre es von uns behaupten zu wollen, daß wir die Macht _nicht_ haben
+das Volk zum Guten zu leiten und in den Schranken der Mäßigung zu
+halten; ebenso wie es, in der jetzt überdieß gereizten Stimmung, einem
+leichtsinnigen unglückseligen Schritt entgegen zu treiben. Wir als die
+Lehrer des Volkes _dürfen_ nicht entscheiden ob Englische ob
+Französische Flagge das Recht habe hier zu wehen -- unser Ziel ist,
+die Eingeborenen zu Christen, nicht zu Engländern oder Franzosen zu
+machen, und ihren Häuptlingen, von unseren Consuln aber nicht von
+unseren Kanzeln unterstützt, bleibt es dann überlassen, sich die
+Unabhängigkeit ihres Landes zu wahren.«
+
+»Es giebt Verhältnisse,« fiel ihm hier Bruder Rowe in's Wort, der den
+aufsteigenden Grimm nicht länger bemeistern konnte, »bei denen ein
+solches Zaudern in der guten Sache, das die Eingeborenen ihrem bösen
+Geschick und den Gräueln des Pabstthums überließe, _Verrath_ genannt
+werden könnte.«
+
+»Wir haben den fremden Priestern vorgeworfen« entgegnete Nelson ruhig,
+»daß sie uns geschimpft und unsere Religion geschmäht haben; machen
+wir es besser, wenn wir von Gräueln des Pabstthums reden? Ich bedauere
+das Eindringen jener fremden Lehre, die unsere Beichtkinder irre
+machen, und Zweifel bei ihnen erwecken muß, aber ich möchte sie nicht
+mit dem Schwert bekämpft, möchte das Schwert nicht in unserer eigenen
+Mitte geschliffen sehen.«
+
+»Daß Bruder Nelson die neue Lehre nicht mit dem Schwert bekämpft sehen
+möchte, hat er allerdings schon bewiesen,« sagte Mr. Rowe.
+
+»In dem was ich gethan, steh' ich vor meinem Gott gerechtfertigt,«
+erwiederte Nelson, ohne ein Zeichen von Bitterkeit, »der Menschen
+Urtheil muß ich mich unterwerfen.«
+
+»Wehe über Israel!« seufzte da der ehrwürdige Mr. Brower und
+schüttelte trauernd mit dem Kopf, »das ist die kalte Gluth, die fremde
+Herzen erwärmen will, und nicht einmal im Stande ist, das eigene Feuer
+hell und lohend anzufachen. Wehe über die Säumigen, die da zögern und
+die Stunden zählen zum Tag, und nicht wirken wollen so lang es noch
+Nacht ist; wehe über die Zaghaften am Tage des Gerichts, und wie
+Gottes Donner noch mahnend an der Erde Vesten rüttelt, wird er ihnen
+ein Zornesruf in den Ohren sein!«
+
+Mr. Mörenhout der das Gespräch, oder vielmehr den Streit der
+Geistlichen mit kaum zu zähmender Ungeduld bis jetzt angehört, und
+sich gewaltsam hatte zurückhalten müssen, seinem Unwillen nicht Luft
+zu machen, dabei aber noch immer hoffte eine vernünftigere Ueberlegung
+doch Raum gewinnen zu sehen, mußte nach den letzten Worten des
+fanatischen Priesters jeden solchen Glauben schwinden lassen, und nur
+noch einen letzten Versuch zu machen sagte er mit gezwungener Ruhe,
+der man aber das Gewaltsame wohl anmerken konnte:
+
+»Und so weigern Sie sich denn, meine Herren, den Frieden mit
+Frankreich aufrecht zu erhalten? -- weigern sich dem Volk das
+Gefährliche, ja das Wahnsinnige solcher Handlung vorzustellen?«
+
+»Weigern, Herr Consul,« unterbrach ihn Rowe entrüstet, »wir haben
+Nichts mit der Politik dieses Landes zu thun -- mit jedem derartigen
+Antrag muß ich Sie an die Königin selber weisen.«
+
+Mörenhout wollte noch etwas erwiedern -- er öffnete schon den Mund und
+that einen Schritt auf den Missionair zu, der sich dem gereizten Blick
+des Mannes mißtrauisch aber doch muthig entgegenstellte; dann aber,
+wie sich eines Besseren besinnend, drehte er sich scharf auf seinem
+Absatz herum, blieb einen Moment, den vorn ausdehnenden Platz mit den
+Blicken überfliegend stehen, winkte nach einer Stelle hinüber, wo Tati
+und Utami mit dem jetzt zu ihnen gekommenen Paofai standen, und
+schritt dann, während sich ihm die drei Häuptlinge anschlossen, rasch
+und heftig mit ihnen gesticulirend, am Strand hinauf.
+
+FOOTNOTES:
+
+[D] Die Engländer und Amerikaner nennen alle Arten von Fahrzeugen
+_weiblich_ und wie der Matrose behauptet aus einem allerdings nicht
+gerade schmeichelhaften Grund für das schöne Geschlecht: weil die
+Takelage, Segel etc. mehr koste als alles Uebrige.
+
+[E] Gumbo's, der Spottname der Franzosen in Louisiana, nach einem dort
+bereiteten Lieblingsgericht derselben.
+
+
+
+
+Capitel 5.
+
+#Die Königin Pomare.#
+
+
+Der Sturm hatte nachgelassen, aber noch schleuderte der West den
+Wellenschaum gegen das Leeufer[F] der Insel, und die schweren
+Palmenwipfel, die den Palast Aimatas, der vierten der Pomaren,
+umgaben, schwankten herüber und hinüber und schüttelten die schweren
+Tropfen aus der Fruchtgeschmückten Krone.
+
+_Der Palast der Pomaren_ -- ein Zauber lag sonst auf dem Heiligthum,
+das ein frohes gutmüthiges und deshalb auch leichtgläubiges Volk mit
+allem ausgeschmückt, was seine Phantasie nur Großes und Erhabenes zu
+erfinden vermochte.
+
+Was lag daran ob nur Bambusstäbe das leichte Dach von Pandanusblättern
+stützten, nur feingeflochtene Matten und selbstgewebte Tapa den
+inneren Raum zierten und verhingen -- was lag daran ob die Häuptlinge
+aus einfachen Calebassen ihren Brodfruchtpoe verzehrten und den Saft
+der Cocosnuß dazu tranken, sie waren die von Oro beschützten Fürsten,
+und der Grund schon heilig, den ihr Fuß betrat.
+
+Und jetzt? -- Der Verkehr mit den Europäern hatte die alten einfachen
+Sitten der Insulaner verdrängt -- die Missionaire, anstatt sich ihrem
+einfachen Leben anzupassen, lenkten die Gier dieser sonst so
+anspruchslosen bescheidenen Wesen auf die fremden Sachen die sie in
+Masse mitgebracht; der Schutz der Könige selber ward durch Geschenke
+-- tolles Zeug das nur bunt drein schaute und zu weiter Nichts diente
+als den Platz ungemüthlich, unheimlich zu machen auf dem es stand --
+zu erhalten gesucht, und wie sich die Fürsten mehr den Fremden
+hingaben, deren eigenthümliche Geschenke sie gewannen, wie sie von
+ihrer Höhe niederstiegen und ihre Götter selbst zuletzt gegen
+Glasperlen und andere bunte Sachen eintauschten, einen anderen _Gott_
+anzuerkennen, den ihnen jene schwarzen finsteren Männer brachten, da
+war die königliche Macht dahin, wenn auch der äußerliche Prunk noch
+blieb, ja für den Augenblick, wie das letzte Aufflackern einer Lampe,
+vielleicht noch auf kurze Zeit erhöht und verstärkt wurde.
+
+Was die Königliche Majestät auf den Sandwichs Inseln, wo
+Republikanische Missionaire zuerst Gottes Wort hinüberbrachten, erhob,
+daß nämlich die Glieder der Königlichen Familie, besonders die
+Frauen[G] der Christlichen Religion anhingen, und sie mit dieser Macht
+auch das Volk dahin brachten sich zuletzt, wenigstens äußerlich, dem
+neuen Cultus zu unterwerfen, das hatte auf den Gesellschaftsinseln, wo
+die Priester einer Monarchie zuerst mit dem Kreuz und der Bibel
+landeten, die entgegengesetzte Wirkung in dem starren Trotz den die
+Pomaren, in ihren Herzen wenigstens, von je der Christlichen Religion
+entgegensetzten, bis in späteren Jahren, und auch eigentlich erst
+durch Krankheit geknickt und in der Hoffnung mit Hülfe der Weißen die
+Zügel seiner Regierung wieder fester in die Hand nehmen zu können, der
+zweite Pomare zur christlichen Religion übertrat, sonst aber seine
+Sitten, und sehr wahrscheinlich auch im Inneren seinen alten Glauben,
+ziemlich beibehielt.
+
+Die Fürsten, die man bis dahin für übernatürliche Wesen gehalten,
+wurden _Menschen_, die Götter, die bis dahin die Schicksale der Völker
+regiert und die Hand gehalten hatten über Land und See, wurden zu
+Stücken Cocosholz, -- der Glaube, die Furcht, ja das Schlimmste von
+Allem, die _Liebe_ des Volkes war ein Wahn, ein schöner Traum gewesen,
+und daß eben das Volk dann zu Extremen übersprang, läßt sich denken.
+
+Das schlichte Bambushaus, zu dem der Tahitier sonst als dem
+Herrschersitz seiner Könige mit scheuer Ehrfurcht aber auch mit Liebe
+aufgeblickt, war verschwunden, und an dessen Statt stand ein
+Europäisches Gebäude mit Schindeln gedeckt, mit Verandah und Treppe,
+mit Thüren und Glasfenstern da, die Wände dicht und der kühlen
+Seebrise undurchdringlich, das Dach fremd und unnatürlich in die
+schlanken Palmen hineinstarrend -- das Innere dabei wild und
+geschmacklos mit bunt und toll durch einander geworfenen Geschenken
+verschiedener Schiffe und Länder ausgeschmückt oder eher verstellt,
+mit Porcellan und Glas, mit Bronze und Messing, versilberten
+Leuchtern, vergoldetem Schmuck, mit Servicen und Geschirren, so
+geschmacklos als verwirrt geordnet oder besser gesagt aus dem Weg
+gestellt.
+
+Die natürliche Majestät des Ganzen war gewichen und eine gezwungen
+gekünstelte jetzt nicht mehr im Stande selbst in den Augen des
+Eingeborenen zu imponiren. Die Ehrfurcht deshalb, die er dem
+schlichten Bambus und der einfachen Tapa gezollt, und die sich selbst
+auf die Pandanus-Matte erstreckte die der Fuß berührte, weigerte er
+dem kostbaren Teppich und all jenen tausend und tausend
+»Kostbarkeiten,« die er staunend anstarrte, an denen er aber kalt, ja
+nicht selten mit einem Lächeln auf den Lippen, vorüberging. Er kannte
+die Quelle aus der es floß, Pomare ging nicht mehr mit Oro Hand in
+Hand und vor dem _neuen Gott_, wie ihnen die fremden Lehrer oft und
+oft gesagt, _waren ja alle Menschen gleich_ -- das Bischen Staat dabei
+hatten die Fremden mitgebracht, als Geschenke festen Fuß auf den
+Inseln zu fassen, es war Nichts darunter, vor dem man hätte Ehrfurcht
+haben können.
+
+Und rücksichtslos wie der Menschen Hand an dem Hermelin der Majestät
+gerissen, und nach der Krone schon die Faust ausgestreckt, die Aimatas
+Stirn umzog, so hatte der Sturm in seiner tobenden Lust auch seinen
+Muth an dem geweihten Platz gekühlt und hineingegriffen in das
+Heiligthum.
+
+Wo eine Anzahl dichter herrlicher Palmen auf etwas offener Stelle
+wachsend, früher das Bambushaus der Königin überschattet, und einander
+dabei zugleich Schutz und Schirm bieten konnten gegen die tollen
+Windgeister, die zu Zeiten über die Berge rasten, da hatten die
+meisten dieser stattlichen Bäume, dem größeren Gebäude Raum zu geben,
+weggeschlagen werden müssen, und die einzelnen, zurückgebliebenen,
+waren nicht mehr im Stande dem wilden West zu trotzen, wenn er den
+rasenden Ansprung nahm gegen sie, die wehenden Blätter ihrer Krone
+faßte und die Wipfel niederbog, scharf und gewaltig, bis fast zum
+Boden hin. Hei wie sie da oft zurückschnellten, in Grimm und Unmuth,
+dem tobenden Sturm gerad' in die Zähne, und die wehende Krone
+schüttelnd in zornigem Trotz; vergebens -- wieder und wieder sauste
+die Windsbraut heran, faßte die mächtigen Bäume und drückte sie in
+ihrem tollen Spiel zur Erde nieder bis sie die herrlichste geknickt
+und mit schwerem Fall zu Boden geschmettert, weit und zerstörend
+hinein in Banane und Brodfruchtgarten. Und dann, wie ein unartig Kind,
+das sein Spielzeug zerbrochen und bei dem Fall schon die Strafe
+fürchtet, brauste der Sturm und tobte dahin, über die mächtigen
+Waldeswipfel, daß sein Rauschen und Donnern weit hinein drang in
+Berges Schlucht und Hang; aber am Boden lag die Palme zerknickt und
+todt, der starre aufgespaltene Stamm kahl und vorwurfsvoll zum Himmel
+deutend, und der Wipfel selbst ein traurig Bild zertrümmerter,
+königlicher Kraft -- so viel sprechender hier, an der Schwelle der
+Pomaren.
+
+Und wie der Sturm schwieg, wogte und drängte draußen das Volk in
+wilderem unaufhaltsamerem Schwarm, zum ersten Mal wieder eine Macht
+fühlend, die ihm bis jetzt genommen, zum ersten Mal wieder von denen
+aufgefordert _selbstständig_ zu handeln, die bis jetzt mit ängstlicher
+Sorgfalt jeden ihrer Schritte überwacht, und die Bibel drohend
+entgegengehalten jedem freieren, kraftbewußten Wort.
+
+Das Volk _sprach_, und der Palast lag _verödet_; die Thüren standen
+offen, oder schlugen im Zug hin und wieder, die im Inneren
+angebrachten Europäischen Vorhänge und Gardinen flatterten und wehten
+unordentlich aus, und die ~Eïnanas~ Pomares, die dienstthuenden
+Hoffräulein der Fürstin selber hatten sich in Furcht und Neugierde
+theils mit hinaus an den Strand gedrängt, das fremde Schiff und das
+erregte Volk zu sehen, theils standen sie mit flatternden Locken und
+Gewändern über die Verandah zerstreut, ihrer Pflichten nicht weiter
+achtend, sich ihre Hoffnungen und Befürchtungen mitzutheilen.
+
+Pomare war in ihrem Gemach allein und die Königin stand, an ein
+Fenster gelehnt, die linke Hand auf eine geöffnete Bibel, die neben
+ihr auf einem kleinen Tischchen lag, die Stirn sinnend in die rechte
+Hand gestützt, regungslos und schaute in tiefem Brüten hinaus über die
+zerschüttelten Baumwipfel, die ihre Zweige noch nicht wieder
+zurechtgefunden aus dem kaum vorübergebrausten Sturm, und wie
+ängstlich die weiten grünen Arme ineinander rankten, einem noch immer
+mißtrauisch befürchteten neuen Anprall zu begegnen.
+
+Es war eine schlanke edle Gestalt, mit nicht gerade schönen aber doch
+wohlthuenden Zügen, und besonders feurigem lebendigem Auge, dessen
+Brauen sich nur jetzt, in Sinnen und Unmuth vielleicht, fester und
+härter zusammengezogen wie es sich sonst mit den voll und freundlich
+geschnittenen Lippen vertrug. Sie ging ganz in die Landestracht
+gekleidet, nur daß kostbarere Stoffe ihre Gestalt umschlossen, -- der
+~pareu~ war von feinem gelb und roth gestreiften und mit kleinen
+Silberblumen durchzogenem Gewebe, und der obere, erst nach der
+Bekanntschaft mit den Europäern angenommene weite und vorn bis zum
+Gürtel offene Rock, der nur am Handgelenk durch zwei Perlmutterknöpfe
+zusammengehalten wurde, war von schwerer blaßrother Seide, um die
+Hüften durch eine goldene emaillirte Spange zusammengehalten. Die
+Haare trug sie in natürlichen Locken, durch die aber, vielleicht ein
+wenig kokett auf die Krone anspielend, ein schmaler goldener Reif
+gezogen war, vortrefflich gegen die rabenschwarze Fülle der Locken
+abstechend, die ihre Stirn umspielten. An den Fingern blitzten zwei
+etwas starke, goldene Ringe, der den Eingeborenen überhaupt liebste
+und ehrenvollste Schmuck; ihre Füße aber waren nackt.
+
+Viele Minuten lang blieb sie in der beschriebenen Stellung, starr und
+regungslos und nur manchmal war es, als ob sie ungeduldig hinaushorche
+nach dem dumpf selbst bis zu ihr herüberwogenden Lärm, indeß die
+Finger der linken Hand bewußtlos in dem heiligen Buche blätterten.
+
+»Sie kommen, Pomare, sie kommen,« rief da plötzlich Eines der Mädchen,
+den Kopf eben nur zur Thür hereinsteckend und dann wieder, gerad so
+rasch verschwindend.
+
+»~Aramai~, ~Eina~!« rief aber die Königin, sich zornig nach der Thür
+herumdrehend, in der jetzt, etwas beschämt, das junge schöne Mädchen
+wieder erschien und schüchtern stehen blieb -- »ist das jetzt Sitte
+hier bei mir geworden, daß Ihr draußen herumlauft, Ihr Tollen, und
+eben zu mir hereinstürmt und mir Euere Botschaft unter das Dach ruft,
+als ob ich herübergeweht wäre von den Inseln zu windwärts? -- wer
+kommt? ~waihine~ und wo sind Deine Gefährtinnen?«
+
+»Tati, der Häuptling, Pomare, mit dem weißen bösen Ferani,« sagte das
+Mädchen etwas ängstlich -- »und noch viele viele andere Tanatas.«
+
+»Und die Eïnanas?«
+
+»Stehen draußen und sehen hinaus.«
+
+»Was will Tati von _mir_?« frug die Königin finster, mehr mit sich
+selbst redend als zu dem Mädchen gewandt.
+
+»Böse Ferani ist bei Mitonares gewesen,« sagte da das Mädchen leise
+und schnell -- »hat sich gezankt mit Mitonares und kommt jetzt zornig
+und bös zu Pomare.«
+
+Ein verächtliches Lächeln zuckte um Pomares Lippen, daß die Eïnana den
+Ferani fürchtete, aber die Botschaft selber beunruhigte sie doch. Der
+Französische Consul verkehrte nie mit den Protestantischen
+Geistlichen, die ihn, wie er recht gut wußte, haßten und verabscheuten
+-- was hatte er dort zu thun, wenn nicht jene etwas gegen ihn, gegen
+seine Nation unternommen, und warum wußte _sie_ noch Nichts davon?
+
+»Die Mitonares haben das Englische Schiff gesehen und glauben sich nun
+Herren dieses Landes,« murmelte sie leise vor sich hin -- »aber noch
+nicht -- noch nicht -- und das Alles sagt die Bibel, Alles, Alles was
+sie wollen.«
+
+Lautes Sprechen auf der Verandah drang von dort herein, und die
+Eïnanas, die bis jetzt draußen herum gestanden, schlichen leise in's
+Zimmer, während Eine von ihnen die Ankunft des »Ferani ~Me-re-hu~« mit
+Tati dem Häuptling meldete. Noch ehe aber Pomare nur die Erlaubniß
+seiner Einführung geben konnte, wurde die Thür wieder, mehr
+aufgerissen als geöffnet, und der Consul betrat rasch von Tati langsam
+und wie scheu gefolgt, das Gemach.
+
+»Habt Ihr die Sitte verlernt, Consul Me-re-hu!« rief ihm aber Pomare
+gereizt entgegen, noch ehe er den Mund öffnen konnte zu seiner
+Vertheidigung, »daß Ihr zu einer Frau -- daß Ihr zu Pomaren in das
+Haus dringt, als ob Ihr daheim wäret in Eurer eigenen Hütte? -- noch
+haben Euere Kriegsschiffe meinen armen Thron nicht umgeworfen, und
+Euere Soldaten mein Volk erschlagen, oder Euere Priester es bethört --
+geht fort von hier, Ihr seid ein unruhiger böser Mann -- und was will
+Tati von seiner Königin, daß er mit dem Fremden über ihre Schwelle
+bricht, wie ein Dieb bei Nacht?«
+
+»Nicht meinetwegen komme ich, kommt Tati hier zu Dir, Pomare!«
+unterbrach sie hier Mörenhout, ohne Tati Zeit zu geben, sich selber zu
+vertheidigen -- »Deinet-, Deines Reiches wegen sind wir hier, das
+Deine tollen Priester im Begriff sind zu verderben.«
+
+»Consul Me-re-hu!« rief Pomare entrüstet.
+
+»Ja Pomare!« fuhr aber der Franzose in zornigem Eifer fort, »und
+wiederholen muß ich's Dir, daß Deine Priester in diesem Augenblick
+selbst daran arbeiten den Bruch unheilbar zu machen, den sie zwischen
+diesem Land und Frankreich reißen. Auf die Bibel gestützt, der sie in
+blindem Eifer, nicht rechts nicht links sehend, anhängen, predigen und
+schreien sie daß sie dieser folgen, während es im Grund nur ihre
+eigene starrköpfige Meinung ist, der sie das Banner vorantragen.
+Gottes Zorn wollen sie dabei in ihrer Macht haben, während in ihrem
+eigenen Lager Unfriede, Streit und Feindschaft, Neid und Habsucht
+herrschen.«
+
+»Und seid Ihr nur hier hergekommen meine Prediger und Gottes Wort zu
+lästern, Consul?« frug die Königin kalt.
+
+»Hierher gekommen Dich zu _bitten_ ihren Uebermuth zu steuern!« rief
+Mörenhout, »Dich zu _warnen_ ihrem Einfluß, der der Französischen
+Nation ein durchaus feindlicher ist, gerade jetzt, wo sie in
+kurzsichtigem Triumph den Sieg in Händen zu haben glauben, nicht zu
+viel Raum zu geben.«
+
+»Warnen,« wiederholte Pomare verächtlich, und drehte dem Consul halb
+den Rücken -- »und was sagt Tati? hat der erste Häuptling Tahitis dem
+Fremden das Wort überlassen?« fuhr sie aber rascher fort als sie
+diesen mit verschränkten Armen und finsterem Blick still zur Seite
+stehen sah.
+
+»So lang er das rechte spricht, warum nicht?« sagte der Häuptling
+ernst -- »es ist dasselbe um das ich Pomare bitten wollte -- er hat es
+Dir kund gethan.«
+
+»Und was _wollt_ Ihr von mir?« rief die Königin, jetzt wirklich
+beunruhigt durch das ernste Aussehen der Männer, »was ist geschehen,
+was haben die Mi-to-na-res gethan?«
+
+»Die Mi-to-na-res thun nie etwas,« sagte der Consul, aber jetzt weit
+ruhiger als vorher, »sie stecken sich nur hinter die Masse, reizen mit
+ihren Reden das Volk auf, und sind dann unschuldig wie die Kinder,
+wenn der Saame aufgeht, den sie erst selbst gepflanzt.«
+
+Die Königin machte eine ungeduldige Bewegung und Tati, der wohl sah
+daß der Consul, in seinem Zorn über die Missionaire gar nicht zum
+Hauptpunkt kam, fiel da ein:
+
+»Sie sind unklug genug das Volk dazu zu treiben, daß es die
+Französische Flagge niederreißt.«
+
+»Und welches Recht hat sie, hier zu wehen?« frug Pomare rasch.
+
+»Dem mit Dir selbst geschlossenen Vertrage nach!« rief der Consul.
+
+Tati biß sich auf die Lippen und entgegnete nur trocken:
+
+»Das Recht des Stärkeren, ich weiß von keinem anderen.«
+
+»Von keinem anderen?« frug der Consul erstaunt, und drehte sich rasch
+nach dem Häuptling um -- »habt Ihr nicht selber mit den Vertrag
+unterschrieben, der ihm es sichert?«
+
+»Eben weil Ihr die Stärkeren seid habt Ihr das Recht,« sagte der
+Häuptling finster, »denn der Vertrag war in anderem Sinne, als Ihr ihn
+auszubeuten wünscht, und wäret Ihr ein kleines Reich wie wir, würde
+die Frage gar nicht sein um ja und nein, die Kriegskeule möchte dann
+entscheiden welches Landes Flagge in der Brise flattern dürfte. So
+aber, und weil mir ahnt _was_ Ihr begehrt, nicht etwa weil ich ein
+Freund des Königs der Feranis bin, komme ich hierher und verlange von
+Dir, Pomare, das Volk zurückzuhalten, daß es nicht muthwillig wieder
+fremden Schiffen die willkommene Gelegenheit bietet die Hand nach
+diesem Reiche auszustrecken. Die Priester tanzen um ihr Heiligthum und
+sehen in die Flamme -- bis sie eben nichts weiter sehen und für alles
+Andere, was außer ihnen vorgeht, blind sind; was kümmert sie Pomare
+oder Tahiti, wenn sie Leute finden die in ihrem großen Buch lesen und
+ihnen Früchte und Cocosöl bringen. Kaufleute von dem Lande der Feranis
+sind gekommen und sie haben Nichts gesagt -- Priester kommen jetzt von
+dort, und sie schreien daß Gott das Land mit Feuer und Schwefel
+ausrotten würde; warum? weil die anderen Priester auch Ferkel haben
+wollen zum Backen, und Brodfrucht zum Rösten -- weil sie auch _Worte_
+eintauschen wollen gegen Körbe voll Früchte und Hühner und Schweine.«
+
+»Aber wie kann ich's hindern?« sagte Pomare unschlüssig -- »Ihr wilden
+Männer selber habt mich in ihre Hände gegeben, mit Euerem Zorn und
+Ehrgeiz, und ich _will_ mich dem Ferani nicht beugen.«
+
+»Und wer sagt daß Du es sollst?« rief Tati schnell -- »aber eben so
+wenig der Flagge der Beretanier.«
+
+»Die frommen Männer künden das Wort Gottes, nicht Beretaniens,«
+entgegnete Pomare.
+
+»Ei beim Donner, laß sie das denen sagen die es glauben!« trotzte der
+Häuptling -- »ihr eigener Bauch ist ihr Gott, und die Bibel halten sie
+vor, ihn zu verstecken. Waren die Häuptlinge in alten Zeiten den
+Göttern oder den Priestern unterthan? und wäre der neue Gott so wenig
+mächtig, daß wir vor seinen Dienern nur allein die Furcht und
+Ehrfurcht haben sollten?«
+
+Die Königin wollte reden, aber das Wort gebrach ihr in dem Augenblick,
+dem zu erwiedern, und der Häuptling fuhr mit ruhiger, ja fast bewegter
+Stimme fort:
+
+»Ich weiß daß sie alle Deine guten Eigenschaften, aber auch all Deine
+Schwächen in das Feld gerufen haben, ihnen zu dienen; Dein gutes Herz
+gewann Dich ihrem Gott, Dein Stolz, das Erbtheil Deines Stammes
+unterstützte sie in dem Kampf mit Deinen Feinden. -- Sieh mich nicht
+so an, Pomare, ich gehörte nie dazu, und wenn auch das Blut meiner
+Väter, der alten und rechtmäßigen Fürsten dieser Inseln in meinen
+Adern rollt, und mich Deinem _Stamm_ gegenüberstellte, hab ich Dich
+selber stets geachtet und -- verehrt; aber weh, tief im Herzen weh thut
+es mir den Häuptlingsstab aus unserer Faust gerissen zu sehen, nicht
+eine andere würdige Hand zu schmücken, sondern einer Schaar Fremder
+zum Stock zu dienen, mit dem sie ihre Heerde zusammentreiben. Mit Zorn
+und Schmerz füllt mich der Gedanke jene finsteren Priester in unserem
+schönen Lande herrschen zu sehen, weil wir selber nicht einmal den
+Muth hatten, uns nur einander die Hand zu reichen.«
+
+»Aber ihre Religion ist die des Friedens,« sagte Pomare.
+
+»Und ihre Worte, ihre Lehre die des Kriegs!« rief der Häuptling mit
+wieder zusammengezogenen Brauen -- »was auch stehen sie zwischen uns,
+wer gab ihnen das Recht zu entscheiden und zu richten in diesem Land?
+-- die Bibel? -- wir haben sie jetzt selber, nicht _ihr_ Verdienst ist
+es _daß_ sie hier hergekommen, wenn sie selber überhaupt Wahrheit ist,
+denn die Priester beweisen aus ihr, daß sie Gott selbst gesandt. So
+nimm die Zügel wieder in die Hand, Pomare, wähle die, so es gut und
+redlich mit dem Lande meinen, die aber auch an dieser Küste geboren
+sind, zu seinen Richtern, und hier mein Wort, meine Hand, daß Tati nie
+ein Korn von Eifersucht mehr in seinem Herzen nähren und Dir treu und
+ehrlich zur Seite stehen wird mit besten Kräften.«
+
+»Sag es ihm zu, Pomare, er meint es gut mit Dir,« bestätigte hier der
+Franzose des Häuptlings Worte, die Königin aber, die schon halb
+unschlüssig gestanden, und den Blick, wie im inneren Kampf an den
+Boden geheftet hielt, sah plötzlich zu dem Fremden auf und sagte
+finster:
+
+»Dein Rath, Me-re-hu, hat noch nie diesem Lande gut gethan; Du
+sprichst nicht mit Tati, indem Du für ihn sprichst.«
+
+»Ich verstehe Euere Wortspiele nicht,« sagte der Consul unwillig, den
+die Zurückweisung der Indianerin verdrossen -- »aber ich weiß daß es
+Tati gut mit Dir meint, und daß ich selber in diesem Augenblick
+weniger im Interesse Frankreichs als dem Deinigen spreche -- willst Du
+Nichts wissen davon, so thue meinetwegen was Du nicht lassen kannst,
+schreib Dir dann aber auch selber die Folgen zu.«
+
+»Ich habe bei dem was ich je beschloß noch nie die Folgen gefürchtet,«
+sagte Pomare ruhig -- »aber was wollt Ihr daß ich thue, was ich
+verhindern soll? -- Ihr sprecht Beide wild auf mich ein und macht mich
+irre, anstatt mich aufzuklären.«
+
+»Verhindern sollst Du,« rief der Consul da, »daß Deine Leute, in
+Deinem Namen die Flagge Frankreichs niederreißen und die Deinige dafür
+wehen lassen.«
+
+»Und wessen Flagge hat das meiste Recht dazu?« frug Pomare, dem
+Französischen Consul fest in's Auge sehend.
+
+»Das meiste Recht die Deine, allerdings,« fiel aber hier Tati ein, ehe
+Mörenhout etwas darauf erwiedern konnte, »aber nicht die meiste
+Gewalt, Pomare, und nicht muthwillig sollst Du Dir einen Feind
+schaffen, wo Du Dir keinen Freund dafür gewinnst, Dir beizustehen.«
+
+»Habt Ihr das Englische Schiff gesehen?« frug Pomare rasch und mit
+triumphirendem Lächeln -- »habt Ihr gesehen, wie es hier einlaufen
+wollte und nur durch den Westwind und die Brandung daran verhindert
+wurde? -- wißt Ihr was es bringt?«
+
+»Nein, so wenig wie die Mitonares,« sagte Tati unwirsch, »die
+Schwarzröcke behaupten freilich es brächte mit seinen Kanonen Frieden
+für diese Inseln, aber ihre Köpfe reichen auch nicht höher als die
+unseren, und sie können nicht sehen was im Bauch des Schiffes liegt,
+ob Frieden, ob Krieg, oder wahrscheinlicher noch volle
+Gleichgültigkeit wie wir es treiben hier auf den Inseln. Was wissen
+die Capitaine solcher Schiffe von der Politik unseres oder ihres
+Landes, wenn sie nicht ganz besonders abgeschickt werden? so wenig wie
+unsere Fischercanoes wissen, was Pomare denkt oder thut.«
+
+»Aber wenn die Mitonares nun doch recht hätten?« sagte Pomare, mit
+einem halb triumphirenden Seitenblick auf den Französischen Consul.
+
+»Du zögerst hier mit solchen Vermuthungen,« rief aber dieser jetzt
+ungeduldig, »bis draußen _geschehen_ ist, was wir hier verhindern
+wollen; hörst Du den Lärm, das Toben Deiner frommen christlichen
+Unterthanen? -- wenn die französischen Kugeln hier herüberschmettern,
+wirst Du zu spät bereuen unsere Bitten nicht erhört zu haben.«
+
+»Nennt Ihr das bitten, wenn Ihr mit Kanonen droht?« rief unwillig
+Pomare.
+
+»Und weisest Du uns ab?« frug Tati leise.
+
+»Nein Tati, nein,« sagte Pomare schnell, sich zu ihm wendend und seine
+Hand ergreifend, »gehe Du nicht fort im Unmuth von hier, denn ich
+fühle wie schwer es _Dir_ geworden zu mir zu kommen. Ach wenn wir
+selber unter einander einig wären, wenn nicht Neid, Haß und Eifersucht
+uns entzweite, wir könnten ein festes Reich bilden, selbst gegen den
+stärksten Feind. Unsere Berge sind hoch, unsere Schluchten steil, und
+daß unsere jungen Leute kämpfen können haben sie in früheren
+Schlachten bewiesen; aber wie die Religion unsere Familien entzweite,
+und den Bruder gegen den Bruder in den Kampf rief, so hat ein
+Mißverständniß jetzt vielleicht auch die Stämme selber einander
+entfremdet, und Pomare wird nimmer die Hand zurückstoßen, die sich ihr
+_freundlich_ entgegenstreckt -- nur der Drohung kann ich nicht
+weichen, vielleicht _weil_ ich eine Frau bin, und mache Du mir denn
+Vorschläge, wie wir am Besten einig und friedlich zusammen stehen,
+ohne aber auch dem Ferani einen Rang zu gönnen der ihm nicht gebührt,
+den ich nicht von ihm gefordert habe -- unser _Beschützer_ zu sein.«
+
+»Der da oben im Himmel wohnt, wie auch sein Name sein mag,« sagte Tati
+ernst, »weiß daß ich dem Ferani nicht seiner selbst wegen die Hand
+geboten, die stolzen Mitonares trieben mich dazu; aber willst Du mit
+Deinem Volk Hand in Hand gehen, so laß jetzt kein eigenmächtig tolles
+Handeln den Fremden beleidigen, bis wir uns friedlich mit ihm
+verstanden. Was unsere Eifersucht hier gefehlt, kann jetzt noch die
+Eifersucht der beiden fremden Nationen, der Beretanis und Feranis,
+wieder ausgleichen, wir haben beider Gierde gleich zu fürchten.«
+
+»Die Beretanis haben uns noch nie gedroht,« sagte Pomare.
+
+»Ich will nicht urtheilen über sie -- ich kenne sie nicht,« sagte der
+Häuptling finster, »aber je mächtiger sie sind, desto mehr entfernt
+haben wir uns von ihnen zu halten -- der Hai theilt keine Beute mit
+dem Delphin.«
+
+»Ich habe nicht befohlen der Fremden Flagge niederzureißen,« sagte
+Pomare nach kurzem Sinnen -- »sprich mit den Mitonares, Tati, sie
+werden es nicht dulden.«
+
+»Die Mitonares,« sagte der Häuptling höhnisch, »und zu ihnen schickst
+Du mich, Dein Reich zu regieren, vielleicht bei ihnen anzufragen, was
+sie für gut finden zu thun, ob Pomare herrschen soll oder ein Priester
+auf Tahiti? eher möge die Zunge hier verdorren.«
+
+Wilder tobender Lärm und lautes Jauchzen scholl in diesem Augenblick
+zu ihnen herein, und ein Läufer der Königin, der oben über Papetee
+postirt gewesen, den Lauf des fremden Schiffes zu bewachen, kam,
+unterwegs schon die frohe Nachricht verbreitend, jetzt zurück, Pomaren
+zu melden daß das fremde Kriegsschiff, von den Riffen frei, gewendet
+habe, und nun Segel setze den Hafen, so wie der Westwind nachlasse, zu
+erreichen. Zugleich aber wurden auch draußen Stimmen laut und der
+ehrwürdige Mr. Rowe, von dem Bruder Brower gefolgt, öffnete, ohne
+vorher eine Meldung für nöthig zu halten, rasch die Thür, auf deren
+Schwelle er jedoch überrascht stehen blieb als er die beiden, seinen
+Interessen so feindlichen Männer hier erblickte.
+
+»Pomare mag der freudigen Botschaft verzeihen,« sagte rasch gefaßt und
+mit einem freundlich demüthigen Ausdruck in den Zügen, trotzdem aber
+auch mit einem rasch vorübergehenden, aber doch scharfen und etwas
+boshaften Seitenblick auf den Consul Frankreichs, der ehrwürdige Mr.
+Rowe, indem er nach den vorn hinausführenden und jetzt verhangenen
+Fenstern zeigte, »da draußen wogt und drängt ein fröhliches,
+glückliches Volk, ein Volk dem heute sein bedrängter Glaube
+wiedergegeben.«
+
+»Was giebts, was ist es?« frug die Königin schnell.
+
+»Einzelne wollen auf dem Englischen Kriegsschiff das wieder gewendet
+hat und hier her zu steht,« fiel Bruder Brower in die Rede, »neben der
+Englischen die Tahitische Flagge erkannt haben.«
+
+Der Königin Augen glänzten in befriedigter Eitelkeit, und ihr Blick
+flog rasch von Tati auf den Consul Frankreichs hinüber, der aber nur
+den Missionair scharf beobachtete und aus dessen Zügen die Wahrheit
+oder versteckte List herauszulesen suchte -- es war ihm
+unwahrscheinlich daß ein Englisches Kriegsschiff, noch Meilen weit vom
+Hafen entfernt, die Landesflagge eines so kleinen Inselstaates neben
+der eigenen Flagge hissen sollte, -- und was dann war der Zweck einer
+solchen _Erfindung_?
+
+»_Einzelne_?« wiederholte er fragend, das Wort scharf betont, »und
+darüber erheben die Kanakas draußen einen solchen Lärm, daß _Einzelne_
+irgend ein Privatsignal des Kriegsschiffes für die Tahitische Flagge
+genommen haben?«
+
+»Das Volk begrüßt den Freund und Beschützer seines Glaubens,«
+erwiederte der Geistliche, halb abgewendet von dem Consul, dem
+eigentlich die Erwiederung galt -- »es weiß sich jetzt frei von jeder
+Angst und Besorgniß, und hat keinen Feind weiter zu fürchten.«
+
+»Gott schütze es vor seinen _Freunden_!« sagte Mörenhout finster.
+
+»Wir können gehen, Me-re-hu!« sagte Tati, der indessen an die
+verhangenen Fenster getreten war, und den Vorhang zurückgeschoben
+hatte, während er nach außen deutete, »da seht.«
+
+Alle wandten sich dorthin, wo am Strand ein bunter Zug von Männern und
+Mädchen, hie und da mit englischen Matrosen gemischt, niederwogte,
+voran dem Zuge aber sprang ein halbnackter Bursche, jubelnd und
+jauchzend die zerrissene Französische Flagge tragend, die er um den
+Kopf schwenkte und mit wilden Gesticulationen, denen das
+Beifallsgetobe der Menge nicht fehlte, eine ihrer gewöhnlichen Hymnen,
+die natürlich zu Volksmelodieen geworden waren, sang, und sich nur
+dazu seine eigenen Worte extemporirte.
+
+»Ich glaube fast daß die Leute Herrn Mörenhout suchen,« sagte der
+ehrwürdige Bruder Rowe mit einem nichts weniger als ehrwürdigen
+Lächeln, »ihm die Reste seines Reiches zuzustellen.«
+
+»Alles Blut das dieser Handlung folgt komme über Sie und Ihre
+Genossen!« rief aber der Consul mit zornblitzenden Augen, und verließ
+rasch das Gemach.
+
+Tati zögerte noch, er sah nach der Königin hinüber, aber Pomare hielt,
+in Schaam und Unmuth, den Blick an den Boden geheftet, und sah nicht
+zu ihm auf: da seufzte der Häuptling tief tief auf, und verließ, ohne
+den Priester auch nur eines Blickes zu würdigen, langsam das Haus. Der
+Prediger aber faltete die Hände, und die Augen zur Decke erhebend
+begann er, ohne die Gegenwart Pomares weiter zu beachten, mit lauter
+und brünstiger Stimme ein Dankgebet, des Inhalts, daß Gott die
+Götzenbilder nun zerstöret hätte mit mächtiger Hand, den Feind
+ausgetrieben, der seinen Namen verleugnet, und Hülfe gesandt habe
+seinem Volke in der Noth, es zu erlösen von der Gefahr und frei und
+glücklich zu machen in Seinem Glauben.
+
+Pomare unterbrach ihn mit keiner Sylbe, und während sich die mit den
+Missionairen hereingekommenen Eïnanas leise und geräuschlos der Thür
+zuschoben und durch dieselbe verschwanden, den lärmenden Zug draußen
+mit anzusehen, der ihnen interessanter war, als das Gebet des
+finsteren Mannes, stand Pomare still und regungslos und nur ihr Blick
+hob sich endlich langsam und scheu zu dem Antlitz des fanatischen
+trotzigen Priesters, der hier Demuth gegen Gott heuchelte, dessen
+eigene Gebote der Liebe und des Friedens er eben mit Füßen getreten.
+
+»Wer gab den Befehl, die fremde Flagge niederzureißen?« sagte sie
+endlich mit leiser, vor innerer Bewegung zitternder Stimme, als der
+Betende schwieg und die Blicke nur noch wie in Verzückung an der Decke
+haften ließ.
+
+»Der Herr,« antwortete der Geistliche mit vertrauungsvoller Stimme,
+ohne den Blick zu der Fragenden niederzusenken -- »Deine Feinde sind
+geworfen, Pomare, denn der Herr ist mit Dir!«
+
+Pomare biß sich auf die Lippen, sie rang mit sich dem Priester
+gegenüber als Königin aufzutreten, den Fremden fühlen zu lassen daß er
+mit der Fürstin dieses Landes spräche, in deren Zimmer er sich
+gedrängt und deren Reich er nicht der Bibel, nein sich selber und
+seinen Genossen unterworfen hatte; aber die alte Scheu vor dem
+Uebernatürlichen, als dessen Vertreter sie die finsteren Fremden sah,
+war auch selbst jetzt zu stark, und sich abwendend sagte sie nur mit
+zitternder, tief erregter Stimme:
+
+»Gott gebe es; aber ich fürchte Ihr habt nicht gut gethan. Mein Volk
+ist entzweit, mein Reich bedroht, und was bin ich selber schon, wenn
+erst fremde Kriegsschiffe sich um die Oberherrschaft dieser Insel
+streiten? -- Nein, nein,« rief sie rasch, als der Geistliche schon die
+Hand zu neuer Rede hob, »sprich mir nicht jetzt wieder all Deine schon
+so oft gehörten Klagen und Drohungen -- sage mir jetzt nicht die
+Verse Deines Buchs, das Du bis auf den letzten Buchstaben auswendig
+kannst; ich begreife Dich doch nicht und mein Herz ist jetzt recht
+voll und schwer -- ich fürchte mir ist heute ein großes Leid
+geschehen, und hättest Du mich mit Tati versöhnen lassen, es wäre
+besser für Tahiti gewesen. Geh jetzt, da draußen seh' ich Deine Brüder
+-- ich glaube sie wollen zu mir, aber ich will sie jetzt nicht
+sprechen, die Zeit muß entscheiden ob Ihr bös gethan habt oder übel,
+aber mir ist recht traurig zu Sinn. -- Geh' jetzt, sag' ich,« rief sie
+entschiedener, als der geistliche Herr sich noch immer nicht abweisen
+lassen wollte, und ihr Fuß stampfte zornig den Boden -- das Blut der
+Pomaren gewann die Oberhand.
+
+»So möge Dich der Herr erleuchten,« sagte der fromme Mann, »möge Dir
+seinen Frieden geben und Seine Sanftmuth und Dich erkennen lassen was
+er an Dir gethan in Seiner Liebe und Herrlichkeit -- Amen.« Und mit
+gefalteten Händen und vorwärts geneigtem Haupt verließ er langsam das
+Gemach. Pomare aber schloß die Thür, stützte die Stirn in ihren Arm
+und weinte bitterlich.
+
+ * * * * *
+
+Draußen indessen hatte ein wilderes Spiel stattgefunden, als selbst
+Mörenhout vermuthet; von den Missionairen war nämlich der ehrwürdige
+Bruder Smith mit nach der über Papetee ausstreckenden Landzunge
+gegangen, dort die Bewegungen des fremden Kriegsschiffes rascher und
+deutlicher übersehen zu können. Mit einem guten Glas bewaffnet
+erkannte er denn auch bald daß das Schiff plötzlich wieder beidrehte
+und trotz des noch hohen Seegangs, und nur erst einmal von den Klippen
+frei, wieder Segel auf Segel setzte, nicht einen Fußbreit mehr
+aufzugeben, als es gezwungen war. Jedenfalls schien es nach Papetee
+bestimmt, dem es auch wieder zuhielt, und neben der noch wehenden
+Flagge stiegen jetzt mehre Signale auf, von denen eines allerdings der
+Tahitischen Flagge glich, auf die Entfernung hier aber kaum genau
+bestimmt werden konnte.
+
+Die Missionaire sind von je her nicht ihrer nautischen Kenntnisse
+wegen berühmt gewesen, wie sie denn auch, um das Kap der guten
+Hoffnung die Inseln erreichend, den Tag nicht zählten den sie auf dem
+180sten Grad von Greenwich aus gen Osten segelnd, gewannen, und den
+Insulanern den Sonnabend für den Sabbath brachten, wodurch später eine
+heillose Confusion entstand. Ob nun Bruder Smith auch hier die
+Tahitische Flagge wirklich zu erkennen glaubte, oder ob er seine
+sonstigen Absichten dabei hatte den ihn umstehenden Insulanern eine,
+wie er sich wohl denken konnte, freudige Nachricht mitzutheilen, kurz
+von ihm zuerst ging das Gerücht aus, das Englische Kriegsschiff das
+wieder auf den Hafen zu halte, zeige die Tahitischen Farben, und das
+genügte natürlich, dem jauchzenden Volk die frohe Kunde zu bringen daß
+die Schiffe der Beretanier ihnen beistehen würden gegen den jetzt
+gebrochenen Uebermuth der Wi-Wis -- wie sie nun wieder trotzig und
+lachend genannt wurden.
+
+Von Mund zu Mund lief die Mähr, und wie das mit allen derartigen
+Gerüchten ist, wurde bald übertrieben in's Unmögliche. Nicht mehr blos
+ihre Flagge, ihre Religion zu schützen gegen die Uebergriffe der
+Papisten, nein auch frühere Unbilden sollte sie rächen. Die Wi-Wis
+mußten jetzt das Geld wieder herausgeben, daß sie erpreßt, und Pomare
+bekam von den Beretanis, als Schadenersatz, das Französische
+Kriegsschiff, die ~Jeanne d'Arc~ geschenkt, die gerade im Hafen vor
+Anker lag. Wie Kinder lachten und schwatzten die Insulaner
+durcheinander, träumten sich ihre Lieblingsbilder herauf, am hellen
+Tag und bauten sich Schlösser so bunt und farbenreich in die Luft, daß
+sie die Zukunft darüber vergaßen und Vergangenheit und, überhaupt nur
+gewohnt den Augenblick zu benutzen, dem nach auch handelten.
+
+Während ein Theil anfing eine alte Tahitische Hymne nach dem Takte
+eines weit älteren Englischen Liedes »~old hundred~« abzusingen,
+sprang eine andere Gruppe, in ihrer Herzensfreude selbst die Gefahr
+nicht achtend von den Missionairen dabei überrascht zu werden, zu
+ihrem Nationaltanz an, und der Klang der Trommel mischte sich mit dem
+frommen Lied der Singenden in wunderlicher, eigenthümlicher Weise.
+
+Anders aber und wilder gestaltete sich die Versammlung am unteren
+Theil von Papetee; etwa zweihundert Schritt von da entfernt, wo die
+Französische Flagge, vor dem Hause des Consul Mörenhout, zwischen
+einer kleinen Gruppe hochstämmiger Cocospalmen und über ein Dickicht
+dunkelgrüner Brodfruchtbäume auswehte, hatten sich Einzelne der
+Missionaire, unter ihnen Dennis und Brower, gesammelt, und sprachen
+auf dem offenen Platz in lautem Gebet ihren Jubel aus über den Sieg
+der Bibel gegen das Pabstthum. Viele der angesehensten Häuptlinge
+standen in ihrer Nähe, unter ihnen Aonui und Teraitane, wie der noch
+immer halb wilde und trotzige Fanue, und wenn Einzelne auch gern in
+ihren Jubel mit einstimmten, fraß es Andere wieder am Herzen _daß_
+eben fremde Schiffe bei ihnen den Ausschlag geben sollten, und nicht
+mit Unrecht sahen sie die Priester als die gerade an, die fremden
+Einfluß herbeigezogen hatten ihre Privatangelegenheiten zu regeln,
+ihre Gesetze zu bestimmen, und mit einem Wort, ihr Land zu regieren.
+
+»Auf's Neue!« rief da der ehrwürdige Bruder Dennis in seinem glühenden
+Eifer für das Wohl seiner Kirche, »auf's Neue hat der Herr der
+Heerschaaren seine Hand ausgestreckt über die Häupter der Gläubigen,
+und er wird die zum zweiten Mal in diesen Bergen aufgerichteten Götzen
+zu Boden schleudern, wie er sie das erste Mal seine Macht und
+Allgewalt hat fühlen lassen. _Noch_ weht da drüben die dreifarbige
+Fahne der Papisten, noch flattern die feindlichen Farben in der
+scharfen Brise, aber wie der stürmische West in kurzen Stunden dem
+stillen herrschenden Passat weichen wird und muß, so wird auch jenes
+Schiff da, dessen weiße Segel unserer gastlichen Küste jetzt
+entgegenblähen, unser Land von dem Schimpf reinigen, einer anderen
+Macht zu gehorchen als der Bibel, einer andern Gewalt unterthan zu
+sein, als dem Lamm Gottes und dessen unendlicher Huld.«
+
+»Wenn denn das Wehen jener Flagge Euch so entsetzlich härmt,« rief da
+Fanue, der jetzt bis dicht hinan zu dem Betenden getreten war und mit
+untergeschlagenen Armen und fest auf einander gebissenen Zähnen den
+Gesticulationen des frommen begeisterten Redners zugeschaut hatte,
+»ei zum Wetter, warum faßt Ihr sie nicht und werft sie zu Boden?«
+
+»Das ist _unsere_ Pflicht!« rief aber da, dazwischentretend, der den
+Missionairen ganz ergebene Aonui -- »nur eine Pflicht der Dankbarkeit
+war es, an die uns die Rede des würdigen Mannes mahnt, England nicht
+durch das stolze Wehen jener Flagge länger beschimpft zu sehen.«
+
+»England?« rief Fanue laut und trotzig, den Häuptling mit zürnendem
+Staunen betrachtend.
+
+»Ja England!« wiederholte aber dieser, unbekümmert um den Zorn seines
+Landsmannes, »England, das uns zu Menschen gemacht, das unsere Seelen
+ewiger Qual entriß, und uns die _Bibel_ sandte, die heilige Schrift,
+das Buch Gottes, Freunde, das Wort von Seinem eigenen Mund diktirt.
+Wir haben _Alles_ damit erlangt was wir brauchen, und in uns selber
+zurückgezogen, kann die feindliche Macht unsere Körper tödten, aber
+unsere Seelen sind unsterblich, und liegen außer ihrem Bereich.
+Deshalb aber schon wäre es schlecht, wäre es undankbar von uns, das
+Land, was uns so reich, so glorreich beschenkt, auf unserem Grund und
+Boden, vor unserer Thüre beleidigt zu sehen, und im Vertrauen auf
+Jehovas Schutz bin ich bereit, die stolze Flagge, die über Baals
+Götzendienste weht in den Staub zu werfen.«
+
+»Halt Aonui!« fiel ihm hier, seinen Arm ergreifend, der schon dem
+Worte die That wollte folgen lassen, der bedächtigere Teraitane in die
+Rede, »das wäre voreilig und -- unvorsichtig gehandelt. Ich schütze
+den Freund, wenn er abwesend ist und sich nicht selber schützen kann,
+weshalb jetzt? -- England hat seinen Vertreter hier -- eine eigene
+Flagge und zwei große Schiffe, und wenn es sich beleidigt glaubt, mag
+es selbst die fremde Flagge niederwerfen.«
+
+»Und seine eigene dafür aufpflanzen, nicht wahr?« rief rasch Fanue.
+
+»Die Englische Flagge ist noch stets eine Flagge der Liebe und des
+Friedens gewesen,« fiel hier freundlich, den Streit der Insulaner zu
+beschwichtigen, der ruhigere Missionair Brower in die Rede.
+
+»Aber dieß ist Tahitischer Grund und Boden,« zürnte Fanue, »was würde
+die Königin der Beretanis sagen, wenn wir hinüberkommen wollten in ihr
+Land, und Pomares Flagge aufpflanzen, auf ihren Wällen? -- Sie würde
+sagen: was wollen die fremden Männer hier in _meinem_ Land? schickt
+sie fort denn ich habe selber eine Flagge.«
+
+»England hat uns die Bibel gebracht,« sagte aber auch Potowai, ein
+anderer Häuptling, der hinzutrat, »und wenn ich je ein anderes Land
+als über uns stehend anerkennen werde, so kann und soll das immer nur
+England sein.«
+
+»Aber Brüder, liebe Brüder,« rief da Dennis in frommer Begeisterung,
+»wohin verirren wir uns? -- und glaubt Ihr daß wir, Euere Lehrer, etwas
+anderes wollen können als Euer Wohl? -- Handelt es sich denn hier
+darum, der Englischen Flagge Euch unterthan zu machen, oder Euere
+eigene von Schmach und Knechtschaft zu retten? -- wollen wir Euch denn
+England unterwerfen, und nicht vielmehr Euch frei machen, im Geist und
+in der Wahrheit, und keinen Zwang dulden, weder auf Euerer Seele, noch
+auf Eueren Körpern, als den, den Euch Gottes Liebe selber auferlegt,
+»denn mein Joch ist leicht,« sagt der Herr. Mit der Einführung aber
+der fremden Baalsdiener, mit ihren Rauchpfannen und ihrem
+Bilderdienst, der sich nicht halten konnte hier auf den Inseln,
+zwischen den frommen Bewohnern, die ihren Gott erst einmal erkannt,
+ist jene feindliche Flagge aufgerichtet, und nur erst wieder mit ihrer
+Wegnahme können wir, Euere Lehrer, je wieder hoffen Eueren Geist all
+jenen feindlichen Eindrücken fern zu halten, der sich jetzt in so
+gewaltiger Kraft geltend macht.«
+
+»Nun dann werft sie selber nieder!« brummte Fanue trotzig -- »weshalb
+uns dazu brauchen wollen?«
+
+»Das ist kein Amt der Diener Gottes!« sagte da Bruder Brower schnell
+-- »wir haben es stets vermieden uns in die politischen Verhältnisse
+dieses Reiches einzumischen, und werden jetzt nicht -- «
+
+»Das _lügst_ Du stolzer Priester,« schrie ihm aber da der Häuptling
+entgegen, mit glühenden Augen den trotzig emporfahrenden Missionair
+messend, während seine Freunde auf einer, die dem Geistlichen
+anhängenden Eingeborenen auf der anderen Seite dazwischen traten,
+Frieden zu halten unter den beiden Streitenden.
+
+Der beleidigte Missionair wollte im Anfang, und vielleicht auch mit
+gereizter Rede etwas darauf erwiedern, Dennis aber ergriff seinen Arm
+und flüsterte ihm leise einige Worte zu, und selbst wohl das
+Unschickliche heftiger Worte einsehend, sagte er gleich darauf ruhig
+und mit milder Stimme:
+
+»Herr vergieb ihm, denn er weiß nicht was er thut!«
+
+Eben diese Ruhe aber reizte den alten greisen Häuptling, und Aonui und
+Potowai, die ihn zu besänftigen suchten, von sich werfend, rief er
+laut und trotzig:
+
+»Rolle nur Deine Augen, und wirf Dich in den Staub vor Deinem Gott;
+mache das Volk dabei glauben daß Du vom Geist erleuchtet, und Dein
+Mund ein Orakel seines Willens sei -- spiele Dein Spiel, wie es Dich
+freut, aber wolle nicht _Männer_ kirren mit falschem Trug. Dein Gott
+hat gedonnert und geblitzt, wie es _unsere_ Götter thaten vor ihm,
+aber er schleuderte seine Donnerkeile zwischen die ~feis~ in den
+Bergen, und die Du seine Feinde nennst, blieben unberührt -- sollen
+_wir_ unser Blut daran setzen, wo er selber seine Waffen nur im
+Scherze braucht? -- _wenn_ wir die Streitaxt aufgreifen, die begraben
+sein müßte für immer, wenigstens zwischen _Euch_, wäre Euere ganze
+Religion nicht eine Lüge, so geschieht es für unser _Land_, nicht für
+Eueren Glauben, und Gottes Zorn, ich mag über dem weder die Flagge
+Beretanis noch der Feranis wehen sehen! Ihr aber« -- sich jetzt zu
+seinen Landsleuten wendend, von denen Einige im stummen Entsetzen und
+mit emporgehobenen Händen standen, zürnte er laut -- »ruft mich, wenn
+Ihr mich braucht, nur nicht zum Singen und Beten, sondern wenn es
+gilt, das Vaterland wieder rein zu fegen, von Allem was fremd und
+feindlich ist, und Fanue ist Euer Mann; aber hierher taugt er
+_nicht_!« und mit den Worten, den Tapamantel fester um sich ziehend,
+verließ er rasch und zornigen Schrittes den Trupp.
+
+»Ein wilder Geist, ein unbändiger Geist, den der Herr erleuchten, und
+auf ihn das Licht Seiner Gnade recht bald ausgießen möge,« sagte
+Brower mit einem frommen Blick nach oben, »ich will recht warm und
+brünstig für ihn beten.«
+
+»So Dich Dein Auge ärgert, reiß es aus!« zürnte aber Dennis, mit dem
+linken Arm die Bibel, die er damit hielt, fester an sich ziehend, die
+Rechte dorthin gestreckt, wo der zornige Indianer eben verschwunden
+war, und die Zurückgebliebenen noch standen ihm nachzuschauen, »und
+wie der dürre Feigenbaum aus dem Boden gehoben, und in's Feuer
+geworfen werden muß, so sollen die Glieder dieser Kirche gerichtet
+werden, die abtrünnig und dürr am Stamm stehen.«
+
+»Und glaubt Ihr, Brüder, daß wir Anderen eben so denken wie Fanue?«
+schrie Aonui jetzt in wilder Begeisterung -- »glaubt Ihr, daß _wir_
+nicht sterben könnten für den Glauben, für den Jesus Christus vor uns
+gestorben ist? -- Jene Flagge da weht feindlich auf uns herüber,
+feindlich auf die Bibel, die wir als Gottes Wort erkennen, und an
+_uns_ ist es, nicht an den Beretanis, das zu entfernen, das uns
+störend hier in den Weg tritt. Wer nicht mit mir ist, der ist wider
+mich! sagt Christus -- Aonui fürchtet keinen Gegner, so lange er für
+den Herrn streitet. So wer die Bibel liebt, der folge mir!« und mit
+den zuletzt wild gejubelten Worten durchbrach er die Menge, die ihm
+willig Raum gab, und sich ihm auch zum großen Theil anschloß, und
+eilte raschen Schrittes dem Hause des Französischen Consuls zu, in
+dessen Garten, auf einer dort aufgerichteten Stange die dreifarbige
+Fahne lustig in der scharfen Brise flatterte und schlug.
+
+Der Consul war nicht im Haus, aber zwei Männer hatten kurz vorher den
+Platz von einer anderen Seite betreten, Mr. Mörenhout aufzusuchen --
+René Delavigne und der Häuptling Paofai, und standen noch an der
+verschlossenen Thür unweit des Flaggenstocks, als sie den
+herantosenden Lärm der Masse hörten.
+
+»Hallo Paofai,« sagte René zu dem Häuptling, »der Specktakel kommt
+näher, und es sollte mich am Ende gar nicht wundern, wenn sie unserem
+Freund Mörenhout einen, vielleicht nichts weniger als
+freundschaftlichen Besuch abstatten wollten.«
+
+»Sie sind zu Allem fähig,« sagte der Häuptling verächtlich; »ihre
+Bibel tragen sie voraus, wie wir Oro früher in die Schlacht trugen,
+und dann rennen sie blind und toll hinterdrein, und singen und beten
+und treiben, wer weiß was sonst noch für Unsinn -- wenn Tahiti nicht
+mein Vaterland wäre, ich setzte mich noch heute in mein Canoe, und
+ließ mich nach leewärts treiben soweit es dem Wind gefiele -- bin es
+fast müde hier das Spielwerk bald der Missionaire, bald der Franzosen
+oder Engländer zu sein.«
+
+»Sie kommen wahrhaftig hierher zu!« rief René jetzt, der die Worte
+seines Gefährten wenig beachtet und nur dem rasch näher kommenden Lärm
+gelauscht hatte; »was _können_ sie wollen?«
+
+»Alles was toll und unklug ist,« sagte Paofai achselzuckend -- »sie
+werden das Haus stürmen wollen und die Flagge niederreißen.«
+
+»Die Französische Flagge?« rief René, mit rasch aufblitzendem Zorn,
+»das sollen sie beim Teufel lassen, so lange _ich's_ hindern kann.«
+
+»Wirst's eben nicht lange hindern können, Freund,« lachte der
+Insulaner -- »aber -- gern leid' ich's auch nicht.«
+
+»Nieder mit der Flagge! nieder mit den drei Farben!« tobte jetzt der
+Haufen heran, »sie gehört auch mit zu den Götzenbildern und muß
+fallen!«
+
+»Das wird Ernst,« rief René, »herbei Paofai!« und ohne weiter
+abzuwarten ob ihm der Häuptling folge, warf er sich mit dem ihm
+eigenen tollkühnen Muth allein und unbewaffnet dem jetzt gegen den
+Flaggenstock anstürmenden Haufen entgegen. Paofai zögerte dabei noch
+einen Augenblick -- er sah das Hoffnungslose einer Vertheidigung,
+solcher Uebermacht gegenüber, und wenn er auch mit zu der Parthei
+seiner Landsleute gehörte, von der ein Theil jenen Vertrag mit den
+Franzosen unterschrieben, betrachtete er die Feranis eben nur als
+Mittel zum Zweck, seinen eigenen Rang wieder auf den Inseln zu
+erlangen, den er durch die Macht der Pomaren theilweis verloren, und
+nicht etwa dem Fremden Rechte einzuräumen, die seinem Stolz gerad'
+entgegenliefen. Das edle Gefühl aber, das noch in seiner Brust
+schlummerte, trieb ihn auch, dem Einzelnen gegen die Masse
+beizustehen, und langsamer zwar, als ihm der junge Franzose
+vorangegangen, und dabei lachend mit dem Kopf schüttelnd, als ob er
+wisse daß er jetzt einen unüberlegten Streich begehe, folgte er dem
+Fremden zur Fahnenstange, wo er eben zeitig genug ankam Zeuge zu sein
+wie René, ohne ein Wort weiter zu verlieren, den voranstürmenden Aonui
+aufgriff und mit solcher Kraft gegen den ihm nächst Folgenden warf,
+das Beide zurücktaumelten, und die Bibel des frommen Häuptlings Hand
+entfiel.
+
+»Zurück!« donnerte des jungen Mannes Stimme zu gleicher Zeit -- »das
+hier ist fremdes Eigenthum, und keinem von Euch ist das Recht gegeben
+es anzutasten!«
+
+»Nieder mit dem Wi-Wi!« schrieen dagegen von hinten vor Andere,
+während sich Aonui, der hier keineswegs Widerstand zu finden
+erwartet, erschreckt vom Boden aufraffte, und seinem Gegner in's Auge
+sah. Er hatte gar nicht daran gedacht mit irgend einem Menschen hier
+in Berührung kommen zu können, und nur durch fanatischen Eifer dahin
+getrieben eine Holzstange umzuwerfen, und ein Stück Zeug
+herunterzuholen, wußte er noch gar nicht, ob er seinen eigenen Leib in
+eine vielleicht thörichte Gefahr dabei bringen solle oder nicht. -- Wo
+kam der Wi-Wi auf einmal her?
+
+Aber auch Paofai trat jetzt hinzu, und die Nächsten mit dem Arm
+langsam von der Stange zurückschiebend, sagte er mit seiner weichen
+melodischen und zugleich so klangvollen Stimme:
+
+»Wißt Ihr was Ihr thun wollt, Ihr Männer von Tahiti? -- Ihr wollt eine
+Nation beleidigen, mit der Ihr in diesem Augenblick auf
+freundschaftlichem Fuße steht; Ihr wollt Euch einen Feind machen, der
+mit seinen eisernen Kugeln Euere Hütten und Palmen und Brodfruchtbäume
+niederwerfen und Euch verderben kann. Seid Ihr von einem bösen Geist
+besessen daß Ihr so tobt?«
+
+»Er hat meine Bibel niedergeworfen!« rief in diesem Augenblick Aonui
+mit zornfunkelnden Augen, erst jetzt das Entsetzliche bemerkend --
+»der Wi-Wi hat die Bibel in den Schmutz geworfen.«
+
+»Nieder mit dem Wi-Wi, nieder mit der Flagge!« schrie und brüllte da
+die Schaar wild durcheinander -- »sie haben die Bibel geschändet --
+nieder mit den Feranis und ihren Götzen -- wir wollen keinen Vertrag,
+wir wollen keine Freundschaft mit ihnen!«
+
+»Auch gut,« brummte René vor sich hin, und ein Stück Holz aufgreifend
+das dort zufällig lag, schlug er den Ersten der Hand an das Seil legen
+wollte die Flagge niederzuziehen, ohne weiter einen Ruf zu thun, damit
+zu Boden. Andere aber drängten nach und obgleich er, ohne Rücksicht
+auf sich selbst zu nehmen, blind und wild um sich herschlug, fand er
+sich doch bald von der Masse überwältigt, zu Boden geworfen, und aus
+dem Weg geschleppt, während Paofai selber, der sonst so geachtete und
+gefürchtete Häuptling, kaum glimpflicher behandelt wurde.
+
+»Fort mit Dir Paofai!« schrie eine Stimme aus der Menge, und Hände
+streckten sich drohend nach ihm aus -- »Du bist ein Freund der Wi-Wis
+-- Du bist auch Einer von denen die uns an sie verrathen wollen -- fort
+mit Dir. Dein Platz wäre neben der Bibel und nicht neben dem Hause von
+Me-re-hu, dem Feinde Tahitis -- fort mit Dir!«
+
+»Aonui -- _Du_ haftest mir für die Sicherheit dieser Flagge!« rief da
+Paofai, den Arm des Häuptlings ergreifend, als er fühlte wie er
+ebenfalls durch den andrängenden Schwarm unwiderstehlich zurückgepreßt
+wurde und dem Volk den Platz räumen mußte -- »von Dir wird sie
+Frankreich wieder fordern.«
+
+»Frankreich soll zu Grase gehen,« brummte da eine Stimme in breitem
+Irisch, dicht neben dem Häuptling, und die Flaggenlinie fassend zog
+unser alter Bekannter, Jim, die wehende Flagge unter dem Jubelruf und
+Jauchzen der Masse, von denen gleich zehn hinzusprangen ihm zu helfen,
+nieder, und im Triumph wurde die erbeutete jetzt durch die Stadt
+getragen.
+
+Kaum senkte sich die Flagge, als ein Boot von der ~Jeanne d'Arc~
+abstieß, an Land ruderte, die Ursache zu erfahren, und dort drohte die
+Corvette würde die Stadt beschießen, wenn die Flagge nicht
+augenblicklich wieder gehißt und mit der üblichen Ehrensalve von
+Tahitischer Seite begrüßt werde. Der Capitain des Talbot aber, dem die
+Drohung hinterbracht wurde, erklärte, in dem Augenblick wo der erste
+Schuß aus dem Französischen Kriegsschiff auf die Stadt fiel,
+seinerseits sein Feuer auf die Corvette zu eröffnen, und der Jubel
+Papetees bei dieser Erklärung überstieg alle Grenzen.
+
+Die Missionaire sagten gleich, während der Talbot zum Gefecht
+trommelte, und Alles an Deck klar machte, Kirche an, die Indianer
+tanzten, ein kleiner Theil ausgenommen, dem diese Wendung der Dinge
+nicht behagte, und die Prophezeihungen der Missionaire, was Englands
+Beistand betraf, schienen allerdings Wahrheit werden zu wollen; Pomare
+stand nicht mehr allein, eine arme verlassene Frau, und die
+Geistlichen selber, als die jedenfalls indirekte, ja vielleicht sogar
+direkte Ursache dieser so zeitgemäßen Hülfe, stiegen bei dem Volk, das
+sich dem Mächtigen am liebsten unterwirft, bedeutend an Achtung.
+
+Die angeborene Gutmüthigkeit der Insulaner ließ sie aber auch ihren
+Sieg nicht weiter treiben, und René wie Paofai blieben, nur erst aus
+dem Weg geschafft, vollkommen unbelästigt. Am anderen Morgen jedoch,
+mit dem wieder eingetroffenen Passatwind lief, unter dem Donner der
+Tahitischen, etwas mittelmäßigen Geschützstücke, und den
+Begrüßungsschüssen des Talbot, die Englische Fregatte der Vindictive
+ein, und der Jubel erreichte hier seinen höchsten Grad, als die
+freudige Botschaft von Mund zu Mund lief, der erwartete Geistliche
+Pi-ri-ta-ti (Pritchard) sei wieder mit zurückgekehrt, der ja nur
+deshalb nach England gegangen war, der Königin der Beretanis ihren
+Streit mit den Feranis vorzulegen und Hülfe von dort zu bringen. Und
+hatte er das nicht jetzt gethan?
+
+Mit einem wahren Triumphgeschrei wurde er empfangen, und unter dem
+Jauchzen und Jubeln, ja unter den Segensrufen Tausender an Land
+geführt, so daß der Ehrwürdige Mann dadurch wirklich in nicht geringe
+Verlegenheit gerieth. Weder er noch das Kriegsschiff brachte nämlich
+direkt ausgesprochene Hülfe von England, sondern nur, als Geschenk,
+einen Wagen für die Königin Pomare, und Zeug zu einer rothen Uniform
+für ihren Gemahl, den jetzt eine Zeitlang auf Imeo gewesenen jungen
+Häuptling.
+
+Graf Aberdeen hatte sich damit begnügt dem jungen Staat seine
+freundlichen Gesinnungen zu bekunden, und die Häuptlinge erschraken
+allerdings als ihnen dieß endlich begreiflich gemacht wurde. Pomare
+schloß sich einen ganzen Tag in ihr Haus ein, denn eine neue
+Besitzergreifung Tahitis durch die Franzosen war nun allerdings nicht
+unmöglich, und ihre Sicherheit ihnen keineswegs gewährleistet worden.
+Was aber kümmerte das das Volk, die fröhlichen, gutmüthigen Kinder
+dieser Inseln? Für den Augenblick waren sie jeder weiteren
+Unannehmlichkeit überhoben, für den Augenblick lagen die Englischen
+Kriegsschiffe drohend und ihnen Schutz gewährend in ihrer Bai, und
+ihre Königin konnte in dem wunderlichsten Ding spatzieren fahren, das
+ihre kühnste Phantasie sich je gedacht -- das Uebrige brachte die Zeit
+-- weshalb sich vorher grämen? und die Predigten ihrer Geistlichen
+bestärkten sie bald in der frohen Hoffnung daß kein Franzose es je
+wieder wagen würde ihre Rechte anzutasten, ihre Religion ihnen zu
+nehmen, oder sie mit seinen Kanonen zu zwingen seinem Willen Folge zu
+leisten; was wollten sie mehr.
+
+FOOTNOTES:
+
+[F] Das westliche Ufer dieser Inseln wird stets das Leeufer genannt,
+da der Wind, mit nur seltenen Ausnahmen, immer von Osten kommt.
+
+[G] Missionair Bingham spricht mit besonderer Ehrfurcht von dem
+würdigen ~»Matriarchen« Kaahumanu~, der Gattin Kamehamea des Ersten --
+eine Frau von beinah dreihundert Pfund Gewicht.
+
+
+
+
+Capitel 6.
+
+#Ein Ball in Papetee.#
+
+
+Es läßt sich denken, in welche Aufregung die kleine Colonie durch die
+erst beschriebenen Vorfälle gebracht wurde, denn während die
+Insulaner, viel zu sehr dem Frieden geneigt, bei weitem in der
+Majorität den Engländern zuhielten, und eine neue Religion wie ein
+neues Regiment schon deshalb fürchteten, als es wieder auf's Neue eine
+Umwälzung in ihren kaum regulirten Sitten und Gebräuchen hervorrufen
+mußte, bestand der größte Theil der in Papetee selber angesiedelten
+Fremden aus Franzosen, und deren heißes Blut revoltirte in Feuer und
+Flamme gegen einen Zwang, der ihnen plötzlich aufgelegt werden sollte,
+und um so drückender war, da sie die Hoffnung nicht einen Augenblick
+aufgaben, durch das nächst einkommende Kriegsschiff -- und die von den
+Insulanern so gefürchtete ~Reine blanche~ kreuzte in diesen Gewässern
+-- das ganze, durch die Missionaire jetzt nur künstlich aufgebaute
+System wieder umgeworfen zu sehen.
+
+Es versteht sich übrigens von selbst, daß während dieser Zeit der von
+~Du Petit Thouars~ allerdings nicht ganz auf rechtlichem Wege
+hergestellte und von den Häuptlingen gezeichnete Vertrag, zu dessen
+Unterschrift man selbst Pomare zwang, nicht allein nicht mehr
+beachtet, sondern vollständig anullirt wurde. Frei und offen predigten
+die Protestanten gegen das Pabstthum und die beabsichtigte Occupation
+der Franzosen, und die Römischen Priester, die ihre Kapelle auf einem
+kleinen reizenden Hügel in Mativaibai errichtet hatten, konnten sich
+in dieser Zeit nur auf einen sehr kleinen Kreis ihnen ergebener oder
+doch wenigstens nicht feindlich gesinnter Insulaner verlassen. Im
+Allgemeinen fürchteten die Indianer den Platz, der in seinen
+Ceremonieen etwas Geheimnißvolles für sie hatte, und ihnen von ihren
+Geistlichen in solchen Farben geschildert war, daß sie sich scheuten
+ihn nach Dunkelwerden zu passiren. Ja sie würden ihn zerstört und jene
+Priester wieder gewaltsam von dort vertrieben haben, hätten nicht Mr.
+Nelson vorzüglich wie auch die Brüder Smith, Brower und Mc. Kean ihr
+Möglichstes gethan sie von einem so unüberlegten und bösen Schritt
+zurückzuhalten, zu dem sie der Feuereifer des frommen Dennis, wie der
+unersättliche Ehrgeiz Rowes unaufhaltsam trieben.
+
+Der Französische Theil der Bewohner hielt sich indessen vollkommen
+ruhig, und wenn auch Consul Mörenhout, in dem Gefühl seiner
+beleidigten Würde, im Anfang René antreiben wollte der
+Gewaltthätigkeit wegen Klage auf Schadenersatz einzureichen, die er,
+bei Vertheidigung der Französischen Flagge gelitten, weigerte sich
+dieser auf das Bestimmteste dagegen.
+
+»Ich bin von den Indianern freundlich aufgenommen,« sagte er, »und
+wäre der Letzte einer einfachen Schlägerei wegen, bei der ich eben so
+viel, vielleicht mehr, ausgetheilt habe als bekommen, neuen Grund zu
+Streitigkeiten und Ursache zu späteren Forderungen meiner Landsleute
+zu geben. Ich hätte gescheuter sein sollen als mich in Sachen zu
+mengen die mich Nichts angehen.«
+
+Die Franzosen in Papetee waren damit nicht ganz einverstanden -- sie
+wollten vor allen Dingen wieder neue Haltpunkte für unter Englischem
+Einfluß ausgeübten Uebergriffe, und auch die Eingeborenen schienen
+mißtrauisch gegen den Fremden geworden zu sein, den sie, als den
+Gatten einer ihrer eingeborenen Mädchen, und in dem früheren Hause
+des alten Mr. Osborne wohnend, schon gewissermaßen als einen der
+ihrigen, gar nicht mehr als einen Wi-Wi betrachtet hatten, und der
+doch jetzt feindlich und gewaltthätig gegen sie aufgetreten war. Das
+so sehr freundliche Verhältniß, in dem er bis dahin mit ihnen
+gestanden, schien jedenfalls gelockert, wenn auch nicht ganz gelöst.
+
+René hatte aber viel zu guten und leichten Muth, sich etwas derartiges
+groß zu Herzen zu nehmen; wie er auf der einen Seite fest gegen seine
+Landsleute blieb, und sich auf der anderen nichts Böses gegen die
+Insulaner bewußt war, verkehrte er nach wie vor mit beiden Theilen,
+und wußte sie beide wieder für sich zu gewinnen. Solche kleine
+Neckereien und Mißverständnisse dienten aber keineswegs dazu, ihn
+manches Andere was ihm störend in den Weg trat, übersehen zu lassen,
+und nur die Heimath, seine Sadie, sein kleines herziges Mädchen
+konnten ihm manchmal ganz jenen frohen fast wilden Uebermuth
+wiedergeben, mit dem er sich einem drückenden Verhältniß damals
+entzogen, und einem neuen Leben förmlich in die Arme geworfen hatte.
+
+Nichts destoweniger blieb das gesellschaftliche Leben der Inseln unter
+den verschiedenen und so wenigen Franzosen, ein höchst
+freundschaftliches; eigene Interessen, ja eigene Gefahr verband die
+Leute auch schon fester mit einander, als es irgend etwas anderes im
+Stande gewesen wäre zu thun, und das leichte französische Blut schwamm
+überhaupt oben auf.
+
+Besonders viel trug hierzu die Belardsche Familie bei, die sich
+wirklich unendliche und anerkennenswerthe Mühe gab in Papetee einen
+freundschaftlichen Ton zu erhalten, ja eigentlich erst zu schaffen, wo
+schon die Mischung der verschiedenen Racen etwas derartiges unendlich
+schwierig machte. Die Europäer hatten meistens all ihre alten
+Gewohnheiten, aber auch ihre Vorurtheile herübergebracht in eine ganz
+neue Welt, in die weder die einen, noch die anderen passen wollten,
+und konnten nur durch unermüdliche Ausdauer Einzelner, die sich der
+letzteren wenigstens entledigt hatten, dazu gebracht werden sich
+gemeinschaftlich zu amüsiren -- man wollte weiter Nichts von ihnen.
+
+Ein wirkliches Hinderniß aber für größere Gesellschaften blieb der
+Mangel an Europäischen oder vielmehr weißen Damen, von denen sich nur
+sehr wenige auf der Insel befanden, und zu einem wirklich
+gesellschaftlichen Leben doch unumgänglich nöthig, ja unentbehrlich
+waren. Mit den eingeborenen und mit Europäern fast durchschnittlich
+nur »oberflächlich getrauten« Frauen konnte man auch in solcher Art
+nicht gut verkehren; die Indianerinnen waren hübsch und lebendig, auch
+gutmüthig und liebenswürdig, paßten aber nirgends weniger hin als in
+Gesellschaft gebildeter _Frauen_, während mit der Protestantischen
+Bevölkerung, die in dieser Hinsicht fast nur aus den Familien der
+Missionaire bestand, ein näherer Verkehr ganz außer Frage blieb.
+Selbst den feindlichen Stand abgerechnet, den diese beiden Theile der
+Gesellschaft gegenwärtig einnahmen, hätten sie sich nie in dieser
+Beziehung vereinigen können, da die strengen orthodoxen Geistlichen
+jede Art von Spiel und Tanz schon als eine Sünde des Fleisches gegen
+den Geist ansahen, nur in ihrer zurückgezogen ernst gehaltenen
+Lebensart den Pfad zum Himmel zu finden glaubten, und von den, darin
+viel zuversichtlicheren Franzosen häufig verspottet, aber gewiß nie
+aufgesucht wurden.
+
+Nun lag diesen aber auch daran den Eingeborenen sowohl, wie vorzüglich
+den Missionairen zu beweisen, daß sie keineswegs durch die im
+Englischen Interesse geschehenen Schritte eingeschüchtert, sondern im
+Gegentheil noch voll frischen Muthes wären, und noch mochten kaum
+vierzehn Tage nach den vorherbeschriebenen Vorfällen vergangen sein,
+als Mrs. Belard, von ihren Landsleuten dabei unterstützt, fest darauf
+bestand, allen politischen wie gesellschaftlichen Hindernissen zum
+Trotz, einen _Ball_ zu geben, und allerdings blieb ihr dabei Nichts
+übrig, als sich über das, wogegen sie sich lange gesträubt,
+wegzusetzen und eingeborene Frauen, von denen man sich ja die
+geachtetsten aussuchen konnte, wirklich mit dazu zu ziehen; wenn auch
+der Ball dadurch einen etwas wilden Charakter bekam.
+
+Aber die Missionaire traten ihnen selbst hierbei störend in den Weg,
+denn diese hatten zu großen Einfluß auf den wirklich anständigen Theil
+der weiblichen Bevölkerung Tahitis, auf die Frauen und Töchter der
+ersten Häuptlinge, denen der Tanz als etwas rein sündliches, von ihren
+finsteren Lehrern streng verboten und mit strengeren Strafen, wo sie
+im Stande waren die in Kraft treten zu lassen, belegt war. Selbst
+Sadie fürchtete nicht allein den Unwillen der Geistlichen zu erregen,
+sondern ihr religiöser Sinn, vielleicht mit einer Art Scheu vor den
+fremden Menschen verbunden, hielt sie zurück selbst von dem Gedanken
+an solche Vergnügungen.
+
+René wollte sich aber daran nicht binden, doch erst als Sadie sah und
+fühlte, daß sie ihm mit einer längeren Weigerung weh thun, ja
+vielleicht auch Unfrieden im Hause anstiften würde, fügte sie sich
+endlich seinem Wunsch; aber das Herz schlug ihr dabei, als sie ihm
+ihre Einwilligung gab, und es war, als ob sie eine unrechte Handlung
+begehen solle. Aengstlich suchte sie dabei nach Entschuldigungen für
+ihre Zusage, und ihr gutes Herz ließ sie deren bald genug finden. René
+war ja doch nun einmal Europäer und er mußte gewiß gern bei seinen
+Landsleuten sein -- wußte Sadie doch selber wie glücklich es sie
+machte, manchmal einen Bewohner von Atiu bei sich zu sehen, und das
+lag doch nur solch kleine kleine Strecke von Tahiti entfernt, und die
+Feranis wohnten so entsetzlich weit, sollte sie da die Ursache sein,
+die ihn zurückhielt?
+
+Bei Brouards war sie deshalb auch schon, und bei Belards einmal mit
+René gewesen; nur noch nicht bei Mrs. Noughton, der Amerikanerin,
+deren kalt abstoßendes Benehmen ihrem ganzen Wesen weh that; auch René
+fühlte kein Bedürfniß die Leute aufzusuchen, wenn ihn nicht gerade
+eine Geschäftssache in ihr Haus führte.
+
+Trotz allen ihnen in den Weg gelegten Hindernissen wußten Belards
+jedoch jede Schwierigkeit zu überwinden -- die Franzosen wollten
+tanzen, und es bedurfte stärkerer Sachen als der Predigt eines
+Missionairs, sie daran zu verhindern. Mr. Belard gab deshalb einen
+Ball, und alle Franzosen Papetees wie die Officiere der noch im Hafen
+liegenden ~Jeanne d'Arc~ waren eingeladen.
+
+Sadie fürchtete sich vor dem Abend, sie wußte selbst nicht warum,
+aber sie durfte sich nicht weigern zu gehen, denn erstlich hatte
+selbst Mr. Nelson seine Einwilligung gegeben, daß sie wenigstens Theil
+an der Gesellschaft nehmen dürfe, und dann war sogar Lefevre mit
+Aumama eingeladen -- Monsieur Belard _mußte_ Damen zum Tanzen haben --
+sie konnte sich da nicht ausschließen, _durfte_ René nicht so kränken.
+
+Der Vorbereitungen bedurfte es dabei nicht viele -- ihre Tracht, wenn
+auch nach Europäischem Schnitt, war so schlicht und einfach wie nur
+möglich, und frische Blumen im Haar schmückten das liebreizende
+Antlitz der jungen Frau schöner als es Diamanten und Perlen vermocht
+hätten -- vielleicht wußte sie das auch.
+
+Monsieur Belard wohnte in einem reizenden kleinen Gartenhaus in der
+~Broomroad~, der nächsten Querstraße vom Strand ab, tief versteckt
+zwischen breitblättrigen Brodfrucht und Papayas, von Palmen das Dach
+überrauscht, und den Vorhof dicht bepflanzt mit Orangen und Bananen,
+des Schattens wegen. Das Haus selber war leicht und luftig gebaut,
+hatte aber doch schon Glasfenster und grüne Jalousieen, mit breiter
+hoher Verandah und einen ziemlich großen bequemen Saal, der zu dem
+heutigen Feste mit Blumen und Palmzweigen ganz einfach, aber höchst
+geschmackvoll decorirt war. Wunderlich stachen dagegen freilich
+einzelne Stücken aus einer civilisirten Welt ab, die ihren Weg nach
+der Südsee gefunden, und zu den einfach hölzernen Wänden und der
+tropischen Vegetation nicht so recht passen wollten. Auch die Meublen
+waren zusammengewürfelt, wie Glück und Zufall einzelne Stücke nach
+diesem entlegenen Theil der Welt herübergeführt, oder auch schon des
+Tischlers Hand in neuerer Zeit sie aus einheimischem Holze gefertigt
+hatte. So stand auf einer gelbgebeitzten Kommode eine Alabasteruhr
+zwischen Manila Perlmuttermuscheln und blank polirten Zähnen der
+Spermacetifische -- einen kleinen Mahagoni-Eckschrank schmückten ein
+paar allerliebste französische Porcellanvasen voll duftender
+Orangenblüthen, und längs der einen Wand standen zwei vortrefflich
+gepolsterte und mit Damast überzogene Sophas, mit denen wieder ein
+schmaler und langer, von Tannenholz aufgeschlagener Tisch nicht
+harmoniren wollte, der die eine Ecke füllte, aber mit den kostbarsten
+Produkten dieses an Früchten erfüllten Landes bedeckt war.
+
+Doch wunderlicher und bunter als die Geräthschaften war die
+Gesellschaft selbst gemischt.
+
+Der wirklich gebildete Kreis von Bekannten reichte nämlich zu einem
+solchen Fest nicht aus, die Linie mußte weiter gezogen werden und in
+so engen Raum beschränkt auf der kleinen Insel, war man nicht einmal
+im Stande noch unter den Wenigen die sich hier befanden, auszuscheiden
+-- es müßten denn _sehr_ triftige Gründe dazu vorgelegen haben. Alles
+deshalb, was nur einigermaßen auf Bildung Anspruch machte und aus dem
+Mutterland oder überhaupt der civilisirten Welt stammte, die
+protestantische Geistlichkeit ausgenommen, _war_ eingeladen, und die
+kleine Villa versammelte in den eigenthümlichsten Trachten dabei, ein
+so wunderlich gemischtes Völkchen wie sich wohl noch je, seit Papetee
+stand, auf einem so kleinen Raum zusammengefunden hatte.
+
+Als René mit Sadie den Saal betrat, wo sie Mad. Belard in ihrer
+lebendigen aber doch herzlichen Weise empfing, waren eben die
+Officiere der ~Jeanne d'Arc~ eingetroffen. Das Vorstellen ging rasch
+und ungezwungen genug vorüber; René hatte schon einige von diesen
+vorher kennen gelernt und wurde auf das freundlichste von ihnen
+begrüßt.
+
+Madame Brouard war noch nicht erschienen, und da Mad. Belard
+anderweitig und in der That überall in Anspruch genommen wurde, und
+René viel mit den Officieren zu sprechen hatte, blieb Sadie allein,
+und sah sich eben etwas verlegen nach irgend einem Bekannten um, nicht
+so ganz verlassen in dem fremden Zimmer zu stehen, als Mr. und Mrs.
+Noughton den Saal betraten, und nach der üblichen Einführung an Sadie
+vorüber gehen wollten.
+
+Mrs. Noughton wandte den Kopf nach der andern Seite und sah Sadie
+nicht, und die arme kleine Frau stand einen Augenblick schüchtern und
+unschlüssig da, ob sie die, stets etwas kalt gegen sie gewesene Fremde
+anreden solle oder nicht; aber René ging gerade mit zweien der
+Officiere den Saal hinunter und ließ sie da _ganz_ allein.
+
+»Madame Noughton,« sagte sie leise, und berührte mit ihrer
+Fingerspitze den Arm der jetzt dicht an ihr Vorbeigehenden.
+
+Mrs. Noughton drehte langsam den Kopf nach ihr um und sah sie an.
+
+»Ich freue mich Sie auch hier zu treffen,« sagte Sadie.
+
+Mrs. Noughton neigte höflich das Haupt gegen sie, Mr. Noughton machte
+eine etwas steife Verbeugung, und die beiden Gatten gingen, ohne
+weiter ein Wort mit ihr zu wechseln, vorbei, dem andern Ende des
+Saales zu.
+
+Sadie stand wie in den Boden gewurzelt, und das Herz schlug ihr
+ängstlich und verlassen in der Brust.
+
+»Sie haben Dich gar nicht erkannt in den fremden Kleidern,« murmelte
+sie endlich leise und halb lächelnd vor sich hin -- »sie haben
+geglaubt es wäre Jemand ganz Anderes, Fremdes -- oder -- « das Blut
+stieg ihr in vollem Strome in die Schläfe und von da zum Herzen
+zurück, und sie hätte in diesem Augenblick Gott weiß was darum gegeben
+zu Hause, bei ihrer kleinen Sadie sein und die fremde kalte
+Gesellschaft verlassen zu können. Aber das ging nicht, und als sie
+sich, wieder etwas mehr gefaßt, nun im Saale umschaute, sah sie wie
+Mr. und Mrs. Noughton ganz allein und steif auf zwei Stühlen saßen und
+Jedes starr vor sich niedersahen. In diesem Augenblick begann das in
+dem Nebenzimmer aufgestellte und von der ~Jeanne d'Arc~ mit
+herübergebrachte Musikcorps seine fröhlichen Weisen zu spielen; mehr
+und mehr Gäste traten zugleich in den Saal, unter ihnen mehre bekannte
+Gesichter -- eine Hand legte sich ihr plötzlich auf die Schulter -- es
+war Aumama, die ihr lachend in's Auge schaute, und der trübe Schatten
+der sich eben angefangen über Sadies Seele zu legen, wich dem ersten
+freundlichen Eindruck der ihr entgegen trat.
+
+»Was sitzen die Beiden da drüben so ganz allein und steif?« flüsterte
+dabei Aumama, die bemerkt hatte daß Sadie nach ihnen hinüberschaute.
+»Segne mich, wie still und ehrbar sie sind, als ob sie in der Kirche
+wären -- Mr. Aue könnte nicht steifer sitzen.«
+
+Sadie lächelte, aber sie wandte den Kopf ab von der Gruppe -- es war
+ihr als ob sich die beiden Leute nur so steif und abgeschlossen dort
+hinten hingesetzt hätten, nicht mit ihr zu sprechen -- und was hatte
+sie ihnen gethan? -- »Und Aumama, Du bist auch hierhergekommen zu den
+Fremden?« sagte sie endlich leise -- »ich glaubte Du fühltest Dich
+nicht wohl zwischen ihnen?« --
+
+»Nein, das thu' ich auch nicht,« erwiederte rasch und flüsternd die
+junge Frau -- »ich habe zu Hause geweint und gezankt -- ich wollte
+fort bleiben, aber Lefevre -- « sie wandte den Kopf ab und schwieg, und
+setzte endlich langsam hinzu -- »es ging nicht anders.«
+
+»Ich wäre auch lieber daheim geblieben,« sagte Sadie treuherzig.
+
+»Und ich weiß nicht,« fuhr Aumama, auf sich selber niedersehend fort,
+»mir ist meine Tracht bis jetzt noch nie aufgefallen, ja im Gegentheil
+hab' ich das lange weite Oberkleid oft weit eher für überflüssig
+gehalten, nur heute -- « und sie schaute halb verlegen umher -- »komme
+ich mir hier so sonderbar so fremd selber und unbedeutend vor, als ob
+ich nicht hergehöre zwischen die geputzten Leute -- sie mit allem um
+sich hergehangen was nur die fremden Kaufleute in ihren Läden haben,
+ich barfuß und nicht einmal ihre Sprache redend. Ob ihnen denn auch
+wohl so zu Muth gewesen ist, als sie zuerst unser Land betreten? Bei
+Dir ist es wohl anders -- Du hast Dich schon ganz ihrer Tracht
+angepaßt.«
+
+»Wohl ist mir's auch nicht darin,« sagte Sadie kopfschüttelnd, »aber
+ich fühle daß es nun einmal nicht anders geht; vielleicht fügst Du
+Dich auch hinein.«
+
+»Nein,« erwiederte Aumama rasch -- »nie im Leben; je mehr ich mit den
+Fremden in Berührung komme, desto mehr fühl' ich daß wir nicht für
+einander gemacht sind. Sie sind stolz dabei, und worauf? -- sie tragen
+Schuhe, weil sie nicht mit ihren unbehülflichen dünnen Sohlen unsere
+Korallen betreten können -- ich hab' es neulich gesehen, wie sich die
+Frauen badeten und nicht einen Schritt auf dem scharfen Boden zu thun
+vermochten. Also deshalb stecken sie die Füße in solche Hülsen, und
+soll ich dann mich schämen daß ich sie nicht trage, weil ich da eben
+gehen kann, wo sie es nicht im Stande sind?«
+
+»Und doch thust Du es,« sagte Sadie lächelnd.
+
+»Weil wir eben Thörinnen sind, und das Fremde höher achten wie unsere
+eigenen heimischen Sitten. -- Aber sieh was für goldblitzende Kleider
+die Feranis von dem Schiff draußen tragen,« unterbrach sie sich jetzt
+selber, als ihr die blitzenden Uniformen der Officiere des
+Kriegsschiffs in's Auge fielen. »Und das sind doch nun auch Christen,
+Sadie, und gute Menschen vielleicht und tragen so bunten Staat, und
+uns verbieten die Mitonares jeden Schmuck.
+
+»Wir wissen auch nicht ob es nicht sündhaft ist so eitel Gold und Putz
+zu tragen,« sagte leise Sadie -- »wenigstens nicht wenn wir zu Gottes
+Altar gehn -- die Männer dort beten vielleicht nie, da können sie dann
+freilich tragen was sie wollen. Aber sie drehen wieder hierher um, und
+dort kommt auch Mad. Belard -- sie ist die freundlichste von allen
+fremden Frauen.«
+
+Das Gespräch der beiden Frauen wurde hier unterbrochen, und in der
+That betraten auch jetzt rasch nach einander mehre andere Gäste den
+Saal, von denen Einige, ebenfalls mit eingeborenen Frauen, die beiden
+Freundinnen herzlich begrüßten, und jedes weitere Gespräch zwischen
+ihnen unterbrachen.
+
+Und was für bunte Gesellschaft war da versammelt.
+
+Die Officiere der Corvette erschienen natürlich in ihrer Uniform, und
+Mr. Noughton, Mr. Belard und Brouard wie René und einige Andere waren
+in schwarzem Frack, wie überhaupt in dem Europäischen Ballcostüm
+gekommen. Das besonders kam übrigens den inländischen Frauen und
+Mädchen wunderlich vor, und sobald es nur heimlicher Weise geschehen
+konnte, kicherten und flüsterten sie nicht wenig darüber.
+
+Ein großer Theil der anderen Gäste ging jedoch in die leichte und
+bequeme Tracht gekleidet, die das Klima eigentlich bedingt und
+fordert; helle Sommerstoffe, weit und luftig gearbeitet und den
+Gliedern vor allen Dingen Freiheit der Bewegung lassend. Strenge
+Etikette konnte überhaupt an einem Ort nicht stattfinden, wo diese
+schon zwei Dritttheile des schönen Geschlechts unrettbar
+ausgeschlossen hätte, und mehr als zwei Dritttheile gehörten der
+eingeborenen Race an, die nur zum Theil hatte bewogen werden können
+Schuhe und Strümpfe anzuziehen, sonst aber nur über dem ~pareu~ das
+weite loose Obergewand, und darunter die nackten Füße trug.
+
+Aumama bildete den Typus dieser, aus den schönsten Mädchen jenes
+wunderschönen Stammes ausgewählten Schaar. Der Pareu den sie trug
+bestand aus einem halbseidenen mattgrünen mit tiefrothen Fäden
+durchzogenen und gemusterten Stoff, in der That nur ein einfaches
+Stück Zeug, das um die Lenden geschlagen und an der linken Seite
+eingesteckt wurde; über dieses aber trug sie das, erst durch die
+Europäer und wahrscheinlich durch die Missionaire eingeführte
+Obergewand, das vorn offen, und mit langen Aermeln an den Handgelenken
+geknöpft, bis etwas über die Knie herunterfiel, und aus feinem
+französischem Stoff bestand, der durch einen rothseidenen dünnen
+Chinesischen Shawl im Gürtel zusammengehalten wurde, und die Formen
+des Körpers mehr verrieth als verhüllte. Durch das schwarze lockige
+und seidenweiche, mit wohlriechendem Cocosnußöl getränkte Haar wand
+sich ihr, von Orangenblüthen durchflochten, das Gewebe eines reizenden
+grünen und rothen Schlinggewächses, und die goldenen Ohrringe waren
+fast von den darüber niederhängenden Knospen des ~cape Jasmin~
+überdeckt. Aumama, die Behende, wie sie in der bilderreichen Sprache
+ihres Landes hieß, war eine der schönsten Frauen der Insel, und wie
+bei den meisten ihres Alters, stand ihr die etwas dunklere Hautfarbe
+nur zu ihrem Vortheil, während die großen lichtklaren und doch so
+tiefschwarzen Augen Diamanten gleich, rein und feurig über den von
+zartem Roth angehauchten, lichtbronzenen Wangen glühten.
+
+Mehrere andere Indianerinnen waren ähnlich wie Aumama gekleidet,
+wenigstens mit demselben Schnitt des Gewandes und ähnlichen Stoffen,
+die Capitaine von Wallfischfängern in letzterer Zeit auf Speculation,
+theils von Frankreich, Deutschland oder England mitgebracht. Zwei der
+Frauen nur hatten sich so weit civilisirt, Strümpfe und Schuhe zu
+tragen; aber die neue Tracht saß ihnen nicht bequem, sie scharrten
+beim Gehen fortwährend mit den Füßen; sie waren noch nicht gewohnt
+diese hoch genug zu heben die Sohlen auch frei vom Boden zu bringen,
+und die Strumpfbänder mochten sie auch wohl drücken, denn wie sie sich
+nur unbemerkt glaubten, faßten sie da hinunter den, solchen Zwanges
+ungewohnten Blutgefäßen Luft zu geben.
+
+Sadie vielleicht allein von allen übrigen eingeborenen Mädchen schien
+sich in die fremde Tracht vollkommen gut gefunden zu haben, und
+bewegte sich mit solcher Leichtigkeit darin, als ob sie von Jugend auf
+daran gewöhnt gewesen wäre. Nichts desto weniger ging sie fast so
+einfach gekleidet als ihre früheren Gespielinnen, in einem schlichten
+Oberkleid von ungebleichter Seide, die rothe Schärpe ebenso geknüpft
+wie Aumama, nur anders den Schnitt des Kleides selbst, das bis auf die
+Knöchel hinunterging und die niedlichen in weißen Strümpfen und feinen
+dünnen Lederschuhen steckenden Füße eben sichtbar werden ließ. In den
+Haaren trug sie einen zierlich geflochtenen Kranz von Mandelblüthen,
+und um den Hals eine einfache Schnur rother Korallen.
+
+Von den Officieren der ~Jeanne d'Arc~ waren bis jetzt nur der Capitain
+mit dem ersten Lieutenant und einigen Seecadetten anwesend; der zweite
+Lieutenant, den Geschäfte länger an Bord hielten, wie mehre andere
+Marine-Officiere wurden aber auch noch erwartet, und René ging eben
+mit dem Capitain der Corvette, mit dem er schon vor einiger Zeit
+bekannt und gewissermaßen befreundet geworden, im Saal auf und ab, als
+Monsieur Bertrand, der Name des Seconde-Lieutenants erschien und
+augenblicklich auf den Capitain zuging, ihm irgend eine Meldung zu
+machen. René trat ein paar Schritte abseits, den Rapport, der
+vielleicht geheim war, nicht zu überhören, aber sein Auge haftete
+unwillkürlich auf dem jungen Mann, dessen Züge ihm so bekannt
+vorkamen, und dessen er sich doch, trotz alle dem nicht deutlicher
+erinnern konnte.
+
+In diesem Augenblick drehten sich die Officiere nach ihm um, und der
+Capitain war eben im Begriff die jungen Leute einander vorzustellen,
+als Beide auch fast zu gleicher Zeit, »Delavigne«, »Bertrand« riefen
+und einander fest umschlangen und küßten.
+
+Schulkameraden waren es aus frühster Jugendzeit, und es läßt sich
+denken, mit welchem Jubel sie Beide hier, fast bei den Antipoden, die
+Erinnerung an die Heimath, an das Vaterland, nach so vieljähriger
+Abwesenheit begrüßten.
+
+Wir mögen uns losgerissen haben von Allem was uns einst lieb und
+theuer gewesen, zerrissen mag das Band sein, das uns an die
+verlassene Küste, wo unsere Wiege gestanden, fesselte; gleichgültig
+hören wir wohl von fremden Menschen darüber sprechen, hören selbst
+ungerührt den Ort nennen der unserer Kinderspiele Zeuge war, Zeuge der
+heranwachsenden Kraft. Im Herzen zittert's und zuckt's dann vielleicht
+nur ein wenig; lang verklungene Saiten wurden berührt, und sie
+_wollten_ rauschen in der alten Weise, als sich noch eben zeitig genug
+die Hand des Menschen stark und kräftig darauf legte, und sie
+verstummen machte mit dem festen Willen. Unsere Nerven mögen von Eisen
+sein, und das Unglaubliche ertragen, aber laß ein Bild selber
+auftauchen aus jener Zeit, laß uns die Züge wieder vor uns sehen, mit
+denen wir Freud und Leid getheilt, denen wir unsere Lust und Seligkeit
+entgegenjubelten, denen wir den ersten Schmerz klagten und uns
+ausweinten an seiner Brust, und die Hülle springt, die unsere Brust
+umschloß, die erstarrte Thräne schmilzt und das Heimweh rüttelt zum
+ersten Mal an den Stäben unserer Herzenskammer, und streckt die
+scharfe entsetzliche Kralle aus nach dem Heiligthum, das wir von da an
+wahren müssen wie unseren Augapfel, wenn sie nicht Halt gewinnen soll
+daran, zu unserem Leid.
+
+Die beiden jungen Leute schienen auch in der That Alles um sich her
+vergessen zu haben, in dem einen seligen Gefühl des Wiederfindens,
+nach so langer, langer Zeit, hätte sie nicht des Capitains Stimme
+wieder zu sich selbst und dem Bewußtsein des Platzes gebracht, an dem
+sie sich befanden.
+
+»Hallo,« lachte dieser, »wie mir scheint mag ich da die Introduction
+sparen, denn die Herren sind jedenfalls genauer mit einander bekannt,
+wie ich vermuthen durfte.«
+
+»Das in der That,« sagte Bertrand, der sich überhaupt auch zuerst von
+den Beiden wieder sammelte, indem er des Freundes Hand ergriff und
+fest in der seinen hielt -- »nicht hoffen konnt' ich, hier an der
+fremden Küste einen so alten lieben Jugendgefährten, ja Spielkameraden
+aus der Knabenzeit zu treffen, und die Ueberraschung ist um so größer,
+je größer die Freude ist.«
+
+»~Eh bien~, Bertrand, dann unterhalten sie auch Ihren Freund ein
+wenig,« sagte der Capitain, »aber vergessen Sie nicht um 11 Uhr --
+bekommen Sie vorher Nachricht wenn er etwa noch bis dahin eingefangen
+sein sollte?«
+
+»Ich erwarte den Führer der Patrouille selber hier, sobald er
+zurückkehrt.«
+
+»Um so viel besser -- aber da drüben sehe ich ein paar Damen
+eintreten, denen ich guten Abend sagen muß -- ich werde Sie nachher
+bitten mir das Nähere dieses freudigen Wiedersehens mitzutheilen« --
+und mit einer leichten und freundlichen Verbeugung verließ er die
+jungen Leute, die jetzt Arm in Arm, kaum noch ihrer Umgebung bewußt,
+an eines der Fenster traten, dort erst dem ersten glücklichen Gefühl
+des Wiedersehens auch Worte zu leihen.
+
+»Und so halt ich Dich denn wieder, René, nach so langer Trennung, Dich
+den Flüchtigen eigentlich, der uns unter den Augen fort entschwand,
+und keinem Freundesruf achten wollte der ihn zurückhalten sollte mit
+seinem wilden ungestümen Sinn. Und wo hast Du Dich nun so lange
+herumgetrieben? Mensch Du bist braun geworden wie ein Indianer.«
+
+»Ich weiß nicht wo ich da anfangen soll zu erzählen,« sagte René, dem
+Blick in herzlicher Liebe begegnend, den jener fest auf ihn geheftet
+hielt, »und wahrlich, ich hatte es schon fast aufgegeben je im Leben
+einen Freund von über dem Wasser drüben wieder zu finden in der
+fremden Welt. Die Zeit die ich hier verlebt, dünkt mich in diesem
+Augenblick so entsetzlich lang, und ist mir doch auch wieder so rasch
+so unglaublich rasch verflogen. Oh Bertrand, Du mußt mir viel, viel
+von daheim erzählen; wie Ihr dort gelebt, wie Ihr -- oder nein --
+nein, auch lieber nicht; die Heimath liegt hinter mir, auf nimmer
+Wiedersehn, und es ist vielleicht besser ich löse die Schlösser nicht
+muthwillig, die mir das alte Bilderbuch meiner Jugend so freundlich
+und fest verschlossen halten. Ich bin fertig mit _Frankreich_; aber
+von _Dir_ möcht ich hören, wie es Dir geht, was Du treibst, was Du
+_hoffst_, denn nach der Hoffnung eines Menschen beurtheilt sich der
+Mensch selber meist am besten und leichtesten.«
+
+»Und weshalb auf nimmer Wiedersehn?« sagte Bertrand erstaunt, »unsere
+Schiffe haben sich jetzt die Bahn gebrochen nach diesem fernen Punkt,
+und wenige Monden können uns wieder in der Schallweite unserer alten
+Kirchenglocken landen. Es mag ein Paradies sein das uns hier umgiebt,
+kann es uns aber je der Heimath Reiz ersetzen? Du bist unstät, ein
+Flüchtling auf fremdem Boden so lange Du Dich gewaltsam fern von ihm
+hältst, und wie das Vaterhaus dem wegemüden Wanderer als theures Ziel
+den langen schweren Pfad wohl vorgeschwebt, so öffnet Dir die Heimath
+die Arme, und grüßt Dich, ja hält Dich, mit all ihrem unendlichen
+Zauber, sobald Du nur erst einmal wieder das schöne Land betreten.
+Sieh ich bin Seemann, René, und das _Meer_ sollte meine Heimath sein;
+ich weiß auch ich gehöre eigentlich nicht auf's feste Land, und die
+Zeit die ich dort zubringe, ist meiner Pflicht meist abgestohlen, und
+dennoch hängt das Herz mit allen Fasern an jenem Fleck der mir das
+Leben gab, und wenn ich auch, doch einmal draußen, vernünftig genug
+bin solchen Gedanken keinen Raum zu gönnen, ist es, als ob mir das
+Herz aus der Brust herausspringen wolle, sobald wir den Bug unseres
+Schiffes einmal heimwärts kehren. Ich habe das im Anfang für eine
+Krankheit gehalten und unseren Doktor gefragt, und der hat mir eine
+Masse unsinniges Zeug dagegen verschrieben, aber es half Nichts; das
+Uebel saß tief im Herzen und war im Nu gehoben sobald ich an Land
+sprang.«
+
+»Und doch hab' ich recht, Bertrand,« sagte René, der mit einem leisen,
+fast wehmüthigen Lächeln den Worten des Freundes gelauscht hatte. »So
+lange Du noch frei und unstät in der Welt umherstreifst zeigt der
+Compaß Deines Herzens dem einen heiligen Magnet, dem Vaterlande zu,
+mag Dir dort Leid geblüht haben, oder Lust, aber -- es giebt einen
+Fall, wo der Mensch selbst die Heimath vergessen kann und -- glücklich
+sein.«
+
+»Nie, nie!« rief Bertrand rasch.
+
+»Ich bin verheirathet!« sagte René leise.
+
+»_Du?_ -- verheirathet?« sagte der Freund erstaunt -- »und mit wem? --
+wo? -- wann?«
+
+»Zuerst zeig ich Dir meine kleine Frau,« lächelte René, »ich brauche
+vielleicht nur des einen Beweises, Dich zu überzeugen daß Du Unrecht
+hast; dann erzähle ich Dir meinen -- Lebenslauf kann ich wohl kaum
+sagen, eher meine Abenteuer, denn das Schicksal hat mich im tollen
+Spiel einem entzogen mich muthwillig einem anderen in die Arme zu
+werfen, bis mein schwanker Kahn den Hafen fand, der ihm Glück und Ruhe
+brachte, und den verlaß ich nicht wieder. Ich kenne die Stürme die
+draußen toben und bin es müde geworden ihnen wieder und wieder die
+Stirn zu bieten.«
+
+»Und Deine Frau?« frug Bertrand, »warum will sie nicht mit Dir
+zurück?«
+
+Die Trompeten schmetterten in diesem Augenblick den Beginn des Tanzes,
+und René schaute umher nach Sadie. Schon wirbelten die Paare vorüber
+und die junge Frau stand an der anderen Seite des Saales, noch neben
+Aumama, an ihrer Seite aber jetzt Monsieur Brouard, seinen rechten
+Arm, von dem sie sich leise zu befreien suchte, um ihre Taille gelegt,
+und augenscheinlich bemüht sie zum Tanz zu nöthigen, den sie ihm
+weigerte.
+
+Wie ein Stich zuckte es durch René's Herz -- er wußte selbst nicht
+weshalb, und das Blut schoß ihm in die Schläfe; Bertrand aber, der
+seinem Blick gefolgt war, schaute überrascht, und wie von einem
+plötzlichen Gedanken erfaßt, zu ihm auf.
+
+»Und Deine Frau?« wiederholte er leise.
+
+»Siehst Du sie nicht da drüben, wie sie sich ziert,« lachte René
+jetzt, die Hand auf des Freundes Achsel legend.
+
+»Die Insulanerin?« rief der Officier fast wie erschreckt, und so laut,
+daß die ihm nächsten Paare nach ihm umschauten, und selbst Sadie
+ängstlich nach René herüber blickte.
+
+»Die Missionaire stecken ihr noch etwas in den Füßen,« fuhr René, wie
+entschuldigend gegen den Freund gewendet fort, »aber -- gefällt sie
+Dir nicht?«
+
+»Es ist ein liebes, holdes Kind,« sagte der junge Mann, plötzlich ganz
+still und ernst werdend -- »so hold und schön wie der sonnige Himmel
+ihres Heimathslandes.«
+
+»Und weshalb seufzest Du da so schwer?« lachte René.
+
+»Aber weshalb befreist Du sie nicht von dem alten Gecken, der sie da
+quält und peinigt?« sagte Bertrand rasch -- »sie hat ihm schon zehnmal
+den Tanz abgeschlagen, und er läßt immer nicht nach -- er würde sich
+das bei einer _weißen_ Dame nicht unterstehen.«
+
+»Du hast recht,« sagte René schnell, und that einen Schritt nach vorn,
+setzte aber plötzlich langsamer und lächelnd hinzu: »es ist Einer
+meiner Freunde und kennt Sadie, wie den etwas puritanischen Geist,
+der sie manchmal noch von unsern Sitten und Gebräuchen als etwas,
+ihrer eigenen Religion widerstrebendem, zurückschrecken läßt. Doch
+komm Bertrand, wir dürfen uns der Gesellschaft nicht so lange
+entziehen, Madame Belard da drüben -- ha wer ist jene junge Dame die
+dort mit Deinem Capitain jetzt tanzt? -- ich habe sie noch nicht auf
+Tahiti gesehen.«
+
+»Sie kommt von der Südseite der Insel, wie ich heute gehört,«
+erwiederte Bertrand, »wo sie in der Familie eines dort angesiedelten
+Franzosen gelebt. -- Aber Deine _Frau_ winkt Dir da drüben.«
+
+»Monsieur Brouard wird zudringlich, wie mir scheint,« entgegnete René
+mit einem halb spöttischen Lächeln die Unterlippe beißend -- »komm mit
+mir Bertrand, und ich zeige Dir mein Weib,« und den Arm des Freundes
+fassend, ging er mit ihm, die Tänzer vermeidend, zu der anderen Seite
+des Saales hinüber, wo ihm Sadie, sich jetzt ernstlich von dem alten
+Herrn losmachend, rasch entgegen kam.
+
+»Ihre kleine Frau ist entsetzlich spröde,« rief ihm hier Monsieur
+Brouard mit einem etwas verlegenen Lächeln entgegen -- »sie will unter
+keiner Bedingung mit mir den ersten Walzer tanzen.«
+
+Sadie sah bittend zu dem Gatten auf, und René, ihren Arm lächelnd in
+den seinen ziehend, sagte mit einer leichten etwas kalten Verbeugung
+zu Herrn Brouard:
+
+»Ich habe Sie bis jetzt für unwiderstehlich gehalten, Monsieur,
+verzeihen Sie dem noch rohen Geschmack der Insulanerin, die selbst
+Ihren _unausgesetzten_ Bemühungen gegenüber ihr Recht zu wahren
+suchte. Ich hatte schon den ersten Tanz vorher engagirt.«
+
+»Ah, dann bitte ich tausendmal um Vergebung,« sagte der Kaufmann, sich
+verlegen, aber auch jedenfalls pikirt über die etwas kurze Abfertigung
+zurückziehend, während René, ohne sich weiter um Herrn Brouard zu
+kümmern, Sadiens Hand ergriff und sie mit herzlichen Worten dem
+Jugendfreund als sein liebes, braves Weib, als seine Sadie jetzt
+vorstellte.
+
+»Euch Beiden erzähl' ich nachher von einander,« setzte er dann lachend
+hinzu, »und nun Sadie, darfst Du es mir nicht machen, wie Brouard --
+nicht wahr ich bekomme keinen Korb, wenn ich Dich jetzt um den Walzer
+bitte?«
+
+»Aber René« sagte, leise sich zu ihm biegend, und hoch erröthend die
+junge Frau, »was wird Mr. Nelson, was Mr. Dennis sagen, wenn sie
+erfahren daß ich hier _getanzt_ -- ich thue doch wohl nicht recht
+damit, und möchte Dir aber auch noch viel weniger weh thun, mit einer
+Weigerung.«
+
+»Thorheit, Sadie, haben wir nicht zusammen die Tänze meines Vaterlands
+vor Mr. Osbornes Augen getanzt auf Atiu?« frug René, mit einem leisen
+Vorwurf in dem Klang der Stimme.
+
+»Auf Atiu,« wiederholte Sadie leise und das Wort rief liebe liebe
+Bilder wach in ihrer Seele -- »auf Atiu!«
+
+»Der alte Mann hatte seine Freude daran, wenn wir fröhlich waren.«
+
+»Aber Mr. Dennis,« sagte Sadie schüchtern.
+
+René zog die Brauen zusammen und sah einen Augenblick finster vor sich
+nieder; aber Sadie legte ihre Hand auf seinen Arm und schaute ihm mit
+ihrem bittenden herzlichen Blick ins Auge. Er sah auf zu ihr, sah das
+halbe Lächeln in ihren Zügen, und rasch seinen Arm um sie schlingend,
+flog er mit ihr den früher oft und gern geübten Tanz dahin in den
+Reihen der fröhlichen schwingenden Paare.
+
+Sadie tanzte mit unendlicher Grazie und Leichtigkeit, aber ihr Herz
+war nicht bei dem Fest; in ihrer Brust wogte und stach es mit
+vorwurfsvoller Stimme und quälte das arme unschuldsvolle Herz mit
+trüben, ängstlichen Bildern. »Du sündigst jetzt« sagte sie sich leise
+und immer und immer wieder vor, und des ehrwürdigen Bruder Dennis
+Stimme klang dabei fortwährend in ihrem Ohr -- »Du hast Dich dem
+wilden sündhaften Tanz ergeben, und der böse Feind greift schon nach
+dem Arm, wo ihm der Finger kaum geboten in Lust und Leichtsinn.«
+
+»An was denkst Du Sadie?« flüsterte ihr René zu, wie er mit ihr
+wirbelnd und sie fest in seinem Arm dahin flog, während die
+eingeborenen Frauen besonders, Sadiens leichtem Tanze bewundernd mit
+den Augen folgten.
+
+Sadie schüttelte leicht und erröthend mit dem Kopf, und zwang sich
+fröhlich zu sein, aber die mahnende Stimme in ihr wurde stärker und
+stärker, und wie schwindelnd lehnte sie sich endlich an Renés Schulter
+und bat ihn sie zu einem Stuhl zu führen.
+
+»Du kannst das rasche Drehen noch nicht vertragen,« lachte der junge
+Mann, sie dort hin geleitend wo Bertrand mit untergeschlagenen Armen
+stand und keinen Blick bis jetzt verwandt hatte von dem Paar -- »nur
+erst ein paar Tänze aber Dich munter im Kreis gedreht, und der
+Schwindel verliert sich schon von selber. Es ist eine Art Seekrankheit
+die wohl die meisten Menschen überstehen müssen.«
+
+»Ah Monsieur Delavigne -- hierher, wenn ich bitten darf, für einen
+Moment nur,« rief in diesem Augenblick die fröhliche Stimme der Mad.
+Belard, die ihm freundlich und dringend winkte zu ihr hin zu kommen.
+Sadie deshalb dem Freunde übergebend, folgte er dem Ruf.
+
+»Monsieur,« rief ihm aber die lebendige kleine Frau schon von weitem
+entgegen, »ich habe Ihnen eine sehr angenehme Nachricht mitzutheilen;
+dort drüben, und ich werde indessen die Sorge für Ihre kleine Frau
+übernehmen, ist eine junge Dame die den Augenblick nicht erwarten kann
+Ihre Bekanntschaft zu machen, und sich schon nach allen Ihren
+Verhältnissen auf das Genaueste und Peinlichste erkundigt hat. Soviel
+rath' ich Ihnen, wahren Sie Ihr Herz.«
+
+»Sie sind zu gütig, Madame,« lachte René, »wenn dem wirklich so ist,
+scheint die Sache in der That gefährlich zu werden.«
+
+»Spotten Sie nicht vor der Zeit,« warnte Madame Belard -- »Sie
+bekommen es mit keinem gewöhnlichen Mädchen zu thun, und werden einem
+Paar Augen Stand halten müssen, denen schon stärkere Herzen erlegen
+sind als ein junger leichtsinniger Franzose wahrscheinlich in seiner
+Brust mit herum trägt.«
+
+»Und die Dame?«
+
+»Warten Sie, dort drüben spricht sie noch mit Madame Choupin, der
+Stiefmutter von Brouards Frau, der möchte ich nicht gerne in die Hände
+laufen.«
+
+»Die junge Dame dort?« rief René rasch, »ah ich habe sie schon vorher
+bemerkt: sie kommt von Papara, wenn ich nicht irre.«
+
+»Das Alles wird sie Ihnen gleich selber mittheilen, Monsieur; aber
+aufrichtig gesagt,« setzte sie schelmisch hinzu, »bin ich selber
+neugierig welch Interesse sie in so auffallender Weise an Ihnen nehmen
+kann. Sie _müssen_ ihr doch fremd sein.«
+
+»Sympathie,« lachte René, »lieb ist mir's aber dabei daß gerade ein so
+reizendes Wesen sich für mich interessirt.«
+
+»Sie müßte denn im Auftrag von Madame Choupin« -- sagte Mad. Belard,
+Renés Arm ergreifend und mit einer komischen Mischung von Besorgniß
+und Schadenfreude zu ihm aufschauend.
+
+»Um der heiligen Jungfrau Willen, Madame,« sagte aber René rasch und
+mit komischer Angst, »schon der Gedanke ist grausam -- oder -- gönnen
+Sie mir mein Glück nicht?«
+
+»_Gönnen_? was wollen Sie damit sagen, Monsieur, -- oder woher wissen
+Sie überhaupt daß Ihnen ein Glück bevorsteht? eitles Männervolk; Ihr
+Herren der Schöpfung werdet aber hier auf den Inseln viel zu sehr
+verwöhnt, und hätte ich früher gewußt was ich jetzt weiß, nie im Leben
+würde ich meine Einwilligung zu einem Umzug nach Tahiti gegeben
+haben.«
+
+»Da kommt Mad. Choupin,« sagte René leise, und Madame Belard erschrak
+und wandte sich rasch ab, den Platz zu verlassen, als sie das boshafte
+Lächeln auf Renés Lippen bemerkte, und sich nun umdrehend sah wie Mad.
+Choupin die andere Richtung eingeschlagen, und die junge Dame im
+Gespräch mit Mad. Brouard zurückgelassen hatte. Madame Belard drohte
+ihm lächelnd mit dem Finger und sagte leise:
+
+»Wenn Sie jenen alten Drachen näher kennten, würden Sie mir vollkommen
+recht geben, und ihn fürchten wie ich, aber -- die Luft ist rein, so
+kommen Sie, denn ich muß mich auch noch um meine anderen Gäste
+bekümmern, und habe nicht Zeit hier Stundenlang mit Ihnen zu
+plaudern.« -- Und seine Hand ergreifend führte sie ihn der Stelle zu,
+wo die junge Fremde mit Madame Brouard, anscheinend in tiefem
+Gespräche stand, behielt aber kaum Zeit für die ersten Worte,
+»Monsieur Delavigne, Mademoiselle Susanne Lewis,« als die Instrumente
+auf's Neue begannen und sich die Paare zur Française anstellten.
+
+»Desto besser, unter dem Tanz werden Sie noch schneller mit einander
+bekannt,« rief die kleine muntere Frau, von dem Paar zurücktretend;
+»dort aber kommt auch _mein_ Tänzer, ~Monsieur le capitain~, und ich
+muß Sie für jetzt Ihrem Schicksal überlassen; doch -- unsere
+Verabredung Monsieur, um die Auflösung dieses Räthsels wünsch' ich
+nicht zu kommen.« Und ohne weiter den beiden jungen Leuten eine
+Antwort zu gestatten, trat sie mit dem ihr jetzt den Arm reichenden
+Capitain zum Tanze an, und Delavigne konnte ebenfalls nichts anderes
+thun, als der schönen Fremden den Arm bieten, den sie auch mit einer
+freundlichen Verneigung und einem eigenen schelmischen Lächeln dabei,
+annahm.
+
+Die ersten Minuten gingen so mit der Anordnung des Tanzes vorüber,
+ohne daß er im Stand gewesen wäre ein Wort weiter mit seiner schönen
+Unbekannten zu wechseln, die erste Gelegenheit aber die sich ihm bot
+ergreifend, sagte er leise:
+
+»Madame Belard hatte mich durch einige freundliche, aber jedenfalls
+nur in Neckerei und Spott hingeworfene Worte ermuthigt zu glauben, daß
+Sie, mein Fräulein, _wünschten_ mich kennen zu lernen; da ich aber gar
+nicht weiß womit ich solch ein Glück verdient hätte -- «
+
+»Sie wissen noch nicht ob das ein Glück für Sie werden wird,
+Monsieur,« lachte aber die Schöne schelmisch, und René sah wirklich
+etwas überrascht zu ihr auf, denn die nämlichen Worte hatte Madame
+Belard kurz vor ihr gebraucht, und konnten die beiden Damen mit
+einander im Einverständniß sein? -- aber weshalb? --
+
+»Es ist jedenfalls schon ein Glück in diese schönen Augen schauen zu
+dürfen,« sagte er jedoch, sich rasch sammelnd -- »und Böses kann da
+wahrlich nicht geschehen.«
+
+»Haben Sie ein gutes Gewissen?« frug die junge Dame.
+
+René lachte -- »Ja und nein, wenn Sie wollen; nicht schwerer zu
+tragen, wie wir Sterblichen überhaupt und durchschnittlich, und auch
+nicht leicht genug um zu befürchten, daß mir das Herz davonflöge über
+Nacht.«
+
+»Sie sind ein weggelaufener Matrose,« sagte die junge Dame jetzt
+lachend und sah neckend zu ihm auf. René erröthete; da aber seine
+Geschichte, wie er diese Inseln betreten, auf Tahiti gar kein
+Geheimniß war, sagte er ruhig:
+
+»Hat man schon versucht, mich Ihnen von der schlimmsten Seite
+vorzuführen?«
+
+»Ob _man_ versucht hat?« lachte die Schöne, »Sie mögen selber
+urtheilen. Uebrigens bin ich bei der Sache näher interessirt, als Sie
+vielleicht glauben -- Sie sind mein Gefangener.«
+
+»Auf Gnade und Ungnade,« lachte René, gern in den leichten Ton des
+wirklich wunderschönen Mädchens eingehend, dessen Reize erst jetzt wie
+es schien, nach und nach seinem Auge sichtbar wurden. »Aber tausend
+solche Gefangene haben Sie wohl schon solcher Art gemacht, und werden
+uns deshalb auch wohl auf unser Ehrenwort entlassen müssen, Ihrem
+Triumphwagen scheinbar frei zu folgen.«
+
+»Auf Ehrenwort? -- geben Sie kein leichtsinniges Versprechen, ehe Sie
+wissen _wem_?«
+
+»Wem?« sagte René erstaunt, aber ihr Gespräch wurde hier durch den
+Tanz unterbrochen, der die Paare vor rief und trennte, und es bot sich
+von jetzt an keine Gelegenheit wieder auch nur ein Wort weiter zu
+wechseln, bis die Française beendet war. René nahm jetzt seiner
+Tänzerin Arm, und sie den Saal niederführend sagte er fragend:
+
+»Und nun, mein Fräulein, lösen Sie mir das Räthsel -- Sie tragen eine
+Maske, legen die Hand daran sie zu lüften, und ziehen sie neckisch
+wieder zurück. Ihr Spiegel sagt Ihnen schon, daß der Allmächtige Ihnen
+einen gewaltigen Zauber in's Auge gelegt über uns arme Sterbliche;
+mißbrauchen Sie die Macht nicht die Ihnen also gegeben -- Sie bedürfen
+dessen nicht.«
+
+»Ein Wallfischfänger ist doch wahrlich nicht der Ort Schmeicheleien zu
+lernen,« lachte die Schöne laut auf, »und dennoch scheint es fast als
+ob Sie selbst dort einen wesentlichen Theil Ihrer Zeit dazu benutzt
+hätten, nicht außer Uebung zu kommen. Oder haben Sie das Alles schon
+wieder hier auf den Inseln profitirt?«
+
+»Mein Fräulein,« bat der junge Mann.
+
+»Sie haben recht,« sagte die junge Dame da plötzlich ernster werdend,
+»es wird Zeit daß wir unsere beiderseitigen Stellungen einnehmen, die
+uns gebühren; also nochmals Monsieur, Sie sind mein Gefangener, René
+Delavigne!«
+
+»Von Herzen gern.«
+
+»Halt -- nicht für mich etwa, Monsieur, sondern für meinen Vater,
+_Jonathan Lewis_, Capitain des dreimastigen Wallfischfängers ~»the
+_Delaware_,«~ gut gekupfertes Schiff erster Klasse A, und derzeit -- «
+
+»Miß Lewis? -- aber wie ist das möglich?« unterbrach sie René in
+vollem, unbegrenzten Erstaunen.
+
+»Derzeit« fuhr aber das schöne muthwillige Mädchen ernsthaft fort,
+»wahrscheinlich und mit Gottes Hülfe schon zu Hause, in Bedford, von
+seinem Kreuzzug heimgekehrt.«
+
+»Aber Sie, eine Französin, des alten durch und durch Jankee Capitains
+Tochter?« rief René, immer noch ungläubig.
+
+»Weigern Sie sich mir zu gehorchen, weil mir der schriftliche
+Verhaftsbefehl gebricht?« frug Miß Susanne.
+
+»Sie sind grausam, Miß.«
+
+»Nun denn, so will ich Ihnen mit zwei Worten das scheinbar
+unerklärliche Räthsel lösen. Erstlich bin ich keine Französin, sondern
+im New-York Staat in Nord-Amerika geboren, früh aber meiner Mutter
+durch den Tod beraubt schickte mich der Vater -- wie Sie mir bezeugen
+werden, ein etwas rauher Seemann -- nach Louisiana hinunter, wo seine
+Schwester an einen französischen Pflanzer verheirathet war. Ist Ihnen
+das nun klar?«
+
+»Ja, aber _jetzt_?«
+
+»Aber _jetzt_? ah, wie ich _hierher_ gerade komme?« lachte die
+Jungfrau -- »Sie verlangen also in der That meine Legitimation? Ist
+das auch etwas ungalant, will ich es doch den außerordentlichen
+Umständen zu Gute halten. Schwächlich von Gesundheit, und von den
+Sümpfen Louisianas mit wirklicher Gefahr für mein Leben bedroht,
+schien es, als ob mir der rauhe Nord dafür keine Linderung bieten
+sollte, denn dort hinauf zurückgekehrt, verschlimmerte sich mein Uebel
+eher, als daß es sich gehoben hätte. Die Aerzte dort verordneten mir
+daher eine Luftveränderung nach irgend einem milderen aber auch
+gesunden tropischen Klima, und mein Vater, damals gerade im Begriff
+ein Schiff zum Wallfischfang auszurüsten, sandte mich mit einem
+Jugendfreund von sich voraus nach Tahiti, mich hier dann später zu
+besuchen und vielleicht wieder abzuholen.«
+
+»Und war der Delaware hier?«
+
+»Nicht wahr _das_ interessirt Sie?« lachte Susanne.
+
+»Der Delaware interessirt mich allerdings,« lächelte René, »und Sie
+werden mir den Grund nicht streitig machen.«
+
+»Nicht ich, Monsieur -- Sie haben volle Ursache, aber ich gebe Ihnen
+auch mein Wort, daß sich der Delaware damals für _Sie_ interessirte,«
+fuhr Susanne fort, »denn mein Vater landete gerade auf Tahiti, als Sie
+von ihm entsprungen waren, und eilte deshalb wieder besonders von hier
+fort den »entsprungenen Matrosen«, wie er mir erzählte, auf jener
+Insel wieder »abzuholen«. Wer mir damals gesagt hätte daß _ich_ so
+glücklich sein sollte ihn wieder einzufangen.«
+
+»Warum waren Sie nicht früher an Bord,« sagte René, »ich wäre nie
+davongelaufen.«
+
+»Trau' Jemand Euch Männern,« rief Susanne abwehrend -- »kaum auf
+festem Land, und mit keiner Sylbe mehr all jener heiligen Bande
+gedenkend die den Flüchtigen jedenfalls noch im alten Vaterland
+fesselten, hat er nichts Eiligeres zu thun als dem Beispiel seiner
+Landsleute zu folgen, und sich ein armes Mädchen zu beschwatzen, das
+ihm die Dauer seines Aufenthaltes hier die Zeit vertreibt.«
+
+»Sie thun mir Unrecht, Mademoiselle.«
+
+»Oh? -- Ihnen sind die gemachten Contrakte wohl stets heilig?«
+
+René biß sich auf die Lippen und sagte nach kleiner Pause:
+
+»Also tadeln sie mich, daß ich mich dem Leben an Bord eines
+Wallfischfängers, dem ich nicht anders hätte für Jahre vielleicht
+entgehen können, durch die Flucht entzogen habe.«
+
+»Nein,« sagte Susanne lachend, und das große schwarze seelenvolle Auge
+zu ihm aufhebend begegnete sie einen Moment seinem Blick, und glitt
+dann wie musternd und mit kaum unterdrücktem Muthwillen an seinem
+Anzug nieder -- »ich begreife nur nicht,« fuhr sie dabei fort, »wie
+Sie je den unglückseligen Gedanken gefaßt haben konnten _an Bord_ zu
+gehen. Hahaha, wenn ich Sie jetzt so vor mir sehe, und Sie dann mir
+als gewöhnlicher Matrose, in all dem Schmutz und entsetzlichen Leben
+eines »~Whalers~« unter dem wüsten rohen Volk denke -- die
+Glacéhandschuh trugen Sie damals noch nicht, wie? -- und auch wohl
+nicht den Frack? -- Und wenn Sie nun damals wieder eingefangen wären?
+aber die Einzelheiten müssen Sie mir nächstens einmal erzählen,
+versprechen Sie mir das?«
+
+»Mit Vergnügen.«
+
+»Und _aufrichtig_?«
+
+»Wie meinem Beichtvater.«
+
+»Hm, ich weiß nicht ob ich mich _damit_ gerade begnügen möchte -- doch
+wir werden ja sehen. Und Ihre -- _Frau_?«
+
+»Steht dort drüben mit jenem Französischen Officier -- darf ich Sie zu
+ihr führen?«
+
+»Ich danke,« sagte die junge Dame mit etwas kalter Höflichkeit -- »ich
+komme aus Louisiana -- und Sie dürfen mir nicht verargen, daß ich
+gerade kein günstiges Vorurtheil habe für -- braune Haut.«
+
+René sah erstaunt, ja beleidigt zu ihr auf, und Susanne begegnete fest
+dem Blick, der in seiner innersten Seele zu wurzeln schien, dort die
+geheimsten Gedanken errathen zu wollen.
+
+Es war ein wunderschönes Mädchen wie sie da vor ihm stand; die volle
+üppige Gestalt doch so zart und schlank in dem elastischen Reiz der
+Jugend; das edle Antlitz mit jenem weichen Zauber blühender Frische
+übergossen, der unsere Sinne auf den ersten Blick gefangen nimmt; die
+Augen voll Gluth und Feuer, und doch wieder eines so sanften Ausdrucks
+fähig daß sie den ernsten Schatten Lügen straften, wenn er streng und
+zürnend daraus hervorblitzen wollte, aber einen Himmel öffnend wenn
+ihr Glanz in milder Ruhe strahlte.
+
+René schaute in diese Sterne voll Gluth und Leben, bis er fast vergaß
+weshalb er zu ihr aufgeblickt, und wie bittere Worte die süßen vollen
+Lippen erst gesprochen; denn wie ein leises Lächeln über die ernsten
+Züge glitt, war es wie spielendes Sonnenlicht auf der murmelnden
+Quelle im Waldesdunkel, mit tausend blitzenden funkelnden Lichtern
+tief hinableuchtend bis auf den reinen Grund.
+
+»Sie sind beleidigt,« sagte sie endlich leise -- »Sie hätten lieber
+gehabt, daß ich eine Unwahrheit gesagt, der Gegenwart zu schmeicheln.«
+
+»Sie bringen ein Vorurtheil mit aus einer fernen Welt,« erwiederte
+René, »und doch verzeih' ich Ihnen gern; Sie kennen Sadie noch nicht.«
+
+»_Sadie_ -- ein schöner, klangvoller Name -- ich wollte ich hieße
+Sadie,« sagte Susanne -- »wir in Nord-Amerika wählen unsere Namen fast
+nur aus der Bibel.«
+
+»Ah, schon wieder einen alten Bekannten getroffen?« unterbrach in
+diesem Augenblick die Stimme des Capitains der ~Jeanne d'Arc~, das
+Gespräch, und zwar gerade zu einer Zeit wo Susanna, mit feiner Hand
+eben wieder eingelenkt hatte in ein milderes Gleis. »Sie haben Glück,
+Monsieur Delavigne -- aber für jetzt möchte ich die Dame wenigstens um
+den mir versprochenen Tanz bitten.«
+
+Miß Lewis nahm, mit einer leisen dankenden Neigung des Kopfes seinen
+Arm, und René freundlich zunickend sagte sie:
+
+»Ich muß sie nachher noch einmal sprechen -- werden Sie kommen?«
+
+René verbeugte sich, aber Sadiens Bild stand in diesem Augenblick vor
+seiner Seele, und er erwiederte das Lächeln nicht.
+
+Als er zurückschritt, sein Weib aufzusuchen, war Sadie eben mit
+Bertrand, der mit der Hand nach ihm hinübergrüßte, zum Tanze
+angetreten, und an dem nächsten Fenster bleibend, lehnte er dort mit
+untergeschlagenen Armen, dem Tanze, an dem er dießmal keinen Theil
+nehmen wollte, zuzuschauen. Im Anfang schwammen ihm aber die Gruppen
+vor den Augen, ohne daß er im Stande gewesen wäre ein einziges Bild
+aufzufassen und zu halten. Vor seiner inneren Seele zog wieder und
+wieder die schöne Fremde -- zogen die kalten Worte, die sie
+gesprochen, vorüber, und ein eigenes Weh, ein Gefühl dem er nicht
+Worte, nicht Ausdruck zu geben vermochte, zuckte ihm durch das Herz.
+Weshalb hatte sie ihn aufgesucht, weshalb sich ihm so freundlich
+zugewandt; um ihn nur wieder zurückzustoßen? -- war das Ganze eine
+gewöhnliche Koketterie gewesen, ihn nur die _Macht_ fühlen zu lassen,
+die sie über Männerherzen auszuüben gewohnt sei, und ihm dann lachend
+die Kluft zu zeigen die zwischen ihnen liege? »Bah -- « um seine Lippen
+zuckte ein verächtliches Lächeln, als ihm der Gedanke aufstieg daß sie
+sich _ihn_ zum Spiel ihrer Laune ersehen haben könnte -- und was sonst
+war ihr Zweck? »Thörichtes Mädchen«, murmelte er leise vor sich hin,
+»Deine Schönheit vermag wohl das Auge zu blenden für kurze Zeit, aber
+den Mangel an Herz kann sie nicht ersetzen; geh und suche Dir ein
+anderes Spiel, bei mir hast Du Deine Zeit verloren.«
+
+Und wieder wechselten die Bilder in Zauberschnelle vor seinem inneren
+Auge -- die liebliche Gestalt in dem prächtigen Ballstaat -- die
+vorüberschwirrenden Paare, deren einzelne Umrisse er schon nicht mehr
+sah; dazu die Musik, alte bekannte, lange lange nicht mehr gehörte
+Töne aus der Heimath -- Weisen nach denen er selbst in schönerer Zeit
+-- heiliger Gott _die_ Erinnerung -- -- Er barg die Augen mit der
+linken Hand, aber nur wilder und unermüdlicher stürmten die Gedanken
+auf ihn ein, und nicht mehr entgehen konnte er den unabweisbaren.
+
+Mehre Minuten mußte er so gestanden haben, als eine leichte Hand
+seinen Arm berührte, und fast erschreckt blickte er empor.
+
+»Bist Du krank?« sagte eine leise, liebe Stimme, und Sadies treue
+seelenvolle Augen schauten bang und sorgend zu ihm empor; aber er
+bedurfte Secunden sich zu sammeln, sich zurückzurufen aus den Scenen
+in denen er jetzt -- zum ersten Mal wieder nach langen Jahren --
+geweilt, und die er bis dahin mit fester Willenskraft
+zurückgeschleudert hatte wohin sie gehörten -- in die Vergangenheit.
+Heute zum ersten Mal wieder, geweckt durch den Jugendgespielen
+vielleicht -- vielleicht durch jenes schöne, kalte Bild, das ihn anzog
+und abstieß zugleich in wunderbarer Kraft, waren sie in altem Grimm
+und Schmerz erwacht, und es bedurfte wahrlich eines anderen, kaum
+minder starken Zaubers ihre Gewalt zu brechen, oder doch zu mildern.
+
+Sadie -- wie ein Sonnenstrahl der Wolken Nacht durchbricht, und Licht
+und Leben über die noch vor wenig Augenblicken nur mit Nebelschatten
+gedeckten Fluren wirft, so tauchte plötzlich das holde Bild in all
+seiner Milde und Lieblichkeit vor ihm auf, und Harfentönen gleich, die
+mit den weichen vollen quellenden Tönen nicht mehr allein durch das
+Ohr, nein durch alle Poren unseres Körpers in die Seele dringen und
+die Nerven nachklingen machen ihre Harmonie, in dem Vibriren ihrer
+feinsten Fasern, so sah er nicht allein das holde Kind in all seiner
+Lieblichkeit vor sich stehen, nein so fühlte er auch das Wohlthuende
+ihrer Nähe, das den bösen Geist zurückdrängte der ihn beschlich, und
+leise ihre Hand ergreifend, die in der seinen zitterte flüsterte er
+das Zauberwort, das sich ihm selber retten sollte -- »Sadie!«
+
+»Du bist krank, René,« sagte aber die junge Frau, ihn zum Fenster
+drehend -- »Du siehst bleich und angegriffen aus -- laß uns zu Hause
+gehen« -- setzte sie dann rasch und leiser hinzu -- »Dir wird wohler
+dort, viel wohler, und -- mir auch.«
+
+»Mir fehlt Nichts, Du holdes Kind,« erwiederte René lächelnd -- ein
+eigenes Gefühl trieb ihn seine jetzige Bewegung wie deren Ursache vor
+dem Weibe zu verbergen, aber es lag etwas Gezwungenes in den Worten,
+und das Auge der Liebe täuschte es nicht. René fühlte das auch wohl,
+und jeden weiteren Verdacht zu beschwichtigen, vielleicht weiteren
+Fragen zu entgehen, die er fürchtete, setzte er mit lauter fröhlicher
+Stimme hinzu: »nein Kind, mir ist sogar heut' Abend recht froh und
+leicht zu Sinn, und ich will noch recht viel tanzen. Verschmähte
+Freude kehrt nimmermehr zurück und es wär' Sünde sie von der Thür zu
+weisen.«
+
+»Ich weiß nicht von wem Sie sprechen,« sagte in diesem Augenblick eine
+lachende Stimme an seiner Seite, und die muntere Madame Belard trat
+zu ihnen hinan -- »aber nicht mehr wie schuldige Artigkeit wär' es,
+sollt ich denken, die Wirthin, wenigstens zu einem einzigen Tanz zu
+engagiren, daß sie nicht den _ganzen_ Abend auch nur zusehen muß, wie
+sich ihre Gäste amüsiren.«
+
+René hätte in diesem Augenblick keine erwünschtere Entschuldigung
+finden können, einer ihm jedenfalls peinlichen Besorgniß, ja mehr
+noch, weiteren Fragen auszuweichen, und Sadie freundlich zunickend,
+bot er der Frau Belard den Arm. Diese aber, die ihm noch scherzend den
+Text las über seine für sie keineswegs schmeichelhafte Unhöflichkeit,
+bat er jetzt mit all jenem liebenswürdigen Leichtsinn, der ihm so gut
+stand vielleicht weil er ihm so ganz natürlich war, um Verzeihung, des
+begangenen Fehlers wegen, den er schon wieder gut machen wolle, wenn
+sie nur eben freundlich genug sein würde ihm Gelegenheit dazu zu
+gönnen.
+
+»Hallo Sadie,« sagte in diesem Augenblick Aumama, die an ihre Seite
+trat, »Du machst ja ein merkwürdig ernstes Gesicht -- bist Du schon
+müde?«
+
+Sadie schüttelte lächelnd mit dem Kopf.
+
+»So leicht nicht, Aumama,« sagte sie leise, ihren Arm um der Freundin
+Schulter legend, »und mir gefällt das Tanzen wundergut, wenn ich nur
+wüßte« setzte sie wieder ernster werdend und leiser hinzu -- »ob wir
+auch recht thun mit solcher Lust, und vielleicht nicht gar eine Sünde
+begehen, von der wir uns selber vorlügen, daß das Ganze ja doch nur
+eine unschuldige Freude sei.«
+
+»Und was ist's sonst?« lachte Aumama, »nimm mir den Tanz, und ich geb'
+Dir mein Leben in den Kauf. -- Nur die Gesellschaft -- und die Art
+hier _wie_ sie's treiben gefällt mir nicht. -- Das Umfassen hemmt die
+freie fröhliche Bewegung der Glieder, das Drehen treibt mich
+schwindlich, daß sich die Stube mit mir im Kreise wirbelt. Auch die
+Wände, der Boden hier machen mich irr und unbehaglich; mir wird als ob
+ich draußen im Canoe in offener See triebe und die Wellen mich auf und
+nieder würfen. Nein, gieb mir den freien offenen Plan, die blühenden
+Zweige und blinkenden Sterne über uns, die lustige Trommel zum
+Einschlag in Tritt und Sprung, und ich bin Dein mit Leib und Seele,
+wie Du mich willst. Hei wie die Tapa im Winde flattert und die Locke
+Dir um die Schläfe jagt, wie das Blut da durch die Adern schießt, und
+zu flüssigem Feuer wird, eh' es zum Herzen zurückkehrt. Bah, hier der
+Tanz ist kalt -- kalt wie das Land aus dem er kommt, und es kann mir
+das Herz nicht erwärmen, ob sie auch blasen und Specktakel machen mit
+ihren wunderlichen Instrumenten, aus Leibeskräften. Nicht einmal eine
+Trommel haben sie dabei, und das nennen sie Musik.«
+
+»Du bist ein wunderliches Mädchen,« lächelte Sadie -- »fremde Völker
+haben doch auch fremde Sitten.«
+
+»Eben deshalb sollen sie uns die unseren lassen,« trotzte Aumama --
+»aber, was ich Dich fragen wollte,« setzte sie ernster hinzu -- »wer
+ist das weiße Mädchen das mit René so lange tanzte, und so viel mit
+ihm zu sprechen hatte?«
+
+»Ich weiß es nicht,« sagte Sadie -- »eine Fremde, glaub' ich, die von
+Papara oder dessen Nachbarschaft kommt, und wohl hier wohnen bleiben
+wird; -- warum?«
+
+»Mir gefiele das nicht, wär' ich wie Du,« sagte die Freundin mit dem
+Kopfe schüttelnd -- »sie hat ein glattes listiges Gesicht und ihr
+Blick -- ich konnte ihre Sprache nicht verstehen, aber das ist oft
+nicht nöthig wenn die Augen so deutlich reden wie die Lippen.«
+
+»Und was haben die Dir gesagt?« frug Sadie.
+
+»Nichts was mich freute,« antwortete Aumama, »aber auch Nichts was ich
+wieder erzählen möchte; man soll keinem Menschen etwas Uebles
+nachreden, noch dazu auf den bloßen Verdacht hin.«
+
+»Du bist ärgerlich auf die fremden Frauen,« sagte Sadie lächelnd,
+»weil Du nicht mit ihnen umgehen kannst wie wir es gewohnt sind unter
+einander; es ist wohl möglich daß Du ihnen dabei unrecht thust. Aber
+René hat seitdem gar nicht wieder mit ihr gesprochen.«
+
+»Aber auch mit Niemand Anderem,« sagte Aumama schnell -- »er stand da
+am Fenster und stützte den Kopf in die Hand, bis Du zu ihm kamst.«
+
+Sadie schwieg und sah sinnend vor sich nieder; ihr Blick haftete aber
+nicht lange am Boden, sondern suchte den Gatten, in dem wilden Gewirr
+des Tanzes, dem sich René wieder mit vollem Eifer hingegeben. Aber
+die, nach der ihr Blick dann umherschweifte, fand sie nicht; Miß Lewis
+hatte den Saal verlassen und René lachte und plauderte noch immer mit
+seiner lebendigen Tänzerin, der Frau Belard.
+
+Doch neue Gäste kamen zum Tanz, in dem jetzt gerade eine kurze Pause
+eintrat, den Tänzern Gelegenheit zu geben sich an den hie und da
+angebrachten und mit Früchten, Kuchen und Wein bedeckten Tafeln zu
+erfrischen, und kaum schwieg die Musik, als Manche der wilden Mädchen,
+froh eines lästigen Zwanges enthoben zu sein, in die Mitte des Saales
+sprangen und sich dort bald von einem großen Theil der Männer umgeben
+fanden.
+
+»Kommt!« rief Eine der fröhlichen Schaar, sich jetzt wenig an die
+geputzten Fremden kehrend, deren unbekannte Weisen und monotones
+Drehen im Ring herum sie schon lange geärgert und ermüdet hatte,
+
+ »Komm! denn der scharfe Ton
+ Hat mich gelangweilt schon,
+ Komm!
+ Zuckt mir's durch Fuß und Knie,
+ Zuckt mir's im Herzen hie!
+ Komm!«
+
+»Frieden, Wahine -- gieb Ruhe -- fort mit Dir, Mädchen!« riefen
+einzelne lachende Stimmen dazwischen -- »hier ist kein Platz für Euere
+wilden Tänze, wo fremde Frauen sind -- auseinander mit Euch!«
+
+»Fort?« riefen aber Andere dazwischen, denen der wilde bekannte Laut
+die Pulse schon rascher klopfen machte --
+
+ »Fort? laß sie schwatzen da,
+ Herzchen wir kommen ja,
+ Fort --
+ Rasch nur die Trommel her,
+ Stehn wir nicht müßig mehr.
+ Fort!«
+
+und den Takt auf den Lenden schlagend mit ihren flachen Händen, und
+singend und lachend begann die muntere Schaar, trotz dem Einspringen
+einzelner Männer, die vielleicht nicht mit Unrecht fürchteten daß der
+Tanz in dem Uebermuth des jubelnden Schwarmes ausarten könnte, den
+wilden ~Upepehe~, den Lieblingstanz ihres Stammes.
+
+Die neuangekommenen Gäste, zwei Marine-Officiere der ~Jeanne d'Arc~,
+mischten sich gleich lachend unter die jubelnden Dirnen, die sie fast
+Alle kannten, und Mad. Belard beschwor jetzt René, seinen Einfluß
+aufzubieten das zügellose Volk wieder zur Ordnung zurückzubringen, was
+aber mit nicht wenig Schwierigkeiten verbunden war. In der Mitte
+gestört, stoben sie nach allen Seiten hinaus, jede auf eigene Hand den
+begonnenen Tanz auszuführen, und es wurde auch in der That erst dann
+möglich sie wieder zu vollkommener Ordnung zu bringen, als die
+Trompeten, auf Renés Zeichen, von Neuem zu einem Tanze einsetzten und
+dadurch die Mädchen, die denen entgegen nicht ihren eigenen Takt
+beibehalten konnten, zwangen aufzuhören.
+
+Als die Musik nun aber, nicht wieder durch eine neue Pause neue
+Störung zu verursachen, in dem begonnenen Stücke blieb, sahen sich die
+letztgekommenen Officiere ebenfalls nach Tänzerinnen um. Von weißen
+Damen schien aber nur noch Mrs. Noughton übrig geblieben zu sein, die
+trotz allen Aufforderungen auch noch nicht einen Schritt heut' Abend
+getanzt, sondern wacker an der Seite ihres eben so langweiligen
+Gatten auf dem einen Canape ausgehalten hatte. Madame Belard war mit
+Monsieur Brouard angetreten, Madame Brouard mit dem Capitain, und
+Fräulein Susanne blieb verschwunden. Mrs. Noughton weigerte sich aber
+auch dießmal mit einer steifen Verbeugung an dem Tanze Theil zu nehmen
+und Einer der neugekommenen Officiere schaute eben, leicht getröstet,
+im Saal umher, sich unter den anwesenden Insulanerinnen Eine
+herauszusuchen, mit der er möglicher Weise im Walzer fortkäme, als er
+Sadie bemerkte, deren Europäische Tracht ihm gerade nicht besonders
+auffiel. Rasch auf sie zu tretend, legte er seinen Arm um ihre Taille
+und sagte:
+
+»Komm Wahine, dann wollen wir einmal versuchen wie wir herum kommen,
+und halt das Köpfchen steif, daß Du mir nicht schwindlich wirst; ich
+drehe Dich schon.«
+
+René hatte sich mit Bertrand wieder zusammengefunden, und schritt eben
+langsam der Stelle zu wo Sadie stand, als er sah wie sie sich in dem
+Arm des Fremden sträubte und sich ihm zu entwinden suchte; der junge
+Officier aber, schon seit Monden langem Aufenthalt auf den Inseln
+gewohnt mit den Frauen Tahitis umzugehen, glaubte nur hier eine etwas
+spröder als gewöhnliche Schöne gefunden zu haben, und rief lachend:
+
+»Zum Teufel, mein Mädchen, stemme Dich nur nicht, ich thue Dir
+Nichts;« Sadie aber war so erschreckt, daß sie nicht vermochte einen
+Laut über die Lippen zu bringen und sich von dem starken Manne schon
+emporgehoben fühlte, als René mit einem Sprung an ihrer Seite war, und
+seine Hand mit einem Eisengriff in des Soldaten Schulter heftend, mit
+vor Zorn bebender und kaum hörbarer Stimme sagte:
+
+»Zurück da, Monsieur -- das ist mein Weib.«
+
+»Sollst sie behalten, Kamerad,« lachte der junge, etwas rohe
+Marine-Officier, »aber ein Tänzchen muß sie erst mit mir machen, davon
+hilft ihr kein Gott.«
+
+»Lassen Sie mich los, Monsieur!« rief auch in diesem Augenblick Sadie,
+die durch Renés Gegenwart ermuthigt, ihre Sprache wieder gewann, und
+der Officier, durch das flüssige Französisch der Insulanerin
+überrascht, ließ kaum in seinem Griff um ihre Taille nach, als er sich
+auch schon von dem, kaum seiner Sinne mehr mächtigen René gefaßt und
+mehre Schritte zurückgeschleudert fand.
+
+»Teufel!« schrie er, und die Hand fuhr fast unwillkührlich nach dem
+leeren Degenkoppel, Bertrand sprang aber dazwischen, und der Officier
+auch, sich rasch besinnend wo er sich befand, und daß er hier das Fest
+nicht stören durfte, biß nur die Zähne auf einander und winkte dem,
+trotzig zu ihm hinüberschauenden René ihm zu folgen. Aber andere Augen
+hatten ebenfalls den Wink gesehen und verstanden, und ehe René im
+Stande war sich von Sadie frei zu machen, und dem stillen aber wohl
+begriffenen, ja erwarteten Ruf zu folgen, fühlte er eine Hand auf
+seiner Schulter, und der Capitain der ~Jeanne d'Arc~, der gerade
+zufällig mit seiner Tänzerin dort stehen geblieben, und Zeuge des
+ganzen blitzesschnell in einandergreifenden Vorfalls gewesen war, bat
+ihn, nur wenige Minuten auf seiner Stelle zu bleiben, bis er ihm
+Antwort bringe von draußen. Dann ohne weiteres dem Officier folgend,
+erreichte er diesen gerade an der Thür, faßte seinen Arm und führte
+ihn mit sich hinaus.
+
+In dem Saal war indessen für den Augenblick Todtenstille eingetreten;
+die Musici, vor denen der Streit stattgefunden, hatten auch fast wie
+verabredet, aufgehört zu blasen so wie die Tänzer stockten. Auch die
+übrigen Gäste, wenn auch nur wenige von ihnen die Ursache des so
+plötzlich aufgetauchten Streites kannten, sahen daß er schon zu weit
+gegangen war, anders als mit Blut wieder gesühnt zu werden, und
+standen in jener peinlichen Erwartung, dem Ausgang des Ganzen
+entgegenzusehen, die wir uns wohl stets bei irgend einer nahenden
+Gefahr, mag sie uns oder einen Andern bedrohen, beschleichen fühlen.
+Nur die eingeborenen Mädchen, denen nicht entgangen war daß Einer der
+Betheiligten den Saal verlassen hatte, glaubten damit natürlich Alles
+beigelegt, und zuerst die feierliche und so plötzliche Stille um sich
+her einen Augenblick erstaunt beobachtend, gewann das leichte Element
+bei ihnen doch nur zu bald wieder die Oberhand.
+
+»Hierher Waihines!« rief plötzlich die lachende Stimme Nahuihuas,
+der Schwester Aumamas, mit der Lefevre schon fast den ganzen Abend
+getanzt --
+
+ Schnell!
+ Schnell wie der gier'ge Hai
+ Schneidet die Fluth entzwei,
+ Schnell --
+
+»Ruhe Wahine!« flüsterte es rasch um sie her, und das Mädchen schwieg
+erschreckt, mitten in ihrem Gesang, als sie die ernsten finstern
+Gesichter all' erblickte, die sich rasch und bestürzt auf sie
+richteten.
+
+Madame Belard wußte aber wie dieser böse Geist zu bannen sei, und dem
+Orchester ein Zeichen gebend, daß jetzt rasch wieder in den
+unterbrochenen Tanz einfiel, ergriff sie den Arm Renés und den halb
+Widerstrebenden mit sich fortziehend, flüsterte sie leise und
+dringend:
+
+»Ei, Sie ungezogener Mensch, den eine Dame zum Tanz förmlich mit
+Gewalt _zwingen_ muß. Sie haben mir meinen Tänzer fortgejagt, und sind
+jetzt auch verpflichtet dessen Stelle zu übernehmen. Ueberdieß fühlen
+Sie denn nicht daß Alles auf Sie achtet?« setzte sie leiser hinzu.
+»Machen Sie wieder gut was Sie verdorben haben, und zeigen Sie den
+Leuten daß Sie gar nicht daran denken Skandal anzufangen!«
+
+René fühlte mehr wie er verstand, daß sie recht hatte; einen Blick
+nach Sadie zurückwerfend, die er jetzt in Bertrands Schutz sah, kam
+ihm auch die Erinnerung an das Vergangene, und sich zu seiner
+liebenswürdigen Tänzerin niederbiegend bat er leise:
+
+»Vergebung, theuerste Frau, Vergebung für den fatalen Auftritt den
+ihnen hier meine Hitze bereitet, aber -- «
+
+»Ich weiß Alles,« beruhigte ihn Madame Belard, »ein Mißverständniß nur
+-- ruhig Monsieur, Sie sollen mir nicht wieder hitzig werden und
+aufbrausen, so lange _ich_ jetzt in Ihrem Schutze bin -- ein
+Mißverständniß war die ganze Ursache, der junge Officier, der Sie gar
+nicht kannte, kann nicht die Absicht gehabt haben Sie oder Sadie
+wissentlich beleidigen zu wollen, und würde vielleicht eben so leicht
+daran denken sich einen Finger abzuschneiden, als Streit zu suchen
+hier bei mir.«
+
+»Aber er hat -- «
+
+»Ich weiß ja Alles,« unterbrach ihn wieder Madame Belard, in
+gutmüthiger Ungeduld mit dem Kopf schüttelnd, als sie zum Ausruhen
+abgetreten waren und Nichts als eingeborene Frauen um sich sahen, die
+nicht verstanden was sie sprachen. »Er hat Ihre Frau nach _unseren_
+Begriffen von dem was sich schickt und gehört, beleidigt, und wäre das
+auf einem Europäischen Ball vorgefallen, so könnte nichts anderes als
+Degen oder Pistol den Streit entscheiden; hab' ich recht?«
+
+»_Wäre_ das?« wiederholte René erstaunt -- »und ist das nicht hier, bei
+_meiner_ Frau genau dasselbe?«
+
+»Nein, nein und abermals nein!« sagte aber Madame Belard ungeduldig;
+»nach Insulanischen Begriffen von Ehre und Schicklichkeit -- «
+
+»Aber meine Frau ist -- «
+
+»Eine Insulanerin, Sie mögen's drehen und wenden wie Sie wollen; und
+wenn sie eine Ausnahme macht von den übrigen, von denen sie allerdings
+wie Tag und Nacht verschieden ist, so liegt der doch nicht auf der
+_Haut_ zu Tage, und das junge fröhliche Stück von einem Officier, das
+in seinem Uebermuth, von den Schiffsbanden auf einen Abend frei zu
+sein, nur hier herein springt, sich, wie es keine weiße Tänzerin
+bekommen kann, nach dem schönsten Indianischen Gesicht umschaut und
+da aus Versehen gerad' auf _Ihre_ Frau trifft, hätte eben so gut
+vermuthen können einen Neger in weißer Haut zu finden, als eine
+Indianerin, die sich so ganz ihrer eigenen Sitten entschlagen, und
+Europäischen Gebräuchen mit ihrer Sprache und Haltung zugewandt hat.«
+
+»Aber ihre ganze Kleidung mußte ihm das schon von vorn herein
+verrathen.«
+
+»Als ob Ihr Männer überhaupt je sähet womit sich eine arme Frau
+herausgeputzt hat, diesen Herren der Schöpfung zu gefallen,« spottete
+die junge Frau halb im Scherz halb im Ernst; »entweder Ihr mustert
+ganz genau und auf das peinlichste, immer dabei Eueren schlechten
+Geschmack bewährend, oder Ihr wißt nicht einmal ob wir Seide oder
+Cattun getragen, wenn wir Stunden lang in Euerer Gesellschaft gewesen
+sind -- Gott ist der Mensch grob,« seufzte sie dann nach einer kleinen
+Pause, als René schwieg und vor sich nieder schaute, mit komischem
+Ernst; »handgreiflich leg' ich's ihm in den Weg, und nicht eine kleine
+unbedeutende Schmeichelei sagt er mir dafür.«
+
+»Liebe Madame Belard,« bat René.
+
+»Ich bin schon wieder gut,« lachte die kleine Frau, »aber René,«
+setzte sie ernster, und einen Blick umherwerfend ob sie Niemand
+überhöre, hinzu -- »seien Sie auch vernünftig, setzen Sie sich über
+eine kleine Vernachlässigung Ihres sonst so lieben Weibchens eher
+einmal hinweg, als Sie es nöthig hätten wenn sie -- eben von --
+unserer Farbe wäre. Der Fremde kann nun einmal unsere
+Privatverhältnisse nicht so leicht durchschauen, und wird der
+_farbigen Eingeborenen_ nie eine solche Achtung und Aufmerksamkeit
+zollen, als ob sie ihm ebenbürtig wäre.«
+
+»Und ist sie das nicht?« rief René erstaunt, und Madame Belard biß
+sich auf die Lippen; sie zögerte augenscheinlich mit einer Antwort,
+die sie sich scheute gerade auszusprechen.
+
+»Lieber René,« sagte sie endlich nach einer kleinen Pause mit
+wirklicher Herzlichkeit im Ton, wie sie bis jetzt noch nie zu ihm
+gesprochen, »Sadie ist ein liebes herziges Kind, eine Frau die man
+lieber gewinnt mit jedem Tag, und ihre ganze Seele liegt in ihrem
+Blick, aber -- «
+
+»Aber? Madame Belard?«
+
+»Sie haben sich mit ihr die Rückkehr in die Heimath abgeschlossen,«
+setzte die kleine Frau endlich entschlossen hinzu -- »Sie haben sich
+auf Ihre Bambushütte und den Meeresstrand beschränkt, und -- ich weiß
+nicht ob Sie daran gut gethan haben.«
+
+»Und paßt Sadie nicht in jede Gesellschaft?«
+
+»Ja -- aber die Gesellschaft paßt nicht für sie;« lautete die rasche
+Antwort; »wenn sie von der Gesellschaft als das aufgenommen würde was
+sie wirklich ist, in all' ihrer Anmuth und holden Weiblichkeit, keine
+andere Frau könnte höher stehen, aber wir leben nun einmal in einer
+Welt von Vorurtheilen, und -- können nicht durch die Wand mit dem
+Kopf.«
+
+»Aber ich will von der Welt Nichts mehr -- mir genügt das Glück das
+ich besitze -- sie sollen mir das nur unverkümmert lassen.«
+
+Madame Belard schüttelte mit dem Kopf und sagte ernst:
+
+»Sie kennen sich selber nicht, Delavigne, und sind hier in
+Verhältnisse gekommen, die Sie noch nicht übersehen können; gebe Gott
+daß ich unrecht habe, aber Sie passen so wenig zu dem thatenlosen
+Leben dieser Inseln wie -- ich, und ich will auch meinem Gott danken,
+wenn Monsieur Belard einmal ebenso denken lernt und die Segel wieder
+heimwärts setzt.«
+
+»Und was sollte mich hindern ebenfalls nach Hause zurückzukehren?«
+frug René, doch sein Auge suchte dabei den Boden als er sprach, und
+nur als Madame Belard gar nicht antwortete sah er auf, und vor ihm
+stand, mit einem eigenen Lächeln auf den zarten Lippen, _Susanne_;
+aber ohne ihn anzureden schüttelte sie nur leise und wie mißbilligend
+mit dem Kopf und schritt langsam der Stelle zu, auf welcher sich Herr
+und Madame Brouard eben zum Fortgehen anschickten. Ihm blieb jedoch
+keine Zeit weiter, denn durch die Tänzer schritt der Capitain der
+~Jeanne d'Arc~, und mit einer entschuldigenden Verbeugung gegen Madame
+Belard René's Arm ergreifend, führte er ihn mit hinaus in's Freie, wo
+die kühle Seeluft seine heiße Stirn fächelte, und die Sterne gar
+freundlich und traut auf sie herniederschienen.
+
+»Mr. Delavigne,« begann er hier, freundlich des jungen Mannes Hand
+fassend und drückend, »es ist zwischen Ihnen und einem meiner
+Officiere ein mir höchst fataler, ja schmerzlicher Fall vorgekommen.«
+
+»Ich stehe dem Herrn mit Vergnügen jeden Augenblick zu seiner
+Genugthuung bereit,« erwiederte René ruhig.
+
+»Ich weiß das, ich weiß das,« beseitigte es der Capitain -- »aber die
+Sache ist, daß Sie Beide recht und Beide unrecht haben.«
+
+»Ich verstehe Sie nicht,« sagte René.
+
+»Ich will mich deutlicher erklären,« fuhr der Capitain fort; »Sie sind
+selber zu gut mit den hiesigen Verhältnissen bekannt, als daß ich
+nöthig hätte Ihnen den Standpunkt anzugeben, auf dem die Indianischen
+Mädchen den Europäern gegenüber stehen; Sie müssen den geringen
+moralischen Zwang kennen, den sich beide Theile hier auferlegen, und
+Monsieur Rodolphe konnte keine Ahnung haben, daß Eine von Tausenden
+eine solche Ausnahme ihres Geschlechts hier machte.«
+
+»Er ist vollkommen gerechtfertigt Genugthuung zu verlangen,«
+erwiederte René, dem es weh that das Geschlecht der Indianer so
+herabgewürdigt zu sehen; doppelt weh vielleicht weil er fühlte wie
+viel Wahrheit das Gesagte enthalte.
+
+»Tollköpfiges Geschlecht,« murmelte der Capitain, den Kopf ärgerlich
+herüber und hinüber werfend, »aber Ihr sollt Euch nicht schießen,
+Mann, Ihr sollt Euch mit einander vertragen, und einsehen daß Euch
+Gott Euere gesunden Glieder gegeben hat, sie zur Ehre Eueres
+Vaterlandes einzusetzen, wenn's Noth thut, aber nicht da in die
+Schanze zu schlagen, wo es nur eines offenen Wortes zwischen beiden
+Theilen bedarf, sich zu überzeugen daß Beide unrecht hatten.«
+
+»Monsieur Rodolphe wird schwerlich, nach dem Vorhergegangenen, das
+erste Wort zum Frieden bieten,« sagte René vor sich hin.
+
+»So thun _Sie_ es, Delavigne,« rief der Capitain.
+
+»Ich? -- nie« -- zischte René zwischen den zusammengebissenen Zähnen
+durch -- »er hat mein Weib beleidigt und jeder Andere hätte wie ich
+gehandelt. Aber trotzdem will ich die Hand zur Versöhnung reichen,«
+setzte er finster hinzu, »wenn Monsieur Rodolphe mit mir zu Madame
+Delavigne geht, und die Dame dort, der begangenen Rohheit wegen, um
+Entschuldigung bittet. Sie wissen selber Capitain, daß nach unseren
+Begriffen von Ehre keine weitere Wahl mir oder ihm bleibt.«
+
+»Aber Delavigne, das würde bei -- das würde bei -- das würde in Europa
+nöthig sein, aber hier -- «
+
+»Und sind unsere Gesetze der Ehre hier anderer Art?« frug René ihm
+scharf dabei in's Auge schauend.
+
+Capitain Sinclair biß sich auf die Lippen -- er konnte Nichts darauf
+erwiedern wenn er René nicht kränken und einen zarten, höchst
+schwierigen Punkt berühren wollte; aber er wußte auch daß sich
+Rodolphe gerade wieder _seinen_ Begriffen von Ehre nach, einer
+Insulanerin gegenüber, deren Ehen mit den Weißen als viel zu leicht
+und zu wenig bindend angenommen wurden, nie dazu verstehen würde.
+
+Es blieb da weiter keine Wahl, und tief aufseufzend und ärgerlich sich
+abdrehend sagte der Capitain, der gern das Aeußerste vermieden hätte,
+aber die Unmöglichkeit auch einsah:
+
+»So macht was Ihr wollt; schießt Euch beide ein paar Kugeln durch die
+Jacken -- so sind ein paar Tollköpfe weniger auf der Welt -- aber ich
+will mit der ganzen Sache Nichts weiter zu thun haben -- Nichts davon
+wissen -- die Folgen über Euch!«
+
+Er kehrte raschen Schrittes in das Haus zurück, von der anderen Seite
+aber näherte sich dem jungen Mann ein Marineofficier und sagte
+höflich:
+
+»Monsieur Delavigne, wenn ich recht bin?«
+
+»So ist mein Name.«
+
+»Sie wissen, was -- «
+
+»Ich stehe Ihnen mit Vergnügen zu Diensten.«
+
+»An wen wünschen Sie daß ich mich wende?«
+
+»Lieutenant Bertrand wird so freundlich sein -- «
+
+»Ah -- besten Dank, Monsieur, und guten Abend.«
+
+Mit höflichem Gruß trennten sich die beiden Männer, und René folgte
+dem vorangegangenen Capitain, Bertrand in Kenntniß zu setzen und um
+seinen Beistand zu bitten, und seine Frau nach Hause abzuholen. Der
+Abend war ihm verleidet worden gegen weitere Lust und Freude.
+Unbemerkt, wenigstens unbeachtet hatte er dabei gehofft den Saal
+wieder betreten zu können, Madame Belard schien ihn aber schon in
+Angst und Sorge erwartet zu haben, und seinen Arm ergreifend führte
+sie ihn den Saal entlang.
+
+»Was haben Sie gethan?« flüsterte sie dabei, »Sie wilder Mann; und die
+arme Frau sitzt da drin und weint und sorgt und grämt sich, und weiß
+-- ahnt noch nicht einmal das Schlimmste.«
+
+»Wo ist Sadie?« frug René leise, sich im ganzen Saal vergebens nach
+ihr umschauend.
+
+»Auf meinem eigenen Zimmer -- ich führe Sie dorthin.«
+
+»Nur einen Augenblick, Madame,« bat René, »ich habe nur einem Herrn da
+drüben zwei Worte zu sagen; entschuldigen Sie mich nur einen Moment,
+ich bin gleich wieder bei Ihnen.«
+
+»Und so soll es doch zum Aeußersten getrieben werden?« flüsterte
+erbleichend Madame Belard.
+
+René zuckte die Achseln -- aber Bertrand, ebenfalls im Begriff den
+Saal zu verlassen, stand nur wenige Schritte von ihm entfernt --
+wenige Worte leise geflüstert, genügten -- sie drückten einander die
+Hand, und René eilte rasch zu seiner ihn ängstlich erwartenden
+Führerin zurück.
+
+»Was Ihr für entsetzliche Männer seid,« sagte sie dabei, als sie den
+Saal verlassen hatten und die Treppe hinaufstiegen, der höher
+gelegenen Wohnung zu -- »mit kaltem Blut verabreden sie da einander zu
+morden oder zu verstümmeln, und machen sich weiß dabei daß es nöthig,
+unumgänglich nöthig wäre. Guter Gott wie wird das jetzt enden. -- Aber
+da gehen Sie hinein, und gehen Sie zu Haus mit ihr, so rasch Sie
+können -- sie sehnt sich zu ihrem Kind, und ich möchte mich selber
+hinsetzen und weinen, wenn ich daran denke wie das arme süße Wesen,
+das hier Kummer und Sorge trägt unverschuldet, von mir eingeladen war
+sich zu amüsiren, und jetzt zu Hause geht, das Herz voll zum
+Ueberlaufen von Wehmuth und Leid. Sie dürfen mit ihr hier auf Papetee
+nicht mehr unter weiße Männer gehen, René, oder Sie können der armen
+Frau noch selber das Grab hier graben auf der fremden Insel.«
+
+Und damit, ohne weiter eine Antwort von ihm abzuwarten, öffnete sie
+die Thür ihres Zimmers, ließ René eintreten und kehrte dann selbst zu
+ihren Gästen zurück, dort keinen Verdacht zu erwecken daß irgend etwas
+Außerordentliches vorgefallen sei, was den Frohsinn hätte stören
+dürfen.
+
+
+
+
+Capitel 7.
+
+#Unterwegs.#
+
+
+René betrat rasch das kleine sonst so freundliche jetzt aber nur von
+einer einzigen düster brennenden Lampe kaum erleuchtete Gemach -- eine
+eigene Angst, über die er sich eigentlich keine Rechenschaft zu geben
+wußte, preßte ihm das Herz zusammen, und nur zum Theil beruhigte es
+ihn, als ihm Sadie entgegen kam und beide Hände für ihn ausstreckte.
+Er zog sie leise an sich, und sie schmiegte ihr Köpfchen fest, fest an
+seine Schulter, ohne ein einziges Wort zu sagen, ohne einen Laut
+auszustoßen.
+
+»Arme Sadie,« flüsterte er leise, und küßte sie auf die heiße glühende
+Stirn -- fester drückte sie sich an ihn, aber sie athmete kaum, und
+René fühlte wie sie in seinem Arm zitterte.
+
+»Wir wollen zu Hause gehen, mein süßes Lieb,« sagte er flüsternd zu
+ihr niedergebeugt, und sie nickte heftig an seiner Brust, aber ohne zu
+reden -- das Herz war ihr so voll -- so voll und so weh. Schweigend
+nahm er seinen Hut, den Madame Belard schon für ihn zurechtgestellt,
+und seinen Arm um ihre Schulter legend, sie zu stützen zugleich und zu
+führen, verließ er mit ihr das erleuchtete, Luft und Leben athmende
+Haus, durch eine Hinterthür das Freie suchend, da vorn, den hellen
+Fenstern gegenüber, hundert von Eingeborenen standen und lagen, den
+Tönen der Instrumente, den wunderlichen Melodien lauschend, bis hie
+und da eine Aehnlichkeit im Takt durch die Glieder Einzelner zuckte,
+und sie zum Tanz antrieb aus freier Hand, mitten auf der Straße
+draußen.
+
+Durch den Garten, unter den thauigen Bananen und Orangen schritten sie
+hin, langsam und schweigend den schmalen Pfad entlang, auf den der
+Mond nur mühsam durch Palmenkrone und Brodfruchtwipfel einzelne seiner
+Strahlen konnte niederwerfen. Eine schmale Pforte führte auf die
+äußere Straße, und dieser folgend erreichten sie bald den düsteren
+Palmenhain, der vom Fuß der Hügel ab bis dicht an den Strand reichte
+und von dessen Wellen selbst seine Wurzeln bespühlen ließ.
+
+»Du solltest Dich freuen an unseren Sitten und Vergnügungen,« sagte
+endlich René leise, als sie schon lange schweigend neben einander
+hingeschritten und René nur ängstlich bemüht gewesen war, die dicht an
+ihn angeschmiegte Gestalt des jungen Weibes vor allen Unebenheiten des
+Weges zu bewahren. »Du solltest tanzen und fröhlich sein, und hast nur
+Schmerz dort gefunden und Herzeleid.«
+
+Sadie wollte sprechen; René fühlte wie sie sich von seinem Herzen halb
+emporrichtete, aber es war auch als ob ihr die Kraft oder das Wort
+dazu fehle.
+
+»Bist Du mir böse, Sadie?« sagte René endlich nach langer Pause, und
+suchte dabei ihr Antlitz zu sich emporzuheben.
+
+»Nein René,« flüsterte die Frau leise und schüttelte langsam den Kopf
+-- »nein, nicht böse -- aber -- aber eine Bitte hätte ich an Dich.«
+
+»Und nenne sie mein Herz.«
+
+»Du warst so glücklich in Atiu« -- fuhr Sadie nach kurzem Zögern fort,
+-- »kein Schmerz, kein Weh drohte unseren Frieden zu stören. Dort --
+waren keine weißen Männer und Frauen weiter,« fuhr sie mehr Muth
+gewinnend, aber doch immer noch schüchtern fort, »dort warst Du Einer
+der Unseren geworden, Alle hatten Dich lieb, und ich selbst -- war ein
+Kind des Bodens und fand dort meine Heimath. Hier sind wir fremd, und
+der Charakter des Landes ist, durch _Deine_ Landsleute, wie auch
+durch die Engländer ein anderer geworden. Die weißen Menschen dünken
+sich besser in ihrer Farbe,« fuhr sie wieder leiser fort, »als wir,
+denen die Sonne dunklere Haut gegeben. Sage mir Nichts dagegen, René,
+ich _weiß_ es, und so weh es mir thut, ich wollte es gern ertragen um
+_Deinetwillen_ -- wenn ich nicht eben _Deinet_willen Dich bitten müßte
+wieder mit mir fort von hier zu ziehen.«
+
+»Meinetwillen, Sadie?« sagte René, aber es war ihm nicht Ernst mit der
+Frage und Sadie wußte es.
+
+»Wenn Du es nicht selber _fühlst_, René,« sagte sie traurig, »mit
+Worten kann ich es Dir nicht beschreiben; ich kann Dich auch nur
+versichern daß ich die Ueberzeugung habe wie wir Beide recht, recht
+unglücklich werden würden, wenn wir hier blieben.«
+
+»Aber mein Geschäft,« sagte René.
+
+»Trägt nicht die Cocospalme Milch im Ueberfluß,« bat Sadie, sich
+fester an ihn schmiegend, »hängt nicht die Brodfrucht voll und reif am
+Zweig, und die Orange bietet Dir die Frucht, indem sie ihre duftenden
+Blüthen auf Dich niederschüttelt; hast Du nicht mich -- Dein Kind? --
+liegt nicht der Frieden Gottes auf jenem stillen kleinen Inselreich,
+das Seine Huld mit Allem ausgestattet was lieb und schön und gut und
+fruchtbar ist? Sieh René,« setzte sie lauter, fester hinzu, »ich habe
+Alles gethan was Du von mir verlangt; ich habe mir Deine Sitten
+angeeignet, so weit es in meiner Macht stand, ich trage Euere
+Kleidung, ich spreche Euere Sprache, ich habe mein Herz Dir gegeben,
+Dir, nur Dir allein -- und meinem Kind. Nur -- nur die Farbe konnt'
+ich nicht ändern, die Gott meiner Haut gegeben -- ich bin ein Kind
+dieser Inseln, und als solches hast Du mich lieben gelernt, und zu
+Deinem Weib genommen. Aber meine Schwestern hier auf Tahiti sind
+anderer Art -- nicht mit so treuer Sorgfalt erzogen wie ich, leben sie
+meist wüst und wild in den Tag hinein -- und Deine Landsleute tragen
+viel die Schuld. Du hast heute erfahren in welcher Achtung die
+Insulanerin bei ihnen steht -- willst Du noch länger Zeuge sein wie
+sie mich kränken und niederdrücken? -- und doch hast Du nicht den
+zehnten Theil von dem gesehen was mir wie Messer in die Seele schnitt,
+nicht die kalten verächtlichen Blicke einzelner Frauen -- nicht die
+leichtfertigen Worte gehört, die mir, heimlich oft, oft ohne Furcht
+und Scheu in die Ohren geflüstert wurden, und das Blut in die Wangen
+jagten. _Ich_ gehöre nicht unter jene Menschen, ich passe auch nicht
+für sie, sie nicht für mich, und willst Du hier bleiben auf Tahiti,
+magst Du Dich nicht trennen von dem jetzt vielleicht lieb gewonnenen
+Leben, so laß mich daheim bei meinem Kind, René, dorthin gehör' ich,
+den Platz füll' ich aus, und unsere Hütte mag Dir selber eine Heimath
+werden -- aber Atiu wird es uns doch nie ersetzen. -- O zögest Du
+zurück, René.«
+
+René erwiederte Nichts; schweigend schritten sie neben einander hin,
+und tolle Bilder zuckten ihm durch Sinn und Hirn, denen er nicht Form,
+nicht Deutung zu geben vermochte. Das geschäftige, wenn nicht
+gesellige Leben Papetees war ihm schon theilweis zum Bedürfniß
+geworden, dem er nicht gern entsagen, das er sich aber noch weit
+weniger gestehen mochte, und doch auch wieder fühlte er in
+unbestimmter Ahnung die Gefahr, die seiner häuslichen Glückseligkeit
+hier drohen könne. Er sah sich in Kampf und Streit mit Europäern, von
+den Indianern angefeindet seiner Religion und Abstammung, von den
+Europäern verachtet seiner Heirath wegen, und durch das Alles, wie ein
+blendender neckischer Strahl, zuckte das weiße, wunderschöne Antlitz
+des fremden Mädchens, das kalt und höhnisch auf ihn niedersah und
+seiner Angst und Qual da unten nur zu spotten schien. _Jetzt_ gerade
+sollte er Papetee verlassen, wo sie hier erschienen war, daß sie wohl
+gar nachher sich rühmte, er sei vor ihr geflohen? -- bah -- was war
+sie ihm? -- ihre Schönheit konnte ihn nicht locken, Sadie war schöner
+-- und ihr Geist? -- ihr fehlte die milde Weiblichkeit die der
+Geliebten jenen unendlichen Reiz verlieh. -- Und ihre Farbe -- blindes
+thörichtes Menschenvolk, den Werth eines Herzens nach der Schaale oder
+Farbe zu schätzen, und die süße Frucht gar deshalb zu verachten, weil
+sie von der Sonne etwas mehr gebräunt. Und doch war gerade das jetzt
+dem jungen ehrgeizigen Mann ein bitteres schmerzliches Gefühl, _daß_
+sie mit jenem kalten Lächeln auf ihn niedersehen _konnte_; der Gedanke
+wurde ihm zur Qual, und ein Seufzer hob seine Brust. Es war zum
+_ersten_ Mal der Wunsch daß die Geliebte seiner Farbe wäre, und Sadie
+hörte und verstand den Seufzer, denn sie senkte das Köpfchen und
+schritt lautlos neben ihm hin.
+
+So erreichten sie den stillen freundlichen Platz der ihre Heimath war,
+das matte gedämpfte Licht das aus dem einen verhangenen Fenster quoll,
+beleuchtete den Schlaf ihres Kindes, die Palme die ihren breiten
+Wipfel darüber hing, rauschte leise und feierlich, und es war als ob
+sie dem Schlaf des Lieblings lausche und ihm bunte freundliche Träume
+zuflüstere über sein kleines Bett.
+
+Fast unwillkürlich blieben die beiden Gatten stehen, und wie ihr Blick
+auf dem friedlichen Dache ruhte, das ihnen das Theuerste umschloß, als
+René der tausend glücklichen, seligen Stunden gedachte, die er schon
+dort mit seinem trauten Weib verlebt, und nun auch die frühere Zeit
+-- die erste Zeit seiner Liebe, seiner Hoffnungen, des errungenen, so
+schwer errungenen Glücks in vollen lebendigen Farben emporstieg vor
+seinem inneren Geist, wie er damals den Augenblick gesegnet in dem er
+dieses Paradies zuerst betrat, da überkam ihn ein recht weiches,
+reuiges Gefühl, und sein Weib, sein treues braves Weib fest an sich
+ziehend, preßte er seine Lippen an ihre glühende Stirn, und das
+Liebeswort »Sadie« erstarb in dem langen, heißen Kuß.
+
+»Komm,« flüsterte sie endlich, und entzog sich leise seiner Umarmung
+-- »komm!« und seine Hand ergreifend, führte sie den Gatten an das
+Bett des Kindes.
+
+Oh wie so süß der kleine Liebling ruhte; die Lampe, von einem breiten
+Bananenblatt verdeckt, warf nur den matten grünen Schein über den
+schlummernden Engel hin; die langen seidenen Wimpern lagen voll und
+dicht auf den von Schlaf gerötheten blühenden Wangen, und ein liebes
+herziges Lächeln spielte um die fein und zart geschnittenen Lippen.
+Engel flüstern mit dem Kind, wenn es im Schlafe lächelt, und das
+Mutterherz sieht des Schutzgeistes Fittiche ausgebreitet über dem
+Liebling.
+
+Komm lieber Leser, komm -- siehst Du die Gruppe dort, das Herz des
+Weibes an des Mannes Brust, Mutter- und Vaterliebe dem Schlaf der
+Unschuld lauschend und Gottes Segen niederflehend auf das Haupt des
+schlummernden Kindes? -- Und darüber die rauschende Palme, das Bild
+des Friedens? um sie her aber den stillen rauschenden Wald, und der
+Sterne blitzende Schaar die Zeugen des erneuten Bundes? -- komm,
+leise, leise daß Du es mir nicht störst, das freundliche Bild. --
+Wohin? -- nach dem Strand führ' ich Dich -- hörst Du die Brandung
+rauschen über die Riffe hin? -- sie donnert ihre alte ewige Weise
+unverdrossen fort, aber doch heimlicher, ruhiger heut' Nacht, als ob
+sie selber sich scheue den heiligen Frieden zu stören, der auf der
+wunderschönen Insel ruht, und wie des Mondes Scheibe dort oben über
+den Gebirgshang herübersteigt und sein Licht über die See gießt,
+blitzt ihm die Brandungswelle im weiten silbernen Streif den Strahl
+zurück. Komm, dort unten liegt mein Canoe, und jenes freundliche Licht
+leuchtet uns auf unserer Bahn. So, steig nur ein und fürchte sein
+Schwanken nicht, der Luvbaum schützt es vollkommen vor jedem
+Umschlagen, jeder weiteren Gefahr, und durch die Corallenriffe hin
+steuere ich Dich in dem scharfgebauten Kahn über das Mond beleuchtete
+Wasser anderen, wenn auch nicht so friedlichen Scenen zu.
+
+Klares Wasser unter uns -- tief, tief liegt es dort unten in
+»purpurner Finsterniß« und lichte glühende Punkte ziehen und blitzen
+durch die geheimnißvolle, dem Menschenauge noch unerschlossene Welt.
+Dort unten baut der Korallenbaum nach rechts und links hinüber seine
+Wälle und Dämme, gegen die Jahrtausende die wilde Brandung schlägt,
+und im Innern dort hat er sich sein stilles Haus gebaut und sein
+cristallenes Dach gewölbt, und jetzt bei Nacht entzündet er die grünen
+Lichter alle, und wie ein Feeendom blitzt es und strahlt's zu Dir
+hinauf.
+
+»Die Sterne, wenn sie alt werden und sterben, fallen sie in's Meer,«
+sagt Dir der Indianer, »und dort feiern sie ihre Wiedergeburt und
+tanzen und werden wieder jung« -- aber glaub's ihm nicht; tief unten
+in dem Corallenwald, dessen eng und dicht verschlungene Zweige
+neidisch das ihnen anvertraute Geheimniß wahren wollen, tanzt das
+fröhliche Nixenvolk, das eigene Haar von blitzendem Licht
+durchflochten, den frohen Reigen, huscht unter den Bäumen hin, herüber
+und hinüber, und fährt hinauf und hinunter oft wie ein zündender
+leuchtender Strahl. Und der träumende Fischer oben, der in seinem
+Canoe liegt und staunend niederschaut in die ihm fremde wunderbare
+Welt, sieht die Lichter und folgt ihrem Zucken und Schießen mit den
+Augen, und glaubt auch manchmal daß er unter, neben sich -- doch nein,
+hätt' er die Geister wirklich je belauscht, er würde nie zum Strande
+wiederkehren; nur an der Schwelle darf er stehen, wie die Natur uns
+Alle auf der Schwelle läßt, und keinen Blick erlaubt in ihr geheimes
+wunderbares Wirken.
+
+Weiter -- schau nicht zu lang hinab, Dich schwindelt; und siehst Du
+den lichten Streif da drüben, der schon zweimal herüber und
+hinüberschoß, und dort zu Hause scheint, wo der Corallenhang die
+weiten Arme aufwärts wirft -- das ist ein Hai, der unserem Kahne
+lauernd folgt -- ein Wächter seinen Gebietern da unten.
+
+Sieh, am Bug kräuselt und zischt die Fluth und aus dem silberglühenden
+Schaum blitzt sie Diamanten gleich funkelnde knisternde Lichter aus
+über das ruhige Wasser, auf dem sie eine Weile rasten und dann
+zerfließen. Mehr und mehr schwindet das Ufer zurück, und wir sehen den
+Schatten der Palme nicht mehr in der klaren Fluth, wie sie den Wipfel
+weit weit hinüberreicht sich zu spiegeln, und Morgens die Thautropfen
+niederzuwerfen in ihr eigenes Bild. Der Berg mit seinen gewaltigen
+Umrissen tritt massenhaft hervor, und links von uns donnert und
+schäumt die Brandung und springt höher empor, und rollt lauter und
+heftiger, als ob sie sich unserem Nahen widersetzen und uns
+zurückscheuchen wolle aus ihrer Nähe.
+
+Dicht an der Corallenbank hin gleiten wir -- so dicht, daß wir mit dem
+Ruder die hochaufzackenden starren Zweige berühren und Seeigel und
+Stachelei in ihren schimmernden strahligen Betten im matten
+Phosphorschein können liegen sehen -- schärfer kräuselt das Wasser am
+Bug und einen Gluthstreifen zieht hinter dem Canoe die aufgerührte
+Welle. Weiter -- von düsterer Nacht gedeckt, auf dem der Mond wie ein
+Silberschleier liegt, und nur den eigenen Strahl zurückzublitzen
+scheint, dehnt sich das waldbewachsene Ufer aus an unserer Rechten,
+mit seinen dunklen Orangen- und Guiavenschatten, seinen
+fächerblätterigen Pandanus und wehenden Palmen.
+
+Weiter -- die aufgescheuchte Möve, die im raschen Kreisschwung über
+die Fluth streicht stößt nieder nach dem dunklen Schatten des Canoes,
+flattert zurück, kehrt wieder, und abschweifend in weitem gewaltigen
+Bogen verschwindet sie in dem dämmernden Zwitterlicht, und nur der
+scharfe Schrei tönt noch aus dunkler Ferne zu uns her, die Bahn
+verrathend der sie jetzt folgt.
+
+Sieh wie düster das Vorgebirge sich da hinauslagert in See, einem
+riesigen Ungeheuer gleich das vom Gebirge niedergestiegen und sich
+hier hineingeworfen in die klare Fluth, die heißen Flanken zu kühlen
+und den lechzenden Schlund -- und das Brausen des Wassers -- ist es
+doch fast als ob das schwere Athmen des Kolosses herübertöne in langen
+gewaltigen Pausen.
+
+Daran hin gleitet der Kahn; so dicht -- durch die Palmen am Ufer
+kannst Du das südliche Kreuz erkennen, wie es sich um des Südpols Axe
+dreht -- und dort drüben die Lichter? dort liegt die Grenze unserer
+Poesie -- die Compaßlichter sind's der im Hafen ankernden Schiffe, und
+in den offenen Luken liegen eherne Feuerschlünde, wie schlafend jetzt
+im Bau, jeden Augenblick aber bereit die eisernen Todesboten
+hinüberzusenden an diese stillen Ufer.
+
+Unter jenem stolzen Schiff fahren wir hin -- der Talbot ist's -- und
+der Mann dort, der das Kinn auf den Arm gestützt, träumend nach uns
+herüberschaut der wachthabende Matrose, der schon lange das nahende
+Boot beobachtet hat, und heimlich den Kopf schüttelt was die stillen
+Ruderer hier draußen in der Bai thun so spät in der Nacht. Wie stolz
+und symmetrisch die Masten, mit ihrem spinnewebartigen Gewirr von
+Tauen und Stagen scharf und klar abzeichnen gegen das hellere
+Firmament, und wie leicht und elastisch der stattliche Bau auf dem
+Wasser ruht, der Möve gleich die schlummernd die weiche Woge gesucht,
+sich in Schlaf zu schaukeln durch die stille Nacht.
+
+Und da drüben? -- der schlanke wespenartige Bau kündet ein anderes
+Kriegsschiff, die ~Jeanne d'Arc~, bedroht wie es fast scheint von dem
+Talbot hier und dem Vindictive da drüben, jenem gewaltigen Koloß, der
+die Mündungen seiner Kanonen auch hier herüber gerichtet hält; aber
+die Zähne gerade so weisend wie der stärkere Feind und mit
+entschlossenem Trotz liegt die Corvette still und ruhig in so
+gefährlicher Nachbarschaft, und mit der Morgensonne grüßt nicht
+rascher der erste Strahl die stolzen Flaggen Albions, als ihre drei
+Farben lustig im Winde flattern.
+
+Welch ein eigenes wunderliches Bild in der Fluth da unten, wie die
+Schatten der dunklen Raaen herüber und hinüberziehen, und die Sterne
+ihr Bild daneben suchen in dem unheimlich düsteren Wasserspiegel.
+
+Horch auf dem Kriegsschiff tönen die Schläge einer Glocke, »sechs
+Glasen« schlägts, es ist elf Uhr, und kaum hat die Glocke der
+Ankerwinde, vorn auf dem Vorcastle des Vindictive dem Compaßschlag
+geantwortet, als in rascher Reihenfolge, die ~Jeanne d'Arc~ mit dem
+Talbot zu gleicher Zeit, und nach ihnen alle Schiffe in der Bai die
+Stunde schlagen. Alles ist wieder still und ruhig wie vorher, so
+lautlos liegt die Nacht auf dem kaum athmenden Meer, daß man den
+Schritt der einzelnen Wache auf dem nächsten Deck des französischen
+Kriegsschiffs deutlich hört, und das leichte Summen einer heimischen
+Melodie tönt leise, mit dem regelmäßigen Gang, zum Takt über das
+Wasser. Da beginnt noch ein Schiff die versäumte Zeit langsam
+nachzuschlagen -- die französische Schildwacht lacht, und zählt, mit
+Singen einhaltend, die schläfrigen rauhen Schläge einer gesprungenen
+Glocke.
+
+Von dort her kommen sie, von dem Wallfischfänger der gerade in unserer
+Bahn liegt, und der Mann der die Wacht hatte schlief so sanft in Lee
+vom Boot und träumte so süß, als das Schlagen der Glocken wieder und
+immer wieder zu ihm herübertönte. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs
+-- erst fein und dann tief -- er zählte sie von _allen_ Schiffen, und
+als wieder Alles still und ruhig geworden, und er in seinem Halbschlaf
+lange gewartet hatte daß die klappernden Töne seines eigenen faulen
+Schiffes, der einst so rüstigen ~Kitty Clover~, wie immer den Nachtrab
+aufbringen sollte, da erst fiel es ihm ein daß er selber heute das Amt
+habe die alte lebensmüde Glocke sprechen zu machen, und mit einem
+leise gemurmelten Fluch suchte er sich zusammen, stand auf und den
+Klöppel anziehend daß er im Mißton sechsmal gegen die geborstene Seite
+dröhnte, brummte er bei jedem traurigen Schlag:
+
+»Verdamme Dich -- altes -- geborstenes -- klapperndes -- schnarrendes
+-- Lärmeisen Du! S'ist ein Skandal für die ganze Nachbarschaft,«
+setzte er dann knurrend hinzu, als er den Lagerplatz wieder suchte
+unter dem Boot, den Mondstrahlen wenigstens aus dem Weg zu gehen, und
+nicht aufzuwachen am andern Morgen mit geschwollener Physionomie.
+
+Der Mond fällt jetzt voll und licht gegen die Flanke des schmutzigen,
+von Rauch und Theer geschwärzten, thranigen Fahrzeugs der ~_Kitty
+Clover_~ -- die Segel die gestern zum Trocknen gelöst worden, hängen
+halbaufgegeit, die breiten Theerstreifen der Reefer zeigend[H] an den
+Raaen; die kurzen Masten mit dem breiten Sitz für den Ausguck darauf,
+die Boote aufgezogen und mit Cocosblattmatten dicht bedeckt, die heiße
+Sonne über Tag davon abzuhalten, das zerfetzte Kupfer am Bug, das
+Zeichen einer langen Reise, Alles kündet das Geschäft des
+Wallfischfängers, und doch liegt er hier träge und faul, mitten fast
+in der guten Jahreszeit, zu ruhen und träumen, statt im Norden oben
+den Fischen aufzulauern und seinen Rumpf zu füllen.
+
+Dicht unter seinen Krahnen gleiten wir hin, und freier dehnt sich die
+Bai hier vor uns aus. -- Siehst Du da drüben die kleine Palmen
+bewachsene Insel, links der Einfahrt zu? -- ~Motuuta~ ist's, der
+Königssitz der Pomaren, der stille Zeuge ihrer früheren Macht und
+häuslichen Glückseligkeit. -- Vorbei; so ist die Zeit der Pomaren,
+vorbei; ihre Macht ist zum Spott geworden zwischen Engländern und
+Franzosen; zum Spiel, um das beide Nationen vielleicht mit
+Kanonenkugeln würfeln, oder es auch dem einen Gegner, als nicht der
+Mühe werth des Streits, freiwillig überlassen.
+
+Weiter -- aus den dunklen Schiffen heraus, deren düstere Rumpfe lange
+Schatten werfen, und das weiche Mondlicht um sich her einzusaugen
+scheinen, gleiten wir vor. Funken sprühend ordentlich in der
+elektrischen Fluth, schießen wir dahin, das leichte Ruder den
+scharfgebauten Kahn fast über die Welle hebend die ihn trägt. Da
+drüben liegt der Strand -- weit und silbern dehnt sich der
+mondbeschienene Muschelkies und blitzt und funkelt, und die Woge
+quillt auf dagegen und saugt und breitet darüber hin, zurückweichend
+nur den funkelnden Schaum ihm lassend, der in Atome auseinanderfließt.
+
+Erreicht haben wir jetzt das lange niedere, palmenbewachsene Land, den
+rechten Arm der Bai, die ihn schützend vorhält gegen den Passat, und
+kleine hochgebaute Gerüste laufen ein Stück hier in See hinaus, von
+dem sandigen Strand ab, Seebooten auch bei niederem Wasserstand die
+Anfahrt zu gestatten.
+
+Aber was braucht das Canoe solcher Hülfe, das schattige Ufer zu
+erreichen? -- risch hin, mehr über wie durch das Wasser schießt's auf
+der klaren Fluth, und das Ruder das es vorwärts treibt, hebt es und
+zwingt es, selbst über Coralle und Sandbank fort, dem weißen
+Muschelkies entgegen. Bambusstäbe sind hier überall dem Grund
+eingestoßen, ein Zeichen für Fischer und Boote von tieferem Wasser;
+mitten zwischen ihnen durch springt das Canoe, und wie die aufgebogene
+Spitze in vier Zoll Wasser den Sand berührt, hebt sich das schlanke
+Boot und sitzt fest. -- Nur hinaus, ob uns das warme salzige Naß den
+Fuß auch netzt, am Cocosbasttau ziehen wir den Kahn hoch hinauf auf's
+trockene Land, daß ihn die rückkehrende Fluth nicht hebt und
+fortführt, und durch der Gärten schattiges Grün, durch die der
+Mondenstrahl nicht einmal zur Erde dringt, führe ich Dich einen
+Schleichweg hinauf zu heimlichem Platz.
+
+Reich' mir die Hand hier, denn der Pfad ist schmal, und dort gleich
+hinter der Bananen letzte Reihe, denen der Brodfruchtbaum noch
+Schatten giebt, beginnt das Dickicht der Guiaven, und über dem Pfad
+reichen die niederen Büsche sich die Zweige traulich herüber und
+schlingen die Arme fest in einander, tiefer und tiefer niederdrückend
+in den Weg, bis des Menschen Hand, mit scharfem Stahl bewehrt, wieder
+eine neue Bahn abzwingt den zudringlichen. Weiter -- halte Dich fest an
+mich und hebe den Fuß, denn alte niedergebrochene Cocosnüsse und
+Hülsen decken den Boden und -- was Du zertratst, und was unter Deinem
+Fuße wich? -- reife Guiaven sind's, die den Boden hier decken, kehre
+Dich nicht an sie, über und neben Dir wachsen mehr, und jetzt --
+siehst Du das Licht dort durch die Zweige blitzen? hörst Du die
+gellenden Töne keifender Menschenstimmen? -- wir sind am Ziel und ich
+führe Dich jetzt ein bei _Mütterchen Tot_.
+
+FOOTNOTES:
+
+[H] Die Wallfischfänger, um Nachts nicht zu viel Fortgang mit ihren
+Schiffen zu machen, und Fischen vielleicht vorbeizulaufen, reefen
+meist Abends ihre Segel, und da die Leute den Tag über Thran auskochen
+und voll Fett sind, so machen sie auch Fettflecke in die Segel, auf
+denen sie zum Einbinden liegen.
+
+
+
+
+Capitel 8.
+
+#Mütterchen Tot's Hotel.#
+
+
+Tief in den Guiaven versteckt, und etwa nur vier-oder fünfhundert
+Schritte von den äußersten Häusern von Papetee entfernt, lag eine der
+gewöhnlichen lang-ovalen niederen Bambushütten dieser Inseln, mit
+Pandanusblättern gedeckt, und wenig mehr anderem Hausgeräth, als ein
+paar eisernen Kesseln und einem Dutzend oder mehr niederer, halb
+ausgehöhlter Schemel, die den Eingeborenen über Tag zum Sitz, und über
+Nacht zum Kopfkissen dienen.
+
+Die Wände waren übrigens, statt dem Luftzug freien Raum zu gönnen wie
+in den gewöhnlichen Indianischen Häusern, mit dünnen Bastmatten fast
+überall verhangen, und der Wärme wegen konnte das nicht gut geschehen
+sein, denn gerade dieser Platz hätte einer frischen Zugluft eher
+bedurft, wo das Guiavendickicht wie eine Mauer fast den engen, darin
+ausgehauenen Hof und Hausraum umschloß; aber der Besitzerin dieses
+Platzes lag mehr daran ungestört und von neugierigen unberufenen Augen
+nicht belästigt zu sein, als frische Luft zu haben -- obgleich sie
+deren Wohlthat wohl auch zu schätzen verstand.
+
+Die Wände, wenn man das mit Bast überhangene Gatterwerk überhaupt so
+nennen darf, waren auch weiter durch Nichts belästigt was etwa einen
+besonderen Reichthum der Inwohner hätte anzeigen können; an der einen
+Seite hingen nur ein paar alte Kattun-Ueberwürfe, abgenutzt und
+geschwärzt durch die Jahre sowohl wie auch vielleicht den Rauch der
+Hütte, neben diesen aber und unter einer langen Reihe ausgeschliffener
+Cocosnußschalen, die die Stelle von Trinkbechern versahen, paradierte
+ein alter, einst weiß gewesener, aber jetzt in jede mögliche, wie
+unmögliche Form hineingedrückter Filzhut, der in besseren Tagen
+vielleicht einmal den pomadisirten Kopf eines Dandy im lustigen alten
+England geziert, jetzt aber verdammt war, seine Tage in
+Cocosnußölqualm und Guiavenholzrauch in einer Tahitischen Hütte zu
+verträumen.
+
+So kahl übrigens die Wände dreinschauten, so toll und wild stand alles
+mögliche Geschirr und Geräth in den Ecken herum. Kalebassen, die auf
+diesen Inseln den Bewohnern gewöhnlich zu Kommoden, Koffern,
+Hutschachteln, Arbeitskörben, Speisekammern, Toiletten und Gott weiß
+was sonst noch dienten, waren in Masse vorhanden, und hie und da eine
+über die andere geschichtet; dabei lehnte, zwischen ein paar Besen,
+einer Harpune und einem Ruder, eine alte rostige Flinte mit
+Feuerschloß, und darüber, aber so versteckt hinter den Matten, daß es
+nur von einzelnen Theilen der Hütte aus gesehen werden konnte, war ein
+schmales kleines Bret befestigt, auf dem ein paar Bücher, und oben auf
+eine dickleibige abgegriffene Bibel lagen.
+
+Interessanter und mannichfaltiger erwiesen sich aber jedenfalls die
+Bewohner wie gegenwärtigen Insassen dieses abgelegenen Platzes, den
+viele der Indianer sogar in abergläubischer Furcht mieden, weil sie
+»Mütterchen Tot«, wie die Eigenthümerin von den Matrosen gewöhnlich
+nur schlichtweg genannt wurde, in dem Besitz übernatürlicher Kräfte
+glaubten, und allerdings rechtfertigte ihr Ansehen eine solche
+Vermuthung, wenn überhaupt auf irgend ein menschliches Wesen
+anzuwenden, vollkommen.
+
+»Mütterchen Tot« war ein Charakter, und Niemand betrat ihr Heiligthum
+zum ersten Mal, ohne eine gewisse Scheu und Ehrfurcht zu empfinden,
+die selbst den Rohsten beschlich -- aber ihr ehrwürdiges Aussehen trug
+wahrlich nicht die Schuld dabei.
+
+Mütterchen Tot war übrigens -- ehe ich den Leser mit ihrem
+_äußerlichen_ Menschen, dem Anzug, bekannt mache -- in Europa und zwar
+in dem Reiche ihrer Großbritannischen Majestät vor langen, langen
+Jahren geboren, Niemand aber konnte mehr an ihrem Dialekt erkennen ob
+in dem bevorzugten England selber, dem ~»bonnie«~ Schottland oder der
+»grünen Insel«, wie Irland von seinen poetischen Kindern genannt wird.
+Sie mischte Alles durcheinander und ihre Sprache hatte dabei, durch
+den langen Aufenthalt auf den Inseln, fast eben so viel Worte von
+diesen angenommen, daß, wer nicht Tahitisch oder wenigstens eine der
+Polynesischen Sprachen verstand, den Schlüssel zu all' den
+wunderlichen Ausdrücken zu haben, kaum im Stande gewesen wäre Sinn
+oder Verstand in ihre Rede zu bringen. Die Indianer und Fremden kamen
+noch am leichtesten darüber hin, die ersteren glaubten sie spräche
+Englisch, die anderen hielten es für Indianisch.
+
+In ihrer Jugend nun aus ihrem Vaterland, wie die böse Welt behaupten
+wollte, nach Sydney deportirt, war sie von dort auf einem Englischen
+Wallfischfänger entwichen, oder eigentlich von dem Capitain
+desselben, den ihre Reize bestrickt haben mochten (denn Leute die
+Jahrelang draußen in See herumfahren sind nicht immer wählerisch)
+entführt worden. Der Capitain riskirte damals Zuchthaus, aber was
+riskirt die Liebe _nicht_, und setzte später die junge Dame, als er
+heimwärts fuhr und in solcher Begleitung doch nicht in einen
+Englischen Hafen wieder einzulaufen wünschte, auf den Sandwichs-Inseln
+ab, dort ihr Fortkommen, was ihr auch vollkommen gelang, weiter zu
+suchen.
+
+Mütterchen Tot's Memoiren würden jedenfalls höchst interessante Daten
+liefern, könnte sie nur eben veranlaßt werden näher auf sie einzugehn;
+sie sprach aber nie über ihre Vergangenheit, und das einzige
+Individuum, das vielleicht noch darüber, wenigstens über einen Theil
+derselben, Auskunft hätte geben können, und auf das ich gleich nachher
+zurückkommen werde, durfte nicht.
+
+Soviel ist gewiß, in der Gruppe der Sandwichs-Inseln hatte sie sich
+lange Zeit aufgehalten, und bald auf Oahu bald auf Hawai, gehaust, war
+dann mit einem Sandelholzfahrzeug nach den Freundlichen und
+Navigators-Inseln gegangen, und hatte dort zuerst angefangen eine
+kleine Wirthschaft zu gründen, in der sie besonders Matrosen
+beherbergte, und ihnen berauschende Getränke verkaufte, um die sie,
+wie um manches Andere, bei ihr würfeln konnten. Von dort streifte sie
+nach Neu-Seeland hinüber, wo sie wieder lange Jahre blieb, sich aber
+von hier eine »Stütze ihres Alters«, wie sie einen kleinen einäugigen
+Irischen Schuhflicker nannte, der von jetzt ab bei ihr blieb,
+mitbrachte.
+
+In Neu-Seeland hatten sie die Missionaire vertrieben und auf ein
+Schiff gepackt, das sie Beide in der Samoagruppe landete, und hier
+bewogen die Missionaire ebenfalls wieder einen Capitain das, ihnen
+keineswegs freundlich gesinnte Wesen an Bord zu nehmen und dießmal,
+aus ihrem Bereich ganz und gar hinaus, den Gambiers-Inseln zuzuführen,
+wo sich die Katholiken schon seit längeren Jahren festgesetzt hatten.
+Ein Typhoon aber, der das Schiff faßte und entmastete, strandete es an
+Raivavai, und Mütterchen Tot fand wieder mit ihrem getreuen Begleiter
+den Weg nach Tahiti, das ihr, als Mittelpunkt aller Europäer fast in
+der Südsee, die besten Geschäfte und durch den Zwiespalt der
+Protestantischen Missionaire mit den Katholiken, auch jedenfalls eher
+eine sichere Ruhestätte wie irgend eine andere Insel versprach, wo nur
+eine oder die andere Sekte allein gehaust, und dann auch geherrscht
+hätte.
+
+Dem kleinen Irischen Schuster war das Alles gleichgültig; auch er
+hatte übrigens eine Vergangenheit, die in Sydney ihren
+Culminationspunkt, den Felsen gefunden, zu dem hingetrieben das
+Bächlein seines Lebens wild und toll genug gesprudelt hatte, bis es
+mit dem gewaltigen Sturz in die Tiefe, die ersten Convulsionen nur
+einmal vorüber, wieder seine völlige Ruhe, wenn auch nicht Klarheit
+erlangt hatte.
+
+Murphy -- er wußte selber nicht ob er je noch einen anderen Namen
+gehabt -- war ebenfalls Einer jener wahren Patrioten die ~»had left
+their country for their country's good«~ (zum Besten der Heimath, die
+Heimath gemieden). _Wie_ er damals seine Freiheit wieder erlangt blieb
+sein Geheimniß, soviel aber ist gewiß, daß er in dieser Zeit gerade
+aufhörte ein Katholik zu sein, und das Studium der Bibel mit einem
+Eifer begann, der ihm die Bewunderung der Protestantischen
+Geistlichen, in deren Wirkungskreis er kam, hätte sichern müssen,
+hätten diese nur eben zu ihm gelangen können, Zeuge seiner wirklich
+angestrengten Thätigkeit zu sein. Wunderbarer Weise benahm er sich
+aber bei diesem Studium fortwährend als ob er irgend ein entsetzliches
+Verbrechen beginge, und in steter Furcht und Todesangst lebe dabei
+ertappt zu werden. Witterte er einen Geistlichen in seiner Nähe (und
+die frommen Männer machten sich manchmal die Freude ihn und seine
+Gefährtin aufzusuchen, obgleich sie Beide lieber gehen als kommen
+sahen, denn sie verzehrten nicht allein Nichts, sondern suchten nur
+umher, Grund zur Anklage zu finden) so konnte Mütterchen Tot nicht
+rascher bei der Hand sein eine vereinzelte Branntweinflasche zu
+verbergen, die sich vielleicht in zu unerlaubter Nähe bei einem
+Eingeborenen befand, als Murphy auch mit seiner Bibel in die nächste
+Kalebasse hineinfuhr, und Alles darüber deckte, was ihm gerade unter
+die Hände kam. Wenn er dabei die ganze Woche nicht an Arbeit gedacht,
+faßte er jetzt gewiß den ersten besten Schuh auf, der ihm unter die
+Hände kam, und fing an daran herum zu schneiden und zu stechen und zu
+nähen, als ob sein Leben an seiner Eile hinge.
+
+Mütterchen Tot behandelte ihn dabei auf das Herabwürdigenste, und kein
+Schimpfwort gab es auf Englisch, Irisch, Gälisch oder Schottisch, wie
+in irgend einer der bekannten Polynesischen Sprachen und Dialekte, das
+sie nicht schon an ihm abgestumpft, kein Geräth in ihrem ganzen Haus,
+das sie nicht schon, bei irgend einer feierlichen oder unfeierlichen
+Gelegenheit, nach seinem Kopf geschleudert hätte. Vor allen andern
+aber war es die heilige Schrift selber auf die sie es in ihrem
+schlimmsten und gefährlichsten Zorn abgesehen, und die sie dann im
+Fall eines Streites mit ihrem höchst sanftmüthigen _Gatten_ (wenn ich
+diesen ungerechtfertigten Namen überhaupt gebrauchen darf) häufig aus
+der Hand riß und an den Kopf warf. Ja sie hatte schon mehrmals gedroht
+das ganze heilige Buch bei der nächsten passenden Gelegenheit -- und
+die Gelegenheit war eigentlich immer passend -- zu verbrennen;
+wunderbarer Weise hielt sie aber immer eine eigene Scheu, die sie sich
+aber nie selber eingestehen mochte, und jedenfalls mehr in einer
+abergläubischen Furcht wie irgend einem religiösen Sinn wurzelte,
+davon ab ihre Drohung auszuführen, während Murphy, der ihr doch nicht
+so recht trauen mochte, seinerseits Alles that ihr das Buch, wenn er
+ja einmal die Hütte verließ, aus den Augen zu bringen, und Kalebassen
+und Ecken unaufhörlich damit wechselte. Nur bei vollkommenem
+Waffenstillstand lag es, wenn nicht gebraucht, auf dem kleinen
+Bücherbret auf einem Haufen verschiedener Traktätchen von Mäßigkeits-
+und Bibelverbreitungsvereinen in Tahitischer Sprache, und Murphy hatte
+seinen Sitz so gestellt, daß er das Buch fortwährend dabei im Auge
+behielt.
+
+Ich sagte vorhin daß Mütterchen Tots Aeußeres gerade nicht dazu dienen
+konnte besondere Ehrfurcht einzuflößen, und allerdings war sie, was
+ihre äußere Erscheinung betraf, nichts weniger als eitel. Zwischen 50
+und 70 Jahren, denn wunderbarer Weise hielten Schmutz und Runzeln
+ihre Züge mit einem solchen Schleier überzogen, daß man sie bald dem
+einen, bald dem andern näher glaubte, hatte sie einen gewöhnlichen
+~pareu~ von einst grellrothem aber jetzt verblichenen Kattun, mit
+breiten hochgelben Streifen, um die Hüften geschlagen, und am Tag trug
+sie ein dem ähnliches Obergewand, das ihre dürre Gestalt in weiten
+Falten umhing; Abends aber, wenn die kühle Seebrise über die Küste
+strich, obgleich sie die, von den Guiaven förmlich eingeschlossene
+Hütte doch nicht erreichen konnte, wurde es dem ein heißes Klima
+gewöhnten Mütterchen zu kühl, und sie zog einen alten erbsgelben
+schmutzigen Männer-Oberrock, der früher einmal lange Haare gehabt
+haben mochte, über ihr Kattunkleid, und knüpfte die zwei Knöpfe, die
+ihm noch geblieben, fest zu bis unter den Hals. Der Rock ging ihr
+dabei bis tief über die Knie nieder, und da seine Taschen ebenfalls
+tief saßen, in deren einer sie den einzigen Genuß aufbewahrte, den sie
+sich außer dem Brandy gönnte, ihre Schnupftabaksdose, so hatte sie nur
+mit dieser Unannehmlichkeit zu kämpfen, daß sie so tief nach der ihr
+unter den Händen fortweichenden Tasche niedertauchen mußte, und sich
+gewöhnlich endlich gezwungen sah, ihre andere Hand auch noch mit zu
+Hülfe zu nehmen, das scheue Taschenfutter zurückzuhalten.
+
+Den Hals trug sie blos, und auf dem Kopf einen alten Strohhut, wie er
+in ihrer Jugend wahrscheinlich einmal das Ziel ihrer Wünsche gewesen
+-- das Alter hatte sich daran festgeklammert, und unter den breiten,
+wunderlich geformten und mit ein paar künstlichen, aber selbst in der
+Kunst verblichenen und zerdrückten Blumen geschmückten Seitenwänden
+desselben hingen die grauen langen Haare wirr hervor.
+
+Der Hut diente ihr gegen Sonnenbrand und Zugluft, am Tag wie Abends,
+bis sie ihr Mattenlager in einem Winkel der Hütte suchte, über das sie
+jedoch ein weites und gut in Stand gehaltenes Mosquitonetz gespannt
+ließ; der Rock jedoch war unstreitig nicht ihr Eigenthum, oder wenn
+doch, jedenfalls nur getheiltes, und Murphy, der wahrscheinlich
+frühere Besitzer schien seine Ansprüche daran keineswegs aufgegeben zu
+haben. Abends oder in Zeit der Kühle, bei Regenwetter oder sonstigen
+Witterungsfällen, wo überhaupt das Tragen eines solchen Rocks unter
+dieser Breite eine Entschuldigung fand, und nur den geringsten Grad
+von Befriedigung gewähren konnte, hatte sich freilich Mütterchen Tot
+darin eingeknöpft, und wollte Murphy dem Rechte des Besitzes nicht
+ganz entsagen, so mußte er den Sonnenschein benutzen -- und das that
+er auch. -- Jeden Tag wenigstens einmal, machte er den verzweifelten
+Versuch in den Rock einzufahren, und darin auszuhalten, und blieb
+darin zum Erstaunen aller, etwa in der Zeit eintreffenden Gäste, bis
+ihm das Wasser am ganzen Körper herunter lief, und er das nutzlose
+Kleidungsstück von den Schultern riß, aufpackte, zusammenrollte und
+versuchte in eine Kalebasse zu zwingen, was er nach einer Weile
+ebenfalls wieder aufgab, und sich dann seufzend an seine Bibel setzte
+-- und der Rock blieb in der Ecke so lange liegen bis es Abends kühl
+wurde und ihn Mütterchen Tot wieder brauchte.
+
+Außerdem trug Murphy ein paar sehr abgenutzte Sommerhosen, von irgend
+einem farblosen dünnen Stoff, ein baumwollenes Hemd, eine
+gelbgestreifte Weste, statt der fehlenden Knöpfe an den betreffenden
+Stellen mit Bast zugebunden, und eine durch den Jahrelangen Gebrauch
+schon total schwarz gebrannte Thonpfeife, die aber gewissermaßen mit
+zu seinem Anzug gehörte, und ohne die er eben so leicht erschienen
+wäre, wie ohne die Hosen oder die Weste. Nur der alte Filzhut schien
+zum Staat an der Bambuswand zu hängen, und obgleich er ihn regelmäßig
+abwischte, den Staub davon zu entfernen, erinnerte sich noch Niemand
+ihn je darunter gesehen zu haben. Bei Murphy waren die Kleidungsstücke
+alle in der Mitte, an Kopf und Beinen ging er barfuß.
+
+Murphy war Schuhmacher, aber natürlich nur für Europäer, denen er
+altes Schuhwerk ausbesserte oder, wenn sie ihm das Leder dazu
+lieferten, auch Neues fertigte, und wenn die Missionaire ihn und seine
+Begleiterin schon gewiß lange, des unerlaubten Verkaufs spirituoser
+Getränke wegen, weiter geschickt, es wenigstens nicht so unter ihren
+Augen geduldet hätten, so erwies sich der kleine einäugige Irländer
+doch auch wieder so nützlich, ja manchmal sogar unentbehrlich in
+_dieser_ Hinsicht, daß sie das andere Auge zudrückten und ihn lieber
+duldeten als sich in den Fall gesetzt sehen wollten ihre Kundschaft
+einem dort kürzlich hingezogenen _katholischen_ Schuhmacher
+zuzuwenden. Murphy fühlte auch eine gewisse Verehrung für diese
+Männer, die ihm, weniger vielleicht durch ihr sonstiges Wesen und ihre
+Predigten, als durch ihre fabelhafte Kenntniß der Bibel imponirten,
+und bediente sie stets auf das prompteste. Da aber geschah es -- wie
+überhaupt bei vielen anderen Gelegenheiten -- wo er mit Mütterchen Tot
+auf das bösartigste zusammenkam, denn wenn sie irgend etwas haßte auf
+der Welt, so war es, ihren eigenen Worten nach, ein »schwarzröckiger
+Missionair«. Oeffentlich durfte sie aber freilich Nichts gegen sie
+unternehmen, als höchstens schimpfen wenn sie sich unter ihren
+Freunden befand, aber heimlich ließ sie auch dafür keine Gelegenheit
+verstreichen ihnen irgend einen Schabernak zu spielen, und die
+zerbrochenen Brandyflaschen welche die frommen Männer nicht selten
+Morgens in ihrem Garten fanden, waren Kleinigkeit gegen die scharfen
+Zwecken die sie ihnen sicher irgendwo in die Sohlen trieb, wenn Murphy
+nur die Augen von einem fertigen Schuh verwandte. Nur der alleinige
+Mangel an Concurrenz war im Stande gewesen, dem kleinen Iren die
+Kundschaft bis jetzt zu erhalten.
+
+Mütterchen Tot's Hauptgeschäft war eigentlich der _verbotene_
+Brandyverkauf an die Indianer, den sie, trotz Consuln und
+Missionairen, trotz Spioniren und Wachen der »Kirchenvorstände« in
+vollem ununterbrochenen Gang zu halten wußte, und dabei eine Menge
+Geld verdiente, von dem kein Mensch wußte wohin es kam, und dessen
+Versteck aufzufinden selbst Murphys Scharfsinn bis jetzt entgangen
+war. Von den Indianern bekam sie nur theilweise baar Geld, das jene
+von den Europäern für Produkte gelöst, aber sie nahm auch alles
+Andere, Cocosnüsse und Früchte, süße Kartoffeln, Hühner, Ferkel,
+Matten, Tapa, Cocosöl, Perlmutterschaalen, Perlen; was ihr gebracht
+wurde, es war einerlei, und sie wußte es wieder zu den höchsten
+Preisen an die Schiffe, von denen sie ihre Spirituosen bezog,
+abzusetzen. Auch zu dem Schmuggeln derselben hatte sie wieder ihre
+besonderen Leute, großentheils unter den Europäern, und diese gerade
+waren wiederum mit ihre beste Kundschaft. Doch wir finden noch eine
+hübsche Gesellschaft in »Mütterchen Tot's Hotel«, wie die Bambushütte
+von ihren Gästen sowohl wie ganz Papetee genannt wurde, versammelt,
+und die alte Dame selber in bester Laune, denn gerade heute war ihr
+wieder ein guter Wurf gelungen, und eine ganze Parthie neu
+eingeführten Rum und Brandys glücklich in ihrem »Versteck« geborgen
+worden, was sie auch wohl mit der klug benutzten politischen Aufregung
+zu danken hatte, die beide Partheien zu viel beschäftigte ihre
+Aufmerksamkeit so vollkommen dem sonst scharf genug bewachten Strande
+zuzuwenden.
+
+In der Mitte des Hauses stand auf einem leichten Bambusgestell eine
+ziemlich tiefe kleine eiserne Pfanne in der, aus dem flüssigen
+Cocosnußöl heraus, ein riesiger Docht flammte; auf dem nackten Boden
+aber umher waren verschiedene kleine Feuer angemacht und mit faulem
+Holz oder feuchtem Laub beworfen, nur um Qualm zu erzeugen und die
+Abends ziemlich lästigen Mosquitos fern zu halten. In diesem Rauch,
+und bei dem ungewissen Licht des flackernden Dochts saßen, oder
+kauerten vielmehr auf den niederen Sesseln, zehn oder zwölf Männer,
+Weiße und Indianer, mit drei oder vier Indianischen Mädchen zwischen
+sich, in buntem Gemisch zusammen, während im Kreis zwischen ihnen eine
+noch halb volle Flasche herumging, aus der sich Jeder, wenn er Bedarf
+fühlte, die vor ihm stehende Cocosschale füllte und die Flasche dann
+weiter schickte. Mrs. Tot saß unfern davon, wieder in Murphys weißen
+Rock eingeknöpft, auf einem ordentlichen Rohrstuhl, der sie den ganzen
+Kreis bequem überschauen ließ, und Murphy selber lehnte in seinem
+gewöhnlichen Winkel, wo er ein besonderes Licht in einer
+Cocosnußschale brennen hatte, drückte den Kopf an die Wand und schlief
+-- in wiefern das Schlaf genannt werden konnte, wenn sich Jemand mit
+geschlossenen Augen, nur blindlings, aber ununterbrochen, der auf ihn
+einstürmenden Mosquitos zu erwehren suchte.
+
+Die Unterhaltung war indessen lebendig genug geführt worden, hatte
+aber meist gleichgültigen Gegenständen gegolten, in die die Mädchen
+hinein lachten und tollten, den Männern die Flasche wegnahmen und sie
+versteckten, und sogar Murphy in seiner Ecke mit einer Feder unter der
+Nase kitzelten, was ihn zwang entsetzliche Gesichter zu schneiden und
+mit den Händen, zu ihrem unbeschreiblichen Ergötzen, rasch und heftig
+nach dem angegriffenen Theil zu fahren. Sie blieben dabei immer »zu
+windwärts von ihm«, wie sie's in ihrer Sprache nannten, d. h. an
+seiner blinden Seite, an der sie am wenigsten eine rasche Entdeckung
+zu fürchten hatten, und trieben es so arg mit ihm, bis er zuletzt,
+ohne jedoch seine listigen wie boshaften Quälerinnen zu entdecken,
+munter wurde, sich die Augen (selbst das blinde dieser Operation
+unterwerfend) ausrieb, und mit einem halblaut gemurmelten Fluch auf
+die Mosquitos seine Lampe wieder ein wenig auffrischte, daß sie heller
+brannte.
+
+»Und Ihr, O'Flannagan, mein Juwel,« mischte sich jetzt die Alte
+hinein, die auf dem Stuhl zusammengekauert, die Füße halb
+heraufgezogen und die zusammengeschlagenen Arme gegen die Knie
+gelehnt, dem Gespräch theils behaglich zugehört, theils das Kreisen
+der Flasche beobachtet, auch wohl einmal aufmerksam über den Lärm
+hinübergehorcht hatte, ob sie draußen kein verdächtiges Geräusch
+vernehme -- »Ihr wollt jetzt wieder eine Zeitlang auf der süßen Insel
+bleiben? -- segne Euere Augen Kind, Ihr hättet zu keiner gelegneren
+Zeit herüber kommen können, im ganzen gebenedeiten Kalenderjahr --
+laßt mir jetzt den Narren da drüben zufrieden, Ihr Dirnen, oder ich
+hetze ihn über Euch, g'rad wenn er aufwacht -- Wespenzeug.«
+
+»Hallo Mutter Tot ist heute Abend böser Laune,« rief Eine der Mädchen
+trotzig -- »sollen wohl ruhig hier sitzen im qualmigen Nest -- ehrbar
+wie in der Predigt? Kommt Waihines, draußen im Freien ist's besser,
+laßt sich die Schildkröte am Feuer räuchern.« Und lachend, die Melodie
+ihres Tanzes trällernd, zu dem sie mit den Füßen den Takt schlug,
+sprang sie, von den übrigen begleitet, denen der größte Theil der
+Matrosen ebenfalls, theils fluchend theils lachend folgte, hinaus in's
+Freie.
+
+»Das glaub' ich, Mütterchen;« brummte indeß unser alter Bekannter vom
+Strande, ohne sich weiter um den Lärm der Fortspringenden zu kehren,
+»natürlich, um gleich wieder die paar kaum verdienten Schillinge, und
+wer weiß was sonst noch, zu riskiren, Dir Deinen Wintervorrath an
+»Bergthau« einzulegen?«
+
+»Bah, Mann, es war keine Kunst den Branntwein an Land zu schaffen,«
+brummte aber die Alte kopfschüttelnd, »und das Geld dießmal mit Sünden
+verdient -- kein Mensch schaute danach, und ich hätte ihn selber
+wollen im Canoe an Land und hier herauf bringen, wenn der Narr von
+einem Schuster da in der Ecke nur für irgend was anderes noch, als
+auseinandergegangenes Leder zu flicken, gut wäre.«
+
+Murphy, der munter genug geworden war die letzten Worte wie ihre
+schmerzhafte Anspielung zu verstehen, knurrte nur etwas in den Bart,
+erwiederte aber Nichts, und fing sich an seine Pfeife zu stopfen, mit
+der er von da an langsam aber sicher der Nähe der Flasche zu
+arbeitete, vor allen Dingen einmal in Armes Länge von ihr zu kommen,
+und das Weitere dann seinem guten Glück zu überlassen, denn die Alte
+gönnte ihm keinen Tropfen ihres Getränks, daß sie als ihre
+Privatspeculation betrachtete, wenn er nicht eben so gut wie jeder
+Andere dafür bezahlte.
+
+»Haha Mütterchen,« lachte aber sein Landsmann, ohne sich die Mühe zu
+nehmen nach dem bezeichneten Individuum umzuschauen -- »nun die Arbeit
+gethan ist wollt Ihr sie herunter setzen, ich sage Euch aber daß Ihr
+Euch bald die Zeit wieder herbeiwünschen werdet wo sie Euch aufpassen
+bis unter Euer Mosquitonetz, denn wenn die Franzosen hier doch noch
+die Ueberhand kriegen, wird der Branntwein so billig wie der
+Limonensaft, und der Kanaka kann ihn am Strand trinken, im offenen
+Tageslicht.«
+
+»Wenn die Wi-Wis nur der Henker holen wollte,« knurrte die Alte, die
+heimlich diese Besorgniß schon lange theilte, »aber die Englischen
+»Eisenseiten« halten ihnen den Daumen auf's Auge, und ich werde ja den
+Tag noch erleben, wo wir sie hinaustreiben sehen aus der Bai, wie eine
+Schaar räudiger Hunde.«
+
+»Puh,« lachte Einer der schon halb angetrunkenen Indianer, indem er
+von seinem Sitz hinunterrutschte, und sich, den Schemel unter den Kopf
+schiebend, lang ausstreckte und dehnte zwischen die Trinker -- »puh,
+die Beretanis nehmen den Mund voll -- sie sind lauter Worte und kein
+Brandy -- morgen früh kein Schießcanoe mehr im Hafen.«
+
+»Unsinn, Du Saufaus,« schimpfte aber die Alte, einen mürrischen Blick
+nach ihm hinüberwerfend, »was weißt _Du_ von den Schießcanoes, daß Du
+Deine Zunge mit hineinhängst wenn vernünftige Leute reden.«
+
+»Was ich von den Schießcanoes weiß?« lallte aber der Insulaner -- »bin
+d'ran vorbeigefahren heut Abend -- Toatiti ist nicht blind.«
+
+»Der Bursche hat am Ende nicht so ganz Unrecht,« meinte O'Flannagan
+kopfschüttelnd -- »der ehrwürdige Mr. Pritchard muß gar nicht so
+vortreffliche Nachrichten mitgebracht haben, sonst hätten seine
+Kameraden hier, schon einen ganz anderen Lärm geschlagen, und
+bestätigt sich jetzt das, daß die Engländer segeln, dann haben wir
+auch in acht Tagen die Franzosen wieder über dem Hals. Ich weiß nur
+jetzt nicht recht was man sich wünschen soll.«
+
+»Daß sie Beide der Teufel hole!« knurrte die Alte mürrisch in ihrem
+wunderlichen Dialekt, »Einer ist so sehr darauf versessen einer armen
+alten Frau das Bischen Lebensunterhalt zu entziehen, wie der Andere,
+und wo die Einen Alles verbieten, erlauben die Andern Alles -- sie
+geben sich ordentlich die größte Mühe die Inseln nur so schnell wie
+möglich zu ruiniren. Aber hab' ich die Wahl, will ich doch noch lieber
+die Franzosen als Herren wissen, denn Handel treiben die Missionaire
+auch, und wer von ihnen ungeschoren bleiben will, muß ihnen dann ihre
+Kattune und Bibeln abkaufen für gutes Cocosnußöl und
+Perlmutterschaale; anstatt solch Eigenthum hier ansässigen Leuten zu
+gönnen, klappert's in ihren eigenen Geldsäcken weiter.«
+
+»Oh laßt Euer nichtsnutziges Indianisches Gewäsch, und redet daß es
+ein anderer ordentlicher Mensch auch verstehen kann,« rief aber hier
+Einer der Englischen Matrosen, der Zimmermann der ~Kitty Clover~
+dazwischen, der mit der größten Aufmerksamkeit Mütterchen Tots Rede
+gefolgt war, und um's Leben nicht herausbekommen konnte was sie
+eigentlich gesprochen -- »wer ist todt und wo brennt's?«
+
+»Laßt's gut sein, Mütterchen,« beschwichtigte diese O'Flannagan, des
+Engländers Einrede jedoch soweit beachtend, daß er in seiner
+Muttersprache die Unterhaltung weiter führte, »durch ihr Verbot des
+Brandy wiegen sie das Alles wieder auf, und Ihr bleibt noch immer in
+ihrer Schuld. -- Wie viel rechnet Ihr etwa, daß Ihr jährlich an
+heimlichem Grogverkauf verdient?«
+
+»Zählt einer armen Wittwe die Bissen die sie in den Mund steckt,
+heh?« fuhr ihn aber die Alte an -- »daß ich zu leben habe an
+Brodfrucht und Cocoswasser ist's eben genug, gönnt Ihr mir das etwa
+auch nicht? -- Ihr verdient in einer Nacht mehr durch mich, wie ich
+durch Euch das ganze Jahr.«
+
+»Haha Mütterchen,« lachte aber der Ire -- »Ihr lernt das Prahlen wohl
+von den Franzosen, und dabei riskirt Ihr ohnedieß auch nicht Euere
+Haut, und sitzt wohl und sicher hier in Euerem behaglichen Haus,
+während sie unsereinem, wenn sie ihn faßten, vielleicht kurzen Proceß
+machten, statt aller Weitläufigkeit.«
+
+»Bah, was riskirt _Ihr_,« brummte die Alte verächtlich -- »daß sie
+Euch einstecken für ein paar Wochen, oder von der Insel verweisen dann
+schifft Ihr Euch in Papetee ein, und steigt in Papara wieder an Land
+-- es ist ordentlich erstaunlich, daß Ihr es unter den Umständen
+wirklich wagt, einmal nach Dunkelwerden noch eine halbe Stunde für
+funfzig schwere silberne Dollar zu arbeiten.«
+
+»Ihr redet wie Ihr's versteht,« brummte Jim finster in den Bart --
+»und ich habe auch gerade keine besondere Lust Euch das Ganze hier
+weitläufig aus einander zu setzen; soviel aber kann ich Euch
+versichern, ich wollte lieber zehntausendmal mit Eueren glattrasirten
+Methodisten zusammenrennen, wie mit den großmäuligen Burschen, den
+Franzosen, und -- habe dazu meine ganz absonderlichen Gründe, die eben
+Niemand weiter etwas angehen, wie mich selber. Wenn das übrigens wahr
+wird, was Taotiti da vermuthet, und die Engländer hier wieder klar
+Fahrwasser machen, in das die Franzmänner nachher mit fliegenden
+Fahnen einziehen, dann weiß meiner Mutter Sohn was er zu thun hat, und
+jede andere Insel ist dann für mich bequemer wie Tahiti -- Ihr könnt
+mir vielleicht eine Empfehlung nach Neu-Seeland mitgeben Mütterchen,
+wie?«
+
+Murphy verzog bei diesen Worten das Gesicht zu einem breiten Grinsen,
+Mütterchen Tot wurde aber böse, und begann eben mit einer vollen
+Ladung Schimpfwörter gegen den heimlichen, aber desto boshafteren
+Angriff des Iren, als draußen ein leises Pfeifen gehört wurde, und
+Mrs. Tot sowohl, wie Jim alles Andere in dem einen Gefühl größter
+Wachsamkeit vergaßen.
+
+»Hallo was ist das,« sagte Jim, stand auf von seinem Sitz, und zog
+sich langsam nach einem entlegeneren Theil der Hütte hin, während
+Toatiti die gerade vor ihm stehende Flasche zustöpselte, und unter
+sich schob, von wo sie Murphy, der jetzt recht gut den passendsten
+Zeitpunkt wußte, eben so rasch wieder entfernte, und damit auf seinen
+Platz zurückglitt -- »da kommt Jemand.«
+
+»Das war To-to's Zeichen,« flüsterte die Alte, vorsichtig die Hand vor
+die Flamme haltend, darüber hinwegschauen und den gleich erkennen zu
+können der ihre Hütte noch zu dieser späten Stunde betreten würde --
+»Toatiti, wahr' Deine Flasche.«
+
+»Wahr meine Flasche?« knurrte der Indianer, auf dem Platz herumfühlend
+wo er sie verborgen -- »das haben Andere gethan -- Oro's Zorn über
+sie.«
+
+In diesem Augenblick öffnete sich aber die niedere Bambusthür, und von
+dem auf Wacht draußen postirten Insulaner dicht gefolgt, betrat, den
+Hut tief in die Augen gedrückt, ein Matrose den inneren Raum, blieb in
+der Thüre stehen, sich erst zu orientiren in was für Gesellschaft er
+eigentlich kam, und schritt dann, wie mit einem Blick um sich her
+vollkommen zufriedengestellt, zur Flamme. Hier warf er den Hut ab,
+setzte sich auf einen der leeren Schemel nieder, und fing an seine
+Thonpfeife so ruhig zu stopfen, als ob er von klein auf hierher gehört
+hätte, und gar nicht beabsichtigte je wieder einen so angenehmen Platz
+zu verlassen.
+
+Niemand in der Hütte war übrigens mit größerem Erstaunen diesen
+Bewegungen des Besuchs -- der für ihn kein fremder schien -- gefolgt,
+als Mr. O'Flannagan, der in dem späten Wanderer mit einer keineswegs
+freudigen Ueberraschung seinen früheren alten Spießgesellen, Jack, von
+der ~Jeanne d'Arc~, erkannte, und sich dabei recht gut bewußt war, daß
+er ihn halb und halb selber eingeladen, an Land zu kommen.
+
+»Well Jim,« begann dieser würdige Mann, nachdem er sich die Pfeife
+angebrannt, während die Anderen ihm schweigend, und durch seine
+Kaltblütigkeit wirklich überrascht, zuschauten -- »wie geht's heut'
+Abend, was stehst Du denn dahinten in der Ecke? -- habt Ihr Nichts zu
+trinken hier?«
+
+»Hol mich dieser und Jener« brummte aber Jim, der jetzt langsam
+vorkam, und seinen alten Platz wieder einnahm, »wenn das nicht Jack
+ist von der ~Jeanne~, nun mein Junge, hast Du den Platz hier wirklich
+aufgefunden, und wo willst Du hin?«
+
+»Freundlicher Empfang das, bei Jingo,« lachte Jack -- »hallo Mate da
+drüben, wenn Du mit der Flasche fertig bist, lang' sie mir einmal
+herüber.«
+
+Die Anrede galt Murphy, der sich in diesem Augenblick unbeobachtet
+genug geglaubt, einen heimlichen Angriff auf die erbeutete Flasche
+wagen zu dürfen, und jetzt erschreckt absetzte und eine fast
+unwillkürliche Bewegung machte das ~corpus delicti~ rasch wieder, und
+bis zu geeigneterer Zeit zu verbergen, Toatiti war aber indessen auch
+aufmerksam geworden, und in die Höh springend und mit dem Rufe:
+»Hallo, weißer Mann -- hat meine Flasche,« holte er sich sein
+Eigenthum wieder, mit dem er jedoch die gefährliche Nachbarschaft des
+neugekommenen Fremden ebenfalls mied, und sich seinen Platz am anderen
+Ende der Hütte suchte. Jim reichte Jack indessen eine andere Flasche
+hinüber.
+
+»Und wer seid _Ihr_, wenn man fragen darf, mein feiner Herr?« sagte
+aber jetzt Mütterchen Tot, mit noch immer etwas vorsichtig gedämpfter
+Stimme, als ob sie nicht recht traue daß nicht vielleicht noch eine
+andere Gesellschaft draußen an der Hütte stehen könne -- »Ihr kommt
+hier gerade so breitbeinig herein, als ob Ihr mit zum Haus gehörtet,
+und müßt doch wissen daß ich, den streng gehaltenen Gesetzen der Insel
+nach, keinen Fremden über Nacht bei mir beherbergen darf, selbst wenn
+ich ihn kenne, was bei Euch aber nicht einmal der Fall ist.«
+
+»Wer ich bin? -- hm, Jim da drüben wird Euch das am besten erzählen
+können, wenn er sonst Lust dazu hat,« lachte der Matrose, zum ersten
+Mal wieder absetzend mit der Flasche, und sich das Naß aus dem Bart
+streichend.
+
+»Aber wo kommst Du noch her so spät in der Nacht,« frug jetzt Jim
+selber, »und wie in der Welt hast Du den schmalen Pfad durch die
+Guiaven verfolgen können?«
+
+»Verdammt wenig hab' ich überhaupt von einem Pfad gespürt,« lachte der
+Seemann, »nein Kamerad, einen nichtswürdigen Kreuzzug habe ich durch
+das niederträchtige Buschwerk hier gemacht nach allen Strichen und
+Himmelsgegenden zu, und bin auf und ab lavirt, bis ich mich eben
+bereit machte die Nacht unter Gottes freiem Himmel zuzubringen, als
+ich noch zum guten Glück Euer freundliches Licht durch die Büsche
+schimmern sah, und nun vor dem Wind Cours halten konnte, bis ich das
+leise Pfeifen des Burschen da hörte, der mich noch immer so verstört
+und mißtrauisch ansieht, als ob ich ihm alle Augenblicke wieder davon
+laufen wolle. Hab' keine Angst, mein Junge, der Brandy ist
+vortrefflich, und hier sucht mich doch kein Teufel, wenigstens nicht
+bis es Tag wird, und man sich nicht mehr in den stachlichen
+Orangengebüschen die Fetzen vom Leib, ja die Haut von den Knochen
+reißt.«
+
+»Du bist desertirt?« frug O'Flannagan rasch.
+
+»Desertirt?« schrie die Alte, von ihrem Sitz aufspringend -- »und
+halt' ich ein Versteck hier, für entlaufene Matrosen? was wollt Ihr da
+hier? -- weshalb seid Ihr _hier_hergekommen?«
+
+»Pst, pst Alte,« suchte sie Jack aber wieder zu beruhigen, und die
+Flasche vorher noch einmal gegen das Licht haltend, that er einen
+zweiten Zug, der eben nicht viel für einen dritten übrig ließ -- »nur
+nicht solchen Lärm einer Kleinigkeit wegen; das haben bessere Männer
+vor mir gethan -- Wetter noch einmal, der Brandy ist famos, und ich
+wollte die Flasche hier hätte eine Schwester.«
+
+»Aber sie haben Dich noch nicht vermißt?« sagte Jim, ihn über das
+Licht aufmerksam betrachtend, »denn ich will doch nicht hoffen daß Du
+eben, von den Spürhunden gehetzt, hier nur so zu Bau gekrochen bist.«
+
+»Der Vergleich könnte passen,« schmunzelte Jack, wie mit sich selber
+zufrieden; »erst mit Dunkelwerden haben sie meine Spur in den Guiaven
+verloren, und ich kann's ihnen nicht übel nehmen, denn ich wußte
+selber nicht mehr wo ich war -- wie sollten sie's.«
+
+»Da haben wir's!« rief aber die Alte in Zorn und Grimm mit der rechten
+Faust in ihre linke offene Hand schlagend; »wegen dem fortgelaufenen
+Lump soll ich mir hier das Dach über dem Kopf niederreißen und mich
+wieder hinaus in alle Welt jagen lassen? weiter fehlte mir Nichts --
+hinaus mit Dir mein Bursche, hinaus so schnell Du gekommen bist, oder
+ich lasse Dich binden und knebeln und selber wieder auf Dein Schiff
+zurückliefern, wohin Du gehörst, und das Du im Leben nicht hättest
+verlassen sollen.
+
+»Herrliche Gastfreundschaft hier auf der Insel,« lachte Jack, ohne
+aber auch nur die mindeste Bewegung zu machen, als ob er dem Befehl
+Folge leisten wolle -- »patriarchalische Freundschaft das, hol' mich
+der Böse -- sie sagen's Einem doch erst ganz höflich, ehe sie Einen
+wieder hinauswerfen. Nun Jim, wie ist's? -- willst Du mich nicht
+lieber wieder an Bord zurückschicken lassen? -- Du weißt, _ich_ könnte
+nachher gar keine Geschichte erzählen, Gott bewahre, nicht die
+mindeste.«
+
+»Unsinn,« knurrte der Ire, »es wäre mir verdammt egal was Du, einmal
+erst wieder an Bord, erzählen oder erfinden könntest -- na, ich weiß
+schon was Du sagen willst; die Alte hat aber in einer Hinsicht recht,
+_hier_ kannst Du nicht bleiben, und _ich_ auch nicht, wenn sie Dich
+wirklich bis an die Guiaven verfolgt haben, denn dann stöbern sie
+auch, von ein oder dem andern _frommen_ Indianer geführt, die dabei
+ein gutes Werk zu thun glauben, diese Hütte noch vor Tagesanbruch auf,
+und könnten uns dabei im besten Schlaf erwischen.«
+
+»Hol sie der Teufel!« rief Jack finster -- »sie mögen thun was sie
+nicht lassen können, aber meiner Mutter Sohn geht heute Nacht nicht
+wieder allein in die Guiaven hinaus, und wenn ich die ganze
+Mannschaft der ~Jeanne d'Arc~ hinter mir wüßte. -- Wenn Ihr mich aus
+dem Weg haben wollt, versteckt mich hier irgendwo, ich bin müde wie
+ein gehetzter Wolf und will schlafen; kommen die Monsieurs nachher
+wirklich noch hierher, was ich aber doch stark bezweifeln möchte, so
+kann sie die alte würdige Dame da, mit dem allerliebsten Hut auf und
+dem gewiß höchst modernen Anzug, leicht genug auf eine falsche Fährte
+bringen -- so, jetzt wißt Ihr das Kurze und Lange davon.«
+
+Mütterchen Tot, der vielleicht in ihrer ganzen jahrzehnte langen
+Praxis ein solches Beispiel von keckem Trotz, _ihr_ gegenüber noch
+nicht vorgekommen war, stand im ersten Augenblick wirklich starr vor
+Ueberraschung -- jedenfalls sprachlos, dann aber war sie eben im
+Begriff wie Gottes Zorn über den Unverschämten hereinzubrechen, der
+ihr hier in ihrer eigenen Hütte zu trotzen, ja sie zu verhöhnen wagte,
+als Jim dazwischen trat, und sie zurückhaltend den Arm des Matrosen
+faßte und diesen bei Seite zog.
+
+»Was _will_ der Mensch hier?« kreischte jetzt aber das gereizte Weib
+mit lauter, gellender Stimme, ziemlich unbekümmert wie es schien, wie
+viel Specktakel sie mache -- »was thut er hier, was sucht er bei mir,
+daß er -- «
+
+»Halt Mütterchen,« rief aber Jim rasch und heftig sie unterbrechend,
+und den Arm drohend gegen sie aufgehoben -- »halt, oder Du schreist
+Dich selber um den Hals -- der hier ist ein alter Kamerad von mir, und
+ich werde ihn nicht in der Patsche sitzen lassen.«
+
+»Aber hier in meinem Hause -- «
+
+»Ruhig Mütterchen -- hier im Haus soll und kann er auch nicht bleiben
+-- Du brauchst Dir deshalb keine Sorge zu machen; und Du, Jack,«
+wandte sich Jim jetzt gegen diesen, der ziemlich geduldig das Ende der
+Unterhaltung zu erwarten schien -- »Du stehst hier auf gefährlicherem
+Boden als Du wahrscheinlich vermuthest, und je eher Du aus dem Schein
+dieses Lichts kommst, desto besser für Dich -- vielleicht für uns alle
+Beide.«
+
+»Aber wie zum Teufel _kann_ ich fort?« rief der Matrose ärgerlich,
+»das Dickicht draußen ist ordentlich zugewachsen, und mit dem Licht
+schon in Sicht, habe ich meinen Weg noch gewiß eine halbe Stunde
+förmlich durcharbeiten müssen, nur den Platz hier zu erreichen.«
+
+»Du sollst auch nicht allein gehen,« unterbrach ihn Jim, »denn wir
+müssen Dich eine ganze Strecke weit inland bringen, wenn Du es nicht
+lieber vorziehst in der Nähe vom Strand zu bleiben und mit erster
+Gelegenheit in einem Canoe nach irgend einer anderen Insel
+überzusetzen.«
+
+»Nein nein -- danke,« sagte Jack nach kurzem Ueberlegen -- »draußen in
+See ist langsames und unsicheres Fortkommen, und der Henker traue den
+verschiedenen Fregatten die jetzt im Ein- oder Auslaufen sind; sie
+könnten Einem jeden Augenblick über den Hals kommen, und -- neugierig
+sind sie alle. Nein, ich will's jedenfalls erst einmal eine kurze Zeit
+hier in den Bergen versuchen -- auf Salzwasser komme ich noch immer
+zeitig genug.«
+
+»Gut, dann soll Dich Toatiti in die Berge bringen,« sagte Jim nach
+einigem Nachdenken, und zwar in Tahitischer Sprache, mehr zu dem
+Indianer selber, als zu Jack gewandt.
+
+»Toatiti wird sich hüten,« knurrte aber dieser, seine Stellung
+beibehaltend und sich nur etwas mehr auf die Seite hinüberdrehend,
+»Toatiti liegt hier ausgezeichnet und ist sehr durstig.«
+
+»Schwamm!« zischte der Ire zwischen den zusammengebissenen Zähnen
+durch, aber er wußte auch daß mit den Insulanern, wenn sie einmal
+keine Lust hatten, Nichts zu machen war, weder in Gutem noch Bösen,
+und deshalb den anderen jungen Burschen zu sich winkend, flüsterte er
+ihm etwas in's Ohr -- irgend ein Versprechen, seine Faulheit zu
+beschwören, und mußte ihm dabei so dringend zugeredet haben, daß er
+wirklich seine Tapa fester um sich her zog, die Haare aus dem Gesicht
+schüttelte und sich bereit zeigte den Weißen »aus dem Weg« zu führen.
+
+Der Insulaner der Südsee ist eigentlich nicht faul -- wir haben
+wenigstens kein Recht für ihn, dem die Natur Alles gegeben was er
+braucht, wenn er nur die Hand danach ausstreckt, eine eben solche
+Thätigkeit zu verlangen, wie sie unser ganzes Klima, unser Boden,
+unser übervölkerter Staat schon zur Bedingung unserer Existenz
+gemacht, und uns also auch damit jedes Verdienst genommen hat, sie uns
+angeeignet zu haben -- wir können einmal nicht ohne sie leben, und
+deshalb auch nicht mit ihr prahlen. Es würde ebenso wenig Einem
+unserer reichen Leute, unserer Rentiers und Capitalisten einfallen
+Holz zu hacken oder Straßen zu bauen mit Schaufel und Spitzhacke --
+»wir brauchen es nicht« sagen sie achselzuckend, »dafür haben wir
+unsere Leute.« Dasselbe sagt der Insulaner -- »ich brauche es nicht«,
+oder wenn er's nicht sagt liegt es in jeder Muskel seines Gesichts, in
+jedem Nerv seines Körpers. Der Brodfruchtbaum ernährt ihn, und tausend
+andere Fruchtbäume schütteln ihm selber das luxuriöseste Mahl auf den
+Boden nieder; nur die Kleidung wurde früher von den Frauen und Mädchen
+aus der Rinde gewisser Bäume herausgeschlagen, und dieser einzig
+nöthigen Beschäftigung widmete wenigstens der weibliche Theil der
+Bevölkerung einige Zeit; aber selbst das ist jetzt, sehr zum Schaden
+der Insulaner, durch die erst von den Missionairen und später von
+anderen Europäern eingeführten Cattune unnöthig gemacht und
+aufgehoben, und die Missionaire selber verkauften ihnen die
+Europäischen Stoffe, die ihnen durch ihre bunten Farben gefielen, um
+einen Tauschartikel zu haben, für den sie ihren eigenen
+Lebensunterhalt, wie anderes was sie zur Bequemlichkeit ihrer Existenz
+gebrauchten, bekommen konnten. Den Frauen wurde damit die letzte
+nützliche Beschäftigung genommen, und Bibellesen, das ihnen dafür
+Ersatz geben sollte, konnte sie natürlich nur so lange fesseln, als es
+eben den Reiz der Neuheit für sie hatte. Was kümmerten sie die Sagen
+eines Volks von dem sie nicht einmal einen Begriff hatten wo und wann
+es existirt, und jetzt gerade, wo das Glauben an die Wunder ihrer
+eigenen Götter durch die fremden Männer erschüttert, ja über den
+Haufen geworfen worden, sollten sie da gleich gläubig und
+vertrauungsvoll zu noch viel wunderbareren Sachen aufschauen? --
+
+Ach was -- die Sonne reifte ihre Früchte noch wie je -- im Schatten
+ihrer wundervollen Wälder ruhte sich's so kühl wie sonst, und der
+Zukunft _träumte_ es sich viel eher, wenigstens viel leichter
+entgegen, als daß sie die Hand hätten »an den Pflug« legen sollen, wie
+es die Missionaire fortwährend von ihnen verlangten. Wer etwas von
+ihnen haben wollte mußte es gut bezahlen -- dann thaten sie es
+vielleicht; aber gezwungen wollten sie noch immer nicht dazu werden.
+
+»Und wo führt er mich hin?« sagte Jack mit einem leisen Anflug von
+Mißtrauen als er sah, wie sich der Indianer fertig machte ihn zu
+begleiten, »hab ich weit zu gehen?«
+
+»Zu einem Haus in den Bergen,« erwiederte Jim, ihm die Worte leise
+zuflüsternd -- »selbst Mütterchen Tot braucht den Ort nicht zu wissen,
+obgleich sie Keinen verrathen würde, von dem sie nicht selber gleichen
+Liebesdienst fürchten müßte -- der Platz liegt kaum eine halbe Meile
+von hier entfernt, aber sicher versteckt, und ist wenigstens nicht,
+wie der hier, als heimlicher Schlupfwinkel entlaufener Matrosen in
+ganz Papetee, ja auf der ganzen Insel, berüchtigt -- bist Du fertig?«
+
+»Brauch' ich etwa andere Vorbereitungen,« lachte Jack, »als meine
+Jacke wieder zuzuknöpfen? -- aber die Flasche hier nehme ich mit, es
+ist immer noch ein Tropfen darin, und der Nebel liegt dicht auf den
+Bergen. Und nun ade, Mütterchen, und vergelt' Dir Gott die
+freundliche Bewirthung -- bis _ich's_ vielleicht einmal im Stande bin.
+Und Du, Kamerad?« wandte er sich plötzlich noch gegen den Mann von der
+~Kitty Clover~, der die ganze Zeit, seit Jack die Hütte betreten,
+keine Sylbe gesprochen, und den fremden Gesellen nur manchmal, wenn
+das unbemerkt geschehen konnte, unter seinem Hutrand vor beobachtet
+hatte, »hast Du nicht vielleicht Lust einen Abendspatziergang
+mitzumachen? -- s'ist verdammt langweilige Arbeit so allein mit einer
+Rothhaut draußen in den Büschen herumzukriechen.«
+
+»Danke,« brummte aber der Matrose ohne aufzusehen -- »befinde mich
+g'rade hier wohl wo ich bin.«
+
+»Auch gut,« brummte der Andere finster -- »besser keine Gesellschaft
+wie schlechte,« und mit einem kurzen Gruß nach Jim hinüber, winkte er
+seinem Führer und verließ rasch und mürrisch das Haus.
+
+Nicht ein Wort wurde gesprochen, als sich die leichte Bambusthür
+wieder hinter den Beiden schloß, und die Zurückbleibenden horchten
+viele Minuten lang lautlos und aufmerksam den, bald in der Ferne
+verhallenden Schritten. Der Mann von der ~Kitty Clover~, Bob mit
+Namen, brach zuerst das Schweigen wieder, und sich mit finster
+zusammengezogenen Brauen den Hut aus der Stirn rückend brummte er,
+mehr mit sich selbst als zu den Anderen redend, und die letzten Worte
+des wunderlichen Burschen wiederholend, der hier so plötzlich zwischen
+ihnen aufgetaucht und verschwunden war:
+
+»Besser keine Gesellschaft wie schlechte? -- Wetter Kamerad, Du
+würdest weit in der Welt herumsuchen müssen, wenn Du schlechtere
+finden wolltest wie Dein eigenes süßes Ich.«
+
+»Kennt Ihr ihn?« frug Jim rasch, sich zugleich nach dem Sprecher
+umdrehend.
+
+»Vielleicht nicht so gut wie Ihr,« lachte dieser trocken, »aber immer
+doch gut genug froh zu sein, daß ihm _mein_ Gesicht nicht gerade alte
+Scenen in's Gedächtniß zurückrief. Wir waren vor gar nicht so langen
+Jahren Schiffskameraden, ja Vortopgäste zusammen, und er wurde
+gepeitscht und später in Ketten an Land geschafft, weil er das M. und
+D. nicht von einander zu unterscheiden wußte.«
+
+»Das M. und D.?« sagte Jim erstaunt.
+
+»Nun das Mein und Dein,« lachte der Wallfischfänger, »aber noch
+schlimmere Sachen wurden ihm zur Last gelegt, und ein halbes Wunder
+nur rettete ihn damals von der Raanocke -- verdient hatte er sie schon
+zehnmal.«
+
+»Aufgepaßt!« flüsterte da die Stimme der Alten rasch und vorsichtig
+dazwischen -- »aufgepaßt, draußen sind wieder Schritte die da nicht
+hingehören -- und der faule Gauch von einem Schuster kauert da
+wahrhaftig wieder hinter seiner dickleibigen Bibel und schmiert die
+Seiten voll Cocosöl -- hinaus mit Dir, Menschenkind, wohin Du gehörst,
+und daß doch der Böse mit Dir und dem Buch davonflöge.«
+
+Murphy schien allerdings vollständig ausgeschlafen zu haben, und hatte
+sich, da ihm die Flasche wieder abhanden gekommen, seinen
+allnächtlichen Tröster, die Bibel, vom Gesims geholt, über der er bei
+dem matten Licht der unsteten Flamme brütete. Mütterchen Tot's
+Zornrede störte ihn nun allerdings etwas in dieser löblichen
+Beschäftigung, aber theils ärgerlich gemacht durch den Verlust des
+Brandy, theils durch die unermüdlichen Angriffe der Mosquiten, derer
+er sich heute Abend kaum erwehren konnte, war ein sonst an ihm kaum
+denkbarer Geist, der Geist des Widerspruchs, in ihn gefahren, und
+mürrisch über das Buch und das Licht wegsehend rief er mit seiner
+feinen, jetzt ärgerlich erregten Stimme:
+
+»Ach zum Henker, ich habe draußen Nichts zu suchen, und wenn man Einen
+wie einen Menschen behandelte, könnte man auch wie ein Mensch
+existiren. Laß die aufpassen die sich vor was zu fürchten haben;
+Murphy hat ein gutes Gewissen und sitzt hier lange gut.«
+
+»Nun _das_ hat mir noch gefehlt!« schrie Mütterchen Tot, von ihrem
+Sitz empor und auf den Rebellen zufahrend, der nur eben Zeit genug
+behielt das Gestell mit der Lampe zwischen sich und die Megäre zu
+bringen. Mütterchen Tot schien aber seine Taktik schon zu kennen, und
+mit einem Griff ihrer langen Arme um die Flamme herumgreifend
+erwischte sie das Buch, hob es mit beiden Armen auf und schleuderte es
+blitzesschnell und mit einem ingrimmigen Fluch nach dem Kopf des
+kleinen Schusters, der nur durch rasches Untertauchen dem nicht
+unbeträchtlichen Gewicht des Bandes entgehen konnte. »_Da_,« schrie
+sie dabei, kirschroth vor Wuth -- »da Du Lump, da nimm das und
+studier's, und nun hinaus mit Dir, oder so wahr da oben der Mond am
+Himmel steht, ich gieße Dir das heiße Cocosöl über den Leib, und brühe
+Dich wie ein unreines Schwein das Du bist -- Du -- Du Lederstecher
+Du.«
+
+»Zum Teufel noch einmal, Mütterchen,« rief aber Jim jetzt dazwischen,
+der sich indessen ebenfalls zum Fortgehen bereit gemacht, und seine
+Jacke zugeknöpft, seinen Hut aufgesetzt hatte -- »laßt den Lärm hier,
+Ihr macht ja einen Skandal, daß die Hunde am Strand an zu bellen
+fangen. Mir wird's unheimlich hier drin, und ich suche mir lieber ein
+stilleres Quartier. Komm Kamerad, ich will Dich noch in gute
+Gesellschaft bringen, heut' Abend, und morgen früh dann -- Teufel!«
+unterbrach er sich aber rasch und erschreckt, denn draußen rasselten
+plötzlich, wie auf ein gegebenes Kommando, eine Anzahl Gewehrkolben
+auf den Boden, dicht an dem Eingang der Hütte nieder, und die Stimme
+eines Befehlenden in Französischer Sprache wurde laut:
+
+»Zwei von Euch um das Haus herum, ob es noch einen anderen Eingang
+hat, und Ihr hier bleibt an der Thür; was mit Gewalt hindurch will den
+stoßt Ihr nieder -- Feuer auf jeden Flüchtling.«
+
+»Alle Wetter,« brummte Bob, jetzt ebenfalls aufspringend, und seine
+Segeltuch-Hosen nach Art der Seeleute in die Höhe zerrend -- »Jack ist
+ihnen zur rechten Zeit aus den Klauen gerutscht.«
+
+Es blieb ihm keine Zeit zu weiteren Bemerkungen, denn die Thür wurde
+in diesem Augenblick aufgerissen, und sich bückend trat ein
+Französischer See-Officier ein, dem eine Anzahl Marinesoldaten mit
+aufgepflanztem Bajonett folgten, und somit ein Verlassen der Hütte,
+die keine Fenster hatte, unmöglich machte.
+
+Der Officier, dessen Blick den inneren Raum, soweit das nämlich das
+ungewisse Licht der Cocosflamme erlaubte, überflog, haftete zuerst auf
+Murphy selber der, sich wenig um die Patrouille oder Haussuchung
+kümmernd, an die er durch eine lange Reihe von Jahren auch wohl schon
+gewöhnt sein mochte, nur rasch und bestürzt seine Bibel aufgegriffen
+hatte, und mit dem dicken Buch jetzt gar nicht schnell genug in seine
+Hülfskalebasse hineinfahren konnte.
+
+»Hallo Sir -- was habt _Ihr_ da so Kostbares zu verstecken he?« rief
+er in Englischer Sprache, und ging langsam auf den kleinen Mann zu,
+der fast instinktartig das erst halb hineingezwängte Buch bei Seite
+und in den Schatten drückte, und nach einem angefangenen Schuh griff,
+als ob er mitten in der Nacht seine mit Dunkelwerden aufgegebene
+Arbeit wieder beginnen wolle.
+
+»Und seid Ihr hierhergekommen, Sirrah, unsere Taschen zu visitiren?«
+knurrte aber unwirsch der kleine Ire, der schon einen tückischen
+Seitenblick nach der ihm verhaßten Uniform warf, und seinen ganzen
+trotzköpfigen Muth oder eher Widerspruchsgeist zurückbekommen hatte,
+als er fand daß der nächtliche Besuch _nur_ Soldaten und keine
+Missionaire waren, »wenn's _mir_ Vergnügen macht, kann ich meine
+Kalebassen und Taschen so voll stopfen wie und mit was ich will -- was
+geht's Euch an?«
+
+»Langsam mein Bursche, langsam,« lachte der Officier, unser alter
+Bekannter Bertrand, durch die mürrische Antwort keineswegs böse
+gemacht -- »wenn ich nachher neugierig werden sollte, wirst Du mir's
+doch noch zeigen müssen, jetzt aber vor allen Dingen wollen wir Deine
+Wohnung einmal etwas genauer besehen, ob wir nicht einen alten Freund
+und Schiffskameraden darin entdecken können, der sich wahrscheinlich
+von Bord verlaufen hat, und in der dunklen Nacht nicht wieder dorthin
+zurückfinden kann. Die Guiaven stehen gar zu dicht um Euer Haus -- Ihr
+solltet sie ein wenig lichten.«
+
+»Wie ich merke stehen sie doch noch immer nicht dicht genug;« brummte
+Murphy halblaut vor sich hin, Mütterchen Tot nahm aber für ihn die
+Unterhaltung auf, und mit ihrer schrillen Stimme kreischte sie dem
+Officier entgegen:
+
+»_Deine_ Wohnung, _Deine_ Wohnung? wessen Wohnung habt Ihr hier anders
+als _meine_? und glaubt Ihr daß der schmutzige Schuster da eine
+Wohnung für sich selber hat? -- Ist das auch eine Manier einer armen
+alleinstehenden Frau bei Nacht und Nebel in's Haus zu fallen, und sie
+zu erschrecken, daß sie den Tod davon haben könnte? was wollt Ihr? wer
+seid Ihr? wen sucht Ihr? nun, habt Ihr die Sprache verloren daß Ihr
+dasteht wie von Gott verlassen?«
+
+»Alle Wetter,« lachte Bertrand, der sich erst jetzt von seinem Staunen
+über die wunderbare, vor ihm aufsteigende und von der Flamme
+phantastisch genug beschienene Gestalt erholen konnte -- »das ist
+eine _Dame_; bei Allem was da schwimmt, ich hatte keine Ahnung daß
+sich das schöne Geschlecht auch in solch alte Ueberröcke zurückziehen
+könnte.«
+
+»Ach was _schöne Geschlecht -- Dame_,« knurrte die Megäre, »was wollt
+Ihr, wen sucht Ihr? und ein Bischen rasch, denn es ist Schlafenszeit,
+und ich möchte meine Ruhe haben wie ich's verlangen kann.«
+
+Der Officier hörte schon kaum mehr auf sie, sondern näher zum Licht
+tretend, und seine Augen mit der linken ausgestreckten Hand dagegen
+schützend suchte er vor allen Dingen herauszubekommen, ob außer den,
+neben der Lampe sitzenden Individuen noch Andere vielleicht in der
+Hütte befindlich, oder gar versteckt wären, einer eben nur
+oberflächlichen Untersuchung auf bequeme Art auszuweichen.
+
+Jim hatte erst wirklich, und wie er das erste Niederstoßen der
+Gewehrkolben hörte, eine Bewegung gemacht, als ob er sich in den
+hinteren und dunkleren Theil der Hütte zurückziehen wolle, als aber
+sein scharfes Ohr auch dort draußen Schritte hörte, blieb er ruhig
+stehen und ließ sich dann sogar, als eben der Officier die Hütte
+betrat, wieder auf seinen alten Platz nieder, wo er, den Kopf in die
+Hände gestützt, und den breiträndigen Wachstuchhut nur etwas tiefer in
+die Augen gezogen, ruhig sitzen blieb, und das Ganze mit vollkommen
+gutem Gewissen schien abwarten zu wollen. Nur der mißtrauische und
+finstere Blick, den er heimlich, unter dem Schatten seiner Hutkrempe
+vor, nach dem Officier hinüberschoß, wie die fest zusammengebissenen
+Zähne hätten können ahnen lassen, daß doch nicht Alles mit ihm so gut
+und richtig sei, und er vielleicht gegenwärtig lieber den von
+Mosquitos am meisten heimgesuchten Guiavensumpf, als gerade diesen
+behaglichen Platz auf dem er sich befand, inne haben möchte.
+
+»Was oder wen ich suche, Madame?« wiederholte Bertrand langsam und
+fast wie mit sich selber redend -- »hm, Jack scheint sich richtig aus
+dem Staub gemacht oder doch einen sichereren Platz aufgefunden zu
+haben. Ihr, da, zwei von Euch« wandte er sich dann in französischer
+Sprache an die Soldaten, »sucht einmal an der Wand hin, ob Ihr nicht
+irgendwo noch Jemand entdeckt, und wenn so, bringt ihn her zum Licht;
+vielleicht können mir indessen diese beiden Burschen, die da so
+schweigsam sitzen, etwas nähere Auskunft über den Gesuchten geben.
+Heda Gentlemen,« wandte er sich jetzt an die beiden Leute, von denen
+Bob nicht als Matrose zu verkennen war, während selbst Jim einen
+ziemlich seemännischen Anstrich hatte, und hier auf Tahiti, wo man
+kaum Leute anderen Berufs vermuthen konnte, recht gut für zu
+Salzwasser gehörig gelten konnte -- »ich suche einen entsprungenen
+Mann von der ~Jeanne d'Arc~, der auf den Namen Jack hört, und sonst
+ein so durchtriebener nichtsnutziger Schuft ist, wie nur je Einer
+Schuhleder zertreten oder das Deck eines Schiffes gewaschen hat. Kann
+mich Einer von Euch auf die Spur bringen?«
+
+»Spur bringen?« brummte aber Bob dagegen -- »wenn's auf See wäre, aber
+hier an Land bin ich immer froh wenn ich das Ufer selber wiederfinde,
+mich nicht zwischen den verdammten Bäumen zu verlaufen -- da müßt Ihr
+Euch schon einen Anderen suchen.«
+
+»Aber hast Du den Burschen nicht irgendwo gesichtet, Kamerad?« frug
+der Officier wieder, der aus dem ganzen Wesen der Alten etwas
+Aehnliches fast vermuthen wollte. »Er heißt Jack.«
+
+»So heißen wir ziemlich Alle,« knurrte der Seemann -- »wenn man Eines
+Namen nicht weiß auf Englischen Schiffen, nennt man ihn Jack -- jeder
+Matrose ist eigentlich ein geborener Jack, und kriegt den anderen
+Namen, wie das Frauensvolk bei der Heirath, mit dem ersten
+Salzwasser-Grog ohne Zucker und Rum, den sie ihm über den Schädel
+gießen.«
+
+Bertrand hatte, während Bob sprach, zuerst Jim oberflächlich
+betrachtet, und sich dann wieder in der Hütte umgesehen, in seiner
+Erinnerung wurden aber andere Bilder wach, und wieder und wieder
+kehrte sein Blick zu den halbbeschatteten Zügen des Mannes zurück, der
+am Feuer mit zusammengezogenen Brauen saß und jetzt anfing in seiner
+Tasche nach Tabak zu suchen, sich eine Pfeife zu stopfen.
+
+»Hallo Kamerad,« sagte er endlich, als die beiden Soldaten
+zurückgekommen waren und gemeldet hatten daß sich Niemand weiter in
+der Hütte befinde, »wo haben wir Beide denn schon einmal unser
+Fahrwasser gekreuzt? -- Du bist ein Engländer?«
+
+»Wenigstens nicht weit davon,« brummte Jim, sich noch mehr in seine
+Pfeife vertiefend, und jetzt halb vom Lichte abgewandt -- »habe aber
+nicht die Ehre -- Menschen gleichen sich wie Blätter und Eier --
+tragen Alle die Nase mitten im Gesichte.«
+
+Bertrand barg einen Augenblick die Augen in der Hand, wie um durch
+keine äußeren Eindrücke sein Gedächtniß zu beirren -- ein
+thatenreiches Leben flog ihm in wirren Bildern vor dem inneren Geist
+vorüber; aber zu viel der Scenen, zu viel der Gestalten wechselten und
+schwammen da durcheinander, als ihm so rasch zu gestatten daß er sich
+den einen, verlangten herausgriffe aus der Masse, und nur den Kopf
+schüttelnd, schritt er mit verschränkten Armen ein paar Mal auf und ab
+in der Hütte, ohne, wie es schien, auf die Inwohner viel zu achten,
+ja fast vergessend, weshalb er eigentlich hierhergekommen.
+
+Jim war dabei diese höchst unnöthige Aufmerksamkeit, die der Officier,
+den er selber recht gut wiedererkannte, auf ihn wandte, nichts weniger
+als angenehm, und er fing an sich eben nicht mehr so sicher auf seinem
+Platz zu fühlen. Er stand langsam auf und zog sich dem Hintergrund der
+Hütte zu.
+
+Bertrand stampfte ungeduldig mit dem Fuß.
+
+»Weiß der Teufel,« murmelte er dabei leise vor sich hin, »wo mir die
+Galgenphysionomie schon einmal vorgekommen, aber nichts Unbedeutendes
+war's das ist sicher -- nun vielleicht fällt's mir wieder ein -- ha
+-- « sagte er, emporsehend, als er den Seemann nicht mehr auf seinem
+Sitz erblickte -- »ah, der Herr schläft wohl hier, und will sich sein
+Lager zurechtmachen? -- habt Ihr Erlaubniß an Lande zu bleiben, und
+auf welches Schiff gehört Ihr?«
+
+»Ich gehöre auf gar kein's,« entgegnete Jim finster aus dem Halbdunkel
+der Hütte vor -- »die Insel hier ist meine Heimath, und ich werde
+d'rauf schlafen können, denk' ich.«
+
+»Und Du, mein Bursche, auf welches Schiff gehörst Du?« wandte er sich
+jetzt zu Bob -- »oder rechnest Du Dich etwa auch zu den Eingeborenen,
+mit Deiner Furcht vor den Bäumen?«
+
+»Verdamm es, nein,« brummte der Seemann, »ich gehöre zur ~Kitty
+Clover~.«
+
+»Dem Wallfischfänger?«
+
+»Ja.«
+
+»Und weshalb bist Du da nicht an Bord, Sirrah?« frug der Officier
+scharf -- »die ~Kitty Clover~ steht überhaupt in dem Verdacht andere
+Ladung als Thran an Bord zu führen, und wenn ich nicht irre haben die
+Missionaire schon Klage eingereicht, daß Ihr den ganzen Ort mit Brandy
+überschwemmt.«
+
+»Die Missionaire können zu Grase gehen,« erwiederte Bob gleichgültig,
+»die schwatzen viel wenn der Tag lang ist. Was übrigens die ~Kitty
+Clover~ thut geht _mich_ nichts an -- die ~Kitty Clover~ ist ein ganz
+selbstständiges Frauenzimmer.«
+
+Bertrand lachte. »Doch apropos,« rief er plötzlich, sich zu Murphy
+wendend, der noch immer auf seinem niederen Schemel saß, und den in
+der Eile aufgegriffenen Schuh wie mißtrauisch betrachtete, »was war's
+denn was der Bursche da vorhin versteckte? seh doch einmal Einer von
+Euch nach -- in der Kalebasse da drüben muß es sein, vielleicht daß
+uns das auf Jacks Spur bringt.«
+
+»Und was habt Ihr Euch um anderer Leute Kalebassen zu bekümmern?« rief
+aber die Frau jetzt, zum ersten Mal des Schusters Parthei ergreifend,
+der nur mit finster trotzigem Blick vor sein Eigenthum trat, und
+nicht übel Willens schien es zum Aeußersten zu vertheidigen -- »hab
+ich Euch nicht gesagt daß ich Nichts von Euerem ganzen Gesindel weiß,
+und mir noch weniger daraus mache, und überhaupt wünsche die
+gottvergessenen Wi-Wis in meinem ganzen Leben nicht gesehen zu haben?
+-- ist das jetzt Zeit, mitten in der Nacht bei einer armen alten Frau
+einzubrechen, das Unterste zu oberst zu kehren, und unschuldige Leute
+mit geladenen Gewehren und Bajonetten zu erschrecken? Fort mit Euch
+wohin Ihr selber gehört, was wollt Ihr von uns? -- was steht Ihr noch
+da?«
+
+»Komm hier Mütterchen,« lachte aber der eine Soldat, ein riesiger
+Bursche, sie und Murphy zu gleicher Zeit aber sanft bei Seite
+schiebend, während der Andere, unter Murphys Armen fort, die fragliche
+Kalebasse mit dem Bajonnet anspießte und nach vorn zog, wo das
+allerdings höchst unverdächtige Buch zu Lichte rollte.
+
+»Eine Bibel,« lachte der Officier, »und weshalb versteckst Du die vor
+_mir_? -- hab' keine Furcht mein frommer Bursche, ich wäre der Letzte
+der Dich in Deiner Andacht störte -- laßt sie los.«
+
+»Gottes Fluch über Euch!« schrie aber jetzt die Alte, durch das ruhige
+Verhalten der Leute nur noch mehr in Wuth gebracht. »Pest und Gift in
+Euere Knochen, und faulende Krankheit, daß Ihr eine arme Frau
+mißhandelt und drückt in ihrem eigenen Haus!« und zufällig vielleicht,
+oder auch mit Absicht das heiße Cocosöl über die Eindringlinge
+auszuschütten, stieß sie zu gleicher Zeit das hohe und leichte
+Bambusgestell, auf dem Murphys Cocosschale mit dem darin brennenden
+Docht stand, um, und die Soldaten konnten auch wirklich eben nur unter
+laut ausgestoßenen Flüchen zur Seite springen, dem drohenden Oel, das
+sich jetzt entzündete, zu entgehen. Auf dem Boden aber schlug es in
+heller Flamme empor, den Platz mit seinem Lichte übergießend.
+
+»Alle Wetter Madonna,« rief Bertrand, der lachend zurücksprang, »Du
+wirst Dir selber das Haus über dem Kopf anzünden, und da hinten -- «
+sein Blick fiel in diesem Moment auf das, ihm fast unwillkürlich
+zugewandte Antlitz des Iren, der sich überrascht nach der hellen
+Flamme umschaute, und wie ein zündender Blitz sprang zu gleicher Zeit
+die Erinnerung an jene Nacht in ihm auf, die Jack schon früher gegen
+Jim erwähnt, seinem Gedächtniß mit Zauberschnelle das Wo und Wie jener
+Züge in die Seele rufend.
+
+»~Sapristi~,« schrie er, den Degen mit dem Wort aus der Scheide
+reißend und gegen den Iren anspringend -- »hab' ich Dich, Kamerad --
+ergieb Dich Schuft! hierher Ihr Leute!«
+
+»Verdammt!« knirrschte Jim zwischen den Zähnen durch, »aber noch habt
+Ihr mich nicht!« und einen Sessel der dort stand aufgreifend, und dem
+Franzosen vor die Füße schleudernd, daß dieser auf die Seite springen
+mußte nicht darüber zu fallen, warf er sich, ehe die Soldaten
+herbeieilen oder selbst Bertrand ihn erreichen konnte, mit aller
+Gewalt gegen einen der Bambusstäbe an, der, jedenfalls schon zu einem
+heimlichen Ausgang, einer Art Nothröhre benutzt, seinem Gewicht
+nachgab und sich nach außen bog. Der Körper des Flüchtigen war im Nu
+dahinter verschwunden, und als der Officier vorspringend mit seinem
+Degen einen Stoß nach dem Entsprungenen führte, traf der
+zurückschnellende Bambus die Klinge, und brach sie in der Mitte, wie
+Glas entzwei.
+
+»Feuer! beim Teufel -- Feuer!« schrie Bertrand, wüthend gemacht, und
+dem Knacken der Hähne folgte mit Blitzesschnelle eine Salve, mit wenig
+mehr Erfolg aber wohl, als den Bambus an einigen Stellen zu
+zersplittern und die Hütte mit Pulverrauch zu füllen.
+
+Der einzige Ruhige während der ganzen wilden Scene schien Bob, der
+regungslos auf seinem Platz sitzen geblieben war, und nur nach dem
+Verschwinden Jims und der rasch gefeuerten Salven wie spöttisch mit
+dem Kopf schüttelte. »Hm, möchte wissen was da im Winde ist --
+verteufelter Kerl, wie fix er durch die Wand war,« murmelte er vor
+sich hin; »sein Hals kann auch seinen Beinen dankbar sein, mein' ich,
+denn auf einen bloßen Deserteur wird doch nicht gleich geschossen --
+hab's mir aber etwa gedacht, daß der Bursche wohl was erzählen könnte
+-- wenn er nur wollte.«
+
+Ein paar Soldaten wollten jetzt rasch zur Thür hinaus, dem Flüchtigen
+nachzusetzen, Bertrand rief sie aber zurück.
+
+»Laßt ihn heute, in dem Unterholz ist er schon lange in Sicherheit,«
+sagte er seine Klinge vom Boden aufhebend und den Sprung, mit einem
+leise gemurmelten Fluch wieder zusammenpassend -- »wart' aber
+Canaille; also hier nach Tahiti her hast Du Dich gefunden? -- nun
+hoffentlich war das nicht das letzte Mal daß wir einander begegnet
+sind, und das nächste Mal _kenn'_ ich Dich, darauf kannst Du Dich
+verlassen. Und Du Mütterchen,« wandte er sich plötzlich an die alte
+Frau, die knurrend und keifend neben dem qualmenden brennenden Oele
+stand, und giftige Blicke bald nach der Ursache dieser Ueberstürzung
+ihres Hausstandes, bald nach dem unglücklichen Schuster hinüber warf,
+an dem sie nur noch nicht recht wußte, wie sie einen Halt bekommen
+sollte, ihren Grimm auszulassen -- »Du kannst mir vielleicht sagen wie
+der Bursche, der da eben durch Deine Wand sprang, heißt, was er treibt
+und wo er wohnt.«
+
+Mütterchen Tot war aber keineswegs in der Laune irgend eine Auskunft
+zu geben, und ihren vollen Grimm gegen den Frager kehrend, überhäufte
+sie ihn mit einer wahren Fluth von Schimpfreden und Zornesworten, daß
+er verlange sie solle alles Gesindel kennen, das sich auf der Insel
+herumtriebe, und die Wohnung von Leuten angeben die zu ihr in's Haus
+kämen einen Dollar zu verzehren, wovon sie leben müsse in ihren alten
+Tagen.
+
+Bob wollte ebenfalls von Nichts wissen, und Bertrand sah wohl ein daß
+er hier nur seine, jetzt weit kostbarere Zeit vergeuden würde, aus den
+hier Anwesenden durch Drohungen oder Bitten etwas herauszulocken.
+Vielleicht aber vermochte ihm ihr Eigennutz, dieser gewaltige Hebel
+der Menschheit mehr zu nützen, und sich an die Alte wendend da der
+Matrose wohl schwerlich einen Kameraden verrathen würde, sagte er
+ruhig:
+
+»Frieden Mütterchen, eben weil Ihr eine arme verlassene Wittwe seid,
+red' ich zu Euerem Besten, und wollt Ihr einen Haufen Geld mit einem
+Schlag verdienen, so habt Ihr weiter Nichts zu thun als Ja zu sagen.«
+
+»Haufen Geld,« mumpelte die Alte mürrisch, aber auf einmal merkwürdig
+besänftigt, in ihrem zahnlosen Mund -- »Haufen Geld, ja mit der Zunge,
+da versprecht Ihr Wi-Wis das Blaue vom Himmel herunter -- Haufen Geld
+-- wie soll eine arme verlassene Wittwe einen Haufen Geld verdienen in
+dieser schweren, drückenden Zeit? -- fort mit Euch, ich kenne Euch
+schon von alten Zeiten her.«
+
+»Schon gut, Madonna, also Du weißt nicht wo jener Bursche, der da eben
+durch die Bambuswand sprang, und mit der Gelegenheit dieses Hauses
+_außerordentlich_ vertraut scheint, sich über Tag aufhält, und wo er
+wohnt?«
+
+»Nein -- Nichts,« brummte die Alte mürrisch.
+
+»Weißt auch nicht wie er heißt?«
+
+Die Alte zögerte und sah halb unschlüssig Bob an, der aber sog ruhig
+an seiner Pfeife und schaute still und heimlich lächelnd vor sich
+nieder -- sie schüttelte trotzig mit dem Kopf.
+
+»Gut,« sagte Bertrand, sich die Lippen beißend, »vielleicht fällt
+Dir's später ein; frischt sich aber Dein Gedächtniß, so kannst Du 500
+Frank -- verstehst Du? -- 500 Frank verdienen, wenn Du mir
+Gelegenheit giebst des Schuftes habhaft zu werden.«
+
+»Fünfhundert Frank?« sagte die Alte ungläubig.
+
+»Auf der Stelle ausgezahlt, sobald wir den Burschen in unsere Gewalt
+bekommen -- und selbst für den Anderen sollst Du zweihundert haben,
+wenn Du uns zu seiner Ergreifung behülflich bist.«
+
+Bob hob jetzt zum ersten Mal den Blick vom Boden auf, und sah die Alte
+lauernd an -- Mütterchen Tot schien aber in der That in tiefem
+Nachdenken verloren über den Vorschlag, und es bedurfte einiger
+Minuten, ehe sie die Versuchung von sich abschütteln konnte -- wenn
+sie sich nicht etwa gar vor den Zeugen genirte.
+
+»Ich will Nichts mit der Sache zu thun haben,« brummte sie
+kopfschüttelnd -- »hat O'Flannagan sich -- «
+
+»O'Flannagan?« frug Bertrand rasch.
+
+»Ach zum Teufel!« rief die Alte, jetzt selber ärgerlich werdend --
+»lauert Einem nicht das Wort von den Lippen, eh' es gesprochen ist --
+was weiß ich wie Einer heißt der bei mir aus und ein geht, und sich so
+oder so nennen kann -- wen kümmerts. Es ist Nachtschlafenszeit, und
+ich will meine Ruhe haben in meinem eigenen Haus -- versteht Ihr
+das?«
+
+»Ich versteh' Euch, Mütterchen,« lachte aber Bertrand -- »danke
+übrigens für den Wink, und -- vergeßt die 500 Frank nicht. -- Doch
+jetzt: Achtung. Ihr Leute rechts umkehrt und vorwärts marsch!« und den
+Soldaten voran schreitend, die ihm durch die niedere Thür mit
+gebückten Köpfen folgten, verließ er rasch das Haus, und bald verklang
+der letzte Schritt der bewaffneten Männer in der Ferne.
+
+Bob war aufgestanden und lauschte dem weiter und weiter
+verschwimmenden Geräusch der ihm genug verhaßten Franzosen. Dann sich
+den Hosengürtel nach Seemannsart in die Höhe rückend und den Hut etwas
+weiter aus dem Gesicht schiebend, drückte er beide Hände neben den
+Hüften in den Bund und drehte sich ab, ohne weiteres Wort oder Gruß
+das Haus zu verlassen.
+
+Die Alte sah ihm finster und schweigend nach, ohne ihn aufzuhalten, in
+der Thür aber blieb er plötzlich noch einmal stehen, drehte sich um,
+nahm mit der linken Hand die Pfeife aus dem Munde, und sagte:
+
+»_Mein_ Name ist Bob Candy,« und sich dann auf dem Absatz
+herumschwingend, verschwand er durch die noch offene Thür.
+
+Mütterchen Tot aber löschte die Lichter aus, ohne auf Murphy oder den
+jetzt wieder zum Feuer niedergekauerten Indianer irgend eine
+Rücksicht zu nehmen, und drückte sich mürrisch und knurrend auf ihr
+Lager in der Ecke nieder. Sie hatte den Kopf voll, und selbst der
+kleine Schuster konnte sich heut Abend unbelästigt auf sein Lager
+werfen, den Mosquitos ein paar Stunden Schlaf abzuringen.
+
+
+
+
+[Anmerkungen zur Transkription: Die Schreibweise einiger Wörter ist im
+Originalbuch inkonsistent. Im vorliegenden ebook wurden lediglich
+offensichtliche Druck- und Zeichensetzungsfehler korrigiert.
+
+Das Buch ist in Frakturschrift gedruckt. Textauszeichnungen wurden
+folgendermaßen ersetzt:
+
+Sperrung: _gesperrter Text_ Antiquaschrift: ~Antiquatext~ Fettdruck:
+#fetter Text# ]
+
+
+
+
+
+
+End of Project Gutenberg's Tahiti. Zweiter Band., by Friedrich Gerstäcker
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK TAHITI. ZWEITER BAND. ***
+
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+in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER
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+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
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+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
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+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
+
+
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+Foundation
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+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
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+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
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+information can be found at the Foundation's web site and official
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+Literary Archive Foundation
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+The Project Gutenberg EBook of Tahiti. Zweiter Band., by Friedrich Gerstäcker
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
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+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Tahiti. Zweiter Band.
+ Roman aus der Südsee
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+Author: Friedrich Gerstäcker
+
+Release Date: July 20, 2009 [EBook #29464]
+
+Language: German
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+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK TAHITI. ZWEITER BAND. ***
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+Produced by richyfourtytwo, Bernd Meyer and the Online
+Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
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+<h1><b>TAHITI.</b></h1>
+
+<p class="center"><span class="g">Roman aus der S&uuml;dsee</span></p>
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+<p class="center">von</p>
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+<p class="center"><b>Friedrich Gerst&auml;cker.</b></p>
+
+<p class="center">Zweite unver&auml;nderte Auflage.</p>
+
+<p class="center"><b>Zweiter Band.</b></p>
+
+<p class="center">Der Verfasser beh&auml;lt sich die Uebersetzung dieses Werkes vor.</p>
+
+<p class="center"><b>Leipzig,</b></p>
+
+<p class="center"><span class="g">Hermann Costenoble.</span></p>
+
+<p class="center">1857.</p>
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+
+<h2><a name="Inhalt_des_zweiten_Bandes" id="Inhalt_des_zweiten_Bandes"></a><b>Inhalt des zweiten Bandes.</b></h2>
+
+
+<div class="center">
+<table border="0" cellpadding="4" cellspacing="0" summary="">
+<colgroup>
+ <col id="col1" />
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+ <col id="col4" />
+</colgroup>
+<tr><td /><td /><td /><td align="right" style="font-size: smaller">Seite</td></tr>
+<tr><td align="center">Cap. </td><td align="right">1.</td><td align="left">Die M&auml;dchen von Tahiti und die alten Bekannten</td><td align="right">
+ <a href="#Capitel_1">1</a></td></tr>
+<tr><td align="center">"</td><td align="right">2.</td><td align="left">Sadie und Ren&eacute;</td><td align="right">
+ <a href="#Capitel_2">31</a></td></tr>
+<tr><td align="center">"</td><td align="right">3.</td><td align="left">Der Besuch &mdash; Aumama</td><td align="right">
+ <a href="#Capitel_3">67</a></td></tr>
+<tr><td align="center">"</td><td align="right">4.</td><td align="left">Die Missionaire</td><td align="right">
+ <a href="#Capitel_4">90</a></td></tr>
+<tr><td align="center">"</td><td align="right">5.</td><td align="left">Die K&ouml;nigin Pomare</td><td align="right">
+ <a href="#Capitel_5">121</a></td></tr>
+<tr><td align="center">"</td><td align="right">6.</td><td align="left">Ein Ball in Papetee</td><td align="right">
+ <a href="#Capitel_6">167</a></td></tr>
+<tr><td align="center">"</td><td align="right">7.</td><td align="left">Unterwegs</td><td align="right">
+ <a href="#Capitel_7">235</a></td></tr>
+<tr><td align="center">"</td><td align="right">8.</td><td align="left">M&uuml;tterchen Tot's Hotel</td><td align="right">
+ <a href="#Capitel_8">254</a></td></tr>
+</table></div>
+
+
+<hr class="endchapter" />
+<p><span class='pagenum'><a name="Page_1" id="Page_1">[1]</a></span></p>
+
+<h2><a name="Capitel_1" id="Capitel_1"></a>Capitel 1.</h2>
+<h3>Die M&auml;dchen von Tahiti und die alten Bekannten.</h3>
+
+
+<p>Das Gebet war aus, das laute feierliche Amen schwoll durch die Wipfel
+der Palmen nach See zu, sich drau&szlig;en mit der Brandung Rollen zu
+mischen. Mit dem Amen aber schien es auch, als ob der Zauber gebrochen
+w&auml;re, der den leichten fr&ouml;hlichen Sinn der Insulaner bis dahin so
+merkw&uuml;rdig und au&szlig;ergew&ouml;hnlich fest im Zaum gehalten, und wie denn
+auch der Eingeborne nie so recht tief den Ernst einer feierlichen
+Stunde f&uuml;hlt, sprang er im Nu zur&uuml;ck in sein allt&auml;glich Leben.</p>
+
+<p>&raquo;Hierher Ma&iuml;re, hierher und fort mit uns&laquo; klang der fr&ouml;hliche Laut &mdash; &raquo;komm hinunter zum Guiavenbach; tief versteckt da in Busch und Laub
+<span class='pagenum'> <a name="Page_2" id="Page_2">[2]</a></span>tanzen wir. Heute sehens die Mitonares nicht, denn gro&szlig;es Essen ist
+immer wenn sie eine Zeitlang gebetet.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber die anderen schwatzen&laquo; sagte Ma&iuml;re unschl&uuml;ssig zur Schwester
+aufsehend, &raquo;und nachher arme Ma&iuml;re; Vater Au-e hat mir so schon die
+H&ouml;lle versprochen, und er schickte mich g'rad hinein, f&auml;nd er mich.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Bah &mdash; bah &mdash; bah&laquo; lachte die Andere und sch&uuml;ttelte mit dem Kopf &mdash; &raquo;da, hier und hier&laquo; &mdash; auf Mund und Herz zeigend &mdash; &raquo;das ist fromm, das
+hat Religion und das ist genug &mdash; <span class="g">Alles</span> andere aber ist frei, Ma&iuml;re;
+und rasch nun M&auml;dchen, denn wir vers&auml;umen den Spa&szlig;.&laquo; &mdash; Und wie ein
+paar aufgescheuchte Rehe flohen die beiden, von vielen Anderen jetzt
+gefolgt, erst seitw&auml;rts in den Orangenhain, um dann hinter den G&auml;rten
+weg nicht dem Blick mancher &raquo;Kirchg&auml;nger&laquo; ausgesetzt zu sein, die
+Aergerni&szlig; nehmen und die Fr&ouml;hlichen verrathen k&ouml;nnten. &mdash; Und wie das
+klang und sang und summte und schwirrte unter den B&auml;umen und Palmen &mdash; fr&ouml;hliches Leben herrschte in den duftenden Schatten von Orange und
+Guiava und der Klang der Fl&ouml;te mischte sich in lachende
+M&auml;dchenstimmen, die sich neckten und jagten auf dem Plan, die Predigt
+nach&auml;fften und die Reden des heutigen Tages und dann wieder pl&ouml;tzlich
+<span class='pagenum'> <a name="Page_3" id="Page_3">[3]</a></span>einfielen in die oft sehr grazi&ouml;sen aber noch &ouml;fter fast
+unanst&auml;ndiger Stellungen ihrer T&auml;nze <span class="f">Upepehe</span>, <span class="f">oris</span> und <span class="f">mamua</span>.</p>
+
+<p>Dort dr&uuml;ben der breite, halboffene Platz vor dem lang-ovalen
+Vogelk&auml;fig &auml;hnlichen Bambusgeb&auml;ude scheint der Mittelpunkt zu sein des
+ganzen Viertels; hier wenigstens herrscht das regste ungebundenste
+Leben, und die dunklen blumendurchflochtenen Locken, ja oft die glatt
+geschorenen, aber mit bunten Kr&auml;nzen fast bedeckten K&ouml;pfe der
+eingebornen M&auml;dchen mischen sich bunt und gesch&auml;ftig durch die
+b&auml;nderflatternden Strohh&uuml;te der Seeleute, an deren meisten die breite
+schwarze Seide mit goldenen Buchstaben den Namen ihres Schiffes trug,
+und sie als Leute von einem Kriegsschiff bekundete, h&auml;tte das nicht
+schon au&szlig;erdem der breite wei&szlig;e Hemdkragen mit dem schmalen blauen
+Streifen darum gethan.</p>
+
+<p>&raquo;Hallo Georg, das ist ein Hauptplatz hier f&uuml;r einen &raquo;Geh zu Ufer Tag,&laquo;
+rief da ein alter, wettergebr&auml;unter Seemann einem jungen Burschen zu,
+der Eines der M&auml;dchen mit seinem linken Arm umschlungen und eine
+halbgeleerte Flasche in der rechten Hand hielt, und das M&auml;dchen
+lachend zwingen wollte zu trinken &mdash; &raquo;n&uuml;tz deine Zeit mein Junge, wer
+wei&szlig; wie bald uns wieder so wohl wird.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wetterm&auml;dchen das!&laquo; rief aber der junge Bursch,<span class='pagenum'> <a name="Page_4" id="Page_4">[4]</a></span> &raquo;sie ist wie
+Quecksilber unter den H&auml;nden, man kann sie nicht festhalten &mdash; wirst
+Du trinken?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;<span class="f">Aita, aita</span>!&laquo; schrie aber die trotzige Sch&ouml;ne, und wehrte ihn
+entschlossen ab; &raquo;pfui &uuml;ber das Gift, das Ihr in Euch hinein sch&uuml;ttet,
+bis Ihr wie das Vieh daliegt und die stieren Augen nicht mehr
+schlie&szlig;en k&ouml;nnt &mdash; fort mit dem Zeug!&laquo; und ihm die Flasche aus der
+Hand rei&szlig;end, schleuderte sie dieselbe, ehe er's hindern konnte, mit
+keckem Wurf weit ab von sich in ein Dickicht von jungen
+Brodfruchtb&auml;umen und Bananen.</p>
+
+<p>&raquo;Den Teufel, M&auml;dchen!&laquo; schrie der Matrose, der von den letzten Worten
+des braunen Kindes keine Sylbe verstanden hatte und jetzt &uuml;berrascht
+seiner Flasche nachwollte, &raquo;der Stoff ist theuer hier in Papetee und
+nicht einmal so leicht zu bekommen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Hahahaha&laquo; lachte aber die Dirne und hielt ihn fest &mdash; &raquo;hol sie wenn
+Du kannst, hol sie.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Halt ihn, halt ihn,&laquo; lachten Andere und sprangen hinzu, sich der
+Beute zu bem&auml;chtigen und den auslaufenden Brandy zu retten, aber zu
+sp&auml;t, und fluchend hoben sie die leere Flasche gegen das Licht.</p>
+
+<p>&raquo;<span class="f">Damn it</span>!&laquo; schrie der Eine, der sie erbeutet hatte, und der zuerst die
+traurige Entdeckung machte &mdash; &raquo;auch nicht ein Tropfen &uuml;brig geblieben!&laquo;
+und als ob er nicht einmal seinen eigenen Augen bei einer so<span class='pagenum'> <a name="Page_5" id="Page_5">[5]</a></span>
+wichtigen Sache traue, hob er die leere Flasche dennoch an die Lippen,
+den Zug zu pr&uuml;fen, schleuderte sie dann aber mit einem richtigen
+Kernfluch so hart er konnte gegen den n&auml;chsten Brodfruchtbaum, da&szlig; sie
+in Scherben schmetternd umherspritzte. Das aber sollte ihm &uuml;bel
+bekommen.</p>
+
+<p>&raquo;<span class="f">Tam you</span>,&laquo; schrie da eine alte, wohlbeleibte Insulanerin, die ein
+brennend rothes St&uuml;ck Kattun um die H&uuml;ften und ein anderes um die
+Schultern trug und schon lange genug mit Matrosen verkehrt haben
+mochte, ihren Lieblingsausruf oder Fluch zu verstehen &mdash; &raquo;<span class="f">tam you</span>, Ihr
+schmutzigen Wei&szlig;en &mdash; weil <span class="g">Ihr</span> zehnfache Haut unter den F&uuml;&szlig;en tragt,
+werft Ihr das Glas umher, da&szlig; es wie Dorn und Muschelbruch in unsere
+Sohlen schneidet &mdash; <span class="f">tam you</span>, sag' ich noch einmal, und der Tag sei
+verflucht, der Euch zuerst an diese K&uuml;ste brachte!&laquo;</p>
+
+<p>Die Alte blieb aber hierbei nicht ununterst&uuml;tzt, denn von allen Seiten
+kamen die M&auml;dchen herbei, schimpften und schm&auml;hten in ihrer Sprache
+und begannen dabei die gef&auml;hrlichen Glasscherben, die ihnen schon
+manche b&ouml;se Wunde geschnitten, vom Boden aufzusuchen. Vergebens riefen
+sie die Matrosen zur&uuml;ck und f&uuml;gten sich endlich, da Bitten wie
+Drohungen nutzlos blieben, lachend dem Unvermeidlichen, selber der
+muntern, lebendigen Schaar zu helfen und<span class='pagenum'> <a name="Page_6" id="Page_6">[6]</a></span> beizustehn und das Uebel so
+viel wie m&ouml;glich zu heben &mdash; all die drohenden Spitzen n&auml;mlich
+aufzusuchen oder zu entfernen, und kein Blatt blieb dabei ungewandt,
+unter dem sich noch h&auml;tte die t&uuml;ckische Spitze bergen k&ouml;nnen.</p>
+
+<p>&raquo;Hurrah, meine Jungen! wer von Euch hat sein Prisengeld da im Laub
+verloren? &mdash; halbpart wenn ich's finde,&laquo; schrie in diesem Augenblick
+eine rauhe Stimme zwischen das Lachen und Toben der munteren Schaar
+hinein, und Einer der Seeleute richtete sich rasch empor, zu sehen wer
+der Neuangekommene sei, und ob nicht vielleicht ein alter Bekannter
+und Schiffskamerad hier zwischen ihnen auftauche.</p>
+
+<p>&raquo;Hallo Kamerad,&laquo; brummte aber der, als er ein v&ouml;llig fremdes Gesicht
+vor sich sah, das ihm jedoch trotzdem ganz freundlich entgegennickte,
+und dessen Eigenth&uuml;mer sich so bequem und ohne weitere Einladung zu
+ihnen in's Gras warf, als ob er zu ihrem &raquo;Volke&laquo; geh&ouml;rte &mdash; &raquo;<span class="f">where do
+you hail from</span>?&laquo;<a name="FNanchor_A_1" id="FNanchor_A_1"></a><a href="#Footnote_A_1" class="fnanchor">[A]</a></p>
+
+<p>Der Sprecher war der Bootsmann der &raquo;<span class="f">Jeanne d'Arc</span>,&laquo; der drau&szlig;en in der
+Bai vor ihrem Anker ritt und dessen Mannschaft heute Feiertag bekommen
+hatte, der gro&szlig;en Volksversammlung wegen. Er <span class='pagenum'> <a name="Page_7" id="Page_7">[7]</a></span>
+schien sich auch hier gewisserma&szlig;en als eine Art Obrigkeit zu
+betrachten zwischen den &uuml;brigen Matrosen, und &uuml;berdie&szlig; rechtfertigte
+das ganze Aeu&szlig;ere des Neuangekommenen, unseres alten Bekannten Jim des
+Iren, allerdings eine solche Frage, denn dem alten Matrosen &uuml;berkam
+es, ihm gegen&uuml;ber, fast unwillk&uuml;rlich, als ob er es mit keinem rechten
+Seemann zu thun habe, und gleichwohl lie&szlig; doch auch wieder das
+Einzelne seines Anzugs nichts erkennen, was einen solchen Verdacht
+rechtfertigen mochte. Die blaue Jacke wie die wei&szlig;leinene Hose hatte
+den richtigen Schnitt, der mit Wachsleinwand &uuml;berzogene Strohhut sa&szlig;
+ihm hinten auf dem krausen Haar und ein paar breite Streifen
+schwarzseiden Band fielen ihm nach richtiger Art vorn &uuml;ber das linke
+Auge nieder und doch lag ein gewisses Etwas in dem ganzen Betragen des
+Fremden, das den alten Burschen, der sich manch langes, langes Jahr
+auf der See und aller L&auml;nder Schiffe herumgeschlagen, wie eine Art
+Instinkt &uuml;berkam, er h&auml;tte hier keinen geborenen Seemann vor sich, und
+der Bursche segele am Ende gar unter falscher Flagge.</p>
+
+<p>Der wirkliche Matrose &mdash; nicht der, der die See einmal zeitweilig zu
+seinem Beruf w&auml;hlt, ein paar Reisen macht vielleicht, und dann wieder
+Jahre lang am festen Lande bleibt &mdash; hat auch etwas in seinem<span class='pagenum'> <a name="Page_8" id="Page_8">[8]</a></span> ganzen
+Wesen, das unm&ouml;glich ist sich anzueignen, wenn es eben nicht nat&uuml;rlich
+aus dem ganzen System unsers K&ouml;rpers herauskommt und mit ihm eins
+bildet. Die Hauptsache hierbei ist der fast schlenkernde und doch auch
+wieder feste und elastische Gang von der steten Bewegung des Schiffes
+her, der er nat&uuml;rlich fortw&auml;hrend begegnen mu&szlig;, und die ihn dann auch
+zwingt, die Beine etwas weiter, wenn auch fast unmerklich, aus
+einander zu setzen, als das auf dem festen Lande n&ouml;thig w&auml;re; die Arme
+h&auml;ngen dabei, wie durch ihr eigenes Gewicht gezogen, grad am K&ouml;rper
+nieder, ohne ihn aber, weder rechts noch links in drei Zoll zu
+ber&uuml;hren, und die halboffene harte Hand sieht gerade so aus, als ob
+sie jeden Augenblick an Segel oder Tau zufassen wolle. Der Landmann
+kann alles Andere nachahmen, dieses Tragen des K&ouml;rpers wird ihm nie
+gelingen, und nur eine jahrelange Uebung ist im Stande, ihn
+zuzurichten, oder, wie die Matrosen sagen, ihn &raquo;<span class="f">ship shape</span>&laquo; zu machen.</p>
+
+<p>&raquo;Nun Sirrah!&laquo; rief der Irl&auml;nder endlich lachend, nachdem er den
+forschenden Blick des Bootsmanns, wenn auch nicht ohne ein leichtes
+kaum erkennbares Err&ouml;then, eine ganze Weile ertragen hatte, &mdash; &raquo;Ihr
+werdet mich nun wohl kennen wenn Ihr mich wiederseht; &mdash; wie gefall
+ich Euch?&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_9" id="Page_9">[9]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Ganz und gar nicht, Kamerad,&laquo; sagte der aber trocken, und w&auml;hrend er
+sein Primchen Kautabak im Munde aus einer Backe in die andere
+wechselte, &raquo;ganz und gar nicht, wenn Du die Wahrheit h&ouml;ren willst.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Hahaha,&laquo; lachte aber der Ire, ohne sich im mindesten dar&uuml;ber
+beleidigt zu f&uuml;hlen, &raquo;verdamme mich wenn das nicht ehrlich von der
+Leber weggesprochen ist; leid thut mir's nur bei der Sache, da&szlig; ich
+das n&auml;mliche &mdash; nicht von Euch auch sagen kann.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Dann werd' ich mein M&ouml;glichstes thun, das f&uuml;r mich so ungl&uuml;ckliche
+Vorurtheil bei Euch zu zerst&ouml;ren,&laquo; antwortete der Seemann ruhig.</p>
+
+<p>&raquo;Donnerwetter Ihr seid grob!&laquo; rief aber der Ire, der nun einmal
+entschlossen schien jetzt Nichts &uuml;bel zu nehmen, obgleich der ganze
+kr&auml;ftige Bau seines K&ouml;rpers wie ein ziemlich entschlossener Zug um den
+Mund, wohl glauben lie&szlig; da&szlig; er sonst eben eine wirkliche Beleidigung
+nicht so leicht einstecken w&uuml;rde, &raquo;aber das schadet Nichts, Kamerad,
+wir werden schon noch n&auml;her mit einander bekannt werden und ich bin
+wie der Wein &mdash; ich gewinne durchs Liegen. Und nun Ihr da, Ihr
+M&auml;dchen,&laquo; wandte er sich zu diesen in ihrer eigenen Sprache, &raquo;la&szlig;t das
+verdammte Suchen sein und kommt her &mdash; morgen wird sichs schon finden
+was ihr verloren habt &mdash; beim Auskehren<span class='pagenum'> <a name="Page_10" id="Page_10">[10]</a></span> vielleicht &mdash; und wo ist
+Amiomio heute? hol der Henker die kleine Wetterhexe, sie geht immer
+fort und kommt niemals wieder.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;<span class="f">Naha-hio</span>!&laquo; riefen da einige der M&auml;dchen, die sich auf den Anruf
+umgedreht, erstaunt und untereinander aus &mdash; &raquo;<span class="f">O-fa-na-ga</span> wieder hier?
+&mdash; und wo hat Dich Oro's Zorn so lange umhergetrieben?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;<span class="f">O-fa-na-ga</span>&laquo; spottete ihnen aber der Ire nach, &raquo;bei J&auml;sus, meine
+Herzchen, Ihr habt den Namen noch immer nicht aussprechen lernen und
+&uuml;bersetzt meiner Mutter Sohn auf eine merkw&uuml;rdige Weise ins
+Tahitische. Was w&uuml;rde <span class="f">ould father O'Flannagan</span> sagen, wenn sie ihn so
+zu Tische gerufen h&auml;tten &mdash; ha, meine <span class="f">namataruas</span>, Ihr beiden
+unzertrennlichen Sterne, seid Ihr auch hier? und wo ist <span class="f">ipo Ano&euml;no&euml;</span>,
+mein schlankes M&auml;dchen von Bola-Bola, die tollste in Eurer tollen
+Schaar?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;<span class="f">Ano&euml;no&euml;</span> ist fromm geworden&laquo; lachte eines der M&auml;dchen, die er
+<span class="f">namataruas</span> nach einem Zwillingsgestirn jener Zone genannt &mdash; &raquo;sie
+lacht nicht mehr und tr&auml;gt keine Blumen mehr im Haar und hinter den
+Ohren.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Hahahaha&laquo; lachte der Ire, &raquo;<span class="f">Ano&euml;no&euml;</span> fromm geworden das ist gut, das
+ist vortrefflich, das ist &mdash; hahahaha &mdash; das ist beim Teufel zum
+Todtschie&szlig;en komisch!&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_11" id="Page_11">[11]</a></span></p>
+
+<p>Der Bootsmann &mdash; eine schlanke, kr&auml;ftige, ja selbst edle Gestalt, mit
+&auml;cht franz&ouml;sischen Z&uuml;gen, krausem dunkelen Barte und dunkelen Augen,
+jeder Zoll ein Seemann, der englischen Sprache &uuml;brigens vollkommen
+m&auml;chtig, hatte den Begr&uuml;&szlig;ungen des Fremden mit den M&auml;dchen und Frauen
+des Platzes, die er alle kannte und bei Namen nannte, schweigend und
+etwas erstaunt mit zugesehen, aber weiter kein Wort hineingeredet und
+schien nur etwas ungeduldig und mit untergeschlagenen Armen das Ende
+dieser Erkennungsscene zu erwarten. Er trug, trotz dem warmen Wetter,
+seine blautuchene dicht mit kleinen blanken Kn&ouml;pfen besetzte Jacke,
+mit wei&szlig;en Str&uuml;mpfen und sauber gewichsten Schuhen und schneereinen
+segeltuchenen selbstgemachten weiten Hosen, die nur dicht &uuml;ber den
+H&uuml;ften fest anschlossen und auflagen; das wei&szlig;e Hemd hielt ein
+schwarzseidenes Halstuch mit einem Seemannsknoten locker zusammen, und
+der leichte feine Panama Strohhut sa&szlig; ihm fest und trotzig mehr nach
+vorn in der Stirn, als ihn sonst Matrosen gew&ouml;hnlich zu tragen
+pflegen.</p>
+
+<p>Endlich mochte ihm aber die Zeit doch zu lang w&auml;hren und er unterbrach
+die weiteren freundschaftlichen Erkundigungen des Fremden mit einem
+nicht eben da einstimmenden:</p>
+
+<p>&raquo;<span class="f">I say stranger</span>! &mdash; Ihr scheint fr&uuml;her schon<span class='pagenum'> <a name="Page_12" id="Page_12">[12]</a></span> einmal auf Korallenboden
+geankert zu haben &mdash; Euerer Physionomie verdankt Ihr die
+Vertraulichkeit doch nicht.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Der Geschmack ist verschieden, Kamerad!&laquo; lachte der Ire dagegen, &raquo;und
+Einer liebt Bier, der Andere Milchsuppe; aber Ihr habt Recht, ich bin
+hier zu Hause, und wenn ich auch nicht gerade hier wohne, f&uuml;hrt mich
+meine Stra&szlig;e oft genug vorbei &mdash; was Wunder da, da&szlig; ich Nachbars
+T&ouml;chter kenne.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ei so la&szlig;t Euer In-ge-le-se-Schwatzen doch nun endlich einmal!&laquo; rief
+da eines der M&auml;dchen, zwischen die beiden M&auml;nner springend und des
+Iren Arm ergreifend &mdash; &raquo;Her zu mir <span class="f">O-fa-na-ga</span> &mdash; und dreh deine
+Taschen um, denn Du hast doch den Boden hier nicht wieder betreten,
+ohne deiner Ma&iuml;re Schmuck und Ringe mitgebracht zu haben; wo ist der
+Ring von <span class="f">per&uacute;</span>, den Du mir so lange versprochen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ma&iuml;re!&laquo; rief der Ire erstaunt sie betrachtend &mdash; &raquo;<span class="g">das</span> ist Ma&iuml;re? was
+zum Wetter ist denn mit Dir vorgegangen M&auml;dchen, ich kenne Dich ja gar
+nicht mehr, wo sind deine Locken?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Die hat der Mitonare abgeschnitten,&laquo; sagte die Sch&ouml;ne, halb besch&auml;mt,
+halb unzufrieden.</p>
+
+<p>&raquo;Der Mitonare &mdash; und was zum Henker hat der Mitonare in deinen Haaren
+zu suchen, Sirrah?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie sollte fromm werden und keine tollen Streiche<span class='pagenum'> <a name="Page_13" id="Page_13">[13]</a></span> mehr treiben,&laquo;
+lachte Ate-Ate, ihr das Kinn emporhebend und zum Lichte drehend.</p>
+
+<p>&raquo;Unsinn!&laquo; rief aber das M&auml;dchen, &mdash; &raquo;das ist blos oben, <span class="f">O-fa-na-ga</span> &mdash; kehr Dich nicht daran &mdash; wo ist der Ring? her damit!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und mir auch &mdash; mir auch!&laquo; riefen Andere, auf ihn eindr&auml;ngend, &raquo;mir
+hat er Ohrgeh&auml;nge versprochen &mdash; und mir bunte Federn aus dem Osten &mdash; und mir Kattun zu einem neuen Kleid!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Zur&uuml;ck M&auml;dchen, zur&uuml;ck!&laquo; rief aber der Ire lachend, der sich nur mit
+M&uuml;he der auf ihn Einst&uuml;rmenden erwehren konnte &mdash; &raquo;Ihr hattet recht,
+Kamerad, die Physionomie thuts bei den Dirnen hier allerdings nicht
+allein, und sie rei&szlig;en Einem &mdash; Wetterm&auml;dchen Ihr, wollt Ihr Ruhe
+geben &mdash; die Lumpen vom Leibe; w&uuml;rden sich auch verdammt wenig
+Gewissen daraus machen, einen armen Teufel von Matrosen gleich bei
+seinem ersten Ansprung an Land rein auszupl&uuml;ndern und nachher allein
+sitzen zu lassen und auszulachen. Die braune Haut versteht sich so gut
+darauf wie die wei&szlig;e.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Von welchem Schiff seid Ihr, Kamerad?&laquo; frug jetzt der Bootsmann, &raquo;Ihr
+segelt wohl unter eigener Flagge?&laquo;</p>
+
+<p>Der Ire l&auml;chelte leise vor sich hin, sch&uuml;ttelte aber mit dem Kopf und
+erwiederte schmunzelnd:<span class='pagenum'> <a name="Page_14" id="Page_14">[14]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Die&szlig;mal habt Ihr vorbeigeschossen, so schmeichelhaft die Anspielung
+auch sein mochte; alt England f&uuml;r immer, ich m&ouml;chte keine anderen
+Farben an meiner Gaffel wehen haben, &mdash; selbst nicht die rothe;&laquo;
+setzte er mit einem halb sp&ouml;ttischen, halb verschmitzten Seitenblick
+auf den Bootsmann hinzu &mdash; &raquo;Um Euch &uuml;brigens zu beruhigen kann ich Euch
+sagen da&szlig; ich Harpunier an Bord des Englischen Wallfischf&auml;ngers, der
+<span class="f">Kitty Clover</span> bin, die hier zu ihrer Erholung in Papetee liegt, und
+auch da wohl noch eine Weile zu ihrer Erholung liegen bleiben wird,
+wenn ihr die sehr verehrte Franz&ouml;sische Regierung nichts in den Weg zu
+legen f&uuml;r n&ouml;thig findet und den Aufenthalt noch l&auml;nger gestattet.&laquo;</p>
+
+<p>Der Bootsmann unterdr&uuml;ckte nur mit M&uuml;he einen Fluch auf die ironische
+Anspielung da&szlig; seine Corvette, die fr&uuml;her den Insulanern imponirt,
+gegenw&auml;rtig, durch die ihr &uuml;berlegenen Engl&auml;nder im Schach gehalten,
+Nichts mehr zu sagen und zu befehlen hatte, aber er besann sich eines
+Besseren und die Lippen nur zusammenpressend sagte er finster:</p>
+
+<p>&raquo;Ihr th&auml;tet wohl Euch mit der Franz&ouml;sischen Regierung auf gutem Fu&szlig; zu
+halten &mdash; die guten Leute in Papetee wissen heute noch gar nicht was
+f&uuml;r Farben <span class="g">morgen</span> Mode sein k&ouml;nnten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Jedenfalls die schwarze,&laquo; schmunzelte der Ire,<span class='pagenum'> <a name="Page_15" id="Page_15">[15]</a></span> sich die H&auml;nde
+reibend &mdash; &raquo;jedenfalls die schwarze. Jetzt bestimmen die Missionaire
+die Moden und das sind liebe, liebe Menschen; haben uns Matrosen auch
+so gern, als ob wir ihre Br&uuml;der w&auml;ren &mdash; was wir ja doch auch
+eigentlich sind. Es klingt ordentlich erbaulich &raquo;Bruder Jim oder
+Bruder O'Flannagan.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Da&szlig; sie uns nicht gr&uuml;n sind kann ich ihnen nicht verdenken,&laquo; brummte
+der Bootsmann, &raquo;sie haben alle Ursache dazu, denn unsere beiden
+Interessen laufen einander gerade schnurstracks entgegen. Also Ihr
+geh&ouml;rt zu dem schmutzigen Wallfischf&auml;nger da drau&szlig;en &mdash; habt Ihr
+Fische bekommen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ja Mister.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und welchen Port seid Ihr zuletzt angelaufen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Genirt's Euch, wenn Ihr's <span class="g">nicht</span> wi&szlig;t?&laquo; frug der Ire sp&ouml;ttisch.</p>
+
+<p>&raquo;Geht zum Teufel!&laquo; brummte der Franzose zwischen den Z&auml;hnen durch &mdash; &auml;rgerlich sich mit dem Burschen so weit eingelassen zu haben und
+wandte ihm den R&uuml;cken.</p>
+
+<p>&raquo;Rrrrrrrrrr!&laquo; dr&ouml;hnte in diesem Augenblick ein rascher Wirbel so dicht
+vor ihren Ohren, da&szlig; sich der Bootsmann &uuml;berrascht danach umsah;
+lachende M&auml;dchengesichter schauten ihm aber entgegen, wohin er
+blickte, und Eine von diesen hatte eine richtige fran<span class='pagenum'> <a name="Page_16" id="Page_16">[16]</a></span>z&ouml;sische Trommel
+umgeh&auml;ngt, und schlug darauf jetzt mit fertiger Hand den Takt ihres
+Inseltanzes.</p>
+
+<p>&raquo;Alle Wetter, Ate-Ate!&laquo; rief der vorgebliche Harpunier des <span class="f">Kitty
+Clover</span>, und suchte das M&auml;dchen zu fassen, das aber rasch zur Seite
+sprang und ihn mit den Trommelschl&auml;geln abwehrte &mdash; &raquo;Du bist ja wohl
+gar gut franz&ouml;sisch geworden, M&auml;dchen, und dienst gegen deine fr&uuml;heren
+Geliebten &mdash; ein eigenth&uuml;mliches Mittel sich an den Treulosen zu
+r&auml;chen!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Zur&uuml;ck <span class="f">O-fa-na-ga</span>, zur&uuml;ck!&laquo; rief aber diese &mdash; &raquo;ich will die Zahl der
+Falschen nicht vermehren, und es w&auml;re schon jetzt Wahnsinn gegen sie
+in den Kampf zu ziehen &mdash; sie sind wie die Guiaven im Wald, und
+dr&uuml;cken alles Andere zu Boden &mdash; zur&uuml;ck wei&szlig;er Mann! &mdash; Aber lasse das
+Schwatzen hier, wir wollen tanzen, und Ihr st&ouml;rt uns nur mit Euerem
+Zungen klappernden Volk. Da <span class="f">A-da</span>!&laquo; wie sie den Bootsmann der <span class="f">Jeanne
+d'Arc</span> nach seinem nicht auszusprechenden Schiffe nannte &mdash; &raquo;da stell
+Dich her, und nun pa&szlig; auf, wir wollen den Tanz versuchen den Du uns
+gelehrt und sieh ob wir's k&ouml;nnen.&laquo; Und zur&uuml;ckspringend begann sie mit
+ziemlicher Genauigkeit <span class="f">Lord Howe's hornpipe</span>, den allbekannten
+Matrosentanz auf der Trommel zu schlagen, inde&szlig; sie die Melodie dazu
+mit klarer, ja glockenreiner Stimme sang, und die M&auml;dchen flogen
+herbei zum Tanz. <span class="g">Den</span><span class='pagenum'> <a name="Page_17" id="Page_17">[17]</a></span> Kl&auml;ngen konnten aber auch die Matrosen nicht
+widerstehen, und gegen sie antanzend stampften sie nach den raschen
+Takten den Rasen und schwenkten und warfen die H&uuml;te in jubelnder Lust.</p>
+
+<p>Aber die Europ&auml;er erm&uuml;den bald; so schattig der Brodfruchtbaum auch
+seine breitfingerigen Bl&auml;tter und &uuml;ber ihm die Palme ihre Krone
+streckt &mdash; die Luft ist zu hei&szlig; f&uuml;r solche Lust, und keuchend warfen
+sie sich auf den Boden nieder, inde&szlig; sie die eingeborenen M&auml;dchen
+lachend umsprangen und mit Blumen und Bananenschaalen warfen.</p>
+
+<p>Aber lauter und wilder t&ouml;nt die Trommel, in deren Schlagen Ate-Ate
+Eine der Eingeborenen abgel&ouml;&szlig;t und zu der sich noch eine zweite
+gefunden hat; der Takt wechselt, lachende M&auml;nner und M&auml;dchenstimmen
+fallen ein in jubelndem Chor, und die erhitzten T&auml;nzerinnen haben
+schon Hut und Schultertuch abgestreift der wogenden Brust und
+brennenden Stirn Luft und K&uuml;hlung zu geben. Dicht geschaart dr&auml;ngen
+die Zuschauer herbei aus der Nachbarschaft, und hochgesch&uuml;rzte
+halbnackte M&auml;dchen werfen sich immer aufs Neue hinein in den wilden
+Reigen. Hei wie sie fliegen her&uuml;ber und hin&uuml;ber in toller Lust, mit
+Armen und Knieen einfallend in den w&uuml;thenden Takt, schneller und
+schneller, mit funkelnden Augen und wogender Brust, wieder und wieder,
+auf und ab<span class='pagenum'> <a name="Page_18" id="Page_18">[18]</a></span> vor der Trommel und dem Jauchzen der bewundernden Schaar,
+bis sie ersch&ouml;pft zusammenbrechen, und andere &mdash; wildere ihren Platz
+ausf&uuml;llen auf dem zerstampften mi&szlig;handelten Rasen.</p>
+
+<p>Bunt sind die T&auml;nzer, bunter aber fast die Zuschauer die sie jetzt
+umstehn, und die sich, durch den Ton des Instruments gelockt,
+eingefunden haben. Neben dem noch bis an die Z&auml;hne t&auml;ttowirten alten
+Indianer, der mit grimmer Lust und leuchtenden Augen schon in seinem
+Geist die alte Zeit wieder aufleben sieht mit ihren Festen und T&auml;nzen
+&mdash; die sch&ouml;ne fr&ouml;hliche Zeit, ehe die schwarzgekleideten M&auml;nner mit
+den finstern Gesichtern kamen und ihren sonnigen Boden betraten, steht
+die w&uuml;rdige Matrone, der jetzt Blume und Bl&uuml;the im Haar schon ein
+Gr&auml;uel und dem Herrn mi&szlig;f&auml;llig d&uuml;nkt, und sieht mit Seufzen und oft
+und oft zum Himmel geschlagenen Blick, das Entsetzliche wieder vor
+ihren Augen geschehen, dem folgend ihre Priester Pestilenz und Krieg
+und die Racheblitze ihres Gottes prophezeiht. Aber sie <span class="g">sieht</span> doch den
+Tanz, sie steht und z&ouml;gert, und w&auml;hrend sie seufzt und st&ouml;hnt, taucht
+die Erinnerung in ihr auf, an fr&uuml;here Zeit, wo sie selber im wilden
+Sprung die Reihen der M&auml;dchen gef&uuml;hrt, die Fr&ouml;hlichste unter den
+Fr&ouml;hlichen, bei denselben entsetzlichen Kl&auml;ngen, &mdash; wo sie mit
+fliegender Brust und funkelndem Auge<span class='pagenum'> <a name="Page_19" id="Page_19">[19]</a></span> die Tapa von Schultern und
+H&uuml;fte, die Blumen aus den flatternden Locken ri&szlig;, den T&auml;nzer damit zu
+werfen und &mdash; Jehovah stehe ihr bei, sie faltet erschrocken die H&auml;nde
+und flieht den Platz, denn unter dem bunten wehenden Kattun zuckt' es
+und zittert' es ihr in den Knieen und F&uuml;&szlig;en, und der Teufel war stark,
+und lockte sie zu dem Entsetzlichen.</p>
+
+<p>Mitten hinein aber zwischen die Reihen und Gruppen der au&szlig;en Stehenden
+dr&auml;ngen jetzt wieder lachend und schwatzend und mit den T&auml;nzerinnen
+scherzend Franz&ouml;sische Seeleute und Marinesoldaten, ihren Arm um die
+n&auml;chste geschlungen, und den Takt des Tanzes mit Gesang oder
+stampfendem Fu&szlig; unterst&uuml;tzend, und im Taumel von Lust und Freude
+treibt sich die sorglose Schaar hier mitten zwischen dem Volk umher,
+inde&szlig; die M&uuml;ndungen seiner Kanonen schon auf die armen Bambush&uuml;tten
+gerichtet liegen und ein Zufall den blutigen Kampf entz&uuml;nden kann.</p>
+
+<p>Aber was k&uuml;mmerts die jungen Burschen; <span class="g">der</span> Tag ist noch der ihre, im
+duftenden Wald, die wilde reizende M&auml;dchenschaar an ihrer Seite, was
+sorgen sie da um den n&auml;chsten. &mdash; Und wenn <span class="g">jetzt</span>, in diesem Augenblick
+die Alarmtrommel t&ouml;nte? &mdash; So unm&ouml;glich ist das nicht, denn der
+Bootsmann horchte einmal schon rasch und erschrocken auf &mdash; aber bah,
+es ist die neue Aufforderung zum Wiederbeginnen der<span class='pagenum'> <a name="Page_20" id="Page_20">[20]</a></span> Lust, und toller
+und rasender als je werfen sich die Unerm&uuml;dlichen hinein in den Tanz.</p>
+
+<p>Der Bootsmann oder <span class="f">contrema&icirc;tre</span> der <span class="f">Jeanne d'Arc</span> und Jim der Ire
+hatten sich zur&uuml;ckgezogen vom Tanz und der Franzose stand allein, an
+den Stamm eines Brodfruchtbaums gelehnt und schaute mit verschr&auml;nkten
+Armen dem wilden Spiele zu.</p>
+
+<p>Jim war in seiner N&auml;he und eben im Begriff auf ihn zuzugehen, aufs
+Neue ein Gespr&auml;ch mit ihm anzukn&uuml;pfen, als er sich am Arme gezupft
+f&uuml;hlte und rasch umschauend einen fremden Matrosen bemerkte, der ihm
+vorsichtig winkte ihm zu folgen, und dann langsam, und scheinbar
+absichtslos einem kleinen Guiavendickicht zuschlenderte, das hier den
+nicht weit von da vorbeistr&ouml;menden Bach begrenzte. Jim schaute sich
+vorsichtig um, ob er von keiner Seite beobachtet w&uuml;rde, blieb wohl
+noch eine Viertelstunde ruhig und regungslos in seiner Stellung, dem
+Tanze zuschauend, und folgte dann, die H&auml;nde in den Taschen und mit
+den ihm n&auml;chsten M&auml;dchen lachend und scherzend, dem Vorangegangenen.
+Etwa zwanzig Schritt im Dickicht h&ouml;rte er einen leisen Pfiff,
+antwortete ebenso vorsichtig und befand sich wenige Minuten sp&auml;ter dem
+fremden Seemann gegen&uuml;ber, der ihn ohne weiteres am Arm nahm und noch
+tiefer in den Wald von Mape und Lichtnu&szlig;b&auml;umen und Guiaven
+hineinf&uuml;hrte.<span class='pagenum'> <a name="Page_21" id="Page_21">[21]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Alle Wetter Kamerad,&laquo; sagte endlich Jim stehen bleibend und seinen
+schweigsamen F&uuml;hrer betrachtend, &raquo;was zum Henker schleppt Ihr mich
+denn hier in den dicksten Busch, wo man sich die Augen in den Zacken
+ausrennen kann. Was wollt Ihr von mir und wer seid Ihr selber?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wer ich bin, Dick Mulligan&laquo; sagte aber der Andere, &raquo;kann Dir ziemlich
+egal sein, wenn nur &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Dick Mulligan&laquo; wiederholte Jim und so sehr er sich auch M&uuml;he gab
+seine Bewegung zu verbergen, war es doch leicht zu sehn, wie er &uuml;ber
+den Namen erschrak, &raquo;wen zum Teufel nennt Ihr Dick Mulligan?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Pst Dick, nicht so laut,&laquo; sagte aber der Andere vorsichtig, &raquo;Du
+brauchst Dich nicht zu geniren, wir Beide kennen einander, denn so
+hab' ich mich doch Gott straf mich nicht ver&auml;ndert, da&szlig; Du nicht unter
+der, vielleicht ein Bischen braun gewordenen Haut deinen alten
+Gef&auml;hrten Jack herausfinden solltest.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Jack, bei Allem was da schwimmt!&laquo; rief Jim, &raquo;aber Mensch wo kommst Du
+her, und in <span class="g">die</span> Jacke; Matrose an Bord eines <span class="g">franz&ouml;sischen</span>
+Kriegsschiffs&laquo; &mdash;</p>
+
+<p>&raquo;Das w&auml;re eine langweilige Geschichte, Dir das Alles
+auseinanderzusetzen, genug da&szlig; ich da bin und vielleicht Dir zum
+Gl&uuml;ck,&laquo; entgegnete aber der Andere &mdash; &raquo;Mensch Du hast Dich nicht im
+Geringsten<span class='pagenum'> <a name="Page_22" id="Page_22">[22]</a></span> ver&auml;ndert, siehst noch aus wie vor f&uuml;nf Jahren und l&auml;ufst
+hier so unbek&uuml;mmert und gottvergn&uuml;gt mit dem Bart und den Haaren in
+der Welt herum, als ob Du nicht den Strick um den Hals tr&uuml;gst, und
+jeden Augenblick gefa&szlig;t und vor Gericht geschleppt werden k&ouml;nntest &mdash; und wer Dich einmal gesehen, vergi&szlig;t Dich im ganzen Leben nicht
+wieder.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;La&szlig; die alte Geschichte,&laquo; knurrte aber der Ire &mdash; &raquo;kein Mensch hier
+hat eine Ahnung davon als wir Beide &mdash; weshalb das Aufheben!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Kein Mensch, so?&laquo; &mdash; sagte Jack, &raquo;und wei&szlig;t Du, wer auf der <span class="f">Jeanne
+d'Arc</span> dr&uuml;ben zweiter Lieutenant ist?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wie soll ich's wissen,&laquo; erwiederte Jim unruhig, &raquo;Du kannst Dir denken
+da&szlig; ich mit den Offizieren irgend einer Majest&auml;t so wenig wie m&ouml;glich
+in Ber&uuml;hrung komme &mdash; wer wird's sein?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Niemand Anderes als derselbe junge Bursch, der uns damals, in der
+Pomatu Gruppe unsern schon sicher geglaubten Fang, den kleinen
+Perlencutter abjagte und Dich dabei erwischte. Du entkamst ihm nachher
+noch, aber er hat Dich doch beinah acht Tage festgehabt und kennt Dich
+genau, ich habe ihn wenigstens die Geschichte selber zweimal an Bord
+erz&auml;hlen h&ouml;ren und er schw&ouml;rt darauf da&szlig; er Dich h&auml;ngen sehn will,
+wenn er Dir jemals im Leben wieder begegnet.&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_23" id="Page_23">[23]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Unsinn, was kann er mir thun,&laquo; brummte aber Jim (denn wir wollen den
+Namen beibehalten), &raquo;wir wurden eben von unserer Beute vertrieben,
+aber das war doch auch weiter kein Beweis gegen mich.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie haben die beiden Leichen in dem Pandanusdickicht gefunden,&laquo; sagte
+Jack leise.</p>
+
+<p>&raquo;Den Teufel,&laquo; knirschte Jim zwischen den Z&auml;hnen durch &mdash; &raquo;das w&auml;re
+allerdings fatal &mdash; aber er hat keine Zeugen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Mehr wie er braucht,&laquo; entgegnete Jack &mdash; &raquo;drei von den Jungen die uns
+damals den Spa&szlig; verdarben, sind auf der <span class="f">Jeanne d'Arc</span> &mdash; und Du kannst
+Dir denken wie mir zwischen dem Gesindel zu Muthe sein mu&szlig; &mdash; ein
+Gl&uuml;ck da&szlig; sie keine Ahnung haben wie nahe wir schon einmal &raquo;mit
+einander in Gesch&auml;ftsverbindung gestanden haben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber wie zum Henker bist Du auf das Franz&ouml;sische Kriegsschiff
+gekommen?&laquo; frug Jim nochmals erstaunt und vielleicht selbst
+mi&szlig;trauisch.</p>
+
+<p>&raquo;Lieber Gott,&laquo; lachte Jack achselzuckend, &raquo;wie man bald das bald das
+einmal in der Welt versucht, ehrlich durchzukommen. &mdash; Ich machte in
+Marseille, an Bord eines Dampfers eine Speculation in silbernen
+L&ouml;ffeln &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Pfui!&laquo; sagte Jim.</p>
+
+<p>&raquo;Pfui?&laquo; wiederholte Jack beleidigt &mdash; &raquo;das ist<span class='pagenum'> <a name="Page_24" id="Page_24">[24]</a></span> mir nun einmal
+angeboren, da&szlig; ich nicht m&uuml;&szlig;ig gehen kann; doch um kurz zu sein
+entstand da ein Mi&szlig;verst&auml;ndni&szlig; dem ich, als der Schw&auml;chere zum Opfer
+fiel. Sie steckten mich erst ein und schickten mich dann, zu meiner
+weiteren Ausbildung auf ein Kriegsschiff.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und jetzt?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und jetzt? &mdash; bin ich an Bord und sehe mich nach einer passenden
+Gelegenheit um meine Situation zu verbessern.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Warum desertirst Du nicht?&laquo; frug ihn Jim.</p>
+
+<p>&raquo;Das ist eine b&ouml;se Sache,&laquo; sagte Jack kopfsch&uuml;ttelnd, &raquo;das kann gut,
+aber auch schlecht gehen &mdash; ja wenns hier einmal zum Ausbruch k&auml;me,
+lie&szlig; ich mir's gefallen; jetzt wird aber Alles ausgeliefert was sich
+fremd am Ufer blicken l&auml;&szlig;t. Du aber kannst mir am Ende dazu helfen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;<span class="g">Ich</span> Dir? &mdash; wie mir's jetzt scheint habe ich alle H&auml;nde voll zu thun
+meine eigene Haut in Sicherheit zu bringen &mdash; ist unser alter
+Bekannter an Land?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Gewi&szlig;, und st&ouml;bert hier gerade in der Nachbarschaft herum, ich habe
+Dich deshalb abgerufen da&szlig; Du ihm nicht etwa in die H&auml;nde l&auml;ufst &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nur meinethalben?&laquo; frug Jim den Gef&auml;hrten mit einem etwas
+zweifelhaften Blick.<span class='pagenum'> <a name="Page_25" id="Page_25">[25]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;<span class="g">Nur</span> deinethalben? &mdash; nein&laquo; sagte der aufrichtige Jack &mdash; &raquo;ich sehe
+nicht ein warum ich das Kind nicht beim rechten Namen nennen soll; mir
+war es selber nicht ganz einerlei, die alte Geschichte wieder
+aufgew&auml;rmt zu sehn, noch dazu da ich ein unfreiwilliger Zeuge des
+Ganzen h&auml;tte sein m&uuml;ssen. Aber wirklich Jim, wie ich da erst von
+unserem Bootsmann geh&ouml;rt habe, der sich gerade nicht in Dich scheint
+verliebt zu haben, geh&ouml;rst Du zu dem Wallfischf&auml;nger, der unten in der
+Bai liegt &mdash; sind die Leute an Bord gut?&laquo;</p>
+
+<p>Jim z&ouml;gerte einen Augenblick mit der Antwort und schielte seitw&auml;rts
+nach seinem fr&uuml;hern Kameraden hin&uuml;ber.</p>
+
+<p>&raquo;Du &uuml;berlegst ob ich Dir da nicht etwa im Wege w&auml;re?&laquo; sagte dieser
+lachend.</p>
+
+<p>&raquo;Nein, nein,&laquo; erwiederte der Ire rasch und vielleicht etwas besch&auml;mt
+seine Gedanken so schnell errathen und ausgesprochen zu sehn &mdash; &raquo;ich
+wu&szlig;te nur nicht gleich was Du damit meintest &mdash; ja, der Capitain ist
+gut genug &mdash; Mac Rally, Du mu&szlig;t ihn ja noch von fr&uuml;her her kennen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Mac Rally, Mac Rally? &mdash; nein, unter dem Namen nicht; wie hie&szlig; er
+sonst &mdash; Du kannst mir trauen alter Junge,&laquo; setzte er lachend hinzu,
+als er sah das Jim mit der Antwort z&ouml;gerte &mdash; &raquo;mir liegt<span class='pagenum'> <a name="Page_26" id="Page_26">[26]</a></span> <span class="g">Alles</span> daran
+sicher vom Bord der Franzosen zu kommen und wenn ich selbst &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber warum schwimmst Du nicht zu dem Engl&auml;nder hin&uuml;ber, der n&auml;hme
+Dich mit Vergn&uuml;gen auf,&laquo; sagte Jim.</p>
+
+<p>&raquo;Weil ich daf&uuml;r meine <span class="g">sehr</span> guten Gr&uuml;nde habe,&laquo; brummte Jack
+verdrie&szlig;lich; &raquo;ich f&uuml;hle eine gerade so gro&szlig;e Abneigung gegen
+englische Offiziere wie Du, und &mdash; habe vielleicht eben so viel
+Ursache &mdash; also Mac Rally &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Erinnerst Du Dich noch auf Bill Kooney?&laquo; frug Jim.</p>
+
+<p>Jack pfiff leise vor sich hin und lachte verschmitzt.</p>
+
+<p>&raquo;Bill Kooney,&laquo; sagte er dann nach einer kurzen Pause &mdash; &raquo;Bill Kooney &mdash; aber wie zum Teufel ist der zu dem Wallfischf&auml;nger gekommen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das ist eine naive Frage,&laquo; sagte Jim, &raquo;aber mein Junge, wenn dem so
+ist da&szlig; der Gesell &mdash; wie hei&szlig;t er doch gleich dein Lieutenant?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Bertrand.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Da&szlig; also der <span class="f">Monsieur</span> hier herumschwimmt, da ist's f&uuml;r mich Zeit aus
+dem Cours zu gehn &mdash; bis ich ihm vielleicht einmal richtig hinein
+kommen kann; ich mu&szlig; so an Bord.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber wo treffen wir uns wieder? ich m&ouml;chte vorher genau wissen wann
+Ihr segelt und Bill Koo<span class='pagenum'> <a name="Page_27" id="Page_27">[27]</a></span>ney doch auch gern einmal sehn, mit ihm meinen
+Plan zu bereden.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich geh&ouml;re gar nicht mehr an Bord,&laquo; sagte Jim &mdash; &raquo;da&szlig; ich Harpunier
+w&auml;re hab' ich deinem neugierigen Bootsmann nur aufgebunden.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du geh&ouml;rst nicht mehr an Bord?&laquo; frug Jack erstaunt &mdash; &raquo;den Teufel
+auch, da hast Du wohl dein &raquo;Gesch&auml;ftsb&uuml;reau&laquo; jetzt an Land?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Zu Zeiten,&laquo; sagte Jim ausweichend.</p>
+
+<p>&raquo;Und gehn die Gesch&auml;fte gut? &mdash; na hab' keine Angst,&laquo; setzte er aber
+rasch hinzu, als er sah da&szlig; den neugefundenen Kameraden die Frage
+etwas in Verlegenheit zu setzen schien, wenigstens nicht gleich und
+unbedingt von ihm beantwortet wurde &mdash; &raquo;ich komme Dir dabei nicht in's
+Gehege, bleibe aber, aufrichtig gesagt auch lieber einmal eine
+Zeitlang auf festem Grund und Boden und in der angenehmen Gesellschaft
+hier, mich von den &uuml;berstandenen Strapatzen erst ein wenig auszuruhn.
+Donnerwetter, man lebt doch nur einmal auf der Welt, und wozu sich in
+einem fort schinden und placken, wie ein Hund!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich wei&szlig; gerade nicht ob es Dir hier gefallen w&uuml;rde,&laquo; sagte Jim.</p>
+
+<p>&raquo;Da&szlig; la&szlig; meine Sorge sein,&laquo; lachte der Matrose, &raquo;wenn ich nur erst
+gl&uuml;cklich aufgehoben w&auml;re, eine Desertion in meinen Verh&auml;ltnissen ist
+nur zu ver<span class='pagenum'> <a name="Page_28" id="Page_28">[28]</a></span>dammt gef&auml;hrlich, denn <span class="g">kriegten</span> sie mich wieder, m&ouml;cht' ich
+in jeder anderen, nur nicht in meiner eigenen Haut stecken. Ich k&ouml;nnte
+Dir vielleicht hier auch in Manchem von Nutzen sein.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das bezweifle ich nicht im Mindesten,&laquo; entgegnete Jim ruhig, &raquo;aber
+&uuml;berleg's Dir wohl; wird eine gro&szlig;e Belohnung auf den Einfang gesetzt,
+so ist keinem von den Indianischen Schuften zu trauen. Am besten w&auml;r's
+doch wohl Du spr&auml;chst einmal mit Mac Rally.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Hm &mdash; ja &mdash; vielleicht &mdash; nun ich werde ja sehen,&laquo; sagte Jack wie
+&uuml;berlegend sich das Kinn streichend und dabei verstohlen auf Jim
+hin&uuml;ber schauend. &mdash; &raquo;Und wenn man Dich einmal hier am Ufer finden
+wollte, wo bist Du da am besten zu erfragen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Kennst Du einen Platz hier auf der Insel, den sie &raquo;M&uuml;tterchen Tot's
+Hotel&laquo; nennen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein &mdash; ich bin noch nie funfzig Schritt vom Strand fortgewesen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du wirst ihn erfragen k&ouml;nnen &mdash; jeder Matrose kennt ihn.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wohnst Du dort?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein, aber es ist der einzige Platz, den ich regelm&auml;&szlig;ig besuche.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Gut, werd' ihn mir merken, und nun <span class="f">good bye</span>, Dick, unser Bootsmann
+k&ouml;nnte mich sonst vermissen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nenne mich nur nicht <span class="g">Dick</span>,&laquo; warf der Ire ein,<span class='pagenum'> <a name="Page_29" id="Page_29">[29]</a></span> &raquo;der Name war mir
+unbehaglich, und ich m&ouml;chte nicht gern immer wieder an jene
+ungl&uuml;ckselige Zeit erinnert werden.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Hast Du Gewissensbisse?&laquo; lachte Jack.</p>
+
+<p>&raquo;Bah Gewissensbisse &mdash; Unsinn &mdash; aber keine Lust eine Raanocke zu
+zieren, alter vergessener Geschichten wegen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Gut, gut; also Du, Jim, wenn Dir das sicherer klingt, k&ouml;nntest Dich
+unter der Zeit doch immer einmal nach einem Quartier oder
+Schlupfwinkel f&uuml;r mich umsehen &mdash; wenn's auch nur f&uuml;r den Nothfall
+w&auml;re; je weiter im Inneren, desto lieber ist mir's. So gute Nacht und &mdash; hab gut Acht auf deinen Hals!&laquo; &mdash; Und leise vor sich hinlachend
+verlie&szlig; er den Freund und ging zur&uuml;ck, wo er die Trommeln der
+Insulaner noch h&ouml;ren konnte, die unerm&uuml;dlich neue und frische T&auml;nzer
+herbeilockte.</p>
+
+<p>&raquo;Hm,&laquo; sagte Jim leise und nachdenkend vor sich hin, als der alte
+Kamerad aus fr&uuml;heren Tagen in den B&uuml;schen verschwunden war, und seine
+Schritte weiter und weiter im d&uuml;rren Laub verklangen &mdash; &raquo;sch&ouml;n Dank f&uuml;r
+die Warnung; ich wei&szlig; aber eben noch nicht, ob mir mein Hals in <span class="g">Deiner</span>
+Gesellschaft sicher oder unsicher ist, mein alter Bursche, und fataler
+Weise ist der Versuch gerade so gef&auml;hrlich. Nun, jedenfalls bin ich
+auf meiner Huth und vor Dir<span class='pagenum'> <a name="Page_30" id="Page_30">[30]</a></span> ziemlich sicher da&szlig; Du nicht selber aus
+der Schule schwatzest; Vielleicht kommt mir aber der franz&ouml;sische
+Gr&uuml;nschnabel einmal gelegentlich unter die Finger und dann k&ouml;nnen wir
+ja unsere Rechnungen mitsammen ausgleichen. Jetzt &uuml;brigens, so lange
+es noch Tag ist, werde ich <span class="g">nicht</span> an Bord zur&uuml;ckgehn, sondern meine
+Gesch&auml;fte hier am Land besorgen; ich traue den Insulanern nur nicht
+viel zu; sie sind zu gleichg&uuml;ltig bei Allem was sie nicht unmittelbar
+in die H&ouml;he sch&uuml;ttelt, und m&uuml;&szlig;ten sich sehr ge&auml;ndert haben, wenn sie
+&uuml;berhaupt noch einmal zu einem entscheidenden Schlag zu bringen w&auml;ren &mdash; sei der nun hingerichtet, wohin er wolle. &mdash; Hm &mdash; ist mir aber
+auch wieder ungemein lieb erfahren zu haben da&szlig; der Gesell in einer
+franz&ouml;sischen Uniform steckt und hier heruml&auml;uft &mdash; werde doch zusehn
+da&szlig; <span class="g">er mir</span> zuerst vorgestellt wird, und nicht ich <span class="g">ihm</span>.&laquo; &mdash; Und mit
+einem vorsichtigen Blick umher, denn Jack's Warnung hatte seine
+Wirkung keineswegs verfehlt, schlug er sich, mit der Gegend in der er
+sich hier befand vollkommen gut bekannt, seitw&auml;rts in das Dickicht,
+die Stadt auf einem anderen Pfade zu erreichen und verschwand bald
+darauf in den dichten, hinter ihm sich wieder schlie&szlig;enden
+Guiavenb&uuml;schen.<span class='pagenum'> <a name="Page_31" id="Page_31">[31]</a></span></p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fu&szlig;noten:</h3>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_A_1" id="Footnote_A_1"></a><a href="#FNanchor_A_1"><span class="label">[A]</span></a> Ein Schiffsausdruck &raquo;wo kommt Ihr her &mdash; von woher seid
+Ihr gesegelt?&laquo;</p></div>
+</div>
+
+
+<hr class="endchapter" />
+<h2><a name="Capitel_2" id="Capitel_2"></a>Capitel 2.</h2>
+<h3>Sadie und Ren&eacute;.</h3>
+
+
+<p>Ah &mdash; die Brust hebt sich ordentlich frei, wie wir dem wilden w&uuml;sten
+Treiben von Ha&szlig; und S&uuml;nde, Leichtsinn und roher Sinnlichkeit den
+R&uuml;cken kehren, dem Wald, dem unentweihten Walde zuzustreben. Noch
+haben wir aber nicht all die bunten wilden Gruppen hinter uns, die
+zerstreut bei all den verschiedenen H&uuml;tten, in all den kleinen Hainen
+ihre Orgien feiern. Horch, von da dr&uuml;ben her&uuml;ber lauter und munterer
+Trommelschlag unter den Palmen vor &mdash; lachende M&auml;nner und
+M&auml;dchenstimmen und jubelnder Chor; und von <span class="g">dort</span>? t&ouml;nt der scharfe
+Klang einer kleinen, in den Zweigen eines Orangenbaumes aufgehangenen
+Glocke, und der monotone Sang<span class='pagenum'> <a name="Page_32" id="Page_32">[32]</a></span> frommer Hymnen in Tahitischer Sprache,
+von den Ehrw&uuml;rdigen M&auml;nnern selbst an einem Wochentag gesungen, weil
+heute die Inseln ja dem rechten, dem &raquo;allein selig machenden
+Protestantischen Glauben&laquo; gerettet wurden.</p>
+
+<p>Dahinein aber kreischt der laute fr&ouml;hliche Sang halbtrunkener
+Matrosen, die am Strand nieder neuen Vergn&uuml;gungen zuziehen. Hier eine
+Frauengestalt in wehdurchschauerter Angst niedergeworfen vor dem
+z&uuml;rnenden Gott, den Blick angstvoll nach oben gerichtet, als ob sie
+f&uuml;rchte da&szlig; der r&auml;chende Strahl den Zornesworten folgen m&uuml;sse, die der
+wei&szlig;e fromme Mann eben niedergedonnert hatte von dem einfach h&ouml;lzernen
+Kanzelstand, auf die H&auml;upter der kleinen &raquo;auserw&auml;hlten Schaar&laquo; &mdash; dort
+ein wildes braunes halbnacktes M&auml;dchen, den Arm leichtfertig um die
+Schulter eines franz&ouml;sischen Soldaten gelegt, der mit ihr plaudert und
+ko&szlig;t, w&auml;hrend sie den lachenden Blick frei und ruhig zu dem blauen
+freundlichen Himmel emporhebt, und dabei mit halbem Ohr vielleicht den
+fernen wohlbekannten Glockent&ouml;nen lauscht.</p>
+
+<p>Widerspr&uuml;che wohin das Auge f&auml;llt, und nur die Natur selber ist sich
+treu geblieben in dem tollen wilden Gewirr &mdash; nur die Natur allein,
+die Gottes Gr&ouml;&szlig;e und G&uuml;te predigt in jeder Zeit, und ihre Gaben
+liebend ausstreut &uuml;ber die Kinder des Allm&auml;ch<span class='pagenum'> <a name="Page_33" id="Page_33">[33]</a></span>tigen, gleichviel
+welcher <span class="g">Sekte</span> sie angeh&ouml;ren, welchen Namen die Lippe fl&uuml;stert, wenn
+das Herz, in stiller Anbetung versunken, emporstaunt zu seinen
+Wundern, und gleichg&uuml;ltig dabei, ob sie ihre Stirnen nach Westen oder
+Osten zum Gebet neigen &mdash; beten sie doch <span class="g">Alle</span> zu <span class="g">Ihm</span>.</p>
+
+<p>So, je weiter wir das wirre tolle Treiben Papetee's hinter uns lassen,
+verschwimmen die Dissonnancen von Hymne und Trommel in dem gewaltigen
+Donner der ewigen Brandung, und dem leisen fl&uuml;sternden Rauschen der
+Bl&auml;tter und Palmenkronen, und dort drau&szlig;en, weit drau&szlig;en am
+wundersch&ouml;nen Strand, wohinaus kaum der donnernde Schall des
+Gesch&uuml;tzes drang, das den Aufgang und Niedergang der Sonne k&uuml;ndete,
+hatte Ren&eacute; seine H&uuml;tte gebaut. Ein wohl nicht gro&szlig;es aber doch
+ger&auml;umiges Haus, dicht in den Schatten von Frucht- und Bl&uuml;thenb&auml;umen
+hineingeschmiegt, diente ihm mit seiner kleinen Familie, wie dem alten
+ehrw&uuml;rdigen Mr. Osborne, von dem sie sich nicht h&auml;tten trennen m&ouml;gen,
+zum Aufenthalt; ja wurde ihm zur Heimath, und selbst Sadie f&uuml;hlte sich
+hier wieder wohl und gl&uuml;cklich, so heimisch so freundlich war der
+kleine liebe Platz &mdash; so lieb fast wie Atiu &mdash; nur da&szlig; ihm die
+Erinnerungen fehlten.</p>
+
+<p>&mdash; <span class="g">Nur da&szlig; ihm die Erinnerungen fehlten</span> &mdash; es ist ein kleines,
+unbedeutendes Wort; die<span class='pagenum'> <a name="Page_34" id="Page_34">[34]</a></span> Erinnerung, und sie umfa&szlig;t doch, wenn wir
+erst einmal wirklich ins Leben traten, Alles fast, was das Herz je
+theuer gehalten und lieb, und dessen Kl&auml;ngen es mit freudigem Klopfen,
+o wie gern doch, lauscht. Was anderes giebt unserer Heimath jenen
+unendlichen Reiz, der uns nicht weilen l&auml;&szlig;t im fremden Land und uns
+zur&uuml;ckzieht mit festen, kaum zerrei&szlig;baren Banden? &mdash; was anderes
+zaubert uns mit einem Schlag alle die lieben, nie vergessenen, aber
+wohl so oft und hei&szlig; ersehnten Bilder wieder herauf, die unserem Leben
+damals Licht und Farbe, unserem Blut die W&auml;rme, unserer Brust die
+heitere Ruhe gaben? Verleih einem Platz diese Erinnerungen, und la&szlig; es
+dann die &auml;rmlichste d&uuml;rftigste H&uuml;tte in einer Wildni&szlig; sein, und jede
+St&uuml;tze ist uns theuer die noch den morschen Bau zusammenh&auml;lt. Wir
+kennen da jeden Baum, jeden Stein und an jedes, das noch so
+unbedeutendste, an den schmalen Pfad der hinausf&uuml;hrt zu dem stillen,
+Linden umlaubten Friedhof, an das Gartenpf&ouml;rtchen, an den Apfelbaum
+neben der Th&uuml;r, an die Steinbank oder den murmelnden Bach, oder den
+moosbewachsenen Eimer des Brunnens, selbst an die lieben Sterne die
+nur <span class="g">so</span>, wie alte liebe Bekannte &uuml;ber <span class="g">der</span> H&uuml;tte standen, kn&uuml;pft sich
+eine Liebe, eine selige Erinnerung, und je &auml;lter wir dabei werden, je
+weiter uns das Schicksal und<span class='pagenum'> <a name="Page_35" id="Page_35">[35]</a></span> je l&auml;nger es uns fortgetrieben aus dem
+Heiligthum, desto theurern Platz wahrt es sich in unserm Herzen.</p>
+
+<p>Und <span class="g">ohne</span> diese Erinnerungen? ja die Welt ist sch&ouml;n, und &uuml;berall
+gr&uuml;ndet der unstete Mensch seinen Heerd, &uuml;berall deckt Gottes
+unendliche G&uuml;te den Boden f&uuml;r ihn mit Speise und Trank, und das
+Geschlecht treibt und gedeiht &mdash; aber es treibt und gedeiht auch nur
+eben, und wie in der Fremde beginnt es seine H&uuml;tte zu bauen, wie in
+der Fremde siedelt es sich an und &mdash; denkt zur&uuml;ck an fr&uuml;here
+gl&uuml;cklichere Zeiten, liebere Pl&auml;tze &mdash; an die Stelle wo seine Wiege
+gestanden.</p>
+
+<p>Aber Sadie und Ren&eacute; <span class="g">waren</span> gl&uuml;cklich &mdash; &uuml;ber ihnen w&ouml;lbten, wie auf
+Atiu wehende Cocospalmen ihre H&auml;upter und sch&uuml;ttelten den Thau nieder
+auf die duftenden Bl&uuml;then der Orangen, die ihren Fu&szlig; umwuchsen; vor
+ihnen aus breiteten sich die Corallendurchzogenen Binnenwasser der
+Riffe, klar und silberrein wie an der Schwesterinsel, und Abends
+ruderte der junge Mann das Canoe hinaus, und vor ihm sa&szlig; dann die
+gl&uuml;ckliche Mutter mit dem Kind am Herzen, dem Liebesblick seines Auges
+in unendlicher Seligkeit begegnend; &mdash; es waren das so frohe, so
+gl&uuml;ckliche Stunden.</p>
+
+<p>Oh da&szlig; sie schwinden m&uuml;ssen, da&szlig; Alles nur auf Erden eine Spanne Zeit
+umfa&szlig;t, und w&auml;hrend uns<span class='pagenum'> <a name="Page_36" id="Page_36">[36]</a></span> die Sonne fr&ouml;hlich scheint, da&szlig; da schon
+d&uuml;stre Wolkenschleier unterm Horizonte lagern m&uuml;ssen, die langsam aber
+sicher h&ouml;her steigen. Es giebt kein ungetr&uuml;btes Gl&uuml;ck auf dieser Welt,
+es kann's nicht geben, denn das Bewu&szlig;tsein schon, wie nah der Wechsel
+unserm Leben liegt, wie oft an einer Faser nur das Alles h&auml;ngt, was
+uns in diesem Augenblick entz&uuml;ckt, wirft einen tr&uuml;ben Schein selbst
+auf die frohste Stunde, und das, was uns gerade im Ungl&uuml;ck st&auml;rkt, was
+den Blick vertrauend, hoffend dem Lichte zukehrt, wie tr&uuml;b und traurig
+uns auch im Herzen sei, und wie die Verzweiflung an ihm nagt und
+zehrt, die Gewi&szlig;heit irgend des einstigen Wechsels solcher
+Leidenszeit, die klopft dann ebenfalls als Mahner an des Gl&uuml;ckes Thor,
+mit leisem Finger, aber still und unverdrossen fort.</p>
+
+<p>Nicht bei Ren&eacute;; er war ein Kind im Gl&uuml;ck und nahm das Alles mit so
+frohem leichten Herzen an, wie Kinder Spielzeug nehmen, lachen und
+springen damit und nicht d'ran denken da&szlig; es zerbrechen kann, sich
+nicht d'rum k&uuml;mmern. Nach langer schwerer Zeit, wo er viel dulden
+mu&szlig;te und ertragen, erschien das Alles hier ihm wie geh&ouml;rig, wie
+gerechter Lohn nur f&uuml;r Bestandenes; Sorge hatte er nie gekannt, der
+Augenblick war ihm des Lebens Trieb gewesen, dem er folgte, dem
+Augenblick geh&ouml;rte er auch an, und<span class='pagenum'> <a name="Page_37" id="Page_37">[37]</a></span> wie er ebenso im Ungl&uuml;ck wenig nur
+gehofft, sich stets vom Schicksal ausersehn gedacht und kecken
+trotzigen Muthes darin gerade Freude fand ihm zu begegnen, es zu
+&uuml;berwinden, so dachte er auch im Gl&uuml;ck nicht oft hinaus wie's einst
+wohl werden solle, wenn der Tod vielleicht hier oder da die St&uuml;tzen
+wegri&szlig;, oder and'res Leid mit kalter starrer Hand eingreifen k&ouml;nne in
+sein junges Gl&uuml;ck. Er lebte, liebte, das war ihm genug.</p>
+
+<p>Nicht so Sadie; auf jener stillen Insel still herangewachsen, hatte
+sie kaum von einem h&ouml;heren Lebensziel gewu&szlig;t; der Schwestern sorglose
+Freuden sorglos theilend, war ihr auch nie ein anderer Gedanke
+gekommen, hatte sie nie einen andern Fall f&uuml;r m&ouml;glich gehalten, als
+mit der Palme am Strand zu bl&uuml;hen, zu gedeihen und unter ihrem
+Schatten einst in leichter Erde, leicht und hoffend einem neuen,
+besseren Leben entgegen zu tr&auml;umen. Da kam Ren&eacute; &mdash; mit ihm erschlo&szlig;
+sich eine neue Welt f&uuml;r sie, mit ihm gewann sie etwas was sie nie
+geahnt &mdash; ein <span class="g">geistiges</span> Leben, neben ihrer Palmenwelt, und Alles das
+was ihr die Brust von da mit solcher Seligkeit erf&uuml;llte, fand in dem
+einem Herzen nur Ursprung und Ziel &mdash; und wenn das eine Herz ihr
+wieder schwand dann &mdash; nein, sie dachte den Gedanken nie aus, und wenn
+er aufsteigen wollte in ihr, floh sie vor sich selbst, und<span class='pagenum'> <a name="Page_38" id="Page_38">[38]</a></span> das Gef&uuml;hl
+gewann erst wirklich festen Grund in ihr, bekam erst Farbe und
+Gestalt, als ihr ein anderer Schmerz durchs Leben zog &mdash; das erste
+schwere herbe Leid der jungen Brust.</p>
+
+<p>Der alte ehrw&uuml;rdige Mr. Osborne, ein Missionair im wahren Sinn des
+Worts, der Gottes Liebe voll und wahr im Herzen trug, und Tausenden
+schon damit Trost gebracht, fand gerade da, wo er Achtung und
+Anerkennung h&auml;tte fordern d&uuml;rfen, mit seinem treuen ehrlichen Herzen,
+kalten d&uuml;rren Grund, und wenn nicht offenen Kampf, weit Schlimmeres &mdash; heimlicher Bosheit Pfeil, der oft weit t&ouml;dtlicher trifft als Blei und
+Stahl. Her&uuml;ber und hin&uuml;ber geschickt auf der Insel, wo er kaum des
+einen Stammes Herzen sich gewonnen, und wohlth&auml;tigen Einflu&szlig; auf sie
+auszu&uuml;ben begann, gekr&auml;nkt und angefeindet, ge&auml;rgert und betr&uuml;bt,
+erkrankte er endlich, und ehe Ren&eacute; sowohl wie Sadie sich auf den
+schmerzlichen Verlust der ihnen drohte, vorbereiten konnten, ja ehe
+selbst nur die Bef&uuml;rchtung solcher Gefahr in ihnen aufgestiegen war,
+machte ein Nervenschlag seinem Leben ein sanftes und nur zu rasches
+Ende.</p>
+
+<p>Der Schmerz traf tief in ihr junges, bis dahin ungetr&uuml;btes Gl&uuml;ck, und
+Sadie besonders hatte viel, unendlich viel durch ihn verloren. Auch
+Ren&eacute; schmerzte der Verlust des alten wackern Mannes, der ihm ein
+zwei<span class='pagenum'> <a name="Page_39" id="Page_39">[39]</a></span>ter Vater geworden, und ja auch eigentlich viel mit seinetwegen
+ertragen und geduldet.</p>
+
+<p>Viele Monate vergingen denn auch, ehe sich Beide von dem Verlust
+erholen, an die Trennung von ihm gew&ouml;hnen konnten, und selbst dann
+noch wollte das Gef&uuml;hl der Leere nicht ganz weichen &mdash; es fehlte ihnen
+ein Theil ihrer selbst, und der Alles lindernden Zeit mu&szlig;te es
+vorbehalten bleiben sie vollst&auml;ndig daf&uuml;r zu tr&ouml;sten.</p>
+
+<p>Dieser Todesfall war aber auch f&uuml;r Ren&eacute; zum Trieb geworden, sich
+irgend nach einer Th&auml;tigkeit umzuschauen, nach der auch, besonders
+jetzt allein auf sich selbst angewiesen und in der lebendigeren
+Ansiedlung mit neuen Bed&uuml;rfnissen erwachsend, sein lebenskr&auml;ftiger
+Geist sich sehnte und dr&auml;ngte. Eine solche Besch&auml;ftigung wurde ihm
+aber auch zuletzt zur Nothwendigkeit, wenn er nicht untergehen sollte
+in dem m&uuml;&szlig;igen, dem Insulaner wohl zusagenden, dem gebildeten Europ&auml;er
+aber auf die L&auml;nge der Zeit nicht gen&uuml;genden Leben.</p>
+
+<p>Kurz vor Mr. Osbornes Tode war ein Theil des Capitals, das Ren&eacute; in
+Frankreich stehen hatte, f&uuml;r ihn auf Tahiti eingetroffen, und er
+beschlo&szlig; jetzt dasselbe in kaufm&auml;nnischen Speculationen anzulegen, und
+sich au&szlig;erdem mit dem Handel und Betrieb dieser<span class='pagenum'> <a name="Page_40" id="Page_40">[40]</a></span> Inseln bekannt zu
+machen. Er bedurfte dessen allerdings nicht seine Lage zu verbessern
+oder seine Existenz zu sichern, denn wenig gen&uuml;gte hier seinem
+einfachen Leben, aber er wollte einen Antrieb haben, der ihn irgend
+einem gestellten Ziel entgegen f&uuml;hrte, und das zog ihn dann nicht
+allein nicht von seinem h&auml;uslichen Leben ab, sondern mu&szlig;te diesem
+sogar einen noch h&ouml;heren Reiz verleihen.</p>
+
+<p>Seine kleine freundliche Wohnung lag vielleicht eine halbe Meile
+unterhalb Papetee, dicht am Meeresstrand, von hohen Wi- und Mapeb&auml;umen
+umgeben, und die freie Aussicht nach dem reizenden Imeo hin&uuml;ber
+gew&auml;hrend. Dort, schon mit mancher Europ&auml;ischen Bequemlichkeit
+ausgestattet, hatte er sich sein Nest gebaut, und zog ihn auch &uuml;ber
+Tag dann und wann theils die Ankn&uuml;pfung seiner Gesch&auml;fte, theils das
+rege politische Treiben dieser lebendigen Zeit f&uuml;r Tahiti, nach der
+Stadt, so fand ihn der Abend doch stets mit raschen Schritten
+heimw&auml;rts, in die Arme seines trauten Weibes eilend, und schmiegte
+sich dann das liebe holde Kind, dem die Mutterw&uuml;rde einen fast noch
+h&ouml;heren Reiz verliehen, kosend an seine Seite, dann segnete er wohl
+oft, in der F&uuml;lle seines Gl&uuml;cks, das Schiff, das ihn an diese
+gastliche K&uuml;ste gef&uuml;hrt, und mehr noch den Entschlu&szlig; Freiheit und
+Leben daran gesetzt zu haben den Boden zu betreten,<span class='pagenum'> <a name="Page_41" id="Page_41">[41]</a></span> zu dem es ihn,
+wie mit einer h&ouml;heren inneren Stimme unaufhaltsam getrieben.</p>
+
+<p>Wie es dabei oft jungen Leuten geht, denen das Schicksal, und wie
+h&auml;ufig ihnen zum Heil, in ihrer ersten Liebe, bei ihren ersten
+ehrgeizigen Pl&auml;nen, den schon zum Genu&szlig; gehobenen Becher von den
+Lippen rei&szlig;t, und die dann pl&ouml;tzlich ihre Rechnung mit der Welt
+abgeschlossen, ihre Anspr&uuml;che an das Leben und sein Gl&uuml;ck vernichtet
+glauben und gar nicht einsehen wollen, da&szlig; ihnen die Welt erst jetzt
+so voll und weit die Arme &ouml;ffnet, fand er Alles, Alles gerade in dem
+Augenblick erf&uuml;llt, wo er sich schon an Abgrunds Rande w&auml;hnte, und den
+Schritt f&uuml;r unvermeidlich, f&uuml;r unabwendbar hielt, der ihn
+zerschmettert in die Tiefe senden mu&szlig;te.</p>
+
+<p>Und wenn er dann wieder im Anfang, von einem Extrem zum andern
+&uuml;berspringend, jeder Gefahr entrissen, mit jedem Wunsch erf&uuml;llt, in
+einem f&ouml;rmlichen Taumel von Wonne und Seligkeit der neu gefundenen
+Rettungsbahn, die ihn nun durch blumige Auen f&uuml;hrte, wie im Traume
+folgte, verlor sich doch endlich dieses Gef&uuml;hl, das ihn auch wirklich
+sein Gl&uuml;ck nur halb empfinden lie&szlig;, und mit dem vollen Bewu&szlig;tsein
+dessen was er sich hier, in dieser wunderherrlichen Welt gewonnen,
+kehrte auch unendliche Ruhe und Seligkeit ein in sein Herz &mdash; eine
+Ruhe<span class='pagenum'> <a name="Page_42" id="Page_42">[42]</a></span> die sein Weib unsagbar gl&uuml;cklich machte und ihrer Brust letzte,
+durch die anderen Protestantischen Geistlichen wachgerufenen Zweifel
+und Bef&uuml;rchtungen beschwichtigte und widerlegte, da&szlig; sich der unstete
+Geist des jungen Mannes so leicht und vollst&auml;ndig dem doch ganz neuen
+ungewohnten, und gewisserma&szlig;en abgeschlossenen Leben dieser Inseln
+f&uuml;gen werde.</p>
+
+<p>Wie aber der Wirkungskreis ein weiterer war, den er hier fand, so
+zeigte sich auch bald das Leben ein ganz anderes, als in dem stillen,
+abgeschlossenen Atiu. Tahiti, und auf ihm Papetee schien der
+Mittelpunkt des Handels und Verkehrs f&uuml;r die s&uuml;dlich vom Aequator
+gelegenen Inselgruppen werden zu wollen, und gerade in letzter Zeit
+hatten sich mehre Amerikanische wie Franz&ouml;sische Familien hier
+niedergelassen, die den gesellschaftlichen Verh&auml;ltnissen dieses
+kleinen Inselstaates einen neuen, bis dahin noch nicht gekannten
+Aufschwung zu geben versprachen. Ren&eacute; dessen liebensw&uuml;rdiges Benehmen
+ihm leicht die Herzen derer gewann, mit denen er in Ber&uuml;hrung kam,
+trat bald darauf mit einem der Amerikaner sowohl wie den Franzosen in
+Gesch&auml;ftsverbindung, und fand sich auf das Herzlichste bei ihnen
+eingef&uuml;hrt. Den Frauen besonders lag daran einen geselligen Verkehr
+auf diesem abgelegenen Punkt zu er&ouml;ffnen und zu erhalten, und sie
+h&ouml;rten kaum da&szlig; Ren&eacute; verheirathet<span class='pagenum'> <a name="Page_43" id="Page_43">[43]</a></span> sei, als sie auch fest entschlossen
+waren ihn aufzusuchen und mehr an sich und ihr Haus zu fesseln.</p>
+
+<p>Ren&eacute;, der recht wohl f&uuml;hlte da&szlig; er sich mit der st&auml;rkeren Bev&ouml;lkerung
+der Insel, wenn sich besonders noch mehr Europ&auml;er her&uuml;ber zogen, einem
+mehr geselligen Leben nicht ganz w&uuml;rde verschlie&szlig;en k&ouml;nnen, ja
+verschlie&szlig;en mochte, hatte schon seit einiger Zeit angefangen Sadie
+darauf vorzubereiten, und zum ersten Mal st&ouml;rte ihn hierin ihre
+ungezwungene Tracht, die dem Klima wie der freien Bewegung des K&ouml;rpers
+doch so angemessen war. In den Kreisen in denen er sich aber in einem
+mehr geselligen Leben bewegen mu&szlig;te, w&auml;re dieselbe jedenfalls, wenn
+nicht geradezu ein Hinderni&szlig;, doch oft ein Stein des Ansto&szlig;es
+geworden. Allerdings f&uuml;rchtete er im Anfang diesen Punkt bei Sadie zu
+ber&uuml;hren &mdash; es konnte sie kr&auml;nken wenn sie glauben m&ouml;chte sie gefiele
+ihm weniger jetzt in dem bunten flatternden Tuch, als fr&uuml;her in der
+ersten Liebe Zeit; aber Sadie war viel zu vern&uuml;nftig nicht einzusehen,
+wie sie mit dem Gatten in einen anderen Wirkungskreis getreten w&auml;re
+und sich dem anzuschmiegen h&auml;tte. Die liebe kleine Frau sch&uuml;ttelte
+wohl anfangs dar&uuml;ber l&auml;chelnd den Kopf, aber die neuen Kleider standen
+ihr vortrefflich, und mit dem, ihren Landsleuten eigenen Scharfblick
+f&uuml;gte sie sich so leicht nicht allein in die Tracht, son<span class='pagenum'> <a name="Page_44" id="Page_44">[44]</a></span>dern auch in
+das ganze Neue und Fremde, das dieselbe mit sich brachte, als ob sie
+von Kindheit an darin aufgezogen gewesen w&auml;re, und nicht erst h&auml;tte
+Alles abwerfen m&uuml;ssen was uns durch Gewohnheit und Sitte aus unserer
+Jugend noch fast zur andern Natur geworden, und mit unserm inneren
+Selbst verwachsen ist.</p>
+
+<p>St&ouml;rend allein griffen manchmal, wenn auch selten, die kirchlichen und
+dadurch wieder politischen Verh&auml;ltnisse der Inseln in das Leben der
+Gl&uuml;cklichen ein, denen sich Ren&eacute; selber am liebsten ganz entzogen
+h&auml;tte, wenn ihn eben die Geistlichen in Frieden gelassen. Die
+Protestantischen Missionaire <span class="g">hielten es aber f&uuml;r ihre Pflicht</span> (ein
+entsetzliches Wort solcher Herren) die junge, im rechten Glauben
+erzogene und ungl&uuml;cklicherweise in die H&auml;nde eines Ungl&auml;ubigen
+gerathene junge Frau, unaufh&ouml;rlich vor dem Abgrund zu warnen an dem
+sie stehe, und ihr alle die Schrecknisse vor zu halten die sie
+erwarteten, wenn sie dem von ihrem Gatten betretenen Pfade folge. Auch
+das Kind mu&szlig;te ja dem rechten Glauben erhalten werden, und so
+bereitwillig sich Ren&eacute;, um nur Ruhe von Au&szlig;en und Frieden im Hause zu
+haben, allen verlangten Ceremonien f&uuml;gte, die f&uuml;r unumg&auml;nglich n&ouml;thig
+gehalten wurden dem kleinen unschuldigen Erdenb&uuml;rger eine einstige
+Seligkeit zu<span class='pagenum'> <a name="Page_45" id="Page_45">[45]</a></span> sichern, so mu&szlig;te er doch zuletzt entschieden gegen
+einen Theil dieser Menschen auftreten, die in seinem Haus anfingen wie
+in einem Taubenschlag aus und ein zu fliegen, und auf dem besten Weg
+waren der armen Frau den Kopf zu verdrehen, und sie melancholisch und
+ungl&uuml;cklich zu machen.</p>
+
+<p>Von den Geistlichen war nur Einer, mit dem er sich gewisserma&szlig;en
+befreundete, und zwar eigenth&uuml;mlicher Weise gerade Einer der
+eifrigsten und entschiedensten der ganzen Gesellschaft. Bruder Nelson
+lebte und webte nur in seiner Mission und behandelte seinen Beruf mit
+einer Aufopferung, die ihn stets zuletzt an sich denken lie&szlig;, und
+Belohnung nur wieder allein in dem Erfolg suchte und fand, den er dem
+alleinigen Gott, seiner Meinung und Ueberzeugung nach, errang. Ruhig
+und fest arbeitete er aber auch ohne Uebertreibung, ohne jenen <span class="g">blinden</span>
+Eifer an der Besserung und Bekehrung seiner Mitmenschen, und geh&ouml;rte
+vor allen Dingen nicht zu jener tollen Schaar die mit dem Wahlspruch
+&raquo;ein Tr&ouml;pfchen <span class="g">Glaube</span> sei besser wie ein ganzes Meer voll <span class="g">Wissen</span>&laquo; das
+Volk nur f&uuml;r ihre Worte und Formeln fanatisiren wollen, und Sinn und
+Verstand dabei, mit einem verkl&auml;rten Blick nach oben, unter die F&uuml;&szlig;e
+treten.</p>
+
+<p>Ren&eacute; unterhielt sich gern und oft mit ihm, selbst &uuml;ber religi&ouml;se
+Punkte und noch mehr und gewaltigern<span class='pagenum'> <a name="Page_46" id="Page_46">[46]</a></span> Stoff zur Unterhaltung, aber
+auch zugleich dabei zu einer neuen Besorgni&szlig;, die seinen Eifer ihr zu
+begegnen nur noch mehr anstachelte, erhielt der ehrw&uuml;rdige Mr. Nelson
+in einem neuen Gast des Hauses, der anfangs nur selten kam, sich aber
+bald dort wohler f&uuml;hlte und h&auml;ufiger da gesehen wurde als den &uuml;brigen
+Missionairen, die schon das Schlimmste f&uuml;rchteten, lieb sein mochte.</p>
+
+<p>Es war dies Einer der Katholischen Priester, denen nat&uuml;rlich daran
+gelegen sein mu&szlig;te vor allen Dingen unter ihren Landsleuten festen Fu&szlig;
+zu fassen, von denen aus sie ihre Lehre verbreiten und den Ketzern den
+schon fast sicher geglaubten Sieg entrei&szlig;en konnten. Vater Conet hatte
+den jungen Franzosen und Landsmann aufgesucht, und trotzdem da&szlig; er von
+diesem, der nicht mit Unrecht dadurch den religi&ouml;sen Kampf &uuml;ber seine
+eigene Schwelle zu ziehen f&uuml;rchtete, im Anfang etwas kalt empfangen
+und aufgenommen wurde, sich so liebensw&uuml;rdig betragen, und sich so
+fern auch selbst von jedem Schein eines Bekehrungsversuches gehalten,
+da&szlig; Ren&eacute; bald in ihm nur den lieben, ihm herzlich willkommenen
+Landsmann sah. Selbst Bruder Nelson, der mit ihm einige Male da
+zusammentraf und es zuletzt unm&ouml;glich fand im Gespr&auml;ch das was ihnen
+beiden so nahe lag, die Religion ganz zu vermeiden, lernte ihn mit
+jedem Tage<span class='pagenum'> <a name="Page_47" id="Page_47">[47]</a></span> mehr als einen durchaus gebildeten, anst&auml;ndigen Mann
+kennen, da&szlig; er nicht allein Nichts mehr gegen seine Besuche des Hauses
+einzuwenden hatte, sondern sie im Gegentheil anfing gern zu sehn und
+absichtlich ein und dieselbe Stunde mit dem katholischen Priester
+w&auml;hlte, ihn dort zu treffen.</p>
+
+<p>Unter den &uuml;brigen Geistlichen hatte aber, nichtsdestoweniger da&szlig;
+Bruder Nelson das Haus besuchte, der &uuml;berhaupt lange nicht als
+entschieden und orthodox genug unter ihnen galt, mehr und mehr der
+Verdacht Wurzel geschlagen, da&szlig; der katholische Priester wirklich die
+heimliche Absicht habe, die junge Frau schon aus den Armen der
+rechtgl&auml;ubigen Kirche herauszurei&szlig;en und der seinigen zuzuf&uuml;hren, und
+der Ehrw&uuml;rdige Bruder Dennis, der fanatischeste unter den Fanatikern,
+f&uuml;hlte sich vor allen anderen dazu berufen, f&uuml;r die junge Christin wie
+ihr Kind als K&auml;mpfer aufzutreten.</p>
+
+<p>Mehrmals trafen sich hierauf die beiden Geistlichen, Bruder Dennis und
+Conet in Ren&eacute;'s Wohnung, selbst w&auml;hrend dessen Abwesenheit; Bruder
+Conet fand aber bald welch ein anderer Geist diesen Mann beherrsche
+wie den ehrw&uuml;rdigen Nelson, und vermied sorgf&auml;ltig auch nur die
+mindeste Begegnung mit ihm auf geistlichen Gebiet unter dem, ihm
+befreundeten Dach. Artig aber entschieden wie&szlig; er<span class='pagenum'> <a name="Page_48" id="Page_48">[48]</a></span> den wieder und
+wieder gebotenen Kampf zur&uuml;ck. Ren&eacute; erfuhr das auch, und gewann ihn
+dadurch um so lieber; vergebens bat er aber den frommen Mr. Dennis
+dagegen, von solchen Versuchen bei ihm abzustehn, da erstens nicht
+einmal die geringste Gefahr irgend eines Glaubenswechsels f&uuml;r Sadie
+vorhanden sei, ja die Frau sogar viel schw&auml;rmerischere Ideen bekam,
+als ihm schon lieb war, und er auch nicht gern sein h&auml;usliches Gl&uuml;ck
+dem Zwiespalt opfern wollte, der die ganze Nation zu verschlingen
+drohte. Der fromme Geistliche hatte h&ouml;here Pflichten als gegen die
+Menschen und ihr h&auml;usliches Gl&uuml;ck &mdash; er hatte Pflichten gegen <span class="g">Gott</span> und
+denen mu&szlig;te er folgen, gleichviel wohinaus sein Weg ihn f&uuml;hrte. Der
+Allm&auml;chtige hatte ihn und seine Br&uuml;der jenem glorreichen Beruf
+erw&auml;hlt, Sein Wort, Seine Lehre, den Heiland der Welt und den Heiligen
+Geist den Heiden dieser Seeen zu bringen und jubelnd in dem Gef&uuml;hl &mdash; jubelnd in der Seligkeit der Ueberbringer so froher Botschaft f&uuml;r die
+Verlorenen zu sein, schritt er vorw&auml;rts, das Kreuz in der gehobenen
+Rechten. Wohl lauerte der Feind jetzt mit einem tr&uuml;gerischen Schatten
+desselben Kreuzes die schon fast Geretteten von der richtigen Bahn
+wieder abzulenken; schon streckte er die gierige Teufelsfaust aus, und
+Gefahr drohte der kleinen Schaar der Rechtgl&auml;ubigen von <span class="g">allen</span> Seiten;<span class='pagenum'> <a name="Page_49" id="Page_49">[49]</a></span>
+aber fest und unerschrocken wandelten sie, die von Gott Beauftragten,
+ihre Bahn. Ihr Loos war ein schweres, ihr Ausgang ein zweifelhafter,
+aber sie z&ouml;gerten nicht in dem begonnenen guten Werk, und Gott, der
+die Herzen der Menschen sah und ihre innersten Thaten, w&uuml;rde sie einst
+richten, ob sie recht gehandelt h&auml;tten vor Seinem Angesicht.</p>
+
+<p>Bruder Nelson f&uuml;hlte und achtete den Grund, der den franz&ouml;sischen
+Priester bewog mit dem fanatischen Geistlichen keinen religi&ouml;sen Kampf
+zu beginnen, was nur in offener Feindseligkeit enden konnte, ja diesen
+Weg schon mehremal, selbst ohne Entgegnung, durch des frommen Mannes
+Heftigkeit zu nehmen gedroht hatte. Er machte auch seinem Collegen
+dar&uuml;ber mehrmals freundliche Vorstellungen, die dieser aber nur heftig
+erwiederte, und in Ren&eacute;'s Wohnung war es solcher Art schon mehrmals
+zwischen den beiden befreundeten Geistlichen selbst, was der Katholik
+stets vermieden hatte, zu, wenn nicht feindlichen, doch sehr lebhaften
+und jedenfalls f&uuml;r die Zuh&ouml;rer unangenehmen Auftritten gekommen.</p>
+
+<p>Ren&eacute; h&auml;tte sich Sorgen machen k&ouml;nnen, des aufsteigenden Wetters wegen,
+aber sein leichter fr&ouml;hlicher Sinn lie&szlig; das auch leicht an sich
+vor&uuml;bergehn, und zog's ihm auch manchmal die Stirne kraus, ein Blick
+auf sein trautes Weib, gl&auml;ttete sie rasch wieder, und<span class='pagenum'> <a name="Page_50" id="Page_50">[50]</a></span> ein L&auml;cheln
+ihres Mundes trieb ihm wie fr&ouml;hlicher Sonnenschein durch's Herz.</p>
+
+<p>Die ehrw&uuml;rdigen Herren Nelson und Dennis hatten denn auch, nur wenige
+Tage nach der Versammlung, wieder einmal in Ren&eacute;'s Wohnung eine sehr
+ernste Debatte gehabt, in der der letztere, wie gew&ouml;hnlich, Sieger
+geblieben, das hei&szlig;t das letzte Wort behalten, und Sadie war zum
+ersten Mal traurig geworden da&szlig; Ren&eacute; &uuml;ber Beide lachte, und &uuml;berhaupt
+die Sache, die doch auch <span class="g">seinen</span> Gott betraf, so entsetzlich leicht
+nehmen wollte. Die Geistlichen hatten lange das Haus verlassen, der,
+schon vorher beschriebenen Versammlung beizuwohnen, und Ren&eacute; und Sadie
+sa&szlig;en jetzt, Hand in Hand, die junge Frau das wirklich sorgenschwere
+Haupt an des Gatten Schulter gelehnt, vor ihrem Haus, w&auml;hrend die
+kleine Sadie in dem Schoo&szlig; der Mutter lachte und strampelte, und des
+Himmels Blau in ihren klaren gro&szlig;en Augen wiederspiegelte.</p>
+
+<p>&raquo;Und bist Du noch b&ouml;s auf mich, Sadie?&laquo; fl&uuml;sterte Ren&eacute; nach einer
+langen langen Pause, in der er seine Lippen an ihre Stirn gepre&szlig;t
+gehalten.</p>
+
+<p>&raquo;<span class="g">B&ouml;s</span>, auf <span class="g">Dich</span>, Ren&eacute;?&laquo; sagte die Frau, und sch&uuml;ttelte wehm&uuml;thig
+l&auml;chelnd mit dem Kopf &mdash; &raquo;ich glaube nicht da&szlig; ich b&ouml;s auf Dich werden
+k&ouml;nnte. &mdash; Das ist auch ein gar trauriges schmerzliches Wort;<span class='pagenum'> <a name="Page_51" id="Page_51">[51]</a></span> nur ein
+wenig &mdash; nur ein ganz klein wenig weh hast Du mir gethan &mdash; aber es
+gereut mich schon da&szlig; ich Dir Vorw&uuml;rfe dar&uuml;ber gemacht. Du hattest es
+sicher nicht so gemeint, wie ich th&ouml;richtes Kind es aufgenommen; &mdash; ich mu&szlig; Dir auch gestehen &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und was, meine Sadie?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Schilt mich eine Th&ouml;rin,&laquo; sagte Sadie, &raquo;ich hab' es verdient, aber &mdash; mir war es immer als ob Du auf Seiten der fremden Priester st&auml;ndest,
+wie Du lachtest, und das, das gerade gab mir einen ordentlichen Stich
+durch das Herz, und das &mdash; das glaub' ich auch, war, was mir
+eigentlich weh dabei gethan.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das sollte es wahrlich nicht, Du treues Herz,&laquo; sagte Ren&eacute; gutm&uuml;thig,
+&raquo;aber komisch ist es doch wahrlich manchmal, da&szlig; Menschen, sonst ganz
+vern&uuml;nftige mit ihren f&uuml;nf Sinnen begabte Menschen wie unser Freund
+Dennis zum Beispiel, in mir unbegreiflicher Verblendung nicht allein
+behaupten k&ouml;nnen, nein auch fest davon &uuml;berzeugt sind, da&szlig; nur sie
+allein den &raquo;schmalen dornenvollen Pfad&laquo; gefunden haben und wandeln,
+der direkt zu Gottes Seligkeit f&uuml;hrt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und wenn sie recht h&auml;tten?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Liebes Herz!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein Ren&eacute;, nein!&laquo; sagte Sadie rasch, sich fester an ihn schmiegend,
+&raquo;ich will nicht streiten mit Dir &uuml;ber den Weg des Heils, aber Du mu&szlig;t
+auch nach<span class='pagenum'> <a name="Page_52" id="Page_52">[52]</a></span>sichtig mit mir sein, denn <span class="g">wenn</span> ich mich &auml;ngstige und sorge
+ist es ja doch nur Deines, des Kindes wegen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sieh nun, Sadie,&laquo; sagte Ren&eacute; nach einer kleinen Pause, in der er sie
+fest in seinen Arm geschlossen, &raquo;Ihr z&uuml;rnt den fremden Priestern
+meiner, oder vielmehr der R&ouml;misch katholischen Religion, da&szlig; sie den
+Streit und Unfrieden auf Euere Insel gebracht h&auml;tten, und zum Theil
+hast Du recht; aber w&auml;re es m&ouml;glich gewesen die katholische Religion
+ganz fern von diesen Gruppen zu halten, wo mehr und mehr Fremde sich
+ansiedelten, deren Religion allein doch kein Grund sein konnte sie
+zur&uuml;ckzuweisen? ja hatten die Protestantischen Missionaire vor Gott
+ein Recht <span class="g">ihr</span> Sektenthum allein als das wahre und richtige
+hinzustellen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Vor Gott und den Menschen, <span class="g">ja</span>!&laquo; sagte rasch und eifrig Sadie, &raquo;denn
+ihr Leben haben sie daran gesetzt diesen Inseln die wahre Religion zu
+bringen, und w&uuml;rden sie das gethan haben, wenn sie gerade ihre
+Religion nicht f&uuml;r die wahre, allein wahre hielten, ja wenn sie nicht
+<span class="g">fest &uuml;berzeugt</span> gewesen w&auml;ren da&szlig; sie es sei? &mdash; Welchen bessern Beweis
+konnten jene M&auml;nner geben, als da&szlig; sie Gut und Blut f&uuml;r ihren Glauben
+einsetzten?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;<span class="g">Gut</span> und <span class="g">Blut</span>,&laquo; sagte Ren&eacute; achselzuckend, &raquo;das<span class='pagenum'> <a name="Page_53" id="Page_53">[53]</a></span> klingt wie viel und
+ist wenig, dasselbe thut der gew&ouml;hnlichste Matrose auf jeder Reise &mdash; wir wollen Alle leben. Aber wir haben dar&uuml;ber schon gesprochen meine
+Sadie, und gerathen da auf ein gef&auml;hrliches, viel viel lieber zu
+vermeidendes Feld. Der <span class="g">Einzelne</span> kann mir auch lieb und werth sein,
+ohne da&szlig; ich gerade das Princip des Ganzen anerkenne, wie Du ja selber
+auch den w&uuml;rdigen Vater Conet seines achtungswerthen Betragens, wie
+seiner gesellschaftlichen Tugenden wegen lieb gewonnen hast, w&auml;hrend
+Du doch sonst gewi&szlig; in jeder Hinsicht seine Gegnerin bist.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich begreife das &uuml;berhaupt nicht,&laquo; sagte Sadie leise &mdash; &raquo;er ist auch
+gar nicht wie ein katholischer Priester &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Weil Du Dir diese Klasse Menschen eben gedacht hast wie sie Dir von
+Bruder Rowe und Consorten geschildert wurde. Bei vielen trifft deren
+Bild, ich habe Nichts dagegen, aber nicht bei Allen, nicht bei der
+Mehrzahl, und &mdash; wir sollen nie von einem Menschen das Schlechteste
+denken, Sadie. Doch guter Gott, wohin verirren wir uns? &mdash; ist das ein
+Gespr&auml;ch f&uuml;r Mann und Weib mit <span class="g">dieser</span> Welt um uns her, und dem
+herzigen s&uuml;&szlig;en Wesen da zwischen uns, da&szlig; Dich zupft und ruft und die
+Mutter schon lange ablenken will von den d&uuml;steren Gedanken, die<span class='pagenum'> <a name="Page_54" id="Page_54">[54]</a></span> ihr
+so nutzlos die Seele umlagern und &mdash; so nutzlos hineingepflanzt sind
+in den reinen treuen Boden? Wetter noch einmal Sadie, Bruder Dennis
+ist mir ein lieber seelensguter Mann, ein Mann den ich achte und
+verehre, weil ich f&uuml;hle wie eben Alles bei ihm feste innige
+Ueberzeugung ist, was er spricht &mdash; selbst wenn er Unsinn &mdash; nein mein
+Lieb, ich meine es ja nicht so schlimm, er soll mir Dir nur nicht
+solche Grillen und Gedanken in's Herz pressen, und zwingt er Dir noch
+einmal die Thr&auml;ne in's Auge, dann &mdash; dann &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und dann?&laquo; frug Sadie, und unter Thr&auml;nen vor schaute ihr Blick
+l&auml;chelnd zu ihm empor &mdash; &raquo;und dann?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wetterm&auml;dchen, Du machst mit mir doch was Du willst!&laquo; rief Ren&eacute;, sie
+an sich ziehend und k&uuml;ssend &mdash; &raquo;ich verlange ja auch Nichts mehr auf
+der weiten Gottes Welt, als da&szlig; sie uns unsern Frieden lassen,
+ungest&ouml;rt und heilig, wie wir ihn &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Hahahahaha,&laquo; klang in diesem Augenblick eine silberreine Stimme zu
+ihnen her&uuml;ber, und als sie &uuml;berrascht aufschauten, sprang eines der
+eingeborenen M&auml;dchen, das sie hier auf Tahiti kennen gelernt, und
+trotz ihres wilden Wesens, in dem ein treues Herz verborgen lag, lieb
+gewonnen, &uuml;ber die niedere Um<span class='pagenum'> <a name="Page_55" id="Page_55">[55]</a></span>z&auml;unung, die den Nachbargarten von ihnen
+trennte, und kam auf sie zu.</p>
+
+<p>Es war ein junges Ding von siebzehn Jahren vielleicht, und ganz in die
+d&uuml;nne luftige Tracht jener M&auml;dchen gekleidet, mit kurzem <span class="f">pareu</span> oder
+Lendentuch, und leichtem Kattun-Ueberwurf &uuml;ber die Schultern, gerade
+wie Ren&eacute; Sadien zum ersten Mal gesehen. &mdash; Aber die dunklen, mit
+wohlriechendem Oel reich getr&auml;nkten Locken schm&uuml;ckte ein k&uuml;nstlich
+geflochtener Kranz von rothen Bl&uuml;then, mit den schneeigen Fasern der
+Arrowroot durchwebt, und der Blick mit dem sie das junge Paar begr&uuml;&szlig;te
+ruhte keck, ja fast h&ouml;hnisch auf der liebenden Gruppe.</p>
+
+<p>Aia war sch&ouml;n, sch&ouml;n wie die Palme ihrer W&auml;lder, die lichtbronzene
+Haut in ihrer F&auml;rbung eher eine Zierde zu nennen, und die Gestalt voll
+und &uuml;ppig, und doch schlank und elastisch; aber die weiche
+schw&auml;rmerische Gluth fehlte ihr, die den Z&uuml;gen ihrer Landsm&auml;nninnen
+einen so eigenth&uuml;mlichen Reiz verleiht, und auch das M&auml;dchenhafte,
+ohne die der Schmelz abgestreift ist von jeder weiblichen Sch&ouml;nheit.
+Keck und zuversichtlich blitzte ihr Auge umher, den begegnenden Blick
+ertragend und besiegend, und ein eigenes bitteres, fast ver&auml;chtliches
+L&auml;cheln, das ihre Lippen dabei umspielte, diente nicht dazu dessen
+Ausdruck zu mildern.<span class='pagenum'> <a name="Page_56" id="Page_56">[56]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Joranna Sadie &mdash; Joranna Ren&eacute;,&laquo; lachte sie, mit verschr&auml;nkten Armen
+vor der Gruppe stehen bleibend und sie betrachtend &mdash; &raquo;Joranna Ihr
+Beiden &mdash; hahahaha &mdash; sitzt Ihr nicht da, als ob Dir Ren&eacute; erst vor kaum
+einer Stunde seine tollen Liebesl&uuml;gen in's Ohr gefl&uuml;stert, und Ihr nun
+alle Beide die Ueberzeugung h&auml;ttet, Ihr k&ouml;nntet nicht leben ohne
+einander? &mdash; bah, bah, wie lange wird's noch dauern? &mdash; Aber wundern
+soll's mich doch, und h&auml;tt' ich fr&uuml;her daran gedacht, Sadie, h&auml;ttest
+Du mir auch von dem Pulver geben m&uuml;ssen, das Du ihm in die Cocosmilch
+gesch&uuml;ttet &mdash; vielleicht l&ouml;ge mir jener falsche Wi-wi jetzt auch noch
+vor, da&szlig; ich die Sch&ouml;nste sei auf den weiten Inseln, und er sterben
+m&uuml;sse, wenn ich ihn nicht mehr lieben wolle. Hahahahaha, s'ist
+wahrhaftig zum toll werden wenn man an solche Zeit zur&uuml;ckdenkt, und
+sich das Alles dann immer und immer wieder vor den eigenen Augen
+erneuen sieht; ja und immer und immer wieder Th&ouml;rinnen findet, denen
+der Hochmuthsteufel tief genug im Herzen steckt sich allein f&uuml;r
+unverla&szlig;bar zu halten. &mdash; Aber Joranna; Ihr seid unverbesserlich, und
+wenn er erst fort ist, Sadie, will ich Dich auslachen, wie Du es
+verdienst.&laquo;</p>
+
+<p>Sie warf die Locken von den Schl&auml;fen zur&uuml;ck,<span class='pagenum'> <a name="Page_57" id="Page_57">[57]</a></span> und wollte nach dem
+Strand hinunter eilen, als Ren&eacute;'s Entgegnung sie zur&uuml;ckhielt.</p>
+
+<p>&raquo;Du hast unrecht, Aia,&laquo; rief er ihr nach, &raquo;doppelt Unrecht, hier
+gerade in beiden Nachbarh&auml;usern. Sieh Lefevre an und Aumama, l&auml;nger
+noch als wir sind sie verheirathet mitsammen, haben zwei liebe Kinder
+und denken gar nicht daran sich zu trennen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Denken nicht daran sich zu trennen?&laquo; rief Aia, die bei den ersten
+Lauten schon stehen geblieben war, und den Kopf mit einem sp&ouml;ttischen,
+fast feindlichen L&auml;cheln dem Redner zugewandt hatte &mdash; &raquo;denken nicht
+daran sich zu trennen? ja Du hast recht &mdash; wer wei&szlig; ob <span class="g">Du</span> nicht noch
+fr&uuml;her dein Canoe wieder aus den Riffen steuerst als er &mdash; aber
+Le-fe-ve hat sich schon blind gesehen in ein paar andere Augen.
+Sch&uuml;ttle nicht mit dem Kopf, Wi-wi wenn Du mir nicht widersprechen
+kannst; rei&szlig; ihm das Kleid auf und lege dein Ohr an sein Herz &mdash; f&uuml;r
+wen schl&auml;gt's? &mdash; bah &mdash; so viel f&uuml;r Euch!&laquo; und sie schlug trotzig mit
+der flachen Hand ihre Lende.</p>
+
+<p>&raquo;Aia &mdash; komm her zu mir und setze Dich zu mir,&laquo; sagte Sadie jetzt mit
+leiser, bittender Stimme. &raquo;Sei nicht so b&ouml;s und &auml;rgerlich, wir haben
+Dich lieb hier, und Du meinst es doch nicht so arg, wie Du es
+sprichst.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Mein ich nicht?&laquo; sagte das M&auml;dchen noch im<span class='pagenum'> <a name="Page_58" id="Page_58">[58]</a></span>mer halb trotzig und
+abgewandt, aber doch schon mit viel leiserer, milderer Stimme, als die
+sanften, bittenden Laute ihr Ohr trafen &mdash; &raquo;mein ich nicht? und woher
+wei&szlig;t Du's, Sadie? &mdash; ich hasse Euch Alle miteinander, und wohl, oh
+entsetzlich wohl soll mir's thun, wenn Ihr Alle &mdash; Alle so ungl&uuml;cklich
+werdet &mdash; so &mdash; wie &mdash; &laquo; sie wandte rasch den Kopf ab von Sadie, aber
+es war nur ein Moment &mdash;</p>
+
+<p>&raquo;Aia!&laquo; rief Sadie, so bittend, so herzlich &mdash; Aia stand z&ouml;gernd, Trotz
+und Zorn und Schaam hielten noch die Oberhand in ihrem Herzen, aber
+nicht im Stand sich zu verstellen, gewann das bessere Gef&uuml;hl, mit dem
+einmal aufger&uuml;ttelten Schmerz die Oberhand, und mit wenigen Schritten
+an ihrer Seite, kauerte sie neben ihr nieder, barg das Antlitz an
+ihrem Schoo&szlig; und fl&uuml;sterte leise unter ausbrechenden Thr&auml;nen:</p>
+
+<p>&raquo;Du bist gut, Sadie, gut wie &mdash; wie &mdash; ich habe keinen Vergleich mehr,
+denn unsere G&ouml;tter haben sie uns auch genommen und die ihrigen sind
+falsch &mdash; falsch wie sie selber. Aber ich bin viel zu schlecht f&uuml;r
+Dich, viel zu schlecht; Aia darf Dir nicht mehr in's Auge sehen &mdash; und
+doch hatten Deine Lippen noch nie einen Vorwurf f&uuml;r sie.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Armes M&auml;dchen,&laquo; sagte die junge Frau leise und theilnehmend, und
+suchte ihr Haupt zu sich auf<span class='pagenum'> <a name="Page_59" id="Page_59">[59]</a></span>zuheben, aber die Weinende wehrte sie ab,
+und schlang den Arm nur fester um ihren Leib, sich ihre Stellung zu
+wahren.</p>
+
+<p>Ren&eacute; hatte sie mitleidig eine Zeitlang betrachtet, dann legte er seine
+Hand auf ihre Schulter und sagte leise:</p>
+
+<p>&raquo;Bleibe bei uns, Aia, gehe nicht wieder nach Papetee, sondern bleibe
+bei Sadie. Wir haben Brodfrucht und Fisch f&uuml;r Dich, und eine Matte
+darauf zu schlafen, und Dein Kleid soll nicht schlechter sein, als Du
+es bis jetzt getragen &mdash; Sadie braucht eine H&uuml;lfe&laquo; fuhr er freundlich
+fort, als er sah wie diese den Kopf der vor ihr Knieenden streichelte,
+und sie liebkosend an sich zog, &raquo;und Du wirst recht, recht willkommen
+sein, hier im Haus.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ren&eacute; hat recht,&laquo; unterst&uuml;tzte die Bitte sein Weib, &raquo;geh nicht wieder
+nach Papetee &mdash; deine Mutter ist todt und dein Vater weit auf den
+Inseln zu Leew&auml;rts dr&uuml;ben; meide die Stadt, die Dir nur Unheil bringt
+und Fluch und Leid, und bleibe bei mir. Es wird Dich nicht gereuen und
+Du wirst wieder froh und gl&uuml;cklich werden unter uns.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und die Mi-to-na-res?&laquo; sagte das M&auml;dchen leise.</p>
+
+<p>&raquo;Werden die Reuige gern und liebend in ihren Schutz und Schirm nehmen
+und ihr die S&uuml;nden<span class='pagenum'> <a name="Page_60" id="Page_60">[60]</a></span> vergeben, wie Gott einst gn&auml;dig auf uns
+niederschauen m&ouml;ge,&laquo; sagte Sadie rasch und freudig, denn in der Frage
+schon lag eine Zusage ihrer Bitte. Aia lag noch lange an der Gespielin
+Schoo&szlig; und ihre Thr&auml;nen schienen rascher zu flie&szlig;en, als eine laute
+M&auml;nnerstimme fr&ouml;hlichen Gru&szlig; durch die Hecke bl&uuml;hender Akazien rief,
+die den Garten von der Stra&szlig;e trennte.</p>
+
+<p>&raquo;Ah Lefevre,&laquo; antwortete Ren&eacute;, &raquo;wie geht es Euch, Nachbar, und kommt
+Ihr nicht her&uuml;ber?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Gleich, gleich,&laquo; lautete die Antwort, und sie h&ouml;rten wie der junge
+Franzose drau&szlig;en noch mit Jemanden sprach und ihm Auftr&auml;ge gab.</p>
+
+<p>Aber auch Aia hatte sich rasch und wie erschreckt emporgerichtet, und
+die Locken aus der Stirn, die Thr&auml;nen aus dem Auge werfend wandte sie
+sich, als ob sie den Platz fliehen wollte; Sadie aber ergriff rasch
+ihre Hand und sagte leise und bittend:</p>
+
+<p>&raquo;Gehe nicht fort von hier, Aia, bleibe bei uns.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein nein,&laquo; rief aber das M&auml;dchen und Sadie konnte sehen welchen
+Seelenkampf es ihr kostete die Bitte auszuschlagen, den stillen
+Frieden ihrer Wohnung zu verschm&auml;hn und allein und freundlos in dem
+<span class="g">wilden</span> Leben fortzust&uuml;rmen, &raquo;nein ich kann &mdash; ich darf nicht bei Dir
+bleiben &mdash; ich verdiene es nicht &mdash; ich bin b&ouml;s und schlecht geworden,
+und deines Gottes Fluch w&uuml;rde mich von der Schwelle treiben, auf der<span class='pagenum'> <a name="Page_61" id="Page_61">[61]</a></span>
+jetzt noch Dein Gl&uuml;ck und Frieden weilt &mdash; aber&laquo; setzte sie wilder
+hinzu, und ihr Auge blitzte in unheimlicher Gluth nach Ren&eacute; hin&uuml;ber,
+&raquo;wenn sie Dich <span class="g">Alle</span> verlassen haben, und Du allein und freundlos in
+der Welt stehst &mdash; wie ich jetzt &mdash; dann wird Aia an deiner Seite
+sein, und Dir f&uuml;r das freundliche Wort danken, das Du heute zu ihr
+gesprochen. Dann wollen wir lachen und tanzen und <span class="g">zusammen</span> in's Leben
+st&uuml;rmen, aber nicht mehr klagen und weinen. &mdash; Den <span class="f">fa&iuml;</span> &uuml;ber die Thr&auml;nen &mdash; sie waschen den Schaum von der Seele des Menschen, da&szlig; man hinunter
+sehen kann bis auf den Grund &mdash; und der Fischer lacht doch nur, der
+dar&uuml;ber hinf&auml;hrt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du hast vielleicht Ursache Einem von uns zu z&uuml;rnen, Aia,&laquo; sagte aber
+Ren&eacute;, der wohl sah welchen schmerzlichen, ja peinlichen Eindruck die
+Worte auf seiner Sadie Seele machten, &raquo;und schm&auml;hst jetzt ungerecht
+das ganze Geschlecht. Du wirst uns in sp&auml;teren Jahren Abbitte thun.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Werd' ich &mdash; ha? und Le-fe-ve auch, wie?&laquo; &mdash; lachte das M&auml;dchen zornig
+und deutete mit dem ausgestreckten Arm nach dem, eben den Garten
+betretenden Franzosen.</p>
+
+<p>&raquo;Hallo Aia!&laquo; rief ihr dieser zu, &raquo;summt die wilde Hummel auch wieder
+ihr Lied auf unserer Flur? &mdash; ha, Du hast Thr&auml;nen im Auge M&auml;dchen? &mdash; geh,<span class='pagenum'> <a name="Page_62" id="Page_62">[62]</a></span> Du bist ein schwarzer Vogel und prophezeihst nur Unheil.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Es bedarf keines Propheten,&laquo; sagte aber das M&auml;dchen z&uuml;rnend, indem
+sie sich abwandte und das Schultertuch fester um sich zog &mdash; &raquo;Jeder
+von uns kann leicht vorhersagen da&szlig; die Sonne morgen fr&uuml;h wieder &uuml;ber
+die Berge kommt, wenn sie am Abend hinter Morea<a name="FNanchor_B_2" id="FNanchor_B_2"></a><a href="#Footnote_B_2" class="fnanchor">[B]</a> in die See
+gesunken. &mdash; Fort mit Euch, Ihr habt s&uuml;&szlig;e Worte auf der Zunge, und
+Gift, t&ouml;dtliches Gift im Herzen &mdash; fort, Aia kennt Euch &mdash; fort!&laquo; &mdash; und ohne Gru&szlig; noch Blick zur&uuml;ckzuwerfen, schritt sie den schmalen Pfad
+hinab, der nach dem unteren Pf&ouml;rtchen f&uuml;hrte und war bald in der
+sogenannten <span class="f">broomroad</span>, dem gebahnten Weg nach Papetee, verschwunden.</p>
+
+<p>Sadie sah ihr seufzend nach und auch Ren&eacute; konnte sich eines
+unheimlichen Gef&uuml;hls nicht ganz erwehren.</p>
+
+<p>&raquo;Joranna Ren&eacute;, &mdash; <span class="f">ah bon jour Madame</span>,&laquo; rief aber Lefevre der wohl den
+peinlichen Eindruck zu verwischen w&uuml;nschte, den die Worte des
+wunderlichen M&auml;dchens unverkennbar besonders auf Sadie gemacht, &raquo;hat
+Ihnen Aia den sch&ouml;nen Abend verderben wollen? &mdash; es ist ein albernes
+Ding, und darf <span class="g">mir</span> gar nicht mehr &uuml;ber die Schwelle, denn Aumama <span class='pagenum'> <a name="Page_63" id="Page_63">[63]</a></span></p>
+
+<p>weint jedes Mal, wenn sie nur den Fu&szlig; unter das Dach gesetzt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie ist arm und ungl&uuml;cklich,&laquo; sagte Sadie.</p>
+
+<p>&raquo;Ach &mdash; sie verstellt sich,&laquo; entgegnete m&uuml;rrisch Lefevre &mdash; &raquo;und tr&auml;gt
+wahrscheinlich selber mit die gr&ouml;&szlig;te Schuld ihres Leid's. Wir armen
+Teufel sollen's dann immer allein verbrochen haben, nicht wahr Ren&eacute;? &mdash; Doch, was ich gleich sagen wollte; gehen Sie mit nach Papetee? &mdash; die ehrw&uuml;rdigen Protestantischen Herren haben da wieder eine
+Zusammenkunft, heut Nachmittag, und wie das Ger&uuml;cht geht beabsichtigen
+sie den Beschlu&szlig; ernster Ma&szlig;regeln, jeden Franz&ouml;sischen Einflu&szlig;, und
+mit ihm vielleicht auch gleich wieder die Franz&ouml;sischen Priester, die
+ihnen ein Dorn im Auge sind, von sich abzusch&uuml;tteln.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Die Missionaire&laquo; &mdash; sagte Ren&eacute; rasch, fuhr aber gleich darauf
+langsamer fort, &raquo;sind wackere und brave, aber kurzsichtige M&auml;nner, sie
+glauben das Heft jetzt in H&auml;nden zu haben und spielen so lange damit
+bis es ihnen unter den Fingern wegschl&uuml;pft &mdash; sie sollten sich nicht
+in die Politik mischen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Was sagt Mr. Nelson dazu?&laquo; frug Lefevre.</p>
+
+<p>&raquo;Er h&auml;lt die Ankunft der Katholiken auch f&uuml;r ein Ungl&uuml;ck f&uuml;r die
+Inseln, ist aber mit den Gewaltsma&szlig;regeln unzufrieden die man dagegen
+ergreifen<span class='pagenum'> <a name="Page_64" id="Page_64">[64]</a></span> will; doch was kann der Einzelne gegen die ganze Schaar
+ausrichten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und gehen Sie mit nach Papetee?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Was sollen wir dort? &mdash; herbe Reden h&ouml;ren, die uns vielleicht &auml;rgern
+und zu Gegenreden treiben? &mdash; ich habe keine Freude an der Sache, und
+sehe das Leid und Elend schon vor Augen das daraus entspringen wird
+und mu&szlig;.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber wir m&ouml;gen vielleicht noch Manches mildern was geschehen k&ouml;nnte.
+M&ouml;renhout ist ein vern&uuml;nftiger Mann, und wird nicht zu weit gehn.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Was kann M&ouml;renhout <span class="g">thun</span>?&laquo; sagte Ren&eacute; achselzuckend &mdash; &raquo;so wie die
+Missionaire unter dem Schutz eines Englischen Kriegsschiffes stehn,
+und so lange das im Hafen liegt, da&szlig; sie sich sicher f&uuml;hlen, haben sie
+das Wort, und wir kennen sie doch dahin gut genug, zu wissen, wie sie
+das gebrauchen. &mdash; Aber ich gehe mit, wir haben dann wenigstens unsere
+Pflicht gethan, und uns selber nichts vorzuwerfen. Ich komme bald
+wieder zur&uuml;ck, Sadie,&laquo; sagte er sich niederbeugend und ihre Stirn
+k&uuml;ssend.</p>
+
+<p>&raquo;Bleibe nicht so gar lange aus heut',&laquo; bat die junge Frau ihn, leise
+fl&uuml;sternd, und die Kleine noch auf dem Knie haltend, die erst die
+Aermchen um den von ihr Abschied nehmenden Vater geschlungen, sah sie
+den M&auml;nnern lange und schweigend nach.<span class='pagenum'> <a name="Page_65" id="Page_65">[65]</a></span></p>
+
+<p>Aber Aia's Worte hatten doch tr&uuml;be und schmerzliche Gedanken in ihrer
+Seele wach gerufen. Nicht f&uuml;r das eigene Gl&uuml;ck f&uuml;rchtete sie dabei; so
+keck und leicht Ren&eacute; auch immer in das Leben st&uuml;rmte, so treu war er
+sich geblieben, was <span class="g">sie</span> betraf, von erster Stunde an wo er sie
+gesehen, und das Kind, das er mit unendlicher Z&auml;rtlichkeit liebte,
+schlang die Bande des Herzens ja noch fester um sie. Aber das wilde
+Leben der Insel selber; die ihr feindlich d&uuml;nkende Religion, die
+weiter und weiter um sich zu greifen drohte, und viel, so entsetzlich
+viel von dem verwarf, was ihr bis dahin der Seele Heiligstes gegolten;
+der Unfrieden dabei zwischen den eigenen Lehrern, die Vorw&uuml;rfe, die
+von den Missionairen ihrem alten Vater o so ungerecht gemacht wurden,
+der R&ouml;mischen Kirche mehr als mit seiner Stellung vertr&auml;glich zugethan
+zu sein, wie er denn auch selbst das einzige Wesen das ihm n&auml;her
+stand, einem Katholiken zur Frau gegeben; ja selbst Ren&eacute;'s
+Gleichg&uuml;ltigkeit gegen einen Kampf, der doch die heiligsten Interessen
+ihrer einstigen Seligkeit betraf, das Alles zog ihr in tr&uuml;ben
+&auml;ngstigenden Bildern an der Seele vor&uuml;ber. &mdash; Und dabei hatte ja die
+arme Aia recht mit so vielen Anderen; wohin sie dachte schrak sie vor
+dem wilden Treiben zur&uuml;ck, das lockere Bande schlang um Europ&auml;er und
+Insulanerinnen, und sie loslie&szlig;, wie es dem<span class='pagenum'> <a name="Page_66" id="Page_66">[66]</a></span> Augenblick gefiel. Ob das
+Herz dar&uuml;ber brach, oder die Verlassene in Schmerz und Trotz
+Entsch&auml;digung, Vergessen suchte in wilder lasterhafter Lust; die Welle
+des fl&uuml;chtigen Tages schlug &uuml;ber ihr zusammen, und die n&auml;chste Sonne
+hatte vergessen was sie gestern beschien in Lieb und Treue.</p>
+
+<p>&raquo;Mein sch&ouml;nes Atiu,&laquo; seufzte sie da leise vor sich hin &mdash; &raquo;Du lieber,
+lieber Platz an dem freundlichen Strand &mdash; Deine Palmen so gr&uuml;n, Deine
+Fr&uuml;chte so s&uuml;&szlig; &mdash; Atiu. Und der alte kleine Mi-to-na-re da am Haus,
+der so oft hier her&uuml;berdenkt an seine kleine Pu-de-ni-a, die jetzt &mdash; aber nein, nein, nein, Ren&eacute; f&uuml;hlt sich wohl hier und gl&uuml;cklich in der,
+seine Th&auml;tigkeit fordernden Welt, und einst kommt denn doch wohl die
+Zeit, wo er sich wieder zur&uuml;cksehnt nach jenem stillen Ort unseres
+ersten, seligsten Gl&uuml;cks &mdash; nach Atiu. &mdash; Und die Zeit <span class="g">wird</span> wieder
+kommen,&laquo; setzte sie nach einer kleinen Pause zuversichtlich hinzu,
+&raquo;noch hab' ich nicht f&uuml;r immer Abschied genommen von all den
+liebgewonnenen Stellen, von den guten Menschen &mdash; ich wei&szlig; nur nicht
+ob ich mich so recht herzlich darauf freuen soll &mdash; oder davor
+f&uuml;rchten. Ach es ist ein recht recht b&ouml;ses Ding um das arme
+Menschenherz!&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_67" id="Page_67">[67]</a></span></p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fu&szlig;noten:</h3>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_B_2" id="Footnote_B_2"></a><a href="#FNanchor_B_2"><span class="label">[B]</span></a> Die Indianer nennen die Insel Imeo meist Morea.</p></div>
+</div>
+
+
+<hr class="endchapter" />
+<h2><a name="Capitel_3" id="Capitel_3"></a>Capitel 3.</h2>
+<h3>Der Besuch &mdash; Aumama.</h3>
+
+
+<p>Sadie sa&szlig; noch lange tr&auml;umend da, und ihrem regen Geist tauchten bunte
+und oft wunderliche Bilder auf, wie sie das Herz sich wohl ausmalt in
+m&uuml;&szlig;igen Stunden, sinnend und gr&uuml;belnd ihre Farben schaut, und sich
+vorspricht da&szlig; sie leben und sind &mdash; bis sie in Dunst zerflie&szlig;en,
+anderen, bunteren vielleicht, Raum zu geben. Aber die Kleine scheuchte
+ihr bald die Wolken von der Stirn &mdash; wenn es wirklich Wolken gewesen,
+die ihrem sonst so heiteren Antlitz jenen ernsten Schatten gegeben &mdash; und mit dem Kinde kosend und spielend kehrte das L&auml;cheln auf ihre
+Lippen zur&uuml;ck, und sie war bald wieder das heitere frohe Kind des
+Waldes, dem Gott in seiner unendlichen<span class='pagenum'> <a name="Page_68" id="Page_68">[68]</a></span> Vaterhuld alle W&uuml;nsche
+erf&uuml;llt, alle Tage gesegnet hatte, und das sich nun auch des heiteren
+Sonnenlichts freute, in Gl&uuml;ck und Dankbarkeit.</p>
+
+<p>&raquo;Hat mir das b&ouml;se arme M&auml;dchen doch selber fast das Herz schwer
+gemacht eine ganze Stunde lang,&laquo; sagte sie lachend, und das Kind dabei
+herzend, &mdash; &raquo;hat uns Steine in den klaren See geworfen, meine Sadie,
+und das Wasser getr&uuml;bt, bis an den Rand hinauf. Aber nun wollen wir
+auch wieder lachen und singen und fr&ouml;hlich sein, bis Papa zur&uuml;ckkommt
+und sich freut mit mir, an meinem kleinen lieben T&ouml;chterchen. Horch,
+was ist das? &mdash; h&ouml;rst Du mein Kindchen, wie das trappelt und trappelt
+da drau&szlig;en? &mdash; das <span class="f">buaa a fai tatatu</span><a name="FNanchor_C_3" id="FNanchor_C_3"></a><a href="#Footnote_C_3" class="fnanchor">[C]</a> klappert vorbei und Sadie &mdash; aber was ist das?&laquo; unterbrach sie sich rasch und fast erschreckt, als
+n&auml;her und n&auml;her gekommenes Pferdegetrappel pl&ouml;tzlich an ihrer Pforte
+hielt, und sie Stimmen vernahm &mdash; &raquo;Fremde hier drau&szlig;en bei uns? &mdash; Was
+f&uuml;r ein wildes reges Leben diese fremden M&auml;nner doch auf unsere
+stillen Inseln gebracht haben,&laquo; setzte sie dann langsamer und
+kopfsch&uuml;ttelnd hinzu, &raquo;und l&auml;rmend und lachend sprengen sie Wochentag
+wie Sabbath die Stra&szlig;en entlang, sich nicht <span class='pagenum'> <a name="Page_69" id="Page_69">[69]</a></span></p>
+
+<p>mehr um den heiligen Tag ihres eigenen Gottes k&uuml;mmernd, als ob das
+Glockengel&auml;ute dem Oro oder Taua g&auml;lte. Auf Atiu war es doch stiller
+und friedlicher, und wenn wir dort &mdash; ha, ich glaube wahrhaftig die
+Leute wollen hier herein.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Die&szlig; <span class="g">mu&szlig;</span> der Ort sein,&laquo; sagte jetzt pl&ouml;tzlich eine Frauenstimme
+drau&szlig;en auf der Stra&szlig;e, in Franz&ouml;sischer Sprache, die Sadie hatte,
+selbst in der kurzen Zeit, vollkommen gut und flie&szlig;end von Ren&eacute;
+sprechen lernen &mdash; &raquo;w&auml;ren Sie meinem Rath vorhin gefolgt, <span class="f">Monsieur
+Belard</span>, so h&auml;tten wir nicht ein paar Miles ins Blaue hinein zu
+galoppiren brauchen &mdash; steigen wir ab?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Jedenfalls, wenn es den Damen gef&auml;llig ist,&laquo; erwiederte eine
+M&auml;nnerstimme, &raquo;er kann kaum irgend wo anders wohnen.&laquo;</p>
+
+<p>Sadie die, ihr Kind auf dem Arm, auf einen kleinen Ausbau getreten
+war, von dem aus sie, durch einen dichten Busch des Cap-Jasmins
+verdeckt, die Stra&szlig;e vor der Th&uuml;r gerade &uuml;berschauen konnte, erkannte
+drei Damen und zwei Herren, alle zu Pferde, die an der Pforte hielten,
+jetzt abstiegen und den kleinen Hofraum, der zwischen der bl&uuml;henden
+Akazienhecke und dem Hause lag, betraten.</p>
+
+<p>Die Fremden suchten jedenfalls Ren&eacute;, und Auskunft zu geben trat sie
+ihnen, das Kind nach dortiger<span class='pagenum'> <a name="Page_70" id="Page_70">[70]</a></span> Sitte auf ihrer linken H&uuml;fte reitend,
+mit freundlichem Joranna entgegen.</p>
+
+<p>&raquo;Ah, da ist ein M&auml;dchen,&laquo; rief die eine Dame, die, das lange Reitkleid
+emporhaltend, nahe am Hause stehen geblieben war, und sich nach irgend
+einem lebenden Wesen, das ihr Rede zu stehen vermochte, schien
+umgesehen zu haben, &raquo;aber lieber Gott, Lucie, es ist eine Eingeborene,
+und mit meinem Tahitisch sieht es noch windig aus &mdash; ich kann noch
+weiter Nichts als <span class="f">Joranna</span> und <span class="f">aita</span>.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich spreche franz&ouml;sisch, meine Damen,&laquo; unterbrach sie die junge Frau,
+leicht err&ouml;thend und die Kleine, die sich &auml;ngstlich an sie klammerte,
+der fremden Gesichter wegen, mit ein paar freundlichen Worten auf den
+Boden niedersetzend.</p>
+
+<p>&raquo;Ah, Du sprichst in der That Franz&ouml;sisch, Kind?&laquo; sagte die andere
+Dame, die von der ersten Lucie genannt war, erstaunt &mdash; &raquo;und noch dazu
+mit vortrefflicher Aussprache; sehr sch&ouml;n, dann kannst Du uns auch
+sagen ob Monsieur Ren&eacute; Delavigne hier wohnt und Madame Delavigne zu
+sprechen ist.&laquo;</p>
+
+<p>Sadie l&auml;chelte, denn sie f&uuml;hlte recht gut wie sie die Fremden in ihrem
+einfachen Gewand f&uuml;r irgend ein M&auml;dchen des Hauses hielten, und sagte
+mit einer leisen Neigung des Kopfes, w&auml;hrend aber ein h&ouml;heres<span class='pagenum'> <a name="Page_71" id="Page_71">[71]</a></span> Roth
+ihre Wangen und Schl&auml;fe bis auf den Nacken f&auml;rbte und das liebe
+Antlitz noch reizender machte:</p>
+
+<p>&raquo;Monsieur Delavigne wohnt hier allerdings, und Madame, oder Sadie
+Delavigne &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ah, dann ist die&szlig; wohl seine Tochter? &mdash; ein reizendes Kind!&laquo;
+unterbrach sie Madame Belard und kniete bei der Kleinen nieder.</p>
+
+<p>&raquo;Und Madame Delavigne?&laquo; frug Mad. Brouard.</p>
+
+<p>&raquo;Bin ich selber,&laquo; fl&uuml;sterte Sadie mehr als sie sprach.</p>
+
+<p>&raquo;Ah &mdash; <span class="f">mon Dieu</span> &mdash; <span class="f">est il possible</span>? &mdash; <span class="f">bless me</span>!&laquo; waren die ersten
+erstaunten Ausrufe der Damen und Herren, denn so unerwartet kam ihnen
+die Entdeckung, da&szlig; Ren&eacute; eine Eingeborene &raquo;zur Frau hielt,&laquo; selbst
+jeden schuldigen Anstand in diesen Ausrufungen zu vergessen, und Sadie
+f&uuml;hlte das mehr, als sie es verstand, denn das Blut drohte ihr in
+diesem Augenblick die Adern der Schl&auml;fe zu zersprengen, und sie bog
+sich zu dem Kind nieder ihre Verlegenheit &mdash; wenigstens ihr Err&ouml;then
+zu verbergen.</p>
+
+<p>Die beiden Franz&ouml;sinnen fa&szlig;ten sich aber rasch wieder, und wohl
+einsehend, welchen Versto&szlig; gegen jede gute Sitte sie hier, allerdings
+nur in der ersten Ueberraschung, gemacht, traten sie auf Sadie zu, und
+begr&uuml;&szlig;ten sie, ihr die H&auml;nde entgegenstreckend, in fast herzlicher
+Weise.</p>
+
+<p>&raquo;Ah, da hat uns Freund Delavigne eine Ueber<span class='pagenum'> <a name="Page_72" id="Page_72">[72]</a></span>raschung aufgespart,&laquo; rief
+die erste Sprecherin, Madame Belard, lachend &mdash; &raquo;wir haben nat&uuml;rlich
+nicht vermuthen k&ouml;nnen, da&szlig; er schon <span class="g">so</span> heimisch auf den Inseln
+geworden w&auml;re. &mdash; So sein Sie uns herzlich gegr&uuml;&szlig;t, Madame und
+versichert dabei, da&szlig; wir trotzdem keine Unbekannte in Ihnen
+aufsuchten. Ihr Herr Gemahl hat uns schon so viel Liebes und Gutes von
+Ihnen erz&auml;hlt &mdash; nur Ihrer Abstammung erw&auml;hnte er nicht,
+wahrscheinlich nur uns Ihre Liebensw&uuml;rdigkeit so viel lebhafter
+empfinden zu lassen.&laquo;</p>
+
+<p>Sadie athmete leichter auf; die freundlichen Worte, wenn sie ihren
+Sinn auch nicht gleich vollkommen fa&szlig;te, thaten ihr wohl. Sie hatte
+sich vor einem ersten Zusammenkommen mit jenen fremden Frauen, von
+denen ihr Ren&eacute; schon erz&auml;hlt, und in deren Haus sie einzuf&uuml;hren er
+gew&uuml;nscht hatte, schon lange gef&uuml;rchtet; deren erstes Betragen hatte
+dann ebenfalls nicht dazu gedient sie zu beruhigen, und um so
+wohlthuender kam ihr jetzt die herzliche Anrede. Ihr einfach treues
+Herz kannte auch weder Falsch noch Verstellung, und die Worte nehmend
+wie sie ihr geboten wurden sagte sie, den Frauen beide H&auml;nde
+entgegenstreckend, und ihnen offen und freundlich dabei in's Auge
+schauend:</p>
+
+<p>&raquo;Ren&eacute; wird es recht recht leid thun da&szlig; Sie ihn nicht hier gefunden
+haben, aber sein Sie mir <span class="g">herz<span class='pagenum'> <a name="Page_73" id="Page_73">[73]</a></span>lich</span> willkommen und ruhen Sie sich ein
+wenig aus bei mir, von Ihrem Ritt. Ich will die Kleine nur indessen
+unter Aufsicht geben, und bin dann rasch wieder bei Ihnen.&laquo;</p>
+
+<p>Die Damen wollten erst h&ouml;fliche Einreden machen, und sprachen von
+&raquo;st&ouml;ren&laquo; und &raquo;beunruhigen&laquo;, Sadie f&uuml;hrte sie aber l&auml;chelnd zu dem
+freundlichen Sitz am Strand, und bat sie dort niederzusitzen, w&auml;hrend
+sie rasch mit dem Kind in das Haus eilte.</p>
+
+<p>&raquo;Ein reizendes Frauchen,&laquo; sagte Monsieur Belard schmunzelnd, als sie
+in der Th&uuml;r verschwunden war, und die Damen einiges zusammen
+fl&uuml;sterten; &raquo;Delavigne hat wahrhaftig keinen schlechten Geschmack; und
+spricht vortrefflich Franz&ouml;sisch &mdash; vortrefflich.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Mr. Delavigne h&auml;tte uns aber doch auch wohl vorher einen Wink &uuml;ber
+seine Familienverh&auml;ltnisse geben k&ouml;nnen,&laquo; meinte Mrs. Noughton, eine
+Amerikanerin, die bis jetzt noch kein Wort mit Sadie gesprochen hatte &mdash; &raquo;er w&uuml;rde dadurch beiden Theilen eine Verlegenheit erspart haben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Lieber Gott, Verehrteste,&laquo; vertheidigte diesen die lebendige Madame
+Belard, &raquo;die Verh&auml;ltnisse auf den Inseln hier sind von den unsrigen so
+sehr verschieden, da&szlig; man schon wirklich bei Manchem ein Auge
+zudr&uuml;cken mu&szlig;, und nicht gar so entsetzlich streng sein darf. Es
+bestehen &uuml;brigens auch wirkliche Verbin<span class='pagenum'> <a name="Page_74" id="Page_74">[74]</a></span>dungen zwischen Europ&auml;ern und
+Insulanerinnen, und Monsieur Delavigne hat nur von seiner <span class="g">Frau</span>
+gesprochen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Liebe Kinder, was zerbrecht Ihr Euch dar&uuml;ber den Kopf,&laquo; fiel ihnen
+hier der andere, &auml;ltere Herr, ein Monsieur Brouard und der Gemahl der
+viel j&uuml;ngeren Lucie Brouard, in die Rede, &raquo;wenn Ihr in Rom seid m&uuml;&szlig;t
+Ihr leben wie die R&ouml;mer,&laquo; sagt ein altes gutes Sprichwort. Madame
+Delavigne ist ein reizendes junges Frauchen, und wohl im Stande einen
+Mann zu fesseln.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und auf wie lange?&laquo; unterbrach ihn, mit einem fast boshaften L&auml;cheln,
+Madame Belard.</p>
+
+<p>&raquo;Auf wie lange, Madame?&laquo; wiederholte mit einem etwas frivolen
+Achselzucken der Gefragte &mdash; &raquo;ich bin kein Prophet oder Sterndeuter;
+aber das sind Familienverh&auml;ltnisse, und mancher Indianer h&auml;tte
+vielleicht eben so gut ein Recht dieselbe Frage an uns Europ&auml;er zu
+richten &mdash; auf wie lange? <span class="f">mon Dieu</span>, wir sollten diesen wichtigen Punkt
+&uuml;berhaupt etwas genauer in unserem Trauungs-Ceremoniell
+ber&uuml;cksichtigen; <span class="g">auf wie lange</span>? &mdash; wir m&uuml;ssen uns damit begn&uuml;gen zu
+wissen, da&szlig; wir <span class="g">sind</span>, und eine Frage was wir einst <span class="g">werden</span>, geschieht
+wohl immer nur in's Blaue hinein.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Es ist aber doch nur eine Indianerin,&laquo; bemerkte,<span class='pagenum'> <a name="Page_75" id="Page_75">[75]</a></span> mit einem
+keineswegs zufrieden gestellten Blick, Mrs. Noughton, die aus den
+Vereinigten Staaten von Nord-Amerika ein nicht leicht zu besiegendes
+Vorurtheil gegen jede farbige Race, sie mochte einen Namen oder Stamm
+haben welchen sie wollte, mitgebracht hatte, und sich immer des
+Gedankens nicht erwehren konnte, da&szlig; solche Leute am Ende gar
+<span class="g">schwarzes</span> Blut in ihren Adern haben k&ouml;nnten, oder mit anderen Worten
+in zweiter oder dritter Generation von <span class="g">Negern</span> abstammten, mit denen
+nat&uuml;rlich jeder vertrauliche, selbst freundschaftliche Verkehr au&szlig;er
+Frage gewesen w&auml;re &mdash; &raquo;und h&auml;tte ich das fr&uuml;her gewu&szlig;t, w&uuml;rde ich ihr
+wenigstens nicht zuerst meine Visite gemacht haben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie m&uuml;ssen aber bedenken, Mrs. Noughton,&laquo; sagte etwas eifrig Madame
+Belard dagegen, &raquo;da&szlig; uns Monsieur Delavigne gar nicht zu sich
+eingeladen, also auch keine Schuld hat an dem Besuch. Wir sind aus
+freien St&uuml;cken hergekommen, und wenn ich auch gestehen mu&szlig; da&szlig; ein
+derartiges Verh&auml;ltni&szlig; immer sein Unangenehmes, St&ouml;rendes hat und uns
+bei gr&ouml;&szlig;eren Gesellschaften vielleicht auch dann und wann in
+Verlegenheit bringen k&ouml;nnte, so &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Attention meine Damen,&laquo; unterbrach sie hier Mr. Brouard, mit etwas
+ged&auml;mpfter Stimme, denn Sadie erschien in diesem Augenblick wieder auf
+der<span class='pagenum'> <a name="Page_76" id="Page_76">[76]</a></span> Schwelle des Hauses, und hinter ihr ein Knabe, der einen gro&szlig;en
+Pr&auml;sentirteller mit Wein und Fr&uuml;chten trug.</p>
+
+<p>&raquo;So Mataoti,&laquo; rief sie diesem in seiner Sprache zu, &raquo;bediene die
+Frauen und sei ein flinker Bursch,&laquo; sich dann aber zu ihren G&auml;sten
+wendend f&uuml;gte sie herzlich hinzu: &raquo;aber Sie haben sich ja noch nicht
+einmal gesetzt, in der ganzen langen Zeit &mdash; bitte geben Sie mir Ihre
+H&uuml;te und machen Sie es sich bequem, Ren&eacute; d&uuml;rfen Sie doch nicht so bald
+zur&uuml;ck erwarten, denn er und Monsieur Lefevre sind der politischen
+Verh&auml;ltnisse wegen nach Papetee gegangen, dort noch Manches vielleicht
+mit ihren Freunden zu besprechen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Hahaha, das ist vortrefflich!&laquo; lachte Mr. Belard, &raquo;und denen zu
+entgehen sind wir gerade ausgeritten; es wird f&ouml;rmlich Com&ouml;die
+gespielt heute in der Residenz, und da die Missionaire Hauptrollen
+dabei haben, f&uuml;rchteten wir die Sache m&ouml;chte doch am Ende zu
+langweilig werden.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;So essen und trinken Sie nur wenigstens,&laquo; bat Sadie, die nicht ohne
+Grund f&uuml;rchtete das Gespr&auml;ch k&ouml;nnte sich hier auf religi&ouml;se Bahn
+lenken und das unter jeder Bedingung zu vermeiden w&uuml;nschte &mdash; &raquo;Ren&eacute;
+w&uuml;rde sich herzlich freuen wenn er h&ouml;rte, da&szlig; es Ihnen bei uns
+gefallen hat.&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_77" id="Page_77">[77]</a></span></p>
+
+<p>Die Damen z&ouml;gerten noch unschl&uuml;ssig was zu thun &mdash; sie schienen sich
+eine vor der andern zu geniren; Sadie bewegte sich aber mit solcher
+Leichtigkeit in dem, ihr doch fremden Kreis, und ihre Bitte kam so
+frisch und unverstellt aus dem Herzen, da&szlig; sie in ihrer Nat&uuml;rlichkeit
+jede leere H&ouml;flichkeitsformel schon von vornherein unm&ouml;glich machte,
+und selbst Mrs. Noughton mu&szlig;te sich zuletzt gestehen, da&szlig; diese
+Insulanerin ein ungew&ouml;hnlich liebensw&uuml;rdiges Wesen sei, dem man wohl
+gewogen sein k&ouml;nne &mdash; wenn sie eben nicht die fatale broncefarbene
+Haut gehabt h&auml;tte.</p>
+
+<p>Die Frauen hatten sich denn auch bald um den runden, mit einem
+reinlichen Tuch bedeckten Tisch gesetzt, Monsieur Belard wurde hinaus
+nach den Pferden geschickt, zu sehen ob diese ruhig st&uuml;nden und
+Mataoti von jetzt beordert bei ihnen zu bleiben, und wenige Minuten
+sp&auml;ter sa&szlig; die Gesellschaft ganz traulich beisammen, und Madame Belard
+und Brouard hatten &mdash; sie wu&szlig;ten gar nicht wie sie dazu gekommen, der
+kleinen Insulanerin, die mit ihrem reinen Franz&ouml;sisch die Eingeborene
+vollkommen vergessen machte, so viel vorzuplaudern und zu erz&auml;hlen,
+als ob sie sich schon seit langen Monaten gekannt, und nicht eben erst
+heute, vor Minuten fast, zusammengekommen w&auml;ren. Die M&auml;nner blieben
+darin nat&uuml;rlich nicht zur&uuml;ck, besonders Mr. Brouard, der seinen Sitz<span class='pagenum'> <a name="Page_78" id="Page_78">[78]</a></span>
+neben Sadie genommen, thaute ordentlich auf, und war von einer
+Aufmerksamkeit gegen die kleine Insulanerin, da&szlig; er seine Nachbarin
+zur Linken, Mrs. Noughton, total dar&uuml;ber vernachl&auml;ssigte, die denn
+auch der ganzen Unterhaltung &mdash; der Franz&ouml;sischen Sprache ohnedie&szlig; nur
+oberfl&auml;chlich m&auml;chtig &mdash; mehr beobachtend als theilnehmend, und
+ziemlich kalt und ernsthaft folgte.</p>
+
+<p>Eine volle Stunde hatten sie so gesessen und geplaudert, und Fr&uuml;chte
+gegessen und Franz&ouml;sischen Claret dazu getrunken, und Mataoti war
+drau&szlig;en bei den Pferden schon ganz ungeduldig geworden, als Madame
+Brouard, die zuletzt ebenfalls stiller und einsylbiger wurde, und die
+Unterhaltung ihrer Freundin und den Herren fast allein &uuml;berlie&szlig;,
+endlich zum Aufbruch mahnte. Monsieur Brouard wollte noch gar nicht
+fort, so vortrefflich hatte er sich am&uuml;sirt, und die Damen begannen
+jetzt Abschied zu nehmen von ihrer neuen Bekanntschaft.</p>
+
+<p>Sadie sagte ihnen mit einfachen Worten wie es sie freue da&szlig; es ihnen
+bei ihr gefallen h&auml;tte, und wie gl&uuml;cklich es Ren&eacute; machen w&uuml;rde, wenn
+er h&ouml;re da&szlig; sie hier gewesen und gegessen und getrunken h&auml;tten &mdash; &raquo;wir
+k&ouml;nnen recht gute Nachbarschaft halten, hier auf Tahiti,&laquo; setzte sie
+hinzu, und mit freundlichem H&auml;ndedruck und Joranna, von Madame Belard
+und Brouard<span class='pagenum'> <a name="Page_79" id="Page_79">[79]</a></span> ebenfalls eingeladen sie wieder zu besuchen, verlie&szlig; die
+kleine Gesellschaft den Garten, bestieg drau&szlig;en die scharrenden
+tanzenden Pferde wieder, und galoppirte wenige Minuten sp&auml;ter mit
+klappernden Hufen die Stra&szlig;e entlang nach Papetee nieder.</p>
+
+<p>&raquo;Sadie!&laquo; fl&uuml;sterte da eine leise Stimme, als der Schall der Hufe auf
+der harten Stra&szlig;e noch nicht verklungen war, und die junge Frau, die
+noch lauschend stand, und in tiefem Nachdenken den mehr und mehr
+verschwimmenden T&ouml;nen zu horchen schien, wandte sich rasch, und fast
+wie erschreckt dem Rufe zu, der von der Nachbarhecke kam.</p>
+
+<p>&raquo;Aumama? &mdash; und warum kommst Du nicht her&uuml;ber?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ist die Luft rein?&laquo; frug eine klare, lachende Stimme.</p>
+
+<p>&raquo;Meinst Du die Fremden? &mdash; sie sind fort; aber ich glaubte Du w&auml;rest
+mit Lefevre nach Papetee gegangen?&laquo;</p>
+
+<p>Die junge Frau an der Hecke sch&uuml;ttelte mit dem Kopf und sagte lachend:</p>
+
+<p>&raquo;Ich wollte erst, wie aber Ren&eacute; mitging blieb ich daheim; denen
+schlie&szlig;en sich dann mehr und mehr M&auml;nner an und &mdash; das Treiben in
+ihrer Gesellschaft gef&auml;llt mir nicht; auch mit der Sprache kann ich
+nicht so gut fertig werden wie Du. Aber ich komme hin<span class='pagenum'> <a name="Page_80" id="Page_80">[80]</a></span>&uuml;ber &mdash; &laquo; und ein
+kleines Pf&ouml;rtchen &ouml;ffnend, das zwischen einer bl&uuml;henden und Frucht
+tragenden Orangenhecke hindurchf&uuml;hrte, trat Aumama, Sadiens
+freundliche Nachbarin, in den Garten und k&uuml;&szlig;te sie, ihren Arm um sie
+schlagend auf die Lippen.</p>
+
+<p>Sie war in die einfache indianische Tracht gekleidet, mit dem langen
+losen, bis auf die Kn&ouml;chel niederfallenden Oberrock, der nur vorn am
+Handgelenk zugekn&ouml;pft wird, ohne Schuh und Str&uuml;mpfe, den Kopf mit
+einem leichten Panama M&auml;nnerstrohhut bedeckt, unter dem nur ein paar
+gro&szlig;e tiefdunkelrothe Bl&uuml;then der <span class="f">rosa sinensis</span> hervorschauten, und
+von dem vollen, mit wohlriechendem Oel getr&auml;nkten rabenschwarzen
+Lockenhaar fast wieder versteckt wurden.</p>
+
+<p>Ihre Gestalt war schlank und &uuml;ppig, aber mit dem, den dortigen
+Insulanern eigenen Bau breiter Schultern, auch die sonst kleinen und
+zierlichen F&uuml;&szlig;e nach <span class="g">unseren</span> Begriffen von Sch&ouml;nheit ein wenig zu sehr
+einw&auml;rts gebogen; die Form des Gesichts jedoch dabei voll und edel und
+die Augen mit einem eigenen Feuer unter den feingeschnittenen Brauen
+hervorgl&uuml;hend. Aumama war &uuml;berhaupt der vollkommene Typus eines
+Tahitischen Weibes, dem trotz den lebendigen Augen selbst das sinnlich
+Weiche in den Z&uuml;gen nicht fehlte, und als die beiden jungen Frauen so
+freundlich umschlungen, und von den wehenden<span class='pagenum'> <a name="Page_81" id="Page_81">[81]</a></span> Palmen &uuml;berragt und
+beschattet, zwischen den Bl&uuml;thenb&uuml;schen standen, h&auml;tte man sich kaum
+etwas Lieblicheres denken k&ouml;nnen auf der Welt.</p>
+
+<p>&raquo;Du hast vornehmen Besuch gehabt,&laquo; sagte Aumama endlich l&auml;chelnd,
+nachdem die erste Begr&uuml;&szlig;ung vor&uuml;ber war.</p>
+
+<p>&raquo;Ja,&laquo; erwiederte Sadie, leicht err&ouml;thend, &raquo;und zwar unerwarteten; aber
+warum kamst Du nicht her&uuml;ber?&laquo;</p>
+
+<p>Aumama sch&uuml;ttelte, etwas ernsteren Ausdruck in den Z&uuml;gen mit dem Kopf.</p>
+
+<p>&raquo;Nein,&laquo; sagte sie, &raquo;ich passe nicht zu den Leuten &mdash; wir &uuml;berhaupt
+nicht &mdash; und sie nicht zu uns &mdash; es ist besser wir bleiben aus
+einander.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber Du n&auml;rrisches Kind,&laquo; rief Sadie, &raquo;hast Du Dich denn nicht, so
+wie ich gerade, mit Einem von ihnen f&uuml;r das ganze Leben verbunden, und
+willst Du denn auch von ihm sagen, da&szlig; Ihr nicht zu einander pa&szlig;t?&laquo;</p>
+
+<p>Aumama seufzte tief auf, und wandte das K&ouml;pfchen leicht zur Seite; sie
+war jetzt recht ernst geworden, und der ganze fr&uuml;here Frohsinn schien
+verschwunden.</p>
+
+<p>&raquo;Ich <span class="g">hoffe</span> da&szlig; wir zu einander passen &mdash; f&uuml;r das ganze Leben;&laquo; sagte
+sie endlich leise, &raquo;es w&auml;re wenigstens <span class="g">recht</span> traurig, wenn wir es je
+anders<span class='pagenum'> <a name="Page_82" id="Page_82">[82]</a></span> finden sollten. Aber&laquo; setzte sie rascher, und wieder in den
+leichteren Ton &uuml;bergehend hinzu, &raquo;in unseren Familien ist das auch
+etwas anderes; mit dem Mann den wir lieben, stehn wir in einem Rang;
+er versteht <span class="g">uns</span>, wir verstehen <span class="g">ihn</span> und in unserem Vaterland schmiegt
+er sich leichter unseren Sitten an, oder lehrt uns allm&auml;hlich die
+seinen, beider Eigenth&uuml;mlichkeiten in einander verschmelzend. Mit den
+Gesellschaften jedoch ist das etwas anderes, besonders mit fremden
+<span class="g">Frauen</span>, und glaube mir, Sadie &mdash; ich habe darin Erfahrung. Die Wei&szlig;en&laquo;
+f&uuml;gte sie leiser hinzu, &raquo;halten uns f&uuml;r einen untergeordneten Stamm,
+weil wir fr&uuml;her zu G&ouml;tzen gebetet haben vielleicht &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber das haben sie auch gethan, ihre Vorv&auml;ter wenigstens,&laquo; unterbrach
+sie Sadie rasch, &raquo;Vater Osborne hat mir das selbst erz&auml;hlt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Haben sie?&laquo; sagte Aumama erstaunt, &raquo;das ist das erste Mal, da&szlig; <span class="g">ich</span>
+davon h&ouml;re; aber auch vielleicht noch weil wir nicht so klug sind wie
+sie, und so geschickt im Lesen und Schreiben. Auch unsere dunkle
+Hautfarbe kommt ihnen nicht so sch&ouml;n vor &mdash; den Frauen wenigstens, und
+<span class="g">Eifersucht</span> mag oft gleichfalls, und gar nicht selten, die Ursache
+sein, da&szlig; sie uns zur&uuml;cksetzen und &mdash; kr&auml;nken. Ausnahmen mag es dabei
+unter uns geben; so glaub' ich, Sadie, da&szlig; <span class="g">Du</span> Dich vielleicht wohl
+unter ihnen f&uuml;hlen wirst,<span class='pagenum'> <a name="Page_83" id="Page_83">[83]</a></span> weil ich einsehe, da&szlig; Du uns eingeborenen
+und wild aufgewachsenen M&auml;dchen in vielen vielen St&uuml;cken &uuml;berlegen und
+den wei&szlig;en Frauen <span class="g">fast</span> gleichstehend bist; aber f&uuml;r mich pa&szlig;t es nicht &mdash; mir schn&uuml;rt es die Brust zusammen, wenn ich bei ihnen bin, und die
+kalten vornehmen Blicke sehen mu&szlig;, die sie auf mich werfen, als ob es
+blos eine Gnade von ihnen w&auml;re, da&szlig; sie mich zwischen sich dulden. Da
+ist es mir weit weit wohler bei meinen Kindern am freundlichen Strand,
+im Rauschen meiner B&auml;ume, und vor mir die weite, herrliche See &mdash; ich
+halte es auch f&uuml;r gar kein Gl&uuml;ck f&uuml;r uns, etwa&laquo; setzte sie langsam und
+wie in recht ernstem Sinnen hinzu, &raquo;da&szlig; die wei&szlig;en Frauen in den
+letzten Monaten zu uns gekommen sind. Das Leben auf Tahiti ist seitdem
+ein anderes geworden, und ich selbst f&uuml;hle mich nicht so wohl mehr in
+der neuen Umgebung &mdash; habe mich auch selber vielleicht ge&auml;ndert, oder &mdash; Andere haben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aia hat Dich traurig und ernst gemacht,&laquo; sagte Sadie, freundlich ihre
+Hand ergreifend, &raquo;sie war auch hier bei mir, und ich &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aia!&laquo; unterbrach sie rasch und heftig Aumama, aber mit weicherer
+Stimme fuhr sie fort, &raquo;Aia ist ein armes, armes M&auml;dchen und sie kann
+mich nicht b&ouml;se machen, aber&laquo; &mdash; und ihre Augen funkelten in einem
+eigenen wilden, fast unheimlichen Feuer &mdash; &raquo;nicht<span class='pagenum'> <a name="Page_84" id="Page_84">[84]</a></span> ertr&uuml;g ich es auch
+wie sie, und was sie ertragen hat. Bei jenem wei&szlig;en Gott, der Oro's
+Bilder zertr&uuml;mmerte und unsere Tempel niederbrach, bei jenen Tempeln
+selbst &mdash; &laquo; Aumama schwieg, aber die Hand noch, wie zum Schwur
+emporgereckt, die Locken, von denen der Strohhut abgefallen war, wild
+ihre Stirn umflatternd, das Auge gl&uuml;hend in einem eigenen Licht, stand
+sie wohl eine halbe Minute schweigend da, selber ein Bild der
+z&uuml;rnenden Gottheit ihres Landes. Da, wie unwillig mit sich selber,
+sch&uuml;ttelte sie pl&ouml;tzlich den Kopf, strich sich die Locken aus der
+Stirn und sagte, jeden unmuthigen Gedanken gewaltsam bannend. &raquo;Ich bin
+ein Kind, Sadie, ein launisches Kind, und seit einigen Wochen komme
+ich mir selber manchmal wie umgetauscht vor, so tolle Tr&auml;ume und
+Bilder zwing' ich mir ordentlich selbst herauf, mich zu qu&auml;len und &mdash; &auml;rgern auch. &mdash; Aber fort fort mit ihnen, fr&ouml;hlich wollen wir sein und
+uns des Lebens freuen, denn der Himmel lacht noch rein und blau &uuml;ber
+uns und die G&ouml;tter, die in fr&uuml;heren Zeiten den Tisch unserer V&auml;ter mit
+ihren Speisen deckten, haben uns auch jetzt noch ihre Gaben nicht
+entzogen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aumama,&laquo; sagte da Sadie, mehr herzlich als vorwurfsvoll, &raquo;Du sprichst
+noch immer von den <span class="g">G&ouml;ttern</span>, und bist doch lange, lange schon eine
+Christin, ja wie ich hoffen will eine gute Christin ge<span class='pagenum'> <a name="Page_85" id="Page_85">[85]</a></span>worden. S&uuml;ndige
+nicht, denn der Gott der Gnade ist auch ein Gott der Rache und der
+Strafe, und Vater Osborne w&uuml;rde es unendlich weh gethan haben, wenn er
+Dich h&auml;tte je so reden h&ouml;ren.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und nicht um Alles in der Welt h&auml;tte ich <span class="g">ihn</span> kr&auml;nken m&ouml;gen,&laquo; rief
+Aumama rasch, &raquo;er war der Einzige auch, der mich an Gott gehalten, der
+Einzige, der mich die M&ouml;glichkeit eines solchen Wesens ahnen und
+begreifen lie&szlig;, an das uns ja sonst die Uneinigkeit und der Ha&szlig; der
+anderen Priester zwingen mu&szlig;te zu verzweifeln. Er war ein guter Mann
+und die Feranis hatten ihn auch lieb, trotzdem da&szlig; er auf andere Weise
+zu seinem Gott betete, als sie es thun; aber &mdash; Sadie&laquo; &mdash; fuhr sie
+langsam und wie z&ouml;gernd fort, &raquo;bist Du dennoch so &mdash; so fest &uuml;berzeugt &mdash; da&szlig; er recht hatte?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aumama?&laquo; rief Sadie erschreckt, und sah staunend die Freundin an.</p>
+
+<p>&raquo;Hast Du von dem alten Mann geh&ouml;rt?&laquo; sagte aber diese mit leiser
+Stimme sich zu ihr &uuml;berbeugend, und den Blick fragend auf sie
+geheftet, &raquo;der dr&uuml;ben auf Bola Bola lebt, lange lange Jahre schon, und
+der so wunderliche Sachen von dem Gott der Christen erz&auml;hlt?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Von dem Gott der <span class="g">Christen</span>? &mdash; ist er denn nicht selbst ein Christ?&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_86" id="Page_86">[86]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Nein,&laquo; sagte Aumama rasch &mdash; &raquo;nein &mdash; er selber hat es versichert &mdash; er ist von dem Stamm die den Christengott gekreuzigt haben, und soll
+behaupten Jener sei gar nicht der Messias gewesen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das waren die Juden,&laquo; rief Sadie &uuml;berrascht, &raquo;aber ich wu&szlig;te gar
+nicht, da&szlig; von jenem Stamm noch Leute lebten?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Viele, viele sollen noch davon in dem fernen Lande der Wei&szlig;en sein
+und der alte Mann behauptet jener Gekreuzigte sei nicht Gottes Sohn
+gewesen, und habe nicht die rechte Lehre gebracht, denn die Christen
+unter einander w&uuml;&szlig;ten es nicht einmal und stritten und k&auml;mpften
+deshalb gegen einander, und h&auml;tten schon viele viele Tausend unter
+sich erschlagen, zu beweisen wer recht und den rechten Gott und
+Erl&ouml;ser habe.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und wenn der Mann nun nicht die Wahrheit sagt?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nicht die Wahrheit? &mdash; es soll ein alter alter Mann sein, und graue
+Haare und grauen Bart haben; und streiten sie sich hier nicht etwa
+auch um ihren Gott? &mdash; Wer <span class="g">hat</span> recht? und wie jener Mann von Bola Bola
+sagt giebt es in seinem Vaterland unter den Christen noch viele andere
+Sekten, die alle einander hassen und gegen einander predigen. Ist das
+ihre Religion des Friedens?&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_87" id="Page_87">[87]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Aumama, Du sprichst entsetzlich,&laquo; sagte Sadie schaudernd, &raquo;wer um des
+Himmels Willen hat Dein Herz mit solchem Trug erf&uuml;llt?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Trug?&laquo; wiederholte die Indianerin, und ihr Blick haftete fest auf
+Sadie &mdash; &raquo;gebe Gott da&szlig; es Trug w&auml;re und L&uuml;ge, aber wer giebt uns
+<span class="g">Wahrheit</span>?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Gott selber,&laquo; sagte da Sadie mit jenem kindlichen Vertrauen, das in
+dem Sch&ouml;pfer wirklich seinen Vater sieht, und in reiner,
+ungeheuchelter Fr&ouml;mmigkeit am Throne des H&ouml;chsten sein Gebet, seinen
+Dank niederlegt &mdash; &raquo;Gott selber, Aumama; er hat uns die Wahrheit in
+das Herz gelegt, und seine Boten schon vor langen Jahren gesandt, sie
+uns hier zu lehren. Bete, bete mit voller Inbrunst und das Herz wird
+Dir aufgehen, wenn Du Dich zu Gott wendest.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber Le-fe-ve betet gar nicht,&laquo; warf das M&auml;dchen wieder ein, dem
+Gedanken folgend da&szlig; die Europ&auml;er selber, in verschiedene Religionen
+getrennt, kein Vertrauen auf den Gott h&auml;tten, den sie den Inseln
+gebracht &mdash; &raquo;er ist ein guter Mann, aber er lacht, wenn man ihn an
+seine Pflicht als Christ will mahnen; thut das Ren&eacute; nicht auch?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein,&laquo; rief Sadie schnell, aber doch nicht im Stand eine gewisse
+Verlegenheit zu verbergen &mdash; &raquo;er lacht mich niemals aus.&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_88" id="Page_88">[88]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Aber er betet auch nicht.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Gott wird ihn schon erleuchten,&laquo; sagte die junge Frau, und barg ihre
+Stirn einen Augenblick in den H&auml;nden, &raquo;ach es ist wahr,&laquo; fuhr sie dann
+leiser fort, &raquo;und hat mir schon manche bittere Stunde, manche
+schlaflose Nacht gemacht, wie wenig <span class="g">er</span> an seinen Gott denkt, und wie
+viel gerade Gott f&uuml;r ihn doch eigentlich gethan.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und Mr. Osborne? hat er Dir nie an's Herz gelegt ihn deiner Kirche
+zuzuf&uuml;hren? &mdash; mir ist das oft und oft zur Pflicht gemacht, aber &mdash; wie bald hab' ich <span class="g">den</span> Versuch aufgegeben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ren&eacute; geht seinen eigenen Weg,&laquo; seufzte Sadie, &raquo;und Vater Osborne sah
+das wohl und f&uuml;hlte es, aber er hat mir nie ein Wort davon gesagt, ja
+er warnte mich sogar vor religi&ouml;sen Streitigkeiten mit dem Gatten. Auf
+Atiu war auch Alles gut, aber hier in Tahiti, wo die Priester selber
+einander feindlich gegen&uuml;ber stehen, und seit Vater Osbornes Tod hat
+sich Ren&eacute; ganz von jeder Andacht abgewandt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wei&szlig;t Du wie Du jetzt aussiehst, Sadie?&laquo; rief da Aumama pl&ouml;tzlich,
+den Ton wechselnd, und der Freundin Hand ergreifend.</p>
+
+<p>Sadie schaute &uuml;berrascht empor, Aumama aber fuhr l&auml;chelnd fort &mdash; &raquo;scheuche die tr&uuml;ben Gedanken fort von der Stirn, sie passen nicht f&uuml;r
+uns. Was<span class='pagenum'> <a name="Page_89" id="Page_89">[89]</a></span> k&uuml;mmern uns die Streitigkeiten jener Priester, noch ist die
+Banane so s&uuml;&szlig;, die Cocosnu&szlig; so saftig als je und der Himmel lacht blau
+und heiter auf uns nieder und unser sch&ouml;nes Land. Sieh da kommt deine
+Sadie,&laquo; unterbrach sie sich pl&ouml;tzlich als das Kind, von einem jungen
+vierzehnj&auml;hrigen M&auml;dchen getragen, in der Th&uuml;r erschien &mdash; &raquo;her zu mir
+Herz, her zu mir mein s&uuml;&szlig;es Kind, und Du sollst mir helfen der Mama
+Z&uuml;ge wieder aufzuheitern. Und nun sollen auch Scha-lie und Ro-sy
+her&uuml;ber und mit Dir spielen, mein Herz, und froh und munter wollen wir
+sein, und tanzen und springen.&laquo;</p>
+
+<p>Die Kleine aufgreifend, die ihr schon von Weitem lachend die Aermchen
+entgegenstreckte, sprang sie mit ihr, wieder ganz das fr&ouml;hliche
+ausgelassene Kind dieser Inseln, singend und tr&auml;llernd am Strand
+umher, und rief die eigenen Kinder her&uuml;ber mit ihr zu spielen und zu
+tollen. Und selbst Sadie, wenn auch nicht im Stande so rasch die
+qu&auml;lenden Gedanken abzusch&uuml;tteln vom Herzen, verga&szlig; doch ebenfalls
+bald bei dem Lachen und Jauchzen der Kleinen Alles, was sie noch
+vorher mit Angst vielleicht und Sorge erf&uuml;llte, und das Herz ging ihr
+wieder auf voll Lust und Gl&uuml;ck in dem einen reinen und seligen Gef&uuml;hl
+der Mutter Lust.<span class='pagenum'> <a name="Page_90" id="Page_90">[90]</a></span></p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fu&szlig;noten:</h3>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_C_3" id="Footnote_C_3"></a><a href="#FNanchor_C_3"><span class="label">[C]</span></a> &raquo;Das Schwein das Menschen tr&auml;gt&laquo; wie die Insulaner zuerst
+das Pferd nannten, f&uuml;r das sie keinen Namen hatten.</p></div>
+</div>
+
+
+<hr class="endchapter" />
+<h2><a name="Capitel_4" id="Capitel_4"></a>Capitel 4.</h2>
+<h3>Die Missionaire.</h3>
+
+
+<p>Ueber die See brauste es daher, wild und st&uuml;rmisch in furchtbar
+entsetzlicher Wuth; an den Riffen sch&auml;umte und kochte die Brandung in
+milchwei&szlig;em Gischt, und warf ihre Wogen selbst in die sonst stillen
+Binnenwasser, weiter und weiter wallend, bis zu dem wei&szlig;en
+Corallensand des Strandes und den freigesp&uuml;hlten Wurzeln der
+Cocospalmen, die ihre Wipfel &uuml;ber dem Meere schaukelten und jetzt, wie
+entsetzt &uuml;ber die Entweihung, die weiten, armartigen Bl&auml;tter
+emporwarfen und sich zur&uuml;ckbogen vor der anst&uuml;rmenden B&ouml;. Hei wie der
+Sturmvogel so scharf und gellend pfeift wenn er &uuml;ber die aufgew&uuml;hlte
+See streicht, und seine langen elastischen Fl&uuml;gelspitzen auf die
+glatte<span class='pagenum'> <a name="Page_91" id="Page_91">[91]</a></span> Woge pre&szlig;t, von der die Windsbraut schon den sch&auml;umenden Kamm
+geraubt und als Perlen hinausgestreut hat weit weit &uuml;ber das Meer; hei
+wie die Brandung da kracht und tobt, und sich b&auml;umt und reckt und mit
+den wei&szlig;en Armen hin&uuml;berlangt &uuml;ber den Korallendamm, und doch wieder
+und immer wieder zur&uuml;ckgeworfen wird von dem gewaltigen Bollwerk, das
+Jahrtausende gebaut. Und der Sturm, der machtlos seine Kraft brechen
+sieht an diesem Damm, und seine Wellen, die er sich aufger&uuml;ttelt hat,
+nicht hin&uuml;ber bringen kann, so viel er auch hebt und dr&auml;ngt, und die
+Schulter stemmt gegen die gewaltigen, wirft sich endlich selbst mit
+dem flatternden Bart an das gr&uuml;ne Land, und die Palmen fassend in
+tollem Spiel biegt und schaukelt er sie, wie er das Spiel sonst
+vielleicht mit Halm oder Bl&uuml;the getrieben, im weit und straff
+gespannten Bogen nieder, nieder bis ihre Kronen das Laubdach ber&uuml;hren
+das sie st&uuml;tzt und hemmt und mit wildem eifrigen Rascheln die
+auszweigenden Arme fest fest zusammenstreckt und sich h&auml;lt und
+gegenseitig hilft gegen den wilden ungest&uuml;men Feind.</p>
+
+<p>Gewaltig und furchtbar ist ein Sturm auf offener See, wo er die Wogen
+aufw&uuml;hlt und gr&auml;bt, und die bergwichtigen Massen wie spielend und in
+entsetzlicher Schnelle vor sich her jagt; aber frei und ungehindert
+rast er dort sich aus, keine Grenze hemmt ihn und<span class='pagenum'> <a name="Page_92" id="Page_92">[92]</a></span> selbst das schwanke
+Schiff das er trifft auf seiner Bahn wirft er herum, taucht es und
+schleudert es empor, rei&szlig;t und splittert was er daran gerade fassen
+und halten kann und &mdash; jagt vor&uuml;ber, m&uuml;de solch unw&uuml;rdigen Spiels.
+Anders aber und grauenhaft furchtbarer ist er dort wo die bergige
+K&uuml;ste den Anprall hemmt, und dem Rasenden die Stirn bietet in
+kr&auml;ftigem Trotz.</p>
+
+<p>Nicht nur den neuen Grimm hat der W&uuml;thende da auszulassen an der
+starren hartn&auml;ckigen Wand, die sich ihm eisern entgegenstellt, nein
+auch alte Unbill zu r&auml;chen, seit Jahrhunderten her, und seit manchem
+furchtbaren Strau&szlig;, bei dem er sich wieder und wieder vergebens in die
+Schluchten w&uuml;hlte und bohrte, und die Grundfesten seines Feindes zu
+untergraben suchte. Von der See f&uuml;hrt er die Wogen heran zum
+gemeinsamen Kampf, und sich selber wirft er wild und toll gegen die
+Brustwehr von Baum und Geb&uuml;sch, das sich ihm z&auml;h und unverdrossen
+entgegenlegt; was hilft es ihm da&szlig; er die starren hartn&auml;ckigen St&auml;mme
+fa&szlig;t und bricht und die schweren Kronen zu Boden schmettert, oder als
+Widder braucht, gegen andere anzust&uuml;rmen &mdash; die elastische Palme biegt
+und legt sich der Uebermacht, folgt aber dem Feind auf dem Fu&szlig; bei
+jedem Zollbreit Weichen, und sch&uuml;ttelt ihm die Federkronen zornig in's
+Angesicht. Wild<span class='pagenum'> <a name="Page_93" id="Page_93">[93]</a></span> heult und braust sie da auf, die tobende tolle
+Windsbraut; bis hoch in die L&uuml;fte hinauf pfeift es und zieht's und
+dr&ouml;hnt's, und wieder und wieder prasselt's an gegen Halde und Hang,
+wieder und wieder rei&szlig;t es und bricht und schmettert und st&ouml;hnt, ein
+Opfer suchend in unsagbarem Grimm, bis die Kraft auf's Neue ersch&ouml;pft
+ist wie seit Jahrhunderten, und der Orkan jetzt weichend, seine Wuth
+mit neuer Hoffnung beschwichtigen mu&szlig; f&uuml;r den n&auml;chsten Tanz, sich
+dennoch immer auf's Neue get&auml;uscht zu sehn. Grollend und innerlich
+g&auml;hrend und kochend zieht er sich dann zur&uuml;ck, weit weit &uuml;ber die See,
+in der Ferne dr&ouml;hnt es und braust es noch, wie schwer athmend aus der
+Tiefe auf &mdash; bl&auml;ulich schwarz liegt die See, einzelne Sturzwellen in
+sich selbst zusammenbrechend und wei&szlig;e weite Fl&auml;chen, f&ouml;rmliche Th&auml;ler
+bildend von milchigem Schaum, der zischend zerflie&szlig;t, neu
+aufquellender Woge zum Mantel zu dienen mit dem sie sich schm&uuml;ckt und
+tanzt und ihn abwirft, der Schwester zu. Hu, wie das hohl geht da
+unten und braust und murmelt &mdash; aber die Sturmm&ouml;ve zieht jetzt mit
+klappendem Fl&uuml;gelschlag, nicht mehr regungslos kreisend, &uuml;ber das
+stillere Wasser, das im wilden Unmuth noch nicht einmal den Strahl der
+vorbrechenden Sonne wiedergeben mag, und faden matten Bleiglanz &uuml;ber
+seine Fl&auml;che deckt.<span class='pagenum'> <a name="Page_94" id="Page_94">[94]</a></span></p>
+
+<p>Auf dem Land aber, dem nat&uuml;rlichen Feind des Orkans, der ihm so starr
+die Faust entgegenstreckt, wie die Fluth ihm jeder Zeit willige H&uuml;lfe
+bietet und mit ihm tobt und rast, entfaltet der siegende Sonnenschein
+schon wieder sein Panier, w&auml;hrend die grollende See noch gegen die
+Riffe pocht, und jeder niedergeschleuderte Tropfen wird zur Perle, die
+blitzend und jubelnd im Lichte funkelt. Noch erz&uuml;rnt, aber doch schon
+wieder den warmen Strahl auf den Wangen f&uuml;hlend, sch&uuml;tteln die B&auml;ume
+ihr Laub, und rauschen und rascheln, Blatt und Zweiglein wieder in die
+alte Form zu bringen, aus der sie der ungest&uuml;me St&ouml;renfried
+herausgerissen, und der warme Duft der aus den Th&auml;lern steigt wird zum
+Nebelschleier, den sich der Berg wie Silberf&auml;den durch die Krone
+flicht, und dem das sinkende Tagsgestirn noch seinen sch&ouml;nsten
+herrlichsten Farbenschmelz verleiht.</p>
+
+<p>Es war zur Zeit solcher St&uuml;rme, die sich besonders im Herbst und
+Fr&uuml;hjahr zeigen unter dieser Breite, und der Orkan brauste noch in all
+seiner furchtbaren Kraft &uuml;ber die Wasser, und schien die Riffe hinein
+dr&auml;ngen zu wollen gegen das Land, solche berghohe Wogen th&uuml;rmte er
+auf, und schleuderte sie von Westen herbei, der Passat Str&ouml;mung gerad
+in die Z&auml;hne. Nur der fluthende Regen hatte nachgelassen und der Wind
+fegte nur noch das Firmament<span class='pagenum'> <a name="Page_95" id="Page_95">[95]</a></span> rein, von widerspenstischen Wolken und
+Schwaden, die wieder und wieder, jetzt aber machtlos und zu sp&auml;t, zum
+neuen Kampfe herbei wollten.</p>
+
+<p>In der Hauptstra&szlig;e von Papetee, auf dem breiten Strand der die erste
+H&auml;user- und Gartenreihe vom Meere trennte, und von den lebenslustigen
+Tahitiern besonders Abends zum Sammelplatz benutzt wurde, blieben
+jetzt Einzelne stehen und schauten auf das Meer hinaus, denen bald
+Andere folgten; die Th&uuml;ren der n&auml;chsten H&auml;user wurden ge&ouml;ffnet, die
+Eigenth&uuml;mer standen darin mit Telescopen und um diese wogte und pre&szlig;te
+bald das Volk in m&auml;chtiger Schaar, bald die Gl&auml;ser, bald das weite
+Meer betrachtend, und dem Wort der Ausschauenden wie einem Orakel
+lauschend.</p>
+
+<p>Der Gegenstand aber um den es sich hier handelte war ein Schiff &mdash; ein
+gro&szlig;es Schiff das von Point Venus aus schon vor einer halben Stunde
+etwa und noch im vollen Sturm, der K&ouml;nigin gemeldet worden, wo es,
+weit drau&szlig;en in Sicht, versucht hatte beizulegen und von den Inseln
+abzukommen, der Wind war aber zu heftig gewesen solches Maneuver zu
+gestatten. Die Fregatte &mdash; denn da&szlig; jenes fremde Segel ein gro&szlig;es
+Kriegsschiff sei unterlag schon gar keinem Zweifel mehr &mdash; mu&szlig;te vor
+dem Wind abfallen, und kam jetzt unter dicht gereeftem<span class='pagenum'> <a name="Page_96" id="Page_96">[96]</a></span> Vormars- und
+Vorstengenstagsegel um die Spitze herum jedenfalls bestimmt nach
+Papetee einzulaufen, was aber jetzt, bei dem gewaltigen Seegang und
+der schmalen Einfahrt durch die sch&auml;umenden Riffe nicht m&ouml;glich war,
+und nur bem&uuml;ht nun, so wenig Fortgang als m&ouml;glich zu machen um erst
+einmal von den n&auml;chsten Riffen frei, wieder aufzubrassen und das
+Beruhigen der Wasser abwartend, gegen den Wind anzukreuzen.</p>
+
+<p>Es war eine Fregatte, aber von welchem Land? Diese Frage besch&auml;ftigte
+jetzt Alle in &auml;ngstlicher Spannung, und wie die meisten der
+Eingeborenen gerade jetzt, nach ihrer vorhergegangenen Demonstration
+das Erscheinen des ihnen nur zu gut bekannten <span class="f">Du Petit Thouars</span> mit
+seinem Fahrzeug f&uuml;rchteten, so &auml;ngstlich waren sie, sich zu fr&uuml;h der
+freudigen Hoffnung hinzugeben da&szlig; es noch ein Englisches Kriegsschiff
+sein k&ouml;nne, ihre erstrebte Unabh&auml;ngigkeit zu best&auml;tigen.</p>
+
+<p>Die Meinungen &uuml;ber das Aussehen des Schiffes waren dabei getheilt,
+w&auml;hrend es Einzelne der Europ&auml;er nach dem Bau der Masten, denn von den
+Segeln war gar Nichts zu erkennen, f&uuml;r einen Franzosen hielten,
+behaupteten Andere den Amerikanischen Zuschnitt daran zu erkennen und
+nur ein kleiner Theil beharrte auf seinem Ausspruch England sei nicht
+zu<span class='pagenum'> <a name="Page_97" id="Page_97">[97]</a></span> verkennen und die Englische Flagge w&uuml;rde sich zeigen, so bald die
+Fregatte den Eingang passire.</p>
+
+<p>Selbst die gerade in Papetee anwesenden, und gerade heute zu einer
+vertraulichen Sitzung berufenen Missionaire standen auf der Verandah
+des, in Papetee ans&auml;ssigen Bruder Dennis versammelt, und blickten mit
+etwas &auml;ngstlicher Spannung der Entfaltung der Flagge entgegen, die
+besonders auf ihre Wirksamkeit einen entschiedenen Einflu&szlig; aus&uuml;ben
+mu&szlig;te.</p>
+
+<p>Noch vor dem Sturm hatte ihre Sitzung begonnen, und w&auml;hrend die
+Windsbraut heulend an den Pfosten des Hauses r&uuml;ttelte, die Palmen wie
+Weidenruthen niederbog, und die reifen Fr&uuml;chte von den B&auml;umen ri&szlig;, den
+Boden zu streuen mit Orange und Brodfrucht, die saftigen Stiele der
+Banane umknickte und duftige Bl&uuml;then weit und hoch hinaus in die Berge
+f&uuml;hrte, lagen die schwarz gekleideten M&auml;nner in dem langen luftigen
+Geb&auml;ude auf den Knieen; und mischten ihre Hymnen und S&auml;nge mit dem
+Gebr&uuml;ll des Orkans, ein Preislied dem Herrn der St&auml;rke und
+Barmherzigkeit.</p>
+
+<p>Es waren die Br&uuml;der Rowe, Dennis und Nelson, Mc. Kean, Smith und
+Brower, zusammengekommen zu vertraulicher Berathung in so schwerer
+Zeit, und die eigentlichen Vertreter auch, wenigstens die wichtigsten,
+die sich gegenw&auml;rtig in der S&uuml;dsee<span class='pagenum'> <a name="Page_98" id="Page_98">[98]</a></span> befanden, der Evangelischen Lehre
+nicht mehr nur Bahn zu brechen unter den Heiden, obgleich auch jetzt
+noch ganze Gruppen von Inseln ihren G&ouml;ttern treu geblieben waren und
+den neuen Glauben mistrauisch von sich wiesen, sondern sich zu wahren
+und sch&uuml;tzen gegen den Katholicismus, der ihren Fu&szlig;tapfen gefolgt war
+und die Fl&uuml;gel jetzt ausbreitete, ihr eigenes Licht zu verdunkeln.</p>
+
+<p>Bruder Dennis war unter diesen, und besonders in seinem Charakter als
+Missionair, jedenfalls der bedeutenste, und wenn auch nicht einer der
+&auml;ltesten, doch jedenfalls der eifrigsten Lehrer der Inseln, wo es nur
+galt dem einen heiligen Ziel entgegenzustreben, den Heiland zu
+verk&uuml;nden und seiner Wunden Blut zu predigen in der W&uuml;ste. Er auch war
+Einer der Wenigen, die mit Hintansetzung jedes Gedankens an sich
+selbst in die Fremde zogen, die Bibel im Arm, das gehobene Kreuz, ja
+das Schwert in der rechten, wenn gereizt seinen Schatz zu
+vertheidigen, und r&uuml;cksichtslos weiter schreitend dabei, welchen
+Glauben, welche Familienverh&auml;ltnisse er unter die F&uuml;&szlig;e trat, wenn er
+nur die Seelen der Verdammten rettete, und ihnen das Heil k&uuml;ndete, das
+ihnen Gott geboten, und das den Weg um die ganze Erde genommen, zu
+ihnen zu gelangen.</p>
+
+<p>Eigennutz, Ehrgeiz war ihm fremd, keine Familien<span class='pagenum'> <a name="Page_99" id="Page_99">[99]</a></span>bande fesselten ihn,
+nicht Freundschaft, nicht Liebe hatten sein Herz auch nur f&uuml;r eine
+Stunde dem einen hohen Zweck seines Lebens abwendig machen k&ouml;nnen, und
+er hielt den Tag f&uuml;r verloren, an dem er nicht wenigstens einen,
+seinem Verderben entgegengehenden S&uuml;nder wach ger&uuml;ttelt, und ihm den
+Abgrund gezeigt an dem er wandele, oder geduldet und gelitten hatte in
+der Verbreitung jenes Glaubens, der ihm Licht und Seligkeit und Luft
+und Liebe war.</p>
+
+<p>Von schm&auml;chtigem aber nicht schw&auml;chlichem K&ouml;rperbau, z&auml;h bis zum
+&auml;u&szlig;ersten und an Entbehrungen und Strapatzen gewohnt, die er eher
+aufsuchte als vermied, hatte er schon den gr&ouml;&szlig;ten Theil der Inseln
+durchstreift, den feindlichsten St&auml;mmen dort mit &raquo;christlicher
+Demuth&laquo;, wie er's nannte, getrotzt, und ihren Hohen Priestern in den
+Bart die Machtlosigkeit und Nichtigkeit ihrer G&ouml;tzen verk&uuml;ndet. Die
+Indianer achten den Muthigen, wo sie ihn auch finden, und muthig
+wahrlich mu&szlig;te der sein, der allein und unbewaffnet in einem
+feindlichen Gebiet wahrhaft tollk&uuml;hn das angriff, was der Gegner am
+theuersten hielt, und wof&uuml;r er sein Leben eingesetzt h&auml;tte es zu
+bewahren; ja unter den Opferkeulen selbst hatte ihn schon dieser
+starre fanatische Trotz gerettet, und ihm die Achtung seiner
+bisherigen Feinde, ja oft den sp&auml;teren Sieg &uuml;ber sie, gesichert.<span class='pagenum'> <a name="Page_100" id="Page_100">[100]</a></span></p>
+
+<p>Hier nun schon den Sieg in H&auml;nden, l&auml;&szlig;t es sich denken, mit welchem
+Schmerz und Zorn der &raquo;Diener des Herren&laquo; <span class="g">fremde</span> Priester eindringen
+sah in sein Heiligthum, und den Bau untergraben, an dem seine Kirche
+schon Jahrzehende gebaut, und der ein Tempel Zions zu werden versprach
+in Pracht und Herrlichkeit. Mit zagender Hoffnung wohl, aber auch mit
+Furcht und Mi&szlig;trauen sah er deshalb dem Entfalten jener Flagge
+entgegen, die ihnen entweder die frohe H&uuml;lfe vom Mutterlande brachte,
+nach der sie sogar schon einen der Ihrigen, den ehrw&uuml;rdigen Mr.
+Pritchard, zugleich Consul Ihrer Britannischen Majest&auml;t abgesandt
+hatten, oder neue Schwierigkeiten und Verlegenheiten bereiten konnte,
+den gierigen Forderungen Franz&ouml;sischer Capitaine gegen&uuml;ber.</p>
+
+<p>Die Br&uuml;der Rowe und Nelson in ihrem so verschiedenartigen Charakter
+kennen wir schon.</p>
+
+<p>Zwei Andere, Mc. Kean und Brower waren einfache Leute, Menschen, die
+ihre Lebenszeit in der Bibel gegraben, das edle Metall mit dem tauben
+Gestein m&uuml;hsam und unverdrossen heraufgeschafft, ohne im Stande zu
+sein es zu schmelzen und zu scheiden, und es nun Bergehoch um sich
+aufgeschichtet hatten, eine treffliche Wehr wenigstens, nach Jedem zu
+schleudern, der ihnen nahe kommen und ihre Stellung ihnen streitig
+machen oder bekritisiren wollte.<span class='pagenum'> <a name="Page_101" id="Page_101">[101]</a></span></p>
+
+<p>Bruder Smith zeigte sich als eine von diesen ganz verschiedene
+Pers&ouml;nlichkeit; klein und geschmeidig hatte er sich dem Missionswesen
+gewidmet, wie er sich irgend einem andern Stand oder Gesch&auml;ft gewidmet
+haben w&uuml;rde. Von Enthusiasmus war bei ihm keine Rede, von Schw&auml;rmerei
+noch weniger. Er betrachtete das ganze innere Sein der Mission auf
+eine &auml;cht irdische und praktische Art als ein <span class="g">Gesch&auml;ft</span>, das ihm durch
+die Missionsgesellschaft vom lieben Gott &uuml;bertragen worden, und auf
+diesem entlegenen Winkel schien er nun vollkommen bereit alle solche
+Pflichten, die ihm vorgeschriebener Weise oblagen, auch getreulich zu
+erf&uuml;llen, vorausgesetzt jedoch, da&szlig; ihm dann der liebe Gott, neben
+anderen Kleinigkeiten, auch noch die Bitte des t&auml;glichen Brodes mit
+seinen verschiedenen Variationen erf&uuml;lle. Ein ausgezeichneter
+Gesch&auml;ftsmann au&szlig;erdem, war eine seiner Hauptbesch&auml;ftigungen die, von
+England zur Unterst&uuml;tzung der Mission eingegangenen Waaren, die
+nat&uuml;rlich einen gr&ouml;&szlig;eren Werth hatten als Geld selber, gegen
+Roh-Produkte oder Fabrikate der Indianer, soweit sie deren
+herstellten, ja gegen Arbeitskraft selbst und geleistete Dienste
+anzubringen, und einen besseren Mann hierzu h&auml;tte sich die
+Gesellschaft nicht w&auml;hlen k&ouml;nnen. Schicklicher w&auml;re es jedenfalls
+gewesen hierzu einen besonderen Mann engagirt zu haben, der dann
+weiter<span class='pagenum'> <a name="Page_102" id="Page_102">[102]</a></span> Nichts mit dem geistlichen Theil des &raquo;Gesch&auml;fts&laquo; h&auml;tte zu thun
+haben d&uuml;rfen; das Lehrergesch&auml;ft leidet, wo der Lehrer zu gleicher
+Zeit neben seinen geistigen Ausgaben seine weltlichen Einnahmen
+berechnen mu&szlig;. Bruder Smith wu&szlig;te aber Beides auf so geschickte Art zu
+vereinigen, und die Waare mit solcher Salbung, die Lehre mit solcher
+berechnenden Klugheit auszugeben, da&szlig; die Insulaner zuletzt nicht
+selten beides Empfangene gar nicht mehr von einander zu unterscheiden
+vermochten und in Zweifel waren, f&uuml;r was von den beiden Sachen sie ihr
+Cocosnu&szlig;&ouml;l und ihre Perlen und Muschelschalen eigentlich zu Markt
+gebracht, und ob sie ein gutes oder schlechtes Gesch&auml;ft dabei gemacht.</p>
+
+<p>Bruder Smith hatte auch lange nicht das Schroffe, Absto&szlig;ende des
+finsteren Rowe, ja selbst des schw&auml;rmerischen Dennis. Bei dem Gebet
+stand besonders der Letztere wie ein z&uuml;rnender Geist, bereit Gottes
+Zorn auf Jeden niederzudonnern, der anders dachte oder sprach als er,
+w&auml;hrend Bruder Smith mit ruhiger Ueberlegung die praktische Seite des
+Christlichen Glaubens nicht allein nicht vers&auml;umte, sondern sogar nach
+au&szlig;en drehte. Der Eine gewann, der Zweite erhielt die Heiden dem
+Christenthum.</p>
+
+<p>Brower und Mc. Kean waren ein Mittelding der Beiden, mehr an der Form
+wie dem Sinne des Gan<span class='pagenum'> <a name="Page_103" id="Page_103">[103]</a></span>zen h&auml;ngend; Smith wand sich zwischen Allen
+durch. Mit einem anerkennungswerthen Scharfblick der Charaktere,
+zwischen denen er sich befand, war er Schw&auml;rmer oder Enthusiast, Mann
+der Form oder des einfachen Glaubens, der in dem Glauben gerade den
+Formen blindlings folgt, aber diese nur eben vom Glauben abh&auml;ngig
+macht, nicht diesen ihnen unterwirft. Nie jedoch verlor er den Nutzen
+irgend einer Stunde aus dem Auge und unerm&uuml;dlich im Sammeln f&uuml;r seinen
+heiligen Zweck, wuchsen ihm die Bed&uuml;rfnisse aus dem Boden, und wurden
+zu B&auml;umen, die ihre Fr&uuml;chte im reichen vollen Maa&szlig; auf ihn zur&uuml;ck und
+nieder sch&uuml;ttelten.</p>
+
+<p>Auch er war der gedrohten Oberherrschaft Frankreichs in innerster
+Seele abgeneigt, aber nicht ganz allein mit jener geistigen
+Ueberzeugung, mit der Bruder Dennis den Untergang der Gerechten vorher
+k&uuml;ndete, wenn sie sich durch die Irrlehren verf&uuml;hren lie&szlig;en vom
+rechten Pfade abzuweichen, sondern mehr fast im merkantilischen
+Interesse. Die Franzosen hatten n&auml;mlich unter dem Schutz ihrer Kanonen
+angefangen, eine Quantit&auml;t der verschiedensten, bis jetzt von ihm mit
+Vortheil abgesetzten Waaren, auf die Insel geworfen, deren Preise <span class="g">er</span>
+fr&uuml;her allein bestimmen konnte, w&auml;hrend sich ihm jetzt dadurch eine in
+der That nicht unbedeutende Concurrenz er&ouml;ffnete. Bunt<span class='pagenum'> <a name="Page_104" id="Page_104">[104]</a></span> und ordin&auml;r
+gedruckte Kattune, f&uuml;r die er bis jetzt mit Leichtigkeit einen halben
+Dollar per Yard erhalten, verschleuderten leichtsinnig junge Franzosen
+um die H&auml;lfte, und das Volk h&auml;tte von einem <span class="g">Heiden</span> gekauft, wenn es
+die Waare billiger bekommen, wie viel mehr nicht von den &raquo;neuen
+Christen&laquo;. Die Eindringlinge bezahlten au&szlig;erdem f&uuml;r die Produkte der
+Indianer weit mehr, als sie vern&uuml;nftiger Weise h&auml;tten zahlen sollen,
+wenn sie sich nicht den Markt f&uuml;r sp&auml;tere Zeiten verderben wollten. Es
+war keine Ordnung in der Sache, und der Kaufmann ging mit dem Christen
+Hand in Hand, der Evangelischen Kirche den Sieg zu erflehen &uuml;ber die
+&raquo;Baalspriester&laquo; wie sie gew&ouml;hnlich von den Kanzeln genannt wurden.</p>
+
+<p>Doch zur&uuml;ck zu unserem Schiff, das die Aufmerksamkeit der am Strand
+Stehenden auf das Peinlichste spannte, und immer noch mit den kahlen
+Masten gesonnen schien vorbei zu streichen, ohne auch nur einmal die
+Farbe seiner Flagge zu zeigen.</p>
+
+<p>&raquo;Segne meine Seele!&laquo; rief ein dicht am Strand stehender Neger, der
+fr&uuml;her einmal von einem Wallfischf&auml;nger auf irgend einer Insel
+entsprungen war und seinen Weg nach Tahiti gefunden hatte, wo er jetzt
+bei den Eingeborenen, theils seiner au&szlig;erordentlich gl&auml;nzenden
+schwarzen Farbe, theils seiner Wohlbeleibtheit wegen als eine Art
+Autorit&auml;t in Seem&auml;n<span class='pagenum'> <a name="Page_105" id="Page_105">[105]</a></span>nischen F&auml;llen galt &mdash; &raquo;segne meine Seele, wenn
+ich nicht glaube der Bursche will einlaufen. Wenn er das bei <span class="g">der</span> See
+versucht kann er sich darauf verlassen da&szlig; er heute in <span class="f">Davys locker</span>
+(Seeausdruck f&uuml;r Unterwelt) zu Nacht speist, denn kein Dampfschiff
+k&ouml;nnte sich frei von den Leeriffen halten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und was f&uuml;r ein Segel glaubst Du da&szlig; es ist, Pompey?&laquo; frug ihn Tati,
+der H&auml;uptling, der unfern von ihm stand und das Fahrzeug mit finsterem
+Blick betrachtet hatte.</p>
+
+<p>&raquo;Englisch, <span class="f">by God</span> Massa,&laquo; rief der Neger rasch, der den H&auml;uptling
+kannte &mdash; &raquo;englisch, jeder Zoll von ihr<a name="FNanchor_D_4" id="FNanchor_D_4"></a><a href="#Footnote_D_4" class="fnanchor">[D]</a> &mdash; und ein Dorn
+wahrscheinlich in Massa Gumbo's<a name="FNanchor_E_5" id="FNanchor_E_5"></a><a href="#Footnote_E_5" class="fnanchor">[E]</a> Augen da dr&uuml;ben, der jetzt zwischen
+zwei Feuer kommt, wenn er den Schwarz-R&ouml;cken einheizen und Land
+pachten will von K&ouml;nigin Pomare, haw, haw, haw. Nun sollte noch ein
+Franzmann dazu kommen, dann giebt's Spa&szlig;; aber dies Kind ging in die
+Berge, Massa, denn wenn sie hier mit</p>
+
+<p><span class='pagenum'><a name="Page_106" id="Page_106">[106]</a></span></p><p>den eisernen B&auml;llen an zu spielen fingen, w&uuml;rd' es Manchem zu warm in
+seinem Rocke werden.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Die <span class="f">Reine blanche</span> ist's,&laquo; lautete aber eine andere Meinung, die bald
+wie ein Lauffeuer durch die Menschenmasse lief, denn der gef&uuml;rchtete
+Admiral <span class="f">Du Petit Thouars</span> war schon lange wieder im Hafen erwartet
+worden, und trotz den zuversichtlichen Behauptungen der Missionaire
+da&szlig; England ihnen jedenfalls Schutz und H&uuml;lfe senden werde, gegen den
+R&ouml;mischen Feind, traute man doch den Kanonen des Letzteren nicht, der
+die Stadt jetzt schon zwei Mal mit seinen eisernen Flanken bedroht und
+sie gezwungen hatte, seine Bedingungen anzunehmen.</p>
+
+<p>Der Franz&ouml;sische Consul hatte gegen die letzte Verhandlung protestirt
+und war zornig fortgegangen; welchen Bericht w&uuml;rde er dem
+Franz&ouml;sischen Admiral machen? &mdash; und die K&ouml;nigin mu&szlig;te es dann wieder
+entgelten, wie schon fr&uuml;her.</p>
+
+<p>&raquo;Da &mdash; dort geht die Flagge vom Talbot!&laquo; rief da Pompey pl&ouml;tzlich &mdash; &raquo;und da die Privatsignale &mdash; er wird den Andern vorm Einlaufen warnen
+wollen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Dort kommt was Buntes an Bord drau&szlig;en!&laquo; schrie ein Eingeborener, der
+trotz dem noch heftigen Wehen und Schaukeln des Baumes auf eine Palme
+geklettert war, einen bessern Ueberblick zu gewinnen &mdash; &raquo;gleich wird's
+heraus sein!&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_107" id="Page_107">[107]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Da kommt die Flagge &mdash; alt England f&uuml;r immer!&laquo; jubelte ein junger
+Bursch, ein Seecadet des Talbot der auf Urlaub an Land gewesen war,
+wie der Sturm begonnen &mdash; &raquo;dort weht der <span class="f">Union Jack</span> und Monsiehr Crapo
+hat sich zu fr&uuml;h gefreut wenn er glaubte es k&auml;me ein Landsmann.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Englische Flagge &mdash; Englische Fregatte!&laquo; schrie und wogte es aber
+auch jetzt am Land durcheinander, die Missionaire auf der Verandah
+dr&uuml;ckten einander die Hand, und ein gro&szlig;er Theil der Insulaner jubelte
+allerdings dem fremden Schiffe entgegen, Manche aber auch von Tati's
+Anhang schauten gar zornig drein, und sahen die Parthei schon wieder
+Sieger, die ihnen bis dahin immer st&ouml;rend und hemmend im Weg
+gestanden.</p>
+
+<p>Die beiden Englischen Kriegsschiffe hatten indessen rasch
+verschiedene, nur ihnen bekannte Signale gewechselt, und die fremde
+Fregatte hielt noch fortw&auml;hrend auf die M&uuml;ndung des Hafens zu, als ob
+sie die Einfahrt, trotz Wind, Wogen und Coralle, erzwingen wolle; wenn
+aber auch der wirkliche Sturm nachgelassen hatte, wehte der Westwind
+doch noch viel zu stark das Einlaufen in den Hafen, w&auml;ren selbst die
+furchtbaren Brandungswellen nicht gewesen, wagen zu d&uuml;rfen und die
+Fregatte, die auch vielleicht nur diese Stellung angenommen ihre
+Signale ordentlich und deutlich auswehen zu lassen, fiel wieder vor
+dem<span class='pagenum'> <a name="Page_108" id="Page_108">[108]</a></span> Winde ab, bra&szlig;te ihre Marssegel vierkant und flog, fast vor Top
+und Takel nur, aus dem Bereich der gef&auml;hrlichen Klippen, drau&szlig;en
+vielleicht wieder beizudrehen und das R&uuml;ckwechseln des Windes in den
+gew&ouml;hnlichen Passat, der gar nicht lange mehr ausbleiben konnte,
+abzuwarten.</p>
+
+<p>So lange die Signale noch dauerten, hatten sich die Eingeborenen
+ziemlich ruhig gehalten; nur einige der der K&ouml;nigin und den
+Missionairen ergebenen H&auml;uptlinge, besonders Aonui und Potowai waren
+hinauf in das Haus gegangen, wo sie die frommen M&auml;nner versammelt
+sahen, deren Meinung &uuml;ber das Englische Kriegsschiff, das jedenfalls
+einzukommen beabsichtigte, zu h&ouml;ren. Die Missionaire hatten nur eine
+Stimme dar&uuml;ber; sie hofften da&szlig; es ihnen g&uuml;nstig lautende Nachrichten
+von England bringen w&uuml;rde, ja da&szlig; vielleicht Bruder Pritchard selber
+an Bord sei, die Rechte der Insulaner zu best&auml;tigen und mit der
+gesandten Macht zu besch&uuml;tzen.</p>
+
+<p>Das war genug, wie ein Lauffeuer zog sich die frohe Botschaft durch
+die einzeln am Strand zerstreuten Gruppen: &raquo;Das Kriegsschiff ist f&uuml;r
+uns gekommen; die Franzosen haben Nichts mehr auf den Inseln zu
+befehlen &mdash; der Vertrag den sie abgeschlossen haben, und der nur dahin
+berechnet war uns zu ihren Sclaven zu machen und das G&ouml;tzenthum wieder
+ein<span class='pagenum'> <a name="Page_109" id="Page_109">[109]</a></span>zuf&uuml;hren, ist vernichtet und keine Flagge soll hier mehr wehen als
+die Tahitische und Englische!&laquo;</p>
+
+<p>Aonui war der Wildeste zwischen ihnen.</p>
+
+<p>&raquo;Br&uuml;der, der Tag der Vergeltung ist erschienen!&laquo; schrie er, auf einen
+Haufen dort aufgefahrenen und zum Ausarbeiten von Canoes bestimmten
+Holzes springend, von dem aus er die unter ihm Stehenden leicht
+&uuml;bersehen konnte, &raquo;die Beretanis kommen &mdash; die uns die Bibel gebracht
+haben, bringen uns jetzt auch Kanonen unsere Bibel zu vertheidigen &mdash; die Beretanis sind gut &mdash; wir wollen Nichts weiter &mdash; wir haben die
+Bibel und die Feranis k&ouml;nnen gehen, wir halten sie nicht &mdash; wir wollen
+ihnen Freude w&uuml;nschen &mdash; aber nicht hier, irgend wo anders. &mdash; Wir
+haben die Feranis lieb &mdash; sehr lieb &mdash; es sind auch unsere Br&uuml;der &mdash; aber nicht so Br&uuml;der wie die Beretanis; andere Art. Die Beretanis
+haben uns die Bibel gebracht, die Feranis wollen sie wieder nehmen. &mdash; Feranis haben viel Platz wo anders &mdash; wir wollen ihnen Freude
+w&uuml;nschen.&laquo;</p>
+
+<p>Das etwa war der Sinn der Rede, die der H&auml;uptling, die einzelnen S&auml;tze
+immer auf's Neue wiederholend, seinen Landsleuten vorschrie, denn der
+um ihn wogende Tumult dauerte indessen fort und er konnte ihn mit
+seiner Stimme nicht beschwichtigen, er mu&szlig;te ihn selbst &uuml;bert&ouml;nen;
+aber den Sinn ver<span class='pagenum'> <a name="Page_110" id="Page_110">[110]</a></span>standen sie doch, den ungef&auml;hren Sinn des Ganzen
+wenigstens, und von Mund zu Mund lief der Ruf: &raquo;Fort mit den Feranis,
+fort mit der Flagge, wieder an Bord mit den Priestern die uns die
+neuen G&ouml;tzen auf die Berge gestellt haben, den alten zum Trotz, und
+uns unseren Glauben nehmen wollen und unser Land und die Bibel. Wir
+haben die Bibel wir verlangen nicht mehr!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Bin nur neugierig&laquo; sagte Pompey, der Neger, zu einem zuf&auml;llig neben
+ihm stehenden Seemann, unserm alten Bekannten, dem Iren Jim &mdash; &raquo;was
+sie heute wieder f&uuml;r Dummheiten anrichten werden, Mister &mdash; seht nur
+einmal wie die schwarz gekleideten Gentlemen da hinten so eifrig gegen
+einander die H&auml;nde und Arme werfen, und streiten &mdash; sie hacken Alle
+auf den Einen ein mit den wei&szlig;en Haaren, der wird wohl der einzige
+Vern&uuml;nftige unter ihnen sein.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und wie so, mein Bursche?&laquo; frug Jim O'Flannagan der mit den Augen der
+Richtung gefolgt war, die ihm der Neger angab, und den Blick jetzt
+forschend auf den allerdings sehr heftig mit einander gesticulirenden
+Missionairen weilen lie&szlig; &mdash; &raquo;es geht ja Alles so h&uuml;bsch und trefflich
+wie es nur gehen kann.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;H&uuml;bsch und trefflich? &mdash; hm, ja, &mdash; Manchem gef&auml;llt's so,&laquo; sagte der
+Neger und betrachtete sich den Fremden etwas genauer, ohne da&szlig; Jim
+etwa darauf<span class='pagenum'> <a name="Page_111" id="Page_111">[111]</a></span> geachtet h&auml;tte &mdash; &raquo;aber hallo Mister,&laquo; setzte er
+pl&ouml;tzlich hinzu, &raquo;haben wir nicht einander schon einmal da dr&uuml;ben bei
+M&uuml;tterchen Tot getroffen?&laquo; Der Ire lachte.</p>
+
+<p>&raquo;Ich bin &uuml;berall zu finden wo es gute Gesellschaft giebt,&laquo; sagte er
+mit einem etwas zweideutigen Blick auf seinen schwarzen Gef&auml;hrten,
+&raquo;aber Freund, habt Ihr eine Idee wo die Geschichte hier hinaus will? &mdash; wie mir scheint wollen die guten Leute alle Franzosen ohne weitere
+S&auml;umni&szlig; aufpacken, und an Bord der <span class="f">Jeanne d'Arc</span> schicken?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Toll genug w&auml;ren sie dazu,&laquo; brummte der Schwarze, &raquo;und das hier w&auml;r'
+auch nicht der erste derartige dumme Streich, den sie machten; wenn's
+Jemand gut mit ihnen meinte, sollt' er's verhindern.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wen geht's denn 'was an?&laquo; lachte der Ire, &raquo;daf&uuml;r haben sie auch ihre
+Seelsorger ihnen den richtigen Weg zu zeigen &mdash; hallo, kennt Ihr die
+Beiden da, die scheinen's eilig zu haben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das sind die beiden ersten H&auml;uptlinge der Insel, Tati und Utami,&laquo;
+sagte der Neger schnell, &raquo;wenn die ihren Weg h&auml;tten, w&uuml;&szlig;t' ich <span class="g">wen</span> sie
+vor allen Dingen auf das erste beste Schiff packten und nach Leew&auml;rts
+schickten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Kann mir's denken,&laquo; sagte der Ire trocken, &raquo;'s kommt nur darauf an
+jetzt, wer zuerst ein Schiff<span class='pagenum'> <a name="Page_112" id="Page_112">[112]</a></span> frei hat, Engl&auml;nder oder Franzose, und
+dem lieben Gott bleibt jetzt die Wahl vollkommen offen, wen er hier
+behalten will, Katholiken oder Protestanten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wenn sie den Feranis hier was zu Leid thun, schie&szlig;t ihnen der
+Franzose den ganzen Bettel zusammen &mdash; und ich habe da dr&uuml;ben auch ein
+kleines H&auml;uschen stehn,&laquo; meinte der Neger.</p>
+
+<p>&raquo;Wenn's hinter dem Berge l&auml;ge k&ouml;nnt' er aber anfangen wann er wollte?&laquo;
+frug Jim, mit einem Seitenblick auf den Neger, den dieser mit einem
+breiten Grinsen, das zwei Reihen prachtvoller Z&auml;hne aufdeckte,
+beantwortete.</p>
+
+<p>Die Aufmerksamkeit der Beiden wurde aber bald f&uuml;r das Haus in Anspruch
+genommen, in dem sich die Missionaire befanden, denn dorthin dr&auml;ngte
+das Volk und schien von diesen eine bestimmte Leitung ihres Unmuths,
+dem sie selber eigentlich noch nicht recht Ausdruck zu geben wu&szlig;ten,
+zu verlangen.</p>
+
+<p>&raquo;Nieder mit der Flagge der Feranis!&laquo; t&ouml;nte der Schrei &mdash; &raquo;fort mit den
+Priestern &mdash; England hat seine Schiffe zu uns geschickt uns zu
+besch&uuml;tzen, wir wollen nichts weiter mit den Wi-Wis zu thun haben &mdash; fort mit ihnen &mdash; fort!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das thut kein Gut,&laquo; sagte da, in der Sprache der Insel, ein schlanker
+Mann mit starkem Backen- und Schnurrbart, der an dem Iren und Neger
+mit<span class='pagenum'> <a name="Page_113" id="Page_113">[113]</a></span> den, schon vorher von ihnen bemerkten H&auml;uptlingen rasch
+vorbeischritt &mdash; &raquo;das thut wahrlich kein gut, und sie werden sich die
+Folgen ihres th&ouml;richten Handelns sp&auml;ter selber zuzuschreiben haben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Die Missionaire treiben's zum Aeu&szlig;ersten in ihrem stolzen Wahn,&laquo;
+sagte Tati.</p>
+
+<p>&raquo;Und ihre kurzsichtige Politik wird ihnen das geistliche wie ihrer
+armen K&ouml;nigin das weltliche Regiment rauben,&laquo; sagte der erste
+Sprecher; &raquo;die einzige Rettung die dem Lande noch blieb, war eine
+vern&uuml;nftige M&auml;&szlig;igung, die Missionair wie Franzose zugleich im Zaum
+gehalten h&auml;tte.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sagt das den Priestern, Consul M&ouml;renhout, und sie zucken die Achseln
+und bedauern bei der Sache nichts thun zu k&ouml;nnen, da sie sich <span class="g">nie</span> in
+die Politik dieses Landes mischten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Heuchler!&laquo; zischte der Consul zwischen den Z&auml;hnen durch und schritt
+jetzt, die H&auml;uptlinge verlassend, rasch der Verandah zu, an deren
+Treppe er eben den beiden Missionairen Dennis und Rowe begegnete, die,
+von Nelson und Smith gefolgt, gerade niederstiegen. Als Mr. Rowe den
+Franz&ouml;sischen Consul auf sich zukommen sah, blieb er stehen und sagte,
+noch ein paar Stufen h&ouml;her als dieser, mit unendlicher Milde und
+Freundlichkeit auf ihn niederblickend:<span class='pagenum'> <a name="Page_114" id="Page_114">[114]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Und was f&uuml;hrt unseren sehr ehrenwerthen Freund in solcher Aufregung
+zu uns?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Mr. Rowe,&laquo; erwiederte aber der Consul, ohne auf Ton oder Bemerkung
+der Frage einzugehen, und rasch die Stufen, selbst an dem Geistlichen
+vorbei, hinaufsteigend &mdash; &raquo;ich m&ouml;chte ein paar Worte mit Ihnen und den
+&uuml;brigen Herren sprechen; aber augenblicklich sprechen&laquo; &mdash; setzte er
+rasch und ungeduldig hinzu, als er sah wie die geistlichen Herren noch
+unschl&uuml;ssig z&ouml;gerten. &raquo;Es gilt auch jetzt nicht die Privat-Interessen
+eines Protestantischen oder Katholischen Priesters,&laquo; fuhr er gereizt
+und heftig fort, &raquo;es gilt die Interessen, das Wohl dieses Landes,
+dessen Entscheidung Sie nun einmal &mdash; mit welchem Rechte soll hier
+uner&ouml;rtert bleiben &mdash; in die Hand genommen. Ihnen allein ist es jetzt
+&uuml;berlassen Alles noch friedlich zu Ende zu f&uuml;hren, oder auch einen
+Krieg heraufzubeschw&ouml;ren, der die traurigsten furchtbarsten Folgen
+haben m&uuml;&szlig;te.&laquo;</p>
+
+<p>Die Missionaire blieben erst stehn und drehten dann mit dem
+aufgeregten und gereizten Mann um, blieben aber oben auf der Verandah,
+wo sich die &uuml;brigen bald um Mr. Rowe und den Franz&ouml;sischen Consul
+sammelten, und der Erstere sagte freundlich:</p>
+
+<p>&raquo;Sie scheinen sich in der Person zu irren, verehrter Herr; wir Alle
+sind M&auml;nner des Friedens,<span class='pagenum'> <a name="Page_115" id="Page_115">[115]</a></span> denen es wahrlich nicht einfallen wird
+muthwillig, wie Sie meinen, einen Krieg heraufzubeschw&ouml;ren. Greift das
+Volk zu den Waffen, ein ihm unertr&auml;glich werdendes Joch abzusch&uuml;tteln,
+oder selbst erst der Gefahr auszuweichen, seinen Nacken darunter
+gebeugt zu bekommen, was k&ouml;nnen <span class="g">wir</span>, einzelne und unbewaffnete M&auml;nner
+daf&uuml;r oder dawider thun? ja <span class="g">d&uuml;rften</span> wir das Volk zur&uuml;ckhalten, selbst
+<span class="g">wenn</span> wir k&ouml;nnten, wo wir es auf der einen Seite von einer Religion
+bedroht sehen, die unserer schwachen Meinung nach zu ihrem jetzigen
+und sp&auml;teren Verderben f&uuml;hren m&uuml;&szlig;te, w&auml;hrend wir es in H&auml;nden haben,
+sie wenigstens auf ein einstiges Heil vorzubereiten.&laquo;</p>
+
+<p>Der Consul schritt rasch und &auml;rgerlich auf der Verandah auf und ab,
+erwiederte aber kein Wort &mdash; er f&uuml;hlte da&szlig; ihm bei der ersten Sylbe die
+er laut spr&auml;che, die Galle &uuml;berlaufen <span class="g">m&uuml;sse</span>, und wollte jetzt in
+diesem, vielleicht f&uuml;r sp&auml;tere Zeiten h&ouml;chst wichtigen Augenblick
+Alles vermeiden, was ihm sp&auml;ter vielleicht als Uebereilung oder Hitze
+h&auml;tte k&ouml;nnen zur Last gelegt werden.</p>
+
+<p>&raquo;Und weigern Sie sich wirklich?&laquo; sagte er endlich nach einer l&auml;ngeren
+Pause, und in der That erst, als der Ehrw&uuml;rdige Mr. Rowe schon wieder
+Miene machte die Verandah zu verlassen &mdash; &raquo;das blinde, mit allen
+Europ&auml;ischen Verh&auml;ltnissen unbekannte<span class='pagenum'> <a name="Page_116" id="Page_116">[116]</a></span> Volk von einem &uuml;bereilten
+Schritt, wie das Niederrei&szlig;en der Franz&ouml;sischen Flagge zur&uuml;ckzuhalten? &mdash; bedenken Sie nicht, da&szlig; sich dieselben traurigen Scenen der
+Franz&ouml;sischen Fregatte in Monaten vielleicht schon wiederholen, und
+Sie selbst dann in die mi&szlig;lichste Lage der Welt bringen k&ouml;nnen?&laquo;</p>
+
+<p>Der Ehrw&uuml;rdige Mr. Rowe warf den Kopf stolz empor, und sagte mit
+vielleicht absichtlich sehr lauter Stimme:</p>
+
+<p>&raquo;Weder Ihre Ueberredung Herr Consul, noch Ihre <span class="g">Drohungen</span> k&ouml;nnen uns zu
+einem Schritt bewegen, den wir f&uuml;r unvertr&auml;glich mit unserem Amte
+halten. Nicht die Politik, sondern die Religion dieses Landes brachte
+uns an diese K&uuml;ste, und Frankreich hatte vielleicht einmal die Absicht
+den Protestantismus, da es ihm nicht durch die Lehre seiner Priester
+gelang, mit Feuer und Schwert auszurotten; aber die Zeit ist Gott sei
+Dank vorbei. Der Englische Consul ist, wie Sie wissen schon vor
+l&auml;ngerer Zeit nach Gro&szlig;britannien gegangen, dort den Schutz unserer
+Confession, die Erhaltung unserer schwer erworbenen und verdienten
+Rechte zu sichern, und Sie sehen da drau&szlig;en in See in jenem
+hellblinkenden Segel die Antwort unserer Nation. <span class="f">Monsieur Du Petit
+Thouars</span> wird sich einen andern Wirkungskreis f&uuml;r seine Heldenthaten
+suchen m&uuml;ssen, denn nicht mehr blos mit<span class='pagenum'> <a name="Page_117" id="Page_117">[117]</a></span> wehrlosen Indianern und ihren
+friedlichen Lehrern und F&uuml;rsten hat er es von jetzt an hier zu thun.&laquo;</p>
+
+<p>M&ouml;renhout bi&szlig; sich auf die Lippen, blieb einen Augenblick, wie noch
+etwas &uuml;berdenkend, stehen, und wollte dann, ohne weiteres Wort, die
+Treppe wieder niedersteigen, als der alte ehrw&uuml;rdige Mr. Nelson seinen
+Arm ergriff und freundlich sagte:</p>
+
+<p>&raquo;Gehen Sie noch nicht, Consul M&ouml;renhout; ein gutes Werk darf nicht so
+leicht aufgegeben werden, und ich halte die Absicht daf&uuml;r, in der Sie
+hergekommen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Mr. Nelson spricht als ob dieses sogenannte &raquo;gute Werk&laquo; in unseren
+H&auml;nden l&auml;ge,&laquo; sagte Mr. Rowe gereizt.</p>
+
+<p>&raquo;Und das ist wahr!&laquo; rief aber der alte Mann in edlem Eifer ergl&uuml;hend,
+und die Hand ausstreckend gegen die unten tobende Schaar. &raquo;S&uuml;ndlich
+w&auml;re es von uns behaupten zu wollen, da&szlig; wir die Macht <span class="g">nicht</span> haben das
+Volk zum Guten zu leiten und in den Schranken der M&auml;&szlig;igung zu halten;
+ebenso wie es, in der jetzt &uuml;berdie&szlig; gereizten Stimmung, einem
+leichtsinnigen ungl&uuml;ckseligen Schritt entgegen zu treiben. Wir als die
+Lehrer des Volkes <span class="g">d&uuml;rfen</span> nicht entscheiden ob Englische ob
+Franz&ouml;sische Flagge das Recht habe hier zu wehen &mdash; unser Ziel ist,
+die Eingeborenen zu Christen, nicht zu Engl&auml;ndern oder Franzosen zu
+machen, und ihren H&auml;uptlingen, von unseren<span class='pagenum'> <a name="Page_118" id="Page_118">[118]</a></span> Consuln aber nicht von
+unseren Kanzeln unterst&uuml;tzt, bleibt es dann &uuml;berlassen, sich die
+Unabh&auml;ngigkeit ihres Landes zu wahren.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Es giebt Verh&auml;ltnisse,&laquo; fiel ihm hier Bruder Rowe in's Wort, der den
+aufsteigenden Grimm nicht l&auml;nger bemeistern konnte, &raquo;bei denen ein
+solches Zaudern in der guten Sache, das die Eingeborenen ihrem b&ouml;sen
+Geschick und den Gr&auml;ueln des Pabstthums &uuml;berlie&szlig;e, <span class="g">Verrath</span> genannt
+werden k&ouml;nnte.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wir haben den fremden Priestern vorgeworfen&laquo; entgegnete Nelson ruhig,
+&raquo;da&szlig; sie uns geschimpft und unsere Religion geschm&auml;ht haben; machen
+wir es besser, wenn wir von Gr&auml;ueln des Pabstthums reden? Ich bedauere
+das Eindringen jener fremden Lehre, die unsere Beichtkinder irre
+machen, und Zweifel bei ihnen erwecken mu&szlig;, aber ich m&ouml;chte sie nicht
+mit dem Schwert bek&auml;mpft, m&ouml;chte das Schwert nicht in unserer eigenen
+Mitte geschliffen sehen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Da&szlig; Bruder Nelson die neue Lehre nicht mit dem Schwert bek&auml;mpft sehen
+m&ouml;chte, hat er allerdings schon bewiesen,&laquo; sagte Mr. Rowe.</p>
+
+<p>&raquo;In dem was ich gethan, steh' ich vor meinem Gott gerechtfertigt,&laquo;
+erwiederte Nelson, ohne ein Zeichen von Bitterkeit, &raquo;der Menschen
+Urtheil mu&szlig; ich mich unterwerfen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wehe &uuml;ber Israel!&laquo; seufzte da der ehrw&uuml;rdige<span class='pagenum'> <a name="Page_119" id="Page_119">[119]</a></span> Mr. Brower und
+sch&uuml;ttelte trauernd mit dem Kopf, &raquo;das ist die kalte Gluth, die fremde
+Herzen erw&auml;rmen will, und nicht einmal im Stande ist, das eigene Feuer
+hell und lohend anzufachen. Wehe &uuml;ber die S&auml;umigen, die da z&ouml;gern und
+die Stunden z&auml;hlen zum Tag, und nicht wirken wollen so lang es noch
+Nacht ist; wehe &uuml;ber die Zaghaften am Tage des Gerichts, und wie
+Gottes Donner noch mahnend an der Erde Vesten r&uuml;ttelt, wird er ihnen
+ein Zornesruf in den Ohren sein!&laquo;</p>
+
+<p>Mr. M&ouml;renhout der das Gespr&auml;ch, oder vielmehr den Streit der
+Geistlichen mit kaum zu z&auml;hmender Ungeduld bis jetzt angeh&ouml;rt, und
+sich gewaltsam hatte zur&uuml;ckhalten m&uuml;ssen, seinem Unwillen nicht Luft
+zu machen, dabei aber noch immer hoffte eine vern&uuml;nftigere Ueberlegung
+doch Raum gewinnen zu sehen, mu&szlig;te nach den letzten Worten des
+fanatischen Priesters jeden solchen Glauben schwinden lassen, und nur
+noch einen letzten Versuch zu machen sagte er mit gezwungener Ruhe,
+der man aber das Gewaltsame wohl anmerken konnte:</p>
+
+<p>&raquo;Und so weigern Sie sich denn, meine Herren, den Frieden mit
+Frankreich aufrecht zu erhalten? &mdash; weigern sich dem Volk das
+Gef&auml;hrliche, ja das Wahnsinnige solcher Handlung vorzustellen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Weigern, Herr Consul,&laquo; unterbrach ihn Rowe<span class='pagenum'> <a name="Page_120" id="Page_120">[120]</a></span> entr&uuml;stet, &raquo;wir haben
+Nichts mit der Politik dieses Landes zu thun &mdash; mit jedem derartigen
+Antrag mu&szlig; ich Sie an die K&ouml;nigin selber weisen.&laquo;</p>
+
+<p>M&ouml;renhout wollte noch etwas erwiedern &mdash; er &ouml;ffnete schon den Mund und
+that einen Schritt auf den Missionair zu, der sich dem gereizten Blick
+des Mannes mi&szlig;trauisch aber doch muthig entgegenstellte; dann aber,
+wie sich eines Besseren besinnend, drehte er sich scharf auf seinem
+Absatz herum, blieb einen Moment, den vorn ausdehnenden Platz mit den
+Blicken &uuml;berfliegend stehen, winkte nach einer Stelle hin&uuml;ber, wo Tati
+und Utami mit dem jetzt zu ihnen gekommenen Paofai standen, und
+schritt dann, w&auml;hrend sich ihm die drei H&auml;uptlinge anschlossen, rasch
+und heftig mit ihnen gesticulirend, am Strand hinauf.<span class='pagenum'> <a name="Page_121" id="Page_121">[121]</a></span></p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fu&szlig;noten:</h3>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_D_4" id="Footnote_D_4"></a><a href="#FNanchor_D_4"><span class="label">[D]</span></a> Die Engl&auml;nder und Amerikaner nennen alle Arten von
+Fahrzeugen <span class="g">weiblich</span> und wie der Matrose behauptet aus einem allerdings
+nicht gerade schmeichelhaften Grund f&uuml;r das sch&ouml;ne Geschlecht: weil
+die Takelage, Segel etc. mehr koste als alles Uebrige.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_E_5" id="Footnote_E_5"></a><a href="#FNanchor_E_5"><span class="label">[E]</span></a> Gumbo's, der Spottname der Franzosen in Louisiana, nach
+einem dort bereiteten Lieblingsgericht derselben.</p></div>
+</div>
+
+
+<hr class="endchapter" />
+<h2><a name="Capitel_5" id="Capitel_5"></a>Capitel 5.</h2>
+<h3>Die K&ouml;nigin Pomare.</h3>
+
+
+<p>Der Sturm hatte nachgelassen, aber noch schleuderte der West den
+Wellenschaum gegen das Leeufer<a name="FNanchor_F_6" id="FNanchor_F_6"></a><a href="#Footnote_F_6" class="fnanchor">[F]</a> der Insel, und die schweren
+Palmenwipfel, die den Palast Aimatas, der vierten der Pomaren,
+umgaben, schwankten her&uuml;ber und hin&uuml;ber und sch&uuml;ttelten die schweren
+Tropfen aus der Fruchtgeschm&uuml;ckten Krone.</p>
+
+<p><span class="g">Der Palast der Pomaren</span> &mdash; ein Zauber lag sonst auf dem Heiligthum, das
+ein frohes gutm&uuml;thiges und deshalb auch leichtgl&auml;ubiges Volk mit <span class='pagenum'> <a name="Page_122" id="Page_122">[122]</a></span>
+allem ausgeschm&uuml;ckt, was seine Phantasie nur Gro&szlig;es und Erhabenes zu
+erfinden vermochte.</p>
+
+<p>Was lag daran ob nur Bambusst&auml;be das leichte Dach von Pandanusbl&auml;ttern
+st&uuml;tzten, nur feingeflochtene Matten und selbstgewebte Tapa den
+inneren Raum zierten und verhingen &mdash; was lag daran ob die H&auml;uptlinge
+aus einfachen Calebassen ihren Brodfruchtpoe verzehrten und den Saft
+der Cocosnu&szlig; dazu tranken, sie waren die von Oro besch&uuml;tzten F&uuml;rsten,
+und der Grund schon heilig, den ihr Fu&szlig; betrat.</p>
+
+<p>Und jetzt? &mdash; Der Verkehr mit den Europ&auml;ern hatte die alten einfachen
+Sitten der Insulaner verdr&auml;ngt &mdash; die Missionaire, anstatt sich ihrem
+einfachen Leben anzupassen, lenkten die Gier dieser sonst so
+anspruchslosen bescheidenen Wesen auf die fremden Sachen die sie in
+Masse mitgebracht; der Schutz der K&ouml;nige selber ward durch Geschenke &mdash; tolles Zeug das nur bunt drein schaute und zu weiter Nichts diente
+als den Platz ungem&uuml;thlich, unheimlich zu machen auf dem es stand &mdash; zu erhalten gesucht, und wie sich die F&uuml;rsten mehr den Fremden
+hingaben, deren eigenth&uuml;mliche Geschenke sie gewannen, wie sie von
+ihrer H&ouml;he niederstiegen und ihre G&ouml;tter selbst zuletzt gegen
+Glasperlen und andere bunte Sachen eintauschten, einen anderen <span class="g">Gott</span>
+anzuerkennen, den ihnen jene schwarzen finsteren M&auml;nner brachten, da
+war die<span class='pagenum'> <a name="Page_123" id="Page_123">[123]</a></span> k&ouml;nigliche Macht dahin, wenn auch der &auml;u&szlig;erliche Prunk noch
+blieb, ja f&uuml;r den Augenblick, wie das letzte Aufflackern einer Lampe,
+vielleicht noch auf kurze Zeit erh&ouml;ht und verst&auml;rkt wurde.</p>
+
+<p>Was die K&ouml;nigliche Majest&auml;t auf den Sandwichs Inseln, wo
+Republikanische Missionaire zuerst Gottes Wort hin&uuml;berbrachten, erhob,
+da&szlig; n&auml;mlich die Glieder der K&ouml;niglichen Familie, besonders die
+Frauen<a name="FNanchor_G_7" id="FNanchor_G_7"></a><a href="#Footnote_G_7" class="fnanchor">[G]</a> der Christlichen Religion anhingen, und sie mit dieser Macht
+auch das Volk dahin brachten sich zuletzt, wenigstens &auml;u&szlig;erlich, dem
+neuen Cultus zu unterwerfen, das hatte auf den Gesellschaftsinseln, wo
+die Priester einer Monarchie zuerst mit dem Kreuz und der Bibel
+landeten, die entgegengesetzte Wirkung in dem starren Trotz den die
+Pomaren, in ihren Herzen wenigstens, von je der Christlichen Religion
+entgegensetzten, bis in sp&auml;teren Jahren, und auch eigentlich erst
+durch Krankheit geknickt und in der Hoffnung mit H&uuml;lfe der Wei&szlig;en die
+Z&uuml;gel seiner Regierung wieder fester in die Hand nehmen zu k&ouml;nnen, der
+zweite Pomare zur christlichen Religion &uuml;bertrat, sonst aber seine
+Sitten, <span class='pagenum'> <a name="Page_124" id="Page_124">[124]</a></span>
+und sehr wahrscheinlich auch im Inneren seinen alten Glauben, ziemlich
+beibehielt.</p>
+
+<p>Die F&uuml;rsten, die man bis dahin f&uuml;r &uuml;bernat&uuml;rliche Wesen gehalten,
+wurden <span class="g">Menschen</span>, die G&ouml;tter, die bis dahin die Schicksale der V&ouml;lker
+regiert und die Hand gehalten hatten &uuml;ber Land und See, wurden zu
+St&uuml;cken Cocosholz, &mdash; der Glaube, die Furcht, ja das Schlimmste von
+Allem, die <span class="g">Liebe</span> des Volkes war ein Wahn, ein sch&ouml;ner Traum gewesen,
+und da&szlig; eben das Volk dann zu Extremen &uuml;bersprang, l&auml;&szlig;t sich denken.</p>
+
+<p>Das schlichte Bambushaus, zu dem der Tahitier sonst als dem
+Herrschersitz seiner K&ouml;nige mit scheuer Ehrfurcht aber auch mit Liebe
+aufgeblickt, war verschwunden, und an dessen Statt stand ein
+Europ&auml;isches Geb&auml;ude mit Schindeln gedeckt, mit Verandah und Treppe,
+mit Th&uuml;ren und Glasfenstern da, die W&auml;nde dicht und der k&uuml;hlen
+Seebrise undurchdringlich, das Dach fremd und unnat&uuml;rlich in die
+schlanken Palmen hineinstarrend &mdash; das Innere dabei wild und
+geschmacklos mit bunt und toll durch einander geworfenen Geschenken
+verschiedener Schiffe und L&auml;nder ausgeschm&uuml;ckt oder eher verstellt,
+mit Porcellan und Glas, mit Bronze und Messing, versilberten
+Leuchtern, vergoldetem Schmuck, mit Servicen und<span class='pagenum'> <a name="Page_125" id="Page_125">[125]</a></span> Geschirren, so
+geschmacklos als verwirrt geordnet oder besser gesagt aus dem Weg
+gestellt.</p>
+
+<p>Die nat&uuml;rliche Majest&auml;t des Ganzen war gewichen und eine gezwungen
+gek&uuml;nstelte jetzt nicht mehr im Stande selbst in den Augen des
+Eingeborenen zu imponiren. Die Ehrfurcht deshalb, die er dem
+schlichten Bambus und der einfachen Tapa gezollt, und die sich selbst
+auf die Pandanus-Matte erstreckte die der Fu&szlig; ber&uuml;hrte, weigerte er
+dem kostbaren Teppich und all jenen tausend und tausend
+&raquo;Kostbarkeiten,&laquo; die er staunend anstarrte, an denen er aber kalt, ja
+nicht selten mit einem L&auml;cheln auf den Lippen, vor&uuml;berging. Er kannte
+die Quelle aus der es flo&szlig;, Pomare ging nicht mehr mit Oro Hand in
+Hand und vor dem <span class="g">neuen Gott</span>, wie ihnen die fremden Lehrer oft und oft
+gesagt, <span class="g">waren ja alle Menschen gleich</span> &mdash; das Bischen Staat dabei hatten
+die Fremden mitgebracht, als Geschenke festen Fu&szlig; auf den Inseln zu
+fassen, es war Nichts darunter, vor dem man h&auml;tte Ehrfurcht haben
+k&ouml;nnen.</p>
+
+<p>Und r&uuml;cksichtslos wie der Menschen Hand an dem Hermelin der Majest&auml;t
+gerissen, und nach der Krone schon die Faust ausgestreckt, die Aimatas
+Stirn umzog, so hatte der Sturm in seiner tobenden Lust auch seinen
+Muth an dem geweihten Platz gek&uuml;hlt und hineingegriffen in das
+Heiligthum.<span class='pagenum'> <a name="Page_126" id="Page_126">[126]</a></span></p>
+
+<p>Wo eine Anzahl dichter herrlicher Palmen auf etwas offener Stelle
+wachsend, fr&uuml;her das Bambushaus der K&ouml;nigin &uuml;berschattet, und einander
+dabei zugleich Schutz und Schirm bieten konnten gegen die tollen
+Windgeister, die zu Zeiten &uuml;ber die Berge rasten, da hatten die
+meisten dieser stattlichen B&auml;ume, dem gr&ouml;&szlig;eren Geb&auml;ude Raum zu geben,
+weggeschlagen werden m&uuml;ssen, und die einzelnen, zur&uuml;ckgebliebenen,
+waren nicht mehr im Stande dem wilden West zu trotzen, wenn er den
+rasenden Ansprung nahm gegen sie, die wehenden Bl&auml;tter ihrer Krone
+fa&szlig;te und die Wipfel niederbog, scharf und gewaltig, bis fast zum
+Boden hin. Hei wie sie da oft zur&uuml;ckschnellten, in Grimm und Unmuth,
+dem tobenden Sturm gerad' in die Z&auml;hne, und die wehende Krone
+sch&uuml;ttelnd in zornigem Trotz; vergebens &mdash; wieder und wieder sauste
+die Windsbraut heran, fa&szlig;te die m&auml;chtigen B&auml;ume und dr&uuml;ckte sie in
+ihrem tollen Spiel zur Erde nieder bis sie die herrlichste geknickt
+und mit schwerem Fall zu Boden geschmettert, weit und zerst&ouml;rend
+hinein in Banane und Brodfruchtgarten. Und dann, wie ein unartig Kind,
+das sein Spielzeug zerbrochen und bei dem Fall schon die Strafe
+f&uuml;rchtet, brauste der Sturm und tobte dahin, &uuml;ber die m&auml;chtigen
+Waldeswipfel, da&szlig; sein Rauschen und Donnern weit hinein drang in
+Berges Schlucht und Hang; aber am Bo<span class='pagenum'> <a name="Page_127" id="Page_127">[127]</a></span>den lag die Palme zerknickt und
+todt, der starre aufgespaltene Stamm kahl und vorwurfsvoll zum Himmel
+deutend, und der Wipfel selbst ein traurig Bild zertr&uuml;mmerter,
+k&ouml;niglicher Kraft &mdash; so viel sprechender hier, an der Schwelle der
+Pomaren.</p>
+
+<p>Und wie der Sturm schwieg, wogte und dr&auml;ngte drau&szlig;en das Volk in
+wilderem unaufhaltsamerem Schwarm, zum ersten Mal wieder eine Macht
+f&uuml;hlend, die ihm bis jetzt genommen, zum ersten Mal wieder von denen
+aufgefordert <span class="g">selbstst&auml;ndig</span> zu handeln, die bis jetzt mit &auml;ngstlicher
+Sorgfalt jeden ihrer Schritte &uuml;berwacht, und die Bibel drohend
+entgegengehalten jedem freieren, kraftbewu&szlig;ten Wort.</p>
+
+<p>Das Volk <span class="g">sprach</span>, und der Palast lag <span class="g">ver&ouml;det</span>; die Th&uuml;ren standen offen,
+oder schlugen im Zug hin und wieder, die im Inneren angebrachten
+Europ&auml;ischen Vorh&auml;nge und Gardinen flatterten und wehten unordentlich
+aus, und die <span class="f">E&iuml;nanas</span> Pomares, die dienstthuenden Hoffr&auml;ulein der
+F&uuml;rstin selber hatten sich in Furcht und Neugierde theils mit hinaus
+an den Strand gedr&auml;ngt, das fremde Schiff und das erregte Volk zu
+sehen, theils standen sie mit flatternden Locken und Gew&auml;ndern &uuml;ber
+die Verandah zerstreut, ihrer Pflichten nicht weiter achtend, sich
+ihre Hoffnungen und Bef&uuml;rchtungen mitzutheilen.</p>
+
+<p>Pomare war in ihrem Gemach allein und die<span class='pagenum'> <a name="Page_128" id="Page_128">[128]</a></span> K&ouml;nigin stand, an ein
+Fenster gelehnt, die linke Hand auf eine ge&ouml;ffnete Bibel, die neben
+ihr auf einem kleinen Tischchen lag, die Stirn sinnend in die rechte
+Hand gest&uuml;tzt, regungslos und schaute in tiefem Br&uuml;ten hinaus &uuml;ber die
+zersch&uuml;ttelten Baumwipfel, die ihre Zweige noch nicht wieder
+zurechtgefunden aus dem kaum vor&uuml;bergebrausten Sturm, und wie
+&auml;ngstlich die weiten gr&uuml;nen Arme ineinander rankten, einem noch immer
+mi&szlig;trauisch bef&uuml;rchteten neuen Anprall zu begegnen.</p>
+
+<p>Es war eine schlanke edle Gestalt, mit nicht gerade sch&ouml;nen aber doch
+wohlthuenden Z&uuml;gen, und besonders feurigem lebendigem Auge, dessen
+Brauen sich nur jetzt, in Sinnen und Unmuth vielleicht, fester und
+h&auml;rter zusammengezogen wie es sich sonst mit den voll und freundlich
+geschnittenen Lippen vertrug. Sie ging ganz in die Landestracht
+gekleidet, nur da&szlig; kostbarere Stoffe ihre Gestalt umschlossen, &mdash; der
+<span class="f">pareu</span> war von feinem gelb und roth gestreiften und mit kleinen
+Silberblumen durchzogenem Gewebe, und der obere, erst nach der
+Bekanntschaft mit den Europ&auml;ern angenommene weite und vorn bis zum
+G&uuml;rtel offene Rock, der nur am Handgelenk durch zwei Perlmutterkn&ouml;pfe
+zusammengehalten wurde, war von schwerer bla&szlig;rother Seide, um die
+H&uuml;ften durch eine goldene emaillirte Spange zusammengehalten. Die
+Haare<span class='pagenum'> <a name="Page_129" id="Page_129">[129]</a></span> trug sie in nat&uuml;rlichen Locken, durch die aber, vielleicht ein
+wenig kokett auf die Krone anspielend, ein schmaler goldener Reif
+gezogen war, vortrefflich gegen die rabenschwarze F&uuml;lle der Locken
+abstechend, die ihre Stirn umspielten. An den Fingern blitzten zwei
+etwas starke, goldene Ringe, der den Eingeborenen &uuml;berhaupt liebste
+und ehrenvollste Schmuck; ihre F&uuml;&szlig;e aber waren nackt.</p>
+
+<p>Viele Minuten lang blieb sie in der beschriebenen Stellung, starr und
+regungslos und nur manchmal war es, als ob sie ungeduldig hinaushorche
+nach dem dumpf selbst bis zu ihr her&uuml;berwogenden L&auml;rm, inde&szlig; die
+Finger der linken Hand bewu&szlig;tlos in dem heiligen Buche bl&auml;tterten.</p>
+
+<p>&raquo;Sie kommen, Pomare, sie kommen,&laquo; rief da pl&ouml;tzlich Eines der M&auml;dchen,
+den Kopf eben nur zur Th&uuml;r hereinsteckend und dann wieder, gerad so
+rasch verschwindend.</p>
+
+<p>&raquo;<span class="f">Aramai</span>, <span class="f">Eina</span>!&laquo; rief aber die K&ouml;nigin, sich zornig nach der Th&uuml;r
+herumdrehend, in der jetzt, etwas besch&auml;mt, das junge sch&ouml;ne M&auml;dchen
+wieder erschien und sch&uuml;chtern stehen blieb &mdash; &raquo;ist das jetzt Sitte
+hier bei mir geworden, da&szlig; Ihr drau&szlig;en herumlauft, Ihr Tollen, und
+eben zu mir hereinst&uuml;rmt und mir Euere Botschaft unter das Dach ruft,
+als ob ich her&uuml;bergeweht w&auml;re von den Inseln zu windw&auml;rts? &mdash; wer<span class='pagenum'> <a name="Page_130" id="Page_130">[130]</a></span>
+kommt? <span class="f">waihine</span> und wo sind Deine Gef&auml;hrtinnen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Tati, der H&auml;uptling, Pomare, mit dem wei&szlig;en b&ouml;sen Ferani,&laquo; sagte das
+M&auml;dchen etwas &auml;ngstlich &mdash; &raquo;und noch viele viele andere Tanatas.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und die E&iuml;nanas?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Stehen drau&szlig;en und sehen hinaus.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Was will Tati von <span class="g">mir</span>?&laquo; frug die K&ouml;nigin finster, mehr mit sich
+selbst redend als zu dem M&auml;dchen gewandt.</p>
+
+<p>&raquo;B&ouml;se Ferani ist bei Mitonares gewesen,&laquo; sagte da das M&auml;dchen leise
+und schnell &mdash; &raquo;hat sich gezankt mit Mitonares und kommt jetzt zornig
+und b&ouml;s zu Pomare.&laquo;</p>
+
+<p>Ein ver&auml;chtliches L&auml;cheln zuckte um Pomares Lippen, da&szlig; die E&iuml;nana den
+Ferani f&uuml;rchtete, aber die Botschaft selber beunruhigte sie doch. Der
+Franz&ouml;sische Consul verkehrte nie mit den Protestantischen
+Geistlichen, die ihn, wie er recht gut wu&szlig;te, ha&szlig;ten und verabscheuten &mdash; was hatte er dort zu thun, wenn nicht jene etwas gegen ihn, gegen
+seine Nation unternommen, und warum wu&szlig;te <span class="g">sie</span> noch Nichts davon?</p>
+
+<p>&raquo;Die Mitonares haben das Englische Schiff gesehen und glauben sich nun
+Herren dieses Landes,&laquo; murmelte sie leise vor sich hin &mdash; &raquo;aber noch
+nicht <span class='pagenum'> <a name="Page_131" id="Page_131">[131]</a></span> &mdash; noch nicht &mdash; und das Alles sagt die Bibel, Alles, Alles was
+sie wollen.&laquo;</p>
+
+<p>Lautes Sprechen auf der Verandah drang von dort herein, und die
+E&iuml;nanas, die bis jetzt drau&szlig;en herum gestanden, schlichen leise in's
+Zimmer, w&auml;hrend Eine von ihnen die Ankunft des &raquo;Ferani <span class="f">Me-re-hu</span>&laquo; mit
+Tati dem H&auml;uptling meldete. Noch ehe aber Pomare nur die Erlaubni&szlig;
+seiner Einf&uuml;hrung geben konnte, wurde die Th&uuml;r wieder, mehr
+aufgerissen als ge&ouml;ffnet, und der Consul betrat rasch von Tati langsam
+und wie scheu gefolgt, das Gemach.</p>
+
+<p>&raquo;Habt Ihr die Sitte verlernt, Consul Me-re-hu!&laquo; rief ihm aber Pomare
+gereizt entgegen, noch ehe er den Mund &ouml;ffnen konnte zu seiner
+Vertheidigung, &raquo;da&szlig; Ihr zu einer Frau &mdash; da&szlig; Ihr zu Pomaren in das
+Haus dringt, als ob Ihr daheim w&auml;ret in Eurer eigenen H&uuml;tte? &mdash; noch
+haben Euere Kriegsschiffe meinen armen Thron nicht umgeworfen, und
+Euere Soldaten mein Volk erschlagen, oder Euere Priester es beth&ouml;rt &mdash; geht fort von hier, Ihr seid ein unruhiger b&ouml;ser Mann &mdash; und was will
+Tati von seiner K&ouml;nigin, da&szlig; er mit dem Fremden &uuml;ber ihre Schwelle
+bricht, wie ein Dieb bei Nacht?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nicht meinetwegen komme ich, kommt Tati hier zu Dir, Pomare!&laquo;
+unterbrach sie hier M&ouml;renhout, ohne Tati Zeit zu geben, sich selber zu
+vertheidigen <span class='pagenum'> <a name="Page_132" id="Page_132">[132]</a></span> &mdash; &raquo;Deinet-, Deines Reiches wegen sind wir hier, das
+Deine tollen Priester im Begriff sind zu verderben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Consul Me-re-hu!&laquo; rief Pomare entr&uuml;stet.</p>
+
+<p>&raquo;Ja Pomare!&laquo; fuhr aber der Franzose in zornigem Eifer fort, &raquo;und
+wiederholen mu&szlig; ich's Dir, da&szlig; Deine Priester in diesem Augenblick
+selbst daran arbeiten den Bruch unheilbar zu machen, den sie zwischen
+diesem Land und Frankreich rei&szlig;en. Auf die Bibel gest&uuml;tzt, der sie in
+blindem Eifer, nicht rechts nicht links sehend, anh&auml;ngen, predigen und
+schreien sie da&szlig; sie dieser folgen, w&auml;hrend es im Grund nur ihre
+eigene starrk&ouml;pfige Meinung ist, der sie das Banner vorantragen.
+Gottes Zorn wollen sie dabei in ihrer Macht haben, w&auml;hrend in ihrem
+eigenen Lager Unfriede, Streit und Feindschaft, Neid und Habsucht
+herrschen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und seid Ihr nur hier hergekommen meine Prediger und Gottes Wort zu
+l&auml;stern, Consul?&laquo; frug die K&ouml;nigin kalt.</p>
+
+<p>&raquo;Hierher gekommen Dich zu <span class="g">bitten</span> ihren Uebermuth zu steuern!&laquo; rief
+M&ouml;renhout, &raquo;Dich zu <span class="g">warnen</span> ihrem Einflu&szlig;, der der Franz&ouml;sischen Nation
+ein durchaus feindlicher ist, gerade jetzt, wo sie in kurzsichtigem
+Triumph den Sieg in H&auml;nden zu haben glauben, nicht zu viel Raum zu
+geben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Warnen,&laquo; wiederholte Pomare ver&auml;chtlich, und<span class='pagenum'> <a name="Page_133" id="Page_133">[133]</a></span> drehte dem Consul halb
+den R&uuml;cken &mdash; &raquo;und was sagt Tati? hat der erste H&auml;uptling Tahitis dem
+Fremden das Wort &uuml;berlassen?&laquo; fuhr sie aber rascher fort als sie
+diesen mit verschr&auml;nkten Armen und finsterem Blick still zur Seite
+stehen sah.</p>
+
+<p>&raquo;So lang er das rechte spricht, warum nicht?&laquo; sagte der H&auml;uptling
+ernst &mdash; &raquo;es ist dasselbe um das ich Pomare bitten wollte &mdash; er hat es
+Dir kund gethan.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und was <span class="g">wollt</span> Ihr von mir?&laquo; rief die K&ouml;nigin, jetzt wirklich
+beunruhigt durch das ernste Aussehen der M&auml;nner, &raquo;was ist geschehen,
+was haben die Mi-to-na-res gethan?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Die Mi-to-na-res thun nie etwas,&laquo; sagte der Consul, aber jetzt weit
+ruhiger als vorher, &raquo;sie stecken sich nur hinter die Masse, reizen mit
+ihren Reden das Volk auf, und sind dann unschuldig wie die Kinder,
+wenn der Saame aufgeht, den sie erst selbst gepflanzt.&laquo;</p>
+
+<p>Die K&ouml;nigin machte eine ungeduldige Bewegung und Tati, der wohl sah
+da&szlig; der Consul, in seinem Zorn &uuml;ber die Missionaire gar nicht zum
+Hauptpunkt kam, fiel da ein:</p>
+
+<p>&raquo;Sie sind unklug genug das Volk dazu zu treiben, da&szlig; es die
+Franz&ouml;sische Flagge niederrei&szlig;t.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und welches Recht hat sie, hier zu wehen?&laquo; frug Pomare rasch.<span class='pagenum'> <a name="Page_134" id="Page_134">[134]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Dem mit Dir selbst geschlossenen Vertrage nach!&laquo; rief der Consul.</p>
+
+<p>Tati bi&szlig; sich auf die Lippen und entgegnete nur trocken:</p>
+
+<p>&raquo;Das Recht des St&auml;rkeren, ich wei&szlig; von keinem anderen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Von keinem anderen?&laquo; frug der Consul erstaunt, und drehte sich rasch
+nach dem H&auml;uptling um &mdash; &raquo;habt Ihr nicht selber mit den Vertrag
+unterschrieben, der ihm es sichert?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Eben weil Ihr die St&auml;rkeren seid habt Ihr das Recht,&laquo; sagte der
+H&auml;uptling finster, &raquo;denn der Vertrag war in anderem Sinne, als Ihr ihn
+auszubeuten w&uuml;nscht, und w&auml;ret Ihr ein kleines Reich wie wir, w&uuml;rde
+die Frage gar nicht sein um ja und nein, die Kriegskeule m&ouml;chte dann
+entscheiden welches Landes Flagge in der Brise flattern d&uuml;rfte. So
+aber, und weil mir ahnt <span class="g">was</span> Ihr begehrt, nicht etwa weil ich ein
+Freund des K&ouml;nigs der Feranis bin, komme ich hierher und verlange von
+Dir, Pomare, das Volk zur&uuml;ckzuhalten, da&szlig; es nicht muthwillig wieder
+fremden Schiffen die willkommene Gelegenheit bietet die Hand nach
+diesem Reiche auszustrecken. Die Priester tanzen um ihr Heiligthum und
+sehen in die Flamme &mdash; bis sie eben nichts weiter sehen und f&uuml;r alles
+Andere, was au&szlig;er ihnen vorgeht, blind sind; was k&uuml;m<span class='pagenum'> <a name="Page_135" id="Page_135">[135]</a></span>mert sie Pomare
+oder Tahiti, wenn sie Leute finden die in ihrem gro&szlig;en Buch lesen und
+ihnen Fr&uuml;chte und Cocos&ouml;l bringen. Kaufleute von dem Lande der Feranis
+sind gekommen und sie haben Nichts gesagt &mdash; Priester kommen jetzt von
+dort, und sie schreien da&szlig; Gott das Land mit Feuer und Schwefel
+ausrotten w&uuml;rde; warum? weil die anderen Priester auch Ferkel haben
+wollen zum Backen, und Brodfrucht zum R&ouml;sten &mdash; weil sie auch <span class="g">Worte</span>
+eintauschen wollen gegen K&ouml;rbe voll Fr&uuml;chte und H&uuml;hner und Schweine.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber wie kann ich's hindern?&laquo; sagte Pomare unschl&uuml;ssig &mdash; &raquo;Ihr wilden
+M&auml;nner selber habt mich in ihre H&auml;nde gegeben, mit Euerem Zorn und
+Ehrgeiz, und ich <span class="g">will</span> mich dem Ferani nicht beugen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und wer sagt da&szlig; Du es sollst?&laquo; rief Tati schnell &mdash; &raquo;aber eben so
+wenig der Flagge der Beretanier.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Die frommen M&auml;nner k&uuml;nden das Wort Gottes, nicht Beretaniens,&laquo;
+entgegnete Pomare.</p>
+
+<p>&raquo;Ei beim Donner, la&szlig; sie das denen sagen die es glauben!&laquo; trotzte der
+H&auml;uptling &mdash; &raquo;ihr eigener Bauch ist ihr Gott, und die Bibel halten sie
+vor, ihn zu verstecken. Waren die H&auml;uptlinge in alten Zeiten den
+G&ouml;ttern oder den Priestern unterthan? und w&auml;re der neue Gott so wenig
+m&auml;chtig, da&szlig; wir vor sei<span class='pagenum'> <a name="Page_136" id="Page_136">[136]</a></span>nen Dienern nur allein die Furcht und
+Ehrfurcht haben sollten?&laquo;</p>
+
+<p>Die K&ouml;nigin wollte reden, aber das Wort gebrach ihr in dem Augenblick,
+dem zu erwiedern, und der H&auml;uptling fuhr mit ruhiger, ja fast bewegter
+Stimme fort:</p>
+
+<p>&raquo;Ich wei&szlig; da&szlig; sie alle Deine guten Eigenschaften, aber auch all Deine
+Schw&auml;chen in das Feld gerufen haben, ihnen zu dienen; Dein gutes Herz
+gewann Dich ihrem Gott, Dein Stolz, das Erbtheil Deines Stammes
+unterst&uuml;tzte sie in dem Kampf mit Deinen Feinden. &mdash; Sieh mich nicht
+so an, Pomare, ich geh&ouml;rte nie dazu, und wenn auch das Blut meiner
+V&auml;ter, der alten und rechtm&auml;&szlig;igen F&uuml;rsten dieser Inseln in meinen
+Adern rollt, und mich Deinem <span class="g">Stamm</span> gegen&uuml;berstellte, hab ich Dich
+selber stets geachtet und &mdash; verehrt; aber weh, tief im Herzen weh thut
+es mir den H&auml;uptlingsstab aus unserer Faust gerissen zu sehen, nicht
+eine andere w&uuml;rdige Hand zu schm&uuml;cken, sondern einer Schaar Fremder
+zum Stock zu dienen, mit dem sie ihre Heerde zusammentreiben. Mit Zorn
+und Schmerz f&uuml;llt mich der Gedanke jene finsteren Priester in unserem
+sch&ouml;nen Lande herrschen zu sehen, weil wir selber nicht einmal den
+Muth hatten, uns nur einander die Hand zu reichen.&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_137" id="Page_137">[137]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Aber ihre Religion ist die des Friedens,&laquo; sagte Pomare.</p>
+
+<p>&raquo;Und ihre Worte, ihre Lehre die des Kriegs!&laquo; rief der H&auml;uptling mit
+wieder zusammengezogenen Brauen &mdash; &raquo;was auch stehen sie zwischen uns,
+wer gab ihnen das Recht zu entscheiden und zu richten in diesem Land? &mdash; die Bibel? &mdash; wir haben sie jetzt selber, nicht <span class="g">ihr</span> Verdienst ist
+es <span class="g">da&szlig;</span> sie hier hergekommen, wenn sie selber &uuml;berhaupt Wahrheit ist,
+denn die Priester beweisen aus ihr, da&szlig; sie Gott selbst gesandt. So
+nimm die Z&uuml;gel wieder in die Hand, Pomare, w&auml;hle die, so es gut und
+redlich mit dem Lande meinen, die aber auch an dieser K&uuml;ste geboren
+sind, zu seinen Richtern, und hier mein Wort, meine Hand, da&szlig; Tati nie
+ein Korn von Eifersucht mehr in seinem Herzen n&auml;hren und Dir treu und
+ehrlich zur Seite stehen wird mit besten Kr&auml;ften.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sag es ihm zu, Pomare, er meint es gut mit Dir,&laquo; best&auml;tigte hier der
+Franzose des H&auml;uptlings Worte, die K&ouml;nigin aber, die schon halb
+unschl&uuml;ssig gestanden, und den Blick, wie im inneren Kampf an den
+Boden geheftet hielt, sah pl&ouml;tzlich zu dem Fremden auf und sagte
+finster:</p>
+
+<p>&raquo;Dein Rath, Me-re-hu, hat noch nie diesem Lande gut gethan; Du
+sprichst nicht mit Tati, indem Du f&uuml;r ihn sprichst.&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_138" id="Page_138">[138]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Ich verstehe Euere Wortspiele nicht,&laquo; sagte der Consul unwillig, den
+die Zur&uuml;ckweisung der Indianerin verdrossen &mdash; &raquo;aber ich wei&szlig; da&szlig; es
+Tati gut mit Dir meint, und da&szlig; ich selber in diesem Augenblick
+weniger im Interesse Frankreichs als dem Deinigen spreche &mdash; willst Du
+Nichts wissen davon, so thue meinetwegen was Du nicht lassen kannst,
+schreib Dir dann aber auch selber die Folgen zu.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich habe bei dem was ich je beschlo&szlig; noch nie die Folgen gef&uuml;rchtet,&laquo;
+sagte Pomare ruhig &mdash; &raquo;aber was wollt Ihr da&szlig; ich thue, was ich
+verhindern soll? &mdash; Ihr sprecht Beide wild auf mich ein und macht mich
+irre, anstatt mich aufzukl&auml;ren.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Verhindern sollst Du,&laquo; rief der Consul da, &raquo;da&szlig; Deine Leute, in
+Deinem Namen die Flagge Frankreichs niederrei&szlig;en und die Deinige daf&uuml;r
+wehen lassen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und wessen Flagge hat das meiste Recht dazu?&laquo; frug Pomare, dem
+Franz&ouml;sischen Consul fest in's Auge sehend.</p>
+
+<p>&raquo;Das meiste Recht die Deine, allerdings,&laquo; fiel aber hier Tati ein, ehe
+M&ouml;renhout etwas darauf erwiedern konnte, &raquo;aber nicht die meiste
+Gewalt, Pomare, und nicht muthwillig sollst Du Dir einen Feind
+schaffen, wo Du Dir keinen Freund daf&uuml;r gewinnst, Dir beizustehen.&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_139" id="Page_139">[139]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Habt Ihr das Englische Schiff gesehen?&laquo; frug Pomare rasch und mit
+triumphirendem L&auml;cheln &mdash; &raquo;habt Ihr gesehen, wie es hier einlaufen
+wollte und nur durch den Westwind und die Brandung daran verhindert
+wurde? &mdash; wi&szlig;t Ihr was es bringt?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein, so wenig wie die Mitonares,&laquo; sagte Tati unwirsch, &raquo;die
+Schwarzr&ouml;cke behaupten freilich es br&auml;chte mit seinen Kanonen Frieden
+f&uuml;r diese Inseln, aber ihre K&ouml;pfe reichen auch nicht h&ouml;her als die
+unseren, und sie k&ouml;nnen nicht sehen was im Bauch des Schiffes liegt,
+ob Frieden, ob Krieg, oder wahrscheinlicher noch volle
+Gleichg&uuml;ltigkeit wie wir es treiben hier auf den Inseln. Was wissen
+die Capitaine solcher Schiffe von der Politik unseres oder ihres
+Landes, wenn sie nicht ganz besonders abgeschickt werden? so wenig wie
+unsere Fischercanoes wissen, was Pomare denkt oder thut.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber wenn die Mitonares nun doch recht h&auml;tten?&laquo; sagte Pomare, mit
+einem halb triumphirenden Seitenblick auf den Franz&ouml;sischen Consul.</p>
+
+<p>&raquo;Du z&ouml;gerst hier mit solchen Vermuthungen,&laquo; rief aber dieser jetzt
+ungeduldig, &raquo;bis drau&szlig;en <span class="g">geschehen</span> ist, was wir hier verhindern
+wollen; h&ouml;rst Du den L&auml;rm, das Toben Deiner frommen christlichen
+Unterthanen? &mdash; wenn die franz&ouml;sischen Kugeln<span class='pagenum'> <a name="Page_140" id="Page_140">[140]</a></span> hier her&uuml;berschmettern,
+wirst Du zu sp&auml;t bereuen unsere Bitten nicht erh&ouml;rt zu haben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nennt Ihr das bitten, wenn Ihr mit Kanonen droht?&laquo; rief unwillig
+Pomare.</p>
+
+<p>&raquo;Und weisest Du uns ab?&laquo; frug Tati leise.</p>
+
+<p>&raquo;Nein Tati, nein,&laquo; sagte Pomare schnell, sich zu ihm wendend und seine
+Hand ergreifend, &raquo;gehe Du nicht fort im Unmuth von hier, denn ich
+f&uuml;hle wie schwer es <span class="g">Dir</span> geworden zu mir zu kommen. Ach wenn wir selber
+unter einander einig w&auml;ren, wenn nicht Neid, Ha&szlig; und Eifersucht uns
+entzweite, wir k&ouml;nnten ein festes Reich bilden, selbst gegen den
+st&auml;rksten Feind. Unsere Berge sind hoch, unsere Schluchten steil, und
+da&szlig; unsere jungen Leute k&auml;mpfen k&ouml;nnen haben sie in fr&uuml;heren
+Schlachten bewiesen; aber wie die Religion unsere Familien entzweite,
+und den Bruder gegen den Bruder in den Kampf rief, so hat ein
+Mi&szlig;verst&auml;ndni&szlig; jetzt vielleicht auch die St&auml;mme selber einander
+entfremdet, und Pomare wird nimmer die Hand zur&uuml;cksto&szlig;en, die sich ihr
+<span class="g">freundlich</span> entgegenstreckt &mdash; nur der Drohung kann ich nicht weichen,
+vielleicht <span class="g">weil</span> ich eine Frau bin, und mache Du mir denn Vorschl&auml;ge,
+wie wir am Besten einig und friedlich zusammen stehen, ohne aber auch
+dem Ferani einen Rang zu g&ouml;nnen der ihm nicht geb&uuml;hrt, den ich<span class='pagenum'> <a name="Page_141" id="Page_141">[141]</a></span> nicht
+von ihm gefordert habe &mdash; unser <span class="g">Besch&uuml;tzer</span> zu sein.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Der da oben im Himmel wohnt, wie auch sein Name sein mag,&laquo; sagte Tati
+ernst, &raquo;wei&szlig; da&szlig; ich dem Ferani nicht seiner selbst wegen die Hand
+geboten, die stolzen Mitonares trieben mich dazu; aber willst Du mit
+Deinem Volk Hand in Hand gehen, so la&szlig; jetzt kein eigenm&auml;chtig tolles
+Handeln den Fremden beleidigen, bis wir uns friedlich mit ihm
+verstanden. Was unsere Eifersucht hier gefehlt, kann jetzt noch die
+Eifersucht der beiden fremden Nationen, der Beretanis und Feranis,
+wieder ausgleichen, wir haben beider Gierde gleich zu f&uuml;rchten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Die Beretanis haben uns noch nie gedroht,&laquo; sagte Pomare.</p>
+
+<p>&raquo;Ich will nicht urtheilen &uuml;ber sie &mdash; ich kenne sie nicht,&laquo; sagte der
+H&auml;uptling finster, &raquo;aber je m&auml;chtiger sie sind, desto mehr entfernt
+haben wir uns von ihnen zu halten &mdash; der Hai theilt keine Beute mit
+dem Delphin.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich habe nicht befohlen der Fremden Flagge niederzurei&szlig;en,&laquo; sagte
+Pomare nach kurzem Sinnen &mdash; &raquo;sprich mit den Mitonares, Tati, sie
+werden es nicht dulden.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Die Mitonares,&laquo; sagte der H&auml;uptling h&ouml;hnisch, &raquo;und zu ihnen schickst
+Du mich, Dein Reich zu regieren,<span class='pagenum'> <a name="Page_142" id="Page_142">[142]</a></span> vielleicht bei ihnen anzufragen, was
+sie f&uuml;r gut finden zu thun, ob Pomare herrschen soll oder ein Priester
+auf Tahiti? eher m&ouml;ge die Zunge hier verdorren.&laquo;</p>
+
+<p>Wilder tobender L&auml;rm und lautes Jauchzen scholl in diesem Augenblick
+zu ihnen herein, und ein L&auml;ufer der K&ouml;nigin, der oben &uuml;ber Papetee
+postirt gewesen, den Lauf des fremden Schiffes zu bewachen, kam,
+unterwegs schon die frohe Nachricht verbreitend, jetzt zur&uuml;ck, Pomaren
+zu melden da&szlig; das fremde Kriegsschiff, von den Riffen frei, gewendet
+habe, und nun Segel setze den Hafen, so wie der Westwind nachlasse, zu
+erreichen. Zugleich aber wurden auch drau&szlig;en Stimmen laut und der
+ehrw&uuml;rdige Mr. Rowe, von dem Bruder Brower gefolgt, &ouml;ffnete, ohne
+vorher eine Meldung f&uuml;r n&ouml;thig zu halten, rasch die Th&uuml;r, auf deren
+Schwelle er jedoch &uuml;berrascht stehen blieb als er die beiden, seinen
+Interessen so feindlichen M&auml;nner hier erblickte.</p>
+
+<p>&raquo;Pomare mag der freudigen Botschaft verzeihen,&laquo; sagte rasch gefa&szlig;t und
+mit einem freundlich dem&uuml;thigen Ausdruck in den Z&uuml;gen, trotzdem aber
+auch mit einem rasch vor&uuml;bergehenden, aber doch scharfen und etwas
+boshaften Seitenblick auf den Consul Frankreichs, der ehrw&uuml;rdige Mr.
+Rowe, indem er nach den vorn hinausf&uuml;hrenden und jetzt verhangenen
+Fenstern zeigte, &raquo;da drau&szlig;en wogt und dr&auml;ngt ein fr&ouml;hliches,<span class='pagenum'> <a name="Page_143" id="Page_143">[143]</a></span>
+gl&uuml;ckliches Volk, ein Volk dem heute sein bedr&auml;ngter Glaube
+wiedergegeben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Was giebts, was ist es?&laquo; frug die K&ouml;nigin schnell.</p>
+
+<p>&raquo;Einzelne wollen auf dem Englischen Kriegsschiff das wieder gewendet
+hat und hier her zu steht,&laquo; fiel Bruder Brower in die Rede, &raquo;neben der
+Englischen die Tahitische Flagge erkannt haben.&laquo;</p>
+
+<p>Der K&ouml;nigin Augen gl&auml;nzten in befriedigter Eitelkeit, und ihr Blick
+flog rasch von Tati auf den Consul Frankreichs hin&uuml;ber, der aber nur
+den Missionair scharf beobachtete und aus dessen Z&uuml;gen die Wahrheit
+oder versteckte List herauszulesen suchte &mdash; es war ihm
+unwahrscheinlich da&szlig; ein Englisches Kriegsschiff, noch Meilen weit vom
+Hafen entfernt, die Landesflagge eines so kleinen Inselstaates neben
+der eigenen Flagge hissen sollte, &mdash; und was dann war der Zweck einer
+solchen <span class="g">Erfindung</span>?</p>
+
+<p>&raquo;<span class="g">Einzelne</span>?&laquo; wiederholte er fragend, das Wort scharf betont, &raquo;und
+dar&uuml;ber erheben die Kanakas drau&szlig;en einen solchen L&auml;rm, da&szlig; <span class="g">Einzelne</span>
+irgend ein Privatsignal des Kriegsschiffes f&uuml;r die Tahitische Flagge
+genommen haben?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das Volk begr&uuml;&szlig;t den Freund und Besch&uuml;tzer seines Glaubens,&laquo;
+erwiederte der Geistliche, halb abgewendet von dem Consul, dem
+eigentlich die Erwiede<span class='pagenum'> <a name="Page_144" id="Page_144">[144]</a></span>rung galt &mdash; &raquo;es wei&szlig; sich jetzt frei von jeder
+Angst und Besorgni&szlig;, und hat keinen Feind weiter zu f&uuml;rchten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Gott sch&uuml;tze es vor seinen <span class="g">Freunden</span>!&laquo; sagte M&ouml;renhout finster.</p>
+
+<p>&raquo;Wir k&ouml;nnen gehen, Me-re-hu!&laquo; sagte Tati, der indessen an die
+verhangenen Fenster getreten war, und den Vorhang zur&uuml;ckgeschoben
+hatte, w&auml;hrend er nach au&szlig;en deutete, &raquo;da seht.&laquo;</p>
+
+<p>Alle wandten sich dorthin, wo am Strand ein bunter Zug von M&auml;nnern und
+M&auml;dchen, hie und da mit englischen Matrosen gemischt, niederwogte,
+voran dem Zuge aber sprang ein halbnackter Bursche, jubelnd und
+jauchzend die zerrissene Franz&ouml;sische Flagge tragend, die er um den
+Kopf schwenkte und mit wilden Gesticulationen, denen das
+Beifallsgetobe der Menge nicht fehlte, eine ihrer gew&ouml;hnlichen Hymnen,
+die nat&uuml;rlich zu Volksmelodieen geworden waren, sang, und sich nur
+dazu seine eigenen Worte extemporirte.</p>
+
+<p>&raquo;Ich glaube fast da&szlig; die Leute Herrn M&ouml;renhout suchen,&laquo; sagte der
+ehrw&uuml;rdige Bruder Rowe mit einem nichts weniger als ehrw&uuml;rdigen
+L&auml;cheln, &raquo;ihm die Reste seines Reiches zuzustellen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Alles Blut das dieser Handlung folgt komme &uuml;ber Sie und Ihre
+Genossen!&laquo; rief aber der Consul mit zornblitzenden Augen, und verlie&szlig;
+rasch das Gemach.<span class='pagenum'> <a name="Page_145" id="Page_145">[145]</a></span></p>
+
+<p>Tati z&ouml;gerte noch, er sah nach der K&ouml;nigin hin&uuml;ber, aber Pomare hielt,
+in Schaam und Unmuth, den Blick an den Boden geheftet, und sah nicht
+zu ihm auf: da seufzte der H&auml;uptling tief tief auf, und verlie&szlig;, ohne
+den Priester auch nur eines Blickes zu w&uuml;rdigen, langsam das Haus. Der
+Prediger aber faltete die H&auml;nde, und die Augen zur Decke erhebend
+begann er, ohne die Gegenwart Pomares weiter zu beachten, mit lauter
+und br&uuml;nstiger Stimme ein Dankgebet, des Inhalts, da&szlig; Gott die
+G&ouml;tzenbilder nun zerst&ouml;ret h&auml;tte mit m&auml;chtiger Hand, den Feind
+ausgetrieben, der seinen Namen verleugnet, und H&uuml;lfe gesandt habe
+seinem Volke in der Noth, es zu erl&ouml;sen von der Gefahr und frei und
+gl&uuml;cklich zu machen in Seinem Glauben.</p>
+
+<p>Pomare unterbrach ihn mit keiner Sylbe, und w&auml;hrend sich die mit den
+Missionairen hereingekommenen E&iuml;nanas leise und ger&auml;uschlos der Th&uuml;r
+zuschoben und durch dieselbe verschwanden, den l&auml;rmenden Zug drau&szlig;en
+mit anzusehen, der ihnen interessanter war, als das Gebet des
+finsteren Mannes, stand Pomare still und regungslos und nur ihr Blick
+hob sich endlich langsam und scheu zu dem Antlitz des fanatischen
+trotzigen Priesters, der hier Demuth gegen Gott heuchelte, dessen
+eigene Gebote der Liebe und des Friedens er eben mit F&uuml;&szlig;en getreten.<span class='pagenum'> <a name="Page_146" id="Page_146">[146]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Wer gab den Befehl, die fremde Flagge niederzurei&szlig;en?&laquo; sagte sie
+endlich mit leiser, vor innerer Bewegung zitternder Stimme, als der
+Betende schwieg und die Blicke nur noch wie in Verz&uuml;ckung an der Decke
+haften lie&szlig;.</p>
+
+<p>&raquo;Der Herr,&laquo; antwortete der Geistliche mit vertrauungsvoller Stimme,
+ohne den Blick zu der Fragenden niederzusenken &mdash; &raquo;Deine Feinde sind
+geworfen, Pomare, denn der Herr ist mit Dir!&laquo;</p>
+
+<p>Pomare bi&szlig; sich auf die Lippen, sie rang mit sich dem Priester
+gegen&uuml;ber als K&ouml;nigin aufzutreten, den Fremden f&uuml;hlen zu lassen da&szlig; er
+mit der F&uuml;rstin dieses Landes spr&auml;che, in deren Zimmer er sich
+gedr&auml;ngt und deren Reich er nicht der Bibel, nein sich selber und
+seinen Genossen unterworfen hatte; aber die alte Scheu vor dem
+Uebernat&uuml;rlichen, als dessen Vertreter sie die finsteren Fremden sah,
+war auch selbst jetzt zu stark, und sich abwendend sagte sie nur mit
+zitternder, tief erregter Stimme:</p>
+
+<p>&raquo;Gott gebe es; aber ich f&uuml;rchte Ihr habt nicht gut gethan. Mein Volk
+ist entzweit, mein Reich bedroht, und was bin ich selber schon, wenn
+erst fremde Kriegsschiffe sich um die Oberherrschaft dieser Insel
+streiten? &mdash; Nein, nein,&laquo; rief sie rasch, als der Geistliche schon die
+Hand zu neuer Rede hob, &raquo;sprich mir nicht jetzt wieder all Deine schon
+so oft geh&ouml;rten<span class='pagenum'> <a name="Page_147" id="Page_147">[147]</a></span> Klagen und Drohungen &mdash; sage mir jetzt nicht die
+Verse Deines Buchs, das Du bis auf den letzten Buchstaben auswendig
+kannst; ich begreife Dich doch nicht und mein Herz ist jetzt recht
+voll und schwer &mdash; ich f&uuml;rchte mir ist heute ein gro&szlig;es Leid
+geschehen, und h&auml;ttest Du mich mit Tati vers&ouml;hnen lassen, es w&auml;re
+besser f&uuml;r Tahiti gewesen. Geh jetzt, da drau&szlig;en seh' ich Deine Br&uuml;der &mdash; ich glaube sie wollen zu mir, aber ich will sie jetzt nicht
+sprechen, die Zeit mu&szlig; entscheiden ob Ihr b&ouml;s gethan habt oder &uuml;bel,
+aber mir ist recht traurig zu Sinn. &mdash; Geh' jetzt, sag' ich,&laquo; rief sie
+entschiedener, als der geistliche Herr sich noch immer nicht abweisen
+lassen wollte, und ihr Fu&szlig; stampfte zornig den Boden &mdash; das Blut der
+Pomaren gewann die Oberhand.</p>
+
+<p>&raquo;So m&ouml;ge Dich der Herr erleuchten,&laquo; sagte der fromme Mann, &raquo;m&ouml;ge Dir
+seinen Frieden geben und Seine Sanftmuth und Dich erkennen lassen was
+er an Dir gethan in Seiner Liebe und Herrlichkeit &mdash; Amen.&laquo; Und mit
+gefalteten H&auml;nden und vorw&auml;rts geneigtem Haupt verlie&szlig; er langsam das
+Gemach. Pomare aber schlo&szlig; die Th&uuml;r, st&uuml;tzte die Stirn in ihren Arm
+und weinte bitterlich.</p>
+
+<hr style='width: 45%;' />
+
+<p>Drau&szlig;en indessen hatte ein wilderes Spiel stattgefunden, als selbst
+M&ouml;renhout vermuthet; von den<span class='pagenum'> <a name="Page_148" id="Page_148">[148]</a></span> Missionairen war n&auml;mlich der ehrw&uuml;rdige
+Bruder Smith mit nach der &uuml;ber Papetee ausstreckenden Landzunge
+gegangen, dort die Bewegungen des fremden Kriegsschiffes rascher und
+deutlicher &uuml;bersehen zu k&ouml;nnen. Mit einem guten Glas bewaffnet
+erkannte er denn auch bald da&szlig; das Schiff pl&ouml;tzlich wieder beidrehte
+und trotz des noch hohen Seegangs, und nur erst einmal von den Klippen
+frei, wieder Segel auf Segel setzte, nicht einen Fu&szlig;breit mehr
+aufzugeben, als es gezwungen war. Jedenfalls schien es nach Papetee
+bestimmt, dem es auch wieder zuhielt, und neben der noch wehenden
+Flagge stiegen jetzt mehre Signale auf, von denen eines allerdings der
+Tahitischen Flagge glich, auf die Entfernung hier aber kaum genau
+bestimmt werden konnte.</p>
+
+<p>Die Missionaire sind von je her nicht ihrer nautischen Kenntnisse
+wegen ber&uuml;hmt gewesen, wie sie denn auch, um das Kap der guten
+Hoffnung die Inseln erreichend, den Tag nicht z&auml;hlten den sie auf dem
+180sten Grad von Greenwich aus gen Osten segelnd, gewannen, und den
+Insulanern den Sonnabend f&uuml;r den Sabbath brachten, wodurch sp&auml;ter eine
+heillose Confusion entstand. Ob nun Bruder Smith auch hier die
+Tahitische Flagge wirklich zu erkennen glaubte, oder ob er seine
+sonstigen Absichten dabei hatte den ihn umstehenden Insulanern eine,
+wie er sich wohl<span class='pagenum'> <a name="Page_149" id="Page_149">[149]</a></span> denken konnte, freudige Nachricht mitzutheilen, kurz
+von ihm zuerst ging das Ger&uuml;cht aus, das Englische Kriegsschiff das
+wieder auf den Hafen zu halte, zeige die Tahitischen Farben, und das
+gen&uuml;gte nat&uuml;rlich, dem jauchzenden Volk die frohe Kunde zu bringen da&szlig;
+die Schiffe der Beretanier ihnen beistehen w&uuml;rden gegen den jetzt
+gebrochenen Uebermuth der Wi-Wis &mdash; wie sie nun wieder trotzig und
+lachend genannt wurden.</p>
+
+<p>Von Mund zu Mund lief die M&auml;hr, und wie das mit allen derartigen
+Ger&uuml;chten ist, wurde bald &uuml;bertrieben in's Unm&ouml;gliche. Nicht mehr blos
+ihre Flagge, ihre Religion zu sch&uuml;tzen gegen die Uebergriffe der
+Papisten, nein auch fr&uuml;here Unbilden sollte sie r&auml;chen. Die Wi-Wis
+mu&szlig;ten jetzt das Geld wieder herausgeben, da&szlig; sie erpre&szlig;t, und Pomare
+bekam von den Beretanis, als Schadenersatz, das Franz&ouml;sische
+Kriegsschiff, die <span class="f">Jeanne d'Arc</span> geschenkt, die gerade im Hafen vor
+Anker lag. Wie Kinder lachten und schwatzten die Insulaner
+durcheinander, tr&auml;umten sich ihre Lieblingsbilder herauf, am hellen
+Tag und bauten sich Schl&ouml;sser so bunt und farbenreich in die Luft, da&szlig;
+sie die Zukunft dar&uuml;ber verga&szlig;en und Vergangenheit und, &uuml;berhaupt nur
+gewohnt den Augenblick zu benutzen, dem nach auch handelten.</p>
+
+<p>W&auml;hrend ein Theil anfing eine alte Tahitische<span class='pagenum'> <a name="Page_150" id="Page_150">[150]</a></span> Hymne nach dem Takte
+eines weit &auml;lteren Englischen Liedes &raquo;<span class="f">old hundred</span>&laquo; abzusingen, sprang
+eine andere Gruppe, in ihrer Herzensfreude selbst die Gefahr nicht
+achtend von den Missionairen dabei &uuml;berrascht zu werden, zu ihrem
+Nationaltanz an, und der Klang der Trommel mischte sich mit dem
+frommen Lied der Singenden in wunderlicher, eigenth&uuml;mlicher Weise.</p>
+
+<p>Anders aber und wilder gestaltete sich die Versammlung am unteren
+Theil von Papetee; etwa zweihundert Schritt von da entfernt, wo die
+Franz&ouml;sische Flagge, vor dem Hause des Consul M&ouml;renhout, zwischen
+einer kleinen Gruppe hochst&auml;mmiger Cocospalmen und &uuml;ber ein Dickicht
+dunkelgr&uuml;ner Brodfruchtb&auml;ume auswehte, hatten sich Einzelne der
+Missionaire, unter ihnen Dennis und Brower, gesammelt, und sprachen
+auf dem offenen Platz in lautem Gebet ihren Jubel aus &uuml;ber den Sieg
+der Bibel gegen das Pabstthum. Viele der angesehensten H&auml;uptlinge
+standen in ihrer N&auml;he, unter ihnen Aonui und Teraitane, wie der noch
+immer halb wilde und trotzige Fanue, und wenn Einzelne auch gern in
+ihren Jubel mit einstimmten, fra&szlig; es Andere wieder am Herzen <span class="g">da&szlig;</span> eben
+fremde Schiffe bei ihnen den Ausschlag geben sollten, und nicht mit
+Unrecht sahen sie die Priester als die gerade an, die fremden Einflu&szlig;
+herbeigezogen hatten ihre Privatangelegenheiten zu regeln,<span class='pagenum'> <a name="Page_151" id="Page_151">[151]</a></span> ihre
+Gesetze zu bestimmen, und mit einem Wort, ihr Land zu regieren.</p>
+
+<p>&raquo;Auf's Neue!&laquo; rief da der ehrw&uuml;rdige Bruder Dennis in seinem gl&uuml;henden
+Eifer f&uuml;r das Wohl seiner Kirche, &raquo;auf's Neue hat der Herr der
+Heerschaaren seine Hand ausgestreckt &uuml;ber die H&auml;upter der Gl&auml;ubigen,
+und er wird die zum zweiten Mal in diesen Bergen aufgerichteten G&ouml;tzen
+zu Boden schleudern, wie er sie das erste Mal seine Macht und
+Allgewalt hat f&uuml;hlen lassen. <span class="g">Noch</span> weht da dr&uuml;ben die dreifarbige Fahne
+der Papisten, noch flattern die feindlichen Farben in der scharfen
+Brise, aber wie der st&uuml;rmische West in kurzen Stunden dem stillen
+herrschenden Passat weichen wird und mu&szlig;, so wird auch jenes Schiff
+da, dessen wei&szlig;e Segel unserer gastlichen K&uuml;ste jetzt entgegenbl&auml;hen,
+unser Land von dem Schimpf reinigen, einer anderen Macht zu gehorchen
+als der Bibel, einer andern Gewalt unterthan zu sein, als dem Lamm
+Gottes und dessen unendlicher Huld.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wenn denn das Wehen jener Flagge Euch so entsetzlich h&auml;rmt,&laquo; rief da
+Fanue, der jetzt bis dicht hinan zu dem Betenden getreten war und mit
+untergeschlagenen Armen und fest auf einander gebissenen Z&auml;hnen den
+Gesticulationen des frommen begeisterten<span class='pagenum'> <a name="Page_152" id="Page_152">[152]</a></span> Redners zugeschaut hatte,
+&raquo;ei zum Wetter, warum fa&szlig;t Ihr sie nicht und werft sie zu Boden?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das ist <span class="g">unsere</span> Pflicht!&laquo; rief aber da, dazwischentretend, der den
+Missionairen ganz ergebene Aonui &mdash; &raquo;nur eine Pflicht der Dankbarkeit
+war es, an die uns die Rede des w&uuml;rdigen Mannes mahnt, England nicht
+durch das stolze Wehen jener Flagge l&auml;nger beschimpft zu sehen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;England?&laquo; rief Fanue laut und trotzig, den H&auml;uptling mit z&uuml;rnendem
+Staunen betrachtend.</p>
+
+<p>&raquo;Ja England!&laquo; wiederholte aber dieser, unbek&uuml;mmert um den Zorn seines
+Landsmannes, &raquo;England, das uns zu Menschen gemacht, das unsere Seelen
+ewiger Qual entri&szlig;, und uns die <span class="g">Bibel</span> sandte, die heilige Schrift, das
+Buch Gottes, Freunde, das Wort von Seinem eigenen Mund diktirt. Wir
+haben <span class="g">Alles</span> damit erlangt was wir brauchen, und in uns selber
+zur&uuml;ckgezogen, kann die feindliche Macht unsere K&ouml;rper t&ouml;dten, aber
+unsere Seelen sind unsterblich, und liegen au&szlig;er ihrem Bereich.
+Deshalb aber schon w&auml;re es schlecht, w&auml;re es undankbar von uns, das
+Land, was uns so reich, so glorreich beschenkt, auf unserem Grund und
+Boden, vor unserer Th&uuml;re beleidigt zu sehen, und im Vertrauen auf
+Jehovas Schutz bin ich bereit, die stolze Flagge, die &uuml;ber Baals
+G&ouml;tzendienste weht in den Staub zu werfen.&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_153" id="Page_153">[153]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Halt Aonui!&laquo; fiel ihm hier, seinen Arm ergreifend, der schon dem
+Worte die That wollte folgen lassen, der bed&auml;chtigere Teraitane in die
+Rede, &raquo;das w&auml;re voreilig und &mdash; unvorsichtig gehandelt. Ich sch&uuml;tze
+den Freund, wenn er abwesend ist und sich nicht selber sch&uuml;tzen kann,
+weshalb jetzt? &mdash; England hat seinen Vertreter hier &mdash; eine eigene
+Flagge und zwei gro&szlig;e Schiffe, und wenn es sich beleidigt glaubt, mag
+es selbst die fremde Flagge niederwerfen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und seine eigene daf&uuml;r aufpflanzen, nicht wahr?&laquo; rief rasch Fanue.</p>
+
+<p>&raquo;Die Englische Flagge ist noch stets eine Flagge der Liebe und des
+Friedens gewesen,&laquo; fiel hier freundlich, den Streit der Insulaner zu
+beschwichtigen, der ruhigere Missionair Brower in die Rede.</p>
+
+<p>&raquo;Aber die&szlig; ist Tahitischer Grund und Boden,&laquo; z&uuml;rnte Fanue, &raquo;was w&uuml;rde
+die K&ouml;nigin der Beretanis sagen, wenn wir hin&uuml;berkommen wollten in ihr
+Land, und Pomares Flagge aufpflanzen, auf ihren W&auml;llen? &mdash; Sie w&uuml;rde
+sagen: was wollen die fremden M&auml;nner hier in <span class="g">meinem</span> Land? schickt sie
+fort denn ich habe selber eine Flagge.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;England hat uns die Bibel gebracht,&laquo; sagte aber auch Potowai, ein
+anderer H&auml;uptling, der hinzutrat, &raquo;und wenn ich je ein anderes Land
+als &uuml;ber uns<span class='pagenum'> <a name="Page_154" id="Page_154">[154]</a></span> stehend anerkennen werde, so kann und soll das immer nur
+England sein.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber Br&uuml;der, liebe Br&uuml;der,&laquo; rief da Dennis in frommer Begeisterung,
+&raquo;wohin verirren wir uns? &mdash; und glaubt Ihr da&szlig; wir, Euere Lehrer, etwas
+anderes wollen k&ouml;nnen als Euer Wohl? &mdash; Handelt es sich denn hier
+darum, der Englischen Flagge Euch unterthan zu machen, oder Euere
+eigene von Schmach und Knechtschaft zu retten? &mdash; wollen wir Euch denn
+England unterwerfen, und nicht vielmehr Euch frei machen, im Geist und
+in der Wahrheit, und keinen Zwang dulden, weder auf Euerer Seele, noch
+auf Eueren K&ouml;rpern, als den, den Euch Gottes Liebe selber auferlegt,
+&raquo;denn mein Joch ist leicht,&laquo; sagt der Herr. Mit der Einf&uuml;hrung aber
+der fremden Baalsdiener, mit ihren Rauchpfannen und ihrem
+Bilderdienst, der sich nicht halten konnte hier auf den Inseln,
+zwischen den frommen Bewohnern, die ihren Gott erst einmal erkannt,
+ist jene feindliche Flagge aufgerichtet, und nur erst wieder mit ihrer
+Wegnahme k&ouml;nnen wir, Euere Lehrer, je wieder hoffen Eueren Geist all
+jenen feindlichen Eindr&uuml;cken fern zu halten, der sich jetzt in so
+gewaltiger Kraft geltend macht.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nun dann werft sie selber nieder!&laquo; brummte Fanue trotzig &mdash; &raquo;weshalb
+uns dazu brauchen wollen?&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_155" id="Page_155">[155]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Das ist kein Amt der Diener Gottes!&laquo; sagte da Bruder Brower schnell &mdash; &raquo;wir haben es stets vermieden uns in die politischen Verh&auml;ltnisse
+dieses Reiches einzumischen, und werden jetzt nicht &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das <span class="g">l&uuml;gst</span> Du stolzer Priester,&laquo; schrie ihm aber da der H&auml;uptling
+entgegen, mit gl&uuml;henden Augen den trotzig emporfahrenden Missionair
+messend, w&auml;hrend seine Freunde auf einer, die dem Geistlichen
+anh&auml;ngenden Eingeborenen auf der anderen Seite dazwischen traten,
+Frieden zu halten unter den beiden Streitenden.</p>
+
+<p>Der beleidigte Missionair wollte im Anfang, und vielleicht auch mit
+gereizter Rede etwas darauf erwiedern, Dennis aber ergriff seinen Arm
+und fl&uuml;sterte ihm leise einige Worte zu, und selbst wohl das
+Unschickliche heftiger Worte einsehend, sagte er gleich darauf ruhig
+und mit milder Stimme:</p>
+
+<p>&raquo;Herr vergieb ihm, denn er wei&szlig; nicht was er thut!&laquo;</p>
+
+<p>Eben diese Ruhe aber reizte den alten greisen H&auml;uptling, und Aonui und
+Potowai, die ihn zu bes&auml;nftigen suchten, von sich werfend, rief er
+laut und trotzig:</p>
+
+<p>&raquo;Rolle nur Deine Augen, und wirf Dich in den Staub vor Deinem Gott;
+mache das Volk dabei glauben da&szlig; Du vom Geist erleuchtet, und Dein
+Mund ein Orakel seines Willens sei &mdash; spiele Dein<span class='pagenum'> <a name="Page_156" id="Page_156">[156]</a></span> Spiel, wie es Dich
+freut, aber wolle nicht <span class="g">M&auml;nner</span> kirren mit falschem Trug. Dein Gott hat
+gedonnert und geblitzt, wie es <span class="g">unsere</span> G&ouml;tter thaten vor ihm, aber er
+schleuderte seine Donnerkeile zwischen die <span class="f">feis</span> in den Bergen, und die
+Du seine Feinde nennst, blieben unber&uuml;hrt &mdash; sollen <span class="g">wir</span> unser Blut
+daran setzen, wo er selber seine Waffen nur im Scherze braucht? &mdash; <span class="g">wenn</span> wir die Streitaxt aufgreifen, die begraben sein m&uuml;&szlig;te f&uuml;r immer,
+wenigstens zwischen <span class="g">Euch</span>, w&auml;re Euere ganze Religion nicht eine L&uuml;ge,
+so geschieht es f&uuml;r unser <span class="g">Land</span>, nicht f&uuml;r Eueren Glauben, und Gottes
+Zorn, ich mag &uuml;ber dem weder die Flagge Beretanis noch der Feranis
+wehen sehen! Ihr aber&laquo; &mdash; sich jetzt zu seinen Landsleuten wendend,
+von denen Einige im stummen Entsetzen und mit emporgehobenen H&auml;nden
+standen, z&uuml;rnte er laut &mdash; &raquo;ruft mich, wenn Ihr mich braucht, nur
+nicht zum Singen und Beten, sondern wenn es gilt, das Vaterland wieder
+rein zu fegen, von Allem was fremd und feindlich ist, und Fanue ist
+Euer Mann; aber hierher taugt er <span class="g">nicht</span>!&laquo; und mit den Worten, den
+Tapamantel fester um sich ziehend, verlie&szlig; er rasch und zornigen
+Schrittes den Trupp.</p>
+
+<p>&raquo;Ein wilder Geist, ein unb&auml;ndiger Geist, den der Herr erleuchten, und
+auf ihn das Licht Seiner Gnade recht bald ausgie&szlig;en m&ouml;ge,&laquo; sagte
+Brower mit einem<span class='pagenum'> <a name="Page_157" id="Page_157">[157]</a></span> frommen Blick nach oben, &raquo;ich will recht warm und
+br&uuml;nstig f&uuml;r ihn beten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;So Dich Dein Auge &auml;rgert, rei&szlig; es aus!&laquo; z&uuml;rnte aber Dennis, mit dem
+linken Arm die Bibel, die er damit hielt, fester an sich ziehend, die
+Rechte dorthin gestreckt, wo der zornige Indianer eben verschwunden
+war, und die Zur&uuml;ckgebliebenen noch standen ihm nachzuschauen, &raquo;und
+wie der d&uuml;rre Feigenbaum aus dem Boden gehoben, und in's Feuer
+geworfen werden mu&szlig;, so sollen die Glieder dieser Kirche gerichtet
+werden, die abtr&uuml;nnig und d&uuml;rr am Stamm stehen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und glaubt Ihr, Br&uuml;der, da&szlig; wir Anderen eben so denken wie Fanue?&laquo;
+schrie Aonui jetzt in wilder Begeisterung &mdash; &raquo;glaubt Ihr, da&szlig; <span class="g">wir</span>
+nicht sterben k&ouml;nnten f&uuml;r den Glauben, f&uuml;r den Jesus Christus vor uns
+gestorben ist? &mdash; Jene Flagge da weht feindlich auf uns her&uuml;ber,
+feindlich auf die Bibel, die wir als Gottes Wort erkennen, und an <span class="g">uns</span>
+ist es, nicht an den Beretanis, das zu entfernen, das uns st&ouml;rend hier
+in den Weg tritt. Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich! sagt
+Christus &mdash; Aonui f&uuml;rchtet keinen Gegner, so lange er f&uuml;r den Herrn
+streitet. So wer die Bibel liebt, der folge mir!&laquo; und mit den zuletzt
+wild gejubelten Worten durchbrach er die Menge, die ihm willig Raum
+gab, und sich ihm auch<span class='pagenum'> <a name="Page_158" id="Page_158">[158]</a></span> zum gro&szlig;en Theil anschlo&szlig;, und eilte raschen
+Schrittes dem Hause des Franz&ouml;sischen Consuls zu, in dessen Garten,
+auf einer dort aufgerichteten Stange die dreifarbige Fahne lustig in
+der scharfen Brise flatterte und schlug.</p>
+
+<p>Der Consul war nicht im Haus, aber zwei M&auml;nner hatten kurz vorher den
+Platz von einer anderen Seite betreten, Mr. M&ouml;renhout aufzusuchen &mdash; Ren&eacute; Delavigne und der H&auml;uptling Paofai, und standen noch an der
+verschlossenen Th&uuml;r unweit des Flaggenstocks, als sie den
+herantosenden L&auml;rm der Masse h&ouml;rten.</p>
+
+<p>&raquo;Hallo Paofai,&laquo; sagte Ren&eacute; zu dem H&auml;uptling, &raquo;der Specktakel kommt
+n&auml;her, und es sollte mich am Ende gar nicht wundern, wenn sie unserem
+Freund M&ouml;renhout einen, vielleicht nichts weniger als
+freundschaftlichen Besuch abstatten wollten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie sind zu Allem f&auml;hig,&laquo; sagte der H&auml;uptling ver&auml;chtlich; &raquo;ihre
+Bibel tragen sie voraus, wie wir Oro fr&uuml;her in die Schlacht trugen,
+und dann rennen sie blind und toll hinterdrein, und singen und beten
+und treiben, wer wei&szlig; was sonst noch f&uuml;r Unsinn &mdash; wenn Tahiti nicht
+mein Vaterland w&auml;re, ich setzte mich noch heute in mein Canoe, und
+lie&szlig; mich nach leew&auml;rts treiben soweit es dem Wind gefiele &mdash; bin<span class='pagenum'> <a name="Page_159" id="Page_159">[159]</a></span> es
+fast m&uuml;de hier das Spielwerk bald der Missionaire, bald der Franzosen
+oder Engl&auml;nder zu sein.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie kommen wahrhaftig hierher zu!&laquo; rief Ren&eacute; jetzt, der die Worte
+seines Gef&auml;hrten wenig beachtet und nur dem rasch n&auml;her kommenden L&auml;rm
+gelauscht hatte; &raquo;was <span class="g">k&ouml;nnen</span> sie wollen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Alles was toll und unklug ist,&laquo; sagte Paofai achselzuckend &mdash; &raquo;sie
+werden das Haus st&uuml;rmen wollen und die Flagge niederrei&szlig;en.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Die Franz&ouml;sische Flagge?&laquo; rief Ren&eacute;, mit rasch aufblitzendem Zorn,
+&raquo;das sollen sie beim Teufel lassen, so lange <span class="g">ich's</span> hindern kann.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wirst's eben nicht lange hindern k&ouml;nnen, Freund,&laquo; lachte der
+Insulaner &mdash; &raquo;aber &mdash; gern leid' ich's auch nicht.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nieder mit der Flagge! nieder mit den drei Farben!&laquo; tobte jetzt der
+Haufen heran, &raquo;sie geh&ouml;rt auch mit zu den G&ouml;tzenbildern und mu&szlig;
+fallen!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das wird Ernst,&laquo; rief Ren&eacute;, &raquo;herbei Paofai!&laquo; und ohne weiter
+abzuwarten ob ihm der H&auml;uptling folge, warf er sich mit dem ihm
+eigenen tollk&uuml;hnen Muth allein und unbewaffnet dem jetzt gegen den
+Flaggenstock anst&uuml;rmenden Haufen entgegen. Paofai z&ouml;gerte dabei noch
+einen Augenblick &mdash; er sah das Hoffnungslose einer Vertheidigung,
+solcher Uebermacht<span class='pagenum'> <a name="Page_160" id="Page_160">[160]</a></span> gegen&uuml;ber, und wenn er auch mit zu der Parthei
+seiner Landsleute geh&ouml;rte, von der ein Theil jenen Vertrag mit den
+Franzosen unterschrieben, betrachtete er die Feranis eben nur als
+Mittel zum Zweck, seinen eigenen Rang wieder auf den Inseln zu
+erlangen, den er durch die Macht der Pomaren theilweis verloren, und
+nicht etwa dem Fremden Rechte einzur&auml;umen, die seinem Stolz gerad'
+entgegenliefen. Das edle Gef&uuml;hl aber, das noch in seiner Brust
+schlummerte, trieb ihn auch, dem Einzelnen gegen die Masse
+beizustehen, und langsamer zwar, als ihm der junge Franzose
+vorangegangen, und dabei lachend mit dem Kopf sch&uuml;ttelnd, als ob er
+wisse da&szlig; er jetzt einen un&uuml;berlegten Streich begehe, folgte er dem
+Fremden zur Fahnenstange, wo er eben zeitig genug ankam Zeuge zu sein
+wie Ren&eacute;, ohne ein Wort weiter zu verlieren, den voranst&uuml;rmenden Aonui
+aufgriff und mit solcher Kraft gegen den ihm n&auml;chst Folgenden warf,
+das Beide zur&uuml;cktaumelten, und die Bibel des frommen H&auml;uptlings Hand
+entfiel.</p>
+
+<p>&raquo;Zur&uuml;ck!&laquo; donnerte des jungen Mannes Stimme zu gleicher Zeit &mdash; &raquo;das
+hier ist fremdes Eigenthum, und keinem von Euch ist das Recht gegeben
+es anzutasten!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nieder mit dem Wi-Wi!&laquo; schrieen dagegen von hinten vor Andere,
+w&auml;hrend sich Aonui, der hier kei<span class='pagenum'> <a name="Page_161" id="Page_161">[161]</a></span>neswegs Widerstand zu finden
+erwartet, erschreckt vom Boden aufraffte, und seinem Gegner in's Auge
+sah. Er hatte gar nicht daran gedacht mit irgend einem Menschen hier
+in Ber&uuml;hrung kommen zu k&ouml;nnen, und nur durch fanatischen Eifer dahin
+getrieben eine Holzstange umzuwerfen, und ein St&uuml;ck Zeug
+herunterzuholen, wu&szlig;te er noch gar nicht, ob er seinen eigenen Leib in
+eine vielleicht th&ouml;richte Gefahr dabei bringen solle oder nicht. &mdash; Wo
+kam der Wi-Wi auf einmal her?</p>
+
+<p>Aber auch Paofai trat jetzt hinzu, und die N&auml;chsten mit dem Arm
+langsam von der Stange zur&uuml;ckschiebend, sagte er mit seiner weichen
+melodischen und zugleich so klangvollen Stimme:</p>
+
+<p>&raquo;Wi&szlig;t Ihr was Ihr thun wollt, Ihr M&auml;nner von Tahiti? &mdash; Ihr wollt eine
+Nation beleidigen, mit der Ihr in diesem Augenblick auf
+freundschaftlichem Fu&szlig;e steht; Ihr wollt Euch einen Feind machen, der
+mit seinen eisernen Kugeln Euere H&uuml;tten und Palmen und Brodfruchtb&auml;ume
+niederwerfen und Euch verderben kann. Seid Ihr von einem b&ouml;sen Geist
+besessen da&szlig; Ihr so tobt?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Er hat meine Bibel niedergeworfen!&laquo; rief in diesem Augenblick Aonui
+mit zornfunkelnden Augen, erst jetzt das Entsetzliche bemerkend &mdash; &raquo;der Wi-Wi hat die Bibel in den Schmutz geworfen.&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_162" id="Page_162">[162]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Nieder mit dem Wi-Wi, nieder mit der Flagge!&laquo; schrie und br&uuml;llte da
+die Schaar wild durcheinander &mdash; &raquo;sie haben die Bibel gesch&auml;ndet &mdash; nieder mit den Feranis und ihren G&ouml;tzen &mdash; wir wollen keinen Vertrag,
+wir wollen keine Freundschaft mit ihnen!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Auch gut,&laquo; brummte Ren&eacute; vor sich hin, und ein St&uuml;ck Holz aufgreifend
+das dort zuf&auml;llig lag, schlug er den Ersten der Hand an das Seil legen
+wollte die Flagge niederzuziehen, ohne weiter einen Ruf zu thun, damit
+zu Boden. Andere aber dr&auml;ngten nach und obgleich er, ohne R&uuml;cksicht
+auf sich selbst zu nehmen, blind und wild um sich herschlug, fand er
+sich doch bald von der Masse &uuml;berw&auml;ltigt, zu Boden geworfen, und aus
+dem Weg geschleppt, w&auml;hrend Paofai selber, der sonst so geachtete und
+gef&uuml;rchtete H&auml;uptling, kaum glimpflicher behandelt wurde.</p>
+
+<p>&raquo;Fort mit Dir Paofai!&laquo; schrie eine Stimme aus der Menge, und H&auml;nde
+streckten sich drohend nach ihm aus &mdash; &raquo;Du bist ein Freund der Wi-Wis &mdash; Du bist auch Einer von denen die uns an sie verrathen wollen &mdash; fort
+mit Dir. Dein Platz w&auml;re neben der Bibel und nicht neben dem Hause von
+Me-re-hu, dem Feinde Tahitis &mdash; fort mit Dir!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aonui &mdash; <span class="g">Du</span> haftest mir f&uuml;r die Sicherheit dieser Flagge!&laquo; rief da
+Paofai, den Arm des H&auml;upt<span class='pagenum'> <a name="Page_163" id="Page_163">[163]</a></span>lings ergreifend, als er f&uuml;hlte wie er
+ebenfalls durch den andr&auml;ngenden Schwarm unwiderstehlich zur&uuml;ckgepre&szlig;t
+wurde und dem Volk den Platz r&auml;umen mu&szlig;te &mdash; &raquo;von Dir wird sie
+Frankreich wieder fordern.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Frankreich soll zu Grase gehen,&laquo; brummte da eine Stimme in breitem
+Irisch, dicht neben dem H&auml;uptling, und die Flaggenlinie fassend zog
+unser alter Bekannter, Jim, die wehende Flagge unter dem Jubelruf und
+Jauchzen der Masse, von denen gleich zehn hinzusprangen ihm zu helfen,
+nieder, und im Triumph wurde die erbeutete jetzt durch die Stadt
+getragen.</p>
+
+<p>Kaum senkte sich die Flagge, als ein Boot von der <span class="f">Jeanne d'Arc</span>
+abstie&szlig;, an Land ruderte, die Ursache zu erfahren, und dort drohte die
+Corvette w&uuml;rde die Stadt beschie&szlig;en, wenn die Flagge nicht
+augenblicklich wieder gehi&szlig;t und mit der &uuml;blichen Ehrensalve von
+Tahitischer Seite begr&uuml;&szlig;t werde. Der Capitain des Talbot aber, dem die
+Drohung hinterbracht wurde, erkl&auml;rte, in dem Augenblick wo der erste
+Schu&szlig; aus dem Franz&ouml;sischen Kriegsschiff auf die Stadt fiel,
+seinerseits sein Feuer auf die Corvette zu er&ouml;ffnen, und der Jubel
+Papetees bei dieser Erkl&auml;rung &uuml;berstieg alle Grenzen.<span class='pagenum'> <a name="Page_164" id="Page_164">[164]</a></span></p>
+
+<p>Die Missionaire sagten gleich, w&auml;hrend der Talbot zum Gefecht
+trommelte, und Alles an Deck klar machte, Kirche an, die Indianer
+tanzten, ein kleiner Theil ausgenommen, dem diese Wendung der Dinge
+nicht behagte, und die Prophezeihungen der Missionaire, was Englands
+Beistand betraf, schienen allerdings Wahrheit werden zu wollen; Pomare
+stand nicht mehr allein, eine arme verlassene Frau, und die
+Geistlichen selber, als die jedenfalls indirekte, ja vielleicht sogar
+direkte Ursache dieser so zeitgem&auml;&szlig;en H&uuml;lfe, stiegen bei dem Volk, das
+sich dem M&auml;chtigen am liebsten unterwirft, bedeutend an Achtung.</p>
+
+<p>Die angeborene Gutm&uuml;thigkeit der Insulaner lie&szlig; sie aber auch ihren
+Sieg nicht weiter treiben, und Ren&eacute; wie Paofai blieben, nur erst aus
+dem Weg geschafft, vollkommen unbel&auml;stigt. Am anderen Morgen jedoch,
+mit dem wieder eingetroffenen Passatwind lief, unter dem Donner der
+Tahitischen, etwas mittelm&auml;&szlig;igen Gesch&uuml;tzst&uuml;cke, und den
+Begr&uuml;&szlig;ungssch&uuml;ssen des Talbot, die Englische Fregatte der Vindictive
+ein, und der Jubel erreichte hier seinen h&ouml;chsten Grad, als die
+freudige Botschaft von Mund zu Mund lief, der erwartete Geistliche
+Pi-ri-ta-ti (Pritchard) sei wieder mit zur&uuml;ckgekehrt, der ja nur
+deshalb nach England gegangen war, der K&ouml;nigin der Beretanis ihren
+Streit mit den Feranis vorzulegen und H&uuml;lfe<span class='pagenum'> <a name="Page_165" id="Page_165">[165]</a></span> von dort zu bringen. Und
+hatte er das nicht jetzt gethan?</p>
+
+<p>Mit einem wahren Triumphgeschrei wurde er empfangen, und unter dem
+Jauchzen und Jubeln, ja unter den Segensrufen Tausender an Land
+gef&uuml;hrt, so da&szlig; der Ehrw&uuml;rdige Mann dadurch wirklich in nicht geringe
+Verlegenheit gerieth. Weder er noch das Kriegsschiff brachte n&auml;mlich
+direkt ausgesprochene H&uuml;lfe von England, sondern nur, als Geschenk,
+einen Wagen f&uuml;r die K&ouml;nigin Pomare, und Zeug zu einer rothen Uniform
+f&uuml;r ihren Gemahl, den jetzt eine Zeitlang auf Imeo gewesenen jungen
+H&auml;uptling.</p>
+
+<p>Graf Aberdeen hatte sich damit begn&uuml;gt dem jungen Staat seine
+freundlichen Gesinnungen zu bekunden, und die H&auml;uptlinge erschraken
+allerdings als ihnen die&szlig; endlich begreiflich gemacht wurde. Pomare
+schlo&szlig; sich einen ganzen Tag in ihr Haus ein, denn eine neue
+Besitzergreifung Tahitis durch die Franzosen war nun allerdings nicht
+unm&ouml;glich, und ihre Sicherheit ihnen keineswegs gew&auml;hrleistet worden.
+Was aber k&uuml;mmerte das das Volk, die fr&ouml;hlichen, gutm&uuml;thigen Kinder
+dieser Inseln? F&uuml;r den Augenblick waren sie jeder weiteren
+Unannehmlichkeit &uuml;berhoben, f&uuml;r den Augenblick lagen die Englischen
+Kriegsschiffe drohend und ihnen Schutz gew&auml;hrend in ihrer Bai, und
+ihre K&ouml;nigin konnte in dem wunder<span class='pagenum'> <a name="Page_166" id="Page_166">[166]</a></span>lichsten Ding spatzieren fahren, das
+ihre k&uuml;hnste Phantasie sich je gedacht &mdash; das Uebrige brachte die Zeit &mdash; weshalb sich vorher gr&auml;men? und die Predigten ihrer Geistlichen
+best&auml;rkten sie bald in der frohen Hoffnung da&szlig; kein Franzose es je
+wieder wagen w&uuml;rde ihre Rechte anzutasten, ihre Religion ihnen zu
+nehmen, oder sie mit seinen Kanonen zu zwingen seinem Willen Folge zu
+leisten; was wollten sie mehr.<span class='pagenum'> <a name="Page_167" id="Page_167">[167]</a></span></p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fu&szlig;noten:</h3>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_F_6" id="Footnote_F_6"></a><a href="#FNanchor_F_6"><span class="label">[F]</span></a> Das westliche Ufer dieser Inseln wird stets das Leeufer
+genannt, da der Wind, mit nur seltenen Ausnahmen, immer von Osten
+kommt.</p></div>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_G_7" id="Footnote_G_7"></a><a href="#FNanchor_G_7"><span class="label">[G]</span></a> Missionair Bingham spricht mit besonderer Ehrfurcht von
+dem w&uuml;rdigen <span class="f">&raquo;Matriarchen&laquo; Kaahumanu</span>, der Gattin Kamehamea des Ersten &mdash; eine Frau von beinah dreihundert Pfund Gewicht.</p></div>
+</div>
+
+
+<hr class="endchapter" />
+<h2><a name="Capitel_6" id="Capitel_6"></a>Capitel 6.</h2>
+<h3>Ein Ball in Papetee.</h3>
+
+
+<p>Es l&auml;&szlig;t sich denken, in welche Aufregung die kleine Colonie durch die
+erst beschriebenen Vorf&auml;lle gebracht wurde, denn w&auml;hrend die
+Insulaner, viel zu sehr dem Frieden geneigt, bei weitem in der
+Majorit&auml;t den Engl&auml;ndern zuhielten, und eine neue Religion wie ein
+neues Regiment schon deshalb f&uuml;rchteten, als es wieder auf's Neue eine
+Umw&auml;lzung in ihren kaum regulirten Sitten und Gebr&auml;uchen hervorrufen
+mu&szlig;te, bestand der gr&ouml;&szlig;te Theil der in Papetee selber angesiedelten
+Fremden aus Franzosen, und deren hei&szlig;es Blut revoltirte in Feuer und
+Flamme gegen einen Zwang, der ihnen pl&ouml;tzlich aufgelegt werden sollte,
+und um so dr&uuml;ckender war, da sie die<span class='pagenum'> <a name="Page_168" id="Page_168">[168]</a></span> Hoffnung nicht einen Augenblick
+aufgaben, durch das n&auml;chst einkommende Kriegsschiff &mdash; und die von den
+Insulanern so gef&uuml;rchtete <span class="f">Reine blanche</span> kreuzte in diesen Gew&auml;ssern &mdash; das ganze, durch die Missionaire jetzt nur k&uuml;nstlich aufgebaute System
+wieder umgeworfen zu sehen.</p>
+
+<p>Es versteht sich &uuml;brigens von selbst, da&szlig; w&auml;hrend dieser Zeit der von
+<span class="f">Du Petit Thouars</span> allerdings nicht ganz auf rechtlichem Wege
+hergestellte und von den H&auml;uptlingen gezeichnete Vertrag, zu dessen
+Unterschrift man selbst Pomare zwang, nicht allein nicht mehr
+beachtet, sondern vollst&auml;ndig anullirt wurde. Frei und offen predigten
+die Protestanten gegen das Pabstthum und die beabsichtigte Occupation
+der Franzosen, und die R&ouml;mischen Priester, die ihre Kapelle auf einem
+kleinen reizenden H&uuml;gel in Mativaibai errichtet hatten, konnten sich
+in dieser Zeit nur auf einen sehr kleinen Kreis ihnen ergebener oder
+doch wenigstens nicht feindlich gesinnter Insulaner verlassen. Im
+Allgemeinen f&uuml;rchteten die Indianer den Platz, der in seinen
+Ceremonieen etwas Geheimni&szlig;volles f&uuml;r sie hatte, und ihnen von ihren
+Geistlichen in solchen Farben geschildert war, da&szlig; sie sich scheuten
+ihn nach Dunkelwerden zu passiren. Ja sie w&uuml;rden ihn zerst&ouml;rt und jene
+Priester wieder gewaltsam von dort vertrieben haben, h&auml;tten nicht Mr.
+Nelson vorz&uuml;glich<span class='pagenum'> <a name="Page_169" id="Page_169">[169]</a></span> wie auch die Br&uuml;der Smith, Brower und Mc. Kean ihr
+M&ouml;glichstes gethan sie von einem so un&uuml;berlegten und b&ouml;sen Schritt
+zur&uuml;ckzuhalten, zu dem sie der Feuereifer des frommen Dennis, wie der
+uners&auml;ttliche Ehrgeiz Rowes unaufhaltsam trieben.</p>
+
+<p>Der Franz&ouml;sische Theil der Bewohner hielt sich indessen vollkommen
+ruhig, und wenn auch Consul M&ouml;renhout, in dem Gef&uuml;hl seiner
+beleidigten W&uuml;rde, im Anfang Ren&eacute; antreiben wollte der
+Gewaltth&auml;tigkeit wegen Klage auf Schadenersatz einzureichen, die er,
+bei Vertheidigung der Franz&ouml;sischen Flagge gelitten, weigerte sich
+dieser auf das Bestimmteste dagegen.</p>
+
+<p>&raquo;Ich bin von den Indianern freundlich aufgenommen,&laquo; sagte er, &raquo;und
+w&auml;re der Letzte einer einfachen Schl&auml;gerei wegen, bei der ich eben so
+viel, vielleicht mehr, ausgetheilt habe als bekommen, neuen Grund zu
+Streitigkeiten und Ursache zu sp&auml;teren Forderungen meiner Landsleute
+zu geben. Ich h&auml;tte gescheuter sein sollen als mich in Sachen zu
+mengen die mich Nichts angehen.&laquo;</p>
+
+<p>Die Franzosen in Papetee waren damit nicht ganz einverstanden &mdash; sie
+wollten vor allen Dingen wieder neue Haltpunkte f&uuml;r unter Englischem
+Einflu&szlig; ausge&uuml;bten Uebergriffe, und auch die Eingeborenen schienen
+mi&szlig;trauisch gegen den Fremden geworden zu sein, den sie, als den
+Gatten einer ihrer eingeborenen<span class='pagenum'> <a name="Page_170" id="Page_170">[170]</a></span> M&auml;dchen, und in dem fr&uuml;heren Hause
+des alten Mr. Osborne wohnend, schon gewisserma&szlig;en als einen der
+ihrigen, gar nicht mehr als einen Wi-Wi betrachtet hatten, und der
+doch jetzt feindlich und gewaltth&auml;tig gegen sie aufgetreten war. Das
+so sehr freundliche Verh&auml;ltni&szlig;, in dem er bis dahin mit ihnen
+gestanden, schien jedenfalls gelockert, wenn auch nicht ganz gel&ouml;st.</p>
+
+<p>Ren&eacute; hatte aber viel zu guten und leichten Muth, sich etwas derartiges
+gro&szlig; zu Herzen zu nehmen; wie er auf der einen Seite fest gegen seine
+Landsleute blieb, und sich auf der anderen nichts B&ouml;ses gegen die
+Insulaner bewu&szlig;t war, verkehrte er nach wie vor mit beiden Theilen,
+und wu&szlig;te sie beide wieder f&uuml;r sich zu gewinnen. Solche kleine
+Neckereien und Mi&szlig;verst&auml;ndnisse dienten aber keineswegs dazu, ihn
+manches Andere was ihm st&ouml;rend in den Weg trat, &uuml;bersehen zu lassen,
+und nur die Heimath, seine Sadie, sein kleines herziges M&auml;dchen
+konnten ihm manchmal ganz jenen frohen fast wilden Uebermuth
+wiedergeben, mit dem er sich einem dr&uuml;ckenden Verh&auml;ltni&szlig; damals
+entzogen, und einem neuen Leben f&ouml;rmlich in die Arme geworfen hatte.</p>
+
+<p>Nichts destoweniger blieb das gesellschaftliche Leben der Inseln unter
+den verschiedenen und so wenigen Franzosen, ein h&ouml;chst
+freundschaftliches; eigene<span class='pagenum'> <a name="Page_171" id="Page_171">[171]</a></span> Interessen, ja eigene Gefahr verband die
+Leute auch schon fester mit einander, als es irgend etwas anderes im
+Stande gewesen w&auml;re zu thun, und das leichte franz&ouml;sische Blut schwamm
+&uuml;berhaupt oben auf.</p>
+
+<p>Besonders viel trug hierzu die Belardsche Familie bei, die sich
+wirklich unendliche und anerkennenswerthe M&uuml;he gab in Papetee einen
+freundschaftlichen Ton zu erhalten, ja eigentlich erst zu schaffen, wo
+schon die Mischung der verschiedenen Racen etwas derartiges unendlich
+schwierig machte. Die Europ&auml;er hatten meistens all ihre alten
+Gewohnheiten, aber auch ihre Vorurtheile her&uuml;bergebracht in eine ganz
+neue Welt, in die weder die einen, noch die anderen passen wollten,
+und konnten nur durch unerm&uuml;dliche Ausdauer Einzelner, die sich der
+letzteren wenigstens entledigt hatten, dazu gebracht werden sich
+gemeinschaftlich zu am&uuml;siren &mdash; man wollte weiter Nichts von ihnen.</p>
+
+<p>Ein wirkliches Hinderni&szlig; aber f&uuml;r gr&ouml;&szlig;ere Gesellschaften blieb der
+Mangel an Europ&auml;ischen oder vielmehr wei&szlig;en Damen, von denen sich nur
+sehr wenige auf der Insel befanden, und zu einem wirklich
+gesellschaftlichen Leben doch unumg&auml;nglich n&ouml;thig, ja unentbehrlich
+waren. Mit den eingeborenen und mit Europ&auml;ern fast durchschnittlich
+nur &raquo;oberfl&auml;chlich getrauten&laquo; Frauen konnte man auch in solcher Art<span class='pagenum'> <a name="Page_172" id="Page_172">[172]</a></span>
+nicht gut verkehren; die Indianerinnen waren h&uuml;bsch und lebendig, auch
+gutm&uuml;thig und liebensw&uuml;rdig, pa&szlig;ten aber nirgends weniger hin als in
+Gesellschaft gebildeter <span class="g">Frauen</span>, w&auml;hrend mit der Protestantischen
+Bev&ouml;lkerung, die in dieser Hinsicht fast nur aus den Familien der
+Missionaire bestand, ein n&auml;herer Verkehr ganz au&szlig;er Frage blieb.
+Selbst den feindlichen Stand abgerechnet, den diese beiden Theile der
+Gesellschaft gegenw&auml;rtig einnahmen, h&auml;tten sie sich nie in dieser
+Beziehung vereinigen k&ouml;nnen, da die strengen orthodoxen Geistlichen
+jede Art von Spiel und Tanz schon als eine S&uuml;nde des Fleisches gegen
+den Geist ansahen, nur in ihrer zur&uuml;ckgezogen ernst gehaltenen
+Lebensart den Pfad zum Himmel zu finden glaubten, und von den, darin
+viel zuversichtlicheren Franzosen h&auml;ufig verspottet, aber gewi&szlig; nie
+aufgesucht wurden.</p>
+
+<p>Nun lag diesen aber auch daran den Eingeborenen sowohl, wie vorz&uuml;glich
+den Missionairen zu beweisen, da&szlig; sie keineswegs durch die im
+Englischen Interesse geschehenen Schritte eingesch&uuml;chtert, sondern im
+Gegentheil noch voll frischen Muthes w&auml;ren, und noch mochten kaum
+vierzehn Tage nach den vorherbeschriebenen Vorf&auml;llen vergangen sein,
+als Mrs. Belard, von ihren Landsleuten dabei unterst&uuml;tzt, fest darauf
+bestand, allen politischen wie gesellschaftlichen Hindernissen zum
+Trotz, einen <span class="g">Ball</span> zu geben, und<span class='pagenum'> <a name="Page_173" id="Page_173">[173]</a></span> allerdings blieb ihr dabei Nichts
+&uuml;brig, als sich &uuml;ber das, wogegen sie sich lange gestr&auml;ubt,
+wegzusetzen und eingeborene Frauen, von denen man sich ja die
+geachtetsten aussuchen konnte, wirklich mit dazu zu ziehen; wenn auch
+der Ball dadurch einen etwas wilden Charakter bekam.</p>
+
+<p>Aber die Missionaire traten ihnen selbst hierbei st&ouml;rend in den Weg,
+denn diese hatten zu gro&szlig;en Einflu&szlig; auf den wirklich anst&auml;ndigen Theil
+der weiblichen Bev&ouml;lkerung Tahitis, auf die Frauen und T&ouml;chter der
+ersten H&auml;uptlinge, denen der Tanz als etwas rein s&uuml;ndliches, von ihren
+finsteren Lehrern streng verboten und mit strengeren Strafen, wo sie
+im Stande waren die in Kraft treten zu lassen, belegt war. Selbst
+Sadie f&uuml;rchtete nicht allein den Unwillen der Geistlichen zu erregen,
+sondern ihr religi&ouml;ser Sinn, vielleicht mit einer Art Scheu vor den
+fremden Menschen verbunden, hielt sie zur&uuml;ck selbst von dem Gedanken
+an solche Vergn&uuml;gungen.</p>
+
+<p>Ren&eacute; wollte sich aber daran nicht binden, doch erst als Sadie sah und
+f&uuml;hlte, da&szlig; sie ihm mit einer l&auml;ngeren Weigerung weh thun, ja
+vielleicht auch Unfrieden im Hause anstiften w&uuml;rde, f&uuml;gte sie sich
+endlich seinem Wunsch; aber das Herz schlug ihr dabei, als sie ihm
+ihre Einwilligung gab, und es war, als ob sie eine unrechte Handlung
+begehen solle. Aengst<span class='pagenum'> <a name="Page_174" id="Page_174">[174]</a></span>lich suchte sie dabei nach Entschuldigungen f&uuml;r
+ihre Zusage, und ihr gutes Herz lie&szlig; sie deren bald genug finden. Ren&eacute;
+war ja doch nun einmal Europ&auml;er und er mu&szlig;te gewi&szlig; gern bei seinen
+Landsleuten sein &mdash; wu&szlig;te Sadie doch selber wie gl&uuml;cklich es sie
+machte, manchmal einen Bewohner von Atiu bei sich zu sehen, und das
+lag doch nur solch kleine kleine Strecke von Tahiti entfernt, und die
+Feranis wohnten so entsetzlich weit, sollte sie da die Ursache sein,
+die ihn zur&uuml;ckhielt?</p>
+
+<p>Bei Brouards war sie deshalb auch schon, und bei Belards einmal mit
+Ren&eacute; gewesen; nur noch nicht bei Mrs. Noughton, der Amerikanerin,
+deren kalt absto&szlig;endes Benehmen ihrem ganzen Wesen weh that; auch Ren&eacute;
+f&uuml;hlte kein Bed&uuml;rfni&szlig; die Leute aufzusuchen, wenn ihn nicht gerade
+eine Gesch&auml;ftssache in ihr Haus f&uuml;hrte.</p>
+
+<p>Trotz allen ihnen in den Weg gelegten Hindernissen wu&szlig;ten Belards
+jedoch jede Schwierigkeit zu &uuml;berwinden &mdash; die Franzosen wollten
+tanzen, und es bedurfte st&auml;rkerer Sachen als der Predigt eines
+Missionairs, sie daran zu verhindern. Mr. Belard gab deshalb einen
+Ball, und alle Franzosen Papetees wie die Officiere der noch im Hafen
+liegenden <span class="f">Jeanne d'Arc</span> waren eingeladen.</p>
+
+<p>Sadie f&uuml;rchtete sich vor dem Abend, sie wu&szlig;te<span class='pagenum'> <a name="Page_175" id="Page_175">[175]</a></span> selbst nicht warum,
+aber sie durfte sich nicht weigern zu gehen, denn erstlich hatte
+selbst Mr. Nelson seine Einwilligung gegeben, da&szlig; sie wenigstens Theil
+an der Gesellschaft nehmen d&uuml;rfe, und dann war sogar Lefevre mit
+Aumama eingeladen &mdash; Monsieur Belard <span class="g">mu&szlig;te</span> Damen zum Tanzen haben &mdash; sie konnte sich da nicht ausschlie&szlig;en, <span class="g">durfte</span> Ren&eacute; nicht so kr&auml;nken.</p>
+
+<p>Der Vorbereitungen bedurfte es dabei nicht viele &mdash; ihre Tracht, wenn
+auch nach Europ&auml;ischem Schnitt, war so schlicht und einfach wie nur
+m&ouml;glich, und frische Blumen im Haar schm&uuml;ckten das liebreizende
+Antlitz der jungen Frau sch&ouml;ner als es Diamanten und Perlen vermocht
+h&auml;tten &mdash; vielleicht wu&szlig;te sie das auch.</p>
+
+<p>Monsieur Belard wohnte in einem reizenden kleinen Gartenhaus in der
+<span class="f">Broomroad</span>, der n&auml;chsten Querstra&szlig;e vom Strand ab, tief versteckt
+zwischen breitbl&auml;ttrigen Brodfrucht und Papayas, von Palmen das Dach
+&uuml;berrauscht, und den Vorhof dicht bepflanzt mit Orangen und Bananen,
+des Schattens wegen. Das Haus selber war leicht und luftig gebaut,
+hatte aber doch schon Glasfenster und gr&uuml;ne Jalousieen, mit breiter
+hoher Verandah und einen ziemlich gro&szlig;en bequemen Saal, der zu dem
+heutigen Feste mit Blumen und Palmzweigen ganz einfach,<span class='pagenum'> <a name="Page_176" id="Page_176">[176]</a></span> aber h&ouml;chst
+geschmackvoll decorirt war. Wunderlich stachen dagegen freilich
+einzelne St&uuml;cken aus einer civilisirten Welt ab, die ihren Weg nach
+der S&uuml;dsee gefunden, und zu den einfach h&ouml;lzernen W&auml;nden und der
+tropischen Vegetation nicht so recht passen wollten. Auch die Meublen
+waren zusammengew&uuml;rfelt, wie Gl&uuml;ck und Zufall einzelne St&uuml;cke nach
+diesem entlegenen Theil der Welt her&uuml;bergef&uuml;hrt, oder auch schon des
+Tischlers Hand in neuerer Zeit sie aus einheimischem Holze gefertigt
+hatte. So stand auf einer gelbgebeitzten Kommode eine Alabasteruhr
+zwischen Manila Perlmuttermuscheln und blank polirten Z&auml;hnen der
+Spermacetifische &mdash; einen kleinen Mahagoni-Eckschrank schm&uuml;ckten ein
+paar allerliebste franz&ouml;sische Porcellanvasen voll duftender
+Orangenbl&uuml;then, und l&auml;ngs der einen Wand standen zwei vortrefflich
+gepolsterte und mit Damast &uuml;berzogene Sophas, mit denen wieder ein
+schmaler und langer, von Tannenholz aufgeschlagener Tisch nicht
+harmoniren wollte, der die eine Ecke f&uuml;llte, aber mit den kostbarsten
+Produkten dieses an Fr&uuml;chten erf&uuml;llten Landes bedeckt war.</p>
+
+<p>Doch wunderlicher und bunter als die Ger&auml;thschaften war die
+Gesellschaft selbst gemischt.</p>
+
+<p>Der wirklich gebildete Kreis von Bekannten reichte n&auml;mlich zu einem
+solchen Fest nicht aus, die Linie<span class='pagenum'> <a name="Page_177" id="Page_177">[177]</a></span> mu&szlig;te weiter gezogen werden und in
+so engen Raum beschr&auml;nkt auf der kleinen Insel, war man nicht einmal
+im Stande noch unter den Wenigen die sich hier befanden, auszuscheiden &mdash; es m&uuml;&szlig;ten denn <span class="g">sehr</span> triftige Gr&uuml;nde dazu vorgelegen haben. Alles
+deshalb, was nur einigerma&szlig;en auf Bildung Anspruch machte und aus dem
+Mutterland oder &uuml;berhaupt der civilisirten Welt stammte, die
+protestantische Geistlichkeit ausgenommen, <span class="g">war</span> eingeladen, und die
+kleine Villa versammelte in den eigenth&uuml;mlichsten Trachten dabei, ein
+so wunderlich gemischtes V&ouml;lkchen wie sich wohl noch je, seit Papetee
+stand, auf einem so kleinen Raum zusammengefunden hatte.</p>
+
+<p>Als Ren&eacute; mit Sadie den Saal betrat, wo sie Mad. Belard in ihrer
+lebendigen aber doch herzlichen Weise empfing, waren eben die
+Officiere der <span class="f">Jeanne d'Arc</span> eingetroffen. Das Vorstellen ging rasch und
+ungezwungen genug vor&uuml;ber; Ren&eacute; hatte schon einige von diesen vorher
+kennen gelernt und wurde auf das freundlichste von ihnen begr&uuml;&szlig;t.</p>
+
+<p>Madame Brouard war noch nicht erschienen, und da Mad. Belard
+anderweitig und in der That &uuml;berall in Anspruch genommen wurde, und
+Ren&eacute; viel mit den Officieren zu sprechen hatte, blieb Sadie allein,
+und sah sich eben etwas verlegen nach irgend einem Bekannten um, nicht
+so ganz verlassen in dem fremden<span class='pagenum'> <a name="Page_178" id="Page_178">[178]</a></span> Zimmer zu stehen, als Mr. und Mrs.
+Noughton den Saal betraten, und nach der &uuml;blichen Einf&uuml;hrung an Sadie
+vor&uuml;ber gehen wollten.</p>
+
+<p>Mrs. Noughton wandte den Kopf nach der andern Seite und sah Sadie
+nicht, und die arme kleine Frau stand einen Augenblick sch&uuml;chtern und
+unschl&uuml;ssig da, ob sie die, stets etwas kalt gegen sie gewesene Fremde
+anreden solle oder nicht; aber Ren&eacute; ging gerade mit zweien der
+Officiere den Saal hinunter und lie&szlig; sie da <span class="g">ganz</span> allein.</p>
+
+<p>&raquo;Madame Noughton,&laquo; sagte sie leise, und ber&uuml;hrte mit ihrer
+Fingerspitze den Arm der jetzt dicht an ihr Vorbeigehenden.</p>
+
+<p>Mrs. Noughton drehte langsam den Kopf nach ihr um und sah sie an.</p>
+
+<p>&raquo;Ich freue mich Sie auch hier zu treffen,&laquo; sagte Sadie.</p>
+
+<p>Mrs. Noughton neigte h&ouml;flich das Haupt gegen sie, Mr. Noughton machte
+eine etwas steife Verbeugung, und die beiden Gatten gingen, ohne
+weiter ein Wort mit ihr zu wechseln, vorbei, dem andern Ende des
+Saales zu.</p>
+
+<p>Sadie stand wie in den Boden gewurzelt, und das Herz schlug ihr
+&auml;ngstlich und verlassen in der Brust.</p>
+
+<p>&raquo;Sie haben Dich gar nicht erkannt in den frem<span class='pagenum'> <a name="Page_179" id="Page_179">[179]</a></span>den Kleidern,&laquo; murmelte
+sie endlich leise und halb l&auml;chelnd vor sich hin &mdash; &raquo;sie haben
+geglaubt es w&auml;re Jemand ganz Anderes, Fremdes &mdash; oder &mdash; &laquo; das Blut
+stieg ihr in vollem Strome in die Schl&auml;fe und von da zum Herzen
+zur&uuml;ck, und sie h&auml;tte in diesem Augenblick Gott wei&szlig; was darum gegeben
+zu Hause, bei ihrer kleinen Sadie sein und die fremde kalte
+Gesellschaft verlassen zu k&ouml;nnen. Aber das ging nicht, und als sie
+sich, wieder etwas mehr gefa&szlig;t, nun im Saale umschaute, sah sie wie
+Mr. und Mrs. Noughton ganz allein und steif auf zwei St&uuml;hlen sa&szlig;en und
+Jedes starr vor sich niedersahen. In diesem Augenblick begann das in
+dem Nebenzimmer aufgestellte und von der <span class="f">Jeanne d'Arc</span> mit
+her&uuml;bergebrachte Musikcorps seine fr&ouml;hlichen Weisen zu spielen; mehr
+und mehr G&auml;ste traten zugleich in den Saal, unter ihnen mehre bekannte
+Gesichter &mdash; eine Hand legte sich ihr pl&ouml;tzlich auf die Schulter &mdash; es
+war Aumama, die ihr lachend in's Auge schaute, und der tr&uuml;be Schatten
+der sich eben angefangen &uuml;ber Sadies Seele zu legen, wich dem ersten
+freundlichen Eindruck der ihr entgegen trat.</p>
+
+<p>&raquo;Was sitzen die Beiden da dr&uuml;ben so ganz allein und steif?&laquo; fl&uuml;sterte
+dabei Aumama, die bemerkt hatte da&szlig; Sadie nach ihnen hin&uuml;berschaute.
+&raquo;Segne mich, wie still und ehrbar sie sind, als ob sie in<span class='pagenum'> <a name="Page_180" id="Page_180">[180]</a></span> der Kirche
+w&auml;ren &mdash; Mr. Aue k&ouml;nnte nicht steifer sitzen.&laquo;</p>
+
+<p>Sadie l&auml;chelte, aber sie wandte den Kopf ab von der Gruppe &mdash; es war
+ihr als ob sich die beiden Leute nur so steif und abgeschlossen dort
+hinten hingesetzt h&auml;tten, nicht mit ihr zu sprechen &mdash; und was hatte
+sie ihnen gethan? &mdash; &raquo;Und Aumama, Du bist auch hierhergekommen zu den
+Fremden?&laquo; sagte sie endlich leise &mdash; &raquo;ich glaubte Du f&uuml;hltest Dich
+nicht wohl zwischen ihnen?&laquo; &mdash;</p>
+
+<p>&raquo;Nein, das thu' ich auch nicht,&laquo; erwiederte rasch und fl&uuml;sternd die
+junge Frau &mdash; &raquo;ich habe zu Hause geweint und gezankt &mdash; ich wollte
+fort bleiben, aber Lefevre &mdash; &laquo; sie wandte den Kopf ab und schwieg, und
+setzte endlich langsam hinzu &mdash; &raquo;es ging nicht anders.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich w&auml;re auch lieber daheim geblieben,&laquo; sagte Sadie treuherzig.</p>
+
+<p>&raquo;Und ich wei&szlig; nicht,&laquo; fuhr Aumama, auf sich selber niedersehend fort,
+&raquo;mir ist meine Tracht bis jetzt noch nie aufgefallen, ja im Gegentheil
+hab' ich das lange weite Oberkleid oft weit eher f&uuml;r &uuml;berfl&uuml;ssig
+gehalten, nur heute &mdash; &laquo; und sie schaute halb verlegen umher &mdash; &raquo;komme
+ich mir hier so sonderbar so fremd selber und unbedeutend vor, als ob
+ich nicht hergeh&ouml;re zwischen die geputzten Leute &mdash; sie mit allem um
+sich hergehangen was nur die fremden Kaufleute<span class='pagenum'> <a name="Page_181" id="Page_181">[181]</a></span> in ihren L&auml;den haben,
+ich barfu&szlig; und nicht einmal ihre Sprache redend. Ob ihnen denn auch
+wohl so zu Muth gewesen ist, als sie zuerst unser Land betreten? Bei
+Dir ist es wohl anders &mdash; Du hast Dich schon ganz ihrer Tracht
+angepa&szlig;t.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wohl ist mir's auch nicht darin,&laquo; sagte Sadie kopfsch&uuml;ttelnd, &raquo;aber
+ich f&uuml;hle da&szlig; es nun einmal nicht anders geht; vielleicht f&uuml;gst Du
+Dich auch hinein.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein,&laquo; erwiederte Aumama rasch &mdash; &raquo;nie im Leben; je mehr ich mit den
+Fremden in Ber&uuml;hrung komme, desto mehr f&uuml;hl' ich da&szlig; wir nicht f&uuml;r
+einander gemacht sind. Sie sind stolz dabei, und worauf? &mdash; sie tragen
+Schuhe, weil sie nicht mit ihren unbeh&uuml;lflichen d&uuml;nnen Sohlen unsere
+Korallen betreten k&ouml;nnen &mdash; ich hab' es neulich gesehen, wie sich die
+Frauen badeten und nicht einen Schritt auf dem scharfen Boden zu thun
+vermochten. Also deshalb stecken sie die F&uuml;&szlig;e in solche H&uuml;lsen, und
+soll ich dann mich sch&auml;men da&szlig; ich sie nicht trage, weil ich da eben
+gehen kann, wo sie es nicht im Stande sind?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und doch thust Du es,&laquo; sagte Sadie l&auml;chelnd.</p>
+
+<p>&raquo;Weil wir eben Th&ouml;rinnen sind, und das Fremde h&ouml;her achten wie unsere
+eigenen heimischen Sitten. &mdash; Aber sieh was f&uuml;r goldblitzende Kleider
+die Feranis von dem Schiff drau&szlig;en tragen,&laquo; unterbrach sie sich<span class='pagenum'> <a name="Page_182" id="Page_182">[182]</a></span> jetzt
+selber, als ihr die blitzenden Uniformen der Officiere des
+Kriegsschiffs in's Auge fielen. &raquo;Und das sind doch nun auch Christen,
+Sadie, und gute Menschen vielleicht und tragen so bunten Staat, und
+uns verbieten die Mitonares jeden Schmuck.</p>
+
+<p>&raquo;Wir wissen auch nicht ob es nicht s&uuml;ndhaft ist so eitel Gold und Putz
+zu tragen,&laquo; sagte leise Sadie &mdash; &raquo;wenigstens nicht wenn wir zu Gottes
+Altar gehn &mdash; die M&auml;nner dort beten vielleicht nie, da k&ouml;nnen sie dann
+freilich tragen was sie wollen. Aber sie drehen wieder hierher um, und
+dort kommt auch Mad. Belard &mdash; sie ist die freundlichste von allen
+fremden Frauen.&laquo;</p>
+
+<p>Das Gespr&auml;ch der beiden Frauen wurde hier unterbrochen, und in der
+That betraten auch jetzt rasch nach einander mehre andere G&auml;ste den
+Saal, von denen Einige, ebenfalls mit eingeborenen Frauen, die beiden
+Freundinnen herzlich begr&uuml;&szlig;ten, und jedes weitere Gespr&auml;ch zwischen
+ihnen unterbrachen.</p>
+
+<p>Und was f&uuml;r bunte Gesellschaft war da versammelt.</p>
+
+<p>Die Officiere der Corvette erschienen nat&uuml;rlich in ihrer Uniform, und
+Mr. Noughton, Mr. Belard und Brouard wie Ren&eacute; und einige Andere waren
+in schwarzem Frack, wie &uuml;berhaupt in dem Europ&auml;ischen Ballcost&uuml;m
+gekommen. Das besonders kam &uuml;brigens den inl&auml;ndischen Frauen und
+M&auml;dchen wunderlich<span class='pagenum'> <a name="Page_183" id="Page_183">[183]</a></span> vor, und sobald es nur heimlicher Weise geschehen
+konnte, kicherten und fl&uuml;sterten sie nicht wenig dar&uuml;ber.</p>
+
+<p>Ein gro&szlig;er Theil der anderen G&auml;ste ging jedoch in die leichte und
+bequeme Tracht gekleidet, die das Klima eigentlich bedingt und
+fordert; helle Sommerstoffe, weit und luftig gearbeitet und den
+Gliedern vor allen Dingen Freiheit der Bewegung lassend. Strenge
+Etikette konnte &uuml;berhaupt an einem Ort nicht stattfinden, wo diese
+schon zwei Dritttheile des sch&ouml;nen Geschlechts unrettbar
+ausgeschlossen h&auml;tte, und mehr als zwei Dritttheile geh&ouml;rten der
+eingeborenen Race an, die nur zum Theil hatte bewogen werden k&ouml;nnen
+Schuhe und Str&uuml;mpfe anzuziehen, sonst aber nur &uuml;ber dem <span class="f">pareu</span> das
+weite loose Obergewand, und darunter die nackten F&uuml;&szlig;e trug.</p>
+
+<p>Aumama bildete den Typus dieser, aus den sch&ouml;nsten M&auml;dchen jenes
+wundersch&ouml;nen Stammes ausgew&auml;hlten Schaar. Der Pareu den sie trug
+bestand aus einem halbseidenen mattgr&uuml;nen mit tiefrothen F&auml;den
+durchzogenen und gemusterten Stoff, in der That nur ein einfaches
+St&uuml;ck Zeug, das um die Lenden geschlagen und an der linken Seite
+eingesteckt wurde; &uuml;ber dieses aber trug sie das, erst durch die
+Europ&auml;er und wahrscheinlich durch die Missionaire eingef&uuml;hrte
+Obergewand, das vorn offen, und mit langen Aermeln an den Handgelenken
+gekn&ouml;pft, bis<span class='pagenum'> <a name="Page_184" id="Page_184">[184]</a></span> etwas &uuml;ber die Knie herunterfiel, und aus feinem
+franz&ouml;sischem Stoff bestand, der durch einen rothseidenen d&uuml;nnen
+Chinesischen Shawl im G&uuml;rtel zusammengehalten wurde, und die Formen
+des K&ouml;rpers mehr verrieth als verh&uuml;llte. Durch das schwarze lockige
+und seidenweiche, mit wohlriechendem Cocosnu&szlig;&ouml;l getr&auml;nkte Haar wand
+sich ihr, von Orangenbl&uuml;then durchflochten, das Gewebe eines reizenden
+gr&uuml;nen und rothen Schlinggew&auml;chses, und die goldenen Ohrringe waren
+fast von den dar&uuml;ber niederh&auml;ngenden Knospen des <span class="f">cape Jasmin</span>
+&uuml;berdeckt. Aumama, die Behende, wie sie in der bilderreichen Sprache
+ihres Landes hie&szlig;, war eine der sch&ouml;nsten Frauen der Insel, und wie
+bei den meisten ihres Alters, stand ihr die etwas dunklere Hautfarbe
+nur zu ihrem Vortheil, w&auml;hrend die gro&szlig;en lichtklaren und doch so
+tiefschwarzen Augen Diamanten gleich, rein und feurig &uuml;ber den von
+zartem Roth angehauchten, lichtbronzenen Wangen gl&uuml;hten.</p>
+
+<p>Mehrere andere Indianerinnen waren &auml;hnlich wie Aumama gekleidet,
+wenigstens mit demselben Schnitt des Gewandes und &auml;hnlichen Stoffen,
+die Capitaine von Wallfischf&auml;ngern in letzterer Zeit auf Speculation,
+theils von Frankreich, Deutschland oder England mitgebracht. Zwei der
+Frauen nur hatten sich so weit civilisirt, Str&uuml;mpfe und Schuhe zu
+tragen;<span class='pagenum'> <a name="Page_185" id="Page_185">[185]</a></span> aber die neue Tracht sa&szlig; ihnen nicht bequem, sie scharrten
+beim Gehen fortw&auml;hrend mit den F&uuml;&szlig;en; sie waren noch nicht gewohnt
+diese hoch genug zu heben die Sohlen auch frei vom Boden zu bringen,
+und die Strumpfb&auml;nder mochten sie auch wohl dr&uuml;cken, denn wie sie sich
+nur unbemerkt glaubten, fa&szlig;ten sie da hinunter den, solchen Zwanges
+ungewohnten Blutgef&auml;&szlig;en Luft zu geben.</p>
+
+<p>Sadie vielleicht allein von allen &uuml;brigen eingeborenen M&auml;dchen schien
+sich in die fremde Tracht vollkommen gut gefunden zu haben, und
+bewegte sich mit solcher Leichtigkeit darin, als ob sie von Jugend auf
+daran gew&ouml;hnt gewesen w&auml;re. Nichts desto weniger ging sie fast so
+einfach gekleidet als ihre fr&uuml;heren Gespielinnen, in einem schlichten
+Oberkleid von ungebleichter Seide, die rothe Sch&auml;rpe ebenso gekn&uuml;pft
+wie Aumama, nur anders den Schnitt des Kleides selbst, das bis auf die
+Kn&ouml;chel hinunterging und die niedlichen in wei&szlig;en Str&uuml;mpfen und feinen
+d&uuml;nnen Lederschuhen steckenden F&uuml;&szlig;e eben sichtbar werden lie&szlig;. In den
+Haaren trug sie einen zierlich geflochtenen Kranz von Mandelbl&uuml;then,
+und um den Hals eine einfache Schnur rother Korallen.</p>
+
+<p>Von den Officieren der <span class="f">Jeanne d'Arc</span> waren bis jetzt nur der Capitain
+mit dem ersten Lieutenant und einigen Seecadetten anwesend; der zweite
+Lieutenant,<span class='pagenum'> <a name="Page_186" id="Page_186">[186]</a></span> den Gesch&auml;fte l&auml;nger an Bord hielten, wie mehre andere
+Marine-Officiere wurden aber auch noch erwartet, und Ren&eacute; ging eben
+mit dem Capitain der Corvette, mit dem er schon vor einiger Zeit
+bekannt und gewisserma&szlig;en befreundet geworden, im Saal auf und ab, als
+Monsieur Bertrand, der Name des Seconde-Lieutenants erschien und
+augenblicklich auf den Capitain zuging, ihm irgend eine Meldung zu
+machen. Ren&eacute; trat ein paar Schritte abseits, den Rapport, der
+vielleicht geheim war, nicht zu &uuml;berh&ouml;ren, aber sein Auge haftete
+unwillk&uuml;rlich auf dem jungen Mann, dessen Z&uuml;ge ihm so bekannt
+vorkamen, und dessen er sich doch, trotz alle dem nicht deutlicher
+erinnern konnte.</p>
+
+<p>In diesem Augenblick drehten sich die Officiere nach ihm um, und der
+Capitain war eben im Begriff die jungen Leute einander vorzustellen,
+als Beide auch fast zu gleicher Zeit, &raquo;Delavigne&laquo;, &raquo;Bertrand&laquo; riefen
+und einander fest umschlangen und k&uuml;&szlig;ten.</p>
+
+<p>Schulkameraden waren es aus fr&uuml;hster Jugendzeit, und es l&auml;&szlig;t sich
+denken, mit welchem Jubel sie Beide hier, fast bei den Antipoden, die
+Erinnerung an die Heimath, an das Vaterland, nach so vielj&auml;hriger
+Abwesenheit begr&uuml;&szlig;ten.</p>
+
+<p>Wir m&ouml;gen uns losgerissen haben von Allem was uns einst lieb und
+theuer gewesen, zerrissen mag<span class='pagenum'> <a name="Page_187" id="Page_187">[187]</a></span> das Band sein, das uns an die
+verlassene K&uuml;ste, wo unsere Wiege gestanden, fesselte; gleichg&uuml;ltig
+h&ouml;ren wir wohl von fremden Menschen dar&uuml;ber sprechen, h&ouml;ren selbst
+unger&uuml;hrt den Ort nennen der unserer Kinderspiele Zeuge war, Zeuge der
+heranwachsenden Kraft. Im Herzen zittert's und zuckt's dann vielleicht
+nur ein wenig; lang verklungene Saiten wurden ber&uuml;hrt, und sie <span class="g">wollten</span>
+rauschen in der alten Weise, als sich noch eben zeitig genug die Hand
+des Menschen stark und kr&auml;ftig darauf legte, und sie verstummen machte
+mit dem festen Willen. Unsere Nerven m&ouml;gen von Eisen sein, und das
+Unglaubliche ertragen, aber la&szlig; ein Bild selber auftauchen aus jener
+Zeit, la&szlig; uns die Z&uuml;ge wieder vor uns sehen, mit denen wir Freud und
+Leid getheilt, denen wir unsere Lust und Seligkeit entgegenjubelten,
+denen wir den ersten Schmerz klagten und uns ausweinten an seiner
+Brust, und die H&uuml;lle springt, die unsere Brust umschlo&szlig;, die erstarrte
+Thr&auml;ne schmilzt und das Heimweh r&uuml;ttelt zum ersten Mal an den St&auml;ben
+unserer Herzenskammer, und streckt die scharfe entsetzliche Kralle aus
+nach dem Heiligthum, das wir von da an wahren m&uuml;ssen wie unseren
+Augapfel, wenn sie nicht Halt gewinnen soll daran, zu unserem Leid.</p>
+
+<p>Die beiden jungen Leute schienen auch in der That Alles um sich her
+vergessen zu haben, in dem einen<span class='pagenum'> <a name="Page_188" id="Page_188">[188]</a></span> seligen Gef&uuml;hl des Wiederfindens,
+nach so langer, langer Zeit, h&auml;tte sie nicht des Capitains Stimme
+wieder zu sich selbst und dem Bewu&szlig;tsein des Platzes gebracht, an dem
+sie sich befanden.</p>
+
+<p>&raquo;Hallo,&laquo; lachte dieser, &raquo;wie mir scheint mag ich da die Introduction
+sparen, denn die Herren sind jedenfalls genauer mit einander bekannt,
+wie ich vermuthen durfte.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das in der That,&laquo; sagte Bertrand, der sich &uuml;berhaupt auch zuerst von
+den Beiden wieder sammelte, indem er des Freundes Hand ergriff und
+fest in der seinen hielt &mdash; &raquo;nicht hoffen konnt' ich, hier an der
+fremden K&uuml;ste einen so alten lieben Jugendgef&auml;hrten, ja Spielkameraden
+aus der Knabenzeit zu treffen, und die Ueberraschung ist um so gr&ouml;&szlig;er,
+je gr&ouml;&szlig;er die Freude ist.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;<span class="f">Eh bien</span>, Bertrand, dann unterhalten sie auch Ihren Freund ein wenig,&laquo;
+sagte der Capitain, &raquo;aber vergessen Sie nicht um 11 Uhr &mdash; bekommen
+Sie vorher Nachricht wenn er etwa noch bis dahin eingefangen sein
+sollte?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich erwarte den F&uuml;hrer der Patrouille selber hier, sobald er
+zur&uuml;ckkehrt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Um so viel besser &mdash; aber da dr&uuml;ben sehe ich ein paar Damen
+eintreten, denen ich guten Abend sagen mu&szlig; &mdash; ich werde Sie nachher
+bitten mir das<span class='pagenum'> <a name="Page_189" id="Page_189">[189]</a></span> N&auml;here dieses freudigen Wiedersehens mitzutheilen&laquo; &mdash; und mit einer leichten und freundlichen Verbeugung verlie&szlig; er die
+jungen Leute, die jetzt Arm in Arm, kaum noch ihrer Umgebung bewu&szlig;t,
+an eines der Fenster traten, dort erst dem ersten gl&uuml;cklichen Gef&uuml;hl
+des Wiedersehens auch Worte zu leihen.</p>
+
+<p>&raquo;Und so halt ich Dich denn wieder, Ren&eacute;, nach so langer Trennung, Dich
+den Fl&uuml;chtigen eigentlich, der uns unter den Augen fort entschwand,
+und keinem Freundesruf achten wollte der ihn zur&uuml;ckhalten sollte mit
+seinem wilden ungest&uuml;men Sinn. Und wo hast Du Dich nun so lange
+herumgetrieben? Mensch Du bist braun geworden wie ein Indianer.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich wei&szlig; nicht wo ich da anfangen soll zu erz&auml;hlen,&laquo; sagte Ren&eacute;, dem
+Blick in herzlicher Liebe begegnend, den jener fest auf ihn geheftet
+hielt, &raquo;und wahrlich, ich hatte es schon fast aufgegeben je im Leben
+einen Freund von &uuml;ber dem Wasser dr&uuml;ben wieder zu finden in der
+fremden Welt. Die Zeit die ich hier verlebt, d&uuml;nkt mich in diesem
+Augenblick so entsetzlich lang, und ist mir doch auch wieder so rasch
+so unglaublich rasch verflogen. Oh Bertrand, Du mu&szlig;t mir viel, viel
+von daheim erz&auml;hlen; wie Ihr dort gelebt, wie Ihr &mdash; oder nein &mdash; nein, auch lieber nicht; die Heimath liegt hinter mir, auf nimmer
+Wiedersehn, und es ist vielleicht besser ich l&ouml;se die<span class='pagenum'> <a name="Page_190" id="Page_190">[190]</a></span> Schl&ouml;sser nicht
+muthwillig, die mir das alte Bilderbuch meiner Jugend so freundlich
+und fest verschlossen halten. Ich bin fertig mit <span class="g">Frankreich</span>; aber von
+<span class="g">Dir</span> m&ouml;cht ich h&ouml;ren, wie es Dir geht, was Du treibst, was Du <span class="g">hoffst</span>,
+denn nach der Hoffnung eines Menschen beurtheilt sich der Mensch
+selber meist am besten und leichtesten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und weshalb auf nimmer Wiedersehn?&laquo; sagte Bertrand erstaunt, &raquo;unsere
+Schiffe haben sich jetzt die Bahn gebrochen nach diesem fernen Punkt,
+und wenige Monden k&ouml;nnen uns wieder in der Schallweite unserer alten
+Kirchenglocken landen. Es mag ein Paradies sein das uns hier umgiebt,
+kann es uns aber je der Heimath Reiz ersetzen? Du bist unst&auml;t, ein
+Fl&uuml;chtling auf fremdem Boden so lange Du Dich gewaltsam fern von ihm
+h&auml;ltst, und wie das Vaterhaus dem wegem&uuml;den Wanderer als theures Ziel
+den langen schweren Pfad wohl vorgeschwebt, so &ouml;ffnet Dir die Heimath
+die Arme, und gr&uuml;&szlig;t Dich, ja h&auml;lt Dich, mit all ihrem unendlichen
+Zauber, sobald Du nur erst einmal wieder das sch&ouml;ne Land betreten.
+Sieh ich bin Seemann, Ren&eacute;, und das <span class="g">Meer</span> sollte meine Heimath sein;
+ich wei&szlig; auch ich geh&ouml;re eigentlich nicht auf's feste Land, und die
+Zeit die ich dort zubringe, ist meiner Pflicht meist abgestohlen, und
+dennoch h&auml;ngt das Herz mit allen Fasern an jenem<span class='pagenum'> <a name="Page_191" id="Page_191">[191]</a></span> Fleck der mir das
+Leben gab, und wenn ich auch, doch einmal drau&szlig;en, vern&uuml;nftig genug
+bin solchen Gedanken keinen Raum zu g&ouml;nnen, ist es, als ob mir das
+Herz aus der Brust herausspringen wolle, sobald wir den Bug unseres
+Schiffes einmal heimw&auml;rts kehren. Ich habe das im Anfang f&uuml;r eine
+Krankheit gehalten und unseren Doktor gefragt, und der hat mir eine
+Masse unsinniges Zeug dagegen verschrieben, aber es half Nichts; das
+Uebel sa&szlig; tief im Herzen und war im Nu gehoben sobald ich an Land
+sprang.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und doch hab' ich recht, Bertrand,&laquo; sagte Ren&eacute;, der mit einem leisen,
+fast wehm&uuml;thigen L&auml;cheln den Worten des Freundes gelauscht hatte. &raquo;So
+lange Du noch frei und unst&auml;t in der Welt umherstreifst zeigt der
+Compa&szlig; Deines Herzens dem einen heiligen Magnet, dem Vaterlande zu,
+mag Dir dort Leid gebl&uuml;ht haben, oder Lust, aber &mdash; es giebt einen
+Fall, wo der Mensch selbst die Heimath vergessen kann und &mdash; gl&uuml;cklich
+sein.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nie, nie!&laquo; rief Bertrand rasch.</p>
+
+<p>&raquo;Ich bin verheirathet!&laquo; sagte Ren&eacute; leise.</p>
+
+<p>&raquo;<span class="g">Du?</span> &mdash; verheirathet?&laquo; sagte der Freund erstaunt &mdash; &raquo;und mit wem? &mdash; wo? &mdash; wann?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Zuerst zeig ich Dir meine kleine Frau,&laquo; l&auml;chelte Ren&eacute;, &raquo;ich brauche
+vielleicht nur des einen Beweises,<span class='pagenum'> <a name="Page_192" id="Page_192">[192]</a></span> Dich zu &uuml;berzeugen da&szlig; Du Unrecht
+hast; dann erz&auml;hle ich Dir meinen &mdash; Lebenslauf kann ich wohl kaum
+sagen, eher meine Abenteuer, denn das Schicksal hat mich im tollen
+Spiel einem entzogen mich muthwillig einem anderen in die Arme zu
+werfen, bis mein schwanker Kahn den Hafen fand, der ihm Gl&uuml;ck und Ruhe
+brachte, und den verla&szlig; ich nicht wieder. Ich kenne die St&uuml;rme die
+drau&szlig;en toben und bin es m&uuml;de geworden ihnen wieder und wieder die
+Stirn zu bieten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und Deine Frau?&laquo; frug Bertrand, &raquo;warum will sie nicht mit Dir
+zur&uuml;ck?&laquo;</p>
+
+<p>Die Trompeten schmetterten in diesem Augenblick den Beginn des Tanzes,
+und Ren&eacute; schaute umher nach Sadie. Schon wirbelten die Paare vor&uuml;ber
+und die junge Frau stand an der anderen Seite des Saales, noch neben
+Aumama, an ihrer Seite aber jetzt Monsieur Brouard, seinen rechten
+Arm, von dem sie sich leise zu befreien suchte, um ihre Taille gelegt,
+und augenscheinlich bem&uuml;ht sie zum Tanz zu n&ouml;thigen, den sie ihm
+weigerte.</p>
+
+<p>Wie ein Stich zuckte es durch Ren&eacute;'s Herz &mdash; er wu&szlig;te selbst nicht
+weshalb, und das Blut scho&szlig; ihm in die Schl&auml;fe; Bertrand aber, der
+seinem Blick gefolgt war, schaute &uuml;berrascht, und wie von einem
+pl&ouml;tzlichen Gedanken erfa&szlig;t, zu ihm auf.<span class='pagenum'> <a name="Page_193" id="Page_193">[193]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Und Deine Frau?&laquo; wiederholte er leise.</p>
+
+<p>&raquo;Siehst Du sie nicht da dr&uuml;ben, wie sie sich ziert,&laquo; lachte Ren&eacute;
+jetzt, die Hand auf des Freundes Achsel legend.</p>
+
+<p>&raquo;Die Insulanerin?&laquo; rief der Officier fast wie erschreckt, und so laut,
+da&szlig; die ihm n&auml;chsten Paare nach ihm umschauten, und selbst Sadie
+&auml;ngstlich nach Ren&eacute; her&uuml;ber blickte.</p>
+
+<p>&raquo;Die Missionaire stecken ihr noch etwas in den F&uuml;&szlig;en,&laquo; fuhr Ren&eacute;, wie
+entschuldigend gegen den Freund gewendet fort, &raquo;aber &mdash; gef&auml;llt sie
+Dir nicht?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Es ist ein liebes, holdes Kind,&laquo; sagte der junge Mann, pl&ouml;tzlich ganz
+still und ernst werdend &mdash; &raquo;so hold und sch&ouml;n wie der sonnige Himmel
+ihres Heimathslandes.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und weshalb seufzest Du da so schwer?&laquo; lachte Ren&eacute;.</p>
+
+<p>&raquo;Aber weshalb befreist Du sie nicht von dem alten Gecken, der sie da
+qu&auml;lt und peinigt?&laquo; sagte Bertrand rasch &mdash; &raquo;sie hat ihm schon zehnmal
+den Tanz abgeschlagen, und er l&auml;&szlig;t immer nicht nach &mdash; er w&uuml;rde sich
+das bei einer <span class="g">wei&szlig;en</span> Dame nicht unterstehen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du hast recht,&laquo; sagte Ren&eacute; schnell, und that einen Schritt nach vorn,
+setzte aber pl&ouml;tzlich langsamer und l&auml;chelnd hinzu: &raquo;es ist Einer
+meiner Freunde<span class='pagenum'> <a name="Page_194" id="Page_194">[194]</a></span> und kennt Sadie, wie den etwas puritanischen Geist,
+der sie manchmal noch von unsern Sitten und Gebr&auml;uchen als etwas,
+ihrer eigenen Religion widerstrebendem, zur&uuml;ckschrecken l&auml;&szlig;t. Doch
+komm Bertrand, wir d&uuml;rfen uns der Gesellschaft nicht so lange
+entziehen, Madame Belard da dr&uuml;ben &mdash; ha wer ist jene junge Dame die
+dort mit Deinem Capitain jetzt tanzt? &mdash; ich habe sie noch nicht auf
+Tahiti gesehen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie kommt von der S&uuml;dseite der Insel, wie ich heute geh&ouml;rt,&laquo;
+erwiederte Bertrand, &raquo;wo sie in der Familie eines dort angesiedelten
+Franzosen gelebt. &mdash; Aber Deine <span class="g">Frau</span> winkt Dir da dr&uuml;ben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Monsieur Brouard wird zudringlich, wie mir scheint,&laquo; entgegnete Ren&eacute;
+mit einem halb sp&ouml;ttischen L&auml;cheln die Unterlippe bei&szlig;end &mdash; &raquo;komm mit
+mir Bertrand, und ich zeige Dir mein Weib,&laquo; und den Arm des Freundes
+fassend, ging er mit ihm, die T&auml;nzer vermeidend, zu der anderen Seite
+des Saales hin&uuml;ber, wo ihm Sadie, sich jetzt ernstlich von dem alten
+Herrn losmachend, rasch entgegen kam.</p>
+
+<p>&raquo;Ihre kleine Frau ist entsetzlich spr&ouml;de,&laquo; rief ihm hier Monsieur
+Brouard mit einem etwas verlegenen L&auml;cheln entgegen &mdash; &raquo;sie will unter
+keiner Bedingung mit mir den ersten Walzer tanzen.&laquo;</p>
+
+<p>Sadie sah bittend zu dem Gatten auf, und Ren&eacute;, ihren Arm l&auml;chelnd in
+den seinen ziehend, sagte mit<span class='pagenum'> <a name="Page_195" id="Page_195">[195]</a></span> einer leichten etwas kalten Verbeugung
+zu Herrn Brouard:</p>
+
+<p>&raquo;Ich habe Sie bis jetzt f&uuml;r unwiderstehlich gehalten, Monsieur,
+verzeihen Sie dem noch rohen Geschmack der Insulanerin, die selbst
+Ihren <span class="g">unausgesetzten</span> Bem&uuml;hungen gegen&uuml;ber ihr Recht zu wahren suchte.
+Ich hatte schon den ersten Tanz vorher engagirt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ah, dann bitte ich tausendmal um Vergebung,&laquo; sagte der Kaufmann, sich
+verlegen, aber auch jedenfalls pikirt &uuml;ber die etwas kurze Abfertigung
+zur&uuml;ckziehend, w&auml;hrend Ren&eacute;, ohne sich weiter um Herrn Brouard zu
+k&uuml;mmern, Sadiens Hand ergriff und sie mit herzlichen Worten dem
+Jugendfreund als sein liebes, braves Weib, als seine Sadie jetzt
+vorstellte.</p>
+
+<p>&raquo;Euch Beiden erz&auml;hl' ich nachher von einander,&laquo; setzte er dann lachend
+hinzu, &raquo;und nun Sadie, darfst Du es mir nicht machen, wie Brouard &mdash; nicht wahr ich bekomme keinen Korb, wenn ich Dich jetzt um den Walzer
+bitte?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber Ren&eacute;&laquo; sagte, leise sich zu ihm biegend, und hoch err&ouml;thend die
+junge Frau, &raquo;was wird Mr. Nelson, was Mr. Dennis sagen, wenn sie
+erfahren da&szlig; ich hier <span class="g">getanzt</span> &mdash; ich thue doch wohl nicht recht damit,
+und m&ouml;chte Dir aber auch noch viel weniger weh thun, mit einer
+Weigerung.&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_196" id="Page_196">[196]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Thorheit, Sadie, haben wir nicht zusammen die T&auml;nze meines Vaterlands
+vor Mr. Osbornes Augen getanzt auf Atiu?&laquo; frug Ren&eacute;, mit einem leisen
+Vorwurf in dem Klang der Stimme.</p>
+
+<p>&raquo;Auf Atiu,&laquo; wiederholte Sadie leise und das Wort rief liebe liebe
+Bilder wach in ihrer Seele &mdash; &raquo;auf Atiu!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Der alte Mann hatte seine Freude daran, wenn wir fr&ouml;hlich waren.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber Mr. Dennis,&laquo; sagte Sadie sch&uuml;chtern.</p>
+
+<p>Ren&eacute; zog die Brauen zusammen und sah einen Augenblick finster vor sich
+nieder; aber Sadie legte ihre Hand auf seinen Arm und schaute ihm mit
+ihrem bittenden herzlichen Blick ins Auge. Er sah auf zu ihr, sah das
+halbe L&auml;cheln in ihren Z&uuml;gen, und rasch seinen Arm um sie schlingend,
+flog er mit ihr den fr&uuml;her oft und gern ge&uuml;bten Tanz dahin in den
+Reihen der fr&ouml;hlichen schwingenden Paare.</p>
+
+<p>Sadie tanzte mit unendlicher Grazie und Leichtigkeit, aber ihr Herz
+war nicht bei dem Fest; in ihrer Brust wogte und stach es mit
+vorwurfsvoller Stimme und qu&auml;lte das arme unschuldsvolle Herz mit
+tr&uuml;ben, &auml;ngstlichen Bildern. &raquo;Du s&uuml;ndigst jetzt&laquo; sagte sie sich leise
+und immer und immer wieder vor, und des ehrw&uuml;rdigen Bruder Dennis
+Stimme klang dabei fortw&auml;hrend in ihrem Ohr &mdash; &raquo;Du hast Dich dem
+wil<span class='pagenum'> <a name="Page_197" id="Page_197">[197]</a></span>den s&uuml;ndhaften Tanz ergeben, und der b&ouml;se Feind greift schon nach
+dem Arm, wo ihm der Finger kaum geboten in Lust und Leichtsinn.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;An was denkst Du Sadie?&laquo; fl&uuml;sterte ihr Ren&eacute; zu, wie er mit ihr
+wirbelnd und sie fest in seinem Arm dahin flog, w&auml;hrend die
+eingeborenen Frauen besonders, Sadiens leichtem Tanze bewundernd mit
+den Augen folgten.</p>
+
+<p>Sadie sch&uuml;ttelte leicht und err&ouml;thend mit dem Kopf, und zwang sich
+fr&ouml;hlich zu sein, aber die mahnende Stimme in ihr wurde st&auml;rker und
+st&auml;rker, und wie schwindelnd lehnte sie sich endlich an Ren&eacute;s Schulter
+und bat ihn sie zu einem Stuhl zu f&uuml;hren.</p>
+
+<p>&raquo;Du kannst das rasche Drehen noch nicht vertragen,&laquo; lachte der junge
+Mann, sie dort hin geleitend wo Bertrand mit untergeschlagenen Armen
+stand und keinen Blick bis jetzt verwandt hatte von dem Paar &mdash; &raquo;nur
+erst ein paar T&auml;nze aber Dich munter im Kreis gedreht, und der
+Schwindel verliert sich schon von selber. Es ist eine Art Seekrankheit
+die wohl die meisten Menschen &uuml;berstehen m&uuml;ssen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ah Monsieur Delavigne &mdash; hierher, wenn ich bitten darf, f&uuml;r einen
+Moment nur,&laquo; rief in diesem Augenblick die fr&ouml;hliche Stimme der Mad.
+Belard, die ihm freundlich und dringend winkte zu ihr hin<span class='pagenum'> <a name="Page_198" id="Page_198">[198]</a></span> zu kommen.
+Sadie deshalb dem Freunde &uuml;bergebend, folgte er dem Ruf.</p>
+
+<p>&raquo;Monsieur,&laquo; rief ihm aber die lebendige kleine Frau schon von weitem
+entgegen, &raquo;ich habe Ihnen eine sehr angenehme Nachricht mitzutheilen;
+dort dr&uuml;ben, und ich werde indessen die Sorge f&uuml;r Ihre kleine Frau
+&uuml;bernehmen, ist eine junge Dame die den Augenblick nicht erwarten kann
+Ihre Bekanntschaft zu machen, und sich schon nach allen Ihren
+Verh&auml;ltnissen auf das Genaueste und Peinlichste erkundigt hat. Soviel
+rath' ich Ihnen, wahren Sie Ihr Herz.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie sind zu g&uuml;tig, Madame,&laquo; lachte Ren&eacute;, &raquo;wenn dem wirklich so ist,
+scheint die Sache in der That gef&auml;hrlich zu werden.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Spotten Sie nicht vor der Zeit,&laquo; warnte Madame Belard &mdash; &raquo;Sie
+bekommen es mit keinem gew&ouml;hnlichen M&auml;dchen zu thun, und werden einem
+Paar Augen Stand halten m&uuml;ssen, denen schon st&auml;rkere Herzen erlegen
+sind als ein junger leichtsinniger Franzose wahrscheinlich in seiner
+Brust mit herum tr&auml;gt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und die Dame?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Warten Sie, dort dr&uuml;ben spricht sie noch mit Madame Choupin, der
+Stiefmutter von Brouards Frau, der m&ouml;chte ich nicht gerne in die H&auml;nde
+laufen.&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_199" id="Page_199">[199]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Die junge Dame dort?&laquo; rief Ren&eacute; rasch, &raquo;ah ich habe sie schon vorher
+bemerkt: sie kommt von Papara, wenn ich nicht irre.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das Alles wird sie Ihnen gleich selber mittheilen, Monsieur; aber
+aufrichtig gesagt,&laquo; setzte sie schelmisch hinzu, &raquo;bin ich selber
+neugierig welch Interesse sie in so auffallender Weise an Ihnen nehmen
+kann. Sie <span class="g">m&uuml;ssen</span> ihr doch fremd sein.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sympathie,&laquo; lachte Ren&eacute;, &raquo;lieb ist mir's aber dabei da&szlig; gerade ein so
+reizendes Wesen sich f&uuml;r mich interessirt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie m&uuml;&szlig;te denn im Auftrag von Madame Choupin&laquo; &mdash; sagte Mad. Belard,
+Ren&eacute;s Arm ergreifend und mit einer komischen Mischung von Besorgni&szlig;
+und Schadenfreude zu ihm aufschauend.</p>
+
+<p>&raquo;Um der heiligen Jungfrau Willen, Madame,&laquo; sagte aber Ren&eacute; rasch und
+mit komischer Angst, &raquo;schon der Gedanke ist grausam &mdash; oder &mdash; g&ouml;nnen
+Sie mir mein Gl&uuml;ck nicht?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;<span class="g">G&ouml;nnen</span>? was wollen Sie damit sagen, Monsieur, &mdash; oder woher wissen
+Sie &uuml;berhaupt da&szlig; Ihnen ein Gl&uuml;ck bevorsteht? eitles M&auml;nnervolk; Ihr
+Herren der Sch&ouml;pfung werdet aber hier auf den Inseln viel zu sehr
+verw&ouml;hnt, und h&auml;tte ich fr&uuml;her gewu&szlig;t was ich jetzt wei&szlig;, nie im Leben
+w&uuml;rde ich meine Einwilligung zu einem Umzug nach Tahiti gegeben
+haben.&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_200" id="Page_200">[200]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Da kommt Mad. Choupin,&laquo; sagte Ren&eacute; leise, und Madame Belard erschrak
+und wandte sich rasch ab, den Platz zu verlassen, als sie das boshafte
+L&auml;cheln auf Ren&eacute;s Lippen bemerkte, und sich nun umdrehend sah wie Mad.
+Choupin die andere Richtung eingeschlagen, und die junge Dame im
+Gespr&auml;ch mit Mad. Brouard zur&uuml;ckgelassen hatte. Madame Belard drohte
+ihm l&auml;chelnd mit dem Finger und sagte leise:</p>
+
+<p>&raquo;Wenn Sie jenen alten Drachen n&auml;her kennten, w&uuml;rden Sie mir vollkommen
+recht geben, und ihn f&uuml;rchten wie ich, aber &mdash; die Luft ist rein, so
+kommen Sie, denn ich mu&szlig; mich auch noch um meine anderen G&auml;ste
+bek&uuml;mmern, und habe nicht Zeit hier Stundenlang mit Ihnen zu
+plaudern.&laquo; &mdash; Und seine Hand ergreifend f&uuml;hrte sie ihn der Stelle zu,
+wo die junge Fremde mit Madame Brouard, anscheinend in tiefem
+Gespr&auml;che stand, behielt aber kaum Zeit f&uuml;r die ersten Worte,
+&raquo;Monsieur Delavigne, Mademoiselle Susanne Lewis,&laquo; als die Instrumente
+auf's Neue begannen und sich die Paare zur Fran&ccedil;aise anstellten.</p>
+
+<p>&raquo;Desto besser, unter dem Tanz werden Sie noch schneller mit einander
+bekannt,&laquo; rief die kleine muntere Frau, von dem Paar zur&uuml;cktretend;
+&raquo;dort aber kommt auch <span class="g">mein</span> T&auml;nzer, <span class="f">Monsieur le capitain</span>, und ich mu&szlig;
+Sie f&uuml;r jetzt Ihrem Schicksal &uuml;berlassen; doch &mdash; unsere Verabredung
+Monsieur, um die Auf<span class='pagenum'> <a name="Page_201" id="Page_201">[201]</a></span>l&ouml;sung dieses R&auml;thsels w&uuml;nsch' ich nicht zu
+kommen.&laquo; Und ohne weiter den beiden jungen Leuten eine Antwort zu
+gestatten, trat sie mit dem ihr jetzt den Arm reichenden Capitain zum
+Tanze an, und Delavigne konnte ebenfalls nichts anderes thun, als der
+sch&ouml;nen Fremden den Arm bieten, den sie auch mit einer freundlichen
+Verneigung und einem eigenen schelmischen L&auml;cheln dabei, annahm.</p>
+
+<p>Die ersten Minuten gingen so mit der Anordnung des Tanzes vor&uuml;ber,
+ohne da&szlig; er im Stand gewesen w&auml;re ein Wort weiter mit seiner sch&ouml;nen
+Unbekannten zu wechseln, die erste Gelegenheit aber die sich ihm bot
+ergreifend, sagte er leise:</p>
+
+<p>&raquo;Madame Belard hatte mich durch einige freundliche, aber jedenfalls
+nur in Neckerei und Spott hingeworfene Worte ermuthigt zu glauben, da&szlig;
+Sie, mein Fr&auml;ulein, <span class="g">w&uuml;nschten</span> mich kennen zu lernen; da ich aber gar
+nicht wei&szlig; womit ich solch ein Gl&uuml;ck verdient h&auml;tte &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie wissen noch nicht ob das ein Gl&uuml;ck f&uuml;r Sie werden wird,
+Monsieur,&laquo; lachte aber die Sch&ouml;ne schelmisch, und Ren&eacute; sah wirklich
+etwas &uuml;berrascht zu ihr auf, denn die n&auml;mlichen Worte hatte Madame
+Belard kurz vor ihr gebraucht, und konnten die beiden Damen mit
+einander im Einverst&auml;ndni&szlig; sein? &mdash; aber weshalb? <span class='pagenum'> <a name="Page_202" id="Page_202">[202]</a></span> &mdash;</p>
+
+<p>&raquo;Es ist jedenfalls schon ein Gl&uuml;ck in diese sch&ouml;nen Augen schauen zu
+d&uuml;rfen,&laquo; sagte er jedoch, sich rasch sammelnd &mdash; &raquo;und B&ouml;ses kann da
+wahrlich nicht geschehen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Haben Sie ein gutes Gewissen?&laquo; frug die junge Dame.</p>
+
+<p>Ren&eacute; lachte &mdash; &raquo;Ja und nein, wenn Sie wollen; nicht schwerer zu
+tragen, wie wir Sterblichen &uuml;berhaupt und durchschnittlich, und auch
+nicht leicht genug um zu bef&uuml;rchten, da&szlig; mir das Herz davonfl&ouml;ge &uuml;ber
+Nacht.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie sind ein weggelaufener Matrose,&laquo; sagte die junge Dame jetzt
+lachend und sah neckend zu ihm auf. Ren&eacute; err&ouml;thete; da aber seine
+Geschichte, wie er diese Inseln betreten, auf Tahiti gar kein
+Geheimni&szlig; war, sagte er ruhig:</p>
+
+<p>&raquo;Hat man schon versucht, mich Ihnen von der schlimmsten Seite
+vorzuf&uuml;hren?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ob <span class="g">man</span> versucht hat?&laquo; lachte die Sch&ouml;ne, &raquo;Sie m&ouml;gen selber urtheilen.
+Uebrigens bin ich bei der Sache n&auml;her interessirt, als Sie vielleicht
+glauben &mdash; Sie sind mein Gefangener.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Auf Gnade und Ungnade,&laquo; lachte Ren&eacute;, gern in den leichten Ton des
+wirklich wundersch&ouml;nen M&auml;dchens eingehend, dessen Reize erst jetzt wie
+es schien, nach und nach seinem Auge sichtbar wurden. &raquo;Aber<span class='pagenum'> <a name="Page_203" id="Page_203">[203]</a></span> tausend
+solche Gefangene haben Sie wohl schon solcher Art gemacht, und werden
+uns deshalb auch wohl auf unser Ehrenwort entlassen m&uuml;ssen, Ihrem
+Triumphwagen scheinbar frei zu folgen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Auf Ehrenwort? &mdash; geben Sie kein leichtsinniges Versprechen, ehe Sie
+wissen <span class="g">wem</span>?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wem?&laquo; sagte Ren&eacute; erstaunt, aber ihr Gespr&auml;ch wurde hier durch den
+Tanz unterbrochen, der die Paare vor rief und trennte, und es bot sich
+von jetzt an keine Gelegenheit wieder auch nur ein Wort weiter zu
+wechseln, bis die Fran&ccedil;aise beendet war. Ren&eacute; nahm jetzt seiner
+T&auml;nzerin Arm, und sie den Saal niederf&uuml;hrend sagte er fragend:</p>
+
+<p>&raquo;Und nun, mein Fr&auml;ulein, l&ouml;sen Sie mir das R&auml;thsel &mdash; Sie tragen eine
+Maske, legen die Hand daran sie zu l&uuml;ften, und ziehen sie neckisch
+wieder zur&uuml;ck. Ihr Spiegel sagt Ihnen schon, da&szlig; der Allm&auml;chtige Ihnen
+einen gewaltigen Zauber in's Auge gelegt &uuml;ber uns arme Sterbliche;
+mi&szlig;brauchen Sie die Macht nicht die Ihnen also gegeben &mdash; Sie bed&uuml;rfen
+dessen nicht.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ein Wallfischf&auml;nger ist doch wahrlich nicht der Ort Schmeicheleien zu
+lernen,&laquo; lachte die Sch&ouml;ne laut auf, &raquo;und dennoch scheint es fast als
+ob Sie selbst dort einen wesentlichen Theil Ihrer Zeit dazu benutzt
+h&auml;tten, nicht au&szlig;er Uebung zu kommen. Oder<span class='pagenum'> <a name="Page_204" id="Page_204">[204]</a></span> haben Sie das Alles schon
+wieder hier auf den Inseln profitirt?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Mein Fr&auml;ulein,&laquo; bat der junge Mann.</p>
+
+<p>&raquo;Sie haben recht,&laquo; sagte die junge Dame da pl&ouml;tzlich ernster werdend,
+&raquo;es wird Zeit da&szlig; wir unsere beiderseitigen Stellungen einnehmen, die
+uns geb&uuml;hren; also nochmals Monsieur, Sie sind mein Gefangener, Ren&eacute;
+Delavigne!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Von Herzen gern.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Halt &mdash; nicht f&uuml;r mich etwa, Monsieur, sondern f&uuml;r meinen Vater,
+<span class="g">Jonathan Lewis</span>, Capitain des dreimastigen Wallfischf&auml;ngers <span class="f">&raquo;the
+<span class="g">Delaware</span>,&laquo;</span> gut gekupfertes Schiff erster Klasse A, und derzeit &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Mi&szlig; Lewis? &mdash; aber wie ist das m&ouml;glich?&laquo; unterbrach sie Ren&eacute; in
+vollem, unbegrenzten Erstaunen.</p>
+
+<p>&raquo;Derzeit&laquo; fuhr aber das sch&ouml;ne muthwillige M&auml;dchen ernsthaft fort,
+&raquo;wahrscheinlich und mit Gottes H&uuml;lfe schon zu Hause, in Bedford, von
+seinem Kreuzzug heimgekehrt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber Sie, eine Franz&ouml;sin, des alten durch und durch Jankee Capitains
+Tochter?&laquo; rief Ren&eacute;, immer noch ungl&auml;ubig.</p>
+
+<p>&raquo;Weigern Sie sich mir zu gehorchen, weil mir der schriftliche
+Verhaftsbefehl gebricht?&laquo; frug Mi&szlig; Susanne.<span class='pagenum'> <a name="Page_205" id="Page_205">[205]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Sie sind grausam, Mi&szlig;.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nun denn, so will ich Ihnen mit zwei Worten das scheinbar
+unerkl&auml;rliche R&auml;thsel l&ouml;sen. Erstlich bin ich keine Franz&ouml;sin, sondern
+im New-York Staat in Nord-Amerika geboren, fr&uuml;h aber meiner Mutter
+durch den Tod beraubt schickte mich der Vater &mdash; wie Sie mir bezeugen
+werden, ein etwas rauher Seemann &mdash; nach Louisiana hinunter, wo seine
+Schwester an einen franz&ouml;sischen Pflanzer verheirathet war. Ist Ihnen
+das nun klar?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ja, aber <span class="g">jetzt</span>?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber <span class="g">jetzt</span>? ah, wie ich <span class="g">hierher</span> gerade komme?&laquo; lachte die Jungfrau &mdash; &raquo;Sie verlangen also in der That meine Legitimation? Ist das auch etwas
+ungalant, will ich es doch den au&szlig;erordentlichen Umst&auml;nden zu Gute
+halten. Schw&auml;chlich von Gesundheit, und von den S&uuml;mpfen Louisianas mit
+wirklicher Gefahr f&uuml;r mein Leben bedroht, schien es, als ob mir der
+rauhe Nord daf&uuml;r keine Linderung bieten sollte, denn dort hinauf
+zur&uuml;ckgekehrt, verschlimmerte sich mein Uebel eher, als da&szlig; es sich
+gehoben h&auml;tte. Die Aerzte dort verordneten mir daher eine
+Luftver&auml;nderung nach irgend einem milderen aber auch gesunden
+tropischen Klima, und mein Vater, damals gerade im Begriff ein Schiff
+zum Wallfischfang auszur&uuml;sten, sandte mich mit einem Jugendfreund von<span class='pagenum'> <a name="Page_206" id="Page_206">[206]</a></span>
+sich voraus nach Tahiti, mich hier dann sp&auml;ter zu besuchen und
+vielleicht wieder abzuholen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und war der Delaware hier?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nicht wahr <span class="g">das</span> interessirt Sie?&laquo; lachte Susanne.</p>
+
+<p>&raquo;Der Delaware interessirt mich allerdings,&laquo; l&auml;chelte Ren&eacute;, &raquo;und Sie
+werden mir den Grund nicht streitig machen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nicht ich, Monsieur &mdash; Sie haben volle Ursache, aber ich gebe Ihnen
+auch mein Wort, da&szlig; sich der Delaware damals f&uuml;r <span class="g">Sie</span> interessirte,&laquo;
+fuhr Susanne fort, &raquo;denn mein Vater landete gerade auf Tahiti, als Sie
+von ihm entsprungen waren, und eilte deshalb wieder besonders von hier
+fort den &raquo;entsprungenen Matrosen&laquo;, wie er mir erz&auml;hlte, auf jener
+Insel wieder &raquo;abzuholen&laquo;. Wer mir damals gesagt h&auml;tte da&szlig; <span class="g">ich</span> so
+gl&uuml;cklich sein sollte ihn wieder einzufangen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Warum waren Sie nicht fr&uuml;her an Bord,&laquo; sagte Ren&eacute;, &raquo;ich w&auml;re nie
+davongelaufen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Trau' Jemand Euch M&auml;nnern,&laquo; rief Susanne abwehrend &mdash; &raquo;kaum auf
+festem Land, und mit keiner Sylbe mehr all jener heiligen Bande
+gedenkend die den Fl&uuml;chtigen jedenfalls noch im alten Vaterland
+fesselten, hat er nichts Eiligeres zu thun als dem Beispiel seiner
+Landsleute zu folgen, und sich ein<span class='pagenum'> <a name="Page_207" id="Page_207">[207]</a></span> armes M&auml;dchen zu beschwatzen, das
+ihm die Dauer seines Aufenthaltes hier die Zeit vertreibt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie thun mir Unrecht, Mademoiselle.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Oh? &mdash; Ihnen sind die gemachten Contrakte wohl stets heilig?&laquo;</p>
+
+<p>Ren&eacute; bi&szlig; sich auf die Lippen und sagte nach kleiner Pause:</p>
+
+<p>&raquo;Also tadeln sie mich, da&szlig; ich mich dem Leben an Bord eines
+Wallfischf&auml;ngers, dem ich nicht anders h&auml;tte f&uuml;r Jahre vielleicht
+entgehen k&ouml;nnen, durch die Flucht entzogen habe.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein,&laquo; sagte Susanne lachend, und das gro&szlig;e schwarze seelenvolle Auge
+zu ihm aufhebend begegnete sie einen Moment seinem Blick, und glitt
+dann wie musternd und mit kaum unterdr&uuml;cktem Muthwillen an seinem
+Anzug nieder &mdash; &raquo;ich begreife nur nicht,&laquo; fuhr sie dabei fort, &raquo;wie
+Sie je den ungl&uuml;ckseligen Gedanken gefa&szlig;t haben konnten <span class="g">an Bord</span> zu
+gehen. Hahaha, wenn ich Sie jetzt so vor mir sehe, und Sie dann mir
+als gew&ouml;hnlicher Matrose, in all dem Schmutz und entsetzlichen Leben
+eines &raquo;<span class="f">Whalers</span>&laquo; unter dem w&uuml;sten rohen Volk denke &mdash; die
+Glac&eacute;handschuh trugen Sie damals noch nicht, wie? &mdash; und auch wohl
+nicht den Frack? &mdash; Und wenn Sie nun damals wieder eingefangen w&auml;ren?
+aber die Ein<span class='pagenum'> <a name="Page_208" id="Page_208">[208]</a></span>zelheiten m&uuml;ssen Sie mir n&auml;chstens einmal erz&auml;hlen,
+versprechen Sie mir das?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Mit Vergn&uuml;gen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und <span class="g">aufrichtig</span>?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wie meinem Beichtvater.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Hm, ich wei&szlig; nicht ob ich mich <span class="g">damit</span> gerade begn&uuml;gen m&ouml;chte &mdash; doch
+wir werden ja sehen. Und Ihre &mdash; <span class="g">Frau</span>?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Steht dort dr&uuml;ben mit jenem Franz&ouml;sischen Officier &mdash; darf ich Sie zu
+ihr f&uuml;hren?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich danke,&laquo; sagte die junge Dame mit etwas kalter H&ouml;flichkeit &mdash; &raquo;ich
+komme aus Louisiana &mdash; und Sie d&uuml;rfen mir nicht verargen, da&szlig; ich
+gerade kein g&uuml;nstiges Vorurtheil habe f&uuml;r &mdash; braune Haut.&laquo;</p>
+
+<p>Ren&eacute; sah erstaunt, ja beleidigt zu ihr auf, und Susanne begegnete fest
+dem Blick, der in seiner innersten Seele zu wurzeln schien, dort die
+geheimsten Gedanken errathen zu wollen.</p>
+
+<p>Es war ein wundersch&ouml;nes M&auml;dchen wie sie da vor ihm stand; die volle
+&uuml;ppige Gestalt doch so zart und schlank in dem elastischen Reiz der
+Jugend; das edle Antlitz mit jenem weichen Zauber bl&uuml;hender Frische
+&uuml;bergossen, der unsere Sinne auf den ersten Blick gefangen nimmt; die
+Augen voll Gluth und Feuer, und doch wieder eines so sanften Ausdrucks
+f&auml;hig da&szlig; sie den ernsten Schatten L&uuml;gen straften,<span class='pagenum'> <a name="Page_209" id="Page_209">[209]</a></span> wenn er streng und
+z&uuml;rnend daraus hervorblitzen wollte, aber einen Himmel &ouml;ffnend wenn
+ihr Glanz in milder Ruhe strahlte.</p>
+
+<p>Ren&eacute; schaute in diese Sterne voll Gluth und Leben, bis er fast verga&szlig;
+weshalb er zu ihr aufgeblickt, und wie bittere Worte die s&uuml;&szlig;en vollen
+Lippen erst gesprochen; denn wie ein leises L&auml;cheln &uuml;ber die ernsten
+Z&uuml;ge glitt, war es wie spielendes Sonnenlicht auf der murmelnden
+Quelle im Waldesdunkel, mit tausend blitzenden funkelnden Lichtern
+tief hinableuchtend bis auf den reinen Grund.</p>
+
+<p>&raquo;Sie sind beleidigt,&laquo; sagte sie endlich leise &mdash; &raquo;Sie h&auml;tten lieber
+gehabt, da&szlig; ich eine Unwahrheit gesagt, der Gegenwart zu schmeicheln.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie bringen ein Vorurtheil mit aus einer fernen Welt,&laquo; erwiederte
+Ren&eacute;, &raquo;und doch verzeih' ich Ihnen gern; Sie kennen Sadie noch nicht.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;<span class="g">Sadie</span> &mdash; ein sch&ouml;ner, klangvoller Name &mdash; ich wollte ich hie&szlig;e
+Sadie,&laquo; sagte Susanne &mdash; &raquo;wir in Nord-Amerika w&auml;hlen unsere Namen fast
+nur aus der Bibel.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ah, schon wieder einen alten Bekannten getroffen?&laquo; unterbrach in
+diesem Augenblick die Stimme des Capitains der <span class="f">Jeanne d'Arc,</span> das
+Gespr&auml;ch, und zwar gerade zu einer Zeit wo Susanna, mit feiner Hand
+eben wieder eingelenkt hatte in ein milderes<span class='pagenum'> <a name="Page_210" id="Page_210">[210]</a></span> Gleis. &raquo;Sie haben Gl&uuml;ck,
+Monsieur Delavigne &mdash; aber f&uuml;r jetzt m&ouml;chte ich die Dame wenigstens um
+den mir versprochenen Tanz bitten.&laquo;</p>
+
+<p>Mi&szlig; Lewis nahm, mit einer leisen dankenden Neigung des Kopfes seinen
+Arm, und Ren&eacute; freundlich zunickend sagte sie:</p>
+
+<p>&raquo;Ich mu&szlig; sie nachher noch einmal sprechen &mdash; werden Sie kommen?&laquo;</p>
+
+<p>Ren&eacute; verbeugte sich, aber Sadiens Bild stand in diesem Augenblick vor
+seiner Seele, und er erwiederte das L&auml;cheln nicht.</p>
+
+<p>Als er zur&uuml;ckschritt, sein Weib aufzusuchen, war Sadie eben mit
+Bertrand, der mit der Hand nach ihm hin&uuml;bergr&uuml;&szlig;te, zum Tanze
+angetreten, und an dem n&auml;chsten Fenster bleibend, lehnte er dort mit
+untergeschlagenen Armen, dem Tanze, an dem er die&szlig;mal keinen Theil
+nehmen wollte, zuzuschauen. Im Anfang schwammen ihm aber die Gruppen
+vor den Augen, ohne da&szlig; er im Stande gewesen w&auml;re ein einziges Bild
+aufzufassen und zu halten. Vor seiner inneren Seele zog wieder und
+wieder die sch&ouml;ne Fremde &mdash; zogen die kalten Worte, die sie
+gesprochen, vor&uuml;ber, und ein eigenes Weh, ein Gef&uuml;hl dem er nicht
+Worte, nicht Ausdruck zu geben vermochte, zuckte ihm durch das Herz.
+Weshalb hatte sie ihn aufgesucht, weshalb sich ihm so freundlich
+zugewandt; um ihn<span class='pagenum'> <a name="Page_211" id="Page_211">[211]</a></span> nur wieder zur&uuml;ckzusto&szlig;en? &mdash; war das Ganze eine
+gew&ouml;hnliche Koketterie gewesen, ihn nur die <span class="g">Macht</span> f&uuml;hlen zu lassen,
+die sie &uuml;ber M&auml;nnerherzen auszu&uuml;ben gewohnt sei, und ihm dann lachend
+die Kluft zu zeigen die zwischen ihnen liege? &raquo;Bah &mdash; &laquo; um seine Lippen
+zuckte ein ver&auml;chtliches L&auml;cheln, als ihm der Gedanke aufstieg da&szlig; sie
+sich <span class="g">ihn</span> zum Spiel ihrer Laune ersehen haben k&ouml;nnte &mdash; und was sonst
+war ihr Zweck? &raquo;Th&ouml;richtes M&auml;dchen&laquo;, murmelte er leise vor sich hin,
+&raquo;Deine Sch&ouml;nheit vermag wohl das Auge zu blenden f&uuml;r kurze Zeit, aber
+den Mangel an Herz kann sie nicht ersetzen; geh und suche Dir ein
+anderes Spiel, bei mir hast Du Deine Zeit verloren.&laquo;</p>
+
+<p>Und wieder wechselten die Bilder in Zauberschnelle vor seinem inneren
+Auge &mdash; die liebliche Gestalt in dem pr&auml;chtigen Ballstaat &mdash; die
+vor&uuml;berschwirrenden Paare, deren einzelne Umrisse er schon nicht mehr
+sah; dazu die Musik, alte bekannte, lange lange nicht mehr geh&ouml;rte
+T&ouml;ne aus der Heimath &mdash; Weisen nach denen er selbst in sch&ouml;nerer Zeit &mdash; heiliger Gott <span class="g">die</span> Erinnerung &mdash; &mdash; Er barg die Augen mit der linken
+Hand, aber nur wilder und unerm&uuml;dlicher st&uuml;rmten die Gedanken auf ihn
+ein, und nicht mehr entgehen konnte er den unabweisbaren.</p>
+
+<p>Mehre Minuten mu&szlig;te er so gestanden haben,<span class='pagenum'> <a name="Page_212" id="Page_212">[212]</a></span> als eine leichte Hand
+seinen Arm ber&uuml;hrte, und fast erschreckt blickte er empor.</p>
+
+<p>&raquo;Bist Du krank?&laquo; sagte eine leise, liebe Stimme, und Sadies treue
+seelenvolle Augen schauten bang und sorgend zu ihm empor; aber er
+bedurfte Secunden sich zu sammeln, sich zur&uuml;ckzurufen aus den Scenen
+in denen er jetzt &mdash; zum ersten Mal wieder nach langen Jahren &mdash; geweilt, und die er bis dahin mit fester Willenskraft
+zur&uuml;ckgeschleudert hatte wohin sie geh&ouml;rten &mdash; in die Vergangenheit.
+Heute zum ersten Mal wieder, geweckt durch den Jugendgespielen
+vielleicht &mdash; vielleicht durch jenes sch&ouml;ne, kalte Bild, das ihn anzog
+und abstie&szlig; zugleich in wunderbarer Kraft, waren sie in altem Grimm
+und Schmerz erwacht, und es bedurfte wahrlich eines anderen, kaum
+minder starken Zaubers ihre Gewalt zu brechen, oder doch zu mildern.</p>
+
+<p>Sadie &mdash; wie ein Sonnenstrahl der Wolken Nacht durchbricht, und Licht
+und Leben &uuml;ber die noch vor wenig Augenblicken nur mit Nebelschatten
+gedeckten Fluren wirft, so tauchte pl&ouml;tzlich das holde Bild in all
+seiner Milde und Lieblichkeit vor ihm auf, und Harfent&ouml;nen gleich, die
+mit den weichen vollen quellenden T&ouml;nen nicht mehr allein durch das
+Ohr, nein durch alle Poren unseres K&ouml;rpers in die Seele dringen und
+die Nerven nachklingen machen ihre Harmonie,<span class='pagenum'> <a name="Page_213" id="Page_213">[213]</a></span> in dem Vibriren ihrer
+feinsten Fasern, so sah er nicht allein das holde Kind in all seiner
+Lieblichkeit vor sich stehen, nein so f&uuml;hlte er auch das Wohlthuende
+ihrer N&auml;he, das den b&ouml;sen Geist zur&uuml;ckdr&auml;ngte der ihn beschlich, und
+leise ihre Hand ergreifend, die in der seinen zitterte fl&uuml;sterte er
+das Zauberwort, das sich ihm selber retten sollte &mdash; &raquo;Sadie!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du bist krank, Ren&eacute;,&laquo; sagte aber die junge Frau, ihn zum Fenster
+drehend &mdash; &raquo;Du siehst bleich und angegriffen aus &mdash; la&szlig; uns zu Hause
+gehen&laquo; &mdash; setzte sie dann rasch und leiser hinzu &mdash; &raquo;Dir wird wohler
+dort, viel wohler, und &mdash; mir auch.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Mir fehlt Nichts, Du holdes Kind,&laquo; erwiederte Ren&eacute; l&auml;chelnd &mdash; ein
+eigenes Gef&uuml;hl trieb ihn seine jetzige Bewegung wie deren Ursache vor
+dem Weibe zu verbergen, aber es lag etwas Gezwungenes in den Worten,
+und das Auge der Liebe t&auml;uschte es nicht. Ren&eacute; f&uuml;hlte das auch wohl,
+und jeden weiteren Verdacht zu beschwichtigen, vielleicht weiteren
+Fragen zu entgehen, die er f&uuml;rchtete, setzte er mit lauter fr&ouml;hlicher
+Stimme hinzu: &raquo;nein Kind, mir ist sogar heut' Abend recht froh und
+leicht zu Sinn, und ich will noch recht viel tanzen. Verschm&auml;hte
+Freude kehrt nimmermehr zur&uuml;ck und es w&auml;r' S&uuml;nde sie von der Th&uuml;r zu
+weisen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich wei&szlig; nicht von wem Sie sprechen,&laquo; sagte in diesem Augenblick eine
+lachende Stimme an seiner<span class='pagenum'> <a name="Page_214" id="Page_214">[214]</a></span> Seite, und die muntere Madame Belard trat
+zu ihnen hinan &mdash; &raquo;aber nicht mehr wie schuldige Artigkeit w&auml;r' es,
+sollt ich denken, die Wirthin, wenigstens zu einem einzigen Tanz zu
+engagiren, da&szlig; sie nicht den <span class="g">ganzen</span> Abend auch nur zusehen mu&szlig;, wie
+sich ihre G&auml;ste am&uuml;siren.&laquo;</p>
+
+<p>Ren&eacute; h&auml;tte in diesem Augenblick keine erw&uuml;nschtere Entschuldigung
+finden k&ouml;nnen, einer ihm jedenfalls peinlichen Besorgni&szlig;, ja mehr
+noch, weiteren Fragen auszuweichen, und Sadie freundlich zunickend,
+bot er der Frau Belard den Arm. Diese aber, die ihm noch scherzend den
+Text las &uuml;ber seine f&uuml;r sie keineswegs schmeichelhafte Unh&ouml;flichkeit,
+bat er jetzt mit all jenem liebensw&uuml;rdigen Leichtsinn, der ihm so gut
+stand vielleicht weil er ihm so ganz nat&uuml;rlich war, um Verzeihung, des
+begangenen Fehlers wegen, den er schon wieder gut machen wolle, wenn
+sie nur eben freundlich genug sein w&uuml;rde ihm Gelegenheit dazu zu
+g&ouml;nnen.</p>
+
+<p>&raquo;Hallo Sadie,&laquo; sagte in diesem Augenblick Aumama, die an ihre Seite
+trat, &raquo;Du machst ja ein merkw&uuml;rdig ernstes Gesicht &mdash; bist Du schon
+m&uuml;de?&laquo;</p>
+
+<p>Sadie sch&uuml;ttelte l&auml;chelnd mit dem Kopf.</p>
+
+<p>&raquo;So leicht nicht, Aumama,&laquo; sagte sie leise, ihren Arm um der Freundin
+Schulter legend, &raquo;und mir gef&auml;llt das Tanzen wundergut, wenn ich nur
+w&uuml;&szlig;te&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_215" id="Page_215">[215]</a></span> setzte sie wieder ernster werdend und leiser hinzu &mdash; &raquo;ob wir
+auch recht thun mit solcher Lust, und vielleicht nicht gar eine S&uuml;nde
+begehen, von der wir uns selber vorl&uuml;gen, da&szlig; das Ganze ja doch nur
+eine unschuldige Freude sei.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und was ist's sonst?&laquo; lachte Aumama, &raquo;nimm mir den Tanz, und ich geb'
+Dir mein Leben in den Kauf. &mdash; Nur die Gesellschaft &mdash; und die Art
+hier <span class="g">wie</span> sie's treiben gef&auml;llt mir nicht. &mdash; Das Umfassen hemmt die
+freie fr&ouml;hliche Bewegung der Glieder, das Drehen treibt mich
+schwindlich, da&szlig; sich die Stube mit mir im Kreise wirbelt. Auch die
+W&auml;nde, der Boden hier machen mich irr und unbehaglich; mir wird als ob
+ich drau&szlig;en im Canoe in offener See triebe und die Wellen mich auf und
+nieder w&uuml;rfen. Nein, gieb mir den freien offenen Plan, die bl&uuml;henden
+Zweige und blinkenden Sterne &uuml;ber uns, die lustige Trommel zum
+Einschlag in Tritt und Sprung, und ich bin Dein mit Leib und Seele,
+wie Du mich willst. Hei wie die Tapa im Winde flattert und die Locke
+Dir um die Schl&auml;fe jagt, wie das Blut da durch die Adern schie&szlig;t, und
+zu fl&uuml;ssigem Feuer wird, eh' es zum Herzen zur&uuml;ckkehrt. Bah, hier der
+Tanz ist kalt &mdash; kalt wie das Land aus dem er kommt, und es kann mir
+das Herz nicht erw&auml;rmen, ob sie auch blasen und Specktakel machen mit
+ihren wunderlichen<span class='pagenum'> <a name="Page_216" id="Page_216">[216]</a></span> Instrumenten, aus Leibeskr&auml;ften. Nicht einmal eine
+Trommel haben sie dabei, und das nennen sie Musik.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du bist ein wunderliches M&auml;dchen,&laquo; l&auml;chelte Sadie &mdash; &raquo;fremde V&ouml;lker
+haben doch auch fremde Sitten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Eben deshalb sollen sie uns die unseren lassen,&laquo; trotzte Aumama &mdash; &raquo;aber, was ich Dich fragen wollte,&laquo; setzte sie ernster hinzu &mdash; &raquo;wer
+ist das wei&szlig;e M&auml;dchen das mit Ren&eacute; so lange tanzte, und so viel mit
+ihm zu sprechen hatte?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich wei&szlig; es nicht,&laquo; sagte Sadie &mdash; &raquo;eine Fremde, glaub' ich, die von
+Papara oder dessen Nachbarschaft kommt, und wohl hier wohnen bleiben
+wird; &mdash; warum?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Mir gefiele das nicht, w&auml;r' ich wie Du,&laquo; sagte die Freundin mit dem
+Kopfe sch&uuml;ttelnd &mdash; &raquo;sie hat ein glattes listiges Gesicht und ihr
+Blick &mdash; ich konnte ihre Sprache nicht verstehen, aber das ist oft
+nicht n&ouml;thig wenn die Augen so deutlich reden wie die Lippen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und was haben die Dir gesagt?&laquo; frug Sadie.</p>
+
+<p>&raquo;Nichts was mich freute,&laquo; antwortete Aumama, &raquo;aber auch Nichts was ich
+wieder erz&auml;hlen m&ouml;chte; man soll keinem Menschen etwas Uebles
+nachreden, noch dazu auf den blo&szlig;en Verdacht hin.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du bist &auml;rgerlich auf die fremden Frauen,&laquo; sagte Sadie l&auml;chelnd,
+&raquo;weil Du nicht mit ihnen umgehen<span class='pagenum'> <a name="Page_217" id="Page_217">[217]</a></span> kannst wie wir es gewohnt sind unter
+einander; es ist wohl m&ouml;glich da&szlig; Du ihnen dabei unrecht thust. Aber
+Ren&eacute; hat seitdem gar nicht wieder mit ihr gesprochen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber auch mit Niemand Anderem,&laquo; sagte Aumama schnell &mdash; &raquo;er stand da
+am Fenster und st&uuml;tzte den Kopf in die Hand, bis Du zu ihm kamst.&laquo;</p>
+
+<p>Sadie schwieg und sah sinnend vor sich nieder; ihr Blick haftete aber
+nicht lange am Boden, sondern suchte den Gatten, in dem wilden Gewirr
+des Tanzes, dem sich Ren&eacute; wieder mit vollem Eifer hingegeben. Aber
+die, nach der ihr Blick dann umherschweifte, fand sie nicht; Mi&szlig; Lewis
+hatte den Saal verlassen und Ren&eacute; lachte und plauderte noch immer mit
+seiner lebendigen T&auml;nzerin, der Frau Belard.</p>
+
+<p>Doch neue G&auml;ste kamen zum Tanz, in dem jetzt gerade eine kurze Pause
+eintrat, den T&auml;nzern Gelegenheit zu geben sich an den hie und da
+angebrachten und mit Fr&uuml;chten, Kuchen und Wein bedeckten Tafeln zu
+erfrischen, und kaum schwieg die Musik, als Manche der wilden M&auml;dchen,
+froh eines l&auml;stigen Zwanges enthoben zu sein, in die Mitte des Saales
+sprangen und sich dort bald von einem gro&szlig;en Theil der M&auml;nner umgeben
+fanden.</p>
+
+<p>&raquo;Kommt!&laquo; rief Eine der fr&ouml;hlichen Schaar, sich jetzt wenig an die
+geputzten Fremden kehrend, deren<span class='pagenum'> <a name="Page_218" id="Page_218">[218]</a></span> unbekannte Weisen und monotones
+Drehen im Ring herum sie schon lange ge&auml;rgert und erm&uuml;det hatte,</p>
+
+<p>
+&raquo;Komm! denn der scharfe Ton<br />
+Hat mich gelangweilt schon,<br />
+<span style="margin-left: 1em;">Komm!</span><br />
+<span style="margin-left: 1em;">Zuckt mir's durch Fu&szlig; und Knie,</span><br />
+<span style="margin-left: 1em;">Zuckt mir's im Herzen hie!</span><br />
+<span style="margin-left: 1em;">Komm!&laquo;</span><br />
+</p>
+
+<p>&raquo;Frieden, Wahine &mdash; gieb Ruhe &mdash; fort mit Dir, M&auml;dchen!&laquo; riefen
+einzelne lachende Stimmen dazwischen &mdash; &raquo;hier ist kein Platz f&uuml;r Euere
+wilden T&auml;nze, wo fremde Frauen sind &mdash; auseinander mit Euch!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Fort?&laquo; riefen aber Andere dazwischen, denen der wilde bekannte Laut
+die Pulse schon rascher klopfen machte &mdash;</p>
+
+<p>
+&raquo;Fort? la&szlig; sie schwatzen da,<br />
+Herzchen wir kommen ja,<br />
+<span style="margin-left: 1em;">Fort &mdash; </span><br />
+<span style="margin-left: 1em;">Rasch nur die Trommel her,</span><br />
+<span style="margin-left: 1em;">Stehn wir nicht m&uuml;&szlig;ig mehr.</span><br />
+<span style="margin-left: 1em;">Fort!&laquo;</span><br />
+</p>
+
+<p>und den Takt auf den Lenden schlagend mit ihren flachen H&auml;nden, und
+singend und lachend begann die muntere Schaar, trotz dem Einspringen
+einzelner M&auml;nner, die vielleicht nicht mit Unrecht f&uuml;rchteten da&szlig;<span class='pagenum'> <a name="Page_219" id="Page_219">[219]</a></span> der
+Tanz in dem Uebermuth des jubelnden Schwarmes ausarten k&ouml;nnte, den
+wilden <span class="f">Upepehe</span>, den Lieblingstanz ihres Stammes.</p>
+
+<p>Die neuangekommenen G&auml;ste, zwei Marine-Officiere der <span class="f">Jeanne d'Arc</span>,
+mischten sich gleich lachend unter die jubelnden Dirnen, die sie fast
+Alle kannten, und Mad. Belard beschwor jetzt Ren&eacute;, seinen Einflu&szlig;
+aufzubieten das z&uuml;gellose Volk wieder zur Ordnung zur&uuml;ckzubringen, was
+aber mit nicht wenig Schwierigkeiten verbunden war. In der Mitte
+gest&ouml;rt, stoben sie nach allen Seiten hinaus, jede auf eigene Hand den
+begonnenen Tanz auszuf&uuml;hren, und es wurde auch in der That erst dann
+m&ouml;glich sie wieder zu vollkommener Ordnung zu bringen, als die
+Trompeten, auf Ren&eacute;s Zeichen, von Neuem zu einem Tanze einsetzten und
+dadurch die M&auml;dchen, die denen entgegen nicht ihren eigenen Takt
+beibehalten konnten, zwangen aufzuh&ouml;ren.</p>
+
+<p>Als die Musik nun aber, nicht wieder durch eine neue Pause neue
+St&ouml;rung zu verursachen, in dem begonnenen St&uuml;cke blieb, sahen sich die
+letztgekommenen Officiere ebenfalls nach T&auml;nzerinnen um. Von wei&szlig;en
+Damen schien aber nur noch Mrs. Noughton &uuml;brig geblieben zu sein, die
+trotz allen Aufforderungen auch noch nicht einen Schritt heut' Abend
+getanzt, sondern wacker an der Seite ihres eben so langwei<span class='pagenum'> <a name="Page_220" id="Page_220">[220]</a></span>ligen
+Gatten auf dem einen Canape ausgehalten hatte. Madame Belard war mit
+Monsieur Brouard angetreten, Madame Brouard mit dem Capitain, und
+Fr&auml;ulein Susanne blieb verschwunden. Mrs. Noughton weigerte sich aber
+auch die&szlig;mal mit einer steifen Verbeugung an dem Tanze Theil zu nehmen
+und Einer der neugekommenen Officiere schaute eben, leicht getr&ouml;stet,
+im Saal umher, sich unter den anwesenden Insulanerinnen Eine
+herauszusuchen, mit der er m&ouml;glicher Weise im Walzer fortk&auml;me, als er
+Sadie bemerkte, deren Europ&auml;ische Tracht ihm gerade nicht besonders
+auffiel. Rasch auf sie zu tretend, legte er seinen Arm um ihre Taille
+und sagte:</p>
+
+<p>&raquo;Komm Wahine, dann wollen wir einmal versuchen wie wir herum kommen,
+und halt das K&ouml;pfchen steif, da&szlig; Du mir nicht schwindlich wirst; ich
+drehe Dich schon.&laquo;</p>
+
+<p>Ren&eacute; hatte sich mit Bertrand wieder zusammengefunden, und schritt eben
+langsam der Stelle zu wo Sadie stand, als er sah wie sie sich in dem
+Arm des Fremden str&auml;ubte und sich ihm zu entwinden suchte; der junge
+Officier aber, schon seit Monden langem Aufenthalt auf den Inseln
+gewohnt mit den Frauen Tahitis umzugehen, glaubte nur hier eine etwas
+spr&ouml;der als gew&ouml;hnliche Sch&ouml;ne gefunden zu haben, und rief lachend:<span class='pagenum'> <a name="Page_221" id="Page_221">[221]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Zum Teufel, mein M&auml;dchen, stemme Dich nur nicht, ich thue Dir
+Nichts;&laquo; Sadie aber war so erschreckt, da&szlig; sie nicht vermochte einen
+Laut &uuml;ber die Lippen zu bringen und sich von dem starken Manne schon
+emporgehoben f&uuml;hlte, als Ren&eacute; mit einem Sprung an ihrer Seite war, und
+seine Hand mit einem Eisengriff in des Soldaten Schulter heftend, mit
+vor Zorn bebender und kaum h&ouml;rbarer Stimme sagte:</p>
+
+<p>&raquo;Zur&uuml;ck da, Monsieur &mdash; das ist mein Weib.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sollst sie behalten, Kamerad,&laquo; lachte der junge, etwas rohe
+Marine-Officier, &raquo;aber ein T&auml;nzchen mu&szlig; sie erst mit mir machen, davon
+hilft ihr kein Gott.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Lassen Sie mich los, Monsieur!&laquo; rief auch in diesem Augenblick Sadie,
+die durch Ren&eacute;s Gegenwart ermuthigt, ihre Sprache wieder gewann, und
+der Officier, durch das fl&uuml;ssige Franz&ouml;sisch der Insulanerin
+&uuml;berrascht, lie&szlig; kaum in seinem Griff um ihre Taille nach, als er sich
+auch schon von dem, kaum seiner Sinne mehr m&auml;chtigen Ren&eacute; gefa&szlig;t und
+mehre Schritte zur&uuml;ckgeschleudert fand.</p>
+
+<p>&raquo;Teufel!&laquo; schrie er, und die Hand fuhr fast unwillk&uuml;hrlich nach dem
+leeren Degenkoppel, Bertrand sprang aber dazwischen, und der Officier
+auch, sich rasch besinnend wo er sich befand, und da&szlig; er hier das Fest
+nicht st&ouml;ren durfte, bi&szlig; nur die Z&auml;hne auf<span class='pagenum'> <a name="Page_222" id="Page_222">[222]</a></span> einander und winkte dem,
+trotzig zu ihm hin&uuml;berschauenden Ren&eacute; ihm zu folgen. Aber andere Augen
+hatten ebenfalls den Wink gesehen und verstanden, und ehe Ren&eacute; im
+Stande war sich von Sadie frei zu machen, und dem stillen aber wohl
+begriffenen, ja erwarteten Ruf zu folgen, f&uuml;hlte er eine Hand auf
+seiner Schulter, und der Capitain der <span class="f">Jeanne d'Arc,</span> der gerade
+zuf&auml;llig mit seiner T&auml;nzerin dort stehen geblieben, und Zeuge des
+ganzen blitzesschnell in einandergreifenden Vorfalls gewesen war, bat
+ihn, nur wenige Minuten auf seiner Stelle zu bleiben, bis er ihm
+Antwort bringe von drau&szlig;en. Dann ohne weiteres dem Officier folgend,
+erreichte er diesen gerade an der Th&uuml;r, fa&szlig;te seinen Arm und f&uuml;hrte
+ihn mit sich hinaus.</p>
+
+<p>In dem Saal war indessen f&uuml;r den Augenblick Todtenstille eingetreten;
+die Musici, vor denen der Streit stattgefunden, hatten auch fast wie
+verabredet, aufgeh&ouml;rt zu blasen so wie die T&auml;nzer stockten. Auch die
+&uuml;brigen G&auml;ste, wenn auch nur wenige von ihnen die Ursache des so
+pl&ouml;tzlich aufgetauchten Streites kannten, sahen da&szlig; er schon zu weit
+gegangen war, anders als mit Blut wieder ges&uuml;hnt zu werden, und
+standen in jener peinlichen Erwartung, dem Ausgang des Ganzen
+entgegenzusehen, die wir uns wohl stets bei irgend einer nahenden
+Gefahr, mag sie uns<span class='pagenum'> <a name="Page_223" id="Page_223">[223]</a></span> oder einen Andern bedrohen, beschleichen f&uuml;hlen.
+Nur die eingeborenen M&auml;dchen, denen nicht entgangen war da&szlig; Einer der
+Betheiligten den Saal verlassen hatte, glaubten damit nat&uuml;rlich Alles
+beigelegt, und zuerst die feierliche und so pl&ouml;tzliche Stille um sich
+her einen Augenblick erstaunt beobachtend, gewann das leichte Element
+bei ihnen doch nur zu bald wieder die Oberhand.</p>
+
+<p>&raquo;Hierher Waihines!&laquo; rief pl&ouml;tzlich die lachende Stimme Nahuihuas, der
+Schwester Aumamas, mit der Lefevre schon fast den ganzen Abend getanzt
+--</p>
+
+<p>
+Schnell!<br />
+Schnell wie der gier'ge Hai<br />
+Schneidet die Fluth entzwei,<br />
+Schnell &mdash;<br />
+</p>
+
+<p>&raquo;Ruhe Wahine!&laquo; fl&uuml;sterte es rasch um sie her, und das M&auml;dchen schwieg
+erschreckt, mitten in ihrem Gesang, als sie die ernsten finstern
+Gesichter all' erblickte, die sich rasch und best&uuml;rzt auf sie
+richteten.</p>
+
+<p>Madame Belard wu&szlig;te aber wie dieser b&ouml;se Geist zu bannen sei, und dem
+Orchester ein Zeichen gebend, da&szlig; jetzt rasch wieder in den
+unterbrochenen Tanz einfiel, ergriff sie den Arm Ren&eacute;s und den halb
+Widerstrebenden mit sich fortziehend, fl&uuml;sterte sie leise und
+dringend:</p>
+
+<p>&raquo;Ei, Sie ungezogener Mensch, den eine Dame<span class='pagenum'> <a name="Page_224" id="Page_224">[224]</a></span> zum Tanz f&ouml;rmlich mit
+Gewalt <span class="g">zwingen</span> mu&szlig;. Sie haben mir meinen T&auml;nzer fortgejagt, und sind
+jetzt auch verpflichtet dessen Stelle zu &uuml;bernehmen. Ueberdie&szlig; f&uuml;hlen
+Sie denn nicht da&szlig; Alles auf Sie achtet?&laquo; setzte sie leiser hinzu.
+&raquo;Machen Sie wieder gut was Sie verdorben haben, und zeigen Sie den
+Leuten da&szlig; Sie gar nicht daran denken Skandal anzufangen!&laquo;</p>
+
+<p>Ren&eacute; f&uuml;hlte mehr wie er verstand, da&szlig; sie recht hatte; einen Blick
+nach Sadie zur&uuml;ckwerfend, die er jetzt in Bertrands Schutz sah, kam
+ihm auch die Erinnerung an das Vergangene, und sich zu seiner
+liebensw&uuml;rdigen T&auml;nzerin niederbiegend bat er leise:</p>
+
+<p>&raquo;Vergebung, theuerste Frau, Vergebung f&uuml;r den fatalen Auftritt den
+ihnen hier meine Hitze bereitet, aber &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich wei&szlig; Alles,&laquo; beruhigte ihn Madame Belard, &raquo;ein Mi&szlig;verst&auml;ndni&szlig; nur &mdash; ruhig Monsieur, Sie sollen mir nicht wieder hitzig werden und
+aufbrausen, so lange <span class="g">ich</span> jetzt in Ihrem Schutze bin &mdash; ein
+Mi&szlig;verst&auml;ndni&szlig; war die ganze Ursache, der junge Officier, der Sie gar
+nicht kannte, kann nicht die Absicht gehabt haben Sie oder Sadie
+wissentlich beleidigen zu wollen, und w&uuml;rde vielleicht eben so leicht
+daran denken sich einen Finger abzuschneiden, als Streit zu suchen
+hier bei mir.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber er hat &mdash; &laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_225" id="Page_225">[225]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Ich wei&szlig; ja Alles,&laquo; unterbrach ihn wieder Madame Belard, in
+gutm&uuml;thiger Ungeduld mit dem Kopf sch&uuml;ttelnd, als sie zum Ausruhen
+abgetreten waren und Nichts als eingeborene Frauen um sich sahen, die
+nicht verstanden was sie sprachen. &raquo;Er hat Ihre Frau nach <span class="g">unseren</span>
+Begriffen von dem was sich schickt und geh&ouml;rt, beleidigt, und w&auml;re das
+auf einem Europ&auml;ischen Ball vorgefallen, so k&ouml;nnte nichts anderes als
+Degen oder Pistol den Streit entscheiden; hab' ich recht?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;<span class="g">W&auml;re</span> das?&laquo; wiederholte Ren&eacute; erstaunt &mdash; &raquo;und ist das nicht hier, bei
+<span class="g">meiner</span> Frau genau dasselbe?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein, nein und abermals nein!&laquo; sagte aber Madame Belard ungeduldig;
+&raquo;nach Insulanischen Begriffen von Ehre und Schicklichkeit &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber meine Frau ist &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Eine Insulanerin, Sie m&ouml;gen's drehen und wenden wie Sie wollen; und
+wenn sie eine Ausnahme macht von den &uuml;brigen, von denen sie allerdings
+wie Tag und Nacht verschieden ist, so liegt der doch nicht auf der
+<span class="g">Haut</span> zu Tage, und das junge fr&ouml;hliche St&uuml;ck von einem Officier, das in
+seinem Uebermuth, von den Schiffsbanden auf einen Abend frei zu sein,
+nur hier herein springt, sich, wie es keine wei&szlig;e T&auml;nzerin bekommen
+kann, nach dem sch&ouml;nsten<span class='pagenum'> <a name="Page_226" id="Page_226">[226]</a></span> Indianischen Gesicht umschaut und da aus
+Versehen gerad' auf <span class="g">Ihre</span> Frau trifft, h&auml;tte eben so gut vermuthen
+k&ouml;nnen einen Neger in wei&szlig;er Haut zu finden, als eine Indianerin, die
+sich so ganz ihrer eigenen Sitten entschlagen, und Europ&auml;ischen
+Gebr&auml;uchen mit ihrer Sprache und Haltung zugewandt hat.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber ihre ganze Kleidung mu&szlig;te ihm das schon von vorn herein
+verrathen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Als ob Ihr M&auml;nner &uuml;berhaupt je s&auml;het womit sich eine arme Frau
+herausgeputzt hat, diesen Herren der Sch&ouml;pfung zu gefallen,&laquo; spottete
+die junge Frau halb im Scherz halb im Ernst; &raquo;entweder Ihr mustert
+ganz genau und auf das peinlichste, immer dabei Eueren schlechten
+Geschmack bew&auml;hrend, oder Ihr wi&szlig;t nicht einmal ob wir Seide oder
+Cattun getragen, wenn wir Stunden lang in Euerer Gesellschaft gewesen
+sind &mdash; Gott ist der Mensch grob,&laquo; seufzte sie dann nach einer kleinen
+Pause, als Ren&eacute; schwieg und vor sich nieder schaute, mit komischem
+Ernst; &raquo;handgreiflich leg' ich's ihm in den Weg, und nicht eine kleine
+unbedeutende Schmeichelei sagt er mir daf&uuml;r.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Liebe Madame Belard,&laquo; bat Ren&eacute;.</p>
+
+<p>&raquo;Ich bin schon wieder gut,&laquo; lachte die kleine Frau, &raquo;aber Ren&eacute;,&laquo;
+setzte sie ernster, und einen Blick umherwerfend ob sie Niemand
+&uuml;berh&ouml;re, hinzu &mdash; &raquo;seien Sie auch vern&uuml;nftig, setzen Sie sich &uuml;ber
+eine kleine<span class='pagenum'> <a name="Page_227" id="Page_227">[227]</a></span> Vernachl&auml;ssigung Ihres sonst so lieben Weibchens eher
+einmal hinweg, als Sie es n&ouml;thig h&auml;tten wenn sie &mdash; eben von &mdash; unserer Farbe w&auml;re. Der Fremde kann nun einmal unsere
+Privatverh&auml;ltnisse nicht so leicht durchschauen, und wird der <span class="g">farbigen
+Eingeborenen</span> nie eine solche Achtung und Aufmerksamkeit zollen, als ob
+sie ihm ebenb&uuml;rtig w&auml;re.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und ist sie das nicht?&laquo; rief Ren&eacute; erstaunt, und Madame Belard bi&szlig;
+sich auf die Lippen; sie z&ouml;gerte augenscheinlich mit einer Antwort,
+die sie sich scheute gerade auszusprechen.</p>
+
+<p>&raquo;Lieber Ren&eacute;,&laquo; sagte sie endlich nach einer kleinen Pause mit
+wirklicher Herzlichkeit im Ton, wie sie bis jetzt noch nie zu ihm
+gesprochen, &raquo;Sadie ist ein liebes herziges Kind, eine Frau die man
+lieber gewinnt mit jedem Tag, und ihre ganze Seele liegt in ihrem
+Blick, aber &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber? Madame Belard?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie haben sich mit ihr die R&uuml;ckkehr in die Heimath abgeschlossen,&laquo;
+setzte die kleine Frau endlich entschlossen hinzu &mdash; &raquo;Sie haben sich
+auf Ihre Bambush&uuml;tte und den Meeresstrand beschr&auml;nkt, und &mdash; ich wei&szlig;
+nicht ob Sie daran gut gethan haben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und pa&szlig;t Sadie nicht in jede Gesellschaft?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ja &mdash; aber die Gesellschaft pa&szlig;t nicht f&uuml;r sie;&laquo; lautete die rasche
+Antwort; &raquo;wenn sie von der Gesell<span class='pagenum'> <a name="Page_228" id="Page_228">[228]</a></span>schaft als das aufgenommen w&uuml;rde was
+sie wirklich ist, in all' ihrer Anmuth und holden Weiblichkeit, keine
+andere Frau k&ouml;nnte h&ouml;her stehen, aber wir leben nun einmal in einer
+Welt von Vorurtheilen, und &mdash; k&ouml;nnen nicht durch die Wand mit dem
+Kopf.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber ich will von der Welt Nichts mehr &mdash; mir gen&uuml;gt das Gl&uuml;ck das
+ich besitze &mdash; sie sollen mir das nur unverk&uuml;mmert lassen.&laquo;</p>
+
+<p>Madame Belard sch&uuml;ttelte mit dem Kopf und sagte ernst:</p>
+
+<p>&raquo;Sie kennen sich selber nicht, Delavigne, und sind hier in
+Verh&auml;ltnisse gekommen, die Sie noch nicht &uuml;bersehen k&ouml;nnen; gebe Gott
+da&szlig; ich unrecht habe, aber Sie passen so wenig zu dem thatenlosen
+Leben dieser Inseln wie &mdash; ich, und ich will auch meinem Gott danken,
+wenn Monsieur Belard einmal ebenso denken lernt und die Segel wieder
+heimw&auml;rts setzt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und was sollte mich hindern ebenfalls nach Hause zur&uuml;ckzukehren?&laquo;
+frug Ren&eacute;, doch sein Auge suchte dabei den Boden als er sprach, und
+nur als Madame Belard gar nicht antwortete sah er auf, und vor ihm
+stand, mit einem eigenen L&auml;cheln auf den zarten Lippen, <span class="g">Susanne</span>; aber
+ohne ihn anzureden sch&uuml;ttelte sie nur leise und wie mi&szlig;billigend mit
+dem Kopf und schritt langsam der Stelle zu, auf welcher sich Herr und
+Madame Brouard eben zum<span class='pagenum'> <a name="Page_229" id="Page_229">[229]</a></span> Fortgehen anschickten. Ihm blieb jedoch keine
+Zeit weiter, denn durch die T&auml;nzer schritt der Capitain der <span class="f">Jeanne
+d'Arc</span>, und mit einer entschuldigenden Verbeugung gegen Madame Belard
+Ren&eacute;'s Arm ergreifend, f&uuml;hrte er ihn mit hinaus in's Freie, wo die
+k&uuml;hle Seeluft seine hei&szlig;e Stirn f&auml;chelte, und die Sterne gar
+freundlich und traut auf sie herniederschienen.</p>
+
+<p>&raquo;Mr. Delavigne,&laquo; begann er hier, freundlich des jungen Mannes Hand
+fassend und dr&uuml;ckend, &raquo;es ist zwischen Ihnen und einem meiner
+Officiere ein mir h&ouml;chst fataler, ja schmerzlicher Fall vorgekommen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich stehe dem Herrn mit Vergn&uuml;gen jeden Augenblick zu seiner
+Genugthuung bereit,&laquo; erwiederte Ren&eacute; ruhig.</p>
+
+<p>&raquo;Ich wei&szlig; das, ich wei&szlig; das,&laquo; beseitigte es der Capitain &mdash; &raquo;aber die
+Sache ist, da&szlig; Sie Beide recht und Beide unrecht haben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich verstehe Sie nicht,&laquo; sagte Ren&eacute;.</p>
+
+<p>&raquo;Ich will mich deutlicher erkl&auml;ren,&laquo; fuhr der Capitain fort; &raquo;Sie sind
+selber zu gut mit den hiesigen Verh&auml;ltnissen bekannt, als da&szlig; ich
+n&ouml;thig h&auml;tte Ihnen den Standpunkt anzugeben, auf dem die Indianischen
+M&auml;dchen den Europ&auml;ern gegen&uuml;ber stehen; Sie m&uuml;ssen den geringen
+moralischen Zwang kennen, den sich beide Theile hier auferlegen, und
+Monsieur Rodolphe konnte keine Ahnung haben, da&szlig; Eine von Tausen<span class='pagenum'> <a name="Page_230" id="Page_230">[230]</a></span>den
+eine solche Ausnahme ihres Geschlechts hier machte.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Er ist vollkommen gerechtfertigt Genugthuung zu verlangen,&laquo;
+erwiederte Ren&eacute;, dem es weh that das Geschlecht der Indianer so
+herabgew&uuml;rdigt zu sehen; doppelt weh vielleicht weil er f&uuml;hlte wie
+viel Wahrheit das Gesagte enthalte.</p>
+
+<p>&raquo;Tollk&ouml;pfiges Geschlecht,&laquo; murmelte der Capitain, den Kopf &auml;rgerlich
+her&uuml;ber und hin&uuml;ber werfend, &raquo;aber Ihr sollt Euch nicht schie&szlig;en,
+Mann, Ihr sollt Euch mit einander vertragen, und einsehen da&szlig; Euch
+Gott Euere gesunden Glieder gegeben hat, sie zur Ehre Eueres
+Vaterlandes einzusetzen, wenn's Noth thut, aber nicht da in die
+Schanze zu schlagen, wo es nur eines offenen Wortes zwischen beiden
+Theilen bedarf, sich zu &uuml;berzeugen da&szlig; Beide unrecht hatten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Monsieur Rodolphe wird schwerlich, nach dem Vorhergegangenen, das
+erste Wort zum Frieden bieten,&laquo; sagte Ren&eacute; vor sich hin.</p>
+
+<p>&raquo;So thun <span class="g">Sie</span> es, Delavigne,&laquo; rief der Capitain.</p>
+
+<p>&raquo;Ich? &mdash; nie&laquo; &mdash; zischte Ren&eacute; zwischen den zusammengebissenen Z&auml;hnen
+durch &mdash; &raquo;er hat mein Weib beleidigt und jeder Andere h&auml;tte wie ich
+gehandelt. Aber trotzdem will ich die Hand zur Vers&ouml;hnung reichen,&laquo;
+setzte er finster hinzu, &raquo;wenn Monsieur Rodolphe mit mir zu Madame
+Delavigne geht, und<span class='pagenum'> <a name="Page_231" id="Page_231">[231]</a></span> die Dame dort, der begangenen Rohheit wegen, um
+Entschuldigung bittet. Sie wissen selber Capitain, da&szlig; nach unseren
+Begriffen von Ehre keine weitere Wahl mir oder ihm bleibt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber Delavigne, das w&uuml;rde bei &mdash; das w&uuml;rde bei &mdash; das w&uuml;rde in Europa
+n&ouml;thig sein, aber hier &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und sind unsere Gesetze der Ehre hier anderer Art?&laquo; frug Ren&eacute; ihm
+scharf dabei in's Auge schauend.</p>
+
+<p>Capitain Sinclair bi&szlig; sich auf die Lippen &mdash; er konnte Nichts darauf
+erwiedern wenn er Ren&eacute; nicht kr&auml;nken und einen zarten, h&ouml;chst
+schwierigen Punkt ber&uuml;hren wollte; aber er wu&szlig;te auch da&szlig; sich
+Rodolphe gerade wieder <span class="g">seinen</span> Begriffen von Ehre nach, einer
+Insulanerin gegen&uuml;ber, deren Ehen mit den Wei&szlig;en als viel zu leicht
+und zu wenig bindend angenommen wurden, nie dazu verstehen w&uuml;rde.</p>
+
+<p>Es blieb da weiter keine Wahl, und tief aufseufzend und &auml;rgerlich sich
+abdrehend sagte der Capitain, der gern das Aeu&szlig;erste vermieden h&auml;tte,
+aber die Unm&ouml;glichkeit auch einsah:</p>
+
+<p>&raquo;So macht was Ihr wollt; schie&szlig;t Euch beide ein paar Kugeln durch die
+Jacken &mdash; so sind ein paar Tollk&ouml;pfe weniger auf der Welt &mdash; aber ich
+will mit der ganzen Sache Nichts weiter zu thun haben &mdash; Nichts davon
+wissen &mdash; die Folgen &uuml;ber Euch!&laquo;</p>
+
+<p>Er kehrte raschen Schrittes in das Haus zur&uuml;ck,<span class='pagenum'> <a name="Page_232" id="Page_232">[232]</a></span> von der anderen Seite
+aber n&auml;herte sich dem jungen Mann ein Marineofficier und sagte
+h&ouml;flich:</p>
+
+<p>&raquo;Monsieur Delavigne, wenn ich recht bin?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;So ist mein Name.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Sie wissen, was &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich stehe Ihnen mit Vergn&uuml;gen zu Diensten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;An wen w&uuml;nschen Sie da&szlig; ich mich wende?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Lieutenant Bertrand wird so freundlich sein &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ah &mdash; besten Dank, Monsieur, und guten Abend.&laquo;</p>
+
+<p>Mit h&ouml;flichem Gru&szlig; trennten sich die beiden M&auml;nner, und Ren&eacute; folgte
+dem vorangegangenen Capitain, Bertrand in Kenntni&szlig; zu setzen und um
+seinen Beistand zu bitten, und seine Frau nach Hause abzuholen. Der
+Abend war ihm verleidet worden gegen weitere Lust und Freude.
+Unbemerkt, wenigstens unbeachtet hatte er dabei gehofft den Saal
+wieder betreten zu k&ouml;nnen, Madame Belard schien ihn aber schon in
+Angst und Sorge erwartet zu haben, und seinen Arm ergreifend f&uuml;hrte
+sie ihn den Saal entlang.</p>
+
+<p>&raquo;Was haben Sie gethan?&laquo; fl&uuml;sterte sie dabei, &raquo;Sie wilder Mann; und die
+arme Frau sitzt da drin und weint und sorgt und gr&auml;mt sich, und wei&szlig; &mdash; ahnt noch nicht einmal das Schlimmste.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wo ist Sadie?&laquo; frug Ren&eacute; leise, sich im ganzen Saal vergebens nach
+ihr umschauend.<span class='pagenum'> <a name="Page_233" id="Page_233">[233]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Auf meinem eigenen Zimmer &mdash; ich f&uuml;hre Sie dorthin.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nur einen Augenblick, Madame,&laquo; bat Ren&eacute;, &raquo;ich habe nur einem Herrn da
+dr&uuml;ben zwei Worte zu sagen; entschuldigen Sie mich nur einen Moment,
+ich bin gleich wieder bei Ihnen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und so soll es doch zum Aeu&szlig;ersten getrieben werden?&laquo; fl&uuml;sterte
+erbleichend Madame Belard.</p>
+
+<p>Ren&eacute; zuckte die Achseln &mdash; aber Bertrand, ebenfalls im Begriff den
+Saal zu verlassen, stand nur wenige Schritte von ihm entfernt &mdash; wenige Worte leise gefl&uuml;stert, gen&uuml;gten &mdash; sie dr&uuml;ckten einander die
+Hand, und Ren&eacute; eilte rasch zu seiner ihn &auml;ngstlich erwartenden
+F&uuml;hrerin zur&uuml;ck.</p>
+
+<p>&raquo;Was Ihr f&uuml;r entsetzliche M&auml;nner seid,&laquo; sagte sie dabei, als sie den
+Saal verlassen hatten und die Treppe hinaufstiegen, der h&ouml;her
+gelegenen Wohnung zu &mdash; &raquo;mit kaltem Blut verabreden sie da einander zu
+morden oder zu verst&uuml;mmeln, und machen sich wei&szlig; dabei da&szlig; es n&ouml;thig,
+unumg&auml;nglich n&ouml;thig w&auml;re. Guter Gott wie wird das jetzt enden. &mdash; Aber
+da gehen Sie hinein, und gehen Sie zu Haus mit ihr, so rasch Sie
+k&ouml;nnen &mdash; sie sehnt sich zu ihrem Kind, und ich m&ouml;chte mich selber
+hinsetzen und weinen, wenn ich daran denke wie das arme s&uuml;&szlig;e Wesen,
+das hier Kummer und Sorge tr&auml;gt unverschuldet, von mir<span class='pagenum'> <a name="Page_234" id="Page_234">[234]</a></span> eingeladen war
+sich zu am&uuml;siren, und jetzt zu Hause geht, das Herz voll zum
+Ueberlaufen von Wehmuth und Leid. Sie d&uuml;rfen mit ihr hier auf Papetee
+nicht mehr unter wei&szlig;e M&auml;nner gehen, Ren&eacute;, oder Sie k&ouml;nnen der armen
+Frau noch selber das Grab hier graben auf der fremden Insel.&laquo;</p>
+
+<p>Und damit, ohne weiter eine Antwort von ihm abzuwarten, &ouml;ffnete sie
+die Th&uuml;r ihres Zimmers, lie&szlig; Ren&eacute; eintreten und kehrte dann selbst zu
+ihren G&auml;sten zur&uuml;ck, dort keinen Verdacht zu erwecken da&szlig; irgend etwas
+Au&szlig;erordentliches vorgefallen sei, was den Frohsinn h&auml;tte st&ouml;ren
+d&uuml;rfen.<span class='pagenum'> <a name="Page_235" id="Page_235">[235]</a></span></p>
+
+
+
+<hr class="endchapter" />
+<h2><a name="Capitel_7" id="Capitel_7"></a>Capitel 7.</h2>
+<h3>Unterwegs.</h3>
+
+
+<p>Ren&eacute; betrat rasch das kleine sonst so freundliche jetzt aber nur von
+einer einzigen d&uuml;ster brennenden Lampe kaum erleuchtete Gemach &mdash; eine
+eigene Angst, &uuml;ber die er sich eigentlich keine Rechenschaft zu geben
+wu&szlig;te, pre&szlig;te ihm das Herz zusammen, und nur zum Theil beruhigte es
+ihn, als ihm Sadie entgegen kam und beide H&auml;nde f&uuml;r ihn ausstreckte.
+Er zog sie leise an sich, und sie schmiegte ihr K&ouml;pfchen fest, fest an
+seine Schulter, ohne ein einziges Wort zu sagen, ohne einen Laut
+auszusto&szlig;en.</p>
+
+<p>&raquo;Arme Sadie,&laquo; fl&uuml;sterte er leise, und k&uuml;&szlig;te sie auf die hei&szlig;e gl&uuml;hende
+Stirn &mdash; fester dr&uuml;ckte sie sich an ihn, aber sie athmete kaum, und
+Ren&eacute; f&uuml;hlte wie sie in seinem Arm zitterte.<span class='pagenum'> <a name="Page_236" id="Page_236">[236]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Wir wollen zu Hause gehen, mein s&uuml;&szlig;es Lieb,&laquo; sagte er fl&uuml;sternd zu
+ihr niedergebeugt, und sie nickte heftig an seiner Brust, aber ohne zu
+reden &mdash; das Herz war ihr so voll &mdash; so voll und so weh. Schweigend
+nahm er seinen Hut, den Madame Belard schon f&uuml;r ihn zurechtgestellt,
+und seinen Arm um ihre Schulter legend, sie zu st&uuml;tzen zugleich und zu
+f&uuml;hren, verlie&szlig; er mit ihr das erleuchtete, Luft und Leben athmende
+Haus, durch eine Hinterth&uuml;r das Freie suchend, da vorn, den hellen
+Fenstern gegen&uuml;ber, hundert von Eingeborenen standen und lagen, den
+T&ouml;nen der Instrumente, den wunderlichen Melodien lauschend, bis hie
+und da eine Aehnlichkeit im Takt durch die Glieder Einzelner zuckte,
+und sie zum Tanz antrieb aus freier Hand, mitten auf der Stra&szlig;e
+drau&szlig;en.</p>
+
+<p>Durch den Garten, unter den thauigen Bananen und Orangen schritten sie
+hin, langsam und schweigend den schmalen Pfad entlang, auf den der
+Mond nur m&uuml;hsam durch Palmenkrone und Brodfruchtwipfel einzelne seiner
+Strahlen konnte niederwerfen. Eine schmale Pforte f&uuml;hrte auf die
+&auml;u&szlig;ere Stra&szlig;e, und dieser folgend erreichten sie bald den d&uuml;steren
+Palmenhain, der vom Fu&szlig; der H&uuml;gel ab bis dicht an den Strand reichte
+und von dessen Wellen selbst seine Wurzeln besp&uuml;hlen lie&szlig;.</p>
+
+<p>&raquo;Du solltest Dich freuen an unseren Sitten und<span class='pagenum'> <a name="Page_237" id="Page_237">[237]</a></span> Vergn&uuml;gungen,&laquo; sagte
+endlich Ren&eacute; leise, als sie schon lange schweigend neben einander
+hingeschritten und Ren&eacute; nur &auml;ngstlich bem&uuml;ht gewesen war, die dicht an
+ihn angeschmiegte Gestalt des jungen Weibes vor allen Unebenheiten des
+Weges zu bewahren. &raquo;Du solltest tanzen und fr&ouml;hlich sein, und hast nur
+Schmerz dort gefunden und Herzeleid.&laquo;</p>
+
+<p>Sadie wollte sprechen; Ren&eacute; f&uuml;hlte wie sie sich von seinem Herzen halb
+emporrichtete, aber es war auch als ob ihr die Kraft oder das Wort
+dazu fehle.</p>
+
+<p>&raquo;Bist Du mir b&ouml;se, Sadie?&laquo; sagte Ren&eacute; endlich nach langer Pause, und
+suchte dabei ihr Antlitz zu sich emporzuheben.</p>
+
+<p>&raquo;Nein Ren&eacute;,&laquo; fl&uuml;sterte die Frau leise und sch&uuml;ttelte langsam den Kopf &mdash; &raquo;nein, nicht b&ouml;se &mdash; aber &mdash; aber eine Bitte h&auml;tte ich an Dich.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und nenne sie mein Herz.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du warst so gl&uuml;cklich in Atiu&laquo; &mdash; fuhr Sadie nach kurzem Z&ouml;gern fort, &mdash; &raquo;kein Schmerz, kein Weh drohte unseren Frieden zu st&ouml;ren. Dort &mdash; waren keine wei&szlig;en M&auml;nner und Frauen weiter,&laquo; fuhr sie mehr Muth
+gewinnend, aber doch immer noch sch&uuml;chtern fort, &raquo;dort warst Du Einer
+der Unseren geworden, Alle hatten Dich lieb, und ich selbst &mdash; war ein
+Kind des Bodens und fand dort meine Heimath. Hier sind wir fremd, und
+der Charakter des<span class='pagenum'> <a name="Page_238" id="Page_238">[238]</a></span> Landes ist, durch <span class="g">Deine</span> Landsleute, wie auch durch
+die Engl&auml;nder ein anderer geworden. Die wei&szlig;en Menschen d&uuml;nken sich
+besser in ihrer Farbe,&laquo; fuhr sie wieder leiser fort, &raquo;als wir, denen
+die Sonne dunklere Haut gegeben. Sage mir Nichts dagegen, Ren&eacute;, ich
+<span class="g">wei&szlig;</span> es, und so weh es mir thut, ich wollte es gern ertragen um
+<span class="g">Deinetwillen</span> &mdash; wenn ich nicht eben <span class="g">Deinet</span>willen Dich bitten m&uuml;&szlig;te
+wieder mit mir fort von hier zu ziehen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Meinetwillen, Sadie?&laquo; sagte Ren&eacute;, aber es war ihm nicht Ernst mit der
+Frage und Sadie wu&szlig;te es.</p>
+
+<p>&raquo;Wenn Du es nicht selber <span class="g">f&uuml;hlst</span>, Ren&eacute;,&laquo; sagte sie traurig, &raquo;mit Worten
+kann ich es Dir nicht beschreiben; ich kann Dich auch nur versichern
+da&szlig; ich die Ueberzeugung habe wie wir Beide recht, recht ungl&uuml;cklich
+werden w&uuml;rden, wenn wir hier blieben.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber mein Gesch&auml;ft,&laquo; sagte Ren&eacute;.</p>
+
+<p>&raquo;Tr&auml;gt nicht die Cocospalme Milch im Ueberflu&szlig;,&laquo; bat Sadie, sich
+fester an ihn schmiegend, &raquo;h&auml;ngt nicht die Brodfrucht voll und reif am
+Zweig, und die Orange bietet Dir die Frucht, indem sie ihre duftenden
+Bl&uuml;then auf Dich niedersch&uuml;ttelt; hast Du nicht mich &mdash; Dein Kind? &mdash; liegt nicht der Frieden Gottes auf jenem stillen kleinen Inselreich,
+das Seine Huld mit Allem ausgestattet was lieb und sch&ouml;n und gut und
+fruchtbar ist? Sieh Ren&eacute;,&laquo; setzte sie lauter,<span class='pagenum'> <a name="Page_239" id="Page_239">[239]</a></span> fester hinzu, &raquo;ich habe
+Alles gethan was Du von mir verlangt; ich habe mir Deine Sitten
+angeeignet, so weit es in meiner Macht stand, ich trage Euere
+Kleidung, ich spreche Euere Sprache, ich habe mein Herz Dir gegeben,
+Dir, nur Dir allein &mdash; und meinem Kind. Nur &mdash; nur die Farbe konnt'
+ich nicht &auml;ndern, die Gott meiner Haut gegeben &mdash; ich bin ein Kind
+dieser Inseln, und als solches hast Du mich lieben gelernt, und zu
+Deinem Weib genommen. Aber meine Schwestern hier auf Tahiti sind
+anderer Art &mdash; nicht mit so treuer Sorgfalt erzogen wie ich, leben sie
+meist w&uuml;st und wild in den Tag hinein &mdash; und Deine Landsleute tragen
+viel die Schuld. Du hast heute erfahren in welcher Achtung die
+Insulanerin bei ihnen steht &mdash; willst Du noch l&auml;nger Zeuge sein wie
+sie mich kr&auml;nken und niederdr&uuml;cken? &mdash; und doch hast Du nicht den
+zehnten Theil von dem gesehen was mir wie Messer in die Seele schnitt,
+nicht die kalten ver&auml;chtlichen Blicke einzelner Frauen &mdash; nicht die
+leichtfertigen Worte geh&ouml;rt, die mir, heimlich oft, oft ohne Furcht
+und Scheu in die Ohren gefl&uuml;stert wurden, und das Blut in die Wangen
+jagten. <span class="g">Ich</span> geh&ouml;re nicht unter jene Menschen, ich passe auch nicht f&uuml;r
+sie, sie nicht f&uuml;r mich, und willst Du hier bleiben auf Tahiti, magst
+Du Dich nicht trennen von dem jetzt vielleicht lieb gewonnenen Leben,
+so la&szlig; mich<span class='pagenum'> <a name="Page_240" id="Page_240">[240]</a></span> daheim bei meinem Kind, Ren&eacute;, dorthin geh&ouml;r' ich, den
+Platz f&uuml;ll' ich aus, und unsere H&uuml;tte mag Dir selber eine Heimath
+werden &mdash; aber Atiu wird es uns doch nie ersetzen. &mdash; O z&ouml;gest Du
+zur&uuml;ck, Ren&eacute;.&laquo;</p>
+
+<p>Ren&eacute; erwiederte Nichts; schweigend schritten sie neben einander hin,
+und tolle Bilder zuckten ihm durch Sinn und Hirn, denen er nicht Form,
+nicht Deutung zu geben vermochte. Das gesch&auml;ftige, wenn nicht
+gesellige Leben Papetees war ihm schon theilweis zum Bed&uuml;rfni&szlig;
+geworden, dem er nicht gern entsagen, das er sich aber noch weit
+weniger gestehen mochte, und doch auch wieder f&uuml;hlte er in
+unbestimmter Ahnung die Gefahr, die seiner h&auml;uslichen Gl&uuml;ckseligkeit
+hier drohen k&ouml;nne. Er sah sich in Kampf und Streit mit Europ&auml;ern, von
+den Indianern angefeindet seiner Religion und Abstammung, von den
+Europ&auml;ern verachtet seiner Heirath wegen, und durch das Alles, wie ein
+blendender neckischer Strahl, zuckte das wei&szlig;e, wundersch&ouml;ne Antlitz
+des fremden M&auml;dchens, das kalt und h&ouml;hnisch auf ihn niedersah und
+seiner Angst und Qual da unten nur zu spotten schien. <span class="g">Jetzt</span> gerade
+sollte er Papetee verlassen, wo sie hier erschienen war, da&szlig; sie wohl
+gar nachher sich r&uuml;hmte, er sei vor ihr geflohen? &mdash; bah &mdash; was war
+sie ihm? &mdash; ihre Sch&ouml;nheit konnte ihn nicht locken, Sadie war sch&ouml;ner &mdash; und ihr Geist? &mdash; ihr fehlte die milde<span class='pagenum'> <a name="Page_241" id="Page_241">[241]</a></span> Weiblichkeit die der
+Geliebten jenen unendlichen Reiz verlieh. &mdash; Und ihre Farbe &mdash; blindes
+th&ouml;richtes Menschenvolk, den Werth eines Herzens nach der Schaale oder
+Farbe zu sch&auml;tzen, und die s&uuml;&szlig;e Frucht gar deshalb zu verachten, weil
+sie von der Sonne etwas mehr gebr&auml;unt. Und doch war gerade das jetzt
+dem jungen ehrgeizigen Mann ein bitteres schmerzliches Gef&uuml;hl, <span class="g">da&szlig;</span> sie
+mit jenem kalten L&auml;cheln auf ihn niedersehen <span class="g">konnte</span>; der Gedanke wurde
+ihm zur Qual, und ein Seufzer hob seine Brust. Es war zum <span class="g">ersten</span> Mal
+der Wunsch da&szlig; die Geliebte seiner Farbe w&auml;re, und Sadie h&ouml;rte und
+verstand den Seufzer, denn sie senkte das K&ouml;pfchen und schritt lautlos
+neben ihm hin.</p>
+
+<p>So erreichten sie den stillen freundlichen Platz der ihre Heimath war,
+das matte ged&auml;mpfte Licht das aus dem einen verhangenen Fenster quoll,
+beleuchtete den Schlaf ihres Kindes, die Palme die ihren breiten
+Wipfel dar&uuml;ber hing, rauschte leise und feierlich, und es war als ob
+sie dem Schlaf des Lieblings lausche und ihm bunte freundliche Tr&auml;ume
+zufl&uuml;stere &uuml;ber sein kleines Bett.</p>
+
+<p>Fast unwillk&uuml;rlich blieben die beiden Gatten stehen, und wie ihr Blick
+auf dem friedlichen Dache ruhte, das ihnen das Theuerste umschlo&szlig;, als
+Ren&eacute; der tausend gl&uuml;cklichen, seligen Stunden gedachte, die er schon
+dort mit seinem trauten Weib verlebt, und nun<span class='pagenum'> <a name="Page_242" id="Page_242">[242]</a></span> auch die fr&uuml;here Zeit &mdash; die erste Zeit seiner Liebe, seiner Hoffnungen, des errungenen, so
+schwer errungenen Gl&uuml;cks in vollen lebendigen Farben emporstieg vor
+seinem inneren Geist, wie er damals den Augenblick gesegnet in dem er
+dieses Paradies zuerst betrat, da &uuml;berkam ihn ein recht weiches,
+reuiges Gef&uuml;hl, und sein Weib, sein treues braves Weib fest an sich
+ziehend, pre&szlig;te er seine Lippen an ihre gl&uuml;hende Stirn, und das
+Liebeswort &raquo;Sadie&laquo; erstarb in dem langen, hei&szlig;en Ku&szlig;.</p>
+
+<p>&raquo;Komm,&laquo; fl&uuml;sterte sie endlich, und entzog sich leise seiner Umarmung &mdash; &raquo;komm!&laquo; und seine Hand ergreifend, f&uuml;hrte sie den Gatten an das
+Bett des Kindes.</p>
+
+<p>Oh wie so s&uuml;&szlig; der kleine Liebling ruhte; die Lampe, von einem breiten
+Bananenblatt verdeckt, warf nur den matten gr&uuml;nen Schein &uuml;ber den
+schlummernden Engel hin; die langen seidenen Wimpern lagen voll und
+dicht auf den von Schlaf ger&ouml;theten bl&uuml;henden Wangen, und ein liebes
+herziges L&auml;cheln spielte um die fein und zart geschnittenen Lippen.
+Engel fl&uuml;stern mit dem Kind, wenn es im Schlafe l&auml;chelt, und das
+Mutterherz sieht des Schutzgeistes Fittiche ausgebreitet &uuml;ber dem
+Liebling.</p>
+
+<p>Komm lieber Leser, komm &mdash; siehst Du die Gruppe dort, das Herz des
+Weibes an des Mannes Brust,<span class='pagenum'> <a name="Page_243" id="Page_243">[243]</a></span> Mutter- und Vaterliebe dem Schlaf der
+Unschuld lauschend und Gottes Segen niederflehend auf das Haupt des
+schlummernden Kindes? &mdash; Und dar&uuml;ber die rauschende Palme, das Bild
+des Friedens? um sie her aber den stillen rauschenden Wald, und der
+Sterne blitzende Schaar die Zeugen des erneuten Bundes? &mdash; komm,
+leise, leise da&szlig; Du es mir nicht st&ouml;rst, das freundliche Bild. &mdash; Wohin? &mdash; nach dem Strand f&uuml;hr' ich Dich &mdash; h&ouml;rst Du die Brandung
+rauschen &uuml;ber die Riffe hin? &mdash; sie donnert ihre alte ewige Weise
+unverdrossen fort, aber doch heimlicher, ruhiger heut' Nacht, als ob
+sie selber sich scheue den heiligen Frieden zu st&ouml;ren, der auf der
+wundersch&ouml;nen Insel ruht, und wie des Mondes Scheibe dort oben &uuml;ber
+den Gebirgshang her&uuml;bersteigt und sein Licht &uuml;ber die See gie&szlig;t,
+blitzt ihm die Brandungswelle im weiten silbernen Streif den Strahl
+zur&uuml;ck. Komm, dort unten liegt mein Canoe, und jenes freundliche Licht
+leuchtet uns auf unserer Bahn. So, steig nur ein und f&uuml;rchte sein
+Schwanken nicht, der Luvbaum sch&uuml;tzt es vollkommen vor jedem
+Umschlagen, jeder weiteren Gefahr, und durch die Corallenriffe hin
+steuere ich Dich in dem scharfgebauten Kahn &uuml;ber das Mond beleuchtete
+Wasser anderen, wenn auch nicht so friedlichen Scenen zu.</p>
+
+<p>Klares Wasser unter uns &mdash; tief, tief liegt es<span class='pagenum'> <a name="Page_244" id="Page_244">[244]</a></span> dort unten in
+&raquo;purpurner Finsterni&szlig;&laquo; und lichte gl&uuml;hende Punkte ziehen und blitzen
+durch die geheimni&szlig;volle, dem Menschenauge noch unerschlossene Welt.
+Dort unten baut der Korallenbaum nach rechts und links hin&uuml;ber seine
+W&auml;lle und D&auml;mme, gegen die Jahrtausende die wilde Brandung schl&auml;gt,
+und im Innern dort hat er sich sein stilles Haus gebaut und sein
+cristallenes Dach gew&ouml;lbt, und jetzt bei Nacht entz&uuml;ndet er die gr&uuml;nen
+Lichter alle, und wie ein Feeendom blitzt es und strahlt's zu Dir
+hinauf.</p>
+
+<p>&raquo;Die Sterne, wenn sie alt werden und sterben, fallen sie in's Meer,&laquo;
+sagt Dir der Indianer, &raquo;und dort feiern sie ihre Wiedergeburt und
+tanzen und werden wieder jung&laquo; &mdash; aber glaub's ihm nicht; tief unten
+in dem Corallenwald, dessen eng und dicht verschlungene Zweige
+neidisch das ihnen anvertraute Geheimni&szlig; wahren wollen, tanzt das
+fr&ouml;hliche Nixenvolk, das eigene Haar von blitzendem Licht
+durchflochten, den frohen Reigen, huscht unter den B&auml;umen hin, her&uuml;ber
+und hin&uuml;ber, und f&auml;hrt hinauf und hinunter oft wie ein z&uuml;ndender
+leuchtender Strahl. Und der tr&auml;umende Fischer oben, der in seinem
+Canoe liegt und staunend niederschaut in die ihm fremde wunderbare
+Welt, sieht die Lichter und folgt ihrem Zucken und Schie&szlig;en mit den
+Augen, und glaubt auch manchmal da&szlig; er unter, neben sich &mdash; doch nein,
+h&auml;tt' er<span class='pagenum'> <a name="Page_245" id="Page_245">[245]</a></span> die Geister wirklich je belauscht, er w&uuml;rde nie zum Strande
+wiederkehren; nur an der Schwelle darf er stehen, wie die Natur uns
+Alle auf der Schwelle l&auml;&szlig;t, und keinen Blick erlaubt in ihr geheimes
+wunderbares Wirken.</p>
+
+<p>Weiter &mdash; schau nicht zu lang hinab, Dich schwindelt; und siehst Du
+den lichten Streif da dr&uuml;ben, der schon zweimal her&uuml;ber und
+hin&uuml;berscho&szlig;, und dort zu Hause scheint, wo der Corallenhang die
+weiten Arme aufw&auml;rts wirft &mdash; das ist ein Hai, der unserem Kahne
+lauernd folgt &mdash; ein W&auml;chter seinen Gebietern da unten.</p>
+
+<p>Sieh, am Bug kr&auml;uselt und zischt die Fluth und aus dem silbergl&uuml;henden
+Schaum blitzt sie Diamanten gleich funkelnde knisternde Lichter aus
+&uuml;ber das ruhige Wasser, auf dem sie eine Weile rasten und dann
+zerflie&szlig;en. Mehr und mehr schwindet das Ufer zur&uuml;ck, und wir sehen den
+Schatten der Palme nicht mehr in der klaren Fluth, wie sie den Wipfel
+weit weit hin&uuml;berreicht sich zu spiegeln, und Morgens die Thautropfen
+niederzuwerfen in ihr eigenes Bild. Der Berg mit seinen gewaltigen
+Umrissen tritt massenhaft hervor, und links von uns donnert und
+sch&auml;umt die Brandung und springt h&ouml;her empor, und rollt lauter und
+heftiger, als ob sie sich unserem Nahen widersetzen und uns
+zur&uuml;ckscheuchen wolle aus ihrer N&auml;he.<span class='pagenum'> <a name="Page_246" id="Page_246">[246]</a></span></p>
+
+<p>Dicht an der Corallenbank hin gleiten wir &mdash; so dicht, da&szlig; wir mit dem
+Ruder die hochaufzackenden starren Zweige ber&uuml;hren und Seeigel und
+Stachelei in ihren schimmernden strahligen Betten im matten
+Phosphorschein k&ouml;nnen liegen sehen &mdash; sch&auml;rfer kr&auml;uselt das Wasser am
+Bug und einen Gluthstreifen zieht hinter dem Canoe die aufger&uuml;hrte
+Welle. Weiter &mdash; von d&uuml;sterer Nacht gedeckt, auf dem der Mond wie ein
+Silberschleier liegt, und nur den eigenen Strahl zur&uuml;ckzublitzen
+scheint, dehnt sich das waldbewachsene Ufer aus an unserer Rechten,
+mit seinen dunklen Orangen- und Guiavenschatten, seinen
+f&auml;cherbl&auml;tterigen Pandanus und wehenden Palmen.</p>
+
+<p>Weiter &mdash; die aufgescheuchte M&ouml;ve, die im raschen Kreisschwung &uuml;ber
+die Fluth streicht st&ouml;&szlig;t nieder nach dem dunklen Schatten des Canoes,
+flattert zur&uuml;ck, kehrt wieder, und abschweifend in weitem gewaltigen
+Bogen verschwindet sie in dem d&auml;mmernden Zwitterlicht, und nur der
+scharfe Schrei t&ouml;nt noch aus dunkler Ferne zu uns her, die Bahn
+verrathend der sie jetzt folgt.</p>
+
+<p>Sieh wie d&uuml;ster das Vorgebirge sich da hinauslagert in See, einem
+riesigen Ungeheuer gleich das vom Gebirge niedergestiegen und sich
+hier hineingeworfen in die klare Fluth, die hei&szlig;en Flanken zu k&uuml;hlen
+und den lechzenden Schlund &mdash; und das Brausen<span class='pagenum'> <a name="Page_247" id="Page_247">[247]</a></span> des Wassers &mdash; ist es
+doch fast als ob das schwere Athmen des Kolosses her&uuml;bert&ouml;ne in langen
+gewaltigen Pausen.</p>
+
+<p>Daran hin gleitet der Kahn; so dicht &mdash; durch die Palmen am Ufer
+kannst Du das s&uuml;dliche Kreuz erkennen, wie es sich um des S&uuml;dpols Axe
+dreht &mdash; und dort dr&uuml;ben die Lichter? dort liegt die Grenze unserer
+Poesie &mdash; die Compa&szlig;lichter sind's der im Hafen ankernden Schiffe, und
+in den offenen Luken liegen eherne Feuerschl&uuml;nde, wie schlafend jetzt
+im Bau, jeden Augenblick aber bereit die eisernen Todesboten
+hin&uuml;berzusenden an diese stillen Ufer.</p>
+
+<p>Unter jenem stolzen Schiff fahren wir hin &mdash; der Talbot ist's &mdash; und
+der Mann dort, der das Kinn auf den Arm gest&uuml;tzt, tr&auml;umend nach uns
+her&uuml;berschaut der wachthabende Matrose, der schon lange das nahende
+Boot beobachtet hat, und heimlich den Kopf sch&uuml;ttelt was die stillen
+Ruderer hier drau&szlig;en in der Bai thun so sp&auml;t in der Nacht. Wie stolz
+und symmetrisch die Masten, mit ihrem spinnewebartigen Gewirr von
+Tauen und Stagen scharf und klar abzeichnen gegen das hellere
+Firmament, und wie leicht und elastisch der stattliche Bau auf dem
+Wasser ruht, der M&ouml;ve gleich die schlummernd die weiche Woge gesucht,
+sich in Schlaf zu schaukeln durch die stille Nacht.<span class='pagenum'> <a name="Page_248" id="Page_248">[248]</a></span></p>
+
+<p>Und da dr&uuml;ben? &mdash; der schlanke wespenartige Bau k&uuml;ndet ein anderes
+Kriegsschiff, die <span class="f">Jeanne d'Arc</span>, bedroht wie es fast scheint von dem
+Talbot hier und dem Vindictive da dr&uuml;ben, jenem gewaltigen Kolo&szlig;, der
+die M&uuml;ndungen seiner Kanonen auch hier her&uuml;ber gerichtet h&auml;lt; aber
+die Z&auml;hne gerade so weisend wie der st&auml;rkere Feind und mit
+entschlossenem Trotz liegt die Corvette still und ruhig in so
+gef&auml;hrlicher Nachbarschaft, und mit der Morgensonne gr&uuml;&szlig;t nicht
+rascher der erste Strahl die stolzen Flaggen Albions, als ihre drei
+Farben lustig im Winde flattern.</p>
+
+<p>Welch ein eigenes wunderliches Bild in der Fluth da unten, wie die
+Schatten der dunklen Raaen her&uuml;ber und hin&uuml;berziehen, und die Sterne
+ihr Bild daneben suchen in dem unheimlich d&uuml;steren Wasserspiegel.</p>
+
+<p>Horch auf dem Kriegsschiff t&ouml;nen die Schl&auml;ge einer Glocke, &raquo;sechs
+Glasen&laquo; schl&auml;gts, es ist elf Uhr, und kaum hat die Glocke der
+Ankerwinde, vorn auf dem Vorcastle des Vindictive dem Compa&szlig;schlag
+geantwortet, als in rascher Reihenfolge, die <span class="f">Jeanne d'Arc</span> mit dem
+Talbot zu gleicher Zeit, und nach ihnen alle Schiffe in der Bai die
+Stunde schlagen. Alles ist wieder still und ruhig wie vorher, so
+lautlos liegt die Nacht auf dem kaum athmenden Meer, da&szlig; man den
+Schritt der einzelnen Wache auf dem n&auml;chsten Deck des franz&ouml;sischen
+Kriegsschiffs deutlich h&ouml;rt, und<span class='pagenum'> <a name="Page_249" id="Page_249">[249]</a></span> das leichte Summen einer heimischen
+Melodie t&ouml;nt leise, mit dem regelm&auml;&szlig;igen Gang, zum Takt &uuml;ber das
+Wasser. Da beginnt noch ein Schiff die vers&auml;umte Zeit langsam
+nachzuschlagen &mdash; die franz&ouml;sische Schildwacht lacht, und z&auml;hlt, mit
+Singen einhaltend, die schl&auml;frigen rauhen Schl&auml;ge einer gesprungenen
+Glocke.</p>
+
+<p>Von dort her kommen sie, von dem Wallfischf&auml;nger der gerade in unserer
+Bahn liegt, und der Mann der die Wacht hatte schlief so sanft in Lee
+vom Boot und tr&auml;umte so s&uuml;&szlig;, als das Schlagen der Glocken wieder und
+immer wieder zu ihm her&uuml;bert&ouml;nte. Eins, zwei, drei, vier, f&uuml;nf, sechs &mdash; erst fein und dann tief &mdash; er z&auml;hlte sie von <span class="g">allen</span> Schiffen, und
+als wieder Alles still und ruhig geworden, und er in seinem Halbschlaf
+lange gewartet hatte da&szlig; die klappernden T&ouml;ne seines eigenen faulen
+Schiffes, der einst so r&uuml;stigen <span class="f">Kitty Clover</span>, wie immer den Nachtrab
+aufbringen sollte, da erst fiel es ihm ein da&szlig; er selber heute das Amt
+habe die alte lebensm&uuml;de Glocke sprechen zu machen, und mit einem
+leise gemurmelten Fluch suchte er sich zusammen, stand auf und den
+Kl&ouml;ppel anziehend da&szlig; er im Mi&szlig;ton sechsmal gegen die geborstene Seite
+dr&ouml;hnte, brummte er bei jedem traurigen Schlag:</p>
+
+<p>&raquo;Verdamme Dich &mdash; altes &mdash; geborstenes &mdash; klapperndes &mdash; schnarrendes &mdash; L&auml;rmeisen Du! S'ist ein<span class='pagenum'> <a name="Page_250" id="Page_250">[250]</a></span> Skandal f&uuml;r die ganze Nachbarschaft,&laquo;
+setzte er dann knurrend hinzu, als er den Lagerplatz wieder suchte
+unter dem Boot, den Mondstrahlen wenigstens aus dem Weg zu gehen, und
+nicht aufzuwachen am andern Morgen mit geschwollener Physionomie.</p>
+
+<p>Der Mond f&auml;llt jetzt voll und licht gegen die Flanke des schmutzigen,
+von Rauch und Theer geschw&auml;rzten, thranigen Fahrzeugs der <span class="f"><span class="g">Kitty Clover</span></span> &mdash; die Segel die gestern zum Trocknen gel&ouml;st worden, h&auml;ngen
+halbaufgegeit, die breiten Theerstreifen der Reefer zeigend<a name="FNanchor_H_8" id="FNanchor_H_8"></a><a href="#Footnote_H_8" class="fnanchor">[H]</a> an den
+Raaen; die kurzen Masten mit dem breiten Sitz f&uuml;r den Ausguck darauf,
+die Boote aufgezogen und mit Cocosblattmatten dicht bedeckt, die hei&szlig;e
+Sonne &uuml;ber Tag davon abzuhalten, das zerfetzte Kupfer am Bug, das
+Zeichen einer langen Reise, Alles k&uuml;ndet das Gesch&auml;ft des
+Wallfischf&auml;ngers, und doch liegt er hier tr&auml;ge und faul, mitten fast
+in der guten Jahreszeit, zu ruhen und tr&auml;umen, statt im Norden oben
+den Fischen aufzulauern und seinen Rumpf zu f&uuml;llen. <span class='pagenum'> <a name="Page_251" id="Page_251">[251]</a></span></p>
+
+<p>Dicht unter seinen Krahnen gleiten wir hin, und freier dehnt sich die
+Bai hier vor uns aus. &mdash; Siehst Du da dr&uuml;ben die kleine Palmen
+bewachsene Insel, links der Einfahrt zu? &mdash; <span class="f">Motuuta</span> ist's, der
+K&ouml;nigssitz der Pomaren, der stille Zeuge ihrer fr&uuml;heren Macht und
+h&auml;uslichen Gl&uuml;ckseligkeit. &mdash; Vorbei; so ist die Zeit der Pomaren,
+vorbei; ihre Macht ist zum Spott geworden zwischen Engl&auml;ndern und
+Franzosen; zum Spiel, um das beide Nationen vielleicht mit
+Kanonenkugeln w&uuml;rfeln, oder es auch dem einen Gegner, als nicht der
+M&uuml;he werth des Streits, freiwillig &uuml;berlassen.</p>
+
+<p>Weiter &mdash; aus den dunklen Schiffen heraus, deren d&uuml;stere Rumpfe lange
+Schatten werfen, und das weiche Mondlicht um sich her einzusaugen
+scheinen, gleiten wir vor. Funken spr&uuml;hend ordentlich in der
+elektrischen Fluth, schie&szlig;en wir dahin, das leichte Ruder den
+scharfgebauten Kahn fast &uuml;ber die Welle hebend die ihn tr&auml;gt. Da
+dr&uuml;ben liegt der Strand &mdash; weit und silbern dehnt sich der
+mondbeschienene Muschelkies und blitzt und funkelt, und die Woge
+quillt auf dagegen und saugt und breitet dar&uuml;ber hin, zur&uuml;ckweichend
+nur den funkelnden Schaum ihm lassend, der in Atome auseinanderflie&szlig;t.</p>
+
+<p>Erreicht haben wir jetzt das lange niedere, palmenbewachsene Land, den
+rechten Arm der Bai, die<span class='pagenum'> <a name="Page_252" id="Page_252">[252]</a></span> ihn sch&uuml;tzend vorh&auml;lt gegen den Passat, und
+kleine hochgebaute Ger&uuml;ste laufen ein St&uuml;ck hier in See hinaus, von
+dem sandigen Strand ab, Seebooten auch bei niederem Wasserstand die
+Anfahrt zu gestatten.</p>
+
+<p>Aber was braucht das Canoe solcher H&uuml;lfe, das schattige Ufer zu
+erreichen? &mdash; risch hin, mehr &uuml;ber wie durch das Wasser schie&szlig;t's auf
+der klaren Fluth, und das Ruder das es vorw&auml;rts treibt, hebt es und
+zwingt es, selbst &uuml;ber Coralle und Sandbank fort, dem wei&szlig;en
+Muschelkies entgegen. Bambusst&auml;be sind hier &uuml;berall dem Grund
+eingesto&szlig;en, ein Zeichen f&uuml;r Fischer und Boote von tieferem Wasser;
+mitten zwischen ihnen durch springt das Canoe, und wie die aufgebogene
+Spitze in vier Zoll Wasser den Sand ber&uuml;hrt, hebt sich das schlanke
+Boot und sitzt fest. &mdash; Nur hinaus, ob uns das warme salzige Na&szlig; den
+Fu&szlig; auch netzt, am Cocosbasttau ziehen wir den Kahn hoch hinauf auf's
+trockene Land, da&szlig; ihn die r&uuml;ckkehrende Fluth nicht hebt und
+fortf&uuml;hrt, und durch der G&auml;rten schattiges Gr&uuml;n, durch die der
+Mondenstrahl nicht einmal zur Erde dringt, f&uuml;hre ich Dich einen
+Schleichweg hinauf zu heimlichem Platz.</p>
+
+<p>Reich' mir die Hand hier, denn der Pfad ist schmal, und dort gleich
+hinter der Bananen letzte Reihe, denen der Brodfruchtbaum noch
+Schatten giebt, beginnt das Dickicht der Guiaven, und &uuml;ber dem Pfad<span class='pagenum'> <a name="Page_253" id="Page_253">[253]</a></span>
+reichen die niederen B&uuml;sche sich die Zweige traulich her&uuml;ber und
+schlingen die Arme fest in einander, tiefer und tiefer niederdr&uuml;ckend
+in den Weg, bis des Menschen Hand, mit scharfem Stahl bewehrt, wieder
+eine neue Bahn abzwingt den zudringlichen. Weiter &mdash; halte Dich fest an
+mich und hebe den Fu&szlig;, denn alte niedergebrochene Cocosn&uuml;sse und
+H&uuml;lsen decken den Boden und &mdash; was Du zertratst, und was unter Deinem
+Fu&szlig;e wich? &mdash; reife Guiaven sind's, die den Boden hier decken, kehre
+Dich nicht an sie, &uuml;ber und neben Dir wachsen mehr, und jetzt &mdash; siehst Du das Licht dort durch die Zweige blitzen? h&ouml;rst Du die
+gellenden T&ouml;ne keifender Menschenstimmen? &mdash; wir sind am Ziel und ich
+f&uuml;hre Dich jetzt ein bei <span class="g">M&uuml;tterchen Tot</span>.<span class='pagenum'> <a name="Page_254" id="Page_254">[254]</a></span></p>
+
+<div class="footnotes"><h3>Fu&szlig;noten:</h3>
+
+<div class="footnote"><p><a name="Footnote_H_8" id="Footnote_H_8"></a><a href="#FNanchor_H_8"><span class="label">[H]</span></a> Die Wallfischf&auml;nger, um Nachts nicht zu viel Fortgang mit
+ihren Schiffen zu machen, und Fischen vielleicht vorbeizulaufen,
+reefen meist Abends ihre Segel, und da die Leute den Tag &uuml;ber Thran
+auskochen und voll Fett sind, so machen sie auch Fettflecke in die
+Segel, auf denen sie zum Einbinden liegen.</p></div>
+</div>
+
+
+<hr class="endchapter" />
+<h2><a name="Capitel_8" id="Capitel_8"></a>Capitel 8.</h2>
+<h3>M&uuml;tterchen Tot's Hotel.</h3>
+
+
+<p>Tief in den Guiaven versteckt, und etwa nur vier-oder f&uuml;nfhundert
+Schritte von den &auml;u&szlig;ersten H&auml;usern von Papetee entfernt, lag eine der
+gew&ouml;hnlichen lang-ovalen niederen Bambush&uuml;tten dieser Inseln, mit
+Pandanusbl&auml;ttern gedeckt, und wenig mehr anderem Hausger&auml;th, als ein
+paar eisernen Kesseln und einem Dutzend oder mehr niederer, halb
+ausgeh&ouml;hlter Schemel, die den Eingeborenen &uuml;ber Tag zum Sitz, und &uuml;ber
+Nacht zum Kopfkissen dienen.</p>
+
+<p>Die W&auml;nde waren &uuml;brigens, statt dem Luftzug freien Raum zu g&ouml;nnen wie
+in den gew&ouml;hnlichen Indianischen H&auml;usern, mit d&uuml;nnen Bastmatten fast
+&uuml;berall verhangen, und der W&auml;rme wegen konnte<span class='pagenum'> <a name="Page_255" id="Page_255">[255]</a></span> das nicht gut geschehen
+sein, denn gerade dieser Platz h&auml;tte einer frischen Zugluft eher
+bedurft, wo das Guiavendickicht wie eine Mauer fast den engen, darin
+ausgehauenen Hof und Hausraum umschlo&szlig;; aber der Besitzerin dieses
+Platzes lag mehr daran ungest&ouml;rt und von neugierigen unberufenen Augen
+nicht bel&auml;stigt zu sein, als frische Luft zu haben &mdash; obgleich sie
+deren Wohlthat wohl auch zu sch&auml;tzen verstand.</p>
+
+<p>Die W&auml;nde, wenn man das mit Bast &uuml;berhangene Gatterwerk &uuml;berhaupt so
+nennen darf, waren auch weiter durch Nichts bel&auml;stigt was etwa einen
+besonderen Reichthum der Inwohner h&auml;tte anzeigen k&ouml;nnen; an der einen
+Seite hingen nur ein paar alte Kattun-Ueberw&uuml;rfe, abgenutzt und
+geschw&auml;rzt durch die Jahre sowohl wie auch vielleicht den Rauch der
+H&uuml;tte, neben diesen aber und unter einer langen Reihe ausgeschliffener
+Cocosnu&szlig;schalen, die die Stelle von Trinkbechern versahen, paradierte
+ein alter, einst wei&szlig; gewesener, aber jetzt in jede m&ouml;gliche, wie
+unm&ouml;gliche Form hineingedr&uuml;ckter Filzhut, der in besseren Tagen
+vielleicht einmal den pomadisirten Kopf eines Dandy im lustigen alten
+England geziert, jetzt aber verdammt war, seine Tage in
+Cocosnu&szlig;&ouml;lqualm und Guiavenholzrauch in einer Tahitischen H&uuml;tte zu
+vertr&auml;umen.<span class='pagenum'> <a name="Page_256" id="Page_256">[256]</a></span></p>
+
+<p>So kahl &uuml;brigens die W&auml;nde dreinschauten, so toll und wild stand alles
+m&ouml;gliche Geschirr und Ger&auml;th in den Ecken herum. Kalebassen, die auf
+diesen Inseln den Bewohnern gew&ouml;hnlich zu Kommoden, Koffern,
+Hutschachteln, Arbeitsk&ouml;rben, Speisekammern, Toiletten und Gott wei&szlig;
+was sonst noch dienten, waren in Masse vorhanden, und hie und da eine
+&uuml;ber die andere geschichtet; dabei lehnte, zwischen ein paar Besen,
+einer Harpune und einem Ruder, eine alte rostige Flinte mit
+Feuerschlo&szlig;, und dar&uuml;ber, aber so versteckt hinter den Matten, da&szlig; es
+nur von einzelnen Theilen der H&uuml;tte aus gesehen werden konnte, war ein
+schmales kleines Bret befestigt, auf dem ein paar B&uuml;cher, und oben auf
+eine dickleibige abgegriffene Bibel lagen.</p>
+
+<p>Interessanter und mannichfaltiger erwiesen sich aber jedenfalls die
+Bewohner wie gegenw&auml;rtigen Insassen dieses abgelegenen Platzes, den
+viele der Indianer sogar in abergl&auml;ubischer Furcht mieden, weil sie
+&raquo;M&uuml;tterchen Tot&laquo;, wie die Eigenth&uuml;merin von den Matrosen gew&ouml;hnlich
+nur schlichtweg genannt wurde, in dem Besitz &uuml;bernat&uuml;rlicher Kr&auml;fte
+glaubten, und allerdings rechtfertigte ihr Ansehen eine solche
+Vermuthung, wenn &uuml;berhaupt auf irgend ein menschliches Wesen
+anzuwenden, vollkommen.</p>
+
+<p>&raquo;M&uuml;tterchen Tot&laquo; war ein Charakter, und Nie<span class='pagenum'> <a name="Page_257" id="Page_257">[257]</a></span>mand betrat ihr Heiligthum
+zum ersten Mal, ohne eine gewisse Scheu und Ehrfurcht zu empfinden,
+die selbst den Rohsten beschlich &mdash; aber ihr ehrw&uuml;rdiges Aussehen trug
+wahrlich nicht die Schuld dabei.</p>
+
+<p>M&uuml;tterchen Tot war &uuml;brigens &mdash; ehe ich den Leser mit ihrem <span class="g">&auml;u&szlig;erlichen</span>
+Menschen, dem Anzug, bekannt mache &mdash; in Europa und zwar in dem Reiche
+ihrer Gro&szlig;britannischen Majest&auml;t vor langen, langen Jahren geboren,
+Niemand aber konnte mehr an ihrem Dialekt erkennen ob in dem
+bevorzugten England selber, dem <span class="f">&raquo;bonnie&laquo;</span> Schottland oder der &raquo;gr&uuml;nen
+Insel&laquo;, wie Irland von seinen poetischen Kindern genannt wird. Sie
+mischte Alles durcheinander und ihre Sprache hatte dabei, durch den
+langen Aufenthalt auf den Inseln, fast eben so viel Worte von diesen
+angenommen, da&szlig;, wer nicht Tahitisch oder wenigstens eine der
+Polynesischen Sprachen verstand, den Schl&uuml;ssel zu all' den
+wunderlichen Ausdr&uuml;cken zu haben, kaum im Stande gewesen w&auml;re Sinn
+oder Verstand in ihre Rede zu bringen. Die Indianer und Fremden kamen
+noch am leichtesten dar&uuml;ber hin, die ersteren glaubten sie spr&auml;che
+Englisch, die anderen hielten es f&uuml;r Indianisch.</p>
+
+<p>In ihrer Jugend nun aus ihrem Vaterland, wie die b&ouml;se Welt behaupten
+wollte, nach Sydney deportirt, war sie von dort auf einem Englischen
+Wall<span class='pagenum'> <a name="Page_258" id="Page_258">[258]</a></span>fischf&auml;nger entwichen, oder eigentlich von dem Capitain
+desselben, den ihre Reize bestrickt haben mochten (denn Leute die
+Jahrelang drau&szlig;en in See herumfahren sind nicht immer w&auml;hlerisch)
+entf&uuml;hrt worden. Der Capitain riskirte damals Zuchthaus, aber was
+riskirt die Liebe <span class="g">nicht</span>, und setzte sp&auml;ter die junge Dame, als er
+heimw&auml;rts fuhr und in solcher Begleitung doch nicht in einen
+Englischen Hafen wieder einzulaufen w&uuml;nschte, auf den Sandwichs-Inseln
+ab, dort ihr Fortkommen, was ihr auch vollkommen gelang, weiter zu
+suchen.</p>
+
+<p>M&uuml;tterchen Tot's Memoiren w&uuml;rden jedenfalls h&ouml;chst interessante Daten
+liefern, k&ouml;nnte sie nur eben veranla&szlig;t werden n&auml;her auf sie einzugehn;
+sie sprach aber nie &uuml;ber ihre Vergangenheit, und das einzige
+Individuum, das vielleicht noch dar&uuml;ber, wenigstens &uuml;ber einen Theil
+derselben, Auskunft h&auml;tte geben k&ouml;nnen, und auf das ich gleich nachher
+zur&uuml;ckkommen werde, durfte nicht.</p>
+
+<p>Soviel ist gewi&szlig;, in der Gruppe der Sandwichs-Inseln hatte sie sich
+lange Zeit aufgehalten, und bald auf Oahu bald auf Hawai, gehaust, war
+dann mit einem Sandelholzfahrzeug nach den Freundlichen und
+Navigators-Inseln gegangen, und hatte dort zuerst angefangen eine
+kleine Wirthschaft zu gr&uuml;nden, in der sie besonders Matrosen
+beherbergte, und ihnen berau<span class='pagenum'> <a name="Page_259" id="Page_259">[259]</a></span>schende Getr&auml;nke verkaufte, um die sie,
+wie um manches Andere, bei ihr w&uuml;rfeln konnten. Von dort streifte sie
+nach Neu-Seeland hin&uuml;ber, wo sie wieder lange Jahre blieb, sich aber
+von hier eine &raquo;St&uuml;tze ihres Alters&laquo;, wie sie einen kleinen ein&auml;ugigen
+Irischen Schuhflicker nannte, der von jetzt ab bei ihr blieb,
+mitbrachte.</p>
+
+<p>In Neu-Seeland hatten sie die Missionaire vertrieben und auf ein
+Schiff gepackt, das sie Beide in der Samoagruppe landete, und hier
+bewogen die Missionaire ebenfalls wieder einen Capitain das, ihnen
+keineswegs freundlich gesinnte Wesen an Bord zu nehmen und die&szlig;mal,
+aus ihrem Bereich ganz und gar hinaus, den Gambiers-Inseln zuzuf&uuml;hren,
+wo sich die Katholiken schon seit l&auml;ngeren Jahren festgesetzt hatten.
+Ein Typhoon aber, der das Schiff fa&szlig;te und entmastete, strandete es an
+Raivavai, und M&uuml;tterchen Tot fand wieder mit ihrem getreuen Begleiter
+den Weg nach Tahiti, das ihr, als Mittelpunkt aller Europ&auml;er fast in
+der S&uuml;dsee, die besten Gesch&auml;fte und durch den Zwiespalt der
+Protestantischen Missionaire mit den Katholiken, auch jedenfalls eher
+eine sichere Ruhest&auml;tte wie irgend eine andere Insel versprach, wo nur
+eine oder die andere Sekte allein gehaust, und dann auch geherrscht
+h&auml;tte.</p>
+
+<p>Dem kleinen Irischen Schuster war das Alles<span class='pagenum'> <a name="Page_260" id="Page_260">[260]</a></span> gleichg&uuml;ltig; auch er
+hatte &uuml;brigens eine Vergangenheit, die in Sydney ihren
+Culminationspunkt, den Felsen gefunden, zu dem hingetrieben das
+B&auml;chlein seines Lebens wild und toll genug gesprudelt hatte, bis es
+mit dem gewaltigen Sturz in die Tiefe, die ersten Convulsionen nur
+einmal vor&uuml;ber, wieder seine v&ouml;llige Ruhe, wenn auch nicht Klarheit
+erlangt hatte.</p>
+
+<p>Murphy &mdash; er wu&szlig;te selber nicht ob er je noch einen anderen Namen
+gehabt &mdash; war ebenfalls Einer jener wahren Patrioten die <span class="f">&raquo;had left
+their country for their country's good&laquo;</span> (zum Besten der Heimath, die
+Heimath gemieden). <span class="g">Wie</span> er damals seine Freiheit wieder erlangt blieb
+sein Geheimni&szlig;, soviel aber ist gewi&szlig;, da&szlig; er in dieser Zeit gerade
+aufh&ouml;rte ein Katholik zu sein, und das Studium der Bibel mit einem
+Eifer begann, der ihm die Bewunderung der Protestantischen
+Geistlichen, in deren Wirkungskreis er kam, h&auml;tte sichern m&uuml;ssen,
+h&auml;tten diese nur eben zu ihm gelangen k&ouml;nnen, Zeuge seiner wirklich
+angestrengten Th&auml;tigkeit zu sein. Wunderbarer Weise benahm er sich
+aber bei diesem Studium fortw&auml;hrend als ob er irgend ein entsetzliches
+Verbrechen beginge, und in steter Furcht und Todesangst lebe dabei
+ertappt zu werden. Witterte er einen Geistlichen in seiner N&auml;he (und
+die frommen M&auml;nner machten sich manchmal die Freude ihn und seine
+Gef&auml;hrtin auf<span class='pagenum'> <a name="Page_261" id="Page_261">[261]</a></span>zusuchen, obgleich sie Beide lieber gehen als kommen
+sahen, denn sie verzehrten nicht allein Nichts, sondern suchten nur
+umher, Grund zur Anklage zu finden) so konnte M&uuml;tterchen Tot nicht
+rascher bei der Hand sein eine vereinzelte Branntweinflasche zu
+verbergen, die sich vielleicht in zu unerlaubter N&auml;he bei einem
+Eingeborenen befand, als Murphy auch mit seiner Bibel in die n&auml;chste
+Kalebasse hineinfuhr, und Alles dar&uuml;ber deckte, was ihm gerade unter
+die H&auml;nde kam. Wenn er dabei die ganze Woche nicht an Arbeit gedacht,
+fa&szlig;te er jetzt gewi&szlig; den ersten besten Schuh auf, der ihm unter die
+H&auml;nde kam, und fing an daran herum zu schneiden und zu stechen und zu
+n&auml;hen, als ob sein Leben an seiner Eile hinge.</p>
+
+<p>M&uuml;tterchen Tot behandelte ihn dabei auf das Herabw&uuml;rdigenste, und kein
+Schimpfwort gab es auf Englisch, Irisch, G&auml;lisch oder Schottisch, wie
+in irgend einer der bekannten Polynesischen Sprachen und Dialekte, das
+sie nicht schon an ihm abgestumpft, kein Ger&auml;th in ihrem ganzen Haus,
+das sie nicht schon, bei irgend einer feierlichen oder unfeierlichen
+Gelegenheit, nach seinem Kopf geschleudert h&auml;tte. Vor allen andern
+aber war es die heilige Schrift selber auf die sie es in ihrem
+schlimmsten und gef&auml;hrlichsten Zorn abgesehen, und die sie dann im
+Fall eines Streites mit ihrem h&ouml;chst sanftm&uuml;thigen <span class="g">Gatten</span> (wenn ich<span class='pagenum'> <a name="Page_262" id="Page_262">[262]</a></span>
+diesen ungerechtfertigten Namen &uuml;berhaupt gebrauchen darf) h&auml;ufig aus
+der Hand ri&szlig; und an den Kopf warf. Ja sie hatte schon mehrmals gedroht
+das ganze heilige Buch bei der n&auml;chsten passenden Gelegenheit &mdash; und
+die Gelegenheit war eigentlich immer passend &mdash; zu verbrennen;
+wunderbarer Weise hielt sie aber immer eine eigene Scheu, die sie sich
+aber nie selber eingestehen mochte, und jedenfalls mehr in einer
+abergl&auml;ubischen Furcht wie irgend einem religi&ouml;sen Sinn wurzelte,
+davon ab ihre Drohung auszuf&uuml;hren, w&auml;hrend Murphy, der ihr doch nicht
+so recht trauen mochte, seinerseits Alles that ihr das Buch, wenn er
+ja einmal die H&uuml;tte verlie&szlig;, aus den Augen zu bringen, und Kalebassen
+und Ecken unaufh&ouml;rlich damit wechselte. Nur bei vollkommenem
+Waffenstillstand lag es, wenn nicht gebraucht, auf dem kleinen
+B&uuml;cherbret auf einem Haufen verschiedener Trakt&auml;tchen von M&auml;&szlig;igkeits-
+und Bibelverbreitungsvereinen in Tahitischer Sprache, und Murphy hatte
+seinen Sitz so gestellt, da&szlig; er das Buch fortw&auml;hrend dabei im Auge
+behielt.</p>
+
+<p>Ich sagte vorhin da&szlig; M&uuml;tterchen Tots Aeu&szlig;eres gerade nicht dazu dienen
+konnte besondere Ehrfurcht einzufl&ouml;&szlig;en, und allerdings war sie, was
+ihre &auml;u&szlig;ere Erscheinung betraf, nichts weniger als eitel. Zwischen 50
+und 70 Jahren, denn wunderbarer Weise hielten<span class='pagenum'> <a name="Page_263" id="Page_263">[263]</a></span> Schmutz und Runzeln
+ihre Z&uuml;ge mit einem solchen Schleier &uuml;berzogen, da&szlig; man sie bald dem
+einen, bald dem andern n&auml;her glaubte, hatte sie einen gew&ouml;hnlichen
+<span class="f">pareu</span> von einst grellrothem aber jetzt verblichenen Kattun, mit
+breiten hochgelben Streifen, um die H&uuml;ften geschlagen, und am Tag trug
+sie ein dem &auml;hnliches Obergewand, das ihre d&uuml;rre Gestalt in weiten
+Falten umhing; Abends aber, wenn die k&uuml;hle Seebrise &uuml;ber die K&uuml;ste
+strich, obgleich sie die, von den Guiaven f&ouml;rmlich eingeschlossene
+H&uuml;tte doch nicht erreichen konnte, wurde es dem ein hei&szlig;es Klima
+gew&ouml;hnten M&uuml;tterchen zu k&uuml;hl, und sie zog einen alten erbsgelben
+schmutzigen M&auml;nner-Oberrock, der fr&uuml;her einmal lange Haare gehabt
+haben mochte, &uuml;ber ihr Kattunkleid, und kn&uuml;pfte die zwei Kn&ouml;pfe, die
+ihm noch geblieben, fest zu bis unter den Hals. Der Rock ging ihr
+dabei bis tief &uuml;ber die Knie nieder, und da seine Taschen ebenfalls
+tief sa&szlig;en, in deren einer sie den einzigen Genu&szlig; aufbewahrte, den sie
+sich au&szlig;er dem Brandy g&ouml;nnte, ihre Schnupftabaksdose, so hatte sie nur
+mit dieser Unannehmlichkeit zu k&auml;mpfen, da&szlig; sie so tief nach der ihr
+unter den H&auml;nden fortweichenden Tasche niedertauchen mu&szlig;te, und sich
+gew&ouml;hnlich endlich gezwungen sah, ihre andere Hand auch noch mit zu
+H&uuml;lfe zu nehmen, das scheue Taschenfutter zur&uuml;ckzuhalten.<span class='pagenum'> <a name="Page_264" id="Page_264">[264]</a></span></p>
+
+<p>Den Hals trug sie blos, und auf dem Kopf einen alten Strohhut, wie er
+in ihrer Jugend wahrscheinlich einmal das Ziel ihrer W&uuml;nsche gewesen &mdash; das Alter hatte sich daran festgeklammert, und unter den breiten,
+wunderlich geformten und mit ein paar k&uuml;nstlichen, aber selbst in der
+Kunst verblichenen und zerdr&uuml;ckten Blumen geschm&uuml;ckten Seitenw&auml;nden
+desselben hingen die grauen langen Haare wirr hervor.</p>
+
+<p>Der Hut diente ihr gegen Sonnenbrand und Zugluft, am Tag wie Abends,
+bis sie ihr Mattenlager in einem Winkel der H&uuml;tte suchte, &uuml;ber das sie
+jedoch ein weites und gut in Stand gehaltenes Mosquitonetz gespannt
+lie&szlig;; der Rock jedoch war unstreitig nicht ihr Eigenthum, oder wenn
+doch, jedenfalls nur getheiltes, und Murphy, der wahrscheinlich
+fr&uuml;here Besitzer schien seine Anspr&uuml;che daran keineswegs aufgegeben zu
+haben. Abends oder in Zeit der K&uuml;hle, bei Regenwetter oder sonstigen
+Witterungsf&auml;llen, wo &uuml;berhaupt das Tragen eines solchen Rocks unter
+dieser Breite eine Entschuldigung fand, und nur den geringsten Grad
+von Befriedigung gew&auml;hren konnte, hatte sich freilich M&uuml;tterchen Tot
+darin eingekn&ouml;pft, und wollte Murphy dem Rechte des Besitzes nicht
+ganz entsagen, so mu&szlig;te er den Sonnenschein benutzen &mdash; und das that
+er auch. &mdash; Jeden Tag wenigstens einmal, machte er den verzweifelten
+Versuch in den<span class='pagenum'> <a name="Page_265" id="Page_265">[265]</a></span> Rock einzufahren, und darin auszuhalten, und blieb
+darin zum Erstaunen aller, etwa in der Zeit eintreffenden G&auml;ste, bis
+ihm das Wasser am ganzen K&ouml;rper herunter lief, und er das nutzlose
+Kleidungsst&uuml;ck von den Schultern ri&szlig;, aufpackte, zusammenrollte und
+versuchte in eine Kalebasse zu zwingen, was er nach einer Weile
+ebenfalls wieder aufgab, und sich dann seufzend an seine Bibel setzte &mdash; und der Rock blieb in der Ecke so lange liegen bis es Abends k&uuml;hl
+wurde und ihn M&uuml;tterchen Tot wieder brauchte.</p>
+
+<p>Au&szlig;erdem trug Murphy ein paar sehr abgenutzte Sommerhosen, von irgend
+einem farblosen d&uuml;nnen Stoff, ein baumwollenes Hemd, eine
+gelbgestreifte Weste, statt der fehlenden Kn&ouml;pfe an den betreffenden
+Stellen mit Bast zugebunden, und eine durch den Jahrelangen Gebrauch
+schon total schwarz gebrannte Thonpfeife, die aber gewisserma&szlig;en mit
+zu seinem Anzug geh&ouml;rte, und ohne die er eben so leicht erschienen
+w&auml;re, wie ohne die Hosen oder die Weste. Nur der alte Filzhut schien
+zum Staat an der Bambuswand zu h&auml;ngen, und obgleich er ihn regelm&auml;&szlig;ig
+abwischte, den Staub davon zu entfernen, erinnerte sich noch Niemand
+ihn je darunter gesehen zu haben. Bei Murphy waren die Kleidungsst&uuml;cke
+alle in der Mitte, an Kopf und Beinen ging er barfu&szlig;.</p>
+
+<p>Murphy war Schuhmacher, aber nat&uuml;rlich nur<span class='pagenum'> <a name="Page_266" id="Page_266">[266]</a></span> f&uuml;r Europ&auml;er, denen er
+altes Schuhwerk ausbesserte oder, wenn sie ihm das Leder dazu
+lieferten, auch Neues fertigte, und wenn die Missionaire ihn und seine
+Begleiterin schon gewi&szlig; lange, des unerlaubten Verkaufs spirituoser
+Getr&auml;nke wegen, weiter geschickt, es wenigstens nicht so unter ihren
+Augen geduldet h&auml;tten, so erwies sich der kleine ein&auml;ugige Irl&auml;nder
+doch auch wieder so n&uuml;tzlich, ja manchmal sogar unentbehrlich in
+<span class="g">dieser</span> Hinsicht, da&szlig; sie das andere Auge zudr&uuml;ckten und ihn lieber
+duldeten als sich in den Fall gesetzt sehen wollten ihre Kundschaft
+einem dort k&uuml;rzlich hingezogenen <span class="g">katholischen</span> Schuhmacher zuzuwenden.
+Murphy f&uuml;hlte auch eine gewisse Verehrung f&uuml;r diese M&auml;nner, die ihm,
+weniger vielleicht durch ihr sonstiges Wesen und ihre Predigten, als
+durch ihre fabelhafte Kenntni&szlig; der Bibel imponirten, und bediente sie
+stets auf das prompteste. Da aber geschah es &mdash; wie &uuml;berhaupt bei
+vielen anderen Gelegenheiten &mdash; wo er mit M&uuml;tterchen Tot auf das
+b&ouml;sartigste zusammenkam, denn wenn sie irgend etwas ha&szlig;te auf der
+Welt, so war es, ihren eigenen Worten nach, ein &raquo;schwarzr&ouml;ckiger
+Missionair&laquo;. Oeffentlich durfte sie aber freilich Nichts gegen sie
+unternehmen, als h&ouml;chstens schimpfen wenn sie sich unter ihren
+Freunden befand, aber heimlich lie&szlig; sie auch daf&uuml;r keine Gelegenheit
+verstreichen ihnen irgend einen<span class='pagenum'> <a name="Page_267" id="Page_267">[267]</a></span> Schabernak zu spielen, und die
+zerbrochenen Brandyflaschen welche die frommen M&auml;nner nicht selten
+Morgens in ihrem Garten fanden, waren Kleinigkeit gegen die scharfen
+Zwecken die sie ihnen sicher irgendwo in die Sohlen trieb, wenn Murphy
+nur die Augen von einem fertigen Schuh verwandte. Nur der alleinige
+Mangel an Concurrenz war im Stande gewesen, dem kleinen Iren die
+Kundschaft bis jetzt zu erhalten.</p>
+
+<p>M&uuml;tterchen Tot's Hauptgesch&auml;ft war eigentlich der <span class="g">verbotene</span>
+Brandyverkauf an die Indianer, den sie, trotz Consuln und
+Missionairen, trotz Spioniren und Wachen der &raquo;Kirchenvorst&auml;nde&laquo; in
+vollem ununterbrochenen Gang zu halten wu&szlig;te, und dabei eine Menge
+Geld verdiente, von dem kein Mensch wu&szlig;te wohin es kam, und dessen
+Versteck aufzufinden selbst Murphys Scharfsinn bis jetzt entgangen
+war. Von den Indianern bekam sie nur theilweise baar Geld, das jene
+von den Europ&auml;ern f&uuml;r Produkte gel&ouml;st, aber sie nahm auch alles
+Andere, Cocosn&uuml;sse und Fr&uuml;chte, s&uuml;&szlig;e Kartoffeln, H&uuml;hner, Ferkel,
+Matten, Tapa, Cocos&ouml;l, Perlmutterschaalen, Perlen; was ihr gebracht
+wurde, es war einerlei, und sie wu&szlig;te es wieder zu den h&ouml;chsten
+Preisen an die Schiffe, von denen sie ihre Spirituosen bezog,
+abzusetzen. Auch zu dem Schmuggeln derselben hatte sie wieder ihre
+besonderen<span class='pagenum'> <a name="Page_268" id="Page_268">[268]</a></span> Leute, gro&szlig;entheils unter den Europ&auml;ern, und diese gerade
+waren wiederum mit ihre beste Kundschaft. Doch wir finden noch eine
+h&uuml;bsche Gesellschaft in &raquo;M&uuml;tterchen Tot's Hotel&laquo;, wie die Bambush&uuml;tte
+von ihren G&auml;sten sowohl wie ganz Papetee genannt wurde, versammelt,
+und die alte Dame selber in bester Laune, denn gerade heute war ihr
+wieder ein guter Wurf gelungen, und eine ganze Parthie neu
+eingef&uuml;hrten Rum und Brandys gl&uuml;cklich in ihrem &raquo;Versteck&laquo; geborgen
+worden, was sie auch wohl mit der klug benutzten politischen Aufregung
+zu danken hatte, die beide Partheien zu viel besch&auml;ftigte ihre
+Aufmerksamkeit so vollkommen dem sonst scharf genug bewachten Strande
+zuzuwenden.</p>
+
+<p>In der Mitte des Hauses stand auf einem leichten Bambusgestell eine
+ziemlich tiefe kleine eiserne Pfanne in der, aus dem fl&uuml;ssigen
+Cocosnu&szlig;&ouml;l heraus, ein riesiger Docht flammte; auf dem nackten Boden
+aber umher waren verschiedene kleine Feuer angemacht und mit faulem
+Holz oder feuchtem Laub beworfen, nur um Qualm zu erzeugen und die
+Abends ziemlich l&auml;stigen Mosquitos fern zu halten. In diesem Rauch,
+und bei dem ungewissen Licht des flackernden Dochts sa&szlig;en, oder
+kauerten vielmehr auf den niederen Sesseln, zehn oder zw&ouml;lf M&auml;nner,
+Wei&szlig;e und Indianer, mit drei oder vier Indianischen M&auml;d<span class='pagenum'> <a name="Page_269" id="Page_269">[269]</a></span>chen zwischen
+sich, in buntem Gemisch zusammen, w&auml;hrend im Kreis zwischen ihnen eine
+noch halb volle Flasche herumging, aus der sich Jeder, wenn er Bedarf
+f&uuml;hlte, die vor ihm stehende Cocosschale f&uuml;llte und die Flasche dann
+weiter schickte. Mrs. Tot sa&szlig; unfern davon, wieder in Murphys wei&szlig;en
+Rock eingekn&ouml;pft, auf einem ordentlichen Rohrstuhl, der sie den ganzen
+Kreis bequem &uuml;berschauen lie&szlig;, und Murphy selber lehnte in seinem
+gew&ouml;hnlichen Winkel, wo er ein besonderes Licht in einer
+Cocosnu&szlig;schale brennen hatte, dr&uuml;ckte den Kopf an die Wand und schlief &mdash; in wiefern das Schlaf genannt werden konnte, wenn sich Jemand mit
+geschlossenen Augen, nur blindlings, aber ununterbrochen, der auf ihn
+einst&uuml;rmenden Mosquitos zu erwehren suchte.</p>
+
+<p>Die Unterhaltung war indessen lebendig genug gef&uuml;hrt worden, hatte
+aber meist gleichg&uuml;ltigen Gegenst&auml;nden gegolten, in die die M&auml;dchen
+hinein lachten und tollten, den M&auml;nnern die Flasche wegnahmen und sie
+versteckten, und sogar Murphy in seiner Ecke mit einer Feder unter der
+Nase kitzelten, was ihn zwang entsetzliche Gesichter zu schneiden und
+mit den H&auml;nden, zu ihrem unbeschreiblichen Erg&ouml;tzen, rasch und heftig
+nach dem angegriffenen Theil zu fahren. Sie blieben dabei immer &raquo;zu
+windw&auml;rts von ihm&laquo;, wie sie's in ihrer Sprache nannten, d. h. an<span class='pagenum'> <a name="Page_270" id="Page_270">[270]</a></span>
+seiner blinden Seite, an der sie am wenigsten eine rasche Entdeckung
+zu f&uuml;rchten hatten, und trieben es so arg mit ihm, bis er zuletzt,
+ohne jedoch seine listigen wie boshaften Qu&auml;lerinnen zu entdecken,
+munter wurde, sich die Augen (selbst das blinde dieser Operation
+unterwerfend) ausrieb, und mit einem halblaut gemurmelten Fluch auf
+die Mosquitos seine Lampe wieder ein wenig auffrischte, da&szlig; sie heller
+brannte.</p>
+
+<p>&raquo;Und Ihr, O'Flannagan, mein Juwel,&laquo; mischte sich jetzt die Alte
+hinein, die auf dem Stuhl zusammengekauert, die F&uuml;&szlig;e halb
+heraufgezogen und die zusammengeschlagenen Arme gegen die Knie
+gelehnt, dem Gespr&auml;ch theils behaglich zugeh&ouml;rt, theils das Kreisen
+der Flasche beobachtet, auch wohl einmal aufmerksam &uuml;ber den L&auml;rm
+hin&uuml;bergehorcht hatte, ob sie drau&szlig;en kein verd&auml;chtiges Ger&auml;usch
+vernehme &mdash; &raquo;Ihr wollt jetzt wieder eine Zeitlang auf der s&uuml;&szlig;en Insel
+bleiben? &mdash; segne Euere Augen Kind, Ihr h&auml;ttet zu keiner gelegneren
+Zeit her&uuml;ber kommen k&ouml;nnen, im ganzen gebenedeiten Kalenderjahr &mdash; la&szlig;t mir jetzt den Narren da dr&uuml;ben zufrieden, Ihr Dirnen, oder ich
+hetze ihn &uuml;ber Euch, g'rad wenn er aufwacht &mdash; Wespenzeug.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Hallo Mutter Tot ist heute Abend b&ouml;ser Laune,&laquo; rief Eine der M&auml;dchen
+trotzig &mdash; &raquo;sollen wohl ruhig<span class='pagenum'> <a name="Page_271" id="Page_271">[271]</a></span> hier sitzen im qualmigen Nest &mdash; ehrbar
+wie in der Predigt? Kommt Waihines, drau&szlig;en im Freien ist's besser,
+la&szlig;t sich die Schildkr&ouml;te am Feuer r&auml;uchern.&laquo; Und lachend, die Melodie
+ihres Tanzes tr&auml;llernd, zu dem sie mit den F&uuml;&szlig;en den Takt schlug,
+sprang sie, von den &uuml;brigen begleitet, denen der gr&ouml;&szlig;te Theil der
+Matrosen ebenfalls, theils fluchend theils lachend folgte, hinaus in's
+Freie.</p>
+
+<p>&raquo;Das glaub' ich, M&uuml;tterchen;&laquo; brummte inde&szlig; unser alter Bekannter vom
+Strande, ohne sich weiter um den L&auml;rm der Fortspringenden zu kehren,
+&raquo;nat&uuml;rlich, um gleich wieder die paar kaum verdienten Schillinge, und
+wer wei&szlig; was sonst noch, zu riskiren, Dir Deinen Wintervorrath an
+&raquo;Bergthau&laquo; einzulegen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Bah, Mann, es war keine Kunst den Branntwein an Land zu schaffen,&laquo;
+brummte aber die Alte kopfsch&uuml;ttelnd, &raquo;und das Geld die&szlig;mal mit S&uuml;nden
+verdient &mdash; kein Mensch schaute danach, und ich h&auml;tte ihn selber
+wollen im Canoe an Land und hier herauf bringen, wenn der Narr von
+einem Schuster da in der Ecke nur f&uuml;r irgend was anderes noch, als
+auseinandergegangenes Leder zu flicken, gut w&auml;re.&laquo;</p>
+
+<p>Murphy, der munter genug geworden war die letzten Worte wie ihre
+schmerzhafte Anspielung zu verstehen, knurrte nur etwas in den Bart,
+erwiederte aber Nichts, und fing sich an seine Pfeife zu stopfen,<span class='pagenum'> <a name="Page_272" id="Page_272">[272]</a></span> mit
+der er von da an langsam aber sicher der N&auml;he der Flasche zu
+arbeitete, vor allen Dingen einmal in Armes L&auml;nge von ihr zu kommen,
+und das Weitere dann seinem guten Gl&uuml;ck zu &uuml;berlassen, denn die Alte
+g&ouml;nnte ihm keinen Tropfen ihres Getr&auml;nks, da&szlig; sie als ihre
+Privatspeculation betrachtete, wenn er nicht eben so gut wie jeder
+Andere daf&uuml;r bezahlte.</p>
+
+<p>&raquo;Haha M&uuml;tterchen,&laquo; lachte aber sein Landsmann, ohne sich die M&uuml;he zu
+nehmen nach dem bezeichneten Individuum umzuschauen &mdash; &raquo;nun die Arbeit
+gethan ist wollt Ihr sie herunter setzen, ich sage Euch aber da&szlig; Ihr
+Euch bald die Zeit wieder herbeiw&uuml;nschen werdet wo sie Euch aufpassen
+bis unter Euer Mosquitonetz, denn wenn die Franzosen hier doch noch
+die Ueberhand kriegen, wird der Branntwein so billig wie der
+Limonensaft, und der Kanaka kann ihn am Strand trinken, im offenen
+Tageslicht.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wenn die Wi-Wis nur der Henker holen wollte,&laquo; knurrte die Alte, die
+heimlich diese Besorgni&szlig; schon lange theilte, &raquo;aber die Englischen
+&raquo;Eisenseiten&laquo; halten ihnen den Daumen auf's Auge, und ich werde ja den
+Tag noch erleben, wo wir sie hinaustreiben sehen aus der Bai, wie eine
+Schaar r&auml;udiger Hunde.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Puh,&laquo; lachte Einer der schon halb angetrunkenen Indianer, indem er
+von seinem Sitz hinunterrutschte, und sich, den Schemel unter den Kopf
+schie<span class='pagenum'> <a name="Page_273" id="Page_273">[273]</a></span>bend, lang ausstreckte und dehnte zwischen die Trinker &mdash; &raquo;puh,
+die Beretanis nehmen den Mund voll &mdash; sie sind lauter Worte und kein
+Brandy &mdash; morgen fr&uuml;h kein Schie&szlig;canoe mehr im Hafen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Unsinn, Du Saufaus,&laquo; schimpfte aber die Alte, einen m&uuml;rrischen Blick
+nach ihm hin&uuml;berwerfend, &raquo;was wei&szlig;t <span class="g">Du</span> von den Schie&szlig;canoes, da&szlig; Du
+Deine Zunge mit hineinh&auml;ngst wenn vern&uuml;nftige Leute reden.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Was ich von den Schie&szlig;canoes wei&szlig;?&laquo; lallte aber der Insulaner &mdash; &raquo;bin
+d'ran vorbeigefahren heut Abend &mdash; Toatiti ist nicht blind.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Der Bursche hat am Ende nicht so ganz Unrecht,&laquo; meinte O'Flannagan
+kopfsch&uuml;ttelnd &mdash; &raquo;der ehrw&uuml;rdige Mr. Pritchard mu&szlig; gar nicht so
+vortreffliche Nachrichten mitgebracht haben, sonst h&auml;tten seine
+Kameraden hier, schon einen ganz anderen L&auml;rm geschlagen, und
+best&auml;tigt sich jetzt das, da&szlig; die Engl&auml;nder segeln, dann haben wir
+auch in acht Tagen die Franzosen wieder &uuml;ber dem Hals. Ich wei&szlig; nur
+jetzt nicht recht was man sich w&uuml;nschen soll.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Da&szlig; sie Beide der Teufel hole!&laquo; knurrte die Alte m&uuml;rrisch in ihrem
+wunderlichen Dialekt, &raquo;Einer ist so sehr darauf versessen einer armen
+alten Frau das Bischen Lebensunterhalt zu entziehen, wie der Andere,
+und wo die Einen Alles verbieten, erlauben die Andern Alles &mdash; sie
+geben sich ordentlich die gr&ouml;&szlig;te<span class='pagenum'> <a name="Page_274" id="Page_274">[274]</a></span> M&uuml;he die Inseln nur so schnell wie
+m&ouml;glich zu ruiniren. Aber hab' ich die Wahl, will ich doch noch lieber
+die Franzosen als Herren wissen, denn Handel treiben die Missionaire
+auch, und wer von ihnen ungeschoren bleiben will, mu&szlig; ihnen dann ihre
+Kattune und Bibeln abkaufen f&uuml;r gutes Cocosnu&szlig;&ouml;l und
+Perlmutterschaale; anstatt solch Eigenthum hier ans&auml;ssigen Leuten zu
+g&ouml;nnen, klappert's in ihren eigenen Gelds&auml;cken weiter.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Oh la&szlig;t Euer nichtsnutziges Indianisches Gew&auml;sch, und redet da&szlig; es
+ein anderer ordentlicher Mensch auch verstehen kann,&laquo; rief aber hier
+Einer der Englischen Matrosen, der Zimmermann der <span class="f">Kitty Clover</span>
+dazwischen, der mit der gr&ouml;&szlig;ten Aufmerksamkeit M&uuml;tterchen Tots Rede
+gefolgt war, und um's Leben nicht herausbekommen konnte was sie
+eigentlich gesprochen &mdash; &raquo;wer ist todt und wo brennt's?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;La&szlig;t's gut sein, M&uuml;tterchen,&laquo; beschwichtigte diese O'Flannagan, des
+Engl&auml;nders Einrede jedoch soweit beachtend, da&szlig; er in seiner
+Muttersprache die Unterhaltung weiter f&uuml;hrte, &raquo;durch ihr Verbot des
+Brandy wiegen sie das Alles wieder auf, und Ihr bleibt noch immer in
+ihrer Schuld. &mdash; Wie viel rechnet Ihr etwa, da&szlig; Ihr j&auml;hrlich an
+heimlichem Grogverkauf verdient?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Z&auml;hlt einer armen Wittwe die Bissen die sie<span class='pagenum'> <a name="Page_275" id="Page_275">[275]</a></span> in den Mund steckt,
+heh?&laquo; fuhr ihn aber die Alte an &mdash; &raquo;da&szlig; ich zu leben habe an
+Brodfrucht und Cocoswasser ist's eben genug, g&ouml;nnt Ihr mir das etwa
+auch nicht? &mdash; Ihr verdient in einer Nacht mehr durch mich, wie ich
+durch Euch das ganze Jahr.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Haha M&uuml;tterchen,&laquo; lachte aber der Ire &mdash; &raquo;Ihr lernt das Prahlen wohl
+von den Franzosen, und dabei riskirt Ihr ohnedie&szlig; auch nicht Euere
+Haut, und sitzt wohl und sicher hier in Euerem behaglichen Haus,
+w&auml;hrend sie unsereinem, wenn sie ihn fa&szlig;ten, vielleicht kurzen Proce&szlig;
+machten, statt aller Weitl&auml;ufigkeit.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Bah, was riskirt <span class="g">Ihr</span>,&laquo; brummte die Alte ver&auml;chtlich &mdash; &raquo;da&szlig; sie Euch
+einstecken f&uuml;r ein paar Wochen, oder von der Insel verweisen dann
+schifft Ihr Euch in Papetee ein, und steigt in Papara wieder an Land &mdash; es ist ordentlich erstaunlich, da&szlig; Ihr es unter den Umst&auml;nden
+wirklich wagt, einmal nach Dunkelwerden noch eine halbe Stunde f&uuml;r
+funfzig schwere silberne Dollar zu arbeiten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ihr redet wie Ihr's versteht,&laquo; brummte Jim finster in den Bart &mdash; &raquo;und ich habe auch gerade keine besondere Lust Euch das Ganze hier
+weitl&auml;ufig aus einander zu setzen; soviel aber kann ich Euch
+versichern, ich wollte lieber zehntausendmal mit Eueren glattrasirten
+Methodisten zusammenrennen, wie mit<span class='pagenum'> <a name="Page_276" id="Page_276">[276]</a></span> den gro&szlig;m&auml;uligen Burschen, den
+Franzosen, und &mdash; habe dazu meine ganz absonderlichen Gr&uuml;nde, die eben
+Niemand weiter etwas angehen, wie mich selber. Wenn das &uuml;brigens wahr
+wird, was Taotiti da vermuthet, und die Engl&auml;nder hier wieder klar
+Fahrwasser machen, in das die Franzm&auml;nner nachher mit fliegenden
+Fahnen einziehen, dann wei&szlig; meiner Mutter Sohn was er zu thun hat, und
+jede andere Insel ist dann f&uuml;r mich bequemer wie Tahiti &mdash; Ihr k&ouml;nnt
+mir vielleicht eine Empfehlung nach Neu-Seeland mitgeben M&uuml;tterchen,
+wie?&laquo;</p>
+
+<p>Murphy verzog bei diesen Worten das Gesicht zu einem breiten Grinsen,
+M&uuml;tterchen Tot wurde aber b&ouml;se, und begann eben mit einer vollen
+Ladung Schimpfw&ouml;rter gegen den heimlichen, aber desto boshafteren
+Angriff des Iren, als drau&szlig;en ein leises Pfeifen geh&ouml;rt wurde, und
+Mrs. Tot sowohl, wie Jim alles Andere in dem einen Gef&uuml;hl gr&ouml;&szlig;ter
+Wachsamkeit verga&szlig;en.</p>
+
+<p>&raquo;Hallo was ist das,&laquo; sagte Jim, stand auf von seinem Sitz, und zog
+sich langsam nach einem entlegeneren Theil der H&uuml;tte hin, w&auml;hrend
+Toatiti die gerade vor ihm stehende Flasche zust&ouml;pselte, und unter
+sich schob, von wo sie Murphy, der jetzt recht gut den passendsten
+Zeitpunkt wu&szlig;te, eben so rasch wieder<span class='pagenum'> <a name="Page_277" id="Page_277">[277]</a></span> entfernte, und damit auf seinen
+Platz zur&uuml;ckglitt &mdash; &raquo;da kommt Jemand.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das war To-to's Zeichen,&laquo; fl&uuml;sterte die Alte, vorsichtig die Hand vor
+die Flamme haltend, dar&uuml;ber hinwegschauen und den gleich erkennen zu
+k&ouml;nnen der ihre H&uuml;tte noch zu dieser sp&auml;ten Stunde betreten w&uuml;rde &mdash; &raquo;Toatiti, wahr' Deine Flasche.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wahr meine Flasche?&laquo; knurrte der Indianer, auf dem Platz herumf&uuml;hlend
+wo er sie verborgen &mdash; &raquo;das haben Andere gethan &mdash; Oro's Zorn &uuml;ber
+sie.&laquo;</p>
+
+<p>In diesem Augenblick &ouml;ffnete sich aber die niedere Bambusth&uuml;r, und von
+dem auf Wacht drau&szlig;en postirten Insulaner dicht gefolgt, betrat, den
+Hut tief in die Augen gedr&uuml;ckt, ein Matrose den inneren Raum, blieb in
+der Th&uuml;re stehen, sich erst zu orientiren in was f&uuml;r Gesellschaft er
+eigentlich kam, und schritt dann, wie mit einem Blick um sich her
+vollkommen zufriedengestellt, zur Flamme. Hier warf er den Hut ab,
+setzte sich auf einen der leeren Schemel nieder, und fing an seine
+Thonpfeife so ruhig zu stopfen, als ob er von klein auf hierher geh&ouml;rt
+h&auml;tte, und gar nicht beabsichtigte je wieder einen so angenehmen Platz
+zu verlassen.</p>
+
+<p>Niemand in der H&uuml;tte war &uuml;brigens mit gr&ouml;&szlig;erem Erstaunen diesen
+Bewegungen des Besuchs &mdash; der f&uuml;r ihn kein fremder schien &mdash; gefolgt,
+als Mr.<span class='pagenum'> <a name="Page_278" id="Page_278">[278]</a></span> O'Flannagan, der in dem sp&auml;ten Wanderer mit einer keineswegs
+freudigen Ueberraschung seinen fr&uuml;heren alten Spie&szlig;gesellen, Jack, von
+der <span class="f">Jeanne d'Arc,</span> erkannte, und sich dabei recht gut bewu&szlig;t war, da&szlig;
+er ihn halb und halb selber eingeladen, an Land zu kommen.</p>
+
+<p>&raquo;Well Jim,&laquo; begann dieser w&uuml;rdige Mann, nachdem er sich die Pfeife
+angebrannt, w&auml;hrend die Anderen ihm schweigend, und durch seine
+Kaltbl&uuml;tigkeit wirklich &uuml;berrascht, zuschauten &mdash; &raquo;wie geht's heut'
+Abend, was stehst Du denn dahinten in der Ecke? &mdash; habt Ihr Nichts zu
+trinken hier?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Hol mich dieser und Jener&laquo; brummte aber Jim, der jetzt langsam
+vorkam, und seinen alten Platz wieder einnahm, &raquo;wenn das nicht Jack
+ist von der <span class="f">Jeanne,</span> nun mein Junge, hast Du den Platz hier wirklich
+aufgefunden, und wo willst Du hin?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Freundlicher Empfang das, bei Jingo,&laquo; lachte Jack &mdash; &raquo;hallo Mate da
+dr&uuml;ben, wenn Du mit der Flasche fertig bist, lang' sie mir einmal
+her&uuml;ber.&laquo;</p>
+
+<p>Die Anrede galt Murphy, der sich in diesem Augenblick unbeobachtet
+genug geglaubt, einen heimlichen Angriff auf die erbeutete Flasche
+wagen zu d&uuml;rfen, und jetzt erschreckt absetzte und eine fast
+unwillk&uuml;rliche Bewegung machte das <span class="f">corpus delicti</span> rasch wieder, und
+bis zu geeigneterer Zeit zu verbergen,<span class='pagenum'> <a name="Page_279" id="Page_279">[279]</a></span> Toatiti war aber indessen auch
+aufmerksam geworden, und in die H&ouml;h springend und mit dem Rufe:
+&raquo;Hallo, wei&szlig;er Mann &mdash; hat meine Flasche,&laquo; holte er sich sein
+Eigenthum wieder, mit dem er jedoch die gef&auml;hrliche Nachbarschaft des
+neugekommenen Fremden ebenfalls mied, und sich seinen Platz am anderen
+Ende der H&uuml;tte suchte. Jim reichte Jack indessen eine andere Flasche
+hin&uuml;ber.</p>
+
+<p>&raquo;Und wer seid <span class="g">Ihr</span>, wenn man fragen darf, mein feiner Herr?&laquo; sagte aber
+jetzt M&uuml;tterchen Tot, mit noch immer etwas vorsichtig ged&auml;mpfter
+Stimme, als ob sie nicht recht traue da&szlig; nicht vielleicht noch eine
+andere Gesellschaft drau&szlig;en an der H&uuml;tte stehen k&ouml;nne &mdash; &raquo;Ihr kommt
+hier gerade so breitbeinig herein, als ob Ihr mit zum Haus geh&ouml;rtet,
+und m&uuml;&szlig;t doch wissen da&szlig; ich, den streng gehaltenen Gesetzen der Insel
+nach, keinen Fremden &uuml;ber Nacht bei mir beherbergen darf, selbst wenn
+ich ihn kenne, was bei Euch aber nicht einmal der Fall ist.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wer ich bin? &mdash; hm, Jim da dr&uuml;ben wird Euch das am besten erz&auml;hlen
+k&ouml;nnen, wenn er sonst Lust dazu hat,&laquo; lachte der Matrose, zum ersten
+Mal wieder absetzend mit der Flasche, und sich das Na&szlig; aus dem Bart
+streichend.</p>
+
+<p>&raquo;Aber wo kommst Du noch her so sp&auml;t in der Nacht,&laquo; frug jetzt Jim
+selber, &raquo;und wie in der Welt<span class='pagenum'> <a name="Page_280" id="Page_280">[280]</a></span> hast Du den schmalen Pfad durch die
+Guiaven verfolgen k&ouml;nnen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Verdammt wenig hab' ich &uuml;berhaupt von einem Pfad gesp&uuml;rt,&laquo; lachte der
+Seemann, &raquo;nein Kamerad, einen nichtsw&uuml;rdigen Kreuzzug habe ich durch
+das niedertr&auml;chtige Buschwerk hier gemacht nach allen Strichen und
+Himmelsgegenden zu, und bin auf und ab lavirt, bis ich mich eben
+bereit machte die Nacht unter Gottes freiem Himmel zuzubringen, als
+ich noch zum guten Gl&uuml;ck Euer freundliches Licht durch die B&uuml;sche
+schimmern sah, und nun vor dem Wind Cours halten konnte, bis ich das
+leise Pfeifen des Burschen da h&ouml;rte, der mich noch immer so verst&ouml;rt
+und mi&szlig;trauisch ansieht, als ob ich ihm alle Augenblicke wieder davon
+laufen wolle. Hab' keine Angst, mein Junge, der Brandy ist
+vortrefflich, und hier sucht mich doch kein Teufel, wenigstens nicht
+bis es Tag wird, und man sich nicht mehr in den stachlichen
+Orangengeb&uuml;schen die Fetzen vom Leib, ja die Haut von den Knochen
+rei&szlig;t.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du bist desertirt?&laquo; frug O'Flannagan rasch.</p>
+
+<p>&raquo;Desertirt?&laquo; schrie die Alte, von ihrem Sitz aufspringend &mdash; &raquo;und
+halt' ich ein Versteck hier, f&uuml;r entlaufene Matrosen? was wollt Ihr da
+hier? &mdash; weshalb seid Ihr <span class="g">hier</span>hergekommen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Pst, pst Alte,&laquo; suchte sie Jack aber wieder zu<span class='pagenum'> <a name="Page_281" id="Page_281">[281]</a></span> beruhigen, und die
+Flasche vorher noch einmal gegen das Licht haltend, that er einen
+zweiten Zug, der eben nicht viel f&uuml;r einen dritten &uuml;brig lie&szlig; &mdash; &raquo;nur
+nicht solchen L&auml;rm einer Kleinigkeit wegen; das haben bessere M&auml;nner
+vor mir gethan &mdash; Wetter noch einmal, der Brandy ist famos, und ich
+wollte die Flasche hier h&auml;tte eine Schwester.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber sie haben Dich noch nicht vermi&szlig;t?&laquo; sagte Jim, ihn &uuml;ber das
+Licht aufmerksam betrachtend, &raquo;denn ich will doch nicht hoffen da&szlig; Du
+eben, von den Sp&uuml;rhunden gehetzt, hier nur so zu Bau gekrochen bist.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Der Vergleich k&ouml;nnte passen,&laquo; schmunzelte Jack, wie mit sich selber
+zufrieden; &raquo;erst mit Dunkelwerden haben sie meine Spur in den Guiaven
+verloren, und ich kann's ihnen nicht &uuml;bel nehmen, denn ich wu&szlig;te
+selber nicht mehr wo ich war &mdash; wie sollten sie's.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Da haben wir's!&laquo; rief aber die Alte in Zorn und Grimm mit der rechten
+Faust in ihre linke offene Hand schlagend; &raquo;wegen dem fortgelaufenen
+Lump soll ich mir hier das Dach &uuml;ber dem Kopf niederrei&szlig;en und mich
+wieder hinaus in alle Welt jagen lassen? weiter fehlte mir Nichts &mdash; hinaus mit Dir mein Bursche, hinaus so schnell Du gekommen bist, oder
+ich lasse Dich binden und knebeln und selber wieder auf Dein Schiff
+zur&uuml;ckliefern, wohin Du ge<span class='pagenum'> <a name="Page_282" id="Page_282">[282]</a></span>h&ouml;rst, und das Du im Leben nicht h&auml;ttest
+verlassen sollen.</p>
+
+<p>&raquo;Herrliche Gastfreundschaft hier auf der Insel,&laquo; lachte Jack, ohne
+aber auch nur die mindeste Bewegung zu machen, als ob er dem Befehl
+Folge leisten wolle &mdash; &raquo;patriarchalische Freundschaft das, hol' mich
+der B&ouml;se &mdash; sie sagen's Einem doch erst ganz h&ouml;flich, ehe sie Einen
+wieder hinauswerfen. Nun Jim, wie ist's? &mdash; willst Du mich nicht
+lieber wieder an Bord zur&uuml;ckschicken lassen? &mdash; Du wei&szlig;t, <span class="g">ich</span> k&ouml;nnte
+nachher gar keine Geschichte erz&auml;hlen, Gott bewahre, nicht die
+mindeste.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Unsinn,&laquo; knurrte der Ire, &raquo;es w&auml;re mir verdammt egal was Du, einmal
+erst wieder an Bord, erz&auml;hlen oder erfinden k&ouml;nntest &mdash; na, ich wei&szlig;
+schon was Du sagen willst; die Alte hat aber in einer Hinsicht recht,
+<span class="g">hier</span> kannst Du nicht bleiben, und <span class="g">ich</span> auch nicht, wenn sie Dich
+wirklich bis an die Guiaven verfolgt haben, denn dann st&ouml;bern sie
+auch, von ein oder dem andern <span class="g">frommen</span> Indianer gef&uuml;hrt, die dabei ein
+gutes Werk zu thun glauben, diese H&uuml;tte noch vor Tagesanbruch auf, und
+k&ouml;nnten uns dabei im besten Schlaf erwischen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Hol sie der Teufel!&laquo; rief Jack finster &mdash; &raquo;sie m&ouml;gen thun was sie
+nicht lassen k&ouml;nnen, aber meiner Mutter Sohn geht heute Nacht nicht
+wieder allein<span class='pagenum'> <a name="Page_283" id="Page_283">[283]</a></span> in die Guiaven hinaus, und wenn ich die ganze
+Mannschaft der <span class="f">Jeanne d'Arc</span> hinter mir w&uuml;&szlig;te. &mdash; Wenn Ihr mich aus dem
+Weg haben wollt, versteckt mich hier irgendwo, ich bin m&uuml;de wie ein
+gehetzter Wolf und will schlafen; kommen die Monsieurs nachher
+wirklich noch hierher, was ich aber doch stark bezweifeln m&ouml;chte, so
+kann sie die alte w&uuml;rdige Dame da, mit dem allerliebsten Hut auf und
+dem gewi&szlig; h&ouml;chst modernen Anzug, leicht genug auf eine falsche F&auml;hrte
+bringen &mdash; so, jetzt wi&szlig;t Ihr das Kurze und Lange davon.&laquo;</p>
+
+<p>M&uuml;tterchen Tot, der vielleicht in ihrer ganzen jahrzehnte langen
+Praxis ein solches Beispiel von keckem Trotz, <span class="g">ihr</span> gegen&uuml;ber noch nicht
+vorgekommen war, stand im ersten Augenblick wirklich starr vor
+Ueberraschung &mdash; jedenfalls sprachlos, dann aber war sie eben im
+Begriff wie Gottes Zorn &uuml;ber den Unversch&auml;mten hereinzubrechen, der
+ihr hier in ihrer eigenen H&uuml;tte zu trotzen, ja sie zu verh&ouml;hnen wagte,
+als Jim dazwischen trat, und sie zur&uuml;ckhaltend den Arm des Matrosen
+fa&szlig;te und diesen bei Seite zog.</p>
+
+<p>&raquo;Was <span class="g">will</span> der Mensch hier?&laquo; kreischte jetzt aber das gereizte Weib mit
+lauter, gellender Stimme, ziemlich unbek&uuml;mmert wie es schien, wie viel
+Specktakel sie mache &mdash; &raquo;was thut er hier, was sucht er bei mir, da&szlig;
+er &mdash; &laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_284" id="Page_284">[284]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Halt M&uuml;tterchen,&laquo; rief aber Jim rasch und heftig sie unterbrechend,
+und den Arm drohend gegen sie aufgehoben &mdash; &raquo;halt, oder Du schreist
+Dich selber um den Hals &mdash; der hier ist ein alter Kamerad von mir, und
+ich werde ihn nicht in der Patsche sitzen lassen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber hier in meinem Hause &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ruhig M&uuml;tterchen &mdash; hier im Haus soll und kann er auch nicht bleiben &mdash; Du brauchst Dir deshalb keine Sorge zu machen; und Du, Jack,&laquo;
+wandte sich Jim jetzt gegen diesen, der ziemlich geduldig das Ende der
+Unterhaltung zu erwarten schien &mdash; &raquo;Du stehst hier auf gef&auml;hrlicherem
+Boden als Du wahrscheinlich vermuthest, und je eher Du aus dem Schein
+dieses Lichts kommst, desto besser f&uuml;r Dich &mdash; vielleicht f&uuml;r uns alle
+Beide.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber wie zum Teufel <span class="g">kann</span> ich fort?&laquo; rief der Matrose &auml;rgerlich, &raquo;das
+Dickicht drau&szlig;en ist ordentlich zugewachsen, und mit dem Licht schon
+in Sicht, habe ich meinen Weg noch gewi&szlig; eine halbe Stunde f&ouml;rmlich
+durcharbeiten m&uuml;ssen, nur den Platz hier zu erreichen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Du sollst auch nicht allein gehen,&laquo; unterbrach ihn Jim, &raquo;denn wir
+m&uuml;ssen Dich eine ganze Strecke weit inland bringen, wenn Du es nicht
+lieber vorziehst in der N&auml;he vom Strand zu bleiben und mit<span class='pagenum'> <a name="Page_285" id="Page_285">[285]</a></span> erster
+Gelegenheit in einem Canoe nach irgend einer anderen Insel
+&uuml;berzusetzen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein nein &mdash; danke,&laquo; sagte Jack nach kurzem Ueberlegen &mdash; &raquo;drau&szlig;en in
+See ist langsames und unsicheres Fortkommen, und der Henker traue den
+verschiedenen Fregatten die jetzt im Ein- oder Auslaufen sind; sie
+k&ouml;nnten Einem jeden Augenblick &uuml;ber den Hals kommen, und &mdash; neugierig
+sind sie alle. Nein, ich will's jedenfalls erst einmal eine kurze Zeit
+hier in den Bergen versuchen &mdash; auf Salzwasser komme ich noch immer
+zeitig genug.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Gut, dann soll Dich Toatiti in die Berge bringen,&laquo; sagte Jim nach
+einigem Nachdenken, und zwar in Tahitischer Sprache, mehr zu dem
+Indianer selber, als zu Jack gewandt.</p>
+
+<p>&raquo;Toatiti wird sich h&uuml;ten,&laquo; knurrte aber dieser, seine Stellung
+beibehaltend und sich nur etwas mehr auf die Seite hin&uuml;berdrehend,
+&raquo;Toatiti liegt hier ausgezeichnet und ist sehr durstig.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Schwamm!&laquo; zischte der Ire zwischen den zusammengebissenen Z&auml;hnen
+durch, aber er wu&szlig;te auch da&szlig; mit den Insulanern, wenn sie einmal
+keine Lust hatten, Nichts zu machen war, weder in Gutem noch B&ouml;sen,
+und deshalb den anderen jungen Burschen zu sich winkend, fl&uuml;sterte er
+ihm etwas in's Ohr &mdash; irgend ein Versprechen, seine Faulheit zu
+beschw&ouml;ren,<span class='pagenum'> <a name="Page_286" id="Page_286">[286]</a></span> und mu&szlig;te ihm dabei so dringend zugeredet haben, da&szlig; er
+wirklich seine Tapa fester um sich her zog, die Haare aus dem Gesicht
+sch&uuml;ttelte und sich bereit zeigte den Wei&szlig;en &raquo;aus dem Weg&laquo; zu f&uuml;hren.</p>
+
+<p>Der Insulaner der S&uuml;dsee ist eigentlich nicht faul &mdash; wir haben
+wenigstens kein Recht f&uuml;r ihn, dem die Natur Alles gegeben was er
+braucht, wenn er nur die Hand danach ausstreckt, eine eben solche
+Th&auml;tigkeit zu verlangen, wie sie unser ganzes Klima, unser Boden,
+unser &uuml;berv&ouml;lkerter Staat schon zur Bedingung unserer Existenz
+gemacht, und uns also auch damit jedes Verdienst genommen hat, sie uns
+angeeignet zu haben &mdash; wir k&ouml;nnen einmal nicht ohne sie leben, und
+deshalb auch nicht mit ihr prahlen. Es w&uuml;rde ebenso wenig Einem
+unserer reichen Leute, unserer Rentiers und Capitalisten einfallen
+Holz zu hacken oder Stra&szlig;en zu bauen mit Schaufel und Spitzhacke &mdash; &raquo;wir brauchen es nicht&laquo; sagen sie achselzuckend, &raquo;daf&uuml;r haben wir
+unsere Leute.&laquo; Dasselbe sagt der Insulaner &mdash; &raquo;ich brauche es nicht&laquo;,
+oder wenn er's nicht sagt liegt es in jeder Muskel seines Gesichts, in
+jedem Nerv seines K&ouml;rpers. Der Brodfruchtbaum ern&auml;hrt ihn, und tausend
+andere Fruchtb&auml;ume sch&uuml;tteln ihm selber das luxuri&ouml;seste Mahl auf den
+Boden nieder; nur die Kleidung wurde fr&uuml;her von den Frauen und M&auml;dchen
+aus der Rinde gewisser<span class='pagenum'> <a name="Page_287" id="Page_287">[287]</a></span> B&auml;ume herausgeschlagen, und dieser einzig
+n&ouml;thigen Besch&auml;ftigung widmete wenigstens der weibliche Theil der
+Bev&ouml;lkerung einige Zeit; aber selbst das ist jetzt, sehr zum Schaden
+der Insulaner, durch die erst von den Missionairen und sp&auml;ter von
+anderen Europ&auml;ern eingef&uuml;hrten Cattune unn&ouml;thig gemacht und
+aufgehoben, und die Missionaire selber verkauften ihnen die
+Europ&auml;ischen Stoffe, die ihnen durch ihre bunten Farben gefielen, um
+einen Tauschartikel zu haben, f&uuml;r den sie ihren eigenen
+Lebensunterhalt, wie anderes was sie zur Bequemlichkeit ihrer Existenz
+gebrauchten, bekommen konnten. Den Frauen wurde damit die letzte
+n&uuml;tzliche Besch&auml;ftigung genommen, und Bibellesen, das ihnen daf&uuml;r
+Ersatz geben sollte, konnte sie nat&uuml;rlich nur so lange fesseln, als es
+eben den Reiz der Neuheit f&uuml;r sie hatte. Was k&uuml;mmerten sie die Sagen
+eines Volks von dem sie nicht einmal einen Begriff hatten wo und wann
+es existirt, und jetzt gerade, wo das Glauben an die Wunder ihrer
+eigenen G&ouml;tter durch die fremden M&auml;nner ersch&uuml;ttert, ja &uuml;ber den
+Haufen geworfen worden, sollten sie da gleich gl&auml;ubig und
+vertrauungsvoll zu noch viel wunderbareren Sachen aufschauen? &mdash;</p>
+
+<p>Ach was &mdash; die Sonne reifte ihre Fr&uuml;chte noch wie je &mdash; im Schatten
+ihrer wundervollen W&auml;lder ruhte sich's so k&uuml;hl wie sonst, und der
+Zukunft<span class='pagenum'> <a name="Page_288" id="Page_288">[288]</a></span> <span class="g">tr&auml;umte</span> es sich viel eher, wenigstens viel leichter entgegen,
+als da&szlig; sie die Hand h&auml;tten &raquo;an den Pflug&laquo; legen sollen, wie es die
+Missionaire fortw&auml;hrend von ihnen verlangten. Wer etwas von ihnen
+haben wollte mu&szlig;te es gut bezahlen &mdash; dann thaten sie es vielleicht;
+aber gezwungen wollten sie noch immer nicht dazu werden.</p>
+
+<p>&raquo;Und wo f&uuml;hrt er mich hin?&laquo; sagte Jack mit einem leisen Anflug von
+Mi&szlig;trauen als er sah, wie sich der Indianer fertig machte ihn zu
+begleiten, &raquo;hab ich weit zu gehen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Zu einem Haus in den Bergen,&laquo; erwiederte Jim, ihm die Worte leise
+zufl&uuml;sternd &mdash; &raquo;selbst M&uuml;tterchen Tot braucht den Ort nicht zu wissen,
+obgleich sie Keinen verrathen w&uuml;rde, von dem sie nicht selber gleichen
+Liebesdienst f&uuml;rchten m&uuml;&szlig;te &mdash; der Platz liegt kaum eine halbe Meile
+von hier entfernt, aber sicher versteckt, und ist wenigstens nicht,
+wie der hier, als heimlicher Schlupfwinkel entlaufener Matrosen in
+ganz Papetee, ja auf der ganzen Insel, ber&uuml;chtigt &mdash; bist Du fertig?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Brauch' ich etwa andere Vorbereitungen,&laquo; lachte Jack, &raquo;als meine
+Jacke wieder zuzukn&ouml;pfen? &mdash; aber die Flasche hier nehme ich mit, es
+ist immer noch ein Tropfen darin, und der Nebel liegt dicht auf den
+Bergen. Und nun ade, M&uuml;tterchen, und vergelt'<span class='pagenum'> <a name="Page_289" id="Page_289">[289]</a></span> Dir Gott die
+freundliche Bewirthung &mdash; bis <span class="g">ich's</span> vielleicht einmal im Stande bin.
+Und Du, Kamerad?&laquo; wandte er sich pl&ouml;tzlich noch gegen den Mann von der
+<span class="f">Kitty Clover</span>, der die ganze Zeit, seit Jack die H&uuml;tte betreten, keine
+Sylbe gesprochen, und den fremden Gesellen nur manchmal, wenn das
+unbemerkt geschehen konnte, unter seinem Hutrand vor beobachtet hatte,
+&raquo;hast Du nicht vielleicht Lust einen Abendspatziergang mitzumachen? &mdash; s'ist verdammt langweilige Arbeit so allein mit einer Rothhaut drau&szlig;en
+in den B&uuml;schen herumzukriechen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Danke,&laquo; brummte aber der Matrose ohne aufzusehen &mdash; &raquo;befinde mich
+g'rade hier wohl wo ich bin.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Auch gut,&laquo; brummte der Andere finster &mdash; &raquo;besser keine Gesellschaft
+wie schlechte,&laquo; und mit einem kurzen Gru&szlig; nach Jim hin&uuml;ber, winkte er
+seinem F&uuml;hrer und verlie&szlig; rasch und m&uuml;rrisch das Haus.</p>
+
+<p>Nicht ein Wort wurde gesprochen, als sich die leichte Bambusth&uuml;r
+wieder hinter den Beiden schlo&szlig;, und die Zur&uuml;ckbleibenden horchten
+viele Minuten lang lautlos und aufmerksam den, bald in der Ferne
+verhallenden Schritten. Der Mann von der <span class="f">Kitty Clover</span>, Bob mit Namen,
+brach zuerst das Schweigen wieder, und sich mit finster
+zusammengezogenen Brauen den Hut aus der Stirn r&uuml;ckend brummte er,
+mehr mit sich selbst als zu den Anderen redend, und die<span class='pagenum'> <a name="Page_290" id="Page_290">[290]</a></span> letzten Worte
+des wunderlichen Burschen wiederholend, der hier so pl&ouml;tzlich zwischen
+ihnen aufgetaucht und verschwunden war:</p>
+
+<p>&raquo;Besser keine Gesellschaft wie schlechte? &mdash; Wetter Kamerad, Du
+w&uuml;rdest weit in der Welt herumsuchen m&uuml;ssen, wenn Du schlechtere
+finden wolltest wie Dein eigenes s&uuml;&szlig;es Ich.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Kennt Ihr ihn?&laquo; frug Jim rasch, sich zugleich nach dem Sprecher
+umdrehend.</p>
+
+<p>&raquo;Vielleicht nicht so gut wie Ihr,&laquo; lachte dieser trocken, &raquo;aber immer
+doch gut genug froh zu sein, da&szlig; ihm <span class="g">mein</span> Gesicht nicht gerade alte
+Scenen in's Ged&auml;chtni&szlig; zur&uuml;ckrief. Wir waren vor gar nicht so langen
+Jahren Schiffskameraden, ja Vortopg&auml;ste zusammen, und er wurde
+gepeitscht und sp&auml;ter in Ketten an Land geschafft, weil er das M. und
+D. nicht von einander zu unterscheiden wu&szlig;te.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Das M. und D.?&laquo; sagte Jim erstaunt.</p>
+
+<p>&raquo;Nun das Mein und Dein,&laquo; lachte der Wallfischf&auml;nger, &raquo;aber noch
+schlimmere Sachen wurden ihm zur Last gelegt, und ein halbes Wunder
+nur rettete ihn damals von der Raanocke &mdash; verdient hatte er sie schon
+zehnmal.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aufgepa&szlig;t!&laquo; fl&uuml;sterte da die Stimme der Alten rasch und vorsichtig
+dazwischen &mdash; &raquo;aufgepa&szlig;t, drau&szlig;en sind wieder Schritte die da nicht
+hingeh&ouml;ren <span class='pagenum'> <a name="Page_291" id="Page_291">[291]</a></span> &mdash; und der faule Gauch von einem Schuster kauert da
+wahrhaftig wieder hinter seiner dickleibigen Bibel und schmiert die
+Seiten voll Cocos&ouml;l &mdash; hinaus mit Dir, Menschenkind, wohin Du geh&ouml;rst,
+und da&szlig; doch der B&ouml;se mit Dir und dem Buch davonfl&ouml;ge.&laquo;</p>
+
+<p>Murphy schien allerdings vollst&auml;ndig ausgeschlafen zu haben, und hatte
+sich, da ihm die Flasche wieder abhanden gekommen, seinen
+alln&auml;chtlichen Tr&ouml;ster, die Bibel, vom Gesims geholt, &uuml;ber der er bei
+dem matten Licht der unsteten Flamme br&uuml;tete. M&uuml;tterchen Tot's
+Zornrede st&ouml;rte ihn nun allerdings etwas in dieser l&ouml;blichen
+Besch&auml;ftigung, aber theils &auml;rgerlich gemacht durch den Verlust des
+Brandy, theils durch die unerm&uuml;dlichen Angriffe der Mosquiten, derer
+er sich heute Abend kaum erwehren konnte, war ein sonst an ihm kaum
+denkbarer Geist, der Geist des Widerspruchs, in ihn gefahren, und
+m&uuml;rrisch &uuml;ber das Buch und das Licht wegsehend rief er mit seiner
+feinen, jetzt &auml;rgerlich erregten Stimme:</p>
+
+<p>&raquo;Ach zum Henker, ich habe drau&szlig;en Nichts zu suchen, und wenn man Einen
+wie einen Menschen behandelte, k&ouml;nnte man auch wie ein Mensch
+existiren. La&szlig; die aufpassen die sich vor was zu f&uuml;rchten haben;
+Murphy hat ein gutes Gewissen und sitzt hier lange gut.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nun <span class="g">das</span> hat mir noch gefehlt!&laquo; schrie M&uuml;t<span class='pagenum'> <a name="Page_292" id="Page_292">[292]</a></span>terchen Tot, von ihrem Sitz
+empor und auf den Rebellen zufahrend, der nur eben Zeit genug behielt
+das Gestell mit der Lampe zwischen sich und die Meg&auml;re zu bringen.
+M&uuml;tterchen Tot schien aber seine Taktik schon zu kennen, und mit einem
+Griff ihrer langen Arme um die Flamme herumgreifend erwischte sie das
+Buch, hob es mit beiden Armen auf und schleuderte es blitzesschnell
+und mit einem ingrimmigen Fluch nach dem Kopf des kleinen Schusters,
+der nur durch rasches Untertauchen dem nicht unbetr&auml;chtlichen Gewicht
+des Bandes entgehen konnte. &raquo;<span class="g">Da</span>,&laquo; schrie sie dabei, kirschroth vor
+Wuth &mdash; &raquo;da Du Lump, da nimm das und studier's, und nun hinaus mit
+Dir, oder so wahr da oben der Mond am Himmel steht, ich gie&szlig;e Dir das
+hei&szlig;e Cocos&ouml;l &uuml;ber den Leib, und br&uuml;he Dich wie ein unreines Schwein
+das Du bist &mdash; Du &mdash; Du Lederstecher Du.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Zum Teufel noch einmal, M&uuml;tterchen,&laquo; rief aber Jim jetzt dazwischen,
+der sich indessen ebenfalls zum Fortgehen bereit gemacht, und seine
+Jacke zugekn&ouml;pft, seinen Hut aufgesetzt hatte &mdash; &raquo;la&szlig;t den L&auml;rm hier,
+Ihr macht ja einen Skandal, da&szlig; die Hunde am Strand an zu bellen
+fangen. Mir wird's unheimlich hier drin, und ich suche mir lieber ein
+stilleres Quartier. Komm Kamerad, ich will Dich noch in gute
+Gesellschaft bringen, heut' Abend, und morgen fr&uuml;h<span class='pagenum'> <a name="Page_293" id="Page_293">[293]</a></span> dann &mdash; Teufel!&laquo;
+unterbrach er sich aber rasch und erschreckt, denn drau&szlig;en rasselten
+pl&ouml;tzlich, wie auf ein gegebenes Kommando, eine Anzahl Gewehrkolben
+auf den Boden, dicht an dem Eingang der H&uuml;tte nieder, und die Stimme
+eines Befehlenden in Franz&ouml;sischer Sprache wurde laut:</p>
+
+<p>&raquo;Zwei von Euch um das Haus herum, ob es noch einen anderen Eingang
+hat, und Ihr hier bleibt an der Th&uuml;r; was mit Gewalt hindurch will den
+sto&szlig;t Ihr nieder &mdash; Feuer auf jeden Fl&uuml;chtling.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Alle Wetter,&laquo; brummte Bob, jetzt ebenfalls aufspringend, und seine
+Segeltuch-Hosen nach Art der Seeleute in die H&ouml;he zerrend &mdash; &raquo;Jack ist
+ihnen zur rechten Zeit aus den Klauen gerutscht.&laquo;</p>
+
+<p>Es blieb ihm keine Zeit zu weiteren Bemerkungen, denn die Th&uuml;r wurde
+in diesem Augenblick aufgerissen, und sich b&uuml;ckend trat ein
+Franz&ouml;sischer See-Officier ein, dem eine Anzahl Marinesoldaten mit
+aufgepflanztem Bajonett folgten, und somit ein Verlassen der H&uuml;tte,
+die keine Fenster hatte, unm&ouml;glich machte.</p>
+
+<p>Der Officier, dessen Blick den inneren Raum, soweit das n&auml;mlich das
+ungewisse Licht der Cocosflamme erlaubte, &uuml;berflog, haftete zuerst auf
+Murphy selber der, sich wenig um die Patrouille oder Haussuchung
+k&uuml;mmernd, an die er durch eine lange Reihe von Jahren auch wohl schon
+gew&ouml;hnt sein mochte,<span class='pagenum'> <a name="Page_294" id="Page_294">[294]</a></span> nur rasch und best&uuml;rzt seine Bibel aufgegriffen
+hatte, und mit dem dicken Buch jetzt gar nicht schnell genug in seine
+H&uuml;lfskalebasse hineinfahren konnte.</p>
+
+<p>&raquo;Hallo Sir &mdash; was habt <span class="g">Ihr</span> da so Kostbares zu verstecken he?&laquo; rief er
+in Englischer Sprache, und ging langsam auf den kleinen Mann zu, der
+fast instinktartig das erst halb hineingezw&auml;ngte Buch bei Seite und in
+den Schatten dr&uuml;ckte, und nach einem angefangenen Schuh griff, als ob
+er mitten in der Nacht seine mit Dunkelwerden aufgegebene Arbeit
+wieder beginnen wolle.</p>
+
+<p>&raquo;Und seid Ihr hierhergekommen, Sirrah, unsere Taschen zu visitiren?&laquo;
+knurrte aber unwirsch der kleine Ire, der schon einen t&uuml;ckischen
+Seitenblick nach der ihm verha&szlig;ten Uniform warf, und seinen ganzen
+trotzk&ouml;pfigen Muth oder eher Widerspruchsgeist zur&uuml;ckbekommen hatte,
+als er fand da&szlig; der n&auml;chtliche Besuch <span class="g">nur</span> Soldaten und keine
+Missionaire waren, &raquo;wenn's <span class="g">mir</span> Vergn&uuml;gen macht, kann ich meine
+Kalebassen und Taschen so voll stopfen wie und mit was ich will &mdash; was
+geht's Euch an?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Langsam mein Bursche, langsam,&laquo; lachte der Officier, unser alter
+Bekannter Bertrand, durch die m&uuml;rrische Antwort keineswegs b&ouml;se
+gemacht &mdash; &raquo;wenn ich nachher neugierig werden sollte, wirst Du mir's
+doch noch zeigen m&uuml;ssen, jetzt aber vor allen Dingen<span class='pagenum'> <a name="Page_295" id="Page_295">[295]</a></span> wollen wir Deine
+Wohnung einmal etwas genauer besehen, ob wir nicht einen alten Freund
+und Schiffskameraden darin entdecken k&ouml;nnen, der sich wahrscheinlich
+von Bord verlaufen hat, und in der dunklen Nacht nicht wieder dorthin
+zur&uuml;ckfinden kann. Die Guiaven stehen gar zu dicht um Euer Haus &mdash; Ihr
+solltet sie ein wenig lichten.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wie ich merke stehen sie doch noch immer nicht dicht genug;&laquo; brummte
+Murphy halblaut vor sich hin, M&uuml;tterchen Tot nahm aber f&uuml;r ihn die
+Unterhaltung auf, und mit ihrer schrillen Stimme kreischte sie dem
+Officier entgegen:</p>
+
+<p>&raquo;<span class="g">Deine</span> Wohnung, <span class="g">Deine</span> Wohnung? wessen Wohnung habt Ihr hier anders als
+<span class="g">meine</span>? und glaubt Ihr da&szlig; der schmutzige Schuster da eine Wohnung f&uuml;r
+sich selber hat? &mdash; Ist das auch eine Manier einer armen
+alleinstehenden Frau bei Nacht und Nebel in's Haus zu fallen, und sie
+zu erschrecken, da&szlig; sie den Tod davon haben k&ouml;nnte? was wollt Ihr? wer
+seid Ihr? wen sucht Ihr? nun, habt Ihr die Sprache verloren da&szlig; Ihr
+dasteht wie von Gott verlassen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Alle Wetter,&laquo; lachte Bertrand, der sich erst jetzt von seinem Staunen
+&uuml;ber die wunderbare, vor ihm aufsteigende und von der Flamme
+phantastisch genug beschienene Gestalt erholen konnte &mdash; &raquo;das ist
+eine<span class='pagenum'> <a name="Page_296" id="Page_296">[296]</a></span> <span class="g">Dame</span>; bei Allem was da schwimmt, ich hatte keine Ahnung da&szlig; sich
+das sch&ouml;ne Geschlecht auch in solch alte Ueberr&ouml;cke zur&uuml;ckziehen
+k&ouml;nnte.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ach was <span class="g">sch&ouml;ne Geschlecht &mdash; Dame</span>,&laquo; knurrte die Meg&auml;re, &raquo;was wollt
+Ihr, wen sucht Ihr? und ein Bischen rasch, denn es ist Schlafenszeit,
+und ich m&ouml;chte meine Ruhe haben wie ich's verlangen kann.&laquo;</p>
+
+<p>Der Officier h&ouml;rte schon kaum mehr auf sie, sondern n&auml;her zum Licht
+tretend, und seine Augen mit der linken ausgestreckten Hand dagegen
+sch&uuml;tzend suchte er vor allen Dingen herauszubekommen, ob au&szlig;er den,
+neben der Lampe sitzenden Individuen noch Andere vielleicht in der
+H&uuml;tte befindlich, oder gar versteckt w&auml;ren, einer eben nur
+oberfl&auml;chlichen Untersuchung auf bequeme Art auszuweichen.</p>
+
+<p>Jim hatte erst wirklich, und wie er das erste Niedersto&szlig;en der
+Gewehrkolben h&ouml;rte, eine Bewegung gemacht, als ob er sich in den
+hinteren und dunkleren Theil der H&uuml;tte zur&uuml;ckziehen wolle, als aber
+sein scharfes Ohr auch dort drau&szlig;en Schritte h&ouml;rte, blieb er ruhig
+stehen und lie&szlig; sich dann sogar, als eben der Officier die H&uuml;tte
+betrat, wieder auf seinen alten Platz nieder, wo er, den Kopf in die
+H&auml;nde gest&uuml;tzt, und den breitr&auml;ndigen Wachstuchhut nur etwas tiefer in
+die Augen gezogen, ruhig sitzen blieb, und das<span class='pagenum'> <a name="Page_297" id="Page_297">[297]</a></span> Ganze mit vollkommen
+gutem Gewissen schien abwarten zu wollen. Nur der mi&szlig;trauische und
+finstere Blick, den er heimlich, unter dem Schatten seiner Hutkrempe
+vor, nach dem Officier hin&uuml;berscho&szlig;, wie die fest zusammengebissenen
+Z&auml;hne h&auml;tten k&ouml;nnen ahnen lassen, da&szlig; doch nicht Alles mit ihm so gut
+und richtig sei, und er vielleicht gegenw&auml;rtig lieber den von
+Mosquitos am meisten heimgesuchten Guiavensumpf, als gerade diesen
+behaglichen Platz auf dem er sich befand, inne haben m&ouml;chte.</p>
+
+<p>&raquo;Was oder wen ich suche, Madame?&laquo; wiederholte Bertrand langsam und
+fast wie mit sich selber redend &mdash; &raquo;hm, Jack scheint sich richtig aus
+dem Staub gemacht oder doch einen sichereren Platz aufgefunden zu
+haben. Ihr, da, zwei von Euch&laquo; wandte er sich dann in franz&ouml;sischer
+Sprache an die Soldaten, &raquo;sucht einmal an der Wand hin, ob Ihr nicht
+irgendwo noch Jemand entdeckt, und wenn so, bringt ihn her zum Licht;
+vielleicht k&ouml;nnen mir indessen diese beiden Burschen, die da so
+schweigsam sitzen, etwas n&auml;here Auskunft &uuml;ber den Gesuchten geben.
+Heda Gentlemen,&laquo; wandte er sich jetzt an die beiden Leute, von denen
+Bob nicht als Matrose zu verkennen war, w&auml;hrend selbst Jim einen
+ziemlich seem&auml;nnischen Anstrich hatte, und hier auf Tahiti, wo man
+kaum Leute anderen Berufs vermuthen konnte, recht gut f&uuml;r zu<span class='pagenum'> <a name="Page_298" id="Page_298">[298]</a></span>
+Salzwasser geh&ouml;rig gelten konnte &mdash; &raquo;ich suche einen entsprungenen
+Mann von der <span class="f">Jeanne d'Arc,</span> der auf den Namen Jack h&ouml;rt, und sonst ein
+so durchtriebener nichtsnutziger Schuft ist, wie nur je Einer
+Schuhleder zertreten oder das Deck eines Schiffes gewaschen hat. Kann
+mich Einer von Euch auf die Spur bringen?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Spur bringen?&laquo; brummte aber Bob dagegen &mdash; &raquo;wenn's auf See w&auml;re, aber
+hier an Land bin ich immer froh wenn ich das Ufer selber wiederfinde,
+mich nicht zwischen den verdammten B&auml;umen zu verlaufen &mdash; da m&uuml;&szlig;t Ihr
+Euch schon einen Anderen suchen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Aber hast Du den Burschen nicht irgendwo gesichtet, Kamerad?&laquo; frug
+der Officier wieder, der aus dem ganzen Wesen der Alten etwas
+Aehnliches fast vermuthen wollte. &raquo;Er hei&szlig;t Jack.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;So hei&szlig;en wir ziemlich Alle,&laquo; knurrte der Seemann &mdash; &raquo;wenn man Eines
+Namen nicht wei&szlig; auf Englischen Schiffen, nennt man ihn Jack &mdash; jeder
+Matrose ist eigentlich ein geborener Jack, und kriegt den anderen
+Namen, wie das Frauensvolk bei der Heirath, mit dem ersten
+Salzwasser-Grog ohne Zucker und Rum, den sie ihm &uuml;ber den Sch&auml;del
+gie&szlig;en.&laquo;</p>
+
+<p>Bertrand hatte, w&auml;hrend Bob sprach, zuerst Jim oberfl&auml;chlich
+betrachtet, und sich dann wieder in der<span class='pagenum'> <a name="Page_299" id="Page_299">[299]</a></span> H&uuml;tte umgesehen, in seiner
+Erinnerung wurden aber andere Bilder wach, und wieder und wieder
+kehrte sein Blick zu den halbbeschatteten Z&uuml;gen des Mannes zur&uuml;ck, der
+am Feuer mit zusammengezogenen Brauen sa&szlig; und jetzt anfing in seiner
+Tasche nach Tabak zu suchen, sich eine Pfeife zu stopfen.</p>
+
+<p>&raquo;Hallo Kamerad,&laquo; sagte er endlich, als die beiden Soldaten
+zur&uuml;ckgekommen waren und gemeldet hatten da&szlig; sich Niemand weiter in
+der H&uuml;tte befinde, &raquo;wo haben wir Beide denn schon einmal unser
+Fahrwasser gekreuzt? &mdash; Du bist ein Engl&auml;nder?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Wenigstens nicht weit davon,&laquo; brummte Jim, sich noch mehr in seine
+Pfeife vertiefend, und jetzt halb vom Lichte abgewandt &mdash; &raquo;habe aber
+nicht die Ehre &mdash; Menschen gleichen sich wie Bl&auml;tter und Eier &mdash; tragen Alle die Nase mitten im Gesichte.&laquo;</p>
+
+<p>Bertrand barg einen Augenblick die Augen in der Hand, wie um durch
+keine &auml;u&szlig;eren Eindr&uuml;cke sein Ged&auml;chtni&szlig; zu beirren &mdash; ein
+thatenreiches Leben flog ihm in wirren Bildern vor dem inneren Geist
+vor&uuml;ber; aber zu viel der Scenen, zu viel der Gestalten wechselten und
+schwammen da durcheinander, als ihm so rasch zu gestatten da&szlig; er sich
+den einen, verlangten herausgriffe aus der Masse, und nur den Kopf
+sch&uuml;ttelnd, schritt er mit verschr&auml;nkten Armen ein paar Mal auf und ab
+in der H&uuml;tte, ohne, wie<span class='pagenum'> <a name="Page_300" id="Page_300">[300]</a></span> es schien, auf die Inwohner viel zu achten,
+ja fast vergessend, weshalb er eigentlich hierhergekommen.</p>
+
+<p>Jim war dabei diese h&ouml;chst unn&ouml;thige Aufmerksamkeit, die der Officier,
+den er selber recht gut wiedererkannte, auf ihn wandte, nichts weniger
+als angenehm, und er fing an sich eben nicht mehr so sicher auf seinem
+Platz zu f&uuml;hlen. Er stand langsam auf und zog sich dem Hintergrund der
+H&uuml;tte zu.</p>
+
+<p>Bertrand stampfte ungeduldig mit dem Fu&szlig;.</p>
+
+<p>&raquo;Wei&szlig; der Teufel,&laquo; murmelte er dabei leise vor sich hin, &raquo;wo mir die
+Galgenphysionomie schon einmal vorgekommen, aber nichts Unbedeutendes
+war's das ist sicher &mdash; nun vielleicht f&auml;llt's mir wieder ein &mdash; ha &mdash; &laquo; sagte er, emporsehend, als er den Seemann nicht mehr auf seinem
+Sitz erblickte &mdash; &raquo;ah, der Herr schl&auml;ft wohl hier, und will sich sein
+Lager zurechtmachen? &mdash; habt Ihr Erlaubni&szlig; an Lande zu bleiben, und
+auf welches Schiff geh&ouml;rt Ihr?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ich geh&ouml;re auf gar kein's,&laquo; entgegnete Jim finster aus dem Halbdunkel
+der H&uuml;tte vor &mdash; &raquo;die Insel hier ist meine Heimath, und ich werde
+d'rauf schlafen k&ouml;nnen, denk' ich.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und Du, mein Bursche, auf welches Schiff geh&ouml;rst Du?&laquo; wandte er sich
+jetzt zu Bob &mdash; &raquo;oder rechnest Du Dich etwa auch zu den Eingeborenen,
+mit Deiner Furcht vor den B&auml;umen?&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_301" id="Page_301">[301]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Verdamm es, nein,&laquo; brummte der Seemann, &raquo;ich geh&ouml;re zur <span class="f">Kitty
+Clover</span>.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Dem Wallfischf&auml;nger?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Ja.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und weshalb bist Du da nicht an Bord, Sirrah?&laquo; frug der Officier
+scharf &mdash; &raquo;die <span class="f">Kitty Clover</span> steht &uuml;berhaupt in dem Verdacht andere
+Ladung als Thran an Bord zu f&uuml;hren, und wenn ich nicht irre haben die
+Missionaire schon Klage eingereicht, da&szlig; Ihr den ganzen Ort mit Brandy
+&uuml;berschwemmt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Die Missionaire k&ouml;nnen zu Grase gehen,&laquo; erwiederte Bob gleichg&uuml;ltig,
+&raquo;die schwatzen viel wenn der Tag lang ist. Was &uuml;brigens die <span class="f">Kitty
+Clover</span> thut geht <span class="g">mich</span> nichts an &mdash; die <span class="f">Kitty Clover</span> ist ein ganz
+selbstst&auml;ndiges Frauenzimmer.&laquo;</p>
+
+<p>Bertrand lachte. &raquo;Doch apropos,&laquo; rief er pl&ouml;tzlich, sich zu Murphy
+wendend, der noch immer auf seinem niederen Schemel sa&szlig;, und den in
+der Eile aufgegriffenen Schuh wie mi&szlig;trauisch betrachtete, &raquo;was war's
+denn was der Bursche da vorhin versteckte? seh doch einmal Einer von
+Euch nach &mdash; in der Kalebasse da dr&uuml;ben mu&szlig; es sein, vielleicht da&szlig;
+uns das auf Jacks Spur bringt.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Und was habt Ihr Euch um anderer Leute Kalebassen zu bek&uuml;mmern?&laquo; rief
+aber die Frau jetzt, zum ersten Mal des Schusters Parthei ergreifend,
+der<span class='pagenum'> <a name="Page_302" id="Page_302">[302]</a></span> nur mit finster trotzigem Blick vor sein Eigenthum trat, und
+nicht &uuml;bel Willens schien es zum Aeu&szlig;ersten zu vertheidigen &mdash; &raquo;hab
+ich Euch nicht gesagt da&szlig; ich Nichts von Euerem ganzen Gesindel wei&szlig;,
+und mir noch weniger daraus mache, und &uuml;berhaupt w&uuml;nsche die
+gottvergessenen Wi-Wis in meinem ganzen Leben nicht gesehen zu haben? &mdash; ist das jetzt Zeit, mitten in der Nacht bei einer armen alten Frau
+einzubrechen, das Unterste zu oberst zu kehren, und unschuldige Leute
+mit geladenen Gewehren und Bajonetten zu erschrecken? Fort mit Euch
+wohin Ihr selber geh&ouml;rt, was wollt Ihr von uns? &mdash; was steht Ihr noch
+da?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Komm hier M&uuml;tterchen,&laquo; lachte aber der eine Soldat, ein riesiger
+Bursche, sie und Murphy zu gleicher Zeit aber sanft bei Seite
+schiebend, w&auml;hrend der Andere, unter Murphys Armen fort, die fragliche
+Kalebasse mit dem Bajonnet anspie&szlig;te und nach vorn zog, wo das
+allerdings h&ouml;chst unverd&auml;chtige Buch zu Lichte rollte.</p>
+
+<p>&raquo;Eine Bibel,&laquo; lachte der Officier, &raquo;und weshalb versteckst Du die vor
+<span class="g">mir</span>? &mdash; hab' keine Furcht mein frommer Bursche, ich w&auml;re der Letzte
+der Dich in Deiner Andacht st&ouml;rte &mdash; la&szlig;t sie los.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Gottes Fluch &uuml;ber Euch!&laquo; schrie aber jetzt die Alte, durch das ruhige
+Verhalten der Leute nur noch<span class='pagenum'> <a name="Page_303" id="Page_303">[303]</a></span> mehr in Wuth gebracht. &raquo;Pest und Gift in
+Euere Knochen, und faulende Krankheit, da&szlig; Ihr eine arme Frau
+mi&szlig;handelt und dr&uuml;ckt in ihrem eigenen Haus!&laquo; und zuf&auml;llig vielleicht,
+oder auch mit Absicht das hei&szlig;e Cocos&ouml;l &uuml;ber die Eindringlinge
+auszusch&uuml;tten, stie&szlig; sie zu gleicher Zeit das hohe und leichte
+Bambusgestell, auf dem Murphys Cocosschale mit dem darin brennenden
+Docht stand, um, und die Soldaten konnten auch wirklich eben nur unter
+laut ausgesto&szlig;enen Fl&uuml;chen zur Seite springen, dem drohenden Oel, das
+sich jetzt entz&uuml;ndete, zu entgehen. Auf dem Boden aber schlug es in
+heller Flamme empor, den Platz mit seinem Lichte &uuml;bergie&szlig;end.</p>
+
+<p>&raquo;Alle Wetter Madonna,&laquo; rief Bertrand, der lachend zur&uuml;cksprang, &raquo;Du
+wirst Dir selber das Haus &uuml;ber dem Kopf anz&uuml;nden, und da hinten &mdash; &laquo;
+sein Blick fiel in diesem Moment auf das, ihm fast unwillk&uuml;rlich
+zugewandte Antlitz des Iren, der sich &uuml;berrascht nach der hellen
+Flamme umschaute, und wie ein z&uuml;ndender Blitz sprang zu gleicher Zeit
+die Erinnerung an jene Nacht in ihm auf, die Jack schon fr&uuml;her gegen
+Jim erw&auml;hnt, seinem Ged&auml;chtni&szlig; mit Zauberschnelle das Wo und Wie jener
+Z&uuml;ge in die Seele rufend.</p>
+
+<p>&raquo;<span class="f">Sapristi</span>,&laquo; schrie er, den Degen mit dem Wort aus der Scheide rei&szlig;end
+und gegen den Iren an<span class='pagenum'> <a name="Page_304" id="Page_304">[304]</a></span>springend &mdash; &raquo;hab' ich Dich, Kamerad &mdash; ergieb
+Dich Schuft! hierher Ihr Leute!&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Verdammt!&laquo; knirrschte Jim zwischen den Z&auml;hnen durch, &raquo;aber noch habt
+Ihr mich nicht!&laquo; und einen Sessel der dort stand aufgreifend, und dem
+Franzosen vor die F&uuml;&szlig;e schleudernd, da&szlig; dieser auf die Seite springen
+mu&szlig;te nicht dar&uuml;ber zu fallen, warf er sich, ehe die Soldaten
+herbeieilen oder selbst Bertrand ihn erreichen konnte, mit aller
+Gewalt gegen einen der Bambusst&auml;be an, der, jedenfalls schon zu einem
+heimlichen Ausgang, einer Art Nothr&ouml;hre benutzt, seinem Gewicht
+nachgab und sich nach au&szlig;en bog. Der K&ouml;rper des Fl&uuml;chtigen war im Nu
+dahinter verschwunden, und als der Officier vorspringend mit seinem
+Degen einen Sto&szlig; nach dem Entsprungenen f&uuml;hrte, traf der
+zur&uuml;ckschnellende Bambus die Klinge, und brach sie in der Mitte, wie
+Glas entzwei.</p>
+
+<p>&raquo;Feuer! beim Teufel &mdash; Feuer!&laquo; schrie Bertrand, w&uuml;thend gemacht, und
+dem Knacken der H&auml;hne folgte mit Blitzesschnelle eine Salve, mit wenig
+mehr Erfolg aber wohl, als den Bambus an einigen Stellen zu
+zersplittern und die H&uuml;tte mit Pulverrauch zu f&uuml;llen.</p>
+
+<p>Der einzige Ruhige w&auml;hrend der ganzen wilden Scene schien Bob, der
+regungslos auf seinem Platz sitzen geblieben war, und nur nach dem
+Verschwinden<span class='pagenum'> <a name="Page_305" id="Page_305">[305]</a></span> Jims und der rasch gefeuerten Salven wie sp&ouml;ttisch mit
+dem Kopf sch&uuml;ttelte. &raquo;Hm, m&ouml;chte wissen was da im Winde ist &mdash; verteufelter Kerl, wie fix er durch die Wand war,&laquo; murmelte er vor
+sich hin; &raquo;sein Hals kann auch seinen Beinen dankbar sein, mein' ich,
+denn auf einen blo&szlig;en Deserteur wird doch nicht gleich geschossen &mdash; hab's mir aber etwa gedacht, da&szlig; der Bursche wohl was erz&auml;hlen k&ouml;nnte &mdash; wenn er nur wollte.&laquo;</p>
+
+<p>Ein paar Soldaten wollten jetzt rasch zur Th&uuml;r hinaus, dem Fl&uuml;chtigen
+nachzusetzen, Bertrand rief sie aber zur&uuml;ck.</p>
+
+<p>&raquo;La&szlig;t ihn heute, in dem Unterholz ist er schon lange in Sicherheit,&laquo;
+sagte er seine Klinge vom Boden aufhebend und den Sprung, mit einem
+leise gemurmelten Fluch wieder zusammenpassend &mdash; &raquo;wart' aber
+Canaille; also hier nach Tahiti her hast Du Dich gefunden? &mdash; nun
+hoffentlich war das nicht das letzte Mal da&szlig; wir einander begegnet
+sind, und das n&auml;chste Mal <span class="g">kenn'</span> ich Dich, darauf kannst Du Dich
+verlassen. Und Du M&uuml;tterchen,&laquo; wandte er sich pl&ouml;tzlich an die alte
+Frau, die knurrend und keifend neben dem qualmenden brennenden Oele
+stand, und giftige Blicke bald nach der Ursache dieser Ueberst&uuml;rzung
+ihres Hausstandes, bald nach dem ungl&uuml;cklichen Schuster hin&uuml;ber warf,
+an dem sie nur<span class='pagenum'> <a name="Page_306" id="Page_306">[306]</a></span> noch nicht recht wu&szlig;te, wie sie einen Halt bekommen
+sollte, ihren Grimm auszulassen &mdash; &raquo;Du kannst mir vielleicht sagen wie
+der Bursche, der da eben durch Deine Wand sprang, hei&szlig;t, was er treibt
+und wo er wohnt.&laquo;</p>
+
+<p>M&uuml;tterchen Tot war aber keineswegs in der Laune irgend eine Auskunft
+zu geben, und ihren vollen Grimm gegen den Frager kehrend, &uuml;berh&auml;ufte
+sie ihn mit einer wahren Fluth von Schimpfreden und Zornesworten, da&szlig;
+er verlange sie solle alles Gesindel kennen, das sich auf der Insel
+herumtriebe, und die Wohnung von Leuten angeben die zu ihr in's Haus
+k&auml;men einen Dollar zu verzehren, wovon sie leben m&uuml;sse in ihren alten
+Tagen.</p>
+
+<p>Bob wollte ebenfalls von Nichts wissen, und Bertrand sah wohl ein da&szlig;
+er hier nur seine, jetzt weit kostbarere Zeit vergeuden w&uuml;rde, aus den
+hier Anwesenden durch Drohungen oder Bitten etwas herauszulocken.
+Vielleicht aber vermochte ihm ihr Eigennutz, dieser gewaltige Hebel
+der Menschheit mehr zu n&uuml;tzen, und sich an die Alte wendend da der
+Matrose wohl schwerlich einen Kameraden verrathen w&uuml;rde, sagte er
+ruhig:</p>
+
+<p>&raquo;Frieden M&uuml;tterchen, eben weil Ihr eine arme verlassene Wittwe seid,
+red' ich zu Euerem Besten,<span class='pagenum'> <a name="Page_307" id="Page_307">[307]</a></span> und wollt Ihr einen Haufen Geld mit einem
+Schlag verdienen, so habt Ihr weiter Nichts zu thun als Ja zu sagen.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Haufen Geld,&laquo; mumpelte die Alte m&uuml;rrisch, aber auf einmal merkw&uuml;rdig
+bes&auml;nftigt, in ihrem zahnlosen Mund &mdash; &raquo;Haufen Geld, ja mit der Zunge,
+da versprecht Ihr Wi-Wis das Blaue vom Himmel herunter &mdash; Haufen Geld &mdash; wie soll eine arme verlassene Wittwe einen Haufen Geld verdienen in
+dieser schweren, dr&uuml;ckenden Zeit? &mdash; fort mit Euch, ich kenne Euch
+schon von alten Zeiten her.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Schon gut, Madonna, also Du wei&szlig;t nicht wo jener Bursche, der da eben
+durch die Bambuswand sprang, und mit der Gelegenheit dieses Hauses
+<span class="g">au&szlig;erordentlich</span> vertraut scheint, sich &uuml;ber Tag aufh&auml;lt, und wo er
+wohnt?&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;Nein &mdash; Nichts,&laquo; brummte die Alte m&uuml;rrisch.</p>
+
+<p>&raquo;Wei&szlig;t auch nicht wie er hei&szlig;t?&laquo;</p>
+
+<p>Die Alte z&ouml;gerte und sah halb unschl&uuml;ssig Bob an, der aber sog ruhig
+an seiner Pfeife und schaute still und heimlich l&auml;chelnd vor sich
+nieder &mdash; sie sch&uuml;ttelte trotzig mit dem Kopf.</p>
+
+<p>&raquo;Gut,&laquo; sagte Bertrand, sich die Lippen bei&szlig;end, &raquo;vielleicht f&auml;llt
+Dir's sp&auml;ter ein; frischt sich aber Dein Ged&auml;chtni&szlig;, so kannst Du 500
+Frank &mdash; verstehst<span class='pagenum'> <a name="Page_308" id="Page_308">[308]</a></span> Du? &mdash; 500 Frank verdienen, wenn Du mir
+Gelegenheit giebst des Schuftes habhaft zu werden.&laquo;</p>
+
+<p>&raquo;F&uuml;nfhundert Frank?&laquo; sagte die Alte ungl&auml;ubig.</p>
+
+<p>&raquo;Auf der Stelle ausgezahlt, sobald wir den Burschen in unsere Gewalt
+bekommen &mdash; und selbst f&uuml;r den Anderen sollst Du zweihundert haben,
+wenn Du uns zu seiner Ergreifung beh&uuml;lflich bist.&laquo;</p>
+
+<p>Bob hob jetzt zum ersten Mal den Blick vom Boden auf, und sah die Alte
+lauernd an &mdash; M&uuml;tterchen Tot schien aber in der That in tiefem
+Nachdenken verloren &uuml;ber den Vorschlag, und es bedurfte einiger
+Minuten, ehe sie die Versuchung von sich absch&uuml;tteln konnte &mdash; wenn
+sie sich nicht etwa gar vor den Zeugen genirte.</p>
+
+<p>&raquo;Ich will Nichts mit der Sache zu thun haben,&laquo; brummte sie
+kopfsch&uuml;ttelnd &mdash; &raquo;hat O'Flannagan sich &mdash; &laquo;</p>
+
+<p>&raquo;O'Flannagan?&laquo; frug Bertrand rasch.</p>
+
+<p>&raquo;Ach zum Teufel!&laquo; rief die Alte, jetzt selber &auml;rgerlich werdend &mdash; &raquo;lauert Einem nicht das Wort von den Lippen, eh' es gesprochen ist &mdash; was wei&szlig; ich wie Einer hei&szlig;t der bei mir aus und ein geht, und sich so
+oder so nennen kann &mdash; wen k&uuml;mmerts. Es ist Nachtschlafenszeit, und
+ich will meine Ruhe haben in meinem eigenen Haus &mdash; versteht Ihr
+das?&laquo;<span class='pagenum'> <a name="Page_309" id="Page_309">[309]</a></span></p>
+
+<p>&raquo;Ich versteh' Euch, M&uuml;tterchen,&laquo; lachte aber Bertrand &mdash; &raquo;danke
+&uuml;brigens f&uuml;r den Wink, und &mdash; verge&szlig;t die 500 Frank nicht. &mdash; Doch
+jetzt: Achtung. Ihr Leute rechts umkehrt und vorw&auml;rts marsch!&laquo; und den
+Soldaten voran schreitend, die ihm durch die niedere Th&uuml;r mit
+geb&uuml;ckten K&ouml;pfen folgten, verlie&szlig; er rasch das Haus, und bald verklang
+der letzte Schritt der bewaffneten M&auml;nner in der Ferne.</p>
+
+<p>Bob war aufgestanden und lauschte dem weiter und weiter
+verschwimmenden Ger&auml;usch der ihm genug verha&szlig;ten Franzosen. Dann sich
+den Hoseng&uuml;rtel nach Seemannsart in die H&ouml;he r&uuml;ckend und den Hut etwas
+weiter aus dem Gesicht schiebend, dr&uuml;ckte er beide H&auml;nde neben den
+H&uuml;ften in den Bund und drehte sich ab, ohne weiteres Wort oder Gru&szlig;
+das Haus zu verlassen.</p>
+
+<p>Die Alte sah ihm finster und schweigend nach, ohne ihn aufzuhalten, in
+der Th&uuml;r aber blieb er pl&ouml;tzlich noch einmal stehen, drehte sich um,
+nahm mit der linken Hand die Pfeife aus dem Munde, und sagte:</p>
+
+<p>&raquo;<span class="g">Mein</span> Name ist Bob Candy,&laquo; und sich dann auf dem Absatz
+herumschwingend, verschwand er durch die noch offene Th&uuml;r.</p>
+
+<p>M&uuml;tterchen Tot aber l&ouml;schte die Lichter aus, ohne auf Murphy oder den
+jetzt wieder zum Feuer nieder<span class='pagenum'> <a name="Page_310" id="Page_310">[310]</a></span>gekauerten Indianer irgend eine
+R&uuml;cksicht zu nehmen, und dr&uuml;ckte sich m&uuml;rrisch und knurrend auf ihr
+Lager in der Ecke nieder. Sie hatte den Kopf voll, und selbst der
+kleine Schuster konnte sich heut Abend unbel&auml;stigt auf sein Lager
+werfen, den Mosquitos ein paar Stunden Schlaf abzuringen.</p>
+
+
+
+
+<hr style="width: 65%;" />
+<div class="note">
+<p><b>Anmerkungen zur Transkription:</b> Die Schreibweise einiger W&ouml;rter ist im Originalbuch inkonsistent. Im vorliegenden ebook wurden lediglich
+offensichtliche Druck- und Zeichensetzungsfehler korrigiert.</p>
+</div>
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+<pre>
+
+
+
+
+
+End of Project Gutenberg's Tahiti. Zweiter Band., by Friedrich Gerstäcker
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK TAHITI. ZWEITER BAND. ***
+
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+
+
+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
+http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at
+809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
+business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
+information can be found at the Foundation's web site and official
+page at http://pglaf.org
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit http://pglaf.org
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: http://pglaf.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
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+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
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+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
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